Ein Profilhersteller im ganz großen Rahmen
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Im Blickpunkt<br />
GEALAN<br />
Die Gealan-Firmenzentrale in Oberkotzau bei Hof – hier arbeiten über<br />
300 Mitarbeiter, auch der hausinterne Werkzeugbau befindet sich hier.<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Profilhersteller</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>ganz</strong> <strong>großen</strong> <strong>Rahmen</strong><br />
GEALAN<br />
2021 war das bislang erfolgreichste Jahr in der Geschichte von Gealan. Mit einem Umsatzwachstum von<br />
35 Prozent konnte der auf Kunststoff-Profile für Fenster und Türen spezialisierte Hersteller aus dem<br />
oberfränkischen Oberkotzau ein Rekordergebnis einfahren. Im Gespräch mit dem baustoffPARTNER zeichnet<br />
Geschäftsführer Ivica Maurović das Bild eines Unternehmens, dessen Erfolg vor allem auf seinen Mitarbeitern<br />
und deren Innovationskraft beruht – und auf einem klaren Fokus auf den Bedürfnissen des Markts.<br />
»Gealan-Linear«, der neue<br />
Allrounder in 74 mm Bautiefe,<br />
bedient den Trend nach einem<br />
klarem, kantigen Design.<br />
Von Peter Lang<br />
<br />
Als Ivica Maurović 2002 als Außendienstmitarbeiter<br />
in Kroatien zu Gealan kam,<br />
steckte das Unternehmen mitten <strong>im</strong> Umbruch.<br />
Die Inhaberfamilie Fickenscher hatte<br />
das Unternehmen gerade erst an eine<br />
Private-Equity-Firma verkauft, die Gealan<br />
einen rasanten Wachstumskurs, vor allem<br />
in Osteuropa, verordnete. Dies führte<br />
u. a. auch zur Gründung einer eigenen Niederlassung<br />
in Kroatien, die Ivica Maurović<br />
seit 2004 leitete. »Zwischen 2000 und<br />
2008 ist Gealan von 90 auf 270 Mio. Euro<br />
gewachsen«, erläutert Ivica Maurović. Die<br />
Finanzkrise 2008 / 9 setzte dieser rasanten<br />
Entwicklung erst einmal ein Ende. Der<br />
Umsatz in Osteuropa, der damals rund 70<br />
Prozent des Gesamtumsatzes ausmachte,<br />
brach ein. Ivica Maurović aber hatte seine<br />
Aufgaben in Kroatien so gut erledigt, dass<br />
er 2009 als Geschäftsführer Marketing &<br />
Vertrieb in die Firmenzentrale nach Oberkotzau<br />
berufen wurde. »Die Zielsetzung war,<br />
das Unternehmen stärker nach Westeuropa<br />
auszurichten«, so Maurović.<br />
Langfristige Wachstumsstrategie<br />
Als 2014 die Ära der Finanzinvestoren bei<br />
Gealan endete und das Unternehmen<br />
von der familiengeführten Veka AG übernommen<br />
wurde, konnten Ivica Maurović<br />
und sein Geschäftsführerkollege Tino Albert<br />
den <strong>Profilhersteller</strong> strategisch neu<br />
ausrichten. »Der <strong>Ein</strong>stieg von Veka hat<br />
uns Sicherheit gegeben, wir konnten eine<br />
langfristige Sicht auf den Markt entwickeln.«<br />
Die seither verfolgte strategische<br />
Ausrichtung basiert auf vier Säulen,<br />
Juli 2022 12<br />
Im Blickpunkt
wie Ivica Maurović erläutert: Mitarbeiter,<br />
Wachstum, Innovation und Effizienz.<br />
In der modernen Arbeitswelt von Gealan<br />
ist für starre Hierarchien kein Platz: »Die<br />
Zeit, in der Geschäftsführer Befehle erteilen,<br />
ist lange vorbei. Unsere Mitarbeiter sollen<br />
in der Lage sein, eigene Entscheidungen<br />
zu treffen«, betont Ivica Maurović. Offene<br />
Bürostrukturen, ein innovatives Schichtmodell<br />
in der Produktion oder Investitionen in<br />
<strong>ganz</strong> praktische Dinge wie eine neue Kantine<br />
oder einen Mitarbeiterparkplatz sind Beispiele<br />
dafür, wie sich Gealan als moderner<br />
Arbeitgeber definiert. Im Umgang miteinander<br />
baut man auf die fünf Kernwerte Vertrauen,<br />
eine offene Kommunikation, Teamgeist,<br />
Wertschätzung und Professionalität.<br />
Immer mehr Premium-Produkte gefragt<br />
Gealan verzeichnet seit dem Veka-<strong>Ein</strong>stieg<br />
ein kontinuierliches Wachstum, wobei das<br />
Jahr 2021 herausragend verlief. Mit einem<br />
Umsatzplus von 35 Prozent gegenüber<br />
2020 konnte man die neue Rekordmarke<br />
von 327 Mio. Euro erreichen. »Der Hauptgrund<br />
liegt in der sehr positiven Entwicklung<br />
<strong>im</strong> Wohnungsbau in <strong>ganz</strong> Europa«, so<br />
Ivica Maurović. Das niedrige Zinsniveau, die<br />
steigende Inflation, auch der Trend zu Cocooning<br />
und Home Office sowie die staatlichen<br />
Förderprogramme hätten zu dem außergewöhnlichen<br />
Wachstum beigetragen.<br />
Außerdem steige die Nachfrage nach höherwertigen<br />
Produkten wie farbigen Profilen,<br />
Hebe-Schiebe-Elementen oder geklebten<br />
Konstruktionen. Die gestiegenen Preise<br />
und eine gute Entwicklung <strong>im</strong> Neukundengeschäft<br />
bei Gealan hätten ein Übriges zu<br />
dem Plus beigesteuert. Mittlerweile erwirtschaftet<br />
Gealan rund 55 Prozent seiner Umsätze<br />
in Westeuropa, 45 Prozent in Ost- und<br />
Südosteuropa – der deutsche Markt trägt<br />
etwa 25 Prozent zum Gesamtumsatz bei.<br />
Das starke Wachstum birgt natürlich auch<br />
seine Herausforderungen. »Die Preisspirale<br />
bei Rohstoffen hat sich 2022 dramatisch fortgesetzt«,<br />
so der Gealan- Geschäftsführer. »Wir<br />
müssen darum kämpfen, genügend Rohstoffe<br />
zu bekommen. Die Beschaffung hat bei uns<br />
derzeit höchste Priorität. Denn nur wenn wir<br />
liefern können, können wir unsere Kunden<br />
zufrieden stellen.« Für dieses Jahr ist Ivica<br />
Maurović zuversichtlich, dass sich der positive<br />
Trend fortsetzt. »Wir gehen von einem<br />
Absatz-Wachstum <strong>im</strong> höheren einstelligen<br />
Bereich aus.« Gleichwohl glaubt Maurović<br />
nicht, dass sich an den hohen Preisen mittelfristig<br />
etwas ändern werde, deswegen müsse<br />
man beobachten, ob die Endkunden weiter<br />
bereit seien, diese Preise zu bezahlen.<br />
Innovationen mit System<br />
Doch letztlich hängt die Kaufbereitschaft<br />
auch von der Innovationskraft der Produkte<br />
Das Ganzglas-System<br />
»Gealan-Kubus«<br />
ermöglicht große<br />
Glasflächen bei schmalen<br />
Profilansichten.<br />
Die Oberflächen-Technologie<br />
»Gealan-acrylcolor« wurde zuletzt<br />
um Metallic-Farbtöne erweitert.<br />
»Gealan-Caire smart«ist ein aktives<br />
Lüftungssystem mit Sensoren zur<br />
Raumluftqualität-Prüfung.<br />
ab, und hier versucht Gealan ständig, neue<br />
Impulse zu setzen. Schon der Firmencla<strong>im</strong><br />
»Innovation mit System« unterstreicht dies.<br />
Mit der bereits 1980 eingeführten Oberflächentechnologie<br />
»Gealan-acrylcolor« setzt<br />
man <strong>im</strong>mer wieder Trends <strong>im</strong> Bereich Farbe,<br />
u. a. mit neuen Metallic-Tönen. <strong>Ein</strong> zeitgemäßes,<br />
klares Design, schmale Profile<br />
und große Glasflächen zeichnen die Systeme<br />
»Gealan-Kubus« sowie den neuen<br />
74 mm Allrounder »Gealan-Linear« aus.<br />
Dem Thema Lüftung hat sich Gealan mit<br />
dem System »Gealan-Caire« angenommen<br />
– die Palette reicht von aktiven Lüftungslösungen<br />
wie »Gealan-Caire smart« (inkl.<br />
Nachtauskühlungsfunktion) bis hin zu passiven<br />
Varianten wie »Gealan-Caire Aereco«,<br />
das den Druckausgleich zwischen Innenund<br />
Außenluft nutzt und über einen mechanischen<br />
Feuchtesensor den Luftvolumenstrom<br />
automatisch regelt.<br />
Weitere Neuheiten hat Gealan Anfang<br />
Juni auf seinem Internationalen Zukunftsforum<br />
in Oberkotzau vorgestellt. Der Hybridevent<br />
informierte rund 700 Gealan-Partner<br />
aus <strong>ganz</strong> Europa über Neuheiten, Trends in<br />
der Fensterbaubranche sowie neue digitale<br />
Lösungen. Mit »Gealan- Kontur« präsentierte<br />
Gealan den Partnern erstmals sein neu<br />
entwickeltes Premium-Designsystem mit<br />
Aluminium-Option in der Bautiefe 82,5 mm.<br />
Das neue System soll alle aktuellen Trends<br />
<strong>im</strong> Bereich Lebenskomfort, Wohngesundheit,<br />
Design, aber auch Effizienz in der Fertigung<br />
in sich vereinen, so Ivica Maurović.<br />
Die Werkzeuge wurden vom hausinternen<br />
Werkzeugbau in Oberkotzau bereits gefertigt,<br />
die Markteinführung ist für 2023 geplant.<br />
Ebenfalls neu ist »Gealan-Comfort«, eine<br />
Im Blickpunkt<br />
13 Juli 2022
Die Produktion in Tanna läuft von Anfang<br />
Januar bis Mitte Dezember ohne Unterbrechung.<br />
bodengleiche Schwelle für barrierefreies<br />
Bauen. Mit der kürzlich gelaunchten Marke<br />
»Texino«, ein Gemeinschaftsprojekt mit<br />
der Muttergesellschaft Veka, verfügt Gealan<br />
über ein Smart-Home-System, das über das<br />
Fenster hinaus Verbindungen zu anderen Gewerken<br />
und Herstellern eröffnet.<br />
WISSENSWERTES...<br />
Das Unternehmen wurde 1921 von<br />
Adam Fickenscher als Pelz verarbeitender<br />
Betrieb in Oberkotzau gegründet. Unter<br />
der Marke Gealan begann das Unternehmen<br />
1956 mit der Kunststoffverarbeitung, 1968 wurden<br />
die ersten Fensterprofile entwickelt. 1979<br />
wird der Produktname Gealan zum Firmennamen.<br />
Schon ein Jahr später kommt die innovative<br />
Oberflächentechnologie »Acrylcolor« auf den<br />
Markt, die bis heute stetig weiterentwickelt und<br />
2021 in »Gealan-acrylcolor« umbenannt wurde.<br />
1992 wird ein neuer Produktionsstandort in Tanna<br />
/ Thüringen gebaut, der 1995 um einen Logistikbereich<br />
erweitert wird. Gealan expandiert in<br />
den 1990er Jahren vor allem nach Osteuropa mit<br />
Standorten in Rumänien, dem Baltikum und Polen.<br />
Die Inhaberfamilie Fickenscher verkauft Gealan<br />
2002 an einen Finanzinvestor. Es folgt eine Phase<br />
rasanten Wachstums, vor allem Richtung Osteuropa.<br />
Nach zwei weiteren Eigentümerwechseln<br />
wird Gealan 2014 schließlich von der familiengeführten<br />
Veka AG übernommen. Dies markiert den<br />
Start kontinuierlichen Wachstums in <strong>ganz</strong> Europa.<br />
Mit inzwischen rund 1 600 Mitarbeitern konnte<br />
Gealan <strong>im</strong> abgelaufenen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz<br />
von 327 Mio. Euro erzielen. Das Unternehmen<br />
mit Hauptsitz in Oberkotzau investiert<br />
kontinuierlich in Produktinnovationen, die Digitalisierung<br />
sowie in die verschiedenen Standorte.<br />
Aktuell entsteht in Tanna ein neues vollautomatisiertes<br />
Hochregallager – mit Baukosten in Höhe<br />
von 14 Mio. Euro ist es die bislang größte <strong>Ein</strong>zelinvestition<br />
in der Firmengeschichte.<br />
Gealan schafft den <strong>Rahmen</strong><br />
Um seine Systemkompetenz möglichst<br />
allen Zielgruppen nahe zu bringen, hat<br />
Gealan vor einigen Monaten eine europaweite<br />
Marketingkampagne gestartet. Unter<br />
dem Slogan »Wir schaffen den <strong>Rahmen</strong>«<br />
soll die gesamte Wertschöpfungskette angesprochen<br />
werden: Vom Fensterhersteller<br />
und Verkäufer über den Endkunden bis<br />
hin zu den Entscheidern in den Architekturund<br />
Planungsbüros. »<strong>Ein</strong> riesiger Kraftakt«<br />
wie Ivica Maurović betont – wurden doch<br />
Videos (mit den eigenen Mitarbeitern als<br />
Darstellern) und Landing Pages in 18 Sprachen<br />
produziert.<br />
Nicht nur be<strong>im</strong> Marketing setzt Gealan<br />
verstärkt auf digitale Tools. Die Digitalisierung<br />
zieht sich wie ein roter Faden durch<br />
alle Geschäftsbereiche. »Wir haben in den<br />
letzten Jahren Millionen in neue Software<br />
investiert«, betont Ivica Maurović. Z. B. für<br />
ein ERP-System, mit dem die Materialwirtschaft,<br />
die Produktion und der Vertrieb gesteuert<br />
werden. Dies soll ebenso die Effizienz<br />
der internen Prozesse erhöhen wie das<br />
vollautomatisierte Hochregallager, das 2024<br />
in Tanna seine Arbeit aufnehmen soll. Auch<br />
der eigene Werkzeugbau wurde 2021 digitalisiert<br />
– das spart Zeit und Kosten be<strong>im</strong> Bau<br />
der teuren Extrusions-Werkzeuge. Zum strategischen<br />
Säule Effizienz gehört bei Gealan<br />
auch das Thema Nachhaltigkeit. So setzt das<br />
Unternehmen zum einen auf Ökostrom, zum<br />
anderen aber auch auf Recycling, u. a. durch<br />
eigene Recyclinganlagen und den Ersatz von<br />
Frischmaterial durch Rezyklate.<br />
Effizienzverbesserungen gelingen<br />
Gealan aber auch durch <strong>im</strong>mer neue digitale<br />
Services für seine Kunden. <strong>Ein</strong> Beispiel<br />
dafür ist die Planersoftware 2.0, die<br />
Fensterherstellern, Architekten und Händlern<br />
digitale Unterstützung bei der Planung,<br />
Projektierung, Ausschreibung und<br />
Angebotserstellung bietet. Speziell <strong>im</strong> Bereich<br />
BIM (Building Information Modeling)<br />
hat Gealan mittlerweile eine Vorreiterrolle<br />
übernommen. Und das in kürzester Zeit,<br />
»denn wir haben das Thema BIM erst<br />
seit vier Jahren bei uns aufgebaut«, so<br />
Ivica Maurović. Bereits zum zweiten Mal<br />
in Folge wurde Gealan von der Heinze<br />
Mediengruppe mit dem »Architects Darling-Award«<br />
für das bundesweit »Beste<br />
BIM-Daten-Angebot« in der Baubranche<br />
ausgezeichnet. Mit der BIM-Lösung von<br />
Gealan ist u. a. eine realistische S<strong>im</strong>ulation<br />
mit aktuellen Produkten in unterschiedlichen<br />
Detailstufen möglich. Auch die technische<br />
Realisierbarkeit eines Projekts kann<br />
der Architekt vorab prüfen.<br />
»Unsere langfristige Strategie basiert<br />
auf den vier Säulen Mitarbeiter,<br />
Innovation, Wachstum und Effizienz.«<br />
Ivica Maurović<br />
Sprecher der Geschäftsleitung bei Gealan<br />
Um die Zukunft muss sich Ivica Maurović<br />
angesichts der aktuellen Situation keine<br />
Sorgen machen. In den kommenden drei<br />
Jahren will das Unternehmen insgesamt<br />
70 Millionen Euro investieren, schwerpunktmäßig<br />
in die Logistik, nachdem man in den<br />
vergangenen Jahren stark in die Produktion<br />
investiert hatte. Ivica Maurović hält es<br />
mit einem alten Zitat von Aristoteles, nach<br />
dem man zwar den Wind nicht ändern, wohl<br />
aber die Segel richtig setzen könne. Und<br />
er ergänzt: »Wir haben eine sehr gute Segelcrew<br />
und ein solides schnelles Boot. Ich<br />
freue mich auf die Regatta.«<br />
J<br />
Juli 2022 14 Im Blickpunkt