flip-Joker_2022-07-8
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Kunst KULTUR JOKER 11
Piet Mondrian: „Kirchturm in Domburg“, 1911, Öl auf Leinwand, 114
× 75 cm, Kunstmuseum Den Haag, Niederlande, Vermächtnis Salomon
B. Slijper © 2022 Mondrian/Holtzman Trust Foto: Kunstmuseum Den Haag
Eine fast lineare Entwicklung
Die Fondation Beyeler zeigt Piet Mondrians Weg in die Abstraktion
Piet Mondrian: „Komposition mit Gelb und Blau“, 1932, Öl auf Leinwand, 55,5 x 55,5 cm,
Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler; erworben mit einem Beitrag von Hartmann
P. und Cécile Koechlin-Tanner, Riehen © Mondrian/Holtzman Trust Foto: Robert Bayer, Basel
Es ist alles angelegt: die Vertikale
durch die Windmühlen
und Leuchttürme und die Horizontale
ergibt sich bei der
niederländischen Landschaft
geradezu von selbst. „Evolution“
heißt die große Mondrian-
Schau der Fondation Beyeler im
Untertitel. Dass die Abstraktion
sozusagen die Krönung dieser
Entwicklung ist, daran lässt
die Ausstellung keinen Zweifel.
Mondrian wurde vor 150
Jahren im niederländischen
Amersfoort geboren, die Landschaft
hat ihn geprägt, in Paris
fand er Anschluss an die
Avantgarde und befasste sich
in den Jahren 1912 bis 1914 mit
dem Kubismus. 1917 gehört er
zu den Gründungsmitgliedern
der Künstlervereinigung „De
Stijl“, in dieser Zeit setzt er sich
intensiv mit dem Raster auseinander.
Später im Exil in New
York findet er zu einer Malerei,
die viele als Entsprechung der
Zeit empfunden haben: rational,
aber auch voller Rhythmus.
1944 stirbt er in New York
In Riehen werden seine
späten Kompositionen den
gegenständlichen Anfängen
gegenüber gestellt. Etwa, um
die Bedeutung der Vertikalen
in seinem Werk herauszustellen.
So sind einige der Bilder,
die in Zeeland zwischen 1908
und 1911 entstehen zusammen
mit der „Komposition mit Blau
und Weiß“ aus dem Jahr 1936
zu sehen. Es sieht aus als wäre
das Raster, das durch schmale
vertikale Felder bestimmt
wird, in all den Kirch- und
Leuchttürmen bereits vorgebildet
gewesen; auch wenn die
ausdrucksstarke Farbigkeit des
„Zeeländischen Kirchturms“
etwa, der vor einem türkisfarbenen
Himmel Rosa leuchtet,
später durch die Primärfarben
ersetzt wird. Evolution klingt
nach einer stringenten Bewegung,
die zwangsläufig auf die
Abstraktion zulaufen muss. So
ist das nicht, Mondrian wird
sich mehrfach wieder mit der
gegenständlichen Malerei befassen.
Man könnte das figurative
Werk Mondrians aber
auch als gleichwertig verstehen
und nicht als bloßen notwendigen
Zwischenschritt hin zum
bekannten Raster. Mondrian
setzt sich die ersten Jahre seines
Künstlerdaseins intensiv
mit der Tradition der niederländischen
Malerei auseinander.
Die „Frau mit Spindel“, die
zwischen 1893 und 1896 entstanden
ist, stellt ein Beispiel
klassischer Genremalerei dar.
Solche häusliche Szenen haben
bereits Generationen von Maler
geschaffen, während der „Wald
bei Oele“ bereits sehr eigenwillig
die Frage der Lichtverhältnisse
löst. Wie ein Band mit
kleinen Sonnen dringt das Licht
in den Wald ein.
Um 1908 verwendet Piet
Mondrian zwar nicht den Begriff
der Evolution als Titel,
wohl aber den der „Metamorphose“.
Gleich vier Bilder und
Papierarbeiten mit Crysanthemen
sind in Riehen zu sehen.
Das schmale Format orientiert
sich dabei an der langstieligen
Schnittblume. Meist sind die
weißen Crysanthemen in voller
Blüte dargestellt, doch in „Metamorphose:
Sterbende Crysantheme“
beginnt die Blüte sich in
eine weiße Fläche aufzulösen.
Einen ganzen Raum widmet
die Fondation Beyeler dem
Thema des Baumes. Es stellt
im Oeuvre Mondrians so etwas
wie einen Übergang dar. Während
Mondrian zwischen 1908
und 1910 in „Abend: Der rote
Baum“ noch einen ausladenden
Baum vor einem nachtblauen
Hintergrund malt, wird er in
den nächsten Jahren vor allem
die Struktur übernehmen.
Links und rechts vom Stamm
erheben sich mächtige Äste
über der Erde, sie bilden einen
Bogen, der von der Spitze überragt
wird. Diese kreuzartige
Form wird auch in den späteren
Kompositionen noch als Baum
zu erkennen sein. Der „Blühende
Apfelbaum“ aus dem
Jahr 1912 erinnert im Titel an
das Motiv. Er wolle die Natur
auf die Essenz des Bildes reduzieren,
hat Mondrian einmal
gesagt. Mehr und mehr beginnt
er die Umrisse von Landschaften
oder Gebäuden wie Mühlen
in ein Raster zu übersetzen.
Manchmal sieht dies wie eine
Notation aus. Eine Notation
zudem, die sich als flächige
Übersetzung lesen lässt oder
als eine Art gestaffelter Raum.
Wie sehr ihn die Frage nach der
räumlichen Illusion beschäftigt,
Jubiläumsausstellung „Treff 60“
Vernissage 10.Juli um 11.30 h
60 Jahre
10.Juli - 7.August 2022, Fr. - So. 16 - 19 h
Reinhold-Schneider-Straße 2 in 79117 Freiburg
gedok-freiburg.de
zeigt auch „New York City 1“,
das 1941 entstanden ist. Mondrian
hat hier farbige Papierstreifen
zu einem Karomuster zusammengefügt,
dass an ein sehr
lockeres Webstück erinnert, bei
dem die Kett- und Spannfäden
einen ganz eigenen Rhythmus
bilden. Überhaupt Rhythmus:
es hat sich an den Werken der
Sammlung gezeigt, was exakt
konstruiert wirkt, hat Mondrian
freihändig gemalt.
Mondrian Evolution. Fondation
Beyeler, Baselstr 101,
Basel-Riehen. Mo-So 10-8 Uhr,
Mi 10-20 Uhr. Bis 9. Oktober
2022.
Annette Hoffmann