syndicom magazin Nr. 30
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
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syndicom
Nr. 30 Juli-August 2022
magazin
Unsere
Gesundheit
ist nicht
aus Stein
Anzeige
Inhalt
4 Teamporträt
5 Kurz und bündig
6 Die andere Seite
7 Gastautorin
8 Gesunde, sichere Arbeit
15 Infografik
17 Gesund am Steuer
22 Nein zu «AHV21»
25 Recht so!
26 Freizeit
27 1000 Worte
28 Bisch im Bild
30 Aus dem Leben von ...
31 Kreuzworträtsel
32 Inter-aktiv
Liebe Leserinnen und Leser,
am 10. Juni hat die tripartite Internationale Arbeitskonferenz
erstmals in 25 Jahren ein neues
grundlegendes Arbeitsrecht anerkannt: das
Recht auf gesunde und sichere Arbeitsbedingungen.
Dieses Recht ist ein wesentlicher Bestandteil
des neuen Sozialvertrags, den wir fordern,
um Erholung und Resilienz nach Covid-19
herzustellen. Die Änderung nimmt die Regierungen
aller 187 ILO-Mitgliedstaaten in die Pflicht.
Das neue Recht wird Eingang finden in die
Handelsabkommen, Investitionsentscheide und
globalen Lieferketten, insbesondere, wenn auch
die Sorgfaltspflicht gilt. Darüber hinaus wird es
die Gewerkschaften ermächtigen, die Arbeitnehmenden
besser zu schützen.
Die Regierungen müssen die in den Kernübereinkommen
enthaltenen Rechte und Pflichten
achten, und wir rufen zu ihrer universellen
Ratifizierung und Umsetzung auf. Die Schweiz
brauchte nach der ursprünglichen Erklärung von
1998 nur drei Jahre, um die anderen drei grundlegenden
Übereinkommen zu ratifizieren, und
wir fordern dringend dazu auf, hier vergleichbar
vorzugehen. Die Arbeitnehmenden in der
Schweiz würden das Recht erhalten, in Fragen
der Prävention konsultiert zu werden und gefährliche
Arbeiten zu verweigern. In Ländern wie
Bangladesch würden Brände in Fabriken zukünftig
verhindert. Wir sehen einen Fortschritt von
historischem Zuschnitt. Die Gewerkschaften
müssen diese Gelegenheit nutzen, um sicherzustellen,
dass niemand sterben muss, weil er
einfach seinen Lebensunterhalt verdient.
4
8
22
Owen Tudor, stv. Generalsekretär
Internationaler Gewerkschaftsbund ITUC-IGB
4
Das GAV-Team
bei Smood
«Der GAV baut die Rechte der Kurier:innen
bei Smood massiv aus»
Von links nach rechts:
David Roth, Zentralsekretär des Sektors
Logistik von syndicom in Bern, hat den
Branchen-Gesamtarbeitsvertrag der
Velo- und Foodkurier:innen ausgehandelt
und kennt die Branche wie seine
eigene Velotasche.
Davide Negri, bei Smood seit 2019,
fährt als Kurier mit seinem Zweiräder in
Zürich.
Kalin Atanasov, bei Smood seit 2019,
fährt als Kurier mit dem Auto in
Winterthur.
Auf dem kleinen Bild:
Michel Guillot, Regionalsekretär von
syndicom in Genf, lange Jahre Zusteller
bei der Post, kennt die Bedürfnisse der
Velo- und Foodkuriere aus erster Hand;
arbeitet eng mit Kurier:innen verschiedener
Firmen zusammen.
Text: Matthias Loosli
Bild: Patrick Gutenberg
«Jetzt haben auch wir
vernünftig geplante
Arbeitszeiten»
... es war ein harziger Start mit vielen
Rechtsfällen. Seit 2018 waren wir auf
juristischem Weg mit der Smood SA in
Kontakt. Ende 2020 standen eine
HR-Mitarbeiterin und Zentralsekretär
David Roth vor der Schlichtungsstelle
in Luzern. Für einmal war Smood nicht
durch einen Anwalt vertreten! David
schlug also vor, dass sich Smood und
syndicom auch einmal direkt treffen
könnten, statt nur vor den Schlichtungsstellen
im ganzen Land – Smood
willigte ein.
So trafen wir uns zu Gesprächen,
bei denen wir Smood bestehende GAV
und unsere Bedürfnisse erläuterten.
Die Gespräche unterbrachen wir zwischen
November 21 und März 22, als
ein Arbeitskonflikt in der Romandie
ausgebrochen war. Im Zentrum des
Konfliktes: Der Personalverleiher «SimplePay»,
mit dem Smood in Genf und
in der Waadt zusammen arbeitete. Es
ging um Missstände, die eigentlich
nicht vorkommen sollten im Personalverleih.
Schliesslich besteht für Temporäre
ein allgemein verbind licher Gesamtarbeitsvertrag,
der offensichtlich
vernachlässigt wurde. Nachdem eine
Schlichtung keine Lösung brachte,
starteten wir Vertragsverhandlungen
für einen GAV. Als Delegierte unserer
Kolleg:innen, die auch bei syndicom
organisiert sind, hatten wir eine hohe
Verantwortung. Michel war in Kontakt
mit seinen Vertrauenspersonen oder
mit Gewerkschaftsorganen wie dem
«Branchenvorstand der Velo- und
Food kurier:innen». Kalin und Davide
tauschten sich an ihren Standorten mit
den Kolleg:innen aus.
Für Davide war zentral, ein faires,
nachvollziehbares Spesensystem zu
finden. Natürlich auch ein Mindestlohn,
der seinen Namen verdient.
Die 23 Franken pro Stunde tun das.
Mit dem Sonntagszuschlag von 5 %
kommt noch etwas oben drauf. Wertvoll,
denn sonntags fällt viel Arbeit
an bei den Foodkurier:innen. Für Kalin
zählt vor allem, dass er regelmässig
arbeiten kann. Er braucht Arbeit,
die planbar ist, natürlich ohne unbezahlte
Wartezeiten. Mit den wöchentlich
garantierten Arbeitsstunden,
einer Mindestdauer von 2 Stunden
pro Schicht und der Einsatzplanung,
die er 14 Tage im Voraus erhält, gibt
ihm der GAV genau das.
Mit 324 zu 22 Stimmen haben die
Smood-Leute in der Urabstimmung
dem Vertragswerk, das wir ausgehandelt
haben, zugestimmt. Das war eine
Bestätigung für uns. Der GAV Smood
gilt ab Oktober 2022 mit einer dreimonatigen
Übergangsfrist. Und er verbessert
die Stellung der Smood-Angestellten
massiv.
Kurz und
bündig
Presserat kurzfristig gerettet \ Neue PeKo bei Sunrise UPC \
Erste Verbesserungen bei der Tessiner Post \ Sommerjob und
Arbeitsrechte \ Flankierende Massnahmen wirksam \ PostNetz
will Verkaufsziele korrigieren \ Kita-Initiative unterschreiben!
5
Überleben des Presserats
zunächst gesichert
Der Schweizer Presserat hat von seinem
Stiftungsrat, dem auch syndicom angehört,
einen Betrag von 100 000 Franken
zur Verfügung gestellt bekommen. Diese
einmalige Finanzierung ermöglicht es,
die Aktivitäten der Medienselbstregulierung
bis Ende 2023 fortzusetzen.
Ein bisschen Sauerstoff nach der Ablehnung
des Förderpakets für die Medien im
Februar, das auch den Presserat alimentiert
hätte. Die Suche nach Wegen für
eine nachhaltige finanzielle Stützung
der Medien geht weiter.
Neue Personalvertretung bei
Sunrise UPC gewählt
In die neue Personalvertretung von
Sunrise UPC wurden auch 10 syndicom-
Mitglieder gewählt. Es sind Alban Ahmeti,
Alexander Drews, Beat Isler, Bettina
Huber, Matthias von Strantz, Mariem
Fia djigbe, Peter Schneller, Rudolf Lippuner,
Stefano Lendaro und Tayfun Aksoy.
Herzlichen Glückwunsch im Namen von
syndicom!
Prekariat bei der Tessiner Post
wird zurückgedrängt
Die im April im Tessin lancierte Petition
«Stoppt das Prekariat bei der Post» hat
bereits ein Ergebnis erzielt. Die befristeten
Verträge von Neuangestellten
(mehr als 40 allein in der Region Lugano),
die nicht dem GAV entsprachen,
wurden regularisiert und in unbefristete
Verträge umgewandelt. Die Forderung
nach einer Erhöhung der Löhne für Neueinsteiger
wird auf nationaler Ebene
eingebracht, derweil im Tessin eine
Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die konkrete
Lösungen für die Erhöhung des
Beschäftigungsgrads, die Gewährleistung
eines stabilen Beschäftigungsverhältnisses
und die Wahrung der vom
GAV vorgesehenen Rechte finden soll.
Kleiner Job im Sommer?
Jugendliche haben Rechte
Die grossen Ferien sind für viele junge
Leute die Zeit, sich mit Gelegenheitsjobs
ein Taschengeld zu verdienen.
Wenn man einen Job hat, ist man ein
Arbeitnehmer wie jeder andere auch.
Und für Arbeitnehmerinnen gelten
arbeitsrechtliche Bestimmungen, ein
angemessener Lohn und die Einhaltung
von Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz.
Infos: syndicom.ch/7qmp7
Flankierende Massnahmen
wirken – weiter nötig
Der SGB kommentiert den 18. Bericht
zum Freizügigkeitsabkommen wie folgt:
Die Flankierenden Massnahmen bewähren
sich. Dank Kontrollen und Bussen
kamen die Schweizer Löhne nie unter
Druck. Lohndumping bleibt zwar eine
Realität: Jeder 5. Betrieb bleibt in den
Kontrollen hängen, und die prekären
Arbeitsformen der Entsendung und der
Kürzestaufenthalte haben stark zugenommen.
Gerade die Schweiz braucht
darum Lohnschutz, schreibt der SGB.
Verkaufsziele bei PostNetz
sollen gelockert werden
Die syndicom-Resolution PostNetz
«Stoppt den Zielwahnsinn und ungebührlichen
Verkaufsdruck» zeigt erste
Resultate: Die Leitung von PostNetz
habe die Mängel erkannt und wolle sie
korrigieren, so die Aussagen an der
Sitzung der Fachkommission PN.
Die Gewerkschaft bleibt dran.
Initiative für bezahlbare Kitas
Plätze in der Kinderbetreuung gibt es
zu wenige, sie sind zu teuer, und die
Arbeitsbedingungen der Branche und
damit die Betreuungsqualität sind zu
schlecht. Alle drei Probleme können
mit der Kita-Initiative gelöst werden.
Am besten gleich unterschreiben:
syndicom.ch/kwwx6
Agenda
August
25. 8.
Illustrator:innen-Stammtisch
Einladung zum ersten Stammtisch der
Illustrator*innen im Garten von syndicom.
Ein informeller Austausch zum
Thema «Selbständig als Illustrator:in».
18 bis 22 Uhr, Bern Monbijou.
31. 8.
Juristische Tagung des SGB
Mobile und flexible Arbeitsformen wie
Homeoffice oder Telearbeit allgemein
werfen viele juristische Fragen auf. An
der Tagung (auch für Nicht-Jurist:innen
aus der Gewerkschaft) im Hotel
Bern werden sie aktuell diskutiert.
September
10. 9.
Tag der Freien 2022
«Älter werden als Freie» ist das grosse
Thema in Zürich, Kulturhaus Helferei,
13.15–17.15 Uhr, nachher Apéro.
12.–25. 9.
comPlan-Wahl bei Swisscom
Alle bei Swisscom und cablex, denen
die Rente nicht egal ist, nehmen teil an
der Wahl zum Stiftungsrat von com-
Plan und wählen die syndicom-Liste.
Oktober
1. 10.
Journée Romande
de la Typographie
Ab 10 Uhr bei UNI Global Union in Nyon.
Mit einer Ausstellung von den schönsten
Büchern des vergangenen Jahres.
bis 23. 10.
Bilderbücher
Im Winterthurer Gewerbemuseum sind
illustrierte Bücher für Kinder und Erwachsene
zu sehen. Mit Live-Ateliers.
syndicom.ch/agenda
6 Die andere
Gertrud Hierzer leitet als Vice President HR und Mitglied der
Seite
Geschäftsführung die Personalabteilung Schweiz und Österreich
bei T-Systems Alpine. Sie ist seit 2012 im Unternehmen
und hat u. a. einen Master als Digital Engineer, einen Magister
als Wirtschaftspsychologin und ist ausgebildeter Coach.
1
Welche Chancen sehen Sie für T-Systems
Alpine für die Schweiz und
Österreich in den nächsten Jahren?
Alles wird schneller, technischer, digitaler
und muss gleichzeitig kosteneffizienter,
reibungsloser, fehlerresistenter
und performanter sein. Und
genau da sehe ich die grosse Chance:
Unsere Hauptaufgabe ist aktuell, gute
Leute zu halten, weiterzubilden und
ihnen den Freiraum zu geben, kreativ
und innovativ für unsere Kunden zu
sein. Wenn wir das alles im Blick haben,
sind wir nicht aufzuhalten.
2
Warum braucht es Gesamtarbeitsverträge
in der IT-Branche?
Der Gesamtarbeitsvertrag gibt den
Mitarbeitenden Verlässlichkeit. Gerade
in unsicheren Zeiten ist er ein Signal
sowohl ins eigene Unternehmen
als auch nach aus sen: wir gehören zusammen
– auch in weniger guten Zeiten.
Stabilität neben all den Instabilitäten
– geopolitisch, geoökonomisch,
durch den immensen Innovationsschub
– kann durchaus ein Argument
für unser Unternehmen sein. Dazu
trägt ein gut verhandelter GAV bei.
3
Inwiefern profitiert T-Systems, wenn
sich Mitarbeitende an der Weiterentwicklung
des GAV beteiligen können?
Es ist immer eine gute Idee, Mitarbeitende
an Themen zu beteiligen, die
sie unmittelbar betreffen. Nur so ist
man am Puls der Zeit und trifft die
Bedürfnisse, die es zu beachten gilt.
Ohne Beteiligung der Mitarbeitenden
ist die Wahrscheinlichkeit recht
hoch, dass das Ergebnis weder den
Erwartungen entspricht noch gut
akzeptiert wird.
4
Sie sind gleichzeitig für die Schweiz
und für Österreich zuständig. Sehen
Sie Unterschiede in den sozialpartnerschaftlichen
Kulturen?
Die gibt es schon – alleine durch die
unterschiedliche Gesetzgebung.
In Deutschland sind die Mitbestimmungsrechte
ganz anders als in Österreich
oder in der Schweiz. Ich habe
die besten Erfahrungen gemacht,
wenn die Sozialpartner sich auf das
eine gemeinsame Ziel konzentrieren,
nämlich dass sich wirtschaftlicher Erfolg
nur als gesunde Einheit einstellt.
Somit steht das für mich im Vordergrund
und weniger rechtliche oder
mentalitätsbedingte Unterschiede.
5
Was tut T-Systems, um in einer sogenannten
Männerbranche weibliche
Talente anzuziehen?
Einerseits investieren wir viel in die
Nachwuchsförderung und bekommen
durch unser ITLernendenProgramm
doch einige junge Frauen ins
Unternehmen. Diese jungen Frauen
gilt es natürlich zu fördern und zu
unterstützen, damit sie uns auch erhalten
bleiben. Wir haben Gleichstellungsprogramme
wie das Aufheben
des GenderPaymentGaps, das Zerschlagen
der «gläsernen Decke» hinsichtlich
Karrierechancen für Frauen,
und auf manche Führungspositionen
setzen wir auch Quoten.
6
Inwiefern stellt der Fachkräftemangel
in der IT-Branche für T-Systems eine
Herausforderung dar?
Wir haben in der ITBranche einen
gewissen Vorteil, da wir viele Prozesse
relativ einfach digitalisieren bzw.
automatisieren können. Natürlich
braucht es auch dafür erst einmal
Personal. Ich fürchte, die Lage wird
nicht besser – wir sind alle gehalten,
wirklich kreativ zu werden, um Mitarbeitende
zu finden, auszubilden, zu
halten. Im HR heisst es: Früher mussten
sich Mitarbeitende auf Jobs bewerben,
heute bewerben sich Unternehmen
bei den Leuten. Darauf läuft
es hinaus.
Text: Miriam Berger
Bild: zVg
Gastautorin
Leider sind Berufskrankheiten,
Arbeitsunfälle und Todesfälle bei der Arbeit immer
noch zu häufig. Nach Schätzungen der WHO
und der ILO waren von 2000 bis 2016 Berufskrankheiten
für 81 Prozent der arbeitsbedingten
Todesfälle verantwortlich. Die restlichen 19 Prozent
entfielen auf Arbeitsunfälle.
Wir wissen zwar, dass sich Geschlecht und
Gender auf die Berufe, die Arbeitsbedingungen
und die Art, wie Männer und Frauen behandelt
werden, auswirken. Weniger bekannt ist vielleicht,
dass sich das Geschlecht auch in den
Gesundheits risiken zeigt. Vielfach werden die
von Frauen ausgeführten Arbeiten fälschlich
als sicher und unkompliziert angesehen. Viele
Frauen kommen zum Beispiel bei der Arbeit
mit Chemikalien in Kontakt, trotzdem sind
geschlechts spezifische Auswirkungen der stofflichen
Exposition auf ihre Gesundheit noch kaum
untersucht. Besonders verletzlich sind auch
Personen, die mit Fristverträgen, im Schichtdienst
oder auf Abruf tätig sind oder weitgehend
ungeschützt selbständige Tätigkeiten ausüben.
Mit der Prekarität der Arbeit nehmen Gesundheitsprobleme,
Depressionen und Medikamentenabhängigkeit
zu.
Es muss dringend eingegriffen werden mit
Schutz- und Präventionsmassnahmen, die den
ständigen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt
Rechnung tragen: für die Callcenter-Agentin, die
Familie und Beruf vereinbaren muss, den Fahrer
auf Abruf oder den selbständigen Gärtner. Dank
der nationalen Frauensession setzt sich das
Parlament für die Gendermedizin ein. Dank
mehrerer parlamentarischer Vorstösse hat der
Bundesrat auch beschlossen, das ILO-Übereinkommen
190 zur Beseitigung von Gewalt und
Belästigung in der Arbeitswelt zu ratifizieren.
Können wir die psychische und physische Gesundheit
der atypischen Arbeitnehmenden besser
schützen? Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz
müssen eine nationale Priorität aller
Akteur:innen werden, angefangen bei der Politik.
Gesunde Arbeit für eine
starke Gesellschaft
Marina Carobbio ist seit 2019 Ständerätin
(SP/TI), zuvor war sie 12 Jahre lang
Nationalrätin, 2018 und 2019 als Präsidentin
des Nationalrats. Sie ist Mitglied
der Kommission für soziale Sicherheit
und Gesundheit, der Kommission für
Wissenschaft, Bildung und Kultur, der
Finanzkommission und der Schweizer
Delegation des Europarates. Ausserdem
ist sie Präsidentin oder aktives Mitglied
zahlreicher Vereinigungen in den
Be reichen Gesundheit, Soziales und
Entwicklungszusammenarbeit.
Siehe auch marinacarobbio.ch
7
Dossier
10 Der ewige Kampf um sichere und gesunde Arbeit
12 Was die ILO aus den Erfahrungen der Pandemie gemacht hat
13 Selbständige und Plattformarbeit: nicht im sozialen Netz
14 Konkrete Erfolge durch Beharrlichkeit und gute Daten: cablex
9
Gesundheit
geht vor
10 Dossier
Das Gleichnis vom Elefanten
Lange glaubte man, der Kampf um gesunde
Arbeit sei gewonnen. Irrtum: Er hat gerade
erst begonnen.
Text: Oliver Fahrni
Bild: Cécile Monnier
Wenn im November die besten Mannschaften der Welt in
Katar um die Fussball-Weltmeisterschaft spielen, sind
die Millionen-Kicker auf Friedhöfen zugange. Denn im
kleinen, reichen Emirat am arabischen Golf sind mehr
als 6500 Arbeitsmigranten aus Indien, Pakistan, Nepal,
Bangla desch und Sri Lanka zu Tode gekommen, seit die
FIFA Katar mit der Ausrichtung der WM betraut hat. Die
meisten von ihnen arbeiteten auf dem Bau der sieben
neuen Stadien und der gigantischen WM-Infrastrukturen.
Dies enthüllte eine Recherche der britischen Zeitung
«The Guardian».
Die Todesursachen wurden in der Regel als «natürlich»
vertuscht. Viele starben den Hitzetod, andere an Erschöpfung,
durch Stürze aus grosser Höhe, elektrische Schläge
oder explodierende Schweissgeräte, manche wurden
erdrückt von Lasten, Maschinen und einbrechenden Gerüsten.
Auf vielen Baustellen fehlten sogar Helme. Wo
keine Gewerkschaft für sichere Arbeitsverhältnisse sorgt,
ist Arbeit am Bau mörderisch. In der Verzweiflung über
die sklavischen Arbeitsbedingungen hat sich eine unbekannte
Zahl von Arbeitenden das Leben genommen.
Das heimliche Massensterben für den globalen Glitzer-
Anlass ruft in Erinnerung, was in europäischen Staaten
mit gut ausgebautem Arbeitsschutz gerne verdrängt wurde,
zumindest bis zur Corona-Epidemie: Am Arbeitsplatz
holt man sich oft Tod oder Krankheit.
Das Ringen um Sicherheit und Gesundheit stand am
Anfang der Gewerkschaftsbewegung und die solidarischen
Kassen der Arbeitenden gegen «Ungfehl» waren die
Vorläuferinnen aller Sozialversicherungen.
Bei guter Gesundheit von der Arbeit nach Hause zu kommen,
bleibt eine permanente Anstrengung und brandaktuell,
wie der Erfahrungsbericht von syndicom-Sekretärin
Valentina Smajli zeigt (Seite 14). Eigentlich ist sichere Arbeit
seit dem letzten Kongress der Welt-Arbeitsorganisation
ILO ein international verbrieftes Grundrecht. Doch
während wir dieses Heft produzieren, gehen gerade Tausende
von Bauarbeitenden in der Schweiz durch die Hölle
von Gluthitze und Ozon – und dies bei extrem langen Arbeitstagen.
Die Gewerkschaft Unia fordert den Baustopp
ab 35 Grad, die Konzerne sperren sich, Rentabilität geht
vor. Dabei sind die Zahlen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
SUVA eindeutig: Ab 30 Grad steigen die
Unfälle auf dem Bau wie im Transportgewerbe um 7 Prozent.
Das sind Hunderte von vermeidbaren Opfern, andere
Folgen wie etwa Hautkrebs gar noch nicht eingerechnet.
Das ist brisant, weil mit der Klimaerwärmung extreme
Wettersituationen gerade die Norm werden. Jetzt machten
die Arbeitenden per Grossdemo Druck auf die Unternehmen,
um bessere Hitze- und Schlechtwetter-Regelungen
im Bau-GAV (LMV) zu verankern.
Hitze ist nur eines von vielen Risiken. Gifte, gefährliche
Chemikalien, Nanopartikel, Staub, schwere Lasten,
Lärm, falsch eingesetzte Maschinen richten Verheerungen
an. Aber auch Stress, überlange Arbeitszeiten, Schichtund
Nachtarbeit. Und Viren. Und der Verkehr. Für 2019
weist das Bundesamt für Statistik an die 280 000 Berufsunfälle
aus. Besonders exponiert, nach den Bauarbeitenden:
Arbeitende in der Industrie, Chauffeure und Kurierinnen,
Mechanikerinnen und Mechaniker. Doch es gibt
kaum Berufe ohne starke Gesundheitsrisiken.
Zudem bilanziert die SUVA rund 3500 Fälle von Berufskrankheiten.
Diese Zahl täuscht. Manche Gesundheitsschäden,
die man bei der Arbeit erleidet, werden nicht
mitgezählt. Teilweise, weil sie offiziell nicht als Berufskrankheit
gelten. Teilweise, weil sie als unausweichlich
hingenommen werden. Etwa die Kopfschmerzen der
Uhrenarbeiterinnen, die dazu führten, dass sie morgens
ihre Pausenbrote mit Schmerzmitteln belegten («Saridon-
Sand wich»). Die Arthrosen, die Pflegepersonal und manche
Bauern gemeinsam haben. Oder die Stressfolgen und
Schlafstörungen der Busfahrerinnen und Busfahrer (wie
eine gemeinsame Studie dreier Gewerkschaften belegt,
Seite 17). Und viele weitere psychosomatische Störungen,
bis hin zu Depressionen und Burn-outs.
Gewicht auf der Brust: Die Antwort der Versicherer
Derzeit wird um die Anerkennung des Burn-outs ein erbitterter
Streit zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeber-Lobbyisten
und Versicherungen geführt. Dabei geht
es um viel: Die Absenzen wegen psychischer Probleme haben
seit 2010 um mehr als 50 Prozent zugenommen. Doch
erst wenn bestimmte Gesundheitsschäden als Berufskrankheit
offiziell anerkannt sind, können die Gewerkschaften
wirksame Vorsorge in Gesamtarbeitsverträgen
und notfalls im Gesetz durchsetzen. Arbeitgeber und Versicherungen
aber versuchen oft, eine solche Anerkennung
zu verhindern – denn dann werden auch Entschädigungen,
Versicherungsleistungen und betriebliche
Investitionen (etwa Personalaufstockungen) fällig.
Zählt eine Infektion mit Covid-19 am Arbeitsplatz als
Berufskrankheit? Sehr viele Menschen haben sich die
Gesund von
der Arbeit
nach Hause
zu kommen,
ist ein
Grundrecht.
Seuche bei der Arbeit geholt. Doch die Praxis der SUVA
und der Versicherungen zeigt, dass eine Ansteckung im
Job nicht genügt. Weitere Kriterien müssen erfüllt sein.
So muss etwa das Risiko, das Virus bei der Arbeit zu erwischen,
sehr viel höher sein als im üblichen Alltag. Was im
Einzelfall, etwa bei Pöstlern oder Expresskurieren, schwierig
nachzuweisen ist (Hintergrund dazu auf Seite 12).
Versicherungen und Arbeitgeber halten es lieber mit
dem Gleichnis vom Elefanten: Ein Politiker sieht einen
Mann am Boden. Auf dessen Brust sitzt ein Elefant. Der
Mann sagt: «Bitte helfen Sie mir, ich kann kaum noch atmen.
Sagen Sie dem Elefanten, dass er von mir runter
soll.» Darauf der Politiker: «Ich bin mir nicht sicher, dass
der Elefant das Problem ist. Vielleicht rauchen Sie zu viel.
Vermutlich ist der Elefant nur ein Vorwand, um eine
Sozial leistung zu erschleichen.»
Patrons nahmen das Raucherargument, mit dem sie
über Jahrzehnte die Staublunge kleingeredet hatten, sogar
als Ausrede beim Asbestkrebs. Asbest ist eine gigantische
Industriekatastrophe. Seit 100 Jahren kennt man die
Lungenkrankheit Asbestose. Doch der Stoff ist billig und
hat nützliche Eigenschaften. Seit 1962 weiss man, dass
seine Fasern auch einen besonders tödlichen Krebs hervorrufen.
Zehntausende sind daran gestorben. Doch die
Asbestbarone (Zementindustrie) blockierten bis 1990 ein
Verbot. Sie vertuschten, täuschten und gaben nur zu, was
schon bewiesen war. Das EU-Verbot folgte 2005. Heute
noch tötet Asbest allein in der Schweiz rund 170 Personen.
Weltweit sind es Hunderttausende. Denn seine Produktion
wurde nicht gestoppt, sondern einfach in ärmere
Länder mit laschen Arbeits- und Umweltschutzgesetzen
(und schwachen Gewerkschaften) ausgelagert.
Wie mit dem Asbest verfuhr das Kapital mit vielen
heiklen Produktionen. Als Folge der neoliberalen Globalisierung
schlagen sich jetzt vor allem die Industrie länder
in Asien und Lateinamerika mit immensen Gesundheitsproblemen
und ökologischen Katastrophen herum. Der
afrikanische Kontinent seinerseits wird gerade zur Sondermüllhalde
der Welt. Immense Herausforderungen für
die internationalen Gewerkschaften und die ILO. In 113
Lange Arbeitszeiten
sind medizinisch
mörderisch und
gesellschaftlich
tödlich
von 148 Ländern, die der Internationale Gewerkschaftsbund
ITUC jährlich untersucht, sind die Arbeitenden von
jedem gewerkschaftlichen Schutz ausgeschlossen, 87 Prozent
der Länder verletzten das Grundrecht auf Streik.
Jetzt attackiert das Kapital den erkämpften Schutz der
Arbeitenden in der reichen Welt. Seine Hebel sind Digitalisierung
und Plattformarbeit. Auch in der Schweiz steigt
der Anteil von «untypisch» Beschäftigten rasch (die Probleme
der Scheinselbständigen: Seite 13). Bereits warnt die
Arbeitsmedizin vor wahren Epidemien an Diabetes, Herzund
Kreislaufkrankheiten und Krebs, wenn die Absicht
rechter Parlamentarier:innen Erfolg haben sollte, die Arbeitszeit
zu entgrenzen. Sie wollen bis zu 67 Stunden pro
Woche arbeiten lassen, an 50 bis 60 Tagen pro Jahr 10
Stunden pro Tag. Damit stiege das Risiko für Herz- und
Hirninfarkte um die Hälfte, die Lebenserwartung würde
stark verkürzt. Zwei Jahre Erfahrung mit Homeoffice haben
uns gelehrt: Entgrenzte Arbeitszeit, digitaler Stress
und 24-Stunden-Verfügbarkeit sind medizinisch mörderisch
und gesellschaftlich tödlich. Der Kampf um die Gesundheit
am Arbeitsplatz hat erst begonnen.
12
Dossier
Lehren aus Corona und ein neues
Grundrecht für alle Arbeitenden
Covid-19 hat uns einige bittere Erkenntnisse
über den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
geliefert. Was die ILO, die einzige tripartite
Organisation der Uno (aus Regierungen, Gewerkschaften
und Arbeitgebern), aus ihnen
macht.
Text: Federico Franchini
Bild: Cécile Monnier
Die Pandemie war für uns alle sehr schwierig – umso wichtiger,
dass wir nun Erkenntnisse daraus gewinnen. Zum
Beispiel zum Thema Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz:
Wie in Zukunft die Ausbreitung neuer Viren
oder Krankheiten am Arbeitsplatz verhindert werden
kann, lässt sich mit Covid-19 besser verstehen. Die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO) hat vor kurzem Technische
Richtlinien zu biologischen Gefahren verabschiedet.
Denn mit Covid-19 sind diverse normative Lücken ans
Licht gekommen, die ausgefüllt werden müssen.
In Genf haben die Expert:innen der ILO anhand verschiedener
Studien analysiert, was während der Pandemie
geschah und welche Lehren daraus zu ziehen sind.
Eine erste Erkenntnis betrifft die Zusammenarbeit zwischen
Arbeitnehmenden, Arbeitgebern und Regierungen.
Dafne Papandrea, Autorin eines neuen Reports der ILO zu
diesem Thema, sagt: «Die Zusammenarbeit zwischen den
Akteuren der Arbeitswelt ist wesentlich, um sicherzustellen,
dass beschlossene Massnahmen von den Arbeitnehmenden
und Arbeitgebern akzeptiert und unterstützt
«Die Pandemie hat
gezeigt, wie wichtig der
Sozialschutz ist.»
Dafne Papandrea, ILO
werden. So steigen die Chancen, dass sie wirklich umgesetzt
werden.» Für die Wissenschaftlerin hat die Krise gezeigt,
wie «Massnahmen, die von oben angeordnet werden,
weniger wirksam sind als partizipative Prozesse».
In vielen Ländern hat diese Zusammenarbeit schon
zur Verabschiedung von Gesetzen beigetragen. Dazu zählen
Massnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von
Covid-19 am Arbeitsplatz sowie Vereinbarungen zum
Homeoffice. Das Homeoffice ist besonders interessant:
Von einem Tag auf den anderen arbeiteten viele von zu
Hause aus und mussten gleichzeitig den Familienalltag
meistern. Dafne Papandrea: «Auf internationaler Ebene
gibt es eine Verpflichtung, die Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz
zu schützen oder einen sicheren und gesunden
Arbeitsplatz zu gewährleisten. Aber ist das Zuhause ein
Arbeitsplatz? Als Expert:innen der ILO haben wir nicht
nur die Auswirkungen des Homeoffice auf die Gesundheit,
die Sicherheit und das Wohlbefinden beobachtet,
sondern dann auch praktische Leitlinien zum Schutz und
zur Förderung der körperlichen und geistigen Gesundheit
derjenigen, die zu Hause arbeiten, bereitgestellt.»
Ein weiterer Aspekt ist der Sozialschutz. Wie Dafne Papandrea
weiter erklärt, befanden sich alle, die während
Covid-19 in der informellen Wirtschaft oder über Plattformen
arbeiteten, in einer sehr komplizierten Lage: «Wer
krank war und in dieser Schattenwirtschaft tätig war,
konnte nicht nicht arbeiten. Ohne Sozialschutz hätte er
oder sie nichts verdient. Dies trug zur Ausbreitung des
Virus bei und gefährdete die Arbeitnehmenden selbst und
die Gesellschaft insgesamt. Die Pandemie hat also gezeigt,
wie wichtig der Sozialschutz und seine Ausweitung
auch auf die Plattformarbeitenden ist.»
Der Prozess hin zu besseren Gesundheits- und Sicherheitsgarantien
am Arbeitsplatz auf internationaler Ebene
hat derweil einen Schritt nach vorne getan. Vor kurzem
hat die Internationale Arbeitskonferenz das Recht auf
eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung in die fundamentalen
Prinzipien und Rechte der Internationalen Arbeitsorganisation
aufgenommen. Damit verpflichten sich
alle Mitgliedsländer der ILO, das grundlegende Recht auf
sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu achten und
zu fördern, unabhängig davon, ob sie die Vereinbarungen
selber ratifiziert haben oder nicht.
Dossier
Selbständig, enthusiastisch,
aber im Notfall ohne Schutz
13
Die Gesundheitsgefahren in der Selbständigkeit
und in der Plattformarbeit zeigen sich
exemplarisch am Burn-out. Es ist nicht einmal
als Berufskrankheit anerkannt.
Text: Mattia Lento
Bilder: Cécile Monnier
1956 eröffnet der junge Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger,
ein deutscher Jude, der dem Nationalsozialismus
entkommen war, in New York eine eigene Praxis. Er
ist glücklich, und er beginnt pausenlos zu arbeiten.
Abends engagiert er sich freiwillig und hilft jungen Menschen,
von Drogen wegzukommen. Freudenberger, der
auch verheiratet und Vater dreier Söhne ist, hat wahrscheinlich
sehr viel Energie und eine grosse Leidenschaft
für seine Arbeit, aber nach einigen Jahren zerbricht etwas
in ihm. Er fühlt sich erschöpft, ausgelaugt, resigniert und
unausgeglichen. Nach einiger Zeit verfällt er in einen Zustand
völliger physischer und psychischer Erschöpfung.
Er beginnt, mit Kollegen darüber zu sprechen und Artikel
zu schreiben. Zur Beschreibung seines Zustands benutzt
er 1974 erstmals den Begriff «Burn-out», der zuvor im
Sport verwendet und dann in der Psychologie und Arbeitsmedizin
populär wurde.
Selbständige Erwerbsarbeit heisst oft Prekarität
Freudenberger war nicht nur ein genauer Beobachter und
begabter Wissenschaftler, sondern auch Freiberufler. Er
war zwar hochqualifiziert, beruflich gut situiert und wahrscheinlich
ohne grosse Geldsorgen. Dennoch blieb er ein
selbständig Erwerbstätiger, dem es aus dem einen oder
anderen Grund nicht gelang, Arbeitsbelastung und verfügbare
Energie im Gleichgewicht zu halten.
Die selbständige Erwerbsarbeit ist explosionsartig angestiegen.
Wie der Ökonom und Philosoph Christian Marazzi
wiederholt geschrieben hat, ist das ein Produkt des
spätkapitalistischen Systems. Die Free lancer:innen von
heute laufen Gefahr, aufgrund eines in stabilen Wirtschafts-
und Sozialsystems, das wenig Schutz bietet, krank
zu werden. Eine freiberufliche Tätigkeit ist nicht immer
freiwillig, und sie ist oft gleichbedeutend mit Prekarität.
Francesco Giudici und Davide Morselli haben in einer
neuen Studie mit Daten aus dem Schweizer Haushalts-
Panel der letzten zwanzig Jahre gezeigt, wie Prekarität eng
mit psychischem Unwohlsein, vor allem Depression, zusammenhängt.
Einer Krankheit, die häufig mit einem
Burn-out einhergeht. Für die Arbeitnehmenden der Gig-
Economy – die zwar keine Freelancer:innen sind, aber als
solche behandelt werden – ist die Lage nicht besser. Sie
sind nicht nur äusserst prekär beschäftigt, sondern auch
sozialer Isolation und der Überwachung durch Algorithmen
ausgesetzt. Häufig leiden sie unter einem Mangel an
beruflicher Identität und beruflichen Aussichten. Dies
macht sie anfällig für Depressionen, Angststörungen,
Schlafprobleme und Burn-out. Erst in einigen Jahren werden
wir das Ausmass der Schäden, die mit der Plattformarbeit
einhergehen, quantitativ erfassen können.
Das Arbeitsrecht ist nicht auf der Höhe der Zeit
Das Schweizer Arbeitsrecht ist auf diese Herausforderungen
nicht vorbereitet. Das geginnt damit, dass «Burn-out»
auch weiterhin keine Krankheitsdiagnose, sondern als
Berufsphänomen definiert ist, das aber «multifaktorielle»
Ursachen hat. Damit fällt es im Gegensatz zu anderen europäischen
Ländern nicht unter die Berufskrankheiten.
Anja Zyska Cherix, Chefärztin Arbeitsmedizin bei der
SUVA, erklärt, dass «psychische Krankheiten (z. B. Depression)
in der Schweiz dann als Berufskrankheiten gelten
können, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
auf die Arbeit als Hauptursache zurückgeführt werden
können». Die Einstufung von Burn-out als Krankheit hätte
vor allem Folgen für die Krankenkassen.
Die Versicherungsfrage allgemein ist auch ein brisantes
Thema für Plattform-Arbeitnehmende und Selbständige.
Erstere müssen endlich als Angestellte behandelt
werden, wie das Bundesgericht für die Uber-Fahrer:innen
entschieden hat. Für Letztere ist es wichtig, dass sie sich
gegen Erwerbs ausfälle wegen Krankheit und Unfall versichern.
Hier und heute noch ein teurer Schutz, den sich leider
nicht alle leisten können.
14
Dossier
«Erkenntnisse aus meiner Diplomarbeit
fliessen jetzt in den GAV cablex ein»
Ein Beispiel sozialpartnerschaftlicher Zusammenarbeit
von Gewerkschaft und Unternehmen
– für den Gesundheitsschutz bei cablex.
Text: Valentina Smajli,
eidg. dipl. Gewerkschaftssekretärin
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) sollte für
jede Firma eine Selbstverständlichkeit sein – denn es
zahlt sich doppelt aus. Ökonomisch liegen die Vorteile auf
der Hand: krankheitsbedingte Abwesenheiten sind teuer!
3 Prozent der Lohnkosten (Faustregel) werden direkt für
krankheits- und unfallbedingte Absenzen aufgewendet.
Aber das ist nicht alles: Bei Ausfällen muss die Arbeitgeberin
die liegengebliebene Arbeit auf die verbleibende Belegschaft
verteilen, was das Risiko von weiterer Überlastung
und stressbedingten Krankheiten oder Unfällen
erhöht. Ein Teufelskreis.
Investitionen in sinnvolle Prävention sind nicht nur
arbeitnehmerfreundlich, sie schonen auch die knappen
personellen und finanziellen Ressourcen des Unternehmens
und erhöhen die Reputation und Attraktivität der
Firma. Deshalb sollte betriebliches Gesundheitsmanagement
auch aus Arbeitgebersicht eine Selbstverständlichkeit
sein, auch wenn es noch nicht überall der Fall ist. Dafür
setze ich mich ein!
Von Baustellenbesuchen zur Diplomarbeit
Während meinen Besuchen auf den cablex-Baustellen
habe ich erlebt, wie anstrengend die Arbeit der Kabelzugmitarbeiter
ist und wie stark sie Körper und Gesundheit
strapaziert. Vor Ort wurde ich informiert, dass die Folgen
davon überdurchschnittlich hohe krankheits- oder unfallbedingte
Absenzen sind. Als Arbeitnehmervertreterin
und als Spross einer Arbeiterfamilie hat mich diese Situation
betroffen gemacht und mich dazu bewogen, meine
Diplomarbeit diesem Thema zu widmen. Ziel meiner Diplomarbeit
war es, einen Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen
Situation der Tiefbau- und Kabelzugmitarbeitenden
zu leisten.
Denn: Die Gesundheit der Arbeiter ist ein zentrales Anliegen
der Gewerkschaft! Und es ist im Interesse der Sozialpartner,
Gesundheitsrisiken zu erkennen und in der
Folge zu minimieren.
Gemäss Arbeitsgesetz ist es Pflicht des Arbeitgebers,
die Gesundheit seiner Mitarbeitenden zu schützen. Und
Aufgabe der Gewerkschaft ist, das Einhalten des Arbeitsgesetzes
zu überprüfen und bei Bedarf zu intervenieren.
Die Frage, wie sich die krankheits- und unfallbedingten
Absenzen bei den Tiefbau- und Kabelzugmitarbeitenden
reduzieren lassen, ist somit sowohl für cablex selbst als
auch für die Gewerkschaft essenziell.
Zehn Handlungsfelder für cablex
Ziel meiner Diplomarbeit war es, einen Ideenkatalog für
Massnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen
Situation der Kabelzugmitarbeiter zu erstellen. Mittels
Interviews, Umfragen und Analysen habe ich die Bedürfnisse
der Mitarbeitenden bezüglich ihrer Gesundheit
untersucht und zusammengetragen. Der Umgang mit
Gesund heits- bzw. Krankheits- und Unfalldaten ist für
Unter nehmen heikel, verbunden mit Risiken des Datenschutzes
und des Imageschadens. Die Diplomarbeit führte
deshalb unweigerlich sowohl innerhalb von cablex als
auch der Gewerkschaft zu willkommenen, klärenden Diskussionen.
Nur dank des bereits geschaffenen Vertrauens
und der Kooperationsbereitschaft der Entscheidungsträger
und der Kabelzug- und Tiefbaukollegen ist es mir gelungen,
den Ideenkatalog und darauf aufbauend ein
10-Punkte-Handlungsfelder-Programm für die cablex zu
erstellen.
Dieses konnte ich den Entscheidungsträgern vorstellen
und ihnen die damit verbundenen Erwartungen für
ein wirkungsvolles und umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement
kommunizieren: eine Kombination
aus verhaltens- und verhältnisorientierten Massnahmen.
Für eine soziale und zukunftsgerichtete Firma wie
cablex liegen der gesundheitliche und ökonomische Nutzen
eines systematischen BGM auf der Hand. Themen
rund um psychische Gesundheit und Stress werden an Bedeutung
gewinnen und sollten fokussiert angegangen
werden.
Fotostrecke
Um die Gesundheit zu beschreiben, die es zu schützen und
zu erhalten gilt, nahm die Fotografin und Künstlerin Cécile
Monnier das symbolische Bild eines Blumenstrausses, der
verwelkt und vergeht. Aber auch das Bild selbst wird angegriffen,
zerknittert, zerrissen.
Cécile Monnier ist seit 2016 selbständige Fotografin und
unterrichtet an der Eracom in Lausanne und der HEAD in
Genf. Sie hat ihre Werke in mehreren Gruppenausstellungen
in Arles, Vevey, Basel und Zürich gezeigt.
2020 gewann sie den VFG-Preis und letztes Jahr den Prix
Enquête photographique fribourgeoise. Seit 2019 ist sie im
Vorstand von standard/deluxe, einem unabhängigen
Kunstraum in Lausanne.
cecilemonnier.com
Gesundheit und Sicherheit
am Arbeitsplatz in Zahlen,
im In- und Ausland
Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sind wesentliche Bestandteile einer
würdigen Arbeit. Die physischen und psychischen Anforderungen des Arbeitsplatzes
bestimmen in hohem Masse das Wohlergehen der Arbeitnehmenden. Arbeitsunfälle
verursachen erhebliche menschliche, soziale und wirtschaftliche Kosten,
die wir beseitigen sollten, indem wir für sichere Arbeitsplätze für alle sorgen.
Stress am Arbeitsplatz in der EU: Noch ein langer Weg
88%
620 Mrd.
Ein grosser Teil der Arbeitnehmenden in der EU kennt Probleme mit
Stress bei der Arbeit. In der Schweiz ist es ähnlich (siehe unten).
Der Betrag, den die europäische Wirtschaft jährlich
allein wegen arbeitsbedingter Depression einbüsst.
Die Erschöpfung von Arbeitnehmenden
in der Schweiz wächst
Anteil der erwerbstätigen Personen mit
emotionaler Erschöpfung (ziemlich und sehr
erschöpft)
24,0 %
25,4 %
28,7 %
60%
Nicht weniger als 60% aller verlorenen Arbeitstage
sind auf arbeitsbedingten Stress und psychosoziale
Risiken zurückzuführen.
2014
2016
2020
Quelle: EndStress.EU
Quelle: Gesundheitsförderung Schweiz
Diskriminierung im Unternehmen
ist weit verbreitet
Gemäss der jüngsten Studie des BFS erlebt
jede fünfte Frau Diskriminierung oder Gewalt
am Arbeitsplatz.
21,1 %
der Frauen erfahren
Diskriminierung oder
Gewalt bei der Arbeit.
Bei den Männern sind
es 17,5%.
Stress betrifft Millionen von Beschäftigten in der Schweiz
Seit 2014 ermittelt Gesundheitsförderung Schweiz regelmässig Kennzahlen zu arbeitsbedingtem
Stress und zu dessen Zusammenhängen mit Gesundheit und Produktivität von
Erwerbstätigen in der Schweiz. Die Resultate der letzten Erhebung 2020 sind alarmierend.
Vorteilhafter Bereich:
Bei diesen Personen überwiegen die
Ressourcen die Belastungen
Sensibler Bereich:
Bei diesen Personen sind die Ressourcen
und die Belastungen ungefähr ausgeglichen.
Kritischer Bereich:
Diese Personen haben mehr Belastungen
als Ressourcen.
29,6%
45,5%
Insgesamt
5,1 Millionen
Erwerbstätige*
24,9%
Quelle: BFS
Quelle: Gesundheitsförderung CH
*Quelle Anzahl erwerbstätige Personen: BFS Q1/2020
Arbeitsunfälle sind überall auf der Welt häufig
3003
7,5
Mexiko
Arbeitsunfälle
pro 100 000
Arbeitnehmende
jährlich (gemäss
neuesten verfügbaren
Daten)
nicht tödlich
tödlich
900
5,3
USA
3142
3,1
Chile
5200
0,5
Holland
3160
760
2,6
0,8
UK
Frankreich
1811
1,0
Deutschland
10,7
670
Ägypten
1904
1,3
Schweiz
1,2 965
Israel
899
1,6
Australien
208
2,0
Japan
Über 300 Millionen
Arbeitnehmende in
142 Ländern erklärten,
dass sie ihrem
Arbeitgeber Sicherheitsprobleme
nicht
melden könnten,
ohne Strafen zu
riskieren.
Quelle: ILOSTAT
16
Eine bessere
Arbeitswelt
Corona und die Frauen:
zwei Schritte zurück
Die staatlichen Massnahmen konnten Arbeitsplätze erhalten,
gleichzeitig wurden bestehende Geschlechterungleichheiten
verstärkt. Zu dem Schluss kommt eine Studie des Büros BASS.
Die Studie des Büros für arbeits- und
sozialpolitische Studien, BASS, Ende
Mai erschienen, untersuchte im Auftrag
der Eidgenössischen Kommission
für Frauenfragen die Effekte der
Covid-19-Krise auf die geschlechtsspezifische
Beschäftigung und das
Einkommen. Ein Ergebnis: Massnahmen
wie Kita- und Schulschliessungen
oder Homeoffice-Pflicht hatten
bei uns ähnliche Auswirkungen auf
Frauen und Männer wie in anderen
Ländern: sie verstärkten die traditionelle
Arbeitsteilung. Frauen übernahmen
gerade im der ersten Lockdown
nicht nur das Gros der zusätzlichen
Betreuungs arbeit, sie reduzierten ihre
Erwerbs arbeit auch stärker als Männer.
Gemäss Studie spitzte sich die
Lage für Haushalte mit tiefem Einkommen
zu. Sie hatten mit Verlusten
zu kämpfen. Betroffen waren besonders
viele Mütter, Alleinerziehende
und niedrig qualifizierte Frauen.
Demnach leben überdurchschnittlich
viele Frauen in armen Haushalten.
Als im Januar 2021 die Erwerbslosenquote
für beide Geschlechter einen
Höchststand erreichte, war der Unterschied
zwischen den Geschlechtern
am grössten.
Auch werden grosse Unterschiede
innerhalb der verschiedenen Gruppen
von Frauen festgestellt. Vor allem
Frauen mit tiefen Einkommen, unsicherem
Aufenthaltsstatus, Migrationshintergrund
oder kleinen Teilzeitpensen
gehörten zu den Verliererinnen
der Krise. Einerseits Frauen im Gastgewerbe,
vermutlich wegen der unregelmässigen
und häufig pro Stunde
bezahlten Arbeitsverhältnisse, die als
Erstes wegfielen. Andererseits die Beschäftigten
in Privathaushalten, die
von den Covid-Hilfen ganz ausgeschlossen
waren. Diese seien nicht
unterstützt, sondern einfach an die
Arbeitslosenversicherung verwiesen
worden, konstatiert BASS. Zudem waren
Selbständige, die ein festgelegtes
Mindesteinkommen nicht erreichten,
von Covid-Hilfen ausgenommen.
Wegen der Datenlage konnte die
Studie nicht auf die Geschlechterverteilung
der Kurzarbeitsentschädigungen
eingehen: man wisse nicht, wie
viel Geld Frauen und wie viel Männer
erhalten haben. Dies erschwere auch,
entsprechende Massnahmen in der
Zukunft zu ergreifen.
Zu den Erkenntnissen und Empfehlungen
der Kommission für Frauenfragen
gehören im Rückschluss darum
eine geschlechterbezogene Datenerhebung
und -auswertung, eine bessere
Unter stützung der Verliererinnen,
bessere Kinderbetreuung wie
Kitas oder Tagesschulen, damit Frauen
in höheren Pensen berufstätig sein
könnten.
Zentral sind überdies generell ein
besserer Lohnschutz und Rahmenbedingungen
für Homeoffice. Alles
Forderungen für faire Arbeitsbedingungen
und Gleichberechtigung, die
syndicom immer wieder formuliert
hat.
Patrizia Mordini
Zur Studie des Büros BASS
Frauen, die die Last der Betreuungsarbeit tragen, sind durch die Covid-Krise zurückgeworfen worden, so eine Studie des Büros BASS. (© Keystone-SDA)
«Der finanzielle Druck auf den öffentlichen Verkehr
wird an die Angestellten weitergeleitet.» Manuel Wyss
17
Arbeitsplatz Bus – Wie gut
geht es den Fahrer:innen?
Erstmals arbeiten drei Schwestergewerkschaften Hand in Hand,
um den Gesundheitszustand der Busfahrer:innen in der Schweiz
zu erheben.
Stress im Strassenverkehr, Verantwortung
für Menschenleben, anspruchsvolle
Arbeitszeiten: Die Busfahrerin
und der Busfahrer sind ständig hohen
Belastungen ausgesetzt. 2010 und
2018 hatte die Gewerkschaft SEV bereits
zwei Umfragen zur Gesundheit
der Busfahrer:innen durchgeführt.
Dieses Jahr arbeiten erstmals alle drei
SGB-Gewerkschaften des öffentlichen
Bessere Planung, weniger Stress
syndicom ist bei PostAuto auf dem
richtigen Weg, wie die Studie unterstreicht:
gerade die Einsatzplanung
wurde mit dem neuen GAV verbessert.
Mit den Vertrauensleuten und
den PeKos ist syndicom für einen
korrekten Vollzug der Jahresplanung
besorgt, auch die Monats- und
Kurzfristplanung sowie die neue
Möglichkeit zur Sperrung von Diensten
oder ganzen Tagen stehen unter
Beobachtung. Die Bedeutung von
Kontrollen zur Durchsetzung von
AZG und GAV geht aus der Studie
deutlich hervor. Auch die ergonomischen
Aspekte wird die Gewerkschaft
nicht ausser Acht lassen.
Verkehrs für eine dritte, erweiterte
Studie im Busbereich zusammen:
SEV, syndicom und VPOD. Das vergrössert
den Kreis der Befragten deutlich:
Im Frühjahr 22 wurden 4000
Chauffeur:innen angeschrieben, über
900 nahmen an der Befragung teil, davon
187 allein bei PostAuto.
Ein Novum ist auch die Auswertung
der Studie im Zentrum für öffentliche
Gesundheit der Uni Lausanne,
Unisanté. Die Resultate sind schwerwiegend:
Jede und jeder Zweite berichtet
über anhaltende Schmerzen in
Schulter oder Nacken (57 %), Rückenschmerzen
(50 %) und erhöhte Müdigkeit
(50 %). Mehr als ein Drittel leiden
unter Schlafstörungen (43 %), Stress
(42 %), Reizbarkeit (36 %) und Kopfschmerzen
(33 %). Einige Störungen
sind nach Dienstaltern unterschiedlich
ausgeprägt, ebenfalls werden klare
Unterschiede zwischen Männern
und Frauen sichtbar.
Im Ergonomie-Teil wurde darum
gebeten, die Bedeutung einzelner Elemente
der Arbeitsumgebung Bus einzustufen.
Der Fahrersitz ist klar das
wichtigste Element. Es folgen Einstellung
und Anordnung der Bedienelemente
sowie die Klimaanlage.
Die Gesundheit des Fahrpersonals wurde unter
die Lupe genommen. (© Keystone-SDA)
Die Studie gibt auch Einblick in die
Wahrnehmung der Fahrer:innen zum
Umgang mit der Coronakrise. Über
40 % der Busfahrer:innen erfuhren im
Jahr 2021 Auswirkungen der Pandemie
auf ihre Arbeit und ihre Gesundheit,
sei es durch Verkürzungen ihrer
Ruhephase oder kurzfristiges Einspringen
für Kolleg:innen. Der Umgang
des Arbeitgebers mit der Gesundheitskrise
insgesamt wurde nur
mit «genügend» bewertet.
Die grossen Gesundheitsprobleme
zeigen, dass der Finanzierungsdruck
auf den öffentlichen Verkehr als Druck
auf die Arbeitnehmenden weitergegeben
wird. Umso wichtiger, dass Unisanté
jetzt noch eine langfristige Kohortenstudie
plant, unterstützt von
allen drei Schwestergewerkschaften.
Manuel Wyss
Mehr Resultate aus der Studie:
dem QR-Code folgen
GAV-Verhandlungen bei
cablex aufgegleist
Teresa Dos Santos Lima-Matteo,
Zentralsekretärin Sektor ICT
syndicom hat die cablex-Angestellten
zu den bevorstehenden GAV-Verhandlungen
befragt. Der aktuelle GAV ist
bis Ende 2022 gültig. Im Mai und Juni
machten die Regionalsekretär:innen
in der ganzen Schweiz Infoversammlungen.
Einerseits wurden die Resultate
der Umfrage präsentiert, aber es
war dies auch eine gute Gelegenheit,
die Arbeitnehmenden nach der Pandemie
persönlich zu treffen, um zu
schauen, wo der Schuh drückt.
Die Hauptforderungen für den
GAV sind: mehr bezahlte Reisezeit,
Lohntransparenz, mehr Ferien und
längerer Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub.
Eine wichtige Forderung ist auch
die Weiterentwicklung der Frührente.
Ein dringliches Thema, denn viele
leisten harte körperliche Arbeit und
sind jedem Wetter ausgesetzt. Sie machen
es überhaupt möglich, dass wir
alle eine Internetverbindung haben:
Sie bauen Telekommunikationsnetze,
Stromleitungen und Fahrleitungen
und halten sie instand.
Ein Anliegen ist ebenfalls die Weiterentwicklung
der Aus- und Weiterbildung
für alle Alterskategorien. Damit
sollten die Arbeitnehmenden bei
cablex auf offene Ohren stossen, denn
in der Netzinfrastruktur herrscht ein
akuter Fachkräftemangel.
Anlässlich einer Firmenvorstandssitzung
sowie der anschliessenden
Firmenkonferenz am 27. Juni wurden
die Forderungen nochmals detailliert
besprochen und validiert. Nun wird
der Forderungskatalog an cablex übermittelt.
Die GAV-Verhandlungen sollen
im Herbst 2022 starten.
18 Arbeitswelt
«Nun sind Lösungen auf der Grundlage der
Sozialpartnerschaft erforderlich.» syndicom
Die PostCom zielt an der Realität
vorbei
Die Postregulierungsbehörde schickt einen Mindestlohn von
19 Franken in die Vernehmlassung. Das unterbietet noch den
tiefsten Mindestlohn der Schweiz. Gerade in der Sortierung und
Zustellung von Briefen und Paketen sind solche Löhne unhaltbar.
Die PostCom fixiert die Mindestnormen der Arbeit in der Postbranche. (© Keystone-SDA)
Die PostCom hat die Aufgabe, die Mindeststandards
der Arbeitsbedingungen
der Postdienste festzulegen. Diese
Mindeststandards sollen verhindern,
dass der im Postsektor erwünschte
Wettbewerb auf Kosten der Löhne und
Arbeitsbedingungen stattfindet. Um
diesen Auftrag zu erfüllen, ist es notwendig,
dass sich die PostCom an der
Realität orientiert.
Doch mit ihrem neuesten Vorschlag,
den Mindestlohn bei 19 Franken
festzulegen, kommt die Behörde
ihrem Auftrag nicht nach. Der tiefste
Schweizer Mindestlohn gilt ab 2023
im Tessin – er liegt bei Fr. 19.50. Die
PostCom verkennt mit ihren 19 Franken
nicht nur diese Realität: 19 Franken
sind auch weit entfernt von den
effek tiven Löhnen in der Paket- und
Briefzustellung. syndicom erwartet,
dass nach der Vernehmlassung massiv
nachgebessert wird.
Es braucht eine Differenzierung
nach Berufsgruppen
Wichtig ist zudem, dass auch zwischen
den verschiedenen Berufsgruppen
unterschieden wird. Die Tätigkeiten
in der Zustelllogistik lassen sich
nicht alle über einen Kamm scheren.
Arbeitgeber- und Arbeitnehmer:innenvertretung
in der Expertengruppe waren
sich einig, dass die Mindestlöhne
nach Berufsgruppen segmentiert werden
müssen. Unverständlich, dass die
Behörde diesen Konsens nicht in die
Gesetzesrevision hat einfliessen lassen.
Es wird offensichtlich, dass es
nun sozialpartnerschaftliche Lösungen
braucht. Die Zustellbranche verhandelt
zurzeit einen Gesamtarbeitsvertrag,
in dem solche Fragen
beantwortet werden müssen. syndicom
wird die Erwartungen und Ansichten
der Angestellten in die nun
lancierte Debatte einbringen.
(syndicom)
Warum ist Menü-
Ausfahren eine
Postdienstleistung?
David Roth, Zentralsekretär Sektor Logistik
Zuerst die trockenen Fakten: Eine Firma,
die mehrheitlich Lieferdienste für
Dritte erbringt, ist eine Logistikfirma.
Sofern diese Firma Briefe oder Pakete
zustellt, fällt sie unter das Postgesetz.
Die staatseigene Post CH AG genauso
wie alle privaten Lieferdienste.
Gemäss dem Postgesetz sind Pakete
mehr als 2 Zentimeter dick und bis
zu 30 Kilo schwer. Ob im Paket Kleider,
Kosmetikartikel oder Esswaren
transportiert werden, ist egal. Auch ob
die Esswaren gekocht oder roh sind,
macht keinen Unterschied. Das Postgesetz
gilt somit auch für Fooddelivery,
also Mahlzeiten-Lieferdienste.
Das ist wichtig, weil Fooddelivery
oft der Einstieg in Logistik im weiteren
Sinne ist. Mit Lieferungen für
Restaurants wird eine hohe Menge generiert,
aber wenig Marge erzielt. Deshalb
ist der nächste logische Schritt
dieser Firmen, in die Zustellung von
Produkten mit höheren Margen einzusteigen.
Auch No time und Smood haben
diesen Schritt bereits vollzogen.
Damit geraten Essenskuriere zunehmend
in Konkurrenz mit herkömmlichen
Postdienstleistern.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
syndicom hat das früh realisiert und
deshalb im GAV Velokurier eine Kategorie
Foodkurier:innen eingefügt.
Diese Unterstellung unter einen Gesamtarbeitsvertrag
von syndicom hat
für die Kurier:innen erhebliche Vorteile.
Während die Angestellten von
Restaurants auch für nur wenige
Minuten beschäftigt werden können,
garantieren alle syndicom-GAV eine
Mindesteinsatzdauer von 2 bis 3 Stunden.
Die Löhne sind in den meisten
Fällen ebenfalls höher.
Seit 2018 hat syndicom auch bei
Smood auf bessere Arbeitsbedingungen
gepocht und konnte im Mai 2022
den GAV abschliessen. Damit konnte
ein weiterer Mosaikstein in der Regulierung
der Zustellbranche gelegt
werden.
«syndicom ruft die Mitglieder auf, sich bei ProLitteris zu
registrieren und ihre Rechte geltend zu machen.» Melina Schröter
19
Journalistinnen,
Fotografen, Grafikerinnen:
Holt eure Tantiemen ab!
Die Verwertungsgesellschaft ProLitteris zieht Vergütungen für
die Urheberrechte an journalistischen Erzeugnissen ein und
verteilt sie an ihre Mitglieder. Aber dazu müssen die Werke auch
gemeldet werden.
Verleihung des ProLitteris-Preises an Ekaterina Glikman und Federico Franchini. (© ProLitteris, Philip Kübler)
In der Hektik des Alltags gehört dies
zu den Dingen, die Medienschaffenden
nicht bekannt sind, die sie vergessen
oder die sie jedes Jahr wieder verpassen.
Aber jedes journalistische
Erzeugnis, Text oder Bild, kann an
ProLitteris gemeldet werden, damit
Vergütungen für die Urheberrechte
ausbezahlt werden können. Jedes
Werk kann registriert werden, gedruckt
oder digital. Die Urheber:innen
können angestellt oder freischaffend
sein. Die Vergütung wird durch
die Tarife bestimmt, die mit den Nutzerverbänden
(Schulen, Bibliotheken,
Verwaltungen, Unternehmen) verhandelt
und von der Eidg. Schiedskommission
genehmigt werden.
Bei der Registrierung wird aber je
nach Form des journalistischen Werks
unterschiedlich vorgegangen. Printtexte
oder -bilder werden von den
Urheber:innen direkt bei ProLitteris
gemeldet. Bei online publizierten
Werken muss der Verlag ProLitteris
die Zugriffszahlen mitteilen. Medienschaffende,
die für Online-Medien tätig
sind, müssen deshalb sicherstellen,
dass ihr Arbeitgeber Mitglied der
ProLitteris ist, Zählmarken eingebaut
hat und die Daten übermittelt.
syndicom ruft ihre Mitglieder auf,
sich bei ProLitteris zu registrieren und
ihre Urheberrechte geltend zu machen.
Daneben haben Mitglieder von
ProLitteris auch die Möglichkeit, bei
Krankheit, Unfall oder einschneidenden
Veränderungen der beruflichen
Situation um Nothilfe bei der Fürsorge-Stiftung
zu ersuchen.
Ausserdem verleiht ProLitteris jedes
Jahr einen Preis für herausragende
Leistungen. 2022 wurde die in der
Schweiz lebende russische Journalistin
Ekaterina Glikman, stellvertretende
Redakteurin der Nowaja Gaseta
Europa, mit dem Hauptpreis ausgezeichnet.
Ihr oblag es, den Gewinner
des Förderpreises zu bestimmen. syndicom
ist besonders stolz, dass die
Wahl auf Federico Franchini, Tessiner
Journalist und Mitglied des Branchenvorstands
Presse, gefallen ist.
Melina Schröter
QR-Code führt direkt zu
ProLitteris!
Mehr Respekt bitte
bei Keystone-SDA
Stephanie Vonarburg,
Leiterin Sektor Medien und
Vizepräsidentin syndicom
Bei der Agentur Keystone-SDA liegt
wieder einiges im Argen. Die Unternehmensleitung
leistet sich grobe
Mängel im Umgang mit dem Personal.
Aufgebrochen ist der Streit über dem
neuen Personalreglement: Mehr als
50 Mitarbeitende verlieren im Durchschnitt
über 5 Ferien- und Kompensationstage,
den Dienstälteren werden
die Kündigungsfristen verkürzt, die
Meldepflicht für nebenberufliche Tätigkeiten
und ehrenamtliches Engagement
wird verschärft.
Die Personalkommission und die
Mitarbeitenden, welche die Verschlechterungen
und das Vorgehen
kritisierten, werden unter Druck gesetzt.
Die neuen Verträge wurden
vordergründig «einvernehmlich», faktisch
jedoch unter Androhung von
Änderungskündigungen durchgesetzt.
Der Unmut brodelt auch aus
anderen Gründen weiter. Seit Jahrzehnten
stagnieren die Löhne, viele
ehemalige Keystone-Leute sind seit
der Fusion vor 4 Jahren zu tief eingestuft,
die interne Kommunikation ist
intransparent und stiftet Unruhe.
syndicom unterstützt die Belegschaft
und ihre engagierte Peko in ihren
Forderungen: Umgang auf Augenhöhe,
Teuerungsausgleich und Lohnperspektiven.
Medienunternehmen,
die ihr Personal geringschätzen, sind
auf dem Holzweg. Keystone-SDA erbringt
einen Teil des medialen Service
public, darum bekommt das Unternehmen
4 Millionen Bundes-Subventionen.
Das verpflichtet zu einer besseren
Unternehmensführung!
20 Arbeitswelt
«Wären wir geeint, hätten die Verlage nicht die Oberhand.
Es gäbe keine anderen, die es billiger machen.» Marco Cagnotti
Was ist meine Arbeit wert?
Ein freier Journalist kritisiert den Tarifwettlauf nach unten.
Handlungsbedarf bei den Freien-Tarifen: Ohne GAV hängt alles an der eigenen Chuzpe. (© Keystone-SDA)
Ein Schreiner. Ein Wirt. Ein Architekt.
Eine freie Journalistin. Was haben sie
gemeinsam? Alle sind Freiberufler.
Was haben sie nicht gemeinsam? Den
Entscheid über den Wert ihrer Arbeit.
Die ersten drei treffen diesen Entscheid
selbst. Einige orientieren sich
dabei an den Tarifen ihrer Berufsgruppe.
Andere legen den Preis ihrer Leistungen
selbst fest. Die Vierte kann
nicht mitreden: Der Preis eines Artikels
oder eines Radiobeitrags wird
vom Kunden, d. h. vom Verlag, definiert.
Wie wenn du im Restaurant entscheiden
würdest, dass die Spaghetti,
das Tiramisù und der Wein 11 Franken
wert sind. Und der Wirt würde
nichts sagen: Das ist dein Preis, den er
akzeptieren muss. Absurd? Das ist es.
Doch im Journalismus funktioniert es
so: Es ist immer der Verlag, der
entscheidet, wie viel ein Externer verdient.
Gibt es Spielraum? Nein. Friss
oder stirb. Es gilt: «Draussen stehen
sie Schlange. Wenn es dir nicht passt,
finden wir jemand anderen.» Was tust
du? Wenn du arbeiten musst, machst
du gute Miene zum bösen Spiel.
Ich habe von 1998 bis 2012 für den
Corriere del Ticino gearbeitet. Ich betreute
den Wissenschaftsteil. Zu Beginn
erhielt ich für jede Seite – Artikel
und redaktionelle Bearbeitung – 550
Franken. Dann nahm die Leserzahl
ab, es gab weniger Werbung und unsere
Tarife wurden gekürzt. Schliesslich
wurden für eine Seite noch 250 Franken
bezahlt. Die Arbeit war dieselbe,
die Lebenshaltungskosten waren gestiegen.
Aber: Friss oder stirb. Wie hätten
wohl festangestellte Kolleg:innen
reagiert, wenn man ihnen gesagt hätte:
«Nichts zu machen. Ab nächsten
Monat 50 Prozent weniger Lohn.»
Aber wir sind auch schuld. Ohne
Gesamtarbeitsvertrag und ohne Mindesttarife
akzeptieren wir, was man
uns bietet. Wären wir geeinter, hätten
die Verleger nicht die Oberhand, denn
draussen gäbe es keine Warteschlange.
Doch es finden sich immer einige
junge Menschen, die bereit sind, für
wenig Geld zu arbeiten, um sich einen
Namen zu machen.
Ich jedoch nicht. Ich habe genug
Erfahrung. Ich weiss, dass ich in meinem
Job gut bin. Ich muss mir keinen
Namen mehr machen. Ich habe auch
nicht mehr den Drang, immer jeden
Auftrag zu übernehmen. Ausserdem –
ich bin privilegiert, ja – habe ich eine
andere Arbeit, um würdig leben zu
können. Und es reicht nun auch.
Über den Wert meiner Arbeit entscheide
ich jetzt selbst. Mein Tarif beträgt
180 Franken pro Stunde. Scheint
dir das viel? Schau, was Anwälte oder
Architekten verdienen: Du siehst, wie
viel eine Stunde intellektueller Arbeit
eines qualifizierten und erfahrenen
Freiberuflers wert ist.
Wenn mich also ein Verleger anruft,
sage ich ihm: Ich verlange so und
so viel. Geht das? Ok, wollen Sie weniger
zahlen? Nein, danke. Es wird sich
schon ein anderer finden. Er wird weniger
kosten, aber er wird auch weniger
gebildet, weniger erfahren und
weniger gut sein als ich. So wie es Restaurants
gibt, die weniger kosten als
Sternerestaurants. Marco Cagnotti
Sichere Arbeitsumwelt –
auch in der Schweiz
Daniel Hügli, Leiter Sektor ICT, Mitglied der GL
Im Juni beteiligte sich die Schweiz im
Rahmen der Internationalen Arbeitskonferenz
in Genf an den Verhandlungen
über die Aufnahme der «sicheren
und gesunden Arbeitsumwelt» in die
grundlegenden Rechte der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO). Die
Schweiz unterstützte eine entsprechende
Resolution, die schliesslich
angenommen wurde. Damit wurde
eine neue Kategorie von internationalen
Arbeitsrechten geschaffen, zusätzlich
zu den bisherigen Rechten
der Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlung
sowie der Pflicht zur
Beseitigung von Zwangsarbeit, Kinderarbeit
und Diskriminierung.
Grundsätzlich tönt das ja positiv,
wenn die Vertreter:innen von Bund,
Arbeitgebern und Gewerkschaften
solchen neuen Rechten zustimmen.
Der Weg zur Umsetzung ist aber lang:
Gemäss der letzten Erhebung der ILO
gibt es bei uns 95 254 nicht-tödliche
Arbeitsunfälle pro Jahr. Auf 100 000
Arbeitnehmende gerechnet steht die
Schweiz damit auf Rang 12 der Länder
mit den meisten Arbeitsunfällen.
Die Schweiz hat das ILO-Übereinkommen
155 «Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt»
von 1981 nie ratifiziert –
und musste sich deswegen bisher
international und den Sozialpartnern
gegenüber nicht erklären. Wenn der
Bundesrat tatsächlich wirksame Massnahmen
ergreifen will, damit die
Anzahl der Arbeitsunfälle sinkt, ist er
gefordert, die entsprechenden Übereinkommen
unverzüglich zur Ratifizierung
vorzulegen.
«Das Homeoffice in der Pandemie hat die traditionelle
Auffassung von Büroarbeit verändert.» Miriam Berger
21
Google ruft zurück ins Büro
«Return to Office», erstmals nach der Pandemie. Die neue
Flexibilität muss von den Mitarbeitenden mitbestimmt werden.
Die Google-Mitarbeitenden in Zürich («Zoogler») sind wieder in den Büros. (© Keystone-SDA)
Anfang Juni hat Google seine Mitarbeitenden
wieder ins Büro geholt.
Auch in Zürich hiess es zurück an die
Europaallee und die Brand schenkestras
se. CEO Sundar Pichai liess zum
Return to Office (RTO) verlauten, es
sei ein guter Anlass, um die Art, wie wir
arbeiten, neu zu denken: «Reimagine
how we work.» Das hat sich auch eine
Gruppe von syndicom-Mitgliedern bei
Google gedacht und den RTO zum Anlass
genommen, um bei ihren Kolleg:innen
mit einer Umfrage nachzuhaken,
wie die neue Art zu arbeiten
ankommt. Denn der Suchmaschinengigant
wählt für das New Normal eine
hybride Mischung aus fixen Office-Tagen
und freiwilligen Homeoffice-Tagen.
Ortsflexibles Arbeiten ist das Thema
der neuen Arbeitswelt und sicher
mit Risiken wie Chancen verbunden.
Einerseits sparen Mitarbeitende den
Arbeitsweg und können die Zeit flexibler
gestalten. Gerade für fokussierte,
produktive Arbeiten scheint der Arbeitsplatz
zu Hause zweckdienlicher
zu sein. Es geht auch um grössere Zeitsouveränität
und um plan- und gestaltbare
Arbeitszeiten, die mit dem
Privatleben vereinbar sind.
Mit dem mobilen Arbeiten kommt
eine Verdichtung und Entgrenzung
der Arbeit. Menschen arbeiten zu
Randzeiten, leisten mehr unbezahlte
Arbeit. Meetings werden ohne Pausen
geplant und man soll immer erreichbar
sein. Jede:r Zweite kürzt die Pausen
im Homeoffice, ergab eine neue
Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Das alles hat Folgen für die
Gesundheit der Menschen, denen weniger
Erholungszeit zur Verfügung
steht oder das Abschalten weniger gut
gelingt.
In der Pandemie hat sich auch der
Blick auf die Arbeit im Office verändert.
Auch bei Google gibt es Fürsprecher:innen
und Gegner:innen von Remote
Work. syndicom bleibt mit der
Gruppe von Mitgliedern bei Google
dran und vertieft Themen wie mangelnde
Flexibilität bei der Wahl des
Arbeits modells, Angst vor Infektion
bei hohen Covid-Zahlen oder Knappheit
an Bürofläche.
Was wichtig bleibt, und nicht nur
für Google: Flexibilität muss durch Arbeitnehmende
mitbestimmt werden
können. Der Einbezug der Belegschaft
und von Personalvertretungen beim
Etablieren und Überarbeiten von Regelungen
ist zentral.
Miriam Berger
Älter werden als
Freie in der Presse
Einmal jährlich lädt syndicom ihre
freischaffenden Mitglieder aus der
Pressebranche zum spannenden Austausch.
Am 10. September in Zürich
diskutieren wir das Älterwerden. Gar
nicht so einfach, wenn man als Freelancer
unterwegs ist. Wie ist das mit
den Aufträgen? Was ist mit Pensionskasse
und dritter Säule? Wie ist es,
sich nach 20 Jahren auf Zeitungsredaktionen
selbständig zu machen?
Gibt es überhaupt eine Zukunft im
freien Journalismus? Und wie kann
mir die Gewerkschaft dabei helfen?
Über diese und andere Fragen wollen
wir uns austauschen. Denn sie
sind aktuell wie nie. In einem sich stetig
und schnell verändernden Markt,
in einer Schweiz mit einer komplexen
Altersvorsorge bieten sich aber vielleicht
auch spannende Chancen.
Aus dem Programm
In den Tag einführen wird Klara Obermüller,
Grande Dame des Schweizer
Journalismus. Auch mit über 80 publiziert
sie weiter und berichtet über
Tücken und Vorteile als Freie. Danach
steht der Austausch im Vordergrund.
Die erfahrenen Freien Bettina Büsser,
Simon Koechlin, Martin Müller und
Rolf Neeser geben Einblick in ihre
langjährige freie Tätigkeit, in den erfolgreichen
Einstieg in die Selbständigkeit
und in den umkämpften Markt
der freien Pressefotograf:innen.
Es geht auch um das
Bestehen in der Branche
Der Anlass richtet sich nicht nur an
ältere Freie. Gerade viele junge Journalist:innen
stellen sich Fragen zum
Bestehen in der Branche und damit
auch zum Älterwerden im Beruf. Denn
mit guter Vorbereitung erleben viele
Freie das Älterwerden als befreiend.
Der Tag der Freien findet am
10. September von 13.15 bis 17.15 Uhr
in der Helferei in Zürich statt; danach
sind alle Teilnehmenden zum Apéro
eingeladen. syndicom-Mitglieder nehmen
kostenlos teil. Das ganze Programm
mit Online-Anmeldung findet
sich unter syndicom.ch/tdf22.
Dominik Fitze
22 Politik
Wir müssen die Vorlage
«AHV21» stoppen
Der historische Kampf für einen Altersruhestand mit einer
würdigen Rente für alle geht von der Gewerkschaftsbewegung
aus. Er wurde schon immer gegen konservative Widerstände
geführt. – Beim Landesstreik 1918 war die spätere AHV eine
Hauptforderung, und seit ihrer Einführung 1947 braucht sie
unseren Schutz. Das Abbaupaket «AHV21» greift nun unser
einziges soziales Altersvorsorgesystem frontal an und muss
gestoppt werden. Ein Gespräch mit Gabriela Medici, Rentenexpertin
beim Gewerkschaftsbund, und Patrizia Mordini,
Leiterin Gleichstellung in der GL bei syndicom, moderiert von
Romi Hofer, Leiterin Kommunikation bei syndicom, über die
Gefährlichkeit der Vorlage und wie den teils zynischen Argumenten
begegnet werden kann.
Text: Romi Hofer
Bild: Katja Leudolph
Warum braucht es die gebündelte
Kraft der Gewerkschaften im
Abstimmungskampf gegen die
Rentenreform «AHV21»?
Gabriela Medici: Diese Vorlage zielt
in die komplett falsche Richtung,
sie will eine Schwächung der AHV
anstatt einer Stärkung. Die AHV ist
eine hochsolidarische und nachhaltige
Errungenschaft, die es mit allen
Mitteln zu verteidigen gilt. Mit der
Abstimmung am 25. September stehen
wir an einem Scheideweg. Wird
die Reform angenommen, ist die Erhöhung
des Rentenalters für Frauen
nur der Anfang, die Erhöhung des
Rentenalters für alle auf 67 ist bereits
vorprogrammiert. Wir haben
einen schleichenden Prozess hin zu
einer Privatisierung und Entsolidarisierung
in der Altersvorsorge.
Patrizia Mordini: Apropos Frauen:
Sie erhalten bereits heute einen
Drittel weniger Rente als Männer.
Dabei können sie fast nur auf die
AHV zählen. Diese Rentenlücke
spiegelt die ungleiche Verteilung
der Erwerbschancen. Frauen übernehmen
häufig Arbeiten in anstrengenden,
aber schlechter bezahlten
Berufen. Auch sind es hauptsächlich
Frauen, die sich um die Kinder
und kranke Angehörige kümmern.
Deshalb arbeiten sie öfter Teilzeit,
was ebenfalls zu tieferen Einkommen
führt. Mit einer Erhöhung des
Frauenrentenalters soll noch zusätzlich
auf ihrem Buckel gespart werden.
Die Frauen müssten mit Rentenverlusten
von 1200 Franken
jährlich rechnen, sofern sie überhaupt
bis 65 arbeiten können.
Gabriela Medici: Absolut. Die
Hauptlast tragen hier die Frauen, ja.
Aber Ehepaare sind genauso betroffen.
Heute haben sie eine plafonierte
AHVRente, mit der «AHV21»Reform
werden auch sie eine Kürzung
haben. Nicht zu vergessen, dass mit
«AHV21» auch noch die Mehrwertsteuer
erhöht werden soll. Zusammen
mit dem kommenden Krankenkassenschock
im Herbst und
der Teuerung werden – insbesondere,
wenn die Löhne nicht ausreichend
nachziehen – die einkommensschwachen
Personen und
Familien stark unter Druck geraten.
Was bedeutet dies konkret für
unsere Mitglieder?
Patrizia Mordini: Viele unserer Mitglieder
haben eine körperlich anstrengende
Arbeit, bei der es schon
jetzt eine Herausforderung ist, bis
zum Pensionsalter ohne gesundheitliche
Beeinträchtigungen zu
arbeiten. Eine Frühpensionierung
kommt bei vielen aufgrund des Einkommens
nicht in Frage. Ein erhöhtes
Rentenalter wäre für sie fatal.
Gabriela Medici: Dazu ist die Arbeitslosenquote
nirgends so hoch
wie bei den 60+. Mit anderen Worten,
wenn Frühpensionierung
mit tieferer Rente nicht in Frage
kommt: ein Jobwechsel ist für diese
Personen meistens auch keine Option.
Die zweite Säule kann diese
Lücke übrigens nicht schliessen,
und die dritte Säule darf man gar
nicht erst erwähnen. Nur ca. 10 %
der Bevölkerung können hier überhaupt
den Maximalbetrag einzahlen.
Patrizia Mordini: Der drohende
AHVAbbau betrifft auch viele unserer
freischaffenden Mitglieder. Auch
für sie funktioniert die zweite Säule
in der Regel nicht und eine stabile
AHV ist gerade für sie essenziell.
«Wenn diese Reform durchkommt, ist das Rentenalter 67
für alle ein Fait accompli!» Gabriela Medici, SGB
23
Dann liegt das Problem eigentlich
gar nicht bei der AHV, sondern bei
der zweiten Säule ...
Gabriela Medici: Richtig, die grosse
Rentenlücke klafft in der 2. Säule.
Die Lücke zwischen Männern und
Frauen beträgt in der AHV 3 Prozent,
bei den Pensionskassen volle
63 Prozent. Das Problem der Rentenlücke
der Frauen muss jedoch
trotzdem auch in der AHV mitgedacht
werden, denn fast ein Drittel
der erwerbstätigen Frauen sind gar
nicht in einer Pensionskasse. Und
in der 2. Säule vergeht viel Zeit, bis
eine Massnahme zu höheren Renten
führt. Eine Schwächung der AHV
liegt in dieser Konstellation einfach
nicht drin.
Die Werbung für «AHV21» behauptet,
die AHV sei kein stabiles System
und ihre Finanzierung wäre nicht
gesichert.
Patrizia Mordini: Das stimmt einfach
nicht und wird uns von bürgerlicher
Seite seit Jahren falsch eingebläut!
Die AHV ist für die nächsten
10 Jahre gesichert und schreibt
schwarze Zahlen. Sie ist solide und
fair.
Gabriela Medici: Die Geschichte der
Falschprognose der AHV ist etwa so
alt wie die AHV selbst. Allein im letzten
Jahr hat sie tatsächlich 2,5 Milliarden
Überschuss generiert. Die
AHV ist eine Staatsaufgabe und als
solche in der Verfassung verankert.
Die AHV kann gar nicht bankrottgehen,
schon rein juristisch wäre
dies gar nicht möglich.
Also ist den heutigen Jungen eine
AHV-Rente sicher?
Gabriela Medici: Ja! Und gerade für
die Jungen ist eine starke AHV besonders
wichtig. Denn sie zahlen für
ihre Rente viel weniger in die AHV
ein, als wenn sie mittels dritter Säule
für ihre Altersvorsorge allein sorgen
müssten. Bei einer 20jährigen
Person mittleren Einkommens
sprechen wir hier von einem Unterschied
von fast einer Viertelmillion!
Für Familien ist der AHVVorteil mit
einem Betrag von 400 000 Franken
noch grösser.
Eine Lanze für die AHV …
Gabriela Medici: In der Tat (lacht).
Die AHV ist ein Zukunftsprojekt. In
der AHV gibt es keinen Generationenkonflikt.
Die AHV ist unglaublich
solidarisch. Das heisst konkret,
dass 92 % der Bevölkerung mehr aus
der AHV erhalten, als sie einzahlen.
Der Grund dafür ist, dass für Millionenboni
unbegrenzt eingezahlt
wird, diese machen die restlichen
8 % aus. Ein anderer Vorteil der solidarischen
Umverteilung liegt darin,
dass in der AHV die unbezahlte
CareArbeit anerkannt wird. Es ist
egal, ob sich Mann oder Frau um die
Kinder kümmert, es ist egal ob Jung,
Alt, Mann oder Frau einzahlt. Es
geht nur darum, dass sich alle –
inkl. Topmanagement – daran beteiligen,
die AHV zu finanzieren. Gerade
deshalb ist das Ziel der AHV so
wichtig und muss endlich erreicht
werden: existenzsichernde Renten
für alle.
Zu guter Letzt: Welches Stammtisch-Argument
mögt ihr nicht mehr
hören?
Patrizia Mordini: Das Argument, es
gehe bei der Angleichung des Rentenalters
um Gleichberechtigung,
weshalb wir das begrüssen müssten.
Das nervt mich besonders. Das
Gleichberechtigungsargument ist
schlicht zynisch. Frauen haben immer
noch tiefere Löhne, einen Drittel
weniger Rente und sollen jetzt
noch die AHV finanzieren.
Gabriela Medici: Mich ärgert wirklich,
dass über die Altersvorsorge
komplett losgelöst von der Rentenhöhe
diskutiert wird.
Massgebend dafür, wann Menschen
in die Rente gehen, ist bereits
heute nicht das im Gesetz festgelegte
Alter, sondern die Rentenhöhe.
Diejenigen, die bis zum Rentenalter
arbeiten müssen, weil sie sich keine
Frühpensionierung leisten können,
haben eine massiv tiefere Rente als
diejenigen, die frühzeitig in Rente
gehen.
So erhalten heute Männer, die
bis 65 arbeiten müssen, weniger als
1800 Franken aus der Pensionskasse.
Dagegen beziehen Männer, die
sich mit 60 pensionieren lassen
können, mehr als das Doppelte, also
fast 4000 Franken, aus der Pensionskasse.
Frühpensionierungen
werden statistisch nach Branchen
erhoben. Und die Branche, die am
frühesten in die Pension geht, ist
die Versicherungs und Finanzbranche.
Also diejenigen, die Studien
publizieren und behaupten, dass
wir länger arbeiten sollen und mehr
ansparen müssen, gehen selbst
möglichst früher.
Infos lesen, Plakate bestellen, spenden:
https://ahv21nein.ch
Deshalb sagen
wir 2x NEIN
Am 25. September stimmen
wir ab über die Änderung des
AHVGesetzes und über die
Finanzierung der AHV durch
eine MWSTErhöhung:
5 klare Gründe für 2x Nein!
NEIN zu dieser angeblichen
«Gleichstellung»
Die AHVReform erfolgt auf Kosten
der Frauen, die statt bis 64 neu bis
65 arbeiten sollen.
NEIN zu 26 000 Franken Verlust
für jede Frau
Frauen erhalten bereits heute einen
Drittel weniger Rente als Männer.
Mit «AHV21» sollen auf ihre Kosten
noch 7 Milliarden gespart werden.
Jede Frau würde jedes Jahr 1200 Fr.
weniger Rente haben – insgesamt
etwa 26 000 Franken weniger.
Nein zur angeblichen
Flexibilisierung
Die Reform sieht einen flexiblen
Beginn des Rentenbezugs zwischen
62/63 und 70 Jahren vor. Arbeitnehmende
mit tiefen Löhnen oder
Erwerbsunterbrüchen sind heute
aber gezwungen, auch nach Erreichen
des Rentenalters weiterzuarbeiten.
Weil ihre AHVRenten nicht
zum Leben reichen.
Nein zur Pensionierung mit 67
Die AHVReform streicht das gesetzliche
Rentenalter und ersetzt es
durch ein «Referenzalter», das leicht
nach hinten verschoben werden
kann. Mit der flexiblen Pensionierung
steht die Türe für eine Erhöhung
des Rentenalters für alle weit
offen.
Nein zur unsozialen Besteuerung
Die Reform will zur TeilFinanzierung
der AHV die Mehrwertsteuer
erhöhen. Dies belastet die ärmeren
Bevölkerungsteile viel stärker, die
von ihrem Einkommen viel mehr
für Konsumgüter ausgeben müssen
als die Reichen. Das ist unsozial.
24 Politik
«Produktivität» ist eine
frauenfeindliche Idee
Laetitia Vitaud, Autorin und
Vortragende zur Zukunft
der Arbeit und des Managements,
übt feministische
Kritik an der Produktivität,
einem Indikator, der die
unsichtbare und unbezahlte
Arbeit der Frauen nicht
berücksichtigt.
Gespräch: Muriel Raemy
Bild: zVg
Laetitia Vitaud, im April erschien
Ihr Buch «En finir avec la productivité
– Critique féministe d’une notion
phare de l’économie et du travail»
(Schluss mit der Produktivität:
Feministische Kritik an einem
Leitkonzept in Wirtschaft und
Arbeit). – Was ist Produktivität?
Die Produktivität entspricht einem
Verhältnis, einem Anteil. Zum Beispiel:
Anzahl Autos, die am Abend
das Werk verlassen, im Verhältnis
zur Anzahl der anwesenden Arbeiter:innen.
Daraus ergibt sich eine
eindeutige Zahl – und die Illusion
eines unumstösslichen Fakts. In der
Realität ist es aber schwierig, einen
einzigen Produktionsfaktor isoliert
zu betrachten. Das ist sehr künstlich
und verkennt das Wesentliche.
Das heisst?
Produktivität lässt sich in der Fabrik
oder in der Landwirtschaft ganz gut
messen. Aber wie kann man Wissen,
Care, Wohlbefinden, Beziehungen,
die Auswirkungen auf die Umwelt,
auf die urbane Vitalität, auf das soziale
Gefüge beziffern? Per Definition
ignoriert die Produktivität die
Wechselwirkung von Aktivitäten
ebenso wie die externen Effekte
und alle Besonderheiten einer
Volkswirtschaft. Schon lange wird
dies auch am BIP kritisiert. Produktivität
und BIP definieren aber, ob
eine Wirtschaft gesund ist oder
nicht. Aus ökonomischer Sicht
beruht meine Kritik darauf, dass
Produktivität als Kennzahl sehr
beschränkt oder gar falsch ist.
«Derweil der
Mann produktiv
arbeiten geht, ist
die Frau zu Hause
unsichtbar.»
Ihre Kritik ist in erster Linie
feministisch.
Ja, mit der industriellen Wirtschaft
wird die Produktion den Männern
ausser Haus anvertraut. Für die
Reproduktion seiner Arbeitskraft
(Kinder betreuen, kochen, haushalten,
während der Mann arbeitet)
ist die Frau zuständig, zu Hause eingesperrt.
Der Lohn des Mannes soll
alle Bedürfnisse der Familie abdecken.
Die Aufgaben der Frauen (die
jedoch für die Produktion unerlässlich
sind!) hingegen werden nicht
entlohnt. Ihre Arbeit ist nicht Teil
der Marktwirtschaft. Die Frauen
werden unsichtbar gemacht.
Im 20. Jahrhundert haben die
«Reproduktionsaufgaben» grösstenteils
Eingang in die Marktsphäre gefunden:
die Essenszubereitung in
der Kantine, die Betreuung der Alten
zu Hause, die Kinderbetreuung.
Diese Berufe sind noch weit gehend
weiblich und deutlich entwertet.
Ökonom:innen bezeichnen alle
diese Tätigkeiten als «wenig produktiv»!
Produktivität ist in vielerlei
Hinsicht frauenfeindlich.
Produktivität hätte aber etwas Gutes
sein können, oder? Mehr mit
weniger produzieren – wir hätten
eben gerade mehr Zeit gewinnen
sollen für unsere Hobbys oder
dafür, uns um andere zu kümmern.
Man dachte, die Arbeitszeit würde
sich verringern. Das war auch bis zu
den 1990erJahren zu beobachten:
Die Leute hatten Zeit für Hobbys,
konnten verreisen. Nur kam die
Verkürzung der Arbeitszeit zum
Stillstand. Die Produktivität hat zugenommen,
aber die produktivsten
Arbeitnehmenden haben weiterhin
immer mehr gearbeitet, besonders
in wichtigen Positionen, in Bereichen
wie Finanz oder Technologie.
Gleichzeitig wurden den Arbeitnehmenden,
die als weniger produktiv
galten, schlecht bezahlte und Teilzeitstellen
angeboten: Die Arbeit
wird einfach nicht richtig aufgeteilt.
Das Buch ist in der EssayReihe von Payot
erschienen, es kostet 18 Franken.
Recht so!
25
Liebe Rechtsberatung:
Ich arbeite als Journalistin
in einem grossen Medienunternehmen.
Ein Arbeitskollege
äussert sich häufig
mit sexuell anzüglichen
Bemerkungen zu meiner
Kleidung, manchmal auch
vor anderen Arbeitskolleg:innen.
Wenn ich ihn
darauf anspreche, erklärt
er seine Aussagen als
Komplimente, die ich
falsch verstehen würde.
Mir ist nicht wohl dabei.
Kann ich etwas dagegen
unternehmen?
Falls mein Arbeitgeber
nicht intervenieren sollte,
wie kann ich vorgehen?
Habe ich eine Kündigung
zu befürchten?
Wie kann ich gegen
meinen Arbeitskollegen
vorgehen? Schliesslich hat
er mich herabwürdigend
behandelt.
Antwort des syndicom-Rechtsdienstes
Art. 4 des Gleichstellungsgesetzes (GlG) verbietet sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz,
wobei jedes belästigende Verhalten sexueller Natur mittels Worten,
Gesten oder Taten, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz
beeinträchtigt, dazugehört, insbesondere auch anzügliche Bemerkungen und
sexistische «Witze». Hier gibt es keine falsch verstandenen Komplimente,
denn nicht die Absicht ist entscheidend. Ist die sexistische Bemerkung für
dich unerwünscht, gilt diese als sexuelle Belästigung. Dagegen solltest du dich
rasch und bestimmt wehren, dies zeugt nämlich von mangelndem Respekt,
verletzt die Würde, kann demotivieren oder sogar krank machen. Zuerst solltest
du dem Arbeitskollegen mündlich klar machen, dass du sein Verhalten
nicht tolerierst. Falls er mit der Belästigung nicht aufhört, solltest du ihn
schriftlich zur Unterlassung auffordern, gleichzeitig Tagebuch über die Belästigungen
führen und die zuständige Fachperson im Unternehmen, den
Personaldienst oder deine:n Vorgesetzte:n informieren.
Im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht muss der Arbeitgeber im Sinne des GlG
intervenieren. Informiere dich, ob es in deinem Unternehmen ein Reglement
gibt, das Rechte und Pflichten von Betroffenen sowie das geeignete Verfahren
festlegt (allenfalls auch ein internes formelles Beschwerdeverfahren).
Lässt sich schliesslich betriebsintern keine Lösung finden, kann kostenlos
die kantonale Schlichtungsstelle angerufen werden.
Wenn er nicht interveniert, kannst du ihn gestützt auf das GlG verklagen. Das
Gericht kann einerseits anordnen, die bestehende Diskriminierung zu beseitigen
(Art. 5 Abs. 1 GlG), andererseits dir eine Entschädigung zusprechen, wenn
der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er die nötigen Massnahmen getroffen
hat (Art. 5 Abs. 3 GlG). Sollte dein Arbeitgeber, weil du einen Anspruch gemäss
GlG geltend machst, das Arbeitsverhältnis tatsächlich kündigen, kannst
du ihn vor Gericht auf eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung
verklagen (Art. 10 GlG). Ein Kündigungsschutz von sechs Monaten ist zu
berücksichtigen. Leider entfaltet aber eine missbräuchliche Kündigung
Rechtswirkung und beendet dennoch das Arbeitsverhältnis. Im Gleichstellungsverfahren
werden keine Verfahrenskosten erhoben, allenfalls Parteientschädigungen
zugesprochen. Deine Gewerkschaft bietet hier Rechtshilfe
an und deckt im Rahmen vom Berufsrechtsschutz auch die Kosten.
Parallel zum Gleichstellungsverfahren kann allenfalls eine Strafanzeige gegen
den Belästigenden erhoben werden, wenn es sich um eine sexuelle Belästigung
«in grober Weise durch Worte» im Sinne von Art. 198 Strafgesetzbuch
handelt. Gemäss Bundesgericht ist diese anhand der konkreten Umstände
und des Gesamtumfelds zu würdigen. Sie muss vom Standpunkt eines oder
einer objektiven Betrachtenden aus klar erkennbar sein. Ausserdem muss die
Belästigung bewiesen werden. Die Aussagen von Arbeitskolleg:innen können
hilfreich sein. Die Strafanzeige ist innert drei Monaten seit der letzten Belästigung
einzureichen.
syndicom.ch/rechtso
26 Freizeit
Tipps
© Stiftung Comensoli
© Grafik: Teo Schifferli
Gesundheitsthemen bei
Movendo
Stress am Arbeitsplatz ist sicher
eines der wichtigsten Themen auch
bei Movendo. Der wiederkehrende
Kurs «Umgang mit Stress in Beruf
und Alltag», der dieses Jahr noch
zweimal abgehalten wird, ist denn
auch beide Male ausgebucht. Die
Warteliste für den Termin im
Dezember ist noch etwas kürzer,
ansonsten wird der Kurs voraussichtlich
nächstes Jahr wieder 4-mal
durchgeführt.
Besonders an Personen mit Vorgesetztenfunktion
richtet sich der
Kurs «Gesund bleiben am Arbeitsplatz:
Führungsaufgabe Gesundheit».
Vorgesetzte müssen die Gesundheit
ihrer Mitarbeitenden im
Auge behalten und genauso zu ihrer
eigenen Gesundheit Sorge tragen.
Dieser Kurs stellt Methoden und
Instrumente zur Gesundheitsförderung
vor und hilft bei der eigenen
Führungsarbeit. Franziska Schneider
vom SEV leitet den Kurs, er ist
zweitägig, 25. 8.–26. 8. in Männedorf,
es hat noch Plätze. Kursgebühr,
Übernachtung und Verpflegung
für Mitglieder kostenlos!
Eine notorische Quelle von
Stress: «Auf Stellensuche mit 50+».
Genau dafür gibt es den gleichnamigen
Kurs. Der Coach Rolf Summermatter
beackert mit den Teilnehmenden
den Lebenslauf und stellt
sicher, dass am Ende ein wunderbares
Dossier mit motivierendem
Anschreiben vorliegt und die Absolvent:innen
sich auf das Bewerbungsgespräch
freuen. Doch der
Kurs bleibt nicht auf der individuellen
Ebene stehen: SGB-Chefökonom
Daniel Lampart füttert die Teilnehmenden
mit Wissen und Argumenten
zu Gewerkschaftspositionen
beim Thema Arbeitsmarktpolitik.
Am 24. und 25. Oktober in Olten,
ohne Übernachtung.
(Red.)
Mario Comensoli:
Kunstwerke für die 99%
Seine Werke sind bis heute im «Ristorante
Cooperativo» ausgestellt, wo
sich früher Migrant:innen und Antifaschist:innen
trafen und das bis
heute ein traditioneller Treffpunkt
der Zürcher Linken ist. Zum 100.
Geburtstag von Mario Comensoli,
der den kritischen Schweizer Realismus
vertritt, gab und gibt es dieses
Jahr verschiedene Ausstellungen.
Als Adoptivsohn zweier Schwestern,
die vom Cesena nach Lugano
migriert waren, wuchs er in den
1920er-Jahren im Quartier Molino
Nuovo in Lugano auf, wo viele Arbeiter:innen
und italienische Emigranten
lebten. In der Jugend verdingte
er sich als Kellner und Hilfsarbeiter
und verkaufte seine erste Kunst an
Tourist:innen. In den 50er-Jahren
befasste er sich in Ölbildern mit
dem Alltag der Menschen aus seinem
Umfeld, den italienischen Arbeiter:innen
im Baugewerbe, in den
Fabriken und im Dienstleistungssektor.
Die Bildserie «Uomini in blu»
begründete seine frühe Bekanntheit.
Die politische und gesellschaftliche
Aktualität der Schweiz beschäftigte
Comensoli zeitlebens,
seine Bildsprache entwickelte er
ständig weiter, davon zeugen farbige
Bilder der 68er, geprägt von
Feminismus, Emanzipation und
reiner Lebens- und Konsumfreude.
Ab den 80er-Jahren konnte er von
seinem Atelier an der Letten-Station
direkt auf den Platzspitz blicken.
Die Verzweiflung und das sich vor
ihm abspielende Drogenelend verarbeitete
er in seinen düstersten Bildkompositionen.
Seine «Peinture du Mouvement»
ist bis Ende September 2022 in Zürich,
Centro Comensoli, Heinrichstrasse
267, zu bestaunen. Oder bei
einem gemütlichen Kaffee im «Ristorante
Cooperativo» in Zürich.
(Lydia Schebesta)
Schweizer Künstlerbücher
Mit der Publikation «Schweizer
Künstlerbücher – Livres d’artistes
suisses – Libri d’artista svizzeri –
Swiss artists’ books» gibt die
Schweizerische Nationalbibliothek
im Verlag der Buchhandlung
Walther und Franz König eine kritische
Übersicht zum Schweizer
Künstlerbuch heraus.
Allgemein Kunstinteressierten
kaum bekannt und als Gegenstand
eher verschlossen, ist das Künstlerbuch
eine Art Ikone und Kultobjekt
der Kunst- und Bibliotheksgeschichte
geworden. Das Buch an sich ist
einer der funktionalsten und liberalsten,
oft auch preiswertesten
Informations träger der Kulturgeschichte.
Welche Rolle spielt dabei
das Künstlerbuch?
Ausgehend von einer der umfassendsten
Künstlerbücher-Sammlungen
der Schweiz, derjenigen der
National bibliothek, hat die Herausgeberin
und Autorin Susanne Bieri
anhand von 112 Interviews das
schweizerische «Artist’s Book» im
internationalen Kontext verhandelt,
rund 450 Fragen gestellt, jedoch
mehr als 450 Antworten erhalten, da
diese erneut zu rund 650 Annotationen,
Assoziationen und Anekdoten
führten.
Damit liegt mit «Schweizer
Künstlerbücher – Livres d’artistes
suisses – Libri d’artista svizzeri –
Swiss artists’ books» erstmals ein
einzigartiges enzyklopädisches
Künstlerbücher-Kompendium vor.
(Nationalbibliothek)
Alle Kurse des Jahres:
Movendo.ch
Späte Arbeiten werden vom 10. Sep. bis
12. Nov. im Valleyart Kemptthal gezeigt.
Das Buch wird am 25. August an der
MAMCO in Genf präsentiert.
1000 Worte
Ruedi Widmer
27
28 Bisch im Bild Fünfzigtausend: Viele gingen am 14. Juni zum Frauenstreik auf die Strasse,
um Gleichberechtigung zu fordern und auch, um NEIN zu «AHV21» zu sagen.
Die syndicom-Delegierten haben an der Versammlung vom 18. Juni in Bern
den Abbau der AHV und höhere Mehrwertsteuer ebenfalls klar abgelehnt.
1
2
3
4
5
1. «Immer no hässig!»: der Frauenstreik 2022 fand wie gewohnt am
14. Juni statt. (© Marc Wegmüller)
2. Der Frauenstreik, hier beim Zytglogge in Bern. (© Marc Wegmüller)
3. Non soltanto a Piazza Federale, ma in tutta la Svizzera! Schweizweit
streikten 50 000 Menschen für mehr Gleichstellung. (© Marc Wegmüller)
4. syndicom veranstaltete anlässlich des Frauenstreiks Aktionen
in Betrieben, hier beim Personal von MS Direkt in St. Gallen. (© syndicom)
5. Und hier bei der Swisscom Pfingstweidstrasse in Zürich. (© syndicom)
6. Die Geschäftsleitung von syndicom an der Delegiertenversammlung
am 18. Juni im Bierhübeli in Bern: Daniel Hügli, Matteo Antonini,
Daniel Münger, Stefanie Vonarburg, Patrizia Mordini (von links).
(© Bruno Dias für syndicom)
7. Plaudern und Lächeln unter den Delegierten (Mariem Fiadjigbe und
Janice Matthes). (© Bruno Dias für syndicom)
8. Der Vortrag von Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen
Gewerkschaftsbunds. (© Bruno Dias für syndicom)
9. Die Intervention von Augustin Mukamba-Moyo, Interessengruppe
Migration. (© Bruno Dias für syndicom)
10. Zahlreiche Engagierte fanden sich an der Delegiertenversammlung von
syndicom ein. (© Bruno Dias für syndicom)
6
7
9
8
10
30
Aus dem
Leben von ...
Andrea Zampieri: «Ich versuche zu
vermitteln und gute Lösungen zu finden»
Andrea Zampieri ist im Tessin, in Tesserete,
geboren und aufgewachsen.
Mit zwanzig ging er für verschiedene
Sprachaufenthalte nach England und
zog später nach Genf, wo er bei der
Schweizerischen Ausgleichskasse
(AHV/IV) eine Stelle fand. Nach einem
zehnmonatigen Aufenthalt in Australien
kehrte er nach Genf zurück und
begann, für die Swisscom als Verkaufsberater
in den Shops des Unternehmens
zu arbeiten.
Andrea hat zwei Kinder und begeistert
sich für Fussball und vor allem Musik –
von Postpunk bis Electro.
Text: Maria Giuditta Valorani
Foto: Sandro Mahler
«Mehr Gewerkschaft
macht mehr
Gelassenheit möglich»
Einfühlsam, idealistisch und versöhnlich
– ich versuche immer, Antworten
und positive Lösungen zu
finden. Ich arbeite im Swisscom
Shop in Lugano und bin Gewerkschaftsdelegierter
von syndicom.
Ich habe mich erst sehr spät für
die Gewerkschaft interessiert. Früher
wusste ich nicht viel über Gewerkschaften
und hielt sie eher für unnötig.
Mit der Zeit und der grösseren
Erfahrung wuchs mein Interesse und
ich begriff, dass Gewerkschaften das
beste Mittel sind, um sich zu wehren,
sich Gehör zu verschaffen und etwas
zu erreichen.
Nachdem ich nach mehreren Jahren
ins Tessin zurückgekehrt war,
hatte ich Gelegenheit, den syndicom
Regionalsekretär Nicola Morellato
kennenzulernen. Ich verstand, wie
wichtig es sein kann, besser Bescheid
zu wissen über die Rechte und Pflichten
in der Arbeitswelt.
So wurde ich zum Sprachrohr der
Beschäftigten in den Swisscom
Shops und zur gewerkschaftlichen
Bezugsperson, um auf die Realitäten
und die spezifische Dynamik dieses
Sektors aufmerksam zu machen (die
sich von denjenigen anderer Bereiche
der Swisscom wie IT und Administration
usw. unterscheiden).
Ich übe also in jeder Hinsicht die
Gewerkschaftsfunktion aus und bin
Ansprechpartner für die Kolleginnen
und Kollegen in den Betrieben und
für syndicom und versuche, in verschiedenen
Situationen zu vermitteln
und gute Lösungen zu finden.
Als aktiver Gewerkschafter verschaffe
ich heute den Bedürfnissen und Anliegen
der Kolleginnen und Kollegen
Gehör.
Angetrieben von dem starken
Wunsch, mich nützlich zu machen,
werde ich mit der Zeit immer mehr
zu einem aktiven Mitglied, das in der
Lage ist, unklare Dinge zu beeinflussen
und zu verändern. Es interessiert
mich besonders, gewisse Grauzonen
herauszuarbeiten und zu
analysieren, wie die diversen Rechte
und allgemein Handlungsspielräume
in einem führenden und innovativen
Unternehmen wie der Swisscom
aussehen könnten.
Was mir besonders am Herzen
liegt und für meine Rolle sehr wichtig
ist: Ich versuche, immer einen
konstruktiven Dialog zu führen und
mehr Transparenz zu schaffen, um
das Vertrauen zwischen Mitarbeitenden
und Management zu stärken.
Ich setze mich dafür ein, dass das
Verhältnis zwischen den beiden
Parteien immer besser wird.
Aus meiner Sicht wäre es gut,
wenn es mehr Gewerkschaftsmitglieder
bei Swisscom gäbe, um für die
Mitarbeitenden ein gutes Arbeitsumfeld
zu schaffen und mehr Gelassenheit,
und so Swisscom zum
«Great Place to Work in Switzerland»
zu machen.
Und ich glaube, dass man alles
mit Gelassenheit und Intelligenz,
aber auch mit einer gesunden Dosis
Humor angehen kann und sollte.
Impressum
Redaktion: Robin Moret und Giovanni Valerio
(Co-Leitung), Rieke Krüger, Lydia Schebesta
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Übersetzungen: Alexandrine Bieri,
Laurence Strasser, Gabriele Alleva
Porträtzeichnungen: Katja Leudolph
Layout und Druck: Stämpfli Kommunikation, Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Das Abo ist für Mitglieder kostenlos. Für Nichtmitglieder:
Fr. 35.– (Inland), Fr. 50.– (Ausland)
Abo-Bestellung: info@syndicom.ch
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Die Nummer 31 erscheint am 14. Oktober 2022.
31
Das syndicom-Kreuzworträtsel
Reisegeld für die Reisezeit: Zu gewinnen
gibt es ein REKA-Guthaben im Wert von
50 Franken. Das Lösungswort wird in der
nächsten Ausgabe zusammen mit dem
Namen der Gewinnerin oder des Gewinners
veröffentlicht.
Lösungswort und Absender an admin@
syndicom.ch oder per Postkarte an:
syndicom-Magazin, Monbijoustrasse 33,
Postfach, 3001 Bern. Einsendeschluss:
10. September 22.
Der Gewinner
Die Lösung des Kreuzwort rätsels aus
dem syndicom-Magazin Nr. 29 lautet:
MOBILISIERUNG. Gewonnen hat Georg
Moser aus Uetendorf. Der Silberbarren
der Bank Cler ist unterwegs.
Wir gratulieren herzlich!
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32 Inter-aktiv
syndicom social
DV syndicom 18.6.2022
Im Bierhübeli Bern wird sonst getanzt
und gefeiert, nicht so an der jährlichen
#syndicom Delegiertenversammlung, wo
mehr debattiert und abgestimmt wurde.
Wir haben die Weichen gestellt für das
kommende Jahr sowie Budget und Jahresrechnung
abgesegnet. Auch in Zukunft setzen wir uns
ein für mehr Gerechtigkeit beim Lohn, starke GAV
und eine Verkürzung der Arbeitszeit.
Facebook.com/syndicom
«Hände weg von unseren Renten!» 3.7.2022
Sagt Yannick Vyaahpooree, ICT System
Manager III bei Swisscom. Am 25. September
2022 werden wir über das Paket «AHV21» abstimmen
und sagen 2x Nein! Engagiere auch
du dich mit einem Statement gegen die
Abbauvorlage und sichere unsere Renten.
https://twitter.com/YVyaahpooree
Mehr nachhaltiges Handeln gefordert 6.7.2022
Die Plattform Agenda 2030 sieht die Schweiz nicht auf
Kurs für eine nachhaltige Welt. Sie fordert vom Bundesrat
die Halbierung der Armut und den Schutz von Klima und
Menschenrechten sowie, den Finanzplatz in die Pflicht zu
nehmen. Solidar Suisse
Historischer Durchbruch beim Arbeitsschutz
13.6.2022
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO fällte an
ihrer 110. Konferenz den Entscheid, das Recht auf
eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung in die
ILO-Erklärung über fundamentale Prinzipien und Rechte bei
der Arbeit aufzunehmen. Solidar Suisse
El Salvador erlebt eine Menschenrechtskrise 2.7.2022
Ab Ende März kam es in El Salvador mit der Verhängung
des Ausnahmezustands zu massiven Menschenrechtsverletzungen.
Mindestens 18 Menschen sind in staatlichem
Gewahrsam gestorben. Amnesty International
Drei Gründe, die Kita-Initiative 13.7.2022
zu unterzeichnen
1. Weil es an Kita-Plätzen fehlt und dadurch die Gleichstellung
gefährdet wird.
2. Weil Kindertagesstätten zu teuer sind. Die Initiative will,
dass niemand mehr als 10 % seines Einkommens dafür
ausgeben muss.
3. Weil die Initiative die Aus- und Weiterbildung von Personen
fördert, die Kinder betreuen.
TikTok – digitales Crack-Kokain? 1.7.2022
Eine neue Droge zerstört die empfindlichen Gemüter der
jungen Menschen: TikTok. Dies behauptet der amerikanische
Blogger Isaiah McCall, Gründer von Medium.
Post in Saint-François muss bleiben! 29.6.2022
Grosse Mobilisierung heute in Lausanne.
Dort habe ich die Unterstützung der Ökolog:innen
für lokalen Service public zum Ausdruck
gebracht. Wir lassen nicht locker!
# linkedin.com/in/ilias-panchard
Pegasus vor Gericht 20.6.2022
Der Pegasus-Abhörskandal wird jetzt von
der französischen Justiz beurteilt. Das
Pariser Gericht hat die Klage gegen den
Softwarehersteller NSO Group angenommen,
der mit dem Staatstrojaner Pegasus
die illegale Überwachung von Handys ermöglicht.
In Kürze wird ein Untersuchungsrichter
für diesen Fall ernannt, der
die Privatsphäre von uns allen betrifft.
Freiheit für Julian Assange!
22.6.2022
syndicom schliesst sich dem Aufruf
des Geneva Press Club an, der
Medien, Journalist:innen und Gewerkschaften
aus sechs Ländern vereint, um die Freilassung
von Julian Assange zu fordern. Pressefreiheit
verlangt auch den Schutz von Whistleblowern.
twitter.com/syndicom
Der rasante Aufstieg von Uber 10.7.2022
Dank dem Guardian und eines Konsortiums investigativer
Journalist:innen wurden zwischen 2013 und 2017
mehr als 124 000 interne Uber-Dokumente aufgedeckt,
aus denen hervorgeht, wie Uber sich um Geld und Gunst
bemühte, indem es (mehr oder weniger versteckt, mehr
oder weniger legal) führende Politikerinnen, Milliardäre
und Medien umwarb.
Folge uns auf allen
gängigen Kanälen!