Kinder in der Krise

Kinder in der Krise
Wenn alles im Chaos versinkt
von Judith Reumann, KEB Schweden
4
Ausgabe 3 • 2021

Artikel
„Judith, können wir uns einfach mal ganz normal
umarmen?“, fragte mich ein Mädchen, das mir
gegenüber wohnt. Dabei schaute sie mich mit großen
Augen an. Diese Situation stellte mir so deutlich vor
Augen, wie sehr Kinder in den letzten Monaten unter
den Kontaktbeschränkungen gelitten haben – vielleicht
noch mehr als wir Erwachsenen. Doch Kinder werden
nicht nur von der „Corona-Krise“ getroffen. Tagtäglich
werden sie mit neuen Herausforderungen konfrontiert,
die sich zu Krisen entwickeln können.
Was sind Krisen?
Zunächst möchte ich erst einmal das Wort „Krise“ etwas
klarer definieren. Krisen sind Ereignisse, die den Verlust
des Alltags, der Normalität, der Geborgenheit, der
Voraussagbarkeit und den Verlust von Beziehungen mit
sich bringen und die das Kind völlig aus seinem Alltag
herausreißen und verunsichern.
Diese Krisen können durch die verschiedensten
Ereignisse ausgelöst werden, die man grob in drei
Bereiche einteilen kann:
• Naturkatastrophen
• von Menschen verursachte Situationen
• persönliche und familiäre Probleme
Naturkatastrophen
Dazu zählen u.a. Überschwemmungen, Erdbeben und
Feuer. Diese können verheerende Auswirkungen und
eine große Zerstörungskraft haben.
Von Menschen verursachte Situationen
Dieser Bereich umfasst Terrorismus, der auch bei uns
immer greifbarer wird, Krieg (oder Angst vor dem
Ausbruch eines Krieges), Kriminalität, Unfälle, Mobbing
in der Schule usw.
Sie werden von anderen Menschen verursacht, können
aber eine negative Auswirkung auf das Leben der Kinder
haben.
Persönliche und familiäre Probleme
Im familiären und persönlichen Bereich geht es um
Dinge, die im persönlichen und familiären Umfeld des
Kindes geschehen, wie Scheidung, psychischer und
physischer Missbrauch, Krankheit, Tod und eventuelle
Süchte wie Pornographie, mit denen Kinder schon früh
durch die sozialen Medien konfrontiert werden.
Welche Konsequenzen kann eine Krise
mit sich bringen?
Eine Krise bringt immer den Verlust der Normalität und
des Alltags mit sich. Dies kann eine große Unsicherheit
und Angst auslösen, da die Normalität dem Kind
Sicherheit und Geborgenheit gibt. Wenn auf einmal alles
anders ist, weiß das Kind nicht mehr, wie es sich verhalten
soll. Manche Kinder ziehen sich zurück, um nicht auf die
neue Situation reagieren zu müssen. Andere wiederum
tun alles dafür, die Normalität zurückzugewinnen,
und wieder andere fordern Aufmerksamkeit vom
Erwachsenen, auch mit negativem Verhalten, um eine
Grenzsetzung zu erleben, die ihnen Sicherheit gibt.
Nach einschneidenden Erlebnissen, wie dem Verlust
eines Familienmitglieds oder eines Freundes oder
der Scheidung der Eltern, suchen die Kinder oft die
Schuld bei sich und fühlen sich verantwortlich für das,
was passiert ist. Diese Schuldgefühle können das Kind
zermürben und die Lebensfreude nehmen.
Erleben Kinder Gewalt oder Mobbing, hat das erhebliche
Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung des Kindes.
Das Kind lebt in ständiger Angst, fühlt sich machtlos,
ungeliebt und wertlos. Das macht es für solche Kinder
nur schwer möglich, sich ihrem Alter entsprechend
zu entwickeln. Manche Kinder üben
selbst Gewalt an anderen aus, um
sich nicht länger ohnmächtig
zu fühlen.
Was brauchen
Kinder, um ein Krise
gut bewältigen zu
können?
Was brauchen die Kinder
nun, um die unterschiedlichen
Krisen gut bewältigen zu
können? In der Pädagogik ist
die Antwort darauf der Begriff
„Resilienz“. Resilienz bedeutet im
pädagogischen Sinne: die
Fähigkeit von Kindern,
flexibel und
angemessen auf
sich ändernde
Ausgabe 3 • 2021 5

Artikel
Lebenssituationen und Anforderungen reagieren und
stressige, frustrierende und belastende Situationen
bewältigen zu können, ohne dass diese einen negativen
Einfluss auf die Entwicklung haben.
Es gibt verschiedene Faktoren, die die Resilienz fördern
können, wie eine feste Bezugsperson, die die Kinder
ohne Bedingungen liebt, annimmt und ermutigt; ein
Zuhause, in dem sich die Kinder sicher fühlen, oder
die Erziehung zur Selbstständigkeit. Einige Pädagogen
kamen zu dem Schluss, dass Religion – ich nenne es
Glaube – die Entwicklung von Resilienz fördern und
einen Sinn im Leben geben kann, mitten im Leid und
in Krisen.
Kurz gesagt brauchen Kinder eine persönliche Beziehung
zu Jesus, um Krisen gut bewältigen zu können.
Welche Rolle spielt der Glaube dabei?
• Er gibt Antworten auf die grundlegendsten Fragen des
Lebens:
Wer bin ich und warum gibt es mich? Welchen Sinn
und Wert hat mein Leben? Wer oder was gibt mir
Orientierung? Was kommt nach dem Tod?
• Das Wissen, dass sie bedingungslos geliebt und
akzeptiert sind
Die Kinder brauchen sich Gottes Liebe nicht erst zu
verdienen. Er liebt sie mit einer ewigen Liebe und sie
sind unendlich wertvoll für ihn (Jeremia 31,3).
• Die Gewissheit, dass Gott sie niemals verlassen wird
Gott hat allen, die an ihn glauben, zugesagt, dass er
sie niemals verlassen wird (Hebräer 13,5); keiner kann
sie aus seiner Hand reißen (Johannes 10,28).
• Einen festen Halt im Leben
Gott verändert sich nicht. Er bleibt immer derselbe
und seine Zusagen gelten auch heute noch für die
Kinder. Er ist ein starker Fels und ein Zufluchtsort
(Psalm 18,3).
• Das Wissen, dass Gott alles im Griff hat
Gott ist der König aller Könige. Alles steht unter seiner
Macht und hinter allem, was geschieht, steht immer
ein liebender Vater, der es gut mit seinen Kindern
meint (Römer 8,28).
• Er gibt Orientierung und Leitung
Gott redet auch zu Kindern durch sein Wort und gibt
ihnen damit Orientierung und Leitung. Es zeigt ihnen,
wie sie sich verhalten sollen. Gleichzeitig bereitet es
die Kinder auch auf Leiden und Krisen vor, die sie
wegen ihres Glaubens erleben werden.
Wenn die Kinder eine persönliche Beziehung zu Jesus
haben und diese Inhalte verinnerlicht haben, ist dies die
beste Grundlage, die wir den Kindern mitgeben können,
damit sie Krisen gut bewältigen können.
Unsere Aufgabe als Eltern, Großeltern, Leiter von Kinder-,
Teenie- und Jugendgruppen ist es, diese Inhalte zu
vermitteln, sodass sie ein natürlicher Teil des Alltages
werden. Dabei ist es wichtig, diese immer wieder zu
wiederholen und an sie zu erinnern, damit die Kinder sie
wirklich verinnerlichen.
Wie kann ich einem Kind konkret helfen,
das sich in einer Krise befindet?
Die Voraussetzungen dafür werden schon vor dem
Erleben einer Krise gelegt. Damit Kinder sich uns
anvertrauen, ist es wichtig, im Voraus schon eine
vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, die es den
Kindern leichtmacht, Fragen zu stellen, Zweifel zu
äußern und ihre Gefühle auszudrücken.
Dabei spielt auch unser eigenes Vorbild eine
6
Ausgabe 3 • 2021

Artikel
entscheidende Rolle. Lasse ich die Kinder an meinem
Gefühlsleben teilhaben? Spreche ich selbst offen
über Zweifel, Probleme und Herausforderungen, die
mir begegnen? Lebe ich meinen Glauben sichtbar für
die Kinder aus, besonders in schwierigen Zeiten und
Krisen? Dieses Vorbild spornt die Kinder dazu an, uns
nachzuahmen und kann ihnen helfen, durch eine Krise
hindurchzukommen.
Im Folgenden möchte ich einige Tipps geben:
• Dem Kind ungeteilte Aufmerksamkeit geben
Geben Sie dem Kind die volle Aufmerksamkeit, wenn
es sich Ihnen anvertraut. Hören Sie ihm zu, ermutigen
Sie es, seine Gefühle auszudrücken. Scheuen Sie sich
nicht davor, Nachfragen zu stellen, um das Problem
wirklich zu verstehen.
• Auf Fragen der Kinder eingehen
Gehen Sie auf die Fragen der Kinder ein, auch wenn
sie noch so absurd oder unwichtig erscheinen. Für das
Kind ist es eine wichtige und entscheidende Frage,
die bei einer Nichtbeantwortung zu Zweifeln und
einer Krise führen könnte.
• Gottes Wort zur Hilfe nehmen
Nehmen Sie Gottes Wort zur Hand und gehen Sie
einzelne Bibelverse oder -abschnitte mit dem Kind
durch, die Ermutigung und Hilfe sein können. Oft
ist es hilfreich, Gottes Eigenschaften hervorzuheben,
sodass das Kind besser versteht, wie Gott ist.
• Den Weg gemeinsam gehen
Ein Kind in einer Krise zu begleiten, kann ein langer
Prozess sein. Seien Sie bereit, sich gemeinsam mit
dem Kind auf den Weg durch die Krise zu machen und
es über einen längeren Zeitraum zu begleiten.
• Gemeinsames Gebet
Beten Sie gemeinsam mit dem Kind für das Kind
und ermutigen Sie es, auch selbst mit Gott über das
Problem zu reden. Zeigen Sie die Macht des Gebetes
auf.
• Externe Hilfe suchen
Wenn das Problem oder die Krise Ihre Fähigkeiten
übersteigt, suchen Sie sich Hilfe von Experten, die
speziell in diesem Bereich geschult sind. Dies ist
besonders wichtig in Fällen von Missbrauch, Gewalt
und Selbstmordgedanken.
Erinnern Sie sich noch an das Mädchen vom Anfang des
Artikels? Ich gab ihr eine Umarmung und sie fing an zu
weinen. Wir setzten uns auf die Wiese vor unserem Haus
und sie erzählte mir von ihrer Angst, krank zu werden
und zu sterben. Sie hatte zwei Familienmitglieder an
Corona verloren. Doch sie konnte nicht mit ihren Eltern
darüber reden, da sie selbst mit ihrer Trauer beschäftigt
waren. Eine kleine Umarmung öffnete die Tür, um ein
Mädchen in der Krise zu begleiten. Wie geht es den
Kindern in Ihrer Familie, Gemeinde und Umgebung?
Judith Reumann, KEB-Schweden
Fragst du dich: Warum?
Sowohl persönliche als auch
globale Krisen treten in der
heutigen Welt immer öfter auf.
In solchen Krisenzeiten kann
es oft herausfordernd sein, die
schwierigen Fragen zu beantworten,
die die Kinder dann
bewegen. Das Heft „Fragst du
dich: Warum?“ kann dabei helfen.
Es spricht solche Fragen an,
wie: „Kennt Gott mich und interessiert
er sich für mich?“, „Wie
konnte Gott das zulassen?“, „Wie
kann ich diese schlimme Zeit
durchstehen?“ Die Verteilschrift bietet fundierte biblische
Antworten, die Kindern und Erwachsenen helfen, inmitten
der Krise bei Gott Trost und Geborgenheit zu finden oder für
bevorstehende Krisen gewappnet zu sein.
Heft (DIN A5, 16 Seiten), geeignet für Kinder ab 8 Jahren
Best.-Nr. 4920 • EUR 0,25 (CHF 0.35)
Keine Angst!
Kinder und Erwachsene kennen die Angst vor Ansteckung,
gerade zur Zeit einer Pandemie. Doch auch andere Dinge machen
Angst. Wie gläubige Kinder solchen Ängsten begegnen
können, zeigt dieses Traktat durch die sechs Angst-Killer auf:
sechs Verse aus Gottes Wort. Die kurzen Erklärungen dazu
helfen den Kindern, ihren Blick auf den allmächtigen Gott zu
richten, und ermutigen sie zum Auswendiglernen und Weitergeben
dieser Angst-Killer.
Falttraktat (DIN A6)
Best.-Nr. 4814 • EUR 0,12 (CHF 0.15)
Ausgabe 3 • 2021 7