ALfA e.V. Magazin - LebensForum / 142 / 2/2022
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Nr. <strong>142</strong> | 2. Quartal <strong>2022</strong> | ISSN 0945-4586 | Einzelpreis 5,– E B 42890<br />
Politik<br />
Abtreibung soll<br />
beworben werden<br />
Politik<br />
Bundestag regelt<br />
Suizidhilfe neu<br />
Gesellschaft<br />
Die »Kultur des<br />
Todes« im Film<br />
USA: »Roe vs. Wade« vor dem Fall<br />
Die Zukunft<br />
der Abtreibung<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
In Kooperation mit Ärzte für das Leben e.V.<br />
1<br />
www.alfa-ev.de
INHALT<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
TITELTHEMA POLITIK GESELLSCHAFT<br />
Summer of Life?<br />
4<br />
Nach dem Leak einer Urteilsschrift<br />
des US-Supreme-Courts<br />
entfesseln Abtreibungsbefürworter<br />
eine Welle der Gewalt.<br />
Von Maximilian Lutz<br />
»Wir sind alarmiert«<br />
8<br />
Andrea Trudden, Vizepräsidentin<br />
von »Heartbeat International«,<br />
im Interview.<br />
Von Cornelia Kaminski<br />
Die gefährlichste<br />
Frau im Staat<br />
14<br />
Auf den letzten Metern:<br />
Öffentliche Anhörung im<br />
Rechtsausschuss des Bundestags zum<br />
§ 219a StGB bot interessante Einblicke.<br />
Von Stefan Rehder<br />
Karlsruher Zumutungen<br />
20<br />
§ 217 StGB: Im Bundestag<br />
zeichnen sich drei Modelle<br />
zur rechtlichen Neuregelung der Suizidhilfe<br />
ab.<br />
Von Stefan Rehder<br />
Vorstand bestätigt<br />
22<br />
So verlief die diesjährige<br />
Bundesdelegiertenversammlung<br />
der <strong>ALfA</strong>.<br />
Von Alexandra Linder<br />
»Große Koalition<br />
für das Leben«<br />
24<br />
»Seelsorge für das Leben«<br />
unter dem Dach der <strong>ALfA</strong><br />
gegründet.<br />
Von PD Dr. Dr. Kai Witzel<br />
Auf dem Vormarsch<br />
26<br />
Wie sich die »Kultur des Todes«<br />
auf der Kino-Leinwand<br />
ausbreitet.<br />
Von Dr. José Garcia<br />
2 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
EDITORIAL<br />
Tödliche Gewalt<br />
WEITERE THEMEN<br />
12 Bioethik-Splitter<br />
30 Bücherforum<br />
32 Kurz vor Schluss<br />
34 Leserforum<br />
35 Impressum<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
eine Nachricht hat mich in den letzten<br />
Wochen besonders verstört: der Amoklauf<br />
an der Grundschule in Uvalde, Texas.<br />
Nahezu eine ganze Klasse wurde<br />
ausgelöscht von einem 18-Jährigen,<br />
der sich im Land der mächtigen Waffenlobby<br />
ohne Probleme selbst das todbringende<br />
Sturmgewehr kaufen konnte.<br />
Das Entsetzen ist ebenso groß, wie<br />
die Rufe nach schärferen Waffengesetzen<br />
laut sind. Präsident Biden sprach in<br />
seiner ersten Stellungnahme von »unschuldigen,<br />
wunderbaren« Grundschulkindern,<br />
erbat das Gebet der Nation für<br />
die Hinterbliebenen und fragte: »Wann<br />
in Gottes Namen werden wir uns gegen<br />
die Waffenlobby erheben? Wann werden<br />
wir in Gottes Namen tun, wovon<br />
wir alle tief im Innersten wissen, dass<br />
es getan werden muss?« Ein Sturmgewehr<br />
ist indes nicht die einzige Waffe,<br />
mit der in den USA unschuldige, wunderbare<br />
Kinder getötet werden. Curette,<br />
Saugröhrchen, chemische Präparate<br />
wie Mifegyne gehören leider ebenfalls<br />
dazu. Derselbe Präsident, der sich »im<br />
Namen Gottes« gegen die Waffenlobby<br />
stellt, bezeichnete nur wenige Tage zuvor<br />
das Vorhaben des Supreme Courts,<br />
ein Verfassungsrecht auf Abtreibung zu<br />
kippen, als »radikal«. Dieses Recht besteht<br />
momentan bis zur Lebensfähigkeit<br />
des ungeborenen Kindes außerhalb<br />
des Mutterleibs – also in etwa bis zur<br />
22. Schwangerschaftswoche. Er kündigte<br />
an, seine Regierung werde alles<br />
tun, um ein »Recht auf Abtreibung« zu<br />
schützen. Anlass für seine Äußerungen<br />
war die Tatsache, dass der Entwurf einer<br />
Stellungnahme des Supreme Courts<br />
zu »Roe vs. Wade«, in der dessen Aufhebung<br />
angekündigt wird, an die Presse<br />
weitergegeben wurde. Die Folgen für<br />
die Richter und Hilfszentren für Schwangere<br />
waren dramatisch (S. 4–11).<br />
Es gibt keine Abtreibung, die ohne Gewalt<br />
auskommt, ohne das Töten eines<br />
unschuldigen Kindes, ohne Lügen:<br />
Von »Schwangerschaftsgewebe«<br />
bis »Schwangerschaftsunterbrechung«<br />
sind nahezu alle verlogenen Vokabeln<br />
scheinbar wieder salonfähig.<br />
Eines ist jedoch<br />
klar: Gutes kann niemals<br />
aus Lüge und Gewalt<br />
entstehen.<br />
Umso erschreckender<br />
ist es, dass hierfür in<br />
Deutschland zukünftig<br />
wohl auch noch geworben<br />
werden darf. Es versteht<br />
sich von selbst,<br />
dass zur Durchsetzung<br />
eines solchen Vorhabens<br />
weder die Wahrheit noch naturwissenschaftliche<br />
Fakten zuträglich<br />
sind. Wie Vertreter der Pro-Choice-Lobby<br />
in Deutschland in diesem Sinn die<br />
Realität verbiegen, darüber berichten<br />
wir auf S. 14 ff.<br />
»Der Wahrheit<br />
Gehör verschaffen«<br />
Joe Biden, der sich selbst als »bekennenden<br />
Katholiken« bezeichnet, ist in<br />
den USA der mächtigste Verfechter dieser<br />
verlogenen Lobby. Sie ist auf diese<br />
Unterstützung angewiesen, denn: »Nur<br />
die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt.<br />
Die Wahrheit steht von alleine<br />
aufrecht.« Diese Klarsicht des dritten<br />
amerikanischen Präsidenten, Thomas<br />
Jefferson, möchte man nicht nur seinem<br />
Nachfolger im Amt wünschen,<br />
sondern auch unseren politisch Verantwortlichen.<br />
Setzen wir uns daher weiterhin<br />
dafür ein, der Wahrheit Gehör zu<br />
verschaffen!<br />
Ihre<br />
Cornelia Kaminski<br />
Bundesvorsitzende der <strong>ALfA</strong> e.V.<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
3
TITELTHEMA<br />
Summer of Life?<br />
Eine durchgestochene Urteilsschrift lässt die Herzen von Amerikas Lebensschützern<br />
höher schlagen: Alles deutet darauf hin, dass der Oberste Gerichtshof die derzeitige<br />
Abtreibungsgesetzgebung kippen wird. Während Abtreibungsbefürworter teils hilflos,<br />
teils aggressiv reagieren, hat die Pro-Life-Seite vorgesorgt.<br />
Von Maximilian Lutz<br />
Brandanschläge auf Lebensschutzorganisationen,<br />
mit Graffiti beschmierte<br />
Kirchen, marschierende<br />
Demonstranten, die offen mit<br />
Vandalismus drohen: Es war ein beängstigendes<br />
Maß an Gewalt, das ein Teil<br />
von Amerikas Abtreibungsbefürwortern<br />
Mitte Mai offenbarte. Gewalt, die<br />
gezielt Vertreter und Institutionen des<br />
Pro-Life-Lagers ins Visier nahm. Und<br />
die nicht einmal vor den Privatwohnsitzen<br />
von Amerikas Obersten Richtern<br />
Halt machte. Die US-Regierung,<br />
die mit den Anliegen der Demonstranten<br />
grundsätzlich sympathisiert, sah sich<br />
gezwungen, Stellung zu nehmen: US-<br />
Präsident Joe Biden glaube »fest an das<br />
verfassungsmäßige Recht auf Protest«,<br />
so die damalige Pressesprecherin des<br />
Weißen Hauses, Jen Psaki. Dies dürfe<br />
jedoch niemals in Gewalt, Drohungen<br />
oder Vandalismus ausarten.<br />
Der Auslöser der Ausschreitungen<br />
lag eine Woche zurück: ein einzigarti-<br />
4 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
TITELTHEMA<br />
ger Vorfall, beispiellos in der Geschichte<br />
des Landes. Es ist Montagabend an<br />
der Ostküste, als das US-Nachrichtenportal<br />
»politico.com« ein 98-seitiges<br />
Dokument veröffentlicht, angeblich<br />
aus der Feder des konservativen Richters<br />
am Supreme Court, Samuel Alito.<br />
Es soll sich um den Entwurf der Urteilsschrift<br />
des Obersten Gerichtshofs<br />
zum Fall »Dobbs vs. Jackson Women’s<br />
Health Organization« handeln. Die<br />
Entscheidung wird seit Langem erwartet,<br />
war aber frühestens für Juni angekündigt.<br />
Beobachter rechnen damit,<br />
dass das neunköpfige Richtergremium<br />
die Rechtslage zum Lebensschutz<br />
in den USA völlig neu bewertet. »Politico«<br />
ist ein wahrer »Scoop« gelungen:<br />
Denn das durchgestochene Dokument,<br />
dessen Echtheit der Vorsitzende<br />
Richter des Supreme Courts, John Roberts,<br />
später bestätigt, würde das umstrittene<br />
Grundsatzurteil »Roe vs. Wade«<br />
tatsächlich kippen.<br />
Das Urteil aus dem Jahr 1973 besagt,<br />
dass Abtreibungen vor der Lebensfähigkeit<br />
des Fötus außerhalb des Mutterleibs<br />
straffrei sind – also in etwa bis<br />
zur 24. Schwangerschaftswoche. Damit<br />
habe der Oberste Gerichtshof vor fast<br />
50 Jahren jedoch eine falsche Entscheidung<br />
getroffen, schreibt Alito. Die Frage,<br />
ob und bis zu welchem Zeitpunkt<br />
Abtreibungen erlaubt seien, dürfe nicht<br />
von Gerichten, sondern von der Legislative<br />
entschieden werden.<br />
Weiter heißt es in Alitos Argumentation:<br />
»Die Verfassung stellt keinen Bezug<br />
zu Abtreibung her, und ein solches<br />
Recht ist nicht implizit von einer Bestimmung<br />
in der Verfassung geschützt.«<br />
Bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
sei ein »Recht auf Abtreibung« der<br />
amerikanischen Rechtsprechung völlig<br />
unbekannt gewesen. »Roe war von<br />
Anfang an ungeheuerlich falsch. Seine<br />
Argumentation war außerordentlich<br />
schwach und die Entscheidung hatte<br />
verheerende Konsequenzen.« Daher<br />
sei es an der Zeit, »die Verfassung zu<br />
achten und die Abtreibungsfrage an die<br />
gewählten Volksvertreter zurückzugeben«.<br />
Laut »Politico« haben sich vier<br />
Samuel Alito<br />
Derzeit nicht öffentlich zugänglich: Der Sitz des Obersten Gerichtshofes der USA<br />
Richter Alitos Meinung angeschlossen –<br />
es liefe somit auf eine knappe Entscheidung<br />
von fünf zu vier Stimmen hinaus.<br />
Bleibt es dabei, wird in Zukunft jeder<br />
Bundesstaat auf legislativem Weg selbst<br />
entscheiden können, ob, wie lange und<br />
unter welchen Voraussetzungen Abtreibungen<br />
erlaubt sind.<br />
US-Lebensschützer reagierten vorsichtig<br />
optimistisch auf das durchgestochene<br />
Urteil: Catherine Glenn Foster,<br />
Präsidentin der »Americans United for<br />
Life« (AUL), sprach von einem »Tag<br />
des Mutes und der Hoffnung«. Marjorie<br />
Dannenfelser, Präsidentin der »Susan<br />
B. Anthony List«, erklärte: »Wenn<br />
der Entwurf des Gerichtsurteils die abschließende<br />
Meinung des Obersten Gerichtshofs<br />
abbildet, zollen wir der Entscheidung<br />
von ganzem Herzen Beifall.«<br />
Lila Rose, Vorsitzende und Gründerin<br />
der Lobby-Organisation »Live Action«,<br />
betonte genau wie der Jurist Alito, dass<br />
»Roe vs. Wade« von Anfang an eine falsche<br />
Entscheidung gewesen sei. »Roe<br />
zu kippen wäre ein wichtiger Schritt in<br />
die richtige Richtung: das fundamentale<br />
Recht auf Leben zu schützen.«<br />
Der Oberste Gerichtshof verurteilte<br />
indes mit deutlichen Worten, dass der<br />
Entwurf der Urteilsschrift vorab an die<br />
Medien gelangt war. Der Vorgang stelle<br />
»einen einzigartigen und unerhörten<br />
Vertrauensbruch« dar und sei »ein Affront«<br />
gegenüber dem Gericht, so der<br />
Vorsitzende Richter Roberts. Die Verantwortlichen,<br />
die bis heute nicht bekannt<br />
sind, hätten die Integrität der<br />
richterlichen Arbeit untergraben wollen.<br />
Zugleich bemühte sich Roberts um<br />
Schadensbegrenzung: Eine endgültige<br />
Entscheidung sei noch nicht gefallen.<br />
Jedes Mitglied des Gerichtshofs könne<br />
seine abschließende Position zu dem Fall<br />
noch ändern. »Politico« zufolge gibt es<br />
derzeit aber keinen Gegenentwurf für<br />
eine Urteilsschrift. Das durchgestochene<br />
Dokument datiert auf den 10. Februar<br />
– seitdem sei keiner der Richter,<br />
die sich Alitos Meinung angeschlossen<br />
hätten, von seiner Position abgerückt.<br />
Deshalb ist die Angst im Pro-Choice-<br />
Lager der Abtreibungsbefürworter so<br />
groß. Sie ahnen, dass ihnen die Felle<br />
davonzuschwimmen drohen. Die Präsidentin<br />
des »Center for Reproductive<br />
Rights«, Nancy Northup, griff zu dra-<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
5
TITELTHEMA<br />
matischer Rhetorik, als sie vom »folgenschwersten<br />
Rückschlag für Frauenrechte<br />
in der Geschichte unseres Landes«<br />
sprach. Andere wiederum verschafften<br />
ihrer Wut und Enttäuschung tatkräftig<br />
Luft: bei den eingangs erwähnten, gewaltsam<br />
eskalierenden Demonstrationen<br />
und Protestmärschen. Einige Beispiele:<br />
In der Stadt Madison im Bundesstaat<br />
Wisconsin fiel das Büro der<br />
Lebensschutzorganisation »Wisconsin<br />
Family Action« einem Brandanschlag<br />
zum Opfer. Das Gebäude wurde<br />
auch mit Graffiti beschmiert, unter<br />
anderem mit dem Satz: »Wenn Abtreibungen<br />
nicht sicher sind, dann seid ihr<br />
Buch-Tipp<br />
Jen Psaki<br />
Ein Katholik<br />
im Weißen Haus<br />
Maximilian Lutz: Joe Biden. Ein<br />
Katholik im Weißen Haus. Benno-<br />
Verlag, Leipzig 2021. 144 Seiten.<br />
19,95 EUR.<br />
es auch nicht.« Im Staat Colorado nahmen<br />
die aggressiven Abtreibungsbefürworter<br />
auch eine Kirche ins Visier: Der<br />
Slogan »Mein Körper, meine Entscheidung«<br />
wurde auf ein Gotteshaus in der<br />
Stadt Fort Collins gesprüht, die Kirche<br />
von außen beschädigt. In der benachbarten<br />
Stadt Boulder war zuvor bereits<br />
eine Kirche mit ähnlichen Schriftzügen<br />
beschmiert worden. Weitere Anschläge<br />
gab es in den Bundesstaaten Maryland,<br />
New York, Oregon, Texas und Virginia.<br />
Und es traf die beiden Obersten Richter<br />
Brett Kavanaugh und John Roberts.<br />
An ihren Wohnsitzen in der US-Hauptstadt<br />
Washington marschierten etwa<br />
100 Demonstranten vorbei und riefen:<br />
»Wenn ihr uns unsere Entscheidungsfreiheit<br />
wegnehmt, werden wir randalieren.«<br />
Eine weitere Parole: »Die ganze<br />
Welt sieht zu.« Dass die randalierenden<br />
Abtreibungsbefürworter Kavanaugh<br />
als Zielscheibe auserkoren hatten, war<br />
noch in gewisser Weise nachvollziehbar:<br />
Er gehört wohl zum Block derjenigen<br />
Richter, die ein neues Grundsatzurteil<br />
befürworten. John Roberts stimmte allerdings<br />
– trotz konservativer Überzeugungen<br />
– immer wieder auch mit der<br />
Gegenseite, beispielsweise als die umstrittene<br />
Gesundheitsreform des ehemaligen<br />
Präsidenten Obama zur Diskussion<br />
stand. Dass er nun auch Opfer<br />
der Diffamierungen wurde, zeigt, wie<br />
realitätsfern einige im Pro-Choice-Lager<br />
derzeit agieren.<br />
Die Demokraten wirken angesichts<br />
der für sie eher düsteren Aussichten erschreckend<br />
überrumpelt. Dabei dürfte<br />
spätestens, nachdem Ex-Präsident Donald<br />
Trump eine konservative Richtermehrheit<br />
am Supreme Court etablierte,<br />
klar gewesen sein, dass der bisherige<br />
Status quo der Abtreibungsgesetzgebung<br />
massiv ins Wanken geraten würde.<br />
Manche verschafften ihrem Ärger Luft,<br />
wie etwa der kalifornische Gouverneur<br />
Gavin Newsom, der aufgebracht fragte:<br />
»Wo ist die Gegenoffensive?« Worte,<br />
aus denen schon eine gewisse Hilflosigkeit<br />
spricht. Präsident Biden betonte,<br />
er halte das »Recht« einer Frau, sich<br />
für oder gegen eine Abtreibung zu entscheiden,<br />
für fundamental. Zusammen<br />
mit weiteren führenden Vertretern der<br />
Brett Kavanaugh<br />
Demokraten rief er dazu auf, in Zukunft<br />
Politiker zu wählen, die sich explizit für<br />
ein »Recht« auf Abtreibung einsetzten.<br />
Tatsächlich versuchten die Demokraten<br />
im Senat kürzlich, ein solches<br />
»Recht« auf Abtreibung per Gesetz bundesweit<br />
zu verankern. Ein Versuch, der<br />
zum Scheitern verurteilt war. Zur Abstimmung<br />
kam es nicht einmal, da die<br />
Präsidentenpartei nicht die nötige Mehrheit<br />
von 60 der 100 Senatorenstimmen<br />
aufbrachte, mit der eine Debatte über<br />
ein Gesetz beendet werden kann, ehe<br />
das finale Votum mit einfacher Mehrheit<br />
erfolgt. Die Demokraten verfügen<br />
ohnehin nur über 50 der 100 Sitze im<br />
Senat. Sie stimmten jedoch nicht einmal<br />
geschlossen für den »Women’s Health<br />
Protection Act«, der »Roe vs. Wade«<br />
gesetzlich festgeschrieben hätte. Auch<br />
der zentristische demokratische Senator<br />
aus West Virginia, Joe Manchin, votierte<br />
dagegen. Der 74-Jährige ist bekannt<br />
dafür, der Parteilinie der Demokraten<br />
in einigen strittigen Themen nicht zu<br />
folgen und bei Abstimmungen im Senat<br />
nicht immer mit den Parteikollegen<br />
zu stimmen. Manchin begründete<br />
sein Veto damit, dass das Gesetzesvorhaben<br />
»zu umfassend« angelegt sei<br />
und darüber hinausgehe, lediglich »Roe<br />
vs. Wade« in ein bundesweites Gesetz<br />
umzuwandeln.<br />
Und in der Tat: Der »Women’s<br />
Health Protection Act« sieht vor, eine<br />
ganze Reihe von Restriktionen zu verbieten,<br />
die den Zugang zu Abtreibun-<br />
6 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
TITELTHEMA<br />
gen in einigen Bundesstaaten seit 1973<br />
zumindest einschränken. Der Gesetzesentwurf,<br />
in dem Abtreibung als ein<br />
»Menschenrecht« betrachtet wird, hätte<br />
Ärzte und auch Krankenhäuser in religiöser<br />
Trägerschaft dazu verpflichtet,<br />
Abtreibungen gegen ihren Willen vorzunehmen.<br />
All das bleibt nun erst einmal ein<br />
progressiver Wunschtraum. Die Realität<br />
dürfte wohl bald völlig anders aussehen.<br />
Wie es weitergeht, wenn »Roe vs.<br />
Wade« tatsächlich bald Geschichte ist,<br />
hängt stark davon ab, in welchem Bundesstaat<br />
man lebt. In republikanisch dominierten<br />
Staaten werden eher restriktive<br />
Gesetze gelten, demokratisch dominierte<br />
werden den Zugang zu Abtreibungen<br />
dagegen kaum einschränken. Das<br />
Bild, das sich dadurch ergibt, gleicht einem<br />
echten Flickenteppich. In grob der<br />
Hälfte der Bundesstaaten werden weiterhin<br />
straffreie Abtreibungen erlaubt<br />
sein, so wie es »Roe vs. Wade« zuließ.<br />
Aber die Waage kippt – und zwar zugunsten<br />
des Lebensschutzes. Auch, weil<br />
Abtreibungsgegner sich schon seit Jahren<br />
auf den Tag vorbereitet haben, an<br />
dem Amerikas Oberste Richter das umstrittene<br />
Urteil kassieren. Dabei spielen<br />
sogenannte »Trigger Laws« eine wichtige<br />
Rolle: Bundesstaatliche Gesetze, die<br />
den Zugang zu Abtreibung deutlich einschränken,<br />
völlig inkompatibel mit der<br />
bisherigen Rechtslage unter »Roe« waren,<br />
jedoch automatisch »getriggert«,<br />
also in Kraft gesetzt werden, wenn das<br />
alte Urteil nicht mehr gilt.<br />
Insgesamt 13 konservativ regierte<br />
Bundesstaaten haben derartige Gesetze<br />
in den vergangenen Jahren erlassen:<br />
Idaho, Utah, Wyoming, North und<br />
South Dakota, Texas, Oklahoma, Missouri,<br />
Arkansas, Louisiana, Tennessee<br />
und Kentucky. Die Gesetze sind allenfalls<br />
manchmal ähnlich, selten jedoch<br />
gleich gestrickt. Sie setzen meist unterschiedliche<br />
Fristen für ein Abtreibungsverbot,<br />
und auch die Ausnahmefälle,<br />
in denen Abtreibungen trotzdem<br />
erlaubt sein können, variieren.<br />
Daneben gibt es eine ganze Reihe<br />
von Bundesstaaten, in denen noch Gesetze<br />
aus der Zeit vor »Roe vs. Wade«<br />
existieren. Zu ihnen zählen Michigan,<br />
Wisconsin, Alabama oder auch North<br />
Carolina. In einigen dieser Staaten wurden<br />
die restriktiven Abtreibungsgesetze<br />
nie gerichtlich blockiert oder für verfassungswidrig<br />
erklärt, sondern von »Roe<br />
vs. Wade« sozusagen nur »überschrieben«.<br />
Wieder andere Staaten wie Arizona,<br />
Georgia, Nebraska oder South<br />
Carolina haben bereits angekündigt,<br />
neue, restriktive Abtreibungsgesetze<br />
verabschieden zu wollen.<br />
Noch müssen sich US-Lebensschützer<br />
allerdings in Geduld üben. Denn<br />
endgültige Gewissheit herrscht erst<br />
dann, wenn der Oberste Gerichtshof<br />
sein Urteil im Fall »Dobbs vs. Jackson<br />
Women’s Health Organization«<br />
tatsächlich gesprochen hat. Dass der<br />
Entwurf der Entscheidung bereits seit<br />
Anfang Mai kursiert, lässt nicht unbedingt<br />
den Schluss zu, dass es schneller<br />
geht als erwartet. Wenn die Obersten<br />
Richter etwas nicht mögen, dann<br />
ist es Druck von außen. Gut möglich<br />
also, dass der Supreme Court noch bis<br />
unmittelbar vor der »Sommerpause«<br />
wartet, die er üblicherweise Ende Juni<br />
oder Anfang Juli antritt. Es ist zu befürchten,<br />
dass sich die ohnehin schon<br />
aufgeheizte Lage bis dahin weiter verschärfen<br />
wird. Auch weitere Ausschreitungen<br />
wie Mitte Mai sind nicht ausgeschlossen.<br />
Amerika steht ein heißer<br />
Sommer bevor.<br />
Im Portrait<br />
Die 2007 gegründete Zeitung zählt zu den wichtigsten Medien in Washington<br />
Maximilian Lutz<br />
Maximilian Lutz (geb. 1993) ist<br />
Chef vom Dienst Online der in<br />
Deutschland, Österreich und der<br />
Schweiz erscheinenden katholischen<br />
Wochenzeitung »Die Tagespost«.<br />
Nach seinem Studium des<br />
Übersetzens und Dolmetschens<br />
in Würzburg und München absolvierte<br />
er eine journalistische Ausbildung<br />
in Form eines Volontariats<br />
bei der »Tagespost«. Bis Sommer<br />
2019 berichtete er für die Zeitung<br />
aus Frankreich. 2021 erschien im<br />
Benno-Verlag seine Biden-Biografie:<br />
»Joe Biden. Ein Katholik im<br />
Weißen Haus«.<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
7
TITELTHEMA<br />
»Wir sind<br />
alarmiert«<br />
»Heartbeat International« ist eine US-amerikanische Lebensrechtsorganisation, deren<br />
Hauptaufgabe darin besteht, Zentren zu unterstützen, die Frauen im Schwangerschaftskonflikt<br />
beraten und ihnen Hilfe anbieten – sogenannte »Pregnancy Help Centers«. In den USA gibt es<br />
rund 3.000 solcher Zentren, mit »Heartbeat« verbunden sind 1.900. Nachdem der Entwurf<br />
eines Urteils des Supreme Courts an die Presse durchgestochen wurde, der die Aufhebung<br />
des Gerichtsurteils »Roe vs. Wade« in Aussicht stellt, sah »Heartbeat« sich genötigt,<br />
Warnhinweise an ihre Partner zu versenden. Über die Gründe sprach mit Andrea Trudden,<br />
Vizepräsidentin von »Heartbeat International«, Cornelia Kaminski.<br />
<strong>LebensForum</strong>: Vor einigen Wochen wurde<br />
eine Stellungnahme des Supreme<br />
Courts zur Rechtsprechung »Roe v.<br />
Wade« an die Presse weitergegeben.<br />
Die Stellungnahme legt nahe, dass dieses<br />
Urteil aufgehoben werden könnte –<br />
könnten Sie erklären, worum genau es<br />
in dem Dokument geht?<br />
Andrea Trudden: Die Stellungnahme,<br />
die von Richter Samuel Alito verfasst<br />
wurde, ist ein Entwurf, der von<br />
wenigstens fünf der neun Richter<br />
am Supreme Court unterstützt<br />
wird. Sie bezieht sich<br />
auf den Fall »Dobbs vs. Jackson<br />
Women’s Health Organisation«.<br />
Der Staat Mississippi<br />
hat per Gesetz die<br />
Abtreibungsfrist auf die 15.<br />
Schwangerschaftswoche<br />
verkürzt, »Jackson Women’s<br />
Health Organisation« hat dagegen<br />
geklagt, eine solche Fristenregelung<br />
verstoße gegen das<br />
Grundsatzurteil »Roe vs. Wade«.<br />
Diesem Urteil zufolge haben Frauen<br />
ein Recht auf Abtreibungen, ohne dass<br />
der Staat sich hier zu sehr einmischt.<br />
Die fünf Richter scheinen dem geleakten<br />
Dokument nach der Auffassung zu<br />
sein, dass der Bundesstaat Mississippi<br />
das Recht haben sollte, die Fristen für<br />
legale Abtreibungen anders festzulegen,<br />
als dies im Grundsatzurteil »Roe<br />
vs. Wade« vorgesehen ist. Abtreibungen<br />
sind demzufolge nicht mehr durch die<br />
Verfassung geschützt, stattdessen können<br />
die einzelnen Staaten ihre Gesetzgebung<br />
anpassen. In der Öffentlichkeit<br />
scheint es jedoch Verwirrung zu geben<br />
– viele Menschen glauben, durch eine<br />
Aufhebung von »Roe vs. Wade« würden<br />
in den USA Abtreibungen prinzipiell<br />
verboten. Das verursacht sehr viel<br />
Feindseligkeit und wird leider auch von<br />
manchen Politikern befeuert.<br />
Dies ist das erste Mal, dass so etwas<br />
passiert ist: Noch nie wurde der vorläufige<br />
Entwurf eines Urteils an die Medien<br />
durchgestochen. Wer könnte dahinterstecken?<br />
Das ist wirklich eine beunruhigende Sache,<br />
und viele Menschen in Washington<br />
haben sich auch sehr kritisch dazu geäußert,<br />
besonders konservative Politiker.<br />
Es ist ein großer Vertrauensbruch,<br />
dass dies an die Medien durchgestochen<br />
wurde. Manche haben es<br />
aber auch begrüßt – insbesondere<br />
Vertreter des Pro-Choice-<br />
Lagers. Sie scheinen es nicht<br />
besonders schlimm zu finden,<br />
dass das passiert ist. Im<br />
Moment laufen die Untersuchungen<br />
hierzu – aber es ist<br />
tatsächlich das erste Mal, dass<br />
auf diese Weise ein vollständiges<br />
Dokument geleakt wurde.<br />
Das ist schon ein ziemlicher<br />
Skandal, dass jemand, der Zugriff<br />
auf dieses vertrauliche Dokument<br />
hatte, so damit umgegangen ist. Die<br />
Zahl derjenigen, die dafür infrage kommen,<br />
ist begrenzt: das sind nur die Mitarbeiter<br />
der betroffenen Richter. Es ist<br />
sehr bedauerlich, dass sie das Vertrauen,<br />
dass die Richter ihnen geschenkt haben,<br />
so missbraucht haben. Wir hoffen natürlich,<br />
dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft<br />
gezogen werden, alles ande-<br />
8 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
TITELTHEMA<br />
re wäre ein sehr schlechter Präzedenzfall:<br />
Dann könnte man in Zukunft mit<br />
solchen Vorabveröffentlichungen versuchen,<br />
Richter durch öffentliche Stimmungsmache<br />
zu beeinflussen, um die eigene<br />
Agenda voranzutreiben. Das kann<br />
man nicht wollen.<br />
Der Supreme Court ist mit neun Richtern<br />
besetzt, die auf Lebenszeit gewählt<br />
wurden. Ruth Bader Ginsburg,<br />
eine liberale Richterin und pro choice,<br />
verzichtete darauf, während der Amtszeit<br />
von Obama im Alter von 80 Jahren<br />
ihren Stuhl am Obersten Gerichtshof<br />
freiwillig zu räumen. So ergab sich nach<br />
ihrem Tod für Präsident Donald Trump<br />
die Möglichkeit, einen dritten obersten<br />
Richter während seiner Amtszeit zu ernennen.<br />
Wer außer Richter Alito ist vermutlich<br />
noch kritisch gegenüber »Roe<br />
vs. Wade« eingestellt?<br />
Das sind neben Samuel Alito, der das<br />
Dokument verfasste, Clarence Thomas,<br />
Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh, Amy<br />
Coney Barrett, vielleicht auch der Vorsitzende<br />
John Roberts. Roberts könnte<br />
sich ebenfalls der Einschätzung anschließen,<br />
dass das Gesetz in Mississippi<br />
verfassungsrechtlich unbedenklich ist,<br />
aber möglicherweise mit einer anderen<br />
Begründung – aus seinen Äußerungen<br />
und den von ihm gestellten Fragen in<br />
der Anhörung lässt sich dies schließen.<br />
Aber wir wissen nicht, wie er letztendlich<br />
entscheiden wird.<br />
Gab es für die Richter, von denen diese<br />
Entscheidung nun erwartet wird, Folgen?<br />
Was passierte in den USA nach der<br />
Veröffentlichung des Dokuments?<br />
Das war wirklich unglaublich bedauerlich.<br />
Kurz nachdem das Dokument veröffentlicht<br />
wurde, wurden im Internet<br />
die persönlichen Daten der konservativen<br />
Richter veröffentlicht. Es gab einen<br />
Artikel im Internet, der auf eine Karte<br />
der Region rund um Washington verlinkte,<br />
in der die Richter wohnen. Ihre<br />
jeweilige Heimatadresse war darauf<br />
eingezeichnet. Innerhalb kurzer Zeit<br />
kam es dann zu Demonstrationen vor<br />
deren Häusern. Einige von ihnen haben<br />
kleine Kinder, die Nachbarn werden<br />
hineingezogen, das ist einfach überhaupt<br />
nicht akzeptabel. Richter Alito,<br />
der das Dokument verfasst hatte, musste<br />
aus Sicherheitsgründen mit seiner Familie<br />
sein Haus verlassen und an einen<br />
sicheren Ort gebracht werden. Diese<br />
Richter machen einfach ihren Job: Ihre<br />
Aufgabe ist es, anhand der Verfassung,<br />
die sie genau analysieren, bestimmte<br />
Gerichtsverfahren zu beurteilen, und<br />
zwar um sicherzustellen, dass wir den<br />
Wurde bis auf Weiteres für die Öffentlichkeit geschlossen: Das Gebäude des Obersten Gerichtshofs der USA<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
9
TITELTHEMA<br />
Regeln folgen. Wenn wir diese Instanz<br />
nicht anerkennen, diese Führung, und<br />
stattdessen auf eine Mob-Mentalität<br />
setzen, um die Entscheidungen durchzudrücken,<br />
die uns besser passen, dann<br />
versinkt unsere Nation im Chaos. Eine<br />
gute Gemeinschaft, eine gute Kultur<br />
oder Nation gibt es nicht, wenn einzelne<br />
Gruppen solchen Druck ausüben<br />
und drohen. Im Moment scheint sich die<br />
Lage etwas beruhigt zu haben, aber sowohl<br />
das Kapitol als auch der Supreme<br />
Court sind komplett eingezäunt, man<br />
kommt nicht mehr hinein. Früher konnte<br />
man einfach die Treppen zum Supreme<br />
Court hinaufsteigen, aber das geht<br />
seit der Veröffentlichung dieses Dokuments<br />
nicht mehr. Jetzt sind dort Zäune<br />
aufgestellt, über die man nicht drüberklettern<br />
kann. Das ist schon ein merkwürdiges<br />
Gefühl. Auf der Homepage<br />
des Supreme Courts ist nun nachzulesen,<br />
dass aus Sorge um die Gesundheit<br />
und Sicherheit der Bevölkerung und<br />
der Angestellten des Supreme Courts<br />
das Gebäude bis auf Weiteres für den<br />
Publikumsverkehr geschlossen ist. Es<br />
wurde also abgeriegelt.<br />
»Heartbeat« unterstützt Schwangerschaftszentren<br />
(Pregnancy Help Centres)<br />
in den USA. Die »New York Times«<br />
berichtete auf Twitter von der Zerstörung<br />
eines solchen Hilfszentrums in Wisconsin,<br />
einer der Kommentare dazu lautete:<br />
»Mehr davon, bitte. Mögen diese Leute<br />
niemals mehr einen Augenblick Frieden<br />
und Sicherheit haben, bis dass sie in der<br />
Erde verrotten.« Wie ist die Lage für die<br />
Hilfszentren, die Sie betreuen?<br />
Mehrere dieser Zentren sind Opfer<br />
von Vandalismus geworden, Drohungen<br />
gab es ebenfalls, selbst gegenüber<br />
Entbindungskliniken, mit denen wir kooperieren.<br />
Wir sind alarmiert. Gott sei<br />
Dank gab es noch keine verletzten Personen.<br />
Es gab Graffiti an den Wänden,<br />
solche Sprüche wie »Ihr seid nicht sicher«.<br />
Das ist beunruhigend. Schließlich<br />
sind ja die Zentren dazu da, Frauen<br />
und Familien zu helfen und mit Dingen<br />
zu versorgen, die sie brauchen – Babykleidung,<br />
Windeln, Elternkurse und dergleichen.<br />
Das ist für arme Familien so<br />
wichtig, und jetzt wird ihre Sicherheit<br />
bedroht. Es ist so viel Wut vorhanden.<br />
Vor ein paar Tagen hat eine Frau einfach<br />
mit ihrem Schlüssel vier Autos von<br />
ehrenamtlichen Mitarbeitern zerkratzt,<br />
die vor dem Zentrum geparkt hatten.<br />
Es ist sehr traurig zu sehen, dass Menschen<br />
so wütend darüber sein können,<br />
dass solche Zentren in ihren Gemeinden<br />
Frauen im Schwangerschaftskonflikt helfen,<br />
und offensichtlich ihre Schließung<br />
erzwingen wollen. Aber wo sollen denn<br />
die Frauen hingehen, wenn die Zentren<br />
geschlossen werden? Mit wem sol-<br />
Aus Sorge um die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung und Angestellten eingezäunt: Der Sitz des US-Supreme Courts<br />
10 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
TITELTHEMA<br />
len sie über ihre Sorgen angesichts der<br />
ungeplanten Schwangerschaft reden?<br />
Das sind ja die Augenblicke, in denen<br />
wir da sind, um Frauen zu stärken, ihnen<br />
Hilfe zu bieten, an ihrer Seite zu<br />
sein. Dass gegen diese Arbeit nun ein<br />
solcher Zorn gerichtet ist, das ist schon<br />
beunruhigend. Wir bekommen natürlich<br />
auch Online-Attacken, auch unsere<br />
Notrufnummer bekommt sehr viel<br />
mehr Hassanrufe. Wir raten unseren<br />
Zentren, Überwachungskameras anzubringen,<br />
mit den örtlichen Sicherheitskräften<br />
eng zusammenzuarbeiten, niemals<br />
allein das Zentrum zu betreten,<br />
den Versicherungsstatus zu überprüfen<br />
– aber Sicherheit vor Vandalismus<br />
bedeutet das alles nicht.<br />
Nun warten natürlich alle auf die endgültige<br />
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.<br />
Glauben Sie, dass die Tatsache,<br />
dass das Dokument an die Medien<br />
durchgestochen wurde, das Verfahren<br />
eher beschleunigen oder verlangsamen<br />
wird? Und werden die Richter sich beeinflussen<br />
lassen?<br />
Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage.<br />
Der Supreme Court veröffentlicht jeden<br />
Montagmorgen die Entscheidungen,<br />
die innerhalb der vorangegangenen<br />
Hilfe und Unterstützung brauchen, also<br />
werden wir auf jeden Fall weiterarbeiten<br />
und Frauen, denen wir geholfen<br />
haben, ihre Geschichte erzählen lassen.<br />
Ich denke da zum Beispiel an ein<br />
Mädchen, das mit 14 schwanger wurde<br />
und furchtbar verängstigt war. Aber<br />
sie hat ihren Schulabschluss gemacht,<br />
hat zwei Jobs, besucht nun das College.<br />
Ihre Tochter ist jetzt drei und gibt im<br />
Amerika ist eine Nation unter Waffen –<br />
das hat uns auf schreckliche Weise der<br />
Amoklauf an der Grundschule in Uvalde<br />
gezeigt, bei dem 21 Menschen, darunter<br />
19 Kinder, starben. Die Sorge, dass<br />
die Gewalt eskaliert und es zu schlimmeren<br />
Dingen als Vandalismus kommt,<br />
ist also nicht ganz unberechtigt. In einem<br />
Tweet war zu lesen, dass man das<br />
Leben unzähliger ungewollt schwangerer<br />
Frauen retten könnte, wenn man<br />
jetzt fünf Supreme-Court-Richter erschießen<br />
würde – dann hätte Präsident<br />
Biden ja die Möglichkeit, sie mit Pro-<br />
Choice-Richtern zu ersetzen. Wie sind<br />
solche Tweets einzuordnen?<br />
Das ist die typische »Der Zweck heiligt<br />
die Mittel«-Haltung: Wenn ich etwas<br />
für richtig halte, dann sind die Mittel,<br />
mit denen ich es erreiche, völlig<br />
egal. Aber wenn wir uns von allen Gesetzen<br />
und Regeln verabschieden, entsteht<br />
natürlich Chaos. Das hat uns die<br />
Geschichte gezeigt. Wenn Regeln über<br />
Bord geworfen werden, und das gebilligt<br />
wird, weil diejenigen, die dies tun,<br />
ein vermeintlich gutes Ziel verfolgen,<br />
entsteht ein Machtvakuum – und dieses<br />
Vakuum wird gefüllt werden. Diejenigen,<br />
die ein solches Vakuum füllen,<br />
sind nicht unbedingt die Guten.<br />
Die Geschichte hat uns vielmehr gelehrt,<br />
dass dies zu sehr viel Gewalt und<br />
Tod führen kann.<br />
Andrea Trudden, Vizepräsidentin von »Heartbeat International«<br />
Woche gefällt wurden. Wir sind also jeden<br />
Montagmorgen sehr gespannt. Wir<br />
gehen aber davon aus, dass an dem Entwurf<br />
nur noch wenig geändert wird und<br />
dass spätestens Ende Juni die endgültige<br />
Entscheidung veröffentlicht werden<br />
wird. Die bisherige Reaktion der Richter<br />
lässt eher vermuten, dass sie sich vom<br />
Druck des Mobs nicht weiter beeinflussen<br />
lassen. Die Richter sind inzwischen<br />
auch wieder zusammengekommen, und<br />
wir haben nicht den Eindruck, dass sie<br />
sich einschüchtern lassen. Es scheint so,<br />
dass sie sehr davon überzeugt sind, dass<br />
»Roe vs. Wade« eine falsche Entscheidung<br />
war. Der Supreme Court hat damals<br />
seine Grenzen deutlich überschritten,<br />
jeder einzelne Bundesstaat muss<br />
das Recht haben, selbst festzulegen, wie<br />
Abtreibungen geregelt werden sollen.<br />
Warten wir also ab. Wir sind vorbereitet,<br />
egal wie die Entscheidung ausfällt,<br />
denn es wird immer Frauen geben, die<br />
Kindergarten damit an, dass ihre Mama<br />
beim Rodeo gewonnen hat. Das ist<br />
meine kleine Heldin.<br />
Weitere Infos<br />
Weitere Informationen zu den<br />
Themen in diesem <strong>LebensForum</strong><br />
finden Sie hier.<br />
Alternativ können Sie auch die<br />
Adresse https://www.alfa-ev.de/<br />
hintergrundinfos-zum-aktuellenlebensforum/<br />
in Ihren Browser<br />
eingeben.<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
11
BIOETHIK-SPLITTER<br />
Umfrage: Bereitschaft<br />
zur Organspende sinkt<br />
Berlin (<strong>ALfA</strong>). Die Bereitschaft der<br />
Deutschen, Organe zu spenden, geht<br />
zurück. Das berichtet das Online-Portal<br />
des »Deutschen Ärzteblatts« unter<br />
Berufung auf eine Umfrage der Barmer.<br />
Demnach erklärten 34 Prozent<br />
der Befragten, sie seien zur Organspende<br />
bereit. Im Vorjahreszeitraum waren<br />
es noch 36 Prozent. Dagegen stieg die<br />
Zahl derer, die eine Organspende sicher<br />
ausschließen, von 6 auf 9 Prozent.<br />
Laut der Umfrage, die die Barmer unter<br />
1.000 Versicherten zwischen 16 und<br />
64 Jahren durchführte, geht die Bereitschaft<br />
zur Organspende auch zwischen<br />
den Geschlechtern weiter auseinander.<br />
Während bei Frauen die Spendebereitschaft<br />
von 39 Prozent auf 40 Prozent<br />
knapp stieg, sank sie bei Männern von<br />
32 Prozent auf 27 Prozent deutlich.<br />
Unterschiede gibt es auch in den Altersgruppen.<br />
Während bei den 18- bis<br />
25-Jährigen 43 Prozent erklärten, sie<br />
seien bereit, Organe zu spenden, trifft<br />
dies in der Gruppe der 39- bis 50-Jährigen<br />
nur auf 29 Prozent zu. Laut der<br />
Umfrage stieg der Anteil der Bürger,<br />
die einen Organspendeausweis besitzen,<br />
nur minimal. Während im Mai vergangenen<br />
Jahres 37 Prozent einen solchen<br />
besaßen, liegt die Quote aktuell<br />
bei 38 Prozent. »Wer sich für oder gegen<br />
die Organspende entschieden hat,<br />
sollte dies in einem Organspendeausweis<br />
entsprechend dokumentieren«, erklärte<br />
Barmer-Chef Christoph Straub.<br />
Transparenz sei im Fall eines Falles für<br />
alle Seiten wichtig.<br />
reh<br />
Lauterbach für neuen<br />
Anlauf bei Organspende<br />
Berlin (<strong>ALfA</strong>). Bundesgesundheitsminister<br />
Karl Lauterbach (SPD) plant offenbar<br />
einen neuen Vorstoß zur Einführung<br />
der sogenannten Widerspruchslösung<br />
bei der Organspende. Dem ARD-<br />
Hauptstadtstudio sagte Lauterbach anlässlich<br />
des Internationalen Tags der<br />
Organspende (4. Juni): »Wir brauchen<br />
aus meiner Sicht unbedingt einen neuen<br />
Anlauf für die Widerspruchslösung.<br />
Wir bekommen das Problem sonst nicht<br />
Karl Lauterbach, SPD<br />
THOMAS ECKE<br />
gelöst.« Nach Angaben der Deutschen<br />
Stiftung Organtransplantation (DSO)<br />
ist die Zahl der Organspender derzeit<br />
rückläufig. Demnach gab es von Januar<br />
bis April dieses Jahres 239 Organspender.<br />
Das sind rund 26 Prozent weniger<br />
als im Vorjahreszeitraum. 2020 waren es<br />
330. Auch die Anzahl der gespendeten<br />
Organe ging zurück. Zwischen Januar<br />
und April des laufenden Jahres waren<br />
es 750. Im Vorjahreszeitraum waren es<br />
noch 1.004. Und 2020: 1.038.<br />
Derzeit gilt in Deutschland eine Entscheidungslösung.<br />
Ihr zufolge bedarf eine<br />
Organspende der ausdrücklichen Zustimmung<br />
des Spenders. Ist dessen Haltung<br />
nicht dokumentiert und der potenzielle<br />
Organspender nicht zustimmungsfähig,<br />
müssen die Angehörigen<br />
entscheiden.<br />
Vor zwei Jahren waren Lauterbach<br />
und sein damaliger Amtsvorgänger Jens<br />
Spahn (CDU) mit einem gemeinsamen<br />
Gesetzesentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung<br />
im Deutschen Bundestag<br />
krachend gescheitert. Nur 292<br />
Abgeordnete stimmten damals für ihren<br />
Entwurf. Für die Abstimmung war<br />
der Fraktionszwang aufgehoben worden.<br />
Aus der Union erntete Lauterbach bereits<br />
Widerspruch. »Eine Organspende<br />
muss weiter eine bewusste und selbstbestimmte<br />
Entscheidung sein«, forderte<br />
der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan<br />
Pilsinger auf dem Kurznachrichtendienst<br />
»Twitter«. Dem »Redaktionsnetzwerk<br />
Deutschland« (RND) sagte Pilsinger,<br />
der wie Lauterbach Arzt ist: »Nichts sagen<br />
kann keine Zustimmung sein. Falls<br />
Karl Lauterbach nochmal eine Abstimmung<br />
über die Widerspruchslösung in<br />
den Bundestag einbringen möchte, werde<br />
ich mich wieder für die Gründung einer<br />
interfraktionellen Gruppe für den<br />
Erhalt der Entscheidungslösung einsetzen.«<br />
Bei der namentlichen Abstimmung<br />
am 16. Januar 2020 stimmten bei<br />
der 3. Lesung 432 Abgeordnete für die<br />
Entscheidungslösung.<br />
Die Widerspruchslösung gilt mittlerweile<br />
in 15 europäischen Ländern. Darunter<br />
Frankreich, Italien, Irland, Österreich<br />
und Spanien.<br />
Auch die FDP-Abgeordnete Katrin<br />
Helling-Plahr mahnte, das Thema Organspende<br />
erneut auf die Agenda zu setzen,<br />
um für eine höhere Spendenzahl zu<br />
sorgen. Dabei sprach sie sich auch für einen<br />
Ausbau der Lebendspenden aus. reh<br />
Hebammen kritisieren<br />
Arbeitsbedingungen<br />
Berlin (<strong>ALfA</strong>). Der Deutsche Hebammen<br />
Verband (DHV) fordert einen Paradigmenwechsel<br />
bei der Geburtshilfe. »Die<br />
Arbeitsbedingungen in der klinischen<br />
Geburtshilfe haben sich in den vergangenen<br />
20 Jahren dramatisch verschlechtert«,<br />
erklärte DHV-Präsidentin Ulrike<br />
Geppert-Orthofer anlässlich des internationalen<br />
Hebammentages (5. Mai).<br />
Hebammen würden genötigt, in<br />
Stoßzeiten bis zu vier Gebärende gleichzeitig<br />
zu betreuen, doppelt so viele wie<br />
in anderen europäischen Ländern. Dies<br />
sei »ein Skandal und einem Land wie<br />
unserem unwürdig«. »Menschwerden<br />
muss in Deutschland unter menschlichen<br />
und höchsten Standards möglich<br />
sein«, so Geppert-Orthofer.<br />
Die Beirätin für den Angestelltenbereich<br />
im DHV, Andrea Ramsell, kritisierte<br />
strukturelle Fehlanreize. »Geburtshilfe<br />
in deutschen Kliniken lohnt<br />
sich de facto nicht.« Hier müsse »dringend<br />
ein Umdenken erfolgen. Klinische<br />
Geburtshilfe muss zu den gewinnbringenden<br />
Abteilungen eines Krankenhauses<br />
gehören und eine personalintensive<br />
Eins-zu eins-Betreuung ausdrücklich<br />
belohnt werden«, so ihre Forderung.<br />
Laut einer DHV-Umfrage unter<br />
3.516 teilnehmenden Hebammen würden<br />
77 Prozent (2.718 Personen) wieder<br />
oder mehr im Kreißsaal arbeiten, »wenn<br />
die Eins-zu-eins-Betreuung der Frau garantiert<br />
ist, ich nur Hebammentätigkeit<br />
ausführen muss und hebammengelei-<br />
12 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
BIOETHIK-SPLITTER<br />
tete Geburtshilfe nicht nur leere Worte<br />
sind«, heißt es in der Umfrage. reh<br />
Auch Samenspender<br />
haben Rechte<br />
sei bei einer privaten Samenspende jedoch<br />
anders. Auf das verfassungsrechtliche<br />
Elternrecht könnten sich zudem<br />
nur Personen berufen, »die in einem<br />
durch Abstammung oder durch einfachgesetzliche<br />
Zuordnung begründeten<br />
Elternverhältnis zum Kind stehen«.<br />
Dies sei hier bei der Ehefrau der Mutter<br />
nicht der Fall. Sie sei weder leiblich<br />
noch rechtlich Elternteil des Kindes,<br />
sodass sie vom Schutz des Grundgesetzes<br />
nicht erfasst sei. reh<br />
Stuttgart (<strong>ALfA</strong>). Bei privaten Samenspenden<br />
kann der Gametenspender<br />
hinterher die Vaterschaft feststellen<br />
lassen. Das hat das Oberlandesgericht<br />
(OLG) Stuttgart entschieden (Az.: 11<br />
UF 39/22). Im dem von den Richtern<br />
zu entscheidenden Fall ging es um ein<br />
lesbisches Paar aus Baden-Württemberg.<br />
Um ihren Kinderwunsch erfüllen<br />
zu können, erklärte sich der Antragsteller<br />
zu einer privaten Samenspende bereit.<br />
Anfang 2019 übergab er einer der<br />
beiden Frauen eine Samenspende in<br />
einem Becher, mit dem diese eine Befruchtung<br />
vornehmen konnte.<br />
Laut dem Gericht waren sich alle einig,<br />
dass der auf diese Weise gezeugte<br />
Junge bei der Mutter und ihrer Ehefrau<br />
aufwachsen sollte. Der Mann ging allerdings<br />
davon aus, dass er die Vaterschaft<br />
und die Vaterrolle übernehmen<br />
sollte. Dagegen behauptet die Mutter,<br />
es sei abgesprochen gewesen, dass ihre<br />
Partnerin das Kind adoptiert. Der Mann<br />
beantragte die Feststellung der Vaterschaft.<br />
Dem kam das zuständige Familiengericht<br />
nach. Laut Abstammungsgutachten<br />
sei er zu 99,99999 Prozent der<br />
biologische Vater des Kindes. Für eine<br />
Adoption durch die Ehefrau sei aber<br />
die Zustimmung des biologischen Vaters<br />
notwendig.<br />
Dies wiederum hielt die Mutter des<br />
Kindes für verfassungswidrig. Sie argumentierte,<br />
laut Gesetz werde der Ehemann<br />
der Mutter automatisch auch<br />
rechtlicher Vater. Dies müsse auch für<br />
gleichgeschlechtliche Paare gelten. Dem<br />
Bundesverfassungsgericht lägen hierzu<br />
zwei ähnlich gelagerte Fälle zur Prüfung<br />
vor. Daher müsse das aktuelle Verfahren<br />
bis zu einer Entscheidung ausgesetzt<br />
werden.<br />
Das OLG folgte dieser Argumentation<br />
nicht. Die Verfahren in Karlsruhe<br />
bezögen sich auf mittels künstlicher<br />
Befruchtung und anonymer Samenspenden<br />
aus einer Samenbank gezeugte<br />
Kinder. In solchen Fällen sei der<br />
zweite Elternteil nicht bekannt. Dies<br />
In memoriam<br />
Nachruf auf Dr. med. Johannes Decker, Frauenarzt und langjähriges<br />
Mitglied der »Ärzte für das Leben« (1953–2021)<br />
Am 19. Oktober 2021 ist unser langjähriges Mitglied Dr. med. Johannes Decker<br />
nach langer schwerer Krankheit verstorben. Dr. Decker stammte aus einer Aussiedlerfamilie<br />
aus Sorau in der Niederlausitz im heutigen Polen. Er wurde in<br />
Leipzig geboren, wo er auch aufwuchs. Aufgrund seiner politischen und christlichen<br />
Einstellung beantragte er 1976 im Alter von 23<br />
Jahren die Ausreise aus der DDR, die im Dezember 1977<br />
erfolgte. Seit 1978 lebte er in Berlin, wo er an der Freien<br />
Universität Humanmedizin studierte und 1990 promovierte.<br />
In Berlin-Kreuzberg betrieb er auch eine erfolgreiche<br />
Frauenarztpraxis.<br />
Trotz dieser Praxisanschrift machte Johannes Decker<br />
keinen Hehl aus seinem Engagement für das Lebensrecht<br />
und führte stolz das Logo unseres Vereins auf Dr. Johannes Decker<br />
seiner Praxis-Homepage. Seit vielen Jahren gehörte er<br />
zu unserer Kernmannschaft und hat unsere Arbeit in vielfältigster Weise unterstützt.<br />
Jedes Jahr war er beim »Marsch für das Leben« mit seiner Familie dabei.<br />
Immer wieder äußerte er sich in Online-Fachforen und in der gynäkologischen<br />
Fachpresse. Legendär war sein Auftritt 2019 beim ZDF, wo er sich nicht scheute,<br />
mit einem der bekanntesten Abtreibungsärzte überhaupt, Dr. Christian Fiala aus<br />
Wien, offensiv über die Ungerechtigkeit dieser Prozedur zu diskutieren. Auch arbeitete<br />
er mit der jungen Pro-Life-Organisation »Sundays for Life« zusammen<br />
und half ihr, einige der besten Videos im deutschsprachigen Raum zu kreieren,<br />
die zeigen, was bei einer Abtreibung wirklich passiert.<br />
Einige von uns hatten das Glück, Johannes ein letztes Mal bei der Geburtstagsfeier<br />
des Bundesverbands Lebensrecht am 16. September 2021 in Berlin zu sehen.<br />
Bei dieser Gelegenheit haben er und ich uns endlich das »Du« angeboten.<br />
Wenige Tage später ist er nach Thailand abgereist, wo er mit seiner Frau Pornthip<br />
und seinen beiden geliebten Zwillingen Jennie und Rita seinen Lebensabend<br />
verbringen wollte. Leider kam es nicht mehr dazu.<br />
Johannes Decker hatte seinen ganz eigenen Stil, wie sich schon an seiner äußeren<br />
Erscheinung unschwer erkennen ließ. Er war damit eine große Bereicherung<br />
nicht nur für unseren Verein, sondern für die Lebensrechtsbewegung insgesamt.<br />
Er zeigte uns auf vorbildliche Weise, dass Authentizität und Geradlinigkeit der<br />
beste Weg sind, um für die eigenen Überzeugungen einzutreten.<br />
Wie man in der irischen Sprache sagt: »Ar dheis Dé go raibh a anam uasal« –<br />
Möge seine edle Seele an der rechten Hand Gottes sein.<br />
Prof. Dr. med. Paul Cullen, Vorsitzender der »Ärzte für das Leben«<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
13
POLITIK<br />
CRAIG/STOCK.ADOBE.COM<br />
Die gefährlichste<br />
Frau im Staat<br />
Kristina Hänel im Bundestag: Die Öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum geplanten Wegfall<br />
des Werbeverbots für Abtreibungen bot neben viel Erwartbarem auch interessante Einblicke<br />
Von Stefan Rehder<br />
Oft sind es letzte Sätze, die bleiben.<br />
Das war auch am 18. Mai<br />
bei der Öffentlichen Anhörung<br />
des Rechtsausschusses im Bundestag<br />
nicht anders. Einziger Tagesordnungspunkt:<br />
Der Gesetzesentwurf<br />
der Bundesregierung zur Aufhebung<br />
des Werbeverbots für Abtreibungen<br />
(§ 219a StGB) sowie zwei das Werbeverbot<br />
betreffende Anträge der Unionsfraktion<br />
und der Fraktion »Die Linke«.<br />
Insgesamt elf Sachverständige hörten<br />
die Mitglieder des federführenden<br />
Rechtsausschusses und der mitberatenden<br />
Bundestagsausschüsse für Gesundheit<br />
sowie Familie, Frauen, Senioren<br />
und Jugend dabei an.<br />
Nicht alle Sachverständigen waren<br />
live vor Ort. Per Video zugeschaltet<br />
wurden die Vorsitzende des Bundesverbands<br />
»pro familia«, Monika Börding,<br />
sowie die Juraprofessoren Elisa<br />
Marie Hoven (Leipzig), Anna Katharina<br />
Mangold (Flensburg) und Michael<br />
Kubiciel (Augsburg). Persönlich erschienen<br />
im Sitzungssaal 2.600 des Paul-<br />
Löbe-Hauses waren hingegen Valentina<br />
Chiofalo, wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am Lehrstuhl für Öffentliches<br />
Recht und Europarecht an der FU Berlin<br />
und im Legal Team für »Doctors for<br />
Choice«, Inga Schuchmann und Leonie<br />
Steinl vom »Deutschen Juristin-<br />
14 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
POLITIK<br />
STEPHAN RÖHL/CC BY SA 2.0<br />
nenbund« sowie Natascha Sasserath-<br />
Alberti vom Kommissariat der Deutschen<br />
Bischöfe und Albrecht Weißbach,<br />
Geschäftsführer der freikirchlichen Lebensrechtsorganisation<br />
»KALEB«. Mit<br />
der Direktorin der Klinik und Poliklinik<br />
für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />
und Lehrstuhlinhaberin für Frauenheilkunde<br />
und Geburtshilfe der Universität<br />
Regensburg, Angela Köninger,<br />
und der Gießener Allgemeinmedizinerin<br />
Kristina Hänel waren schließlich auch<br />
zwei Ärztinnen geladen. Eine, die oft<br />
sehr erfolgreich um das Leben ungeborener<br />
Kinder kämpft, und eine, die<br />
es ihnen – leider ebenfalls sehr erfolgreich<br />
– nimmt.<br />
Dass sich die Mehrheit der Sachverständigen<br />
für die Streichung des § 219a<br />
aus dem Strafgesetzbuch aussprach,<br />
wunderte nicht. Schließlich wählen alle<br />
Fraktionen die Sachverständigen danach<br />
aus, wer ihrer jeweiligen Position<br />
am nächsten kommt, und schicken sie<br />
analog zu den Mehrheitsverhältnissen<br />
im Parlament ins Rennen. Und weil<br />
mit SPD, Bündnis 90/Die Grünen,<br />
FDP und Linkspartei gleich vier Fraktionen<br />
den § 219a aus dem Strafgesetzbuch<br />
gestrichen sehen wollen, vertraten<br />
denn auch sieben der elf Sachverständigen<br />
exakt diese Position.<br />
Obgleich das Ergebnis also von vorneherein<br />
feststand, förderte die Anhörung<br />
doch einige interessante Ergebnisse<br />
zu Tage. Anders als in den Reden<br />
der Vertreter der Ampelkoalition, in<br />
denen diese nahezu gebetsmühlenartig<br />
zu wiederholen pflegen, dass die Aufhebung<br />
des § 219a StGB »nichts, aber<br />
auch gar nichts« (Bundesjustizminister<br />
Marco Buschmann) mit dem § 218<br />
StGB zu tun habe, redeten die Sachverständigen<br />
in der Anhörung diesbezüglich<br />
Klartext. So machten etwa Börding,<br />
Chiofalo, Schuchmann und Steinle<br />
unmissverständlich deutlich, dass die<br />
Streichung des § 219a StGB aus ihrer<br />
Sicht nicht nur »überfällig«, sondern<br />
auch nur ein »erster Schritt« sein könne.<br />
Am deutlichsten wurde dabei Chiofalo:<br />
»Der Missstand im Bereich der Versorgungslage<br />
weist nur auf ein grundlegendes<br />
Problem hin. Solange der selbstbestimmte<br />
Schwangerschaftsabbruch über<br />
das StGB als Unrecht charakterisiert<br />
wird, wird die gesellschaftliche Tabuisierung<br />
aufrechterhalten. Statt auf Kriminalisierung<br />
und Stigmatisierung zu<br />
setzen, sollte der Schwangerschaftsabbruch<br />
im Kontext von reproduktiven<br />
Rechten verortet werden.«<br />
Mit anderen Worten: Aus dem rechtswidrigen<br />
Abbruch einer Schwangerschaft,<br />
bei welcher der Staat auf Strafe<br />
verzichtet, wenn sich die Schwangere<br />
zuvor beraten ließ, soll ein Recht<br />
werden. Damit nicht genug, forderte<br />
die Juristin auch gleich den Wegfall<br />
weiterer, dem Lebensschutz dienender<br />
Auflagen: »Vor dem Hintergrund eines<br />
menschenrechtsbasierten Zugangs« seien<br />
etwa auch »die Beratungsverpflichtung<br />
sowie die dreitägige Wartefrist<br />
klar abzulehnen«.<br />
Kristina Hänel<br />
Wenig überraschend war, dass das besondere<br />
Interesse der rund 40 Zuschauer,<br />
die die Anhörung verfolgten, Hänel<br />
galt. Jener Ärztin, die um eine Verurteilung<br />
wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot<br />
für Abtreibungen geradezu<br />
gebettelt hatte und die längst zur Galionsfigur<br />
der Abtreibungslobby avancierte.<br />
In ihrem Eingangsstatement, für<br />
das der stellvertretende Ausschussvorsitzende<br />
Thorsten Lieb (FDP) jedem<br />
Sachverständigen vier Minuten eingeräumt<br />
hatte, sagte Hänel nichts, was ihre<br />
Mitstreiter vorher und nachher nicht<br />
eloquenter vorgebracht hätten. Nur der<br />
Schlusssatz hatte es in sich: »Mir als Ärztin,<br />
aus ethischem Handeln heraus, ist<br />
es wichtig, dass die medizinische Versorgung<br />
für Betroffene gewährleistet ist<br />
und dass Kinder, die auf die Welt kommen,<br />
angenommen und geliebt sind.«<br />
WWW.DGPM-ONLINE.ORG<br />
Angela Köninger<br />
Man fühlte sich an ein Bonmot Christoph<br />
Wilhelm Hufelands (1762–1863)<br />
erinnert. Der Freimaurer und Illuminat,<br />
der zu den berühmtesten Ärzten des<br />
19. Jahrhunderts zählt und von König<br />
Friedrich Wilhelm III. zum Direktor<br />
und »Ersten Arzt« der Berliner Charité<br />
ernannt worden war, hatte 1806<br />
in dem von ihm gegründeten »Neuen<br />
Journal der practischen Arzneykunde<br />
und Wundarzneykunst« festgehalten:<br />
Der Arzt »soll und darf nichts<br />
anderes thun, als Leben erhalten; ob<br />
es ein Glück oder ein Unglück sey, ob<br />
es Wert habe oder nicht, das geht ihn<br />
nichts an. Und maßt er sich einmal an,<br />
diese Rücksicht in sein Geschäft aufzunehmen,<br />
so sind die Folgen unabsehbar<br />
und der Arzt wird der gefährlichste<br />
Mensch im Staat.«<br />
Nun sind die Folgen im Fall Hänel<br />
längst absehbar. Der § 219a StGB<br />
wird fallen und der § 218 wird folgen,<br />
wenn die Ampelkoalition nicht vorher<br />
auseinanderbricht. Doch wenigstens<br />
widersprach in Gestalt der Direktorin<br />
der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde<br />
und Geburtshilfe der Universität<br />
Regensburg der gefährlichsten<br />
Frau im Staate eine wahre Ärztin<br />
in nahezu allen Belangen. Man müsse<br />
sich davor hüten »zu denken, dass das<br />
System nicht funktioniert. Es funktioniert<br />
mit über 90.000 Abbrüchen in<br />
Deutschland.« Auch komme keine Frau<br />
in den Kreißsaal, die keinen Mutterpass<br />
habe, alle hätten »einen Frauenarzt, alle<br />
eine Vorsorge«, so Köninger. »Das<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
15
POLITIK<br />
Marco Buschmann, FDP<br />
Trennungsgebot zwischen Beratung und<br />
Durchführung des Abbruchs« beseitige<br />
»Interessenskonflikte« von Ärzten und<br />
schütze Frauen vor »Aktionismus«. Ärzte<br />
lehnten die Durchführung von Abtreibungen<br />
nicht aus Angst vor dem § 219a<br />
StGB ab, sondern auf »Basis von Wissen<br />
und Gewissen«. Auch hätten Frauenärzte<br />
»täglich Einblick in die frühembryonale<br />
Entwicklung«. »Wir sehen<br />
mehr als einen Zellhaufen, schon<br />
in der fünften Schwangerschaftswoche,<br />
und wir kommen tagtäglich in die Situation,<br />
dass wir unter Extrembedingungen<br />
Kindern Überleben überhaupt erst<br />
ermöglichen müssen.« Niemand könne<br />
»von so einer Berufsgruppe« erwarten,<br />
»dass sie mit gleicher Selbstverständlichkeit<br />
anderen Kindern das Lebenspotenzial<br />
wegnimmt«. Für Frauen sei<br />
»der Abbruch ein singuläres Ereignis in<br />
ihrem Leben«. Für den Arzt sei es »ein<br />
Dauerzustand«. Hier komme eben auch<br />
»die Autonomie und das Selbstbestimmungsrecht<br />
des Arztes zum Ausdruck«.<br />
»Denn«, schloss Köninger, »man bewirbt<br />
nur das, was man auch für erstrebenswert<br />
hält.« Noch so ein letzter Satz.<br />
In der Woche zuvor hatte der Bundestag<br />
in Erster Lesung erstmals im<br />
Plenum über den Gesetzesentwurf der<br />
Bundesregierung debattiert. 39 Minuten<br />
sollte die Aussprache zu dem von Kritikern<br />
auch als »Lex Hänel« verspotteten<br />
Gesetzesentwurf dauern. So war<br />
es zwischen den Fraktionen vereinbart<br />
worden. Etliche Zwischenfragen und<br />
Kurzinterventionen, mit denen auch<br />
jene auf die Bühne strebten, denen die<br />
FDP<br />
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BUNDESTAGSFRAKTION / KAMINSKI<br />
Lisa Paus, Bündnis 90/Die Grünen<br />
jeweilige Fraktionsregie diesmal keine<br />
tragende Rolle zugedacht hatte, sorgten<br />
dafür, dass die Debatte am Ende deutlich<br />
länger dauerte.<br />
Den Auftakt übernahm der Bundesminister<br />
für Justiz, Marco Buschmann<br />
(FDP), persönlich. Was der promovierte<br />
Jurist an diesem Tag ablieferte, stellte<br />
für jeden, der gewohnt ist, mehr als nur<br />
eine Gehirnzelle in Betrieb zu nehmen,<br />
eine intellektuelle Zumutung dar. Es sei,<br />
so Buschmann, »eine juristische, eine<br />
politische und eine historische Wahrheit,<br />
dass der § 218 des Strafgesetzbuches<br />
und der § 219a nichts, aber auch<br />
gar nichts miteinander zu tun haben«.<br />
Er »bitte, diese Wahrheit zu akzeptieren«.<br />
Schon klar. Selbstverständlich hat<br />
die gesetzliche Regelung einer Straftat<br />
»nichts, aber auch gar nichts« mit der<br />
Werbung für eben jene zu tun. Und weil<br />
das so ist, ist es bestimmt auch bloß ein<br />
dummer Zufall, dass die Strafrechtssystematiker<br />
deren Regelung im Strafgesetzbuch<br />
in unmittelbarer Nähe zueinander<br />
angeordnet haben.<br />
Doch damit nicht genug: Der Bundesjustizminister<br />
bat seine Zuhörer<br />
auch, sich einmal »eine junge Frau«<br />
vorzustellen, »die schwanger ist und<br />
die in Erwägung zieht, diese Schwangerschaft<br />
zu unterbrechen«. »Zu unterbrechen«?<br />
Und auch noch »diese<br />
Schwangerschaft«? Hallo, geht’s noch?<br />
Dazu muss man wissen: Der 53-Jährige<br />
stammt nicht etwa aus Gera oder<br />
Görlitz, wo die Rede von »Schwangerschaftsunterbrechungen«<br />
lange Zeit geläufig<br />
war und in etwa denselben Zweck<br />
WWW.SPDFRAKTION.DE/PHOTOTHEK<br />
verfolgte wie die von »Spezialoperationen«<br />
im heutigen Russland, sondern<br />
aus Gelsenkirchen. Aber es kommt noch<br />
besser: »Im Internet erlauben wir«, so<br />
Buschmann weiter, »jedem Verschwörungstheoretiker,<br />
jeder Fake-News-<br />
Schleuder, jeden Unsinn über Schwangerschaftsabbrüche<br />
zu verbreiten. Aber<br />
qualifizierten Ärztinnen und Ärzten als<br />
Hütern der Wissenschaft, der Fakten,<br />
Carmen Wegge, SPD<br />
der Sachlichkeit und der Aufklärung<br />
verbieten wir, sachliche Informationen<br />
bereitzustellen. Das ist doch absurd.«<br />
Wäre es, wenn es so wäre. Nur, so ist<br />
es eben nicht. Was ein Bundesjustizminister<br />
wissen könnte und sogar wissen<br />
müsste. Denn: Jede Ärztin und jeder<br />
Arzt darf sich auch jetzt schon im Internet<br />
über sämtliche Aspekte vorgeburtlicher<br />
Kindstötung auslassen. Er oder sie<br />
darf eben nur selbst nicht Anbieter einer<br />
solchen sein. Dann, und nur dann,<br />
sind ihm Grenzen gesetzt, die er bislang<br />
beachten muss. Seit der Reform des<br />
§ 219a StGB in der letzten Legislaturperiode<br />
darf beispielsweise auch eine Abtreibungsärztin<br />
wie Kristina Hänel auf<br />
ihrer Praxishomepage darüber »informieren«,<br />
dass sie Abtreibungen durchführt.<br />
Was sie weiterhin nicht darf, ist<br />
– wie in der Vergangenheit geschehen<br />
– dazu aufrufen, Bargeld oder eine Bescheinigung<br />
über die Kostenübernahme<br />
der Krankenkasse mitzubringen,<br />
sowie die Methoden anpreisen, mittels<br />
derer sie die ungeborenen Kinder<br />
im Mutterleib tötet. Im Arzt-Patienten-Gespräch<br />
ist ihr auch das erlaubt.<br />
Dann darf sie sogar die »Fake-Schleu-<br />
16 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
POLITIK<br />
CDU/TOBIAS KOCH<br />
OLAF KOSINSKY/CC BY-SA 3.0-DE<br />
Nina Warken, CDU<br />
Thomas Seitz, AfD<br />
der« geben und statt vom Kind, das sie<br />
tötet, vom »Schwangerschaftsgewebe«<br />
faseln, das sie absaugt.<br />
Warum ist das so? Weil der Gesetzgeber<br />
sich einerseits nicht dazu aussah,<br />
das Recht auf Leben des Kindes notfalls<br />
auch gegen seine Mutter zu schützen,<br />
andererseits aber auch nicht wollte, dass<br />
eine vorgeburtliche Kindstötung, denn<br />
das ist eine Abtreibung, wie eine x-beliebige<br />
medizinische Heilbehandlung betrachtet<br />
wird. Im Deutschen Bundestag<br />
ist das schon länger nicht mehr mehrheitsfähig.<br />
In der vergangenen Legislaturperiode<br />
musste die Union der SPD<br />
mit dem Ende der Koalition drohen,<br />
um zu verhindern, dass sie mit der Opposition<br />
stimmte und den 219a StGB<br />
zu Fall brachte. Nun aber gibt es kein<br />
Halten mehr. Das hat die Debatte am<br />
Freitag klar gezeigt.<br />
Als der ehemalige Staatsanwalt und<br />
rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion,<br />
Thomas Seitz, in einer Rede, die<br />
denen der Parlamentarischen Geschäftsführerin<br />
der CDU/CSU-Bundesfraktion,<br />
Nina Warken (CDU), und der<br />
CSU-Abgeordneten Dorothee Bär in<br />
nichts nachstand, feststellte: »Eine Abtreibung<br />
ist aber kein normaler medizinischer<br />
Eingriff«, und die Abgeordnete<br />
der Linkspartei, Heidi Reichinnek, dazwischenrief:<br />
»Doch!«, regte sich in den<br />
Reihen der Ampel kein Widerspruch.<br />
Und als unmittelbar danach die frisch<br />
gekürte Bundesministerin für Familien,<br />
Senioren, Frauen und Jugend, Lisa<br />
Paus (Bündnis 90/Die Grünen), erklärte:<br />
»So wie sich Frauen auf medizinische<br />
Leistungen verlassen dürfen,<br />
wenn sie sich für ein Kind entscheiden,<br />
sollen sie sich künftig auf medizinische<br />
Leistungen verlassen können, wenn sie<br />
sich gegen ein Kind entscheiden«, gab<br />
es lang anhaltenden Beifall von Bündnis<br />
90/Die Grünen, SPD und Linken.<br />
Als wäre das noch nicht genug, strafte<br />
Paus ihren Kabinettskollegen Marco<br />
Buschmann auch noch gleich Lügen.<br />
Hatte Buschmann eingangs noch versichert,<br />
die Streichung des § 219a StGB<br />
habe »keine Auswirkungen auf das Lebensschutzkonzept<br />
von § 218 des Strafgesetzbuches«,<br />
so erklärte Paus nun:<br />
»Dieses Gesetz und die Debatte heute<br />
haben eine wichtige Signalwirkung.<br />
Diese Bundesregierung steht an der Seite<br />
der Frauen und zu ihrem Recht auf<br />
körperliche Selbstbestimmung. Und<br />
deshalb wollen wir auch einen zweiten<br />
Schritt gehen und die Regelung für den<br />
Schwangerschaftsabbruch außerhalb<br />
des StGB treffen. Um diese hochkomplexen,<br />
juristischen Fragen zu klären,<br />
setzen wir eine Kommission zur ›Reproduktiven<br />
Selbstbestimmung‹ ein.«<br />
Obwohl sich die Bundesminister Paus<br />
und Buschmann reichlich ins Zeug legten,<br />
für den Tiefpunkt der Debatte vermochten<br />
sie dennoch nicht zu sorgen.<br />
Das blieb der SPD-Abgeordneten Carmen<br />
Wegge vorbehalten. Die 32-jährige<br />
Juristin begann ihre Rede mit den<br />
Worten: »Gerade bin ich versucht, kurz<br />
innezuhalten, aufzuschauen und die Situation<br />
zu genießen.« Nicht einmal der<br />
Zwischenruf der CDU-Abgeordneten<br />
Julia Klöckner, die fragte: »Genießen?<br />
Christoph Wilhelm Hufeland<br />
Sie genießen, dass Ungeborene sterben?«,<br />
vermochte die SPD-Abgeordnete<br />
bei dem sichtlichen Auskosten dieses<br />
Moments zu stören. Und so fuhr Wegge,<br />
die über die bayerische Landesliste<br />
in den Bundestag eingezogen war,<br />
ungerührt fort: »Dies ist der Moment,<br />
für den so viele Frauen jahrzehntelang<br />
auf die Straße gegangen sind. Dies ist<br />
der Moment, für den so viele Ärztinnen<br />
und Ärzte gekämpft haben. Dies<br />
ist der Moment, in dem wir endlich<br />
in das parlamentarische Verfahren zur<br />
Streichung von § 219a aus dem Strafgesetzbuch<br />
eintreten. Dies ist der Moment,<br />
der uns Frauen ein Stück weit die<br />
Hoheit über unsere Körper zurückgeben<br />
wird. Es ist ein schöner Moment.«<br />
Ganz abgesehen davon, dass Frauen<br />
schon deshalb nicht jahrzehntelang für<br />
die Streichung des Werbeverbots für<br />
Abtreibungen auf die Straße gegangen<br />
sind, weil bis zur Verurteilung von Kristina<br />
Hänel kaum jemand von der Existenz<br />
dieser Norm wusste, so gibt auch<br />
deren Streichung niemandem »die Hoheit«<br />
über seinen Körper zurück. Auch<br />
nicht »ein Stück weit«. Anders wird jedoch<br />
ein Schuh daraus. Lebensrechtler<br />
hatten von Anfang an darauf hingewiesen,<br />
dass der Kampf um die Abschaffung<br />
des Werbeverbots für Abtreibungen in<br />
Wahrheit auf die Abschaffung des 218<br />
StGB ziele. Ihr Argument: Etwas, für<br />
das offen geworben werden dürfe, könne<br />
unmöglich dauerhaft eine Straftat darstellen.<br />
Wie die Anhörung im Rechtsausschuss<br />
zeigte, sieht die Abtreibungslobby<br />
das auch so.<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
17
PRO-LIFE<br />
Congress<br />
16. – 18. SEPTEMBER <strong>2022</strong><br />
BERLIN<br />
FR.,16. SEPTEMBER <strong>2022</strong><br />
SO.,18. SEPTEMBER <strong>2022</strong><br />
18.00 Uhr → Ankunft und Anmeldung der<br />
Teilnehmer<br />
19.30 Uhr → Abendessen<br />
Anschließend → Get connect:<br />
Vernetzung im Lebensschutz<br />
SA.,17. SEPTEMBER <strong>2022</strong><br />
bis 9:00 Uhr → Frühstück<br />
9.00 Uhr → Vortrag (Special Guest)<br />
10.00 Uhr → Workshops<br />
1. Argumentieren im Lebensschutz<br />
2. Schwangerschaftskonflikt:<br />
Was sind Gründe für Abtreibung?<br />
Was brauchen Frauen?<br />
3. Kirche, Politik und Lebensschutz<br />
4. Pro Life Bewegung im Ausland<br />
11.30 Uhr → Ansage und Pause<br />
12.00 Uhr → Kick-off<br />
13.00 Uhr → Kundgebung und Marsch für das<br />
Leben<br />
18.00 Uhr → Abendessen<br />
19.15 Uhr → Input- Was DU jetzt tun kannst<br />
19.30 Uhr → Pro Life Party<br />
bis 9:30 Uhr → Frühstück und Abreise<br />
95 € für Schüler, Studenten, Auszubildende<br />
125 € für junge Berufstätige<br />
In den Kosten inbegriffen sind:<br />
Übernachtungen, Vollpension, Kaffeepause,<br />
Lunchpaket, Kongressgebühr und Material.<br />
Eine Kooperation der CDL<br />
und der Jugend für das Leben<br />
→ Anmeldung unter:<br />
kontakt@jugendfuerdasleben.de<br />
Jugend für das Leben<br />
Kitzenmarkt 20-22 | 86150 Augsburg<br />
www.jugend.alfa-ev.de<br />
oder QR-Code 18 scannen →<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
www.eventbrite.com/e/pro-life-congress-<strong>2022</strong>-tickets-348749016697<br />
www.marsch-fuer-das-leben.de
GEH DU<br />
FÜR MICH<br />
MARSCH FÜR DAS LEBEN<br />
17. September <strong>2022</strong><br />
Der Marsch für das Leben<br />
in Berlin ist Ihnen wichtig –<br />
aber Sie können nicht selbst mitgehen?<br />
Wir vertreten Sie!<br />
Unterstützen Sie unsere Aktion<br />
„Geh Du für mich“<br />
mit Ihrer Spende und ermöglichen Sie<br />
so einem Jugendlichen die Teilnahme.<br />
Vielen<br />
Dank!<br />
Spendenkonto:<br />
VR-Bank Augsburg-Ostallgäu<br />
DE85 7209 0000 0005 0409 90<br />
BIC: GENODEF1AUB<br />
Kennwort: Geh Du für mich <strong>2022</strong><br />
#PROLIFEFACTS<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />
Kitzenmarkt 20-22 | 86150 Augsburg<br />
www.alfa-ev.de<br />
19<br />
www.marsch-fuer-das-leben.de
AUSLAND POLITIK<br />
Karlsruher<br />
Zumutungen<br />
Mit seinem Urteil vom 26. Februar 2020 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts<br />
den Gesetzgeber vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Bei der Orientierungsdebatte<br />
im Parlament zeichneten sich drei mögliche Lösungsmodelle ab.<br />
Klar ist schon jetzt: Die Quadratur des Kreises wird keinem gelingen.<br />
Von Stefan Rehder<br />
In einer weitgehend sachlich und<br />
ernsthaft geführten Debatte hat<br />
der Deutsche Bundestag Mitte<br />
Mai ein weiteres Mal über Möglichkeiten<br />
einer rechtlichen Neuregelung der<br />
Beihilfe zum Suizid diskutiert. In der<br />
vergangenen Legislaturperiode hatten<br />
die Parlamentarier dazu schon einmal<br />
einen Anlauf unternommen. Weil der<br />
jedoch nicht rechtzeitig vor der Bundestagswahl<br />
zum Abschluss gebracht<br />
werden konnte, verfielen alle der damals<br />
über die Fraktionsgrenzen hinweg<br />
erarbeiteten Gruppenanträge der<br />
sogenannten Diskontinuität. Nun hat<br />
das Parlament das Gesetzgebungsverfahren<br />
erneut gestartet. In der 90-minütigen<br />
Orientierungsdebatte warben<br />
unterschiedliche Gruppen um Unterstützung<br />
für ihre jeweiligen Regelungsmodelle.<br />
Großes Unbehagen bei<br />
vielen Abgeordneten<br />
Nötig geworden war die rechtliche<br />
Neuregelung der Beihilfe zum Suizid,<br />
weil der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts<br />
mit seinem Urteil vom<br />
26. Februar 2020 das vom Bundestag<br />
im Herbst 2015 mit großer Mehrheit<br />
verabschiedete »Verbot der geschäftsmäßigen<br />
Förderung der Selbsttötung«<br />
für verfassungswidrig und den § 217<br />
StGB für »nichtig« erklärt hatte. Unter<br />
dem Vorsitz des damaligen Gerichtspräsidenten<br />
Andreas Voßkuhle<br />
erfand der Zweite Senat dabei ein<br />
WWW.HELGE-LINDH.DE/PHOTOTHEK<br />
»Recht auf selbstbestimmtes Sterben«,<br />
das auch das Recht einschließt, dabei<br />
»Angebote Dritter« in Anspruch zu<br />
nehmen. Damit nicht genug: Indem<br />
die Richter das »Recht auf selbstbestimmtes<br />
Sterben« auch noch an das<br />
Helge Lindh, SPD<br />
ANSGAR HEVELING/WIKIMEDIA COMMONS/CC BY-SA 3.0<br />
Ansgar Heveling, CDU<br />
allgemeine Persönlichkeitsrecht und<br />
die Menschenwürde banden, erschufen<br />
sie gewissermaßen ein neues »Super-Grundrecht«.<br />
Seitdem steht der<br />
Bundestag vor der Schwierigkeit, einerseits<br />
sicherstellen zu sollen, dass<br />
die Bürgerinnen und Bürger von diesem<br />
neuen Grundrecht Gebrauch machen<br />
können. Andererseits sollen die<br />
Abgeordneten zugleich jedoch dafür<br />
sorgen, dass der Staat auch weiterhin<br />
jenen Selbsttötungen entgegenwirkt,<br />
»die nicht von freier Selbstbestimmung<br />
und Eigenverantwortung<br />
getragen sind«. Dies gebiete, so die<br />
Richter, »die Bedeutung des Lebens<br />
als ein Höchstwert« der Verfassung.<br />
In der Debatte ließen denn auch<br />
mehrere Abgeordnete durchscheinen,<br />
welche Zumutung sie darin erblicken.<br />
So erklärte etwa der SPD-Abgeordnete<br />
Helge Lindh: »Die autonom gebildete<br />
Entscheidung eines Menschen,<br />
sich das Leben zu nehmen, ist eine Zumutung<br />
für uns alle und eine Zumutung<br />
für die Gesellschaft.« Gleiches<br />
gelte auch für »die Entscheidung des<br />
Verfassungsgerichts, diesem autonom<br />
gebildeten Willen in ganz besonderer<br />
Weise gerecht zu werden und auch das<br />
Verbot der geschäftsmäßigen Förderung<br />
als verfassungswidrig zu erklä-<br />
20 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
POLITIK<br />
ren«. Das könne man »nicht kleinreden«.<br />
Die AfD-Abgeordnete Beatrix<br />
von Storch sprach gar von einer<br />
»schiefen Bahn«, auf die »das Urteil<br />
des Verfassungsgerichts« das Parlament<br />
führe. Und auch der CDU-Gesundheitspolitiker<br />
Hubert Hüppe wollte<br />
aus seinem Herzen keine Mördergrube<br />
machen. Es sei ihm »noch nie<br />
so schwergefallen«, eine »Entscheidung<br />
des Bundesverfassungsgerichts<br />
zu akzeptieren«, wie diesmal, bekannte<br />
Hüppe. Denn sie zwinge ihn, »an<br />
einer Regelung mitzuwirken«, die er<br />
»aus Gewissensgründen grundsätzlich<br />
ablehnen« müsse.<br />
Drei unterschiedliche<br />
Regelungskonzepte<br />
Im Parlament zeichnen sich bislang<br />
drei unterschiedliche Regelungskonzepte<br />
ab. Das restriktivste wurde bereits<br />
fertig ausgearbeitet und von einer<br />
Gruppe um die Abgeordneten<br />
Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling<br />
(CDU), Kirsten Kappert-Gonther<br />
(Bündnis 90/Die Grünen), Stephan<br />
Pilsinger (CSU), Benjamin Strasser<br />
(FDP) und Kathrin Vogler (Die<br />
Linke) in den Bundestag eingebracht.<br />
Der Gesetzesentwurf trägt den Titel<br />
»Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit<br />
der geschäftsmäßigen Hilfe zur<br />
Selbsttötung und zur Sicherstellung<br />
der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung<br />
zur Selbsttötung« (Bundestagsdrucksache<br />
20/904) und will,<br />
wie es der SPD-Abgeordnete Castellucci<br />
formulierte, »den assistierten<br />
Suizid ermöglichen, ohne ihn zu fördern«.<br />
Die Vorlage, die bislang von<br />
84 Parlamentariern unterstützt wird,<br />
stellt die »geschäftsmäßige Förderung<br />
der Selbsttötung« grundsätzlich unter<br />
Strafe. Demnach kann, wer »in der Absicht,<br />
die Selbsttötung eines anderen<br />
zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig<br />
die Gelegenheit gewährt, verschafft<br />
oder vermittelt«, mit »Freiheitsstrafe<br />
bis zu drei Jahren oder mit<br />
Geldstrafe bestraft« werden. »Nicht<br />
rechtswidrig« ist die Förderung hingegen,<br />
wenn die suizidwillige Person<br />
»volljährig und einsichtsfähig« ist und<br />
sie sich mindestens zweimal von einer<br />
Fachärztin oder einem Facharzt für<br />
Psychiatrie und Psychotherapie, die<br />
ARNE LIST<br />
selbst nicht an der Selbsttötung beteiligt<br />
sind, hat untersuchen lassen und<br />
zudem mindestens ein Beratungsgespräch<br />
absolviert hat.<br />
Der CDU-Abgeordnete Heveling<br />
betonte, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />
werfe komplexe<br />
Fragen auf, die es zu beantworten gelte.<br />
»Wann ist der Wunsch, dem eigenen<br />
Leben ein Ende zu setzen, Ausdruck<br />
persönlicher Autonomie? Wie soll man<br />
herausfinden, ob die Entscheidung eines<br />
Sterbewilligen vielleicht gar nicht<br />
selbstgesetzten Gründen entspringt,<br />
Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen<br />
sondern er sich sozialem Druck ausgesetzt<br />
sieht oder an einer Krankheit<br />
leidet, die es ihm unmöglich macht,<br />
seinen Wunsch, zu sterben, selbstbestimmt<br />
zu reflektieren?« Beide Situationen<br />
»voneinander abzugrenzen« sei<br />
»keineswegs trivial«. Denn die »Autonomie<br />
des Einzelnen und sein daraus<br />
resultierendes Recht auf selbstbestimmtes<br />
Sterben« müssten »ebenso<br />
geschützt werden wie das Leben«.<br />
Nur, wenn »sich der Staat schützend<br />
vor das Leben des Einzelnen stellt«,<br />
könne »auch die Autonomie des Einzelnen<br />
geschützt werden«.<br />
Das sahen die Verfechter einer »liberalen<br />
Sterbehilferegelung« allerdings<br />
völlig anders. Für eine solche<br />
warb eine Gruppe um die Abgeordneten<br />
Helge Lindh (SPD), Till Steffen<br />
(Bündnis 90/Die Grünen), Katrin<br />
Helling-Plahr (FDP), Petra Sitte<br />
(Die Linke). Wie Helling-Plahr erklärte,<br />
habe das Bundesverfassungsgericht<br />
»ganz klar gesagt: Einen gegen<br />
SUPERBASS / CC BY-SA 4.0<br />
die Autonomie gerichteten Lebensschutz<br />
kann und darf es nicht geben«.<br />
Deshalb sei es für sie auch »indiskutabel,<br />
eine neue Regelung der Sterbehilfe<br />
im Strafrecht überhaupt nur anzudenken«.<br />
Stattdessen gelte es, dafür<br />
Beatrix von Storch, AfD<br />
zu sorgen, dass »Menschen, die sich<br />
entscheiden, gehen zu wollen«, »ihr<br />
im Grundgesetz verankertes Recht<br />
auf selbstbestimmtes Sterben ausüben<br />
können, wenn sie es für geboten halten«.<br />
Mit ihrem Aufruf, »Menschen,<br />
die über einen Suizid nachdenken, zur<br />
Seite« zu stehen, indem der Bundestag<br />
»flächendeckend und bundesweit<br />
niederschwellige Beratungsmöglichkeiten«<br />
schafft und »konkrete Hilfe,<br />
zum Beispiel auf dem Weg ins Pflegeheim«,<br />
anbietet, stimmte Helling-<br />
Plahr geradezu das Hohelied der Suizidbegleitung<br />
an.<br />
Ein drittes Regelungsmodell, das<br />
von den beiden grünen Abgeordneten<br />
Renate Künast und Katja Keul erarbeitet<br />
wurde, unterscheidet zwischen<br />
Suizidwünschen, die »ihren Tod wegen<br />
einer schweren Krankheit« oder<br />
»aus anderen Gründen anstreben«.<br />
Während bei Ersteren zwei Ärzte unabhängig<br />
voneinander prüfen sollen,<br />
ob dem Wunsch des Suizidwilligen<br />
eine freie Entscheidung zugrunde<br />
liegt, sollen alle übrigen an Landesbehörden<br />
verwiesen werden. Künast:<br />
»Wir sagen: Es muss eine Behörde<br />
geben, gegenüber der man seinen<br />
Sterbewunsch glaubhaft darlegt und<br />
ein, zwei Fragen beantwortet.«<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
21
GESELLSCHAFT<br />
AUSLAND<br />
PARILOV/STOCK.ADOBE.COM<br />
Fachliche Tiefe und<br />
großes Engagement<br />
Auf der diesjährigen Bundesdelegiertenversammlung wurde der Bundesvorstand der Aktion<br />
Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V. im Amt bestätigt. Ein Tagungsbericht aus gebotenem Anlass.<br />
Von Alexandra Maria Linder<br />
Die großen internationalen Organisationen,<br />
die Abtreibungen<br />
fördern, wurden ganz<br />
überwiegend von Männern gegründet.«<br />
Unter anderem mit dieser für viele<br />
Teilnehmer überraschenden historischen<br />
Tatsache umriss der Arzt, Wissenschaftler<br />
und Vorsitzende der Ȁrzte<br />
für das Leben«, Prof. Dr. Paul Cullen,<br />
in seinem Eröffnungsvortrag bei<br />
der Jahrestagung der Aktion Lebensrecht<br />
für Alle und der »Ärzte für das Leben«<br />
die Geschichte der Abtreibungsideologie<br />
und ihre Verstrickung mit der<br />
ebenso menschenverachtenden Ideologie<br />
der Eugenik. Diese ursprünglich<br />
aus Großbritannien stammende Haltung<br />
gegenüber Menschen, die weniger<br />
leistungsfähig oder angeblich »weniger<br />
wert« seien als andere, richtete sich seit<br />
dem 19. Jahrhundert konsequenterweise<br />
gegen die »Vermehrung« der armen<br />
und der schwarzen Bevölkerung. Durch<br />
viele Fakten belegt, stellt sich letztendlich<br />
auch aktuell die Frage, inwiefern es<br />
Verfechtern der legalen Abtreibung tatsächlich<br />
um die Rechte und die Situation<br />
von Frauen geht.<br />
Der Vortrag bildete den offiziellen<br />
Auftakt der jährlichen <strong>ALfA</strong>-Bundesdelegiertenversammlung<br />
und Mitgliederversammlung<br />
der »Ärzte für das Leben«<br />
in Fulda. Zum ersten Mal lud die <strong>ALfA</strong><br />
auch zu einer Mitgliederversammlung<br />
ein, was zahlreiche Mitglieder nutzten,<br />
um die Vorstände und die Mitarbeiterinnen<br />
des Vereins persönlich kennenzulernen<br />
und sich von ihrer Arbeit berichten<br />
zu lassen. In diesem Rahmen konnten sie<br />
gleich die Gründung einer ganz neuen<br />
Initiative innerhalb der <strong>ALfA</strong> miterleben:<br />
der »Seelsorge für das Leben«.<br />
22 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
GESELLSCHAFT<br />
Der Samstagvormittag stand ebenfalls<br />
im Zeichen der Fortbildung und Kommunikationsschulung<br />
für Mitglieder und<br />
Delegierte. Zunächst stellte der Rechtsanwalt<br />
und Kommunikationsexperte Richard<br />
Schütze aus Berlin anhand praktischer<br />
Situationen und unterschiedlicher<br />
kommunikativer Verhaltensweisen<br />
dar, welche Formen der Kommunikation<br />
zu konstruktiven Gesprächen führen<br />
können und welche Formen jegliche<br />
Möglichkeit solcher Gespräche von<br />
vornherein relativ unwahrscheinlich machen.<br />
Offene Fragen seien hier ebenso<br />
sinnvoll wie das Bewusstsein, dass jeder<br />
Mensch auch durch seine Biografie geprägt<br />
ist und daher bestimmte Verhaltensweisen<br />
an den Tag legt. Anschaulich<br />
berichtete er über die zufällige Begegnung<br />
mit einer Abtreibungsexpertin,<br />
die allein dadurch, dass er freundlich<br />
offene Fragen stellte, begann, ihre<br />
Tätigkeit und deren ethische Einordnung<br />
selbst und kritisch zu hinterfragen.<br />
Inhaltlich daran anschließend erläuterte<br />
die <strong>ALfA</strong>-Bundesvorsitzende Cornelia<br />
Kaminski, mit welcher kommunikativen<br />
Strategie, mit welcher Formulierungs-<br />
und Begriffswahl Meinungen<br />
beeinflusst und Mainstream-Ansichten<br />
geformt werden wollen, was häufig auch<br />
Erfolg hat. Das sogenannte »Framing«<br />
diene durch gezielte Anwendung dazu,<br />
bestimmte Haltungen in der Gesellschaft<br />
positiv oder negativ zu besetzen. Dies<br />
zeigte Kaminski anschaulich an Themen<br />
wie Lebensrecht oder Corona. So seien<br />
Begriffe wie »Leugner« oder »Seuche«<br />
eindeutig negativ besetzt und führten<br />
zu entsprechenden Assoziationen und<br />
Reaktionen. Dabei schreckten interessierte<br />
Kreise auch nicht davor zurück,<br />
tragische Todesfälle von schwangeren<br />
Frauen und ihren Kindern, die, wie sich<br />
in allen Fällen herausstellte, ursächlich<br />
nichts mit einer angeblich verweigerten<br />
Abtreibung zu tun hatten, für ihre<br />
Zwecke auszuschlachten. Dies könne<br />
man zum Beispiel in Irland und Polen<br />
verfolgen.<br />
Am Samstagnachmittag fand die<br />
<strong>ALfA</strong>-Bundesdelegiertenversammlung<br />
statt, bei der turnusmäßig auch ein neuer<br />
Bundesvorstand gewählt wurde. Beim<br />
Vortrag der Rechenschaftsberichte des<br />
Vorstands, der Regionalverbände, der<br />
Jugend für das Leben, der Initiative<br />
»Ich bin Mensch«, der Schwangerenberatung<br />
»vitaL« und der Initiative für<br />
Frauen nach Abtreibung, »Schattenkind«,<br />
erfuhren die Delegierten und<br />
Mitglieder detailliert, was im vergangenen<br />
Jahr alles geleistet wurde. Trotz<br />
der situationsbedingten Einschränkungen<br />
konnten alle Bereiche und Initiativen<br />
ihre Arbeit nicht nur aufrechterhalten,<br />
sondern, wie vor allem die Jugend<br />
für das Leben eindrucksvoll berichtete,<br />
sogar ausbauen und neue, sehr<br />
engagierte Mitglieder gewinnen. Auch<br />
die Regionalverbände waren nicht untätig<br />
und stellten ihre Aktionen wie die<br />
Verteilung von Rosen zum Weltfrauentag,<br />
Informationsstände in Innenstädten<br />
und Vorführungen des Kinofilms<br />
»Unplanned« mit anschließenden<br />
Gesprächen vor. »vitaL« wartete<br />
mit 16 fertig ausgebildeten Beraterinnen<br />
und zehn weiteren Damen in Ausbildung<br />
auf und konnte von etwa 100<br />
Frauen berichten, die sich nachweislich<br />
und allein aufgrund der »vitaL«-Beratung<br />
und -Hilfe für ihr Kind entschieden<br />
haben. »Schattenkind« berichtete<br />
über die weitere Aufbauarbeit und<br />
den jetzt schon sichtbaren Beratungsbedarf.<br />
»Ich bin Mensch« unterstützt<br />
in diesem Jahr die Jacobi-Stiftung, die<br />
in Myanmar unter anderem Häuser mit<br />
Betreuung für alleinstehende schwangere<br />
Frauen fördert.<br />
Carmen Czampiel, Cornelia Kaminski, Alexandra Weiß, Maria Schmölzing, Regina<br />
Kaminski, Martin Siegel, Monika Friederich, Arne Schwarck und Alexandra Linder<br />
Bei den Wahlen wurde Cornelia Kaminski<br />
als Bundesvorsitzende für die<br />
nächsten drei Jahre ebenso einhellig in<br />
ihrem Amt bestätigt wie die Stellvertretenden<br />
Bundesvorsitzenden, Prof. Dr.<br />
Holm Schneider und Martin Siegel, sowie<br />
Schriftführerin Maria Schmölzing.<br />
Eine Änderung gab es beim Schatzmeisteramt:<br />
Nach sechs Jahren schied Bundesschatzmeister<br />
Hans-Peter Reiche aus,<br />
um sich anderen Tätigkeiten zuzuwenden.<br />
Mit großem Dank wurde er verabschiedet.<br />
Zum Nachfolger wurde Christoph<br />
zu Stolberg aus Neusäß gewählt.<br />
Der Geschäftsführende Bundesvorstand<br />
wird durch acht Mitglieder im<br />
erweiterten Bundesvorstand verstärkt.<br />
Gewählt wurden Talita Höhl, Arne<br />
Schwarck, Inga Hager, Regina Kaminski,<br />
Sepp Moosreiner, Angelika Secker, Monika<br />
Friederich und Alexandra Linder.<br />
Mit inhaltlichen Planungen und Diskussionen,<br />
zum Beispiel im Bereich<br />
Schuleinsätze und noch besserer Vernetzung<br />
der Regionalverbände, ging die<br />
BDV am Sonntag zu Ende. Das Resümee<br />
zeigt einen engagierten Vorstand<br />
auf allen Ebenen, eine fachliche Tiefe<br />
in allen Tätigkeitsbereichen und Gremien<br />
sowie einen entgegen dem Trend<br />
in anderen Vereinen wachsenden Zulauf<br />
an vor allem jüngeren Mitgliedern sowie<br />
weiteren Mithelfern und Spendern.<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
23
GESELLSCHAFT<br />
»Große Koalition«<br />
für das Leben<br />
Am 20. Mai fand im Bonifatiushaus Fulda die Gründungsversammlung der Vereinigung<br />
»Seelsorge für das Leben« unter dem Dach der <strong>ALfA</strong> statt. Inspiriert durch die US-Initiative<br />
»Priests for Life« entstand die Idee, auch in Deutschland Menschen miteinander zu vernetzen,<br />
die sich in der Kirche mehr für das Lebensrecht engagieren möchten. Als überkonfessionelle<br />
Organisation wählte die <strong>ALfA</strong> dabei den ökumenischen Ansatz: Einbringen können<br />
sollen sich alle, die in der Seelsorge tätig sind.<br />
Von PD Dr. Dr. Kai Witzel<br />
Der Raum, den die <strong>ALfA</strong> für die<br />
Gründungsveranstaltung gewählt<br />
hatte, erwies sich schnell<br />
als ein wenig zu klein: Immer wieder<br />
mussten neue Stühle herbeigebracht<br />
und zusammengerückt werden, um Platz<br />
für die Teilnehmer zu machen. Erfreut<br />
über das große Interesse zeigte sich Cornelia<br />
Kaminski, die Bundesvorsitzende<br />
der <strong>ALfA</strong>, und sah darin eine Bestätigung<br />
dafür, dass diese Neugründung<br />
notwendig ist: »Wir sehen mit großer<br />
Sorge, dass der Lebensschutz in der<br />
Gesellschaft eine zusehends untergeordnete<br />
Rolle spielt. Dabei muss es eines<br />
der ersten Anliegen der christlichen<br />
Kirchen sein, denjenigen eine Stimme<br />
zu geben, die keine haben – und deren<br />
Existenzrecht schlicht geleugnet wird,<br />
wie die Debatte um die Erlaubnis, für<br />
Abtreibungen werben zu dürfen, gezeigt<br />
hat.« So seien vermehrt Anliegen<br />
aus der Seelsorge an die <strong>ALfA</strong> herangetragen<br />
worden, die unmittelbar entweder<br />
mit den Nöten der von Abtreibung<br />
betroffenen Familien zu tun haben<br />
oder aber mit den Todeswünschen<br />
alter oder kranker Angehöriger.<br />
Mit den Bischöfen Bertram Meier aus<br />
Augsburg und Michael Gerber aus Fulda<br />
hatten die beiden Bischöfe Grußworte<br />
gesandt, die geographisch der <strong>ALfA</strong><br />
besonders verbunden sind: Die Zentrale<br />
der <strong>ALfA</strong> ist in Augsburg, die Gründung<br />
der Initiative fand in Fulda statt.<br />
Bischof Meier begrüßte die Initiative<br />
und nannte sie eine »Große Koalition<br />
für das Leben«, Bischof Gerber betonte<br />
die Notwendigkeit, sich für die unveräußerliche<br />
Würde jeder einzelnen Person<br />
zu engagieren und für deren Recht<br />
auf Leben einzutreten. Er schlug zudem<br />
vor, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
mit den bestehenden Strukturen<br />
der Krisenintervention und der Notfallseelsorge<br />
anzustreben – hier liege bereits<br />
ein reicher Schatz an Erfahrungen<br />
und Erkenntnissen vor, den die neue Initiative<br />
»Seelsorge für das Leben« nutzen<br />
könne. Auch Hartmut Steeb, ehemaliger<br />
Generalsekretär der Evangelischen<br />
Allianz, der eigens zur Gründungsversammlung<br />
angereist war, begrüßte<br />
die Initiative.<br />
Zum Vorsitzenden der »Seelsorge<br />
für das Leben« wurde einstimmig der<br />
emeritierte Fuldaer Bischof Heinz-Josef<br />
Algermissen gewählt. Er werde so<br />
sein jahrzehntelanges Engagement im<br />
Kampf für die Würde des menschlichen<br />
Lebens vom vorgeburtlichen bis<br />
zum kranken und sterbenden Status<br />
noch einmal verdichten, so Algermissen.<br />
Der emeritierte Bischof betonte, dass<br />
das Jahr <strong>2022</strong> entscheidend dafür werden<br />
könne, wie wir als Gesellschaft mit dem<br />
Leben an seinem Beginn und an seinem<br />
Ende umgehen: »In der Politik und in<br />
den Medien wurde einer vermeintlichen<br />
Selbstbestimmung das Wort geredet, als<br />
wäre es der höchste Ausdruck menschlicher<br />
Freiheit, sich etwa bei schwerer<br />
Krankheit selbst zu töten.«<br />
Auch im Zusammenhang mit dem<br />
Beginn des menschlichen Lebens werde<br />
argumentiert, ein »Recht auf Abtreibung«<br />
sei Teil des »Selbstbestimmungsrechts«<br />
der Frau. Hier käme zum<br />
Ausdruck, dass ein Kind nur dann erwünscht<br />
sei, wenn es gerade zur persönlichen<br />
und beruflichen Situation passe.<br />
»Eine Gesellschaft, die achselzuckend<br />
und gleichgültig auf das Selbstbestimmungsrecht<br />
verweist, ist nicht frei. Sie<br />
ist zynisch«, so der Bischof anlässlich<br />
seiner Wahl in einem Interview gegenüber<br />
der »Catholic News Agency«<br />
(CNA). Algermissen betonte die Wichtigkeit<br />
des ökumenischen Ansatzes. Dieser<br />
sei fundamental angesichts des immer<br />
wieder feststellbaren Versuchs, die<br />
Kirchen in ethischen Fragen auseinanderzudividieren<br />
und damit das gemeinsame<br />
Zeugnis zu verdunkeln. Er wünsche<br />
sich, so der Bischof emeritus, dass<br />
auch das Bischofskollegium diese Themen<br />
in Predigten aufgriffe, und hielt<br />
fest, auch die Teilnahme am »Marsch<br />
für das Leben« sei in diesem Sinn ein<br />
klares Bekenntnis.<br />
Der Vorstand der »Seelsorge für das<br />
Leben« wird vervollständigt durch den<br />
Arzt und Diakon Priv.-Doz. Dr. med.<br />
Dr. sc. hum. Kai Witzel aus Fulda, der<br />
hauptberuflich als niedergelassener Chi-<br />
24 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
GESELLSCHAFT<br />
DIGITAL STORM/STOCK.ADOBE.COM<br />
rurg tätig ist und zum stellvertretenden<br />
Vorsitzenden gewählt wurde. Schriftführer<br />
wurde der Arzt und Priester Dr.<br />
med. Dr. theol. Andreas Kuhlmann, der<br />
in Jülich als Schulseelsorger tätig ist. So<br />
verdichtet sich in dem neu gewählten<br />
Vorstand eine bioethische Expertise mit<br />
theologischem, aber auch<br />
medizinischem und pädagogischem<br />
Sachverstand.<br />
In seinem Impulsvortrag »Gott ist<br />
ein Freund des Lebens« legte Kai Witzel<br />
den Schwerpunkt auf die Beziehung<br />
zwischen Gott und den Menschen. Diese<br />
Beziehung und das darin zum Ausdruck<br />
kommende Vertrauen seien Grundpfeiler<br />
des Menschseins. Gott als Freund des<br />
Lebens, das hieße zuerst das Gute in seiner<br />
Schöpfung zu erkennen, zu der eben<br />
nicht nur Pflanzen und schützenswerte<br />
Tiere gehörten, sondern gerade auch<br />
der Mensch. Die zentrale<br />
Rolle des Menschen<br />
im<br />
Heilsplan Gottes zeige sich zu Beginn<br />
der Heilsgeschichte, an dem die Geburt<br />
eines Kindes stand. Die Schwangerschaft<br />
der Gottesmutter Maria sei zumindest<br />
aus ihrer Sicht ungeplant gewesen. Die<br />
liebevolle Beziehung zwischen den Mitgliedern<br />
der Heiligen Familie sei trotz<br />
aller widrigen Umstände das vorbildliche<br />
Beispiel dafür, dass Schwangerschaftskonflikte<br />
mit Liebe überwunden<br />
werden könnten. Josef, der Ziehvater<br />
Jesu, sei hier ein leuchtendes Vorbild<br />
für heutige Väter.<br />
Auf diesen Aspekt bezog sich Prof.<br />
Paul Cullen in seinem Vortrag »Männer<br />
und Abtreibung«. Für sie gebe es<br />
keinerlei Möglichkeiten, ihr ungeborenes<br />
Kind gegen den Willen der<br />
Mutter zu retten. Auch hier träten<br />
Traumatisierungen auf, die<br />
einer seelsorgerlichen Begleitung<br />
bedürfen. Nach den Impulsen<br />
und Grußworten folgte<br />
ein lebhafter Austausch der<br />
Teilnehmer zu den vorgetragenen<br />
Ideen und Wünschen –<br />
von der Bitte um Vorschläge<br />
für Möglichkeiten, das Lebensrecht<br />
in Gottesdiensten<br />
zu thematisieren, bis hin<br />
zur Erstellung von Material<br />
für Schulklassen, Firm- und<br />
Konfirmandengruppen. Ein<br />
großes Anliegen ist die Fortbildung<br />
und Vernetzung von<br />
Klinikseelsorgern, die sie dazu<br />
ermutigen könnte, christliche<br />
Aspekte verstärkt in die Krankenhausseelsorge<br />
einzubinden. Gerade<br />
in der Seelsorge im Gesundheitsdienst<br />
und innerhalb der kirchlichen<br />
Gemeinschaften bestehe eine<br />
besondere Nähe zu den Menschen,<br />
aus der sich eine große Offenheit<br />
für den seelsorglichen, lebensbejahenden<br />
Dienst ergebe. Durch die<br />
Isolationsmaßnahmen sei die Einsamkeit<br />
bei älteren Menschen ein so<br />
großes Problem, dass die Lebensfreude<br />
durch Sozialkontakte gewichen sei<br />
und ein Herbeisehnen des Lebensendes<br />
ein häufig zu beobachtendes Phänomen<br />
geworden sei, so Kai Witzel. Diese<br />
Personengruppe sei durch die Diskussion<br />
um den assistierten Suizid besonders<br />
unter Druck geraten.<br />
Für die nächste Zukunft ist geplant,<br />
die Kompetenzen aller Teilnehmenden<br />
in entsprechenden Arbeitskreisen<br />
(Jugendliche und Schule / Liturgie<br />
/ Kranken- und Seniorenpastoral)<br />
zu kanalisieren.<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
25
GESELLSCHAFT<br />
Auf dem<br />
Vormarsch<br />
Anders als in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts breitet sich inzwischen die<br />
»Kultur des Todes« auch auf der großen Leinwand aus – zu aktuellen Kinotrends im<br />
Bereich Abtreibung und aktiver Sterbehilfe<br />
Von Dr. José García<br />
Jahrelang galt die junge Frau, die sich<br />
allen Schwierigkeiten zum Trotz<br />
dazu entschließt, ihr Kind auszutragen,<br />
als eine »Kinoheldin«. Als<br />
Prototyp dieser neuartigen Leinwandheroine<br />
kann die 16-jährige schwangere<br />
Juno im gleichnamigen Spielfilm (Jason<br />
Reitman, 2007) angesehen werden:<br />
Nachdem sie bereits eine Abtreibungsklinik<br />
aufgesucht hat, überlegt sie es sich<br />
anders. Sie trägt das Kind aus und gibt<br />
es zur Adoption frei.<br />
Der Spielfilm »Das Ereignis« erzählt aus rein subjektiver Sicht von der Abtreibung<br />
einer Studentin, die in der Schwangerschaft den Verlust ihrer Chancen sieht und die<br />
Abtreibung als »Befreiung« feiert<br />
PROKINO<br />
Die Liste der Spiel- und Dokumentarfilme<br />
mit ähnlichem Sujet aus den<br />
letzten 15 Jahren ist lang. Dazu gehören<br />
etwa die deutschen Produktionen<br />
»Am Himmel der Tag« (2012) – bei<br />
dem eine 25-Jährige kurz vor Studienabschluss<br />
gegen das Drängen ihrer<br />
Mutter eine Abtreibung ablehnt – und<br />
»Nur eine Handvoll Leben« (2016), in<br />
dem die Mutter das Kind austrägt, obwohl<br />
es an »Trisomie 18« (»Edward-<br />
Syndrom«) leidet und nur wenige Tage<br />
zu leben hat. Als besonders aussagekräftig<br />
erweist sich Cornelia Grünbergs<br />
Dokumentarfilm »Vierzehn – Erwachsen<br />
in 9 Monaten« (2013), der vier<br />
Mädchen begleitet, die mit 14 Jahren<br />
schwanger wurden und sich für ihr ungeplantes<br />
Kind entschieden.<br />
Zwar wurden auch Filme gedreht,<br />
die das abgedroschene Argument anführen,<br />
ohne legale Abtreibung sei das<br />
Leben von abtreibungswilligen Frauen<br />
in Gefahr, die sich in die Hand von<br />
»Engelmacherinnen« begeben. Zwar<br />
wurde Abtreibung manchmal im Kino<br />
zu einer Art Ausweg in einer ausweglosen<br />
Lage erklärt – etwa in »Vier<br />
Monate, drei Wochen und zwei Tage«<br />
(2007), der im Rumänien der Ceaus˛escu-<br />
Ära angesiedelt ist, oder im US-amerikanischen<br />
»Niemals Selten Manchmal<br />
Immer« (2020). Allerdings wird in diesen<br />
Filmen die Abtreibung eher als Teil<br />
der von jungen Frauen erlittenen sexuellen<br />
Gewalt denn als »Lösung« dargestellt.<br />
Die eigentliche Trendwende in<br />
der Darstellung der Abtreibung auf der<br />
großen Leinwand brachte der deutsche<br />
Film »24 Wochen« (2016), in dem die<br />
Mutter einer neunjährigen Tochter erneut<br />
schwanger wird und sich, nachdem<br />
das Downsyndrom sowie ein Herzfehler<br />
beim Fötus diagnostiziert werden,<br />
für eine Spätabtreibung in der 24. Woche<br />
entscheidet. Moralische Bedenken<br />
schiebt sie schnell beiseite. Ihre eigene<br />
Mutter drängt sie, »das Problem aus<br />
der Welt zu schaffen«.<br />
Bei den jüngsten Filmen über Abtreibung<br />
handelt es sich um auf wah-<br />
26 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
GESELLSCHAFT<br />
ren Tatsachen basierende Spielfilme<br />
beziehungsweise um einen Dokumentarfilm.<br />
Die dramaturgisch aufbereitete,<br />
aber im Kern wahre Geschichte der<br />
ehemaligen führenden Mitarbeiterin<br />
von »Planned Parenthood« Abby Jonson<br />
erzählt der bereits in »<strong>LebensForum</strong>«<br />
ausführlich besprochene Spielfilm<br />
»Unplanned«: Nach neun Jahren<br />
bei der Abtreibungsorganisation erlebte<br />
sie erstmals eine Abtreibung aus nächster<br />
Nähe – und entschied sich im Oktober<br />
2009, zu kündigen und sich in der<br />
Lebensrechtsbewegung zu engagieren.<br />
Auf dem im Jahre 2000 veröffentlichten<br />
autobiografischen Buch von<br />
Annie Ernaux, die aus rein subjektiver<br />
Sicht ihre ungewollte Schwangerschaft<br />
als Studentin im Jahr 1963 schildert,<br />
basiert der Spielfilm »Das Ereignis«<br />
(<strong>2022</strong>). Drehbuchautorin und Regisseurin<br />
Audrey Diwan erklärt, sie habe<br />
versucht, den Text »in Bilder zu übertragen:<br />
ein physischer Prozess, durch<br />
den ich die Erzählung in eine körperliche<br />
Erfahrung verwandeln konnte.«<br />
Der mit dem Goldenen Löwen in Venedig<br />
ausgezeichnete und Anfang April<br />
im deutschen Kinoprogramm angelaufene<br />
Spielfilm stellt die im Frankreich<br />
der 1960er Jahre unter Gefängnisstrafe<br />
stehende Abtreibung als »Befreiung«<br />
dar. Dafür betont der Film den Chancenverlust,<br />
den ein Kind mit sich bringen<br />
würde.<br />
Das Ereignis vermeidet es indes, das<br />
Kind als menschliches Wesen darzustellen.<br />
Vom »Kind« wird stets abstrakt gesprochen,<br />
nie als konkretes Wesen im<br />
Schoß der Protagonistin. Im Film ist<br />
darüber hinaus kein einziges Kind zu<br />
sehen. Erstaunlich auch, dass die beiden<br />
von der Studentin befragten Ärzte<br />
lediglich auf das Risiko hinweisen, im<br />
Gefängnis zu landen. Keiner von ihnen<br />
erklärt jedoch, dass das, was Anna<br />
im Mutterleib hat, ein Mensch ist. Der<br />
Film stellt eine rein subjektive, voreingenommene<br />
Rechtfertigung der Abtreibung<br />
dar.<br />
Der filmisch ansprechende, außergewöhnliche<br />
Dokumentarfilm »Lass<br />
uns reden«, der als »Dokumentarfilm<br />
über Konfliktschwangerschaften« bezeichnet<br />
wird, wurde ab Mai <strong>2022</strong> in<br />
verschiedenen österreichischen Städten<br />
im Kino vorgeführt – Vorführungen<br />
an Universitäten und in Schulen<br />
PERFORMANCE PICTURE<br />
mit Schulmaterial für Lehrer sind ab<br />
September geplant. »Lass uns reden«<br />
lässt von der Abtreibung Betroffene<br />
– sechs Frauen, aber auch zwei Männer<br />
– zu Wort kommen. Im Gegensatz<br />
zu den meisten Filmen, die durch<br />
die subjektive Kamera beispielsweise in<br />
»Das Ereignis« Partei für oder gegen<br />
die Abtreibung ergreifen, nimmt »Lass<br />
uns reden« durch die beobachtende Kamera<br />
eine zuschauende Stellung ein.<br />
Die »Protagonisten« sprechen in die<br />
Kamera. In der Halle ist eine Art psychologische<br />
Praxis eingerichtet, und<br />
dort sitzen sie einzeln – sie wechseln sich<br />
ab –, ohne dass jedoch die Interviewfragen<br />
zu hören und der Interviewer zu<br />
sehen ist, was dem Film ein gleichmäßiges<br />
Tempo verleiht. Zu den Betroffenen<br />
kommen vier Expertinnen – eine<br />
psychologische Beraterin, eine Psychotherapeutin,<br />
eine Seelsorgerin sowie eine<br />
Universitätsprofessorin für Kinderund<br />
Jugendheilkunde – hinzu. Regisseur<br />
Tamás Kiss folgt dabei einer durchdachten<br />
Dramaturgie, die aus fünf Kapiteln<br />
besteht, von den Nöten der Frauen und<br />
Paare bei einer Schwangerschaft über<br />
das Erlebnis der Abtreibung, die mangelnde<br />
Aufklärung darüber, die möglichen<br />
Folgen einer Abtreibung bis hin<br />
zu Fallbeispielen, die aufzeigen, wie sich<br />
Frauen trotz Schwierigkeiten dazu entscheiden,<br />
ihr Kind auszutragen. Eingeführt<br />
werden die Kapitel jeweils von<br />
einem von einer Schauspielerin vorgetragenen<br />
Monolog. Aus dem Film von<br />
Tamás Kiss wird jedenfalls deutlich,<br />
Im Dokumentarfilm »Lass uns reden« kommen Frauen – und Männer – zu Wort, die<br />
von der Abtreibung betroffen sind. Die 78-jährige Christine Faiella sagt, sie habe<br />
»vier erwachsene Kinder, einen Sohn, drei Töchter ... und ein abgetriebenes Kind«.<br />
dass das, was »in mir ist«, ein menschliches<br />
Wesen ist. Bezeichnend, dass eine<br />
der Protagonisten zu ihren Kindern<br />
»einen Sohn, drei Töchter ... und ein<br />
abgetriebenes Kind« zählt oder dass einer<br />
der Männer sagt: »Gefühlt habe ich<br />
drei Kinder«, wobei eins von ihnen ein<br />
Kind sei, »das durch Abtreibung getötet<br />
wurde«.<br />
Die filmische Bewertung der aktiven<br />
Sterbehilfe hat sich ebenfalls in<br />
den letzten Jahren gewandelt. Zu Beginn<br />
des 21. Jahrhunderts überwog insofern<br />
eine positive Sicht des assistierten<br />
Suizids, als sowohl Clint Eastwoods<br />
»Million Dollar Baby« als auch Alejandro<br />
Amenábars »Das Meer in mir« bei<br />
der Oscarverleihung 2005 ausgezeichnet<br />
wurden. Obwohl Eastwoods Film<br />
im Gegensatz zu »Das Meer in mir«<br />
die aktive Sterbehilfe nicht als »Happy<br />
End« darstellt, kann auch er als ein<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
27
GESELLSCHAFT<br />
Plädoyer für den assistierten Suizid in<br />
einer ausweglosen Situation verstanden<br />
werden.<br />
In den folgenden Jahren kamen zwar<br />
Filme ins Kino, die sich ebenfalls für<br />
die aktive Sterbehilfe aussprachen –<br />
etwa die deutsche Produktion »Ob ihr<br />
wollt oder nicht« (2008) über eine Endzwanzigerin,<br />
die den Kampf gegen den<br />
Krebs aufgegeben hat und deshalb den<br />
Zeitpunkt ihres Todes selbst bestimmen<br />
will. Eine kräftige Werbung für<br />
den assistierten Suizid stellte aber die<br />
Auszeichnung von Michael Hanekes<br />
»Liebe« (2012) mit der Goldenen Palme<br />
in Cannes dar. Der Film bezeichnet<br />
die Tötung einer 80-jährigen Frau<br />
durch ihren Mann nach deren körperlichem<br />
und seelischem Verfall als eine<br />
»Tat der Liebe«.<br />
Dennoch wurden auch in den 2010er<br />
Jahren ebenfalls Spielfilme gedreht, die<br />
sich kritisch mit der Frage auseinandersetzen,<br />
etwa »Ruhm« (Isabel Kleefeld,<br />
2011), der in einer Episode von einer<br />
Todkranken erzählt, die sich bei einem<br />
Schweizer Sterbehilfeverein anmeldet,<br />
es sich aber im letzten Augenblick anders<br />
überlegt. Der Fernsehspielfilm »Komm,<br />
schöner Tod« (Friedemann Fromm,<br />
2012) veranschaulicht eindrücklich,<br />
dass der Weg von der sterbenswilligen<br />
Einzelperson bis zur Kommerzialisierung<br />
des Sterbens ein fließender Prozess<br />
ist. Vom »selbstbestimmten« Tod<br />
handelt insbesondere auch der Spielfilm<br />
»Arthur & Claire« (Miguel Alexandre,<br />
2017). Darauf bereiten sich zwei<br />
sehr unterschiedliche Menschen vor, die<br />
sich aber letztendlich gegenseitig vom<br />
assistierten Suizid abhalten.<br />
Bei »GOTT von Ferdinand von Schirach« geht es um eine fiktive Sitzung des Ethikrates:<br />
Der Ethikrat soll darüber entscheiden, ob der gesunde 78-jährige Richard Gärtner<br />
(Matthias Habich, Zweiter v. r.) nach dem Tod seiner Frau seinem Leben mit Hilfe<br />
eines Arztes ein Ende setzen darf.<br />
Nachdem der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts<br />
Ende Februar<br />
2020 erklärt hatte, dass das allgemeine<br />
Persönlichkeitsrecht des Staatsbürgers<br />
die Freiheit einschließe, »sich das Leben<br />
zu nehmen und dabei auch Angebote von<br />
Dritten in Anspruch zu nehmen«, verfasste<br />
der bekannte Autor Ferdinand von<br />
Schirach das Theaterstück »GOTT«,<br />
das von Lars Kraume als »GOTT von<br />
Ferdinand von Schirach« für die ARD<br />
verfilmt und im November 2020 ausgestrahlt<br />
wurde. Inszeniert ist es als Sitzung<br />
des Deutschen Ethikrates, der darüber<br />
entscheiden soll, ob dem Wunsch<br />
eines gesunden 78-Jährigen, der nach<br />
dem Tod seiner Frau seinem Leben mit<br />
Hilfe eines Arztes legal ein Ende setzen<br />
möchte, entsprochen werden darf.<br />
ARD<br />
Das gesamte TV-Kammerspiel besteht<br />
aus dem Austausch verschiedener Argumente:<br />
Zu Wort kommen der Anwalt<br />
des Sterbewilligen – wohl ein Alter Ego<br />
des Autors –, eine Richterin am Verfassungsgericht<br />
sowie ein Arzt als »medizinischer«<br />
und ein Bischof als »theologischer<br />
Sachverständiger«. Bei der Argumentation<br />
fällt zum einen auf, dass<br />
der darin erwähnte Gottesbezug in der<br />
Grundgesetz-Präambel auf das Christentum<br />
eingeengt wird und dass das<br />
sogenannte »Böckenförde-Diktum« –<br />
»Der freiheitliche, säkularisierte Staat<br />
lebt von Voraussetzungen, die er selbst<br />
nicht garantieren kann« – keinem der<br />
Diskutanten in den Sinn komme, genauso<br />
wenig wie etwa die Aussage des<br />
langjährigen Richters am Bundesverfassungsgericht<br />
Udo di Fabio: »Aus der<br />
Würde des Menschen kann kein Anspruch<br />
auf gutes Leben und schmerzloses<br />
Sterben durch den Staat gewährleistet<br />
werden«, denn die Gesellschaft<br />
der Selbstbestimmten verfüge nicht über<br />
das Schicksal des Einzelnen. Über die<br />
Letztbegründung der Verbindlichkeit<br />
von Grundrechten, die dem Gesetzgeber<br />
Grenzen setzen, schweigt sich das<br />
Fernsehkammerspiel aus.<br />
Darüber hinaus legt von Schirach der<br />
Richterin Aussagen in den Mund, die<br />
gar nicht stimmen, etwa dass es in anderen<br />
Ländern, die bereits aktive Sterbehilfe<br />
zulassen, zu keinem »Dammbruch«<br />
gekommen sei. Dem widersprechen<br />
insbesondere etwa Aussagen<br />
von Theo Boer, Ethik-Dozent und von<br />
2005 bis 2014 Mitglied einer regionalen<br />
Euthanasie-Prüfungskommission: »Auf<br />
dem Feld des Sterbens wird es immer<br />
Grauzonen geben. Und in den Niederlanden<br />
hat uns die Auflösung der ersten<br />
Grauzone neue Grauzonen beschert.<br />
Grauzonen, die noch viel gefährlicher<br />
sind.« Dass die Euthanasiegesuche steigen,<br />
sei darauf zurückzuführen, »dass<br />
so viel über das selbstgewählte Lebensende<br />
diskutiert wird, dass mehr Menschen<br />
geneigt sind, sich dementsprechend<br />
zu verhalten«.<br />
Einer ähnlichen Argumentation wie<br />
Haneke in »Liebe« folgt der französische<br />
Spielfilm »Alles ist gut gegangen«<br />
von François Ozon, der im April <strong>2022</strong><br />
im deutschen Kinoprogramm anlief. Der<br />
Film adaptiert frei den gleichnamigen<br />
autobiografischen Roman von Emma-<br />
28 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
GESELLSCHAFT<br />
nuèle Bernheim: Nachdem ihr Mittachtziger-Vater<br />
André einen Schlaganfall<br />
erlitten hat und deshalb auf die Hilfe<br />
anderer angewiesen ist, möchte er sein<br />
Leben beenden: »Das Leben in diesem<br />
Zustand will ich nicht. Es interessiert<br />
mich nicht. Ich will sterben.« Eine Diskussion<br />
darüber verbittet er sich – darin<br />
erinnert er an den zitierten Film »Das<br />
Meer in mir«, dessen Protagonist jeden<br />
Versuch, über seinen Sterbewunsch zu<br />
sprechen, im Keim erstickt. Zu diesem<br />
André sagt Ozon selbst: »André ist ein<br />
zutiefst egoistischer Mensch (...) Er tat,<br />
was er wollte. Er kannte keine Rücksicht<br />
auf andere, abgesehen von seinem<br />
Enkelsohn.«<br />
Zwar nicht von aktiver Sterbehilfe,<br />
sondern von Selbstmord handeln sowohl<br />
Hanekes Film »Happy End« (2017), der<br />
in gewisser Weise als eine Fortsetzung<br />
seines Films »Liebe« angesehen werden<br />
kann, als auch der französische Spielfilm<br />
»Vortex« von Gaspar Noé, der in<br />
die deutschen Kinos Ende April <strong>2022</strong><br />
kam. Selbstmord begeht hier eine etwa<br />
80-jährige Frau, die zunehmend an<br />
ALAMODE<br />
Demenz leidet, nachdem ihr Mann an<br />
einem Herzinfarkt gestorben ist. Dennoch:<br />
Auch die zwei zuletzt genannten<br />
Filme passen ins Bild einer »Kultur des<br />
Todes«, die sich in letzter Zeit sowohl<br />
in der Frage der Abtreibung wie in der<br />
des assistierten Suizids auf der großen<br />
Leinwand ausbreitet.<br />
Der Mittachtziger André Bernheim (André Dussollier) möchte in »Alles ist gut<br />
gegangen« sein Leben beenden. Seine Tochter, die Schriftstellerin Emmanuèle<br />
(Sophie Marceau), möchte ihn davon abhalten, aber er lässt sich auf keine Diskussion<br />
ein.<br />
A N Z E I G E<br />
Leben begrüßen, ...<br />
... nicht beenden.<br />
© iStock_Tatiana Dyuvbanova<br />
WIR DAS LEBEN !<br />
Sehen wir uns beim „Marsch für das Leben“<br />
am 17.09.<strong>2022</strong> in Berlin?<br />
wwww.marsch-fuer-dasleben.de<br />
Bundesverband<br />
Lebensrecht e.V.<br />
Spendenkonto:<br />
DE21 3706 0193 6006 2570 10<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
29
BÜCHERFORUM<br />
Intensiv<br />
Bundesweite Bekanntheit erlangte<br />
der Intensivpfleger Ricardo<br />
Lange, als er Ende April<br />
vergangenen Jahres auf Einladung von<br />
Jens Spahn vor der Bundespressekonferenz<br />
Einblicke in die Missstände seines<br />
Arbeitsalltags gab. Anfang dieses Jahres<br />
hat er nun ein Buch dazu veröffentlicht.<br />
Bücher, in denen sich Pfleger über die<br />
Missstände im deutschen Gesundheitssystem<br />
auslassen, gibt es mehrere. Etwa<br />
das von Alexander Jorde (»Kranke Pflege<br />
– Gemeinsam aus dem Notstand«,<br />
2019) oder das von Nina Böhmer (»Euren<br />
Applaus könnt ihr euch sonst wohin<br />
stecken – Pflegenotstand, Materialmangel,<br />
Zeitnot – was alles in unserem<br />
Gesundheitssystem schiefläuft«, 2020).<br />
Beide stürmten die Bestsellerlisten.<br />
Und auch »Intensiv – Wenn der Ausnahmezustand<br />
Alltag ist« schaffte es<br />
dorthin. Was Langes Buch besonders<br />
macht und von allen anderen unterscheidet,<br />
ist sein Gegenstand. Denn auf<br />
der Intensivstation geht es oft gleich<br />
um Leben und Tod. Anders formuliert:<br />
Missstände, die es in vielen Bereichen<br />
des deutschen Gesundheitssystems<br />
gibt, haben hier oft viel dramatischere<br />
Konsequenzen. »Zwei Patienten. Zwei<br />
Beatmungsmaschinen. Zwei Notfälle,<br />
aber nur eine examinierte Pflegekraft:<br />
ein toter Patient«, bringt ein von Lange<br />
zitierter Kollegen das auf den Punkt.<br />
Was Ricardo Lange in »Intensiv –<br />
Wenn der Ausnahmezustand Alltag<br />
ist« schildert, ist beinah unglaublich:<br />
Katastrophale Arbeitsbedingungen<br />
und ein unerträglicher Personalmangel<br />
führen dazu, dass viele dem System<br />
den Rücken kehren, sowie zu einer<br />
permanenten körperlichen und emotionalen<br />
Überlastung der Verbliebenen.<br />
Wichtig für den Leser: Für Ricardo<br />
Lange haben die strukturellen Missstände<br />
nichts mit Corona zu tun. Sie<br />
sind vielmehr seit Langem virulent.<br />
Wohl aber habe die Pandemie die ohnehin<br />
dramatische Lage weiter verschärft:<br />
»All die Versäumnisse der<br />
letzten Jahre werden jetzt wieder auf<br />
dem Rücken derer ausgetragen, die ein<br />
marodes System zum Wohle der Patienten<br />
bisher aufrechterhalten haben.«<br />
So sei etwa »längst Normalität, dass<br />
wir in unserer Freizeit angerufen oder<br />
aus dem Urlaub geholt werden, um einen<br />
Personalausfall zu kompensieren.<br />
Das schlechte Gewissen, Kollegen und<br />
Patienten im Stich zu lassen, sorgt immer<br />
wieder dafür, dass wir einspringen,<br />
wenn Not am Mann (und an der<br />
Frau) ist.« Dass es auch anders geht,<br />
zeigt Lange am Beispiel Dänemarks.<br />
In dem skandinavischen Land ist ein<br />
Pfleger in der Regel für nur einen Intensivpatienten<br />
zuständig. Eine Folge:<br />
Es werden deutlich weniger Patienten<br />
reanimiert, weil die Intensivpfleger<br />
frühzeitig reagieren und viele Situationen<br />
in den Griff bekommen, bevor<br />
sie für die Patienten lebensbedrohlich<br />
werden.<br />
Dass dies in Deutschland anders ist,<br />
machte viele krank: »Meine Motivation<br />
ist mit meinen Patienten gestorben.<br />
Ich möchte nicht mehr in diesem Job<br />
arbeiten«, zitiert Lange eine ehemalige<br />
Kollegin. Ein wahrer Augenöffner.<br />
Stefan Rehder<br />
Ricardo Lange: Intensiv – Wenn der Ausnahmezustand<br />
Alltag ist. dtv Verlagsgesellschaft,<br />
München <strong>2022</strong>. 192 Seiten.<br />
16,00 EUR.<br />
Warum der freie Wille existiert<br />
Debatten darüber, ob der Mensch einen freien Willen<br />
habe, reißen nicht ab. Derzeit überwiegt erneut<br />
die Tendenz, die Existenz eines freien Willens zu negieren:<br />
Christian List, Professor für Philosophie und<br />
Entscheidungstheorie an der Ludwigs-Maximilian-<br />
Universität München, führt die Leugnung der Existenz<br />
eines freien Willens auf ein reduktionistisches<br />
Weltbild zurück: Betrachtet man die Welt durch die<br />
Brille der klassischen Physik, sehe man nur Partikel,<br />
Felder und Kräfte. Aber der freie Wille und seine Voraussetzungen<br />
seien eben keine physikalischen Eigenschaften<br />
der natürlichen Welt. Stattdessen sei<br />
der freie Wille ein Phänomen einer höheren Ebene.<br />
Betrachteten wir den freien Willen in dem ihm angemessenen<br />
Kontext, zeige sich, dass er unabdingbar<br />
sei, um unsere Welt zu erklären.<br />
san<br />
Christian List: Warum der freie Wille existiert. Aus<br />
dem Englischen von Erich Ammereller. Wbg Academic,<br />
Darmstadt 2021. 208 Seiten. Hardcover. 28 EUR.<br />
30 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
BÜCHERFORUM<br />
Sterben 2.0<br />
Trans- und Posthumanismus<br />
haben sich zu wirkmächtigen<br />
Ideologien entwickelt, die wissenschaftliche<br />
Forschungsprojekte antreiben<br />
und gesellschaftliche Utopien<br />
befeuern. Wie dies geschieht und welche<br />
Konzepte dahinterstehen, damit<br />
beschäftigt sich der von Tim Willmann<br />
und Amine El Maleq herausgegebene<br />
Sammelband »Sterben 2.0«. In einer<br />
Gesellschaft, »die Jugend, Vitalität und<br />
Erfolg prämiert« (Otfried Höffe) würden<br />
Altern, Sterben und Tod zunehmend<br />
als »narzisstische Kränkung«<br />
verstanden, von welcher der Mensch<br />
befreit werden müsse, schreibt Willmann<br />
in seiner Einleitung. Der australische<br />
Biologe und Genetiker David A.<br />
Sinclair (geb. 1969) etwa sei zuversichtlich,<br />
dass die Menschheit das Phänomen<br />
des körperlichen Verfalls mit fortschreitender<br />
Technik zunehmend in<br />
den Griff bekommen werde: »Ich halte<br />
Altern für eine Krankheit. Ich glaube,<br />
dass man es behandeln kann. Ich glaube,<br />
dass wir es noch zu unseren Lebzeiten<br />
behandeln können. Und dabei, so<br />
glaube ich, wird sich unser gesamtes<br />
Wissen über die Gesundheit der Menschen<br />
grundlegend wandeln.« Und der<br />
Physiker Michio Kaku resümiere die<br />
Bündelung zentraler Forschungsergebnisse<br />
zum Phänomen des Alterns<br />
aus biologischer Sicht so: Im Grunde<br />
genommen sei Altern »eine Ansammlung<br />
von Fehlern auf genetischem und<br />
zellulärem Niveau. Wenn die Zellen älter<br />
werden, beginnen sich in ihrer DNA<br />
Fehler und Ablagerungen anzuhäufen,<br />
die die Zellfunktionen beeinträchtigen.<br />
Aufgrund dieser beeinträchtigten Zellfunktion<br />
fängt unsere Haut an, schlaff<br />
zu werden, Knochen werden zerbrechlich,<br />
Haare fallen aus, und unser Immunsystem<br />
büßt an Wirksamkeit ein.<br />
Schließlich sterben wir.«<br />
Sterblichkeit und Altern würden<br />
zunehmend wie zu lösende Probleme<br />
behandelt. Spekulative Überlegungen<br />
aus dem Post- und Transhumanismus<br />
spitzten Altern, Sterblichkeit und Tod<br />
»derart zu, dass sie die menschliche<br />
Leiblichkeit in ihrer lebendigen Einheit<br />
aus Körper und Geist als mangelhaft<br />
verurteilen und unterminieren«.<br />
Ein »populärer Vordenker«, dessen<br />
Hypothesen »als prototypisch« für die<br />
transhumanistische Ideologie betrachtet<br />
werden können, sei Ray Kurzweil,<br />
Leiter der Technischen Abteilung von<br />
Google und Autor von Büchern wie<br />
»Das Geheimnis des menschlichen<br />
Denkens« oder »Menschheit 2.0«.<br />
Aber auch Themen wie der Senizid<br />
(Henriette Herwig), Suizid und<br />
Tötung auf Verlangen (Dieter Birnbacher),<br />
Mind Uploading (Marcus<br />
Knaup), Kryonik (Klaus H. Sames)<br />
werden in dem Sammelband ausführlich<br />
und in zwei Fällen auch in englischer<br />
Sprache behandelt. Dies und der<br />
stattliche Preis dürften den Kreis der<br />
Leserschaft, den die Herausgeber und<br />
Autoren mit diesem Werk erreichen,<br />
sicher einschränken. Etwas, das zwar<br />
kaum zu ändern ist, aber nach der Lektüre<br />
durchaus bedauert werden kann.<br />
Stefan Rehder<br />
Tim Willmann / Amine El Maleq (Hrsg.):<br />
Sterben 2.0. (Trans-)Humanistische<br />
Perspektiven zwischen Cyberspace,<br />
Mind Uploading und Kryonik. Verlag<br />
De Gruyter, Berlin/Boston <strong>2022</strong>. Gebunden.<br />
257 Seiten. 99,95 EUR. E-Book<br />
99,95 EUR.<br />
Die friedliche Geburt<br />
Für nicht wenige Frauen ist die Vorstellung, ein Kind<br />
zu gebären, heute negativ besetzt. Angst vor Komplikationen<br />
und vor Schmerzen drohen da schnell<br />
überhandzunehmen. Die Autorin Kristin Graf, selbst<br />
dreifache Mutter, ist überzeugt, das muss nicht sein.<br />
Denn Angst und Schmerz seien steuerbar. In ihrem<br />
Buch stellt die Autorin dazu eine von ihr entwickelte,<br />
evidenzbasierte Methode zur mentalen Geburtsvorbereitung<br />
vor, mit der sich das subjektive Schmerzerleben<br />
beeinflussen lasse und die es Schwangeren<br />
ermöglichen soll, ihr Bewusstsein und ihr Unterbewusstsein<br />
so aufeinander abzustimmen, dass sie<br />
angstfrei und voller Vorfreude in Geburt gehen. In ihren<br />
Kursen hat Graf, deren Methode auch von zahlreichen<br />
Hebammen und Frauenärzten empfohlen<br />
wird, bereits mehr als 14.000 schwangere Frauen erfolgreich<br />
auf die Geburt vorbereitet.<br />
san<br />
Kristin Graf: Die friedliche Geburt. Piper Verlag,<br />
München <strong>2022</strong>. 352 Seiten. Klappbroschur. 20 EUR.<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
31
KURZ VOR SCHLUSS<br />
Expressis<br />
verbis<br />
Mir als Ärztin, aus ethischem Handeln<br />
heraus, ist es wichtig, dass die medizinische<br />
Versorgung für Betroffene gewährleistet<br />
ist und dass Kinder, die auf<br />
die Welt kommen, angenommen und<br />
geliebt sind.«<br />
Die Gießener Abtreibungsärztin Kristina<br />
Hänel während der Öffentlichen Anhörung<br />
des Rechtsausschusses des Deutschen<br />
Bundestags am 18. Mai zu der von<br />
der Bundesregierung betriebenen Streichung<br />
des § 219a StGB<br />
Tops & Flops<br />
Hubert Hüppe<br />
MARIUS HOPPE<br />
Katrin<br />
Helling-Plahr<br />
Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr<br />
forderte hingegen: »Stehen<br />
wir Menschen, die über einen<br />
Suizid nachdenken, zur Seite, indem<br />
wir flächendeckend und bundesweit<br />
niederschwellige Beratungsmöglichkeiten<br />
schaffen! Etablieren wir echte<br />
Anlaufstellen und bieten wir dort<br />
Man bewirbt nur das, was man auch für<br />
erstrebenswert hält.«<br />
Die Direktorin der Klinik und Poliklinik<br />
für Frauenheilkunde und Geburtsklinik<br />
und Lehrstuhlinhaberin für Frauenheilkunde<br />
und Geburtshilfe der Universität<br />
Regensburg, Angela Köninger, bei derselben<br />
Veranstaltung<br />
Es ist eine juristische, eine politische<br />
und eine historische Wahrheit, dass der<br />
§ 218 des Strafgesetzbuches und der<br />
§ 219a nichts, aber auch gar nichts miteinander<br />
zu tun haben. (…) Ich bitte,<br />
diese Wahrheit zu akzeptieren.«<br />
Bundesjustizminister Marco Buschmann<br />
während der Ersten Lesung des Gesetzesentwurfs<br />
der Bundesregierung zur geplanten<br />
Streichung des § 219a StGB<br />
Diese Bundesregierung steht an der<br />
Seite der Frauen und zu ihrem Recht auf<br />
körperliche Selbstbestimmung. Und<br />
deshalb wollen wir auch einen zweiten<br />
Schritt gehen und die Regelung für den<br />
Schwangerschaftsabbruch außerhalb<br />
des StGB treffen«<br />
Die Bundesministerin für Familien, Senioren,<br />
Frauen und Jugend, Lisa Paus,<br />
bei derselben Veranstaltung<br />
Hubert Hüppe, CDU<br />
In der vom Deutschen Bundestag<br />
veranstalteten Orientierungsdebatte<br />
zu der vom Bundesverfassungsgericht<br />
erzwungenen gesetzlichen<br />
Neuregelung der Suizidhilfe hat der<br />
CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe<br />
nachdrücklich vor deren Ausweitung<br />
gewarnt. Die Unterscheidung zwischen<br />
»Beihilfe zum Suizid« und der<br />
»Tötung auf Verlangen« nannte der<br />
Gesundheitspolitiker »hauchdünn«<br />
und fragte: »Wie will ich jemandem<br />
erklären, dass er zwar das Recht auf<br />
Selbsttötung hat, aber dass ihm, wenn<br />
er nicht in der Lage ist, das Glas zu<br />
nehmen, kein anderer dieses Glas geben<br />
kann?« Auch würden schwache<br />
Menschen einem immensen Druck<br />
ausgesetzt. Denn sobald der »assistierte<br />
Suizid« gesellschaftlich akzeptiert<br />
sei, trage derjenige, der weiterleben<br />
und dabei »Ressourcen der<br />
Allgemeinheit« in Anspruch nehmen<br />
wolle, dafür auch die Verantwortung,<br />
erklärte Hüppe. Allein »das Empfinden,<br />
anderen nicht zur Last zu fallen«,<br />
könne schon ausreichen, »um sich<br />
moralisch verpflichtet zu fühlen, sich<br />
für den Suizid zu entscheiden«. reh<br />
Katrin Helling-Plahr, FDP<br />
auch konkrete Hilfe, zum Beispiel auf<br />
dem Weg ins Pflegeheim, an!« Konkrete<br />
Hilfe? Wie müssen wir uns das<br />
vorstellen? Etwa so: »Sie sind auf dem<br />
Weg ins Pflegeheim? Ernsthaft? Wissen<br />
Sie denn nicht, dass Sie ein Recht<br />
auf selbstbestimmtes Sterben haben?<br />
Falls Sie einen freundlichen Arzt suchen,<br />
der Ihnen dabei hilft, wir hätten<br />
da auch gleich ein paar Adressen<br />
für Sie.« Wie »liberal« die FDP-Abgeordnete<br />
in punkto Sterbehilfe tickt,<br />
ließ sie auch gleich wissen. Schon<br />
das Nachdenken über eine »Regelung<br />
der Sterbehilfe im Strafrecht«<br />
nannte Helling-Plahr »indiskutabel«.<br />
Dass Menschen ein derart sensibles<br />
Thema regeln sollen, die schon das<br />
Nachdenken darüber limitieren wollen,<br />
ist vielleicht doch keine so gute<br />
Idee.<br />
reh<br />
32 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
KURZ VOR SCHLUSS<br />
Aus dem Netz<br />
»Wird alles gut? – Für einen Fortschritt nach menschlichem Maß«<br />
Johannes Rau (1931–2006)<br />
»(…) Nichts darf über die Würde des<br />
einzelnen Menschen gestellt werden.<br />
Sein Recht auf Freiheit, Selbstbestimmung<br />
und auf Achtung seiner Würde<br />
darf keinem Zweck geopfert werden.<br />
Eine Ethik, die auf diesen Grundsätzen<br />
beruht, gibt es freilich nicht umsonst.<br />
Es hat einen Preis, wenn wir<br />
nach ethischen Grundsätzen handeln.<br />
Weil es hier im wahrsten Sinne des<br />
Wortes um existenzielle Fragen geht,<br />
muss ganz besonders gelten: Wenn<br />
wir begründete Zweifel haben, ob wir<br />
etwas technisch Mögliches tun dürfen<br />
oder nicht, dann muss es so lange<br />
verboten sein, bis alle begründeten<br />
Zweifel ausgeräumt sind. Ich kenne<br />
den Satz: ›Die Anderen tun es doch<br />
auch.‹ Aber wir sagen doch schon unseren<br />
Kindern, dass sie tun müssen,<br />
was richtig ist, ganz gleich, was andere<br />
machen. Und wir akzeptieren dieses<br />
Argument ja auch nicht im Falle von<br />
Kinderarbeit, von Sklaverei oder bei<br />
der Todesstrafe. Das Gleiche gilt für<br />
das ähnliche Argument: ›Wenn wir es<br />
nicht tun, dann tun es die Anderen.‹<br />
Dieses Argument ist Ausdruck ethischer<br />
Kapitulation. (…) Ökonomische<br />
Interessen sind legitim und wichtig.<br />
Sie können aber nicht gegen die<br />
Menschenwürde und den Schutz des<br />
Lebens aufgewogen werden. Wer den<br />
Schutz des Lebens an seinem Beginn<br />
aufgibt, der wird das bald auch für<br />
das Ende des Lebens geltend machen<br />
können. Dann wird vielleicht gefragt:<br />
Können wir uns den hohen Pflegeaufwand<br />
am Ende des Lebens leisten?<br />
Wäre es nicht ökonomisch vernünftiger,<br />
Alte und Kranke willigten rechtzeitig<br />
in die Sterbehilfe ein? Ich weiß,<br />
dass niemand so etwas vorschlägt.<br />
Aber wir alle wissen auch, dass beste<br />
Absichten oft nicht verhindern können,<br />
dass schließlich geschieht, was<br />
anfangs niemand wollte. Und ich weiß<br />
auch, dass schon heute alte Menschen<br />
sich solchen Fragen drangvoll ausgesetzt<br />
fühlen. (...)«<br />
Auszug aus der »Berliner Rede« von<br />
Bundespräsident Johannes Rau (2001)<br />
»Die Welt. Die von morgen« (54)<br />
STIFTUNG HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND<br />
SUNDRY PHOTOGRAPHY/STOCK.ADOBE.COM<br />
Kurz & bündig<br />
Bei Abtreibung:<br />
Amazon gewährt<br />
Zuschuss zu<br />
Reisekosten<br />
Seattle (<strong>ALfA</strong>). Der Online-Versandhändler<br />
Amazon, mit Firmensitz<br />
in Seattle, will Mitarbeiterinnen,<br />
die ein Kind abtreiben lassen<br />
wollen und dafür Reisen von mehr<br />
als 160 Kilometer zurücklegen, mit<br />
bis zu 4.000 US-Dollar unter die<br />
Arme greifen. Das berichtet die katholische<br />
Wochenzeitung »Die Tagespost«<br />
unter Berufung auf die<br />
Nachrichtenagentur »Reuters«.<br />
Demnach liege der Agentur eine<br />
entsprechende konzerninterne<br />
Bekanntmachung vor. Weiter heißt<br />
es, mit der Entscheidung folge der<br />
zweitgrößte privatwirtschaftliche<br />
Arbeitgeber in den Vereinigten<br />
Staaten von Amerika dem Beispiel<br />
der Konzerne Apple, Citigroup und<br />
Yelp.<br />
reh<br />
GLOSSE<br />
In der Welt von morgen feiern Lüge<br />
und Desinformationen Feste. Ständig<br />
werden neue »Spezialoperationen«<br />
aus dem Boden gestampft. So verlangt<br />
etwa der Abtreibungsriese »Planned<br />
Parenthood«, nach der Rücknahme<br />
von »Roe vs. Wade« müsse der<br />
US-Supreme-Court »entnazifiziert«<br />
werden. Der Zweite Matić-Bericht<br />
will die Mitgliedstaaten der Europäischen<br />
Union verpflichten, sicherzustellen,<br />
dass EU-Bürger überall und<br />
jederzeit von ihrem Menschenrecht<br />
auf »Tötung auf Verlangen« Gebrauch<br />
machen können. Die »Fortschrittskoalition«<br />
unter Bundeskanzler Karl<br />
Lauterbach fordert den Gemeinsamen<br />
Bundesausschuss (G-BA) auf,<br />
die Aufnahme künstlicher Befruchtungen<br />
in den Leistungskatalog der<br />
gesetzlichen Krankenkassen zu prüfen.<br />
Eine Harvard-Studie habe gezeigt,<br />
dass Menschen, deren Erbgut<br />
im Labor genetisch modifiziert wurde,<br />
gegen sämtliche SARS-CoV-Viren<br />
immun seien. Lauterbach versprach,<br />
im Gegenzug prüfen zu wollen, ob<br />
die Ende <strong>2022</strong> eingeführte Definition,<br />
»Mensch ist, wer geboren, doppelt geimpft<br />
und mindestens einmal geboostert<br />
wurde«, entsprechend modifiziert<br />
werden könne.<br />
Stefan Rehder<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
33
LESERFORUM<br />
Mit Ihrem Titelthema<br />
haben Sie ein erstes<br />
ernstes Problem aufgegriffen,<br />
das auch<br />
viele Mütter beschäftigt.<br />
Herzlichen Dank<br />
für die umfassende<br />
Information.<br />
Annemarie Maurer, Leipzig<br />
ben erlebt, daß Macht von Recht getrennt<br />
wurde, daß Macht gegen Recht<br />
stand, das Recht zertreten hat und daß<br />
der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung<br />
wurde – zu einer sehr gut<br />
organisierten Räuberbande, die die<br />
ganze Welt bedrohen und an den Rand<br />
des Abgrunds treiben konnte. Dem<br />
Recht zu dienen und der Herrschaft<br />
des Unrechts zu wehren ist und bleibt<br />
die grundlegende Aufgabe des Politikers.<br />
In einer historischen Stunde, in<br />
der dem Menschen Macht zugefallen<br />
ist, die bisher nicht vorstellbar war,<br />
wird diese Aufgabe besonders dringlich.<br />
Der Mensch kann die Welt zerstören.<br />
Er kann sich selbst manipulieren.<br />
Er kann sozusagen Menschen machen<br />
und Menschen vom Menschsein ausschließen.<br />
Wie erkennen wir, was recht<br />
ist? Wie können wir zwischen Gut und<br />
Böse, zwischen wahrem Recht und<br />
Scheinrecht unterscheiden? Die salomonische<br />
Bitte bleibt die entscheidende<br />
Frage, vor der der Politiker und die<br />
Politik auch heute stehen.«<br />
König Salomon bat Gott um ein hörendes<br />
Herz. Die Ampelregierung hat<br />
offensichtlich nur Ohren für ihre vermeintliche<br />
Klientel. Streicht sie, um<br />
diese zufrieden zu stellen, das Recht<br />
und erklärt sie die Tötung unschuldiger<br />
und wehrloser Kinder im Mutterleib<br />
zu einer Gesundheitsleistung, steht<br />
sie einer Räuberbande in nichts nach.<br />
Ins Schwarze getroffen<br />
Zum Beitrag »Simsalabim« in »Lebens-<br />
Forum 141«, S. 22–24<br />
Stefan Rehder bringt es auf den Punkt.<br />
Die Verwandlung analogen Unrechts<br />
in digitales »Recht« lässt sich mit gewöhnlichen<br />
Maßstäben nicht erklären.<br />
Und dann kann man hier, wie Rehder<br />
dies auf recht amüsante Weise tut,<br />
natürlich auch die Magie bemühen.<br />
Mir ist in diesem Zusammenhang die<br />
wenig amüsante Rede eingefallen, die<br />
Papst Benedikt XVI. am 22. September<br />
2011 im Deutschen Bundestag<br />
hielt. Ich zitiere: »›Nimm das Recht<br />
weg – was ist dann ein Staat noch anderes<br />
als eine große Räuberbande‹, hat<br />
der heilige Augustinus einmal gesagt.<br />
Wir Deutsche wissen es aus eigener<br />
Erfahrung, daß diese Worte nicht ein<br />
leeres Schreckgespenst sind. Wir ha-<br />
Bertram Günther, Bad Bertrich<br />
Errata<br />
In »<strong>LebensForum</strong>« Nr. 141 (Ausgabe<br />
1/<strong>2022</strong>) wurde in dem Beitrag<br />
»Mut gehört immer zum Leben« (S.<br />
26 f.) eine falsche Zahl genannt.<br />
Die Überlebensrate von Frühgeborenen<br />
mit einem Gestationsalter<br />
von 25 Wochen liegt nicht, wie<br />
dort angegeben, bei rund 30 Prozent,<br />
sondern vielmehr bei etwa<br />
76 Prozent. Wir bitten diesen Fehler<br />
zu entschuldigen.<br />
A N Z E I G E<br />
34 LEBENSFORUM <strong>142</strong>
IMPRESSUM<br />
IMPRESSUM<br />
LEBENSFORUM<br />
Ausgabe Nr. <strong>142</strong>, 2. Quartal <strong>2022</strong><br />
ISSN 0945-4586<br />
Verlag<br />
Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />
Kitzenmarkt 20–22, 86150 Augsburg<br />
Tel.: 08 21 / 51 20 31, Fax: 08 21 / 15 64 07<br />
www.alfa-ev.de, E-Mail: info@alfa-ev.de<br />
Herausgeber<br />
Aktion Lebensrecht für Alle e.V.<br />
Bundesvorsitzende Cornelia Kaminski (V. i. S. d. P.)<br />
Kooperation<br />
Ärzte für das Leben e.V. – Geschäftsstelle<br />
z.H. Dr. med. Karl Renner<br />
Sudetenstraße 15, 87616 Marktoberdorf<br />
Tel.: 0 83 42 / 74 22, E-Mail: k.renner@aerzte-fuer-das-leben.de<br />
www.aerzte-fuer-das-leben.de<br />
Redaktionsleitung<br />
Stefan Rehder M. A.<br />
Redaktion<br />
Alexandra Maria Linder M. A., Stefan Matthaei,<br />
Prof. Dr. med. Paul Cullen (Ärzte für das Leben e.V.)<br />
E-Mail: lebensforum@alfa-ev.de<br />
Anzeigenverwaltung<br />
Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />
Kitzenmarkt 20–22, 86150 Augsburg<br />
Tel.: 08 21 / 51 20 31, Fax: 08 21 / 15 64 07<br />
www.alfa-ev.de, E-Mail: info@alfa-ev.de<br />
Satz / Layout<br />
Rehder Medienagentur, Würzburg<br />
www.rehder-agentur.de<br />
Auflage<br />
6.500 Exemplare<br />
Anzeigen<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 8 vom 1. Februar 2017.<br />
Erscheinungsweise<br />
»<strong>LebensForum</strong>« 143 erscheint am 24. September <strong>2022</strong>.<br />
Redaktionsschluss ist der 12. August <strong>2022</strong>.<br />
Jahresbezugspreis<br />
20,– EUR (für ordentliche Mitglieder der <strong>ALfA</strong> und der<br />
Ärzte für das Leben im Beitrag enthalten)<br />
Bankverbindung<br />
VR-Bank Augsburg-Ostallgäu<br />
IBAN: DE85 7209 0000 0005 0409 90<br />
BIC: GENODEF1AUB<br />
Spenden erwünscht<br />
Druck<br />
Reiner Winters GmbH<br />
Wiesenstraße 11, 57537 Wissen<br />
www.rewi.de<br />
Titelbild<br />
Dipl.-Des. (FH) Daniel Rennen/Rehder Medienagentur<br />
www.rehder-agentur.de<br />
Das »<strong>LebensForum</strong>« ist auf umweltfreundlichem chlorfrei<br />
gebleichtem Papier gedruckt.<br />
Mit vollem Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt<br />
die Meinung der Redaktion oder der <strong>ALfA</strong> wieder<br />
und stehen in der Verantwortung des jeweiligen Autors.<br />
Fotomechanische Wiedergabe und Nachdruck – auch auszugsweise<br />
– nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.<br />
Für unverlangt eingesandte Beiträge können wir keine<br />
Haftung übernehmen. Unverlangt eingesandte Rezensionsexemplare<br />
werden nicht zurückgesandt. Die Redaktion behält<br />
sich vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />
Helfen Sie Leben retten!<br />
Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />
Kitzenmarkt 20–22, 86150 Augsburg<br />
Telefon (08 21) 51 20 31,Fax (08 21) 156407, http://www.alfa-ev.de<br />
Spendenkonto: VR-Bank Augsburg-Ostallgäu, IBAN: DE85 7209 0000 0005 0409 90, BIC: GENODEF1AUB<br />
Herzlich laden wir Sie ein, unsere <strong>ALfA</strong>-Arbeit durch Ihre Mitgliedschaft zu unterstützen.<br />
Ein »<strong>LebensForum</strong>«-Abonnement ist in der Mitgliedschaft enthalten.<br />
c 12,– E jährlich für Schüler, Studenten und Arbeitslose<br />
c 24,– E jährlich Mindestbeitrag<br />
c 35,– E jährlich Familienbeitrag<br />
c _________ E jährlich freiwilliger Beitrag.<br />
c 20,– E jährlich <strong>LebensForum</strong>-Abo ohne Mitgliedschaft<br />
Meine Adresse<br />
Mitgliedsbeiträge und Spenden sind steuerlich abzugsfähig!<br />
Freiwillige Angaben<br />
Geboren am<br />
Name<br />
Telefon<br />
Straße, Nr.<br />
Religion<br />
Beruf<br />
PLZ, Ort<br />
E-Mail-Adresse<br />
c Ja, ich möchte auch per E-Mail über Spendenaktionen und Lebensrechtskampagnen der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. informiert<br />
werden.<br />
c Um Verwaltungskosten zu sparen und weil es für mich bequemer ist, bitte ich Sie, meine Beiträge jährlich von meinem Konto<br />
einzuziehen:<br />
Institut<br />
IBAN<br />
BIC/SWIFT<br />
Datum, Unterschrift<br />
LEBENSFORUM <strong>142</strong><br />
35
LETZTE SEITE<br />
Postvertriebsstück B 42890 Entgelt bezahlt<br />
Deutsche Post AG (DPAG)<br />
Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (<strong>ALfA</strong>)<br />
Ottmarsgäßchen 8, 86152 Ausgburg<br />
A N Z E I G E<br />
Nehmen Sie Kontakt mit uns auf:<br />
www.vita-L.de<br />
WIR HELFEN<br />
SCHWANGEREN<br />
IN NOT<br />
24 Stunden | 7 Tage die Woche | 365 Tage im Jahr<br />
vitaL ist 36eine unabhängige Bürgerinitiative und unterliegt nicht dem staatlichen<br />
LEBENSFORUM<br />
Scheinsystem <strong>142</strong>