flip-Joker_2022-07-8
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nachhaltig KULTUR JOKER 41
Feier-Abend! Die letzten 3 AKW werden abgeschaltet
Wenn Politik und Medien Nebelkerzen werfen, wenn Ahnungslosigkeit nur vorgetäuscht wird, lohnt ein Blick hinter die Kulissen.
Als Stromkonzernchef muss
man doch verzweifeln, ständig
werden die Geschäftsmodelle
infrage gestellt, bei denen die
lästigen, kleinteiligen Bürger-
Projekte außen vor bleiben und
nur einige wenige viel Geld verdienen
können. Zentralistische
Großkraftwerke, also Kohle,
Atom und Gas-Infrastruktur, die
einem nicht von Bürgerinitiativen
streitig gemacht werden. So
hockt man als Spinne im Netz,
akkumuliert Geld und Macht, um
mit Geld und Macht wiederum die
Bedingungen zu kontrollieren, die
mehr Geld in die eigenen Kassen
spülen und weitere Marktmacht
sichern. Der Atomausstiegsbeschluss
im Fukushima-Jahr 2011
war schon ein harter Schlag für
alle, die in diesen Strukturen
denken. Er wurde mit holperigen
Ausstiegs-Stufen so konstruiert,
dass in den letzten beiden
Abschaltjahren, 2021 und 2022,
steile Klippen Ausstiegsprobleme
vorprogrammieren. Und es wurde
auf dem Weg zum Ausstiegsjahr
2022 mithilfe der Verbündeten in
Politik und Behörden der Ausbau
der Erneuerbaren nach Strich und
Faden behindert, um nun lauthals
die Versorgungsprobleme zu
bejammern. Mit einer schwarzgelben
Regierung hätte man den
Rollback organisieren können,
wie damals, vor Fukushima, aber
es ist im September 2021 bekanntlich
anders gekommen.
Nachdem dann auch noch ein
Kohleausstiegspfad beschlossen
wurde – übrigens ebenso holprig
konstruiert und mit den gleichen
Fallhöhen am Ende der Stufen,
wie beim Atomausstieg – blieb
als zentralistisches Geschäftsmodell
nur noch das Erdgas. Der
breiten Öffentlichkeit blieben die
Vorbereitungen für eine Erdgas-
PR-Offensive verborgen, doch
in diesen Kontext gehört sowohl
Peter Altmaiers Kapriole, sich
als „Sexy-Erdgas-Botschafter“
zu inszenieren – in seiner Eigenschaft
als Wirtschaftsminister
– als auch die Strompreis-alarmistischen
Presse-Offensiven
im Herbst 2019. Man wollte es
mal wieder den Erneuerbaren in
die Schuhe schieben. Dumm für
die Gas-Lobby, dass zeitgleich
und auf der Grundlage derselben
Daten (!) die Strompreisstudie
der Uni Nürnberg/Erlangen belegte,
dass die Erneuerbaren den
Verbraucher:innen Milliardenbeträge
erspart haben. Ohne Solarund
Wind-Strom wäre man auf
– schon damals teure – Gaskraftwerke
angewiesen gewesen, das
hätte die Strompreise tatsächlich
getrieben.
Nun also jammern nur noch
einige dienstbeflissene Atom-
Lautsprecher wie Merz, Lindner,
Söder oder Kretschmer, während
die drei Betreiber der letzten
drei AKW den Ausstieg zum
31.12.2022 im Detail durchgeplant
haben.
Brennstäbe können nicht einfach
irgendwo gekauft werden
Der RWE-Chef Markus Krebber
wundert sich über die „rückwärtsgewandte
Debatte“ und „vor
allem über den Zeitpunkt“, es sei
zu spät. Die Personalplanung ist
auf den Abschalttag zugeschnitten,
den Brennstoff kann man
nicht bei Aldi kaufen, die Brennelemente
werden speziell für das
AKW konfektioniert und auch
eine Abkehr von russischen Lieferanten
innerhalb der Lieferkette
vom Uran bis zum Brennelement
ist mit Genehmigungsaufwand
verbunden. Eons Atomtochter
PreussenElektra bekannte noch
im März, sich in russische Abhängigkeiten
begeben zu haben. Das
2007 vom Ex-Geheimdienstler
Putin gegründete, staatliche Konzern-Konglomerat
Rosatom verfolgt
genau diesen Zweck, nämlich
sich wie eine Krake in der
internationalen Atomwirtschaft
auszubreiten und so sensible Abhängigkeiten
zu organisieren. Die
360 Rosatom-Firmen decken die
gesamte Palette vom Uran-Bergbau
über Kernbrennstoff-Produktion,
Forschung, AKW-Bau
und Betrieb, Atomwaffen und
Atomantriebe für U-Boote und
andere Kriegsschiffe ab. Kein
Wunder also, dass auch russische
Atom-Lobbyisten in Brüssel die
Strippen für ein grünes EU-Label
für Atomkraft ziehen. Wer begriffen
hat, wie Moskau Europa
am nuklearen Gängelband hält,
möchte die Laufzeit-Prediger
einfach nur schütteln, egal ob ihre
Ahnungslosigkeit echt oder nur
vorgetäuscht ist. Die strategische
Ahnungslosigkeit all der Landesfürsten
und Partei-Kaiser soll
darüber hinwegtäuschen, dass
sie nackt sind und gerne davon
ablenken möchten, dass sie keinerlei
Lösungsvorschläge parat
haben, für all die Krisen, in die
sie uns hineinmanövriert haben.
Das Atomgesetz wird nicht
geändert
Der Kraftwerksleiter vom
bayrischen AKW Isar2 drängte
jüngst mit Vorschlägen in die
Medien, wie man den Ausstieg
in Bayern doch noch rückgängig
machen könne. Man müsste
halt das Atomgesetz ändern
und alles über den Haufen werfen
– natürlich auf Kosten der
Steuerzahler:innen. Ende Juni
meldete sich dann sein Chef,
der Eon-Vorstandsvorsitzende
Leonard Birnbaum zu Wort. In
einem Brief an die Belegschaft
der Atomkraft-Tochter PreussenElektra
stellte er klar, dass
die Entscheidung der Bundesregierung
respektiert wird. „Ich
kann mir vorstellen, dass sich der
eine oder andere von Ihnen Hoffnungen
gemacht hatte, dass es
für die Kernenergie für eine Zeit
lang als Übergangslösung doch
noch etwas weitergeht“, aber das
AKW Isar 2 geht im Dezember
vom Netz.
Die Atomtraumtänzer werden
also noch eine Weile strampeln,
um mediale Aufmerksamkeit
buhlen, das tote Atompferd durch
die Manege zerren, bis wirklich
der letzte Depp begriffen hat, dass
unter den gegebenen Vorzeichen
keine Änderung des Atomgesetzes
ihren Traum von der ewigen
Laufzeit erfüllen wird. Nicht
nur das bayrische AKW Isar 2,
auch die AKW von RWE in Lingen
(Niedersachsen) und EnBW
in Neckarwestheim (BW) werden
am 31.12.2022 abgeschaltet, wie
die beiden Konzerne mehrfach
bestätigten. Beide haben jüngst
wieder mit Lecks für schlechte
Presse gesorgt.
Atomausstieg by design oder
by desaster?
Schon jetzt zeichnet sich im
Die Abbildung zeigt, dass die Fehler im Atomausstiegs-Fahrplan
vorsätzlich eingebaut wurden, um die Basis für Laufzeitverlängerungen
zu schaffen. Bemerkenswerter Weise ist der
Kohleausstiegs-Pfad exakt so unstetig geplant, mit großen Klippen
am dicken Ende.
Abb.: Eva Stegen
Atom-Nachbarland Frankreich
ein Debakel für den kommenden
Winter ab, das bestätigen
wird, wie richtig es ist, sich mit
Erneuerbaren unabhängig von
fossil-nuklearen Brennstoffen
zu machen. Der jahrelange, kreative,
facettenreiche, beharrliche
Widerstand gegen die Atomkraft
zahlt sich aus. Jeder und jede, die
ihren Teil dazu beigetragen hat,
soll bei einer Ausstiegsradtour
mit anschließendem Abschaltfest
gewürdigt werden. Es war nicht
die Heldentat eines einzelnen,
sondern das erfrischend chaotische
Zusammenspiel aller, die
irgendwo einen Hebel in die richtige
Richtung geschoben haben.
Wer die ausgestrahlt.de-Radtour
vom 13. August bis zum 3.
September, von Kahl/Main nach
Freiburg, entlang der neuralgischen
Punkte des atomaren
Südens in und um Deutschland
ganz oder stückchenweise begleiten
möchte, findet das Programm
unter https://www.ausgestrahlt.
de/aktiv-werden/anti-atom-radtour-2022/anti-atom-radtoursued.
Auf der letzten Etappe, von
der Wiege des Atom-Protestes in
Wyhl nach Freiburg, freuen sich
die Radler:innen auf der 35 km
langen Strecke auf freundliche
Begleiterscheinungen auf Rädern.
Sie alle werden in Freiburg
ab 14 Uhr auf dem Platz der alten
Synagoge zu einem familienfreundlichen
Anti-Atom-Fest, mit
Musik, Kultur, Getränken und
Snacks empfangen.
Ab 18 Uhr wird in der Fabrik
an der Habsburgerstraße weiter
gefeiert. Bei Abendessen und Getränken
gibt es im Hof ein kleines
Kulturprogramm, im Vorderheus
spielen Bands, die Fahrradwerkstatt
wird zur Disko und im Kinoraum
werden Kur z filme ge zeig t.
Eva Stegen
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