flip-Joker_2022-07-8
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THEATER KULTUR JOKER 5
Diamanda Dramm an der
Solovioline Foto: Ingo Höhn
Dauerschleife der Beliebigkeit
Susanne Kennedy inszeniert am Theater Basel Philip Glass‘ Oper „Einstein on the Beach“ als begehbare Installation/Souveränes
Dirigat des künftigen Freiburger Generalmusikdirektors André de Ridder
Der Opernabend hat noch nicht
begonnen, da wird man am Theater
Basel schon Teil des Geschehens.
Zur digitalen Soundkulisse
bewegen sich seltsam
gekleidete Menschen im Parkett
mit Pultlampen auf dem Kopf,
während die Zuschauerinnen
und Zuschauer Platz nehmen.
Die verstörenden Lotsen weisen
den Weg zur Bühne, suchen den
Kontakt und laden mit durchdringendem
Blick ein, die eigene
Komfortzone zu verlassen. Dass
man während der vierstündigen
Oper „Einstein on the Beach“ von
Philip Glass und Robert Wilson
auf die Toilette gehen oder einen
Drink im Foyer zu sich nehmen
kann, ist von den Autoren so gedacht.
Das Theater Basel geht
aber bei dieser Produktion, die
in Kooperation mit den Wiener
Festwochen und dem Haus der
Berliner Festspiele entstanden
ist, noch einen Schritt weiter.
Das Publikum kann sich frei im
Raum bewegen und die Bühne
bevölkern. Regisseurin Susanne
Kennedy und Bühnenbildner
Markus Selg haben eine begehbare
Installation geschaffen.
Was diese genau darstellt,
bleibt im Ungefähren. Ein erhöhter,
durchbrochener Strahlenkranz
(oder eine Tunnelröhre?)
dominiert einen Versammlungsort.
Auf dessen Rückseite
gibt es einen Wohnbereich mit
Höhle und Papp-Lagerfeuer
und eine Art Kultstätte mit
Stierkopf. Hier essen, beeten,
schlafen und tanzen diese gemusterten
Menschen (Kostüme:
Teresa Vergho), die sowohl in
der Vergangenheit als auch in
der Zukunft verortet werden
könnten. Nur zwei von ihnen
(Frank Willens, Ixchel Mendoza
Hernández) treten mit technisch
verzerrter Stimme ab und zu in
einen sinnfreien Dialog. Auch
die strenge Suzan Boogaerdt
spricht gelegentlich einen englischen
Satz. Die Basler Madrigalisten
gehören ebenfalls zu
diesem Stamm. Warum sie vor
ihrem Gesicht Schutzschilder
tragen, bleibt rätselhaft – wie
so vieles an diesem ausuferndenAbend,
zum Beispiel auch die
digitalen Bildwelten, die über
die beiden Großleinwände flimmern.
Die Fantasielandschaften
entstehen und zerfließen wieder,
ohne dass es Konsequenzen hätte.
Eine Dauerschleife der Beliebigkeit.
Nur das Basler Ensemble Phoenix
im Orchestergraben ist ein
Fixpunkt. Hier entstehen die
sich wiederholenden Tonleitern
und Dreiklangsbrechungen, die
die Minimal Music des amerikanischen
Komponisten kennzeichnen
(souverän an der E-
Orgel: Ludovic Van Hellemont
und Samuel Wettstein). Die
vorzüglichen Basler Madrigalisten
übernehmen die Patterns
mit instrumentaler Perfektion.
Ein Rädchen greift ins andere.
Der designierte Freiburger Generalmusikdirektor
André de
Ridder behält kühlen Kopf und
orientiert sich mit erstaunlicher
Gelassenheit in der Partitur. Die
rechte Hand gibt den Puls vor,
mit der linken zählt er für alle
sichtbar die Wiederholungen.
Die Präzision der musikalischen
Interpretation verblüfft, die heiklen
Übergänge und Schlüsse
gelingen traumwandlerisch sicher.
Vor allem schafft es de
Ridder, die Musik nicht mechanisch
ablaufen zu lassen,
sondern Phrasierungen zu entwickeln.
Diamanda Dramm an
der Solovioline ist ein Ereignis.
Die Sopranarie singt Alfheiour
Erla Guomundsdóttir kristallin
vom Bühnenrand, während ihre
Doppelgängerin Ixchel Mendoza
Hernández, auf Schultern
getragen von ihren Stammesbrüdern
und -schwestern, den
Gesang simuliert.
Es dauert ein wenig, bis das
Basler Publikum das revolutionäre
Raumkonzept annimmt.
Aber nach und nach verlassen
immer mehr ihre Sitzplätze und
verteilen sich auf und hinter der
Bühne, die sich fast unterunterbrochen
langsam dreht. Jeder
einzelne kann sich so seine eigene
Inszenierung von diesem
Abend machen und Details
fixieren oder, auf dem Boden
liegend, meditativ in den Klang
und die Bilderflut eintauchen.
Das theatralische Erlebnis, die
Basler Madrigalisten auf der
Drehbühne aus nächster Nähe
zu hören, sich mit einer hinzukommenden
Performerin einen
Felsen zu teilen und dabei die
langsam vorbeiziehende Theaterwelt
auf sich wirken zu lassen,
ist enorm. Aber das Konzept
von Susanne Kennedy und
Markus Selg verhindert auch
eine Fokussierung und bringt
Unruhe mit sich. Szenen werden
von Zuschauern störend kommentiert,
ständig latscht jemand
ins Blickfeld. Auch zwei herumstreunende
Zwergziegen sorgen
für Ablenkung. Die Musik
bräuchte aber diese szenische
Verdichtung, um ihre meditative,
trancehafte Wirkung entfalten
zu können und am Theater
Basel die Spannung über die
dreieinhalb Stunden zu halten.
Das gelang der Oper Genf vor
drei Jahren in der suggestiven,
bildstarken Inszenierung von
Daniele Finzi Pasca besser. Magie
entfaltet die Basler Produktion
keine. Ein ungewöhnliches
Musiktheatererlebnis bietet dieser
„Einstein on the Beach“ aber
auf jeden Fall.
Weitere Vorstellungen: 1.-3.
Juli 2022: Haus der Berliner
Festspiele.
Georg Rudiger
OPEN AIR
KINO
08.7
17 Uhr Spiel & Animationen
20 Uhr Saisonvorstellung 22/23
~22 Uhr Filmvorführung
Asterix & Obelix: Mission Kleopatra
von Alain Chabat
Auf Französisch, mit deutschen Untertiteln
09.7 Sputnik
von Markus Dietrich
Auf Deutsch, mit französischen Untertiteln
kostenlos - ab 22 Uhr
auf dem Vorplatz
weitere Infos auf
www.artrhena.eu
15.7 303
von Hans Weingartner
Auf Deutsch, mit französischen
Untertiteln
16.7 Unterwegs mit
16.7Jacqueline
von Mohamed Hamidi
Auf Französisch, mit deutschen
Untertiteln
in Vogelgrun - 25 min von Freiburg
neben Breisach am Rhein
22.7 Alles außergewöhnlich
von Olivier Nakache
& Éric Toledano
Auf Französisch, mit deutschen
Untertiteln
23.7 Amélie rennt
von Tobias Wiemann
Auf Deutsch, mit französischen
Untertiteln