Paracelsus Today
Ausgabe 2 | August 2022
Ausgabe 2 | August 2022
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gehörigen fördern. Zahlreiche Anwendungs-Videos<br />
(etwa http://youtu.be/P7fCSNyyp14) in verschiedenen<br />
Pflegeeinrichtungen und kleinere Studien<br />
scheinen die positiven Effekte des kognitiven<br />
Stimulationssystems zu bestätigen.<br />
Gedächtnistraining mit Roboter Lio. Die Hi-Tech-<br />
Schraube lässt sich allerdings auch noch deutlich<br />
weiterdrehen, wie das auf die Entwicklung<br />
persönlicher Roboter spezialisierte Schweizer<br />
Unternehmen F&P Robotics beweist. Der auf<br />
den Namen „Lio“ getaufte mobile Assistenzroboter<br />
(http://youtu.be/wSkGgtpIRYo) verfügt über<br />
einen multifunktionalen Greifarm und soll Menschen<br />
in Heimen bei der Bewältigung ihres Alltags<br />
unterstützen. Tätigkeiten wie die Verteilung<br />
von Getränken, die UV-Desinfektion von<br />
Türschnallen oder die verbale Erinnerung an<br />
Termine gehören zu Lios Fähigkeiten. Geht es<br />
um Demenz und Aktivierung, so kann der<br />
weiß-orange Assistenzroboter mit seinem<br />
menschlichen Gegenüber ein Gedächtnistraining<br />
oder Turnübungen machen, sich unterhalten,<br />
singen, spielen oder sogar einen Witz erzählen.<br />
All das kann naturgemäß menschliche Pflege-Profis<br />
nicht ersetzen, diese aber sehr wohl<br />
entlasten. Die Mischung aus aktiver und individueller<br />
Interaktion sowie mentalen und körperlichen<br />
Übungen hat somit das Potenzial, einen<br />
Beitrag zur Verbesserung von Lebensqualität<br />
und Wohlbefinden zu leisten. Übrigens: Im Rahmen<br />
eines Projekts in Zusammenarbeit mit dem<br />
Fraunhofer Institut beschäftigt sich auch das Institut<br />
für Pflegewissenschaft und -praxis der <strong>Paracelsus</strong><br />
Universität mit den Einsatzmöglichkeiten<br />
von Lio in der Pflege-Praxis.<br />
Ein im wahrsten Sinn des Wortes noch viel sinnlicheres<br />
Erlebnis versprechen Ausflüge in virtuelle<br />
Welten. Hintergrund: Internationalen Vorbildern<br />
folgend experimentiert man in Wiener<br />
Seniorenhäusern des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser<br />
(KWP) bereits seit drei<br />
Jahren mit Virtual Reality (VR). Mit Hilfe einer<br />
VR-Brille können sich demente Menschen individuell<br />
für sie zusammengestellte oder sogar neu<br />
aufgenommene Bilder und Videos ansehen und<br />
dabei ganz in die digitale Welt eintauchen. Frühere<br />
Wohnorte, geliebte Menschen, Lieblingsplätze,<br />
Salzburger<br />
Demenz-Exzellenz<br />
Ludwig Aigner (Bildmitte) und sein<br />
Team vom Institut für Molekulare<br />
Regenerative Medizin der <strong>Paracelsus</strong><br />
Medizinischen Privatuniversität<br />
sind an der Forschungs-Front rund<br />
um die Entstehung verschiedener<br />
Demenz-Formen überaus erfolgreich<br />
tätig. Erst 2021 konnten Aigner,<br />
Michael Unger und Katharina<br />
Strempfl im Rahmen einer internationalen<br />
Forschergruppe neue Erkenntnisse<br />
zur Entstehung der Lewy-Body-Demenz<br />
– sie ist nach der<br />
Alzheimer-Erkrankung und der Vaskulären<br />
Demenz die dritthäufigste<br />
Form – publizieren, und zwar im renommierten<br />
Fachmagazin Science.<br />
Dabei konnten sie zeigen, dass eine<br />
zu starke Mobilisierung der Immunabwehr<br />
– genauer gesagt der auch<br />
als T-Helferzellen bekannten CD4+<br />
T-Lymphozyten – eine fatale Rolle<br />
spielt. 2020 hatte das internationale<br />
Wissenschaftler-Team einen ähnlichen<br />
Zusammenhang auch bei der<br />
Alzheimer-Demenz entdeckt (allerdings<br />
mit CD8+ T-Zellen in der<br />
Hauptrolle) und ebenfalls höchstrangig<br />
im Magazin Nature publiziert.<br />
aber auch mittlerweile unerreichbar gewordene<br />
Reiseziele können so sehr realitätsnah ins Leben<br />
der alten Menschen zurückgeholt werden. Im<br />
Dialog mit Pflegefachkräften werden so Erlebnisse<br />
und Geschichten lebendig, was einen wertvollen<br />
Beitrag zur Erinnerungs- und Biografiearbeit<br />
der Betroffenen darstellt. Darüber hinaus wissen<br />
Angehörige von Glücksmomenten und einem<br />
regelrechten Aufleben der Betroffenen zu berichten,<br />
was letztlich der digital geschlagenen<br />
Virtual-Reality-Brücke<br />
zwischen Vergangenheit und Gegenwart<br />
zu verdanken ist.<br />
Eine Demenz-Präventions-Software<br />
beziehungsweise eine entsprechende<br />
Künstliche Intelligenz<br />
(KI) hat wiederum das Wiener<br />
Startup-Unternehmen Hilda<br />
(www.hilda.pro) entwickelt. Im<br />
Zentrum steht der Grundgedanke,<br />
dass sich Demenz bis dato zwar<br />
nicht heilen, ihr Fortschreiten<br />
aber sehr wohl einbremsen und<br />
verzögern lässt. Zu diesem Zweck<br />
wird die Künstliche Intelligenz in<br />
Form der digitalen Gesprächspartnerin<br />
„Hilda“ dazu verwendet,<br />
kognitive Trainings mit persönlichen<br />
Gesprächs-Interaktionen<br />
und Musik anzubieten. Zielgruppe<br />
sind einerseits „gesunde Menschen<br />
ab 55 Jahren, die ihre kognitive<br />
Fitness erhalten und einer<br />
Demenzerkrankung vorbeugen“<br />
wollen, und andererseits Menschen,<br />
die bereits leichte Demenz-Symptome<br />
haben.<br />
Zwar muss angesichts der teils<br />
noch sehr jungen Entwicklungen<br />
derzeit noch vor verfrühtem Optimismus<br />
gewarnt werden, klar ist<br />
aber auch: Die modernen digitalen<br />
Demenz-Bremsen haben mit „Interaktion“<br />
und „Aktivierung“ wohl<br />
genau die richtigen Hebel in der<br />
Hand, um das Vergessen wenigstens<br />
ein wenig zurückzudrängen.<br />
Ω<br />
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