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16.07.22 Lindauer Bürgerzeitung

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14 16. Juli 2022 · BZ Nr. 28/22<br />

ENERGIE, WASSER UND VERKEHR<br />

– Anzeige –<br />

Busfahrer aus Leidenschaft und mit Überzeugung<br />

Quo vadis Stadtbus? Ein Gespräch über Hintergründe, Wünsche, Testphasen und Motivation<br />

Am 22. Oktober 1994 startete<br />

das <strong>Lindauer</strong> Stadtbussystem als<br />

„Oktoberrevolution“ – heute hagelt<br />

es wegen der mangelnden<br />

Pünktlichkeit vielfach Kritik. Hat<br />

der Stadtbus die Kurve nicht gekriegt?<br />

Wurde er totgespart oder<br />

schlechtgeredet? Ein Gespräch mit<br />

René Pietsch und Gebhard Lindhorst<br />

über Hintergründe, Wünsche,<br />

Testphasen und Motivation.<br />

Der Stadtbus startete vor 28 Jahren<br />

als leuchtender Stern. Ist der<br />

Lack ab oder was ist passiert?<br />

René Pietsch: Bei allem Verständnis<br />

für berechtigte Kritik,<br />

Fakt bleibt: Welche Stadt in unserer<br />

Größenordnung leistet<br />

sich ein solches ÖPNV-Angebot?<br />

Der Mut aller damals Beteiligten,<br />

diesen Weg zu gehen, war großartig.<br />

Es war richtig, weitsichtig<br />

und eine geniale Entscheidung.<br />

Die Stadt hat sich – gerade<br />

innerhalb der vergangenen zehn<br />

Jahre – mächtig verändert. Ich<br />

denke an jahrelange Baustellen,<br />

die Inbetriebnahme des Reutiner<br />

Bahnhofs und die dramatisch<br />

gestiegene Verkehrsbelastung<br />

auf Lindaus Straßen. Damit<br />

sind regelmäßig Behinderungen<br />

der Stadtbusse verbunden,<br />

die wir künftig dringend<br />

beeinflussen und im besten<br />

Fall vermeiden müssen.<br />

Nicht immer konnte das System<br />

in der erforderlichen Weise<br />

angepasst und optimiert werden.<br />

Politische Mehrheiten haben<br />

sich verändert. Das Budget<br />

ist begrenzt und der Versuch,<br />

möglichst viele Wünsche zu<br />

erfüllen, brachte das System<br />

irgendwann an seine Grenzen.<br />

Unsere dankbaren und treuen<br />

Kundinnen und Kunden der<br />

ersten Stunde, nämlich die, die<br />

Lindau noch ohne die türkise<br />

Flotte kannten und über deren<br />

Einführung einfach nur glücklich<br />

waren und „ihren“ Stadtbus<br />

schätzen, werden weniger.<br />

Die Anspruchshaltung und die<br />

Bereitschaft, auf die „Öffis“ zu<br />

schimpfen, ist im Gegensatz dazu<br />

stetig angestiegen.<br />

Das klingt frustriert…<br />

René Pietsch: Nein. Unser<br />

Team hat den Anspruch, den<br />

Stadtbus wieder auf Vordermann<br />

zu bringen. Ich bin mein<br />

Berufsleben lang und an unterschiedlichen<br />

Orten Verkehrsmensch<br />

und weiß, dass die<br />

Probleme sich überall sehr<br />

ähneln und dass Menschen<br />

entsetzt aufschreien, wenn sich<br />

etwas ändert. Tatsache ist aber,<br />

dass Veränderung zur Weiterentwicklung<br />

dazu gehört und<br />

dass wir nichts verbessern können,<br />

wenn wir darauf bestehen,<br />

dass alles so bleiben muss, wie<br />

es vor 28 Jahren war.<br />

Wenn wir dem Klimawandel<br />

etwas entgegensetzen wollen,<br />

dann wird sich das Mobilitätsverhalten<br />

grundlegend ändern<br />

müssen. Und dazu kann<br />

der ÖPNV entscheidend beitragen.<br />

Ob nun vom Individualverkehr<br />

auf den ÖPNV umgestiegen<br />

wird, weil es günstiger<br />

ist, oder ob diese Entscheidung<br />

rein vom Angebot abhängt,<br />

das wird gerade sowohl deutschlandweit<br />

– Stichwort Neun-Euro-<br />

Ticket – als auch bei uns in Lindau<br />

– Stichwort Ein-Euro-Ticket<br />

und Testphase für das Optimierungskonzept<br />

– quasi „am offenen<br />

Herzen“ ausgelotet.<br />

Sie sprechen von „heiligen Kühen“,<br />

wie beispielsweise dem Rendez-Vous-<br />

System oder dem ZUP-Standort?<br />

René Pietsch: Damit wir<br />

wieder besser werden können,<br />

müssen wir was tun. „Weiter so“<br />

geht nicht und – so schade das<br />

ist – man kann es auch nicht<br />

allen Menschen recht machen.<br />

Die Optimierungs-Testphase mit<br />

Streckenkürzungen hat im Vorfeld<br />

hohe Wellen geschlagen.<br />

In mancherlei Hinsicht sicher<br />

zu Recht. Der Bus muss zu den<br />

Menschen kommen, damit er<br />

angenommen wird, nicht umgekehrt.<br />

Darum fährt der Bus ja<br />

zum Beispiel auch durch den<br />

Inselkern. Aber nur, indem wir<br />

im Echtbetrieb Dinge verändern<br />

und ausprobieren, können<br />

wir kluge Entscheidungen<br />

für die Zukunft treffen und unser<br />

System fit für die Zukunft<br />

machen.<br />

Wenn Sie sich etwas wünschen<br />

dürften, was wäre das?<br />

René Pietsch: Als erstes würde<br />

ich mir ganz viele Bewerbungen<br />

von Busfahrern und Busfahrerinnen<br />

wünschen. Da sind wir<br />

echt am Anschlag. Als zweites<br />

würde ich mir ein wenig von<br />

dem „Spirit“ zurückwünschen,<br />

den es früher gab, den ich aber<br />

leider nur aus Erzählungen<br />

meiner älteren Kollegen und<br />

Kolleginnen kenne. Ich würde<br />

mir wünschen, dass über gemeinsame<br />

konstruktive und<br />

kreative Vorschläge gute Ergebnisse<br />

erzielt werden, dass wir<br />

ein bisschen von der Haltung<br />

Fahrmeister Gebhard Lindhorst fühlt sich in seinem 286 PS starken türkisen Gefährt als „König der Straße“.<br />

Er mag es, Menschen durch die Stadt zu chauffieren – eben ein Busfahrer aus Leidenschaft. BZ-Foto: SWLi<br />

„Wir schaffen das“ zurückerobern<br />

können und dass es wieder<br />

„unser Stadtbus“ wird, den<br />

unsere Busfahrer/-innen voller<br />

Stolz durch die Stadt lenken.<br />

Um den Stadtbus fit für die<br />

Verkehrswende zu machen, braucht<br />

es neben einem klugen Konzept<br />

aber vor allem zusätzliche Finanzmittel.<br />

Das können die<br />

Kommunen, das kann auch die<br />

Stadt Lindau nicht alleine stemmen.<br />

Deshalb müssen Bund<br />

und Land die finanziellen Voraussetzungen<br />

für den künftigen<br />

ÖPNV schaffen. Der Green-Deal<br />

muss nicht nur gewollt, sondern<br />

auch finanziert werden.<br />

Sie brauchen Busfahrer/-innen?<br />

René Pietsch: Ganz dringend!<br />

Ohne Fahrer/-innen kein Stadtverkehr.<br />

Das ist ein Knochenjob<br />

und die Damen und Herren<br />

brauchen oft Nerven wie Drahtseile.<br />

Diese Arbeit kann aber<br />

auch richtig Spaß machen und<br />

erfüllend sein.<br />

Herr Lindhorst, Sie sind nicht nur<br />

Fahrmeister, sondern, wann immer<br />

es geht, auch Busfahrer: immer<br />

noch aus Leidenschaft und<br />

Überzeugung?<br />

Gebhard Lindhorst: Unbedingt!<br />

Für mich und die meisten<br />

meiner Kolleginnen und<br />

Kollegen ist der Job als Busfahrer/-in<br />

das Größte! Wir sind<br />

die Könige der Straße, haben<br />

286 PS unterm Hintern... Aber<br />

mal Spaß beiseite. Mich faszinieren<br />

die Technik und die Größe<br />

der Fahrzeuge und ich freue<br />

mich über die Menschen, die<br />

einsteigen. Wenn ich bei zweistelligen<br />

Minus-Temperaturen<br />

und Schneegestöber morgens<br />

um sechs Uhr die Haltestelle anfahre<br />

und in den Augen der<br />

Menschen Dankbarkeit und<br />

Freude sehe, dass der Bus da ist,<br />

dann geht mir das Herz auf.<br />

Immer noch. Wir haben nämlich<br />

eine ganze Menge lieber<br />

und freundlicher Kunden, das<br />

darf man nicht vergessen. Wir<br />

machen Lindau mobil und<br />

deshalb ist es einfach nur gut,<br />

dass es den Stadtbus gibt. Als<br />

Busfahrer erlebst du täglich<br />

noch echte Menschen, echte<br />

Geschichten und echte Emotionen<br />

– für jemanden, der<br />

Menschen mag, ein toller Job!<br />

manu<br />

Sie haben weitere Fragen?<br />

Alle Informationen rund um<br />

Energieversorgung, Wasser und<br />

Verkehr finden Interessenten auf<br />

der Homepage der Stadtwerke<br />

Lindau:<br />

@ www.sw-lindau.de

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