Hinz&Kunzt_350_April
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Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
Seit 1993<br />
N O <strong>350</strong><br />
Apr.22<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro für<br />
unsere Verkäufer:innen<br />
Auf gute<br />
Nachbarschaft
Editorial<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Steffi Treiber (links)<br />
hat ein neues<br />
Upcycling-Unikat<br />
gebaut. Beim<br />
Termin im nur<br />
4,5 °C kalten<br />
Atelier durfte<br />
Redakteurin<br />
Annette Woywode<br />
auch mal kurz<br />
die Japansäge<br />
schwingen.<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
wie wollen wir in Zukunft leben? Wie können wir Frieden und Demokratie,<br />
die nun schon lange unser Land prägen, in Zukunft bewahren?<br />
Seit der Kreml-Herrscher Krieg über die Ukraine gebracht hat, sind<br />
diese Fragen drängend wie lange nicht. Die Bilder, die auf uns einstürzen,<br />
machen mich hilflos. Die Welle der Hilfsbereitschaft<br />
hingegen ermutigt. Das Bewusstsein ist groß: Die, die da kommen,<br />
könnten du oder ich sein – und es sind vor allem Menschen in Not.<br />
Was gutes Miteinander im Kleinen ausmacht, beschäftigt uns im<br />
Schwerpunkt Nachbarschaft. Vor unserer Haustür, in St. Georg,<br />
lässt sich lernen, wie Konflikte durch ein aktives Miteinander im Stadtteil<br />
vermieden werden. Wir haben uns erklären lassen, wie daran im<br />
Herzen dieses besonderen Viertels seit vielen Jahren gearbeitet wird.<br />
Bei einem Streifzug durch die Stadtteile zeigen wir Ihnen, welche<br />
Bedeutung Kioske als Begegnungsort und Informationsbörse haben.<br />
Und in unserer Gartenkolumne erfahren Sie, warum Kleingärtner:innen<br />
die besten Nachbar:innen der Welt sind. Nefeli<br />
Kavouras’ Literaturkolumne können Sie wieder in unserer Mai-<br />
Aus gabe lesen. Wir wollen in den kommenden Monaten abwechseln:<br />
mal ein Blick in die Gartenwelt, mal einer in die Welt der Schreibkunst.<br />
Eine gute Nachricht gibt es für Hamburgs Obdachlose: Die Stadt<br />
hält die Winternotunterkünfte bis Ende <strong>April</strong> geöffnet. Wie jedes<br />
Jahr stehen die Menschen dann allerdings vor der Frage, wo sie in<br />
den Sommermonaten schlafen sollen. Dabei gibt es leerstehende<br />
Büro gebäude, die sich zu Wohnraum umbauen ließen – wenn<br />
Eigentümer:innen und Stadt es nur wollten.<br />
<br />
Viel Spaß beim Lesen!<br />
Ihr Ulrich Jonas<br />
Schreiben Sie uns an: briefe@hinzundkunzt.de<br />
FOTOS SEITE 2: DMITRIJ LELTSCHUK (UNTEN), MAURICIO BUSTAMANTE (OBEN)<br />
TITELFOTOS: ADOBE STOCK/RAINER FUHRMANN, ISTOCK/WEAVER1234<br />
2
Inhalt <strong>April</strong> 2022<br />
06<br />
Hamburg hilft<br />
ukrainischen<br />
Geflüchteten.<br />
10<br />
Sollten alte Büros<br />
abgerissen oder<br />
umgebaut werden?<br />
Stadtgespräch<br />
06 Welle der Hilfsbereitschaft<br />
So unterstützen Hamburger:innen ukrainische Geflüchtete.<br />
10 Umbauen statt neu bauen<br />
Umbau als Rezept gegen die Wohnungsnot<br />
14 Wohnen statt shoppen<br />
In Rendsburg wurde ein Kaufhaus zum Altenheim.<br />
18 Eine Schutzhütte als Mahnung<br />
Eine Werbekampagne macht auf Obdachlosigkeit aufmerksam.<br />
Nachbarschaft<br />
22 Experte für Nachbarschaft<br />
Niels Spohrmann ist Hausmeister aus Leidenschaft.<br />
26 Kaugummi, Kippen und Klönschnack<br />
Kioske sind weit mehr als eine schnelle Supermarkt-Alternative.<br />
34 Alle Türen bleiben auf<br />
Im Schorsch in St. Georg trifft sich die Nachbarschaft.<br />
Bauen&Basteln<br />
38 Alte Schachtel? Nein. Neues Regal!<br />
Steffi Treiber peppt die alten Weinkisten einer Leserin auf.<br />
Freunde<br />
44 Herr Blohm kommt rum<br />
Versteigerung zugunsten von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
48<br />
Schauspieler<br />
Bruno Alexander<br />
im Porträt<br />
26<br />
Kioske: mehr<br />
als bunte Tüten<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
48 Worüber wird hier eigentlich gelacht?<br />
Jungschauspieler Bruno Alexander startet durch.<br />
52 Tipps für den <strong>April</strong><br />
56 Kolumne: Ode an die Nachbarschaft<br />
58 Momentaufnahme: Hinz&Künztlerin Janina<br />
Rubriken<br />
04 Gut&Schön<br />
16 Zahlen des Monats<br />
20 Meldungen<br />
46 Buh&Beifall<br />
57 Rätsel, Impressum<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Ode an die „Fabrik“<br />
50 Jahre Fabrik in Ottensen<br />
(H&K 340) – das feiert nun auch das<br />
neue, auf 500 Exemplare limitierte Buch<br />
des langjährigen Fabrik-Mitarbeiters<br />
und Verlegers Denis Brudna und von<br />
Katharina Dietrich. Mehr als 900 Fotos<br />
und viele intime und lesenswerte Texte<br />
von Zeitzeug:innen, der subventionierte<br />
Preis beträgt 29,90 Euro. JOC<br />
JOC<br />
•<br />
Weitere Infos: www.photonews.de/produkt/<br />
die-fabrik-geschichte-und-geschichten
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Gut&Schön<br />
Für Obdachlose<br />
Citynahe Hilfe<br />
In den ehemaligen<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Räumen<br />
in der Altstädter<br />
Twiete finden obdachlose<br />
Menschen auch in<br />
Zukunft Hilfe. Die<br />
Caritas stellt im „Stütz-<br />
Punkt“ Gepäck-Lagermöglichkeiten<br />
im<br />
Schließfach bereit, um<br />
etwa Behördengänge<br />
unkomplizierter<br />
erledigen zu können.<br />
Sozialarbeit er:innen<br />
bieten Beratung an<br />
und Ärzt:innen eine<br />
kostenlose medizinische<br />
Behandlung. JOC<br />
•<br />
FOTOS: DENIS BRUDNA (LINKS), IMKE LASS (OBEN), PICTURE ALLIANCE/PHOTOPQR/LE BIEN<br />
PUBLIC/MAXPPP (LINKS UNTEN), FAIR TRADE STADT HAMBURG (UNTEN RECHTS), HINZ&KUNZT<br />
Mit 18 Europa erobern<br />
Tolles Angebot für 18-Jährige in der<br />
Europäischen Union: Vom 7. bis 21.<br />
<strong>April</strong> können sie sich beim Jugendprogramm<br />
„DiscoverEU“ bewerben<br />
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Bahnpass gewinnen, um kostenlos<br />
viele Teile Europas zu bereisen<br />
und deren Vielfalt zu entdecken. Die<br />
Voraussetzung: Der eigene Geburtstag<br />
liegt zwischen dem 1. Juli 2003<br />
und dem 30. Juni 2004. Man kann<br />
sich auch mit Freund:innen gemeinsam<br />
bewerben. Reisezeitraum: zwischen<br />
Juli 2022 und Juni 2023. JOC<br />
•<br />
Infos: www.europa.eu/youth/<br />
discovereu_de<br />
Happy Birthday, BrotRetter!<br />
Alles andere als ein <strong>April</strong>scherz:<br />
Auf den Tag genau seit sechs Jahren<br />
ist am 1. <strong>April</strong> 2022 das Team der<br />
BrotRetter im Einsatz – eine vom<br />
Start weg erfolgreiche Kooperation<br />
von Hinz&<strong>Kunzt</strong> und der Bäckerei<br />
Junge, die in Lohbrügge ihren<br />
Anfang nahm. Die gute Idee:<br />
Backwaren vom Vortag werden im<br />
BrotRetter-Laden am Marktplatz<br />
Rothenburgsort zu günstigen Preisen<br />
verkauft – von einem Team aus<br />
Fachverkäufer:innen und ehemaligen<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer:innen. Für<br />
Letztere ist es die Gelegenheit, in<br />
einen sozialversicherungspflichtigen<br />
Job auf dem ersten Arbeitsmarkt<br />
zurückzukehren – unbefristet. Das<br />
Geschäft ist montags bis donnerstags<br />
von 7.30 bis 14<br />
Uhr geöffnet,<br />
freitags bis<br />
14.30 Uhr und<br />
am Samstag<br />
bis 13 Uhr.<br />
JOC<br />
•<br />
Fairer Lotse<br />
Wie fair und<br />
nach welchen<br />
Maßgaben arbeitet<br />
der Laden<br />
meines Vertrauens<br />
wirklich? Eine<br />
Antwort auf<br />
diese und ähnliche<br />
Fragen will<br />
der Stadtplan<br />
geben, den die<br />
Initiative Fair Trade Stadt Hamburg<br />
auf ihrer Webseite herausgebracht<br />
hat. Dort können Interessierte<br />
gezielt nach Händler:innen suchen<br />
oder nach fairen Angeboten für<br />
ganze Branchen oder einzelnen Artikeln<br />
forschen – von Blumen über<br />
Lebensmittel bis hin zu Weltläden.<br />
Der Faire Stadtplan will so einen<br />
Überblick geben über die diversen<br />
Akteur:innen und Angebote. Basis<br />
für einen Eintrag sind die Kriterien<br />
des Forums Fairer Handel, einem<br />
Netzwerk von Organisationen. JOC<br />
•<br />
Infos: www.fairtradestadt-hamburg.de<br />
5
Gutes Ankommen:<br />
Ehrenamt liche<br />
nehmen Geflüchtete<br />
am Hauptbahnhof<br />
in Empfang.
Welle der<br />
Hilfsbereitschaft<br />
Tausende Geflüchtete aus der Ukraine suchen<br />
in unserer Stadt Schutz. Viele Hamburger:innen<br />
helfen – mit Rat, Tat, Spenden oder Wohnraum.<br />
TEXTE: JONAS FÜLLNER, ULRICH JONAS<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK
Stadtgespräch<br />
Hamoudi floh selbst vor dem Krieg und hilft jetzt neu ankommenden Geflüchteten.<br />
Vom Geflüchteten zum<br />
Hanseatic-Helper<br />
Die vergangenen Wochen haben Erinnerungen bei<br />
Hamoudi hochgespült. „Es ist schrecklich. Du<br />
kannst die Sprache nicht, bist ziemlich verloren“,<br />
erinnert sich der gebürtige Syrer, der 2015 vor dem<br />
Krieg in seiner Heimat floh. Die Stimmung in<br />
Deutschland war eine andere als jetzt. Von einer<br />
„Flüchtlingskrise“ war die Rede. Helfer:innen wurden<br />
als „Gutmenschen“ tituliert. Zum Glück gab<br />
es von dieser Sorte Mensch viele. Etwa im Karoviertel,<br />
wo das Hilfsprojekt „Kleiderkammer“ in<br />
den Messehallen zu einem Anziehungspunkt für<br />
Unterstützer:innen wurde. Sie gründeten den<br />
Verein Hanseatic Help zu dem Hamoudi Kontakte<br />
knüpfte und bei dem er 2016 ein Freiwilliges<br />
Soziales Jahr absolvierte. Obwohl er später eine<br />
Ausbildung begann, sortiert der 28-Jährige weiterhin<br />
ehrenamtlich Kleidung. Zuletzt für Obdachlose.<br />
Jetzt für Geflüchtete aus der Ukraine. Hamoudi<br />
weiß, was Krieg bedeutet: „Meine Eltern blieben in<br />
der Heimat. Sie wurden bombardiert, überlebten,<br />
aber ich hatte eine Weile keinen Kontakt. Es war<br />
entsetzlich“, erinnert sich der junge Syrer. JOF<br />
•<br />
„Wir müssen helfen!“<br />
Edgar Leisle ist der Krieg sehr nah. Seine<br />
Frau stammt aus Kiew, und in dem<br />
Supermarkt, den der 42-Jährige in<br />
Tonndorf führt, kaufen Ukrainer:innen<br />
nicht nur ein, einige arbeiten auch dort.<br />
Schnell beschließt der Vater zweier<br />
Söhne: „Wir müssen helfen!“ Gemeinsam<br />
mit seiner Schwester startet er einen<br />
Spendenaufruf – mit überwältigender<br />
Resonanz. „Die Menschen fanden<br />
es toll, dass wir selbst fahren und<br />
sicherstellen, dass die Hilfe ankommt.“<br />
Zwei Kleinlaster voll mit Medikamenten,<br />
Verbandsmaterial und Lebensmitteln<br />
kamen innerhalb weniger Tage<br />
zusammen. Die haben Leisle und ein<br />
Mitstreiter an der polnisch-ukrainischen<br />
Grenze an Freiwillige übergeben,<br />
die die Hilfsgüter weiterverteilen. Mitte<br />
März brachte ein Lkw 33 Paletten<br />
Brot in die Ukraine, eine gemeinsame<br />
Initiative norddeutscher Mix-Markt-<br />
Betreiber:innen. Weitere Paletten mit<br />
Verbandsmaterial hat der Kaufmann<br />
mit dem Leiter einer Sanitätsschule gesammelt,<br />
ebenso Injektionsspritzen,<br />
Tragen und Defibrillatoren. Die warten<br />
auf den nächsten Transport.<br />
Eine Tante von Leisles Frau sowie<br />
eine Cousine mit zwei Töchtern leben<br />
nun bei ihnen – sie sind aus Kiew geflohen.<br />
Edgar Leisle kam in Kasach s-<br />
Sammelt Hilfsgüter für die Ukraine: Edgar Leisle<br />
8<br />
tan zur Welt. Aufgewachsen ist er in Sibirien,<br />
1994 mit den Eltern nach<br />
Deutschland gekommen. „Aber es geht<br />
nicht darum, wo man herkommt. Es<br />
geht darum, den Schmerz der Menschen<br />
in der Ukraine zu lindern.“ UJO<br />
•
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Stadtgespräch<br />
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Neues Zuhause<br />
Bei der Amalie Sieveking-Stiftung (Geschäftsführerin<br />
Annika Gürtler 4. von links)<br />
kommen fünf geflüchtete Frauen unter.<br />
Als Annika Gürtler von der Not Anastasias<br />
und Tetyanas erfährt, beschließt<br />
die Geschäftsführerin der Amalie Sieveking-Stiftung<br />
sofort: Wir helfen! Drei<br />
Tage haben Mutter und Tochter für<br />
ihre Flucht benötigt. Da Anastasia auf<br />
den Rollstuhl angewiesen ist, brauchte<br />
es viele Unterstützer:innen. Die ersten<br />
Nächte kommen die beiden übergangsweise<br />
bei einer Landsfrau unter, die<br />
schon länger in Hamburg lebt, so wie<br />
Soja (77), Lesia (49) und Vlada (23) –<br />
Oma, Mutter und Tochter – auch.<br />
Doch wo sollen die Frauen auf längere<br />
Sicht bleiben? Nur wenige Notunterkünfte<br />
sind für Menschen mit Handicap<br />
ausgelegt. Da fügt es sich gut, dass<br />
bei der Amalie Sieveking-Stiftung gerade<br />
Platz ist. Die Stiftung bietet Wohnraum<br />
für Menschen ab 60 Jahre, die<br />
es auf dem Markt besonders schwer<br />
haben. Unter denen stehen die nächsten<br />
9<br />
Unterstützerinnen schon bereit, erzählt<br />
Annika Gürtler. „Wir haben Patinnen<br />
gefunden, pensionierte Lehrerinnen<br />
oder Sozialarbeiterinnen, die sich um<br />
den Sprachunterricht kümmern.“<br />
Tetyana kommen Tränen der<br />
Dankbarkeit, als sie von der Flucht<br />
erzählt: „Ich bin sehr berührt von den<br />
vielen Freiwilligen, die uns geholfen<br />
haben“, sagt sie. „Die arbeiten Tag und<br />
Nacht, manche schlafen nur zwei oder<br />
drei Stunden. Dabei haben sie selbst<br />
Familien!“ Tochter Anastasia vermisst<br />
die Verwandten, die sie zurücklassen<br />
mussten: „Hier ist es sehr schön“, sagt<br />
sie. „Aber unser Herz ist in der Ukraine<br />
geblieben.“ Auch Vlada sorgt sich –<br />
und schmiedet Pläne; sie möchte ihr<br />
Psychologiestudium fortsetzen und<br />
knüpft Kontakte. Oma Soja sagt nur<br />
einen Satz: „Ich wünsche mir, dass der<br />
Krieg schnell zu Ende geht.“ UJO<br />
•<br />
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Stadtgespräch<br />
Umbauen statt<br />
neu bauen<br />
Trotz aller Anstrengungen bleibt Wohnraum in<br />
Hamburg knapp – und teuer. Andere Städte zeigen,<br />
wie der Umbau von Büros die Lage entspannen kann.<br />
TEXT: NIELS BOEING<br />
FOTOS: KONRATH UND WENNEMAR ARCHITEKTEN INGENIEURE (S.12) /<br />
FOTOGRAFIE DORFMÜLLER KLIER (S.14) / PHILIP SAUER (S.15)<br />
A<br />
ls hätten zwei Jahre Pandemie<br />
die Hamburger:innen<br />
nicht genug belastet, hat<br />
sich die Wohnungsnot in<br />
der Hansestadt weiter verschärft. Der<br />
Mietenspiegel verzeichnet den höchsten<br />
Anstieg seit 20 Jahren, die Zahl neu gebauter<br />
Sozialwohnungen hinkt dem Bedarf<br />
weit hinterher. In den Innenstadtlagen<br />
gleichen bezahlbare Wohnungen<br />
schon länger einem Sechser im Lotto.<br />
Selbst für WG-Zimmer werden inzwischen<br />
600, 700 Euro aufgerufen. Es<br />
fehlen: Wohnungen, Wohnungen,<br />
Wohnungen. Die Antwort seitens der<br />
Politik lautet: bauen, bauen, bauen.<br />
Doch so simpel ist es leider nicht.<br />
Einerseits ist freies Bauland in der<br />
Stadt knapp. Andererseits hat sich inzwischen<br />
herumgesprochen, dass Abriss<br />
und Neubau alles andere als nachhaltig<br />
sind. Beides produziert jede Menge<br />
Kohlendioxidemissionen und Sondermüll.<br />
Und auch neue Siedlungen am<br />
Stadtrand sind keine Lösung, denn sie<br />
versiegeln naturnahe Flächen und verstärken<br />
den Pendler:innenverkehr.<br />
Doch es gibt eine auch in Hamburg<br />
b isher weitgehend ungenutzte Möglichkeit:<br />
Bürogebäude in Wohnraum<br />
Früher ein Ort zum Arbeiten, heute<br />
einer zum Wohnen: das ehemalige<br />
Thyssen Trade Center in Düsseldorf.<br />
umzubauen. Vergangenes Jahr standen<br />
hier knapp 580.000 Quadratmeter<br />
Büroflächen leer, und angesichts des<br />
Trends zum Homeoffice könnten es<br />
noch mehr werden.<br />
Büros zu Wohnungen – geht das?<br />
Tatsächlich ist die Umwandlung anderswo<br />
bereits im Gange. Frankfurt hat<br />
2005 als erste deutsche Stadt eine<br />
Fachabteilung dafür gegründet. Jede<br />
dritte Wohnung in der Main-Metropole<br />
entsteht mittlerweile auf ehemaligen<br />
Büroflächen. Spitzenreiter des vergangenen<br />
Jahrzehnts war Berlin, auf das<br />
ein Drittel aller bundesweiten Umwandlungen<br />
entfiel. Wie ein Kurzgutachten<br />
der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes<br />
Bauen (ARGE) in Kiel gezeigt<br />
hat, rechnet sich das Umdenken: Die<br />
reinen Umbaukosten pro Quadratmeter<br />
– abzüglich des Grundstücks- oder<br />
Rohbaupreises – liegen im Vergleich<br />
zum Neubau bei knapp 40 Prozent.<br />
Umwandlungen haben noch andere<br />
Vorteile. „Die städtebaulichen<br />
Vorgaben oder gar Wettbewerbe entfallen“,<br />
sagt der Düsseldorfer Architekt<br />
Harald Wennemar. „Und der Zeitraum<br />
vom Beginn des Umbaus bis zur ersten<br />
Vermietung ist deutlich kürzer.“ Hinzu<br />
komme, dass das Bauvolumen von Gewerbegebäuden<br />
üblicherweise deutlich<br />
größer ist als das von Wohnhäusern.<br />
Der Architekt kennt das Thema aus<br />
eigener Erfahrung: Er hat mit seinem<br />
Büro das ehemalige Thyssen Trade<br />
11
Wurde abgerissen statt umgebaut: die sogenannte<br />
Post-Pyramide in der Hamburger City Nord<br />
Center im Osten von Düsseldorf umgebaut,<br />
das 2011 von Thyssenkrupp aufgegeben<br />
wurde. In dem extravaganten<br />
ringartigen Gebäude-Ensemble standen<br />
plötzlich 40.000 Quadratmeter Büroflächen<br />
leer. Weil sich kein Nachmieter<br />
fand, beschloss der neue Eigentümer,<br />
das Immobilienunternehmen Catella,<br />
den Bau in 340 Wohnungen umzuwandeln.<br />
Baurechtlich kann nach dem<br />
Kauf eines Bürogebäudes zwar nicht<br />
einfach losgelegt werden: In Gewerbegebieten<br />
muss zunächst der Bebauungsplan<br />
geändert werden, was bis zu zwei<br />
Jahre dauern kann. Doch in sogenannten<br />
Mischgebieten, die Wohnen<br />
und Gewerbe vorsehen – so wie beim<br />
Thyssen-Gebäude – geht es schneller.<br />
Hier sorgte die Stadt Düsseldorf für<br />
eine zügige Genehmigung.<br />
Auch technisch haben Bürogebäude<br />
ihre eigenen Herausforderungen: Es<br />
gibt viel weniger Toiletten als in Wohnhäusern,<br />
und Treppenhäuser und Fahrstühle<br />
befinden sich meist im Innern.<br />
Beim Thyssen Trade Center musste<br />
Wennemars Büro deshalb neun Treppenhäuser<br />
durch Geschosse „stanzen“,<br />
und für die benötigten 900 Bäder und<br />
Viele Bürogebäude<br />
hätten<br />
nicht verschwinden<br />
müssen.<br />
12<br />
Küchen waren mehr als 7000 Kernbohrungen<br />
nötig. An den Fassaden wurden<br />
Balkone aufgehängt. Es geht also.<br />
„Im Zuge der Klimadebatte könnte<br />
die bereits vorhandene Bausubstanz<br />
einen anderen Stellenwert bekommen.<br />
Dann werden Gebäude wie in der<br />
Hamburger City Nord nicht mehr einfach<br />
so abgerissen“, sagt ARGE-<br />
Geschäftsführer Dietmar Walberg. Ab<br />
1964 im Geiste der Nachkriegsmoderne<br />
mit Dutzenden Bürogebäuden und<br />
weiten Zwischenräumen errichtet, traf<br />
ihre Architektur ab den 2000er-Jahren<br />
den heutigen Zeitgeist, aber auch technische<br />
Standards nicht mehr. Die markante<br />
Oberpostdirektion etwa, im<br />
Volksmund „Post-Pyramide“ genannt,<br />
stand ab 2011 weitgehend leer, 2017<br />
kam der Abriss.<br />
Die 96.000 Quadratmeter Geschossfläche,<br />
die nun durch einen<br />
Neubau ersetzt werden sollen, hätten<br />
vielleicht nicht verschwinden müssen.<br />
Die Architektur-Professor:innen Andreas<br />
Hild und Faraneh Farnoudi von<br />
der Technischen Universität München<br />
haben in einer Studie systematisch<br />
unter sucht, wie man Bürogebäude verschiedenster<br />
Baujahre geschickt auch<br />
in kleinere Wohnungen umwandeln<br />
könnte. Mit dem von ihnen entwickel-
Im ehemaligen Hauptgebäude der Phoenix-Werke in Harburg<br />
wohnen heute vor allem Student:innen – zu stolzen Preisen.<br />
ten Typenkatalog sei es „jetzt sehr<br />
schnell möglich, standardisierte Grundrisse<br />
für eine effiziente Umsetzung“ zu<br />
schaffen, so ihr Fazit.<br />
Die entscheidende Frage, die sich<br />
dann stellt: Wie teuer wird der Wohnraum,<br />
der entsteht? Das ehemalige<br />
Hauptgebäude der Phoenix-Werke<br />
nahe des Harburger Bahnhofs dient<br />
heute vor allem Student:innen als<br />
Zuhause. Die Preise, die sie für die<br />
17 bis 25 Quadratmeter kleinen Apartments<br />
bezahlen, sind allerdings beachtlich:<br />
380 bis 900 Euro inklusive<br />
aller Nebenkosten sind es beim Vermieter<br />
„Vivo@Phoenix“, 890 Euro bei<br />
„PHNX“. Im sogenannten Aparthotel,<br />
das ebenfalls im alten Hauptgebäude<br />
untergebracht ist, kommen auch sogenannte<br />
Business-Longstay-Gäste unter:<br />
für 1150 Euro im Monat, plus 200 Euro<br />
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Samstag 10.00 - 14.00 Uhr
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Wohnen<br />
statt shoppen<br />
Zum Altenheim umgebaut:<br />
der ehemalige<br />
„Hertie“ in Rendsburg<br />
Ob Altenheim oder Wohnungen: Ehemalige Kaufhäuser<br />
können ein zweites Leben erhalten – wenn es gewollt ist.<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
FOTOS: ALLOHEIM SENIOREN-RESIDENZEN SE<br />
M<br />
an kann jedes Kaufhaus<br />
zu Wohnungen umbauen.<br />
Und das ist in jedem<br />
Fall günstiger als Neubau.“<br />
Der Mann, der das behauptet,<br />
sollte es wissen: Werner Schaffer hat<br />
einen ehemaligen „Hertie“ in ein<br />
Altenheim verwandelt, in Rendsburg,<br />
mitten in der Stadt. Die 110 Menschen,<br />
die neuerdings dort leben, genießen die<br />
zentrale Lage, sagt der Architekt. „Die<br />
können vor die Tür gehen und stehen<br />
auf dem Marktplatz.“ Und nur<br />
200 Meter weiter liegt die Fußgängerzone<br />
mit den Cafés.<br />
Die Geschichte des Rendsburger<br />
Kaufhauses ist typisch für die Branche:<br />
In den 1950er-Jahren gebaut, stand es<br />
14<br />
seit 2009 leer. Erst sieben Jahre später,<br />
2016, wechselte es den Besitzer. Zu der<br />
Gruppe regionaler Investor:innen, die<br />
das Haus kauften, gehört auch der<br />
Sohn des Architekten Schaffer. Was<br />
der Umbau zum Altenheim gekostet<br />
hat, will der Vater nicht verraten.<br />
„Geschäftsprinzip.“ Er nennt andere<br />
bemerkenswerte Zahlen: Anfangs habe
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Die Fußgängerzone<br />
liegt 200<br />
Meter entfernt –<br />
zur Freude der<br />
Senior:innen.<br />
der vormalige Eigentümer acht Millionen<br />
Euro für seine Immobilie gefordert.<br />
Nach sieben Jahren Leerstand war es<br />
nur noch eine Million.<br />
Dass ein ehemaliges Warenhaus<br />
heute zum Wohnen dient, ist die Ausnahme,<br />
sagt Nina Hangebruch. Die<br />
Stadtentwicklungsforscherin aus Dortmund<br />
hat für ihre Doktorarbeit<br />
220 Beispiele in ganz Deutschland untersucht.<br />
An rund 30 Standorten wird<br />
heute gewohnt statt gekauft. Doch umgebaut<br />
wurde dafür nur eine Handvoll<br />
Immobilien, so die Forscherin. Bei den<br />
anderen erfolgten Abriss und Neubau.<br />
Das könne sich aber bald ändern:<br />
Immer mehr Menschen kaufen im<br />
Internet ein, immer weniger in den<br />
I nnenstädten. Die Fläche, die der<br />
Handel für den Verkauf benötige,<br />
werde deshalb kleiner, der Umsatz<br />
ebenso. Das habe Folgen, so die Forscherin:<br />
„Der Handel konnte immer<br />
höchste Mieten zahlen. Künftig kann er<br />
das, wenn überhaupt, höchstens für die<br />
Erdgeschossflächen.“<br />
Die Coronapandemie hat den<br />
Wandel noch beschleunigt, wie ein<br />
Blick in die Hamburger Innenstadt<br />
zeigt: Wo bis Herbst 2020 Galeria<br />
Kaufhof und Karstadt Sports ihre<br />
Waren feilboten, herrscht heute weitgehender<br />
Leerstand. Nur das Erdgeschoss<br />
des früheren Kaufhofs hat sich<br />
übergangsweise in ein Schnäppchenparadies<br />
verwandelt. Was langfristig aus<br />
dem Haus wird, ist unklar. Die Wüstenrot<br />
& Württembergische AG, der die<br />
Immobilie gehört, beantwortet Nachfragen<br />
nur mit dem Hinweis, dass es<br />
„keinen neuen Sachstand zu vermelden<br />
gibt“. Ebenso wortkarg gibt sich die<br />
R+V Versicherung AG, Eigentümerin<br />
des benachbarten ehemaligen Karstadt<br />
Sports-Hauses: „Bitte haben Sie Verständnis,<br />
dass wir uns zu laufenden<br />
Mietvertragsverhandlungen nicht äußern<br />
können.“<br />
In Berlin-Lichtenberg haben zwei<br />
Investoren aus dem Westerwald vorgemacht,<br />
wie in einem ehemaligen<br />
Kaufhaus preiswerter Wohnraum ent<br />
stehen kann: Sie ließen ein leer stehendes<br />
Einkaufszentrum in 86 preiswerte<br />
Wohnungen umbauen (siehe H&K<br />
Nr. 282). Warum folgen andere nicht<br />
diesem guten Beispiel? Architekt Werner<br />
Schaffer hat eine Erklärung: Die<br />
Immobilien befänden sich oft in den<br />
Händen großer Konzerne, die weltweit<br />
agierten. Die würden die Häuser unrealistisch<br />
hoch bewerten, um ihre Bilanzen<br />
zu schönen – und könnten sich<br />
auch jahrelangen Leerstand leisten:<br />
„Einem Fonds, der eine oder zwei Milliarden<br />
Euro schwer ist, fällt der Ausfall<br />
der Mieteinnahme gar nicht auf.“ •<br />
ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />
Kommt von der Elbe.<br />
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Zahlen des Monats<br />
Klimaschutz<br />
Abschaffprämie<br />
für Autos<br />
2000 Euro<br />
für jeden Menschen, der sein Auto abschafft, fordert der Verkehrsexperte<br />
Michael Kopatz. Die Prämie sollen diejenigen bekommen, die ihren Wagen<br />
verkaufen und mindestens ein Jahr autofrei leben. Der Gedanke dahinter:<br />
Viele würden die „Abschaffprämie“ zum Anlass nehmen, zunächst den<br />
Kauf eines neuen Wagens aufzuschieben und später feststellen, dass<br />
sich auch ohne eigenes Auto gut leben lässt, sagt der Wissenschaftler vom<br />
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie: „Das dürfte wohl der<br />
weitaus effektivste Beitrag zu Klimaschutz und Verkehrswende sein, den<br />
man leisten kann.“<br />
Parallel, so Kopatz, könnten die Kommunen den Anreiz zum Autoverzicht<br />
mit eigenen Maßnahmen verstärken: etwa durch ein günstiges Ticket für<br />
den Nahverkehr und flächendeckende Carsharing-Angebote. Bislang habe<br />
sich keine der etablierten Parteien seine Vorschläge zu eigen gemacht, so<br />
der Forscher. Dabei wünschen sich laut einer Umfrage 80 Prozent der<br />
Menschen in Deutschland weniger Autos in ihrer Umgebung. Immerhin<br />
40 Prozent können sich vorstellen, auf ein eigenes Auto zu verzichten.<br />
Doch trotz aller Bekenntnisse zum Umweltschutz: Die Zahl der Autos in<br />
Deutschland wächst beständig. Bundesweit gibt es inzwischen mehr als<br />
48 Millionen Pkw – knapp 7 Millionen mehr als 2010. Würde jede:r zehnte<br />
Autobesitzer:in die „Abschaffprämie“ beanspruchen, entstünden dem Staat<br />
einmalig Kosten in Höhe von knapp 10 Milliarden Euro. Zum Vergleich:<br />
Dreimal so viel, knapp 30 Milliarden Euro, fließen nach Berechnungen<br />
des Umweltbundesamtes jedes Jahr in die Förderung klimaschädlichen<br />
Verkehrsverhaltens: etwa in Form von Steuernachlässen für Dienstwagen<br />
oder Pendelfahrten. •<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />
Mehr Infos: www.wupperinst.org und www.umweltbundesamt.de<br />
17
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Sie rücken Obdachlosigkeit<br />
in den Fokus:<br />
mobile Werbetafeln<br />
Eine Schutzhütte<br />
als Mahnung<br />
Eine mobile Werbetafel weist in Hamburg seit dieser Woche auf das Schicksal<br />
obdachloser Menschen hin. Auch als Notschlafplatz dient das „City Life Billboard“.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER<br />
FOTO: PHILIPP & KEUNTJE<br />
B<br />
is spätestens 2030 soll niemand<br />
mehr auf der Straße<br />
leben müssen. Neben der<br />
Europäischen Union und<br />
der Bundesregierung bekennen sich<br />
inzwischen fast alle Bundesländer zu<br />
diesem hehren Ziel – auch Hamburg.<br />
Da sich die Zahl der Obdachlosen in<br />
der Stadt im vergangenen Jahrzehnt<br />
verdoppelt hat, sind Zweifel angebracht.<br />
Der Senat müsse dringend<br />
sein Engagement verstärken, fordern<br />
jetzt nicht mehr nur Sozialeinrichtungen,<br />
sondern auch Werbetreibende in<br />
Hamburg. Mit der Kampagne „City<br />
Life Billboard“ rückt die Agentur<br />
Philipp und Keuntje das Thema im<br />
Zusammenspiel mit Hinz&<strong>Kunzt</strong> in<br />
18<br />
den Fokus der Öffentlichkeit. Auf einer<br />
mobilen Werbetafel können Unternehmen<br />
Anzeigen schalten, während<br />
der Anhänger gleichzeitig Obdachlosen<br />
als Schutzraum dient. Sogar übernachten<br />
ist dort möglich: Im Inneren<br />
des mobilen Wagens dient ein weicher,<br />
isolierter Boden als Notschlafplatz.<br />
Einen Wasseranschluss gibt es zwar<br />
nicht, aber immerhin einen Stromanschluss,<br />
eine abschließbare Tür und<br />
einen Notausgang.<br />
Für die ersten Wochen konnte die<br />
Werbekampagne bereits Sponsor:innen<br />
f inden, die die Kosten decken. Mit<br />
möglichen weiteren Einnahmen sollen<br />
Wohnungen oder Hostels für Menschen,<br />
die auf der Straße leben, angemietet<br />
werden. „Wohnen ist ein Grundrecht.<br />
Deshalb ist es ein Armutszeugnis<br />
für unser Land, dass dieses Grundrecht<br />
so vielen Menschen vorenthalten wird“,<br />
sagt Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Geschäftsführer Jörn<br />
Sturm. Hinz&<strong>Kunzt</strong> vertrete weiterhin<br />
den Anspruch, Menschen von der Straße<br />
dauerhaft in Wohnungen unterzubringen.<br />
Trotzdem sei das „City Life<br />
Billboard“ eine gute Gelegenheit, Aufmerksamkeit<br />
für das Thema Obdachlosigkeit<br />
zu schaffen. „Durch die Positionierung<br />
des Wagens an prominenten<br />
Hamburger Plätzen rücken die Schicksale<br />
der Wohnungslosen in das Bewusstsein<br />
der Menschen.“ •<br />
jonas.fuellner@hinzundkunzt.de
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Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Meldungen<br />
Politik & Soziales<br />
Hartz IV<br />
Sanktionsmoratorium „light“?<br />
Das von der Ampel-Koalition versprochene<br />
Sanktionsmoratorium<br />
bei Hartz IV soll kommen – in einer<br />
Light-Version. Das geht aus Ankündigungen<br />
der Bundesregierung hervor.<br />
Demnach sollen sogenannte Pflichtverletzungen<br />
von Hartz-IV-Beziehenden<br />
bis Jahresende vom Jobcenter<br />
nicht mehr mit einer Kürzung der<br />
Hilfe bestraft werden. Wer ohne wichtigen<br />
Grund nicht zu vereinbarten<br />
Terminen erscheine, müsse „weiterhin<br />
mit leistungsrechtlichen Konsequenzen<br />
rechnen“, so das Bundesarbeitsministerium.<br />
Laut Bundesagentur für<br />
Arbeit haben die Jobcenter vergangenes<br />
Jahr bis Ende November bundesweit<br />
163.448 Sanktionen verhängt,<br />
in Hamburg waren es <strong>350</strong>1 Geldkürzungen.<br />
In den weitaus meisten Fällen<br />
kürzt das Amt wegen sogenannter<br />
Meldeversäumnisse die Hilfe um<br />
10 Prozent – und kann das nach den<br />
Plänen der Regierung auch weiterhin<br />
tun. Ausgesetzt würden nur die Kürzungen<br />
um 30 Prozent, etwa wegen<br />
der Weigerung, an einer Maßnahme<br />
teilzunehmen. Der Grünen-Sozialpolitiker<br />
Andreas Audretsch kritisierte<br />
die geplante Ausnahmeregelung für<br />
das Nichterscheinen bei Terminen:<br />
„An dieser Stelle werden wir im parlamentarischen<br />
Verfahren nacharbeiten.“<br />
Wann der Gesetzentwurf im<br />
Bundestag diskutiert wird, ist unklar.<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat<br />
2019 geurteilt, dass die Kürzungspraxis<br />
der Jobcenter in Teilen nicht mit<br />
dem Grundgesetz vereinbar ist. UJO<br />
•<br />
Winternotprogramm<br />
Stadt lässt Notunterkünfte länger offen<br />
Das städtische Winternotprogramm für Obdachlose läuft dieses Jahr pandemiebedingt<br />
bis Ende <strong>April</strong>. Mit der Verlängerung um einen Monat wolle die Stadt<br />
„eine hinreichende Versorgung mit existenziellen Hilfsangeboten“ sicherstellen, bis<br />
Tagesaufenthaltsstätten und Beratungsstellen wieder „effektiv genutzt werden<br />
können“, erklärte die Sozialbehörde. Die zuletzt gering belegte Unterkunft Schmiedekoppel<br />
wurde Anfang März für Obdachlose geschlossen, um dort Geflüchtete<br />
unterzubringen. Zuletzt nutzten rund 650 Menschen pro Nacht die Winternotunterkünfte<br />
der Stadt. 100 fanden in Wohncontainern Schutz vor der Kälte, die anderen<br />
in zwei Großunterkünften. Eine davon ist ein ehemaliges Hotel in Billbrook, das<br />
wegen des vergleichsweise hohen Standards – Doppelzimmer mit eigenem Bad –<br />
gut angenommen wird: Die 200 Betten waren jede Nacht nahezu vollständig belegt.<br />
Welche Schlussfolgerungen die Stadt daraus zieht, will sie nach Ende des Programms<br />
erklären. Dann dürfte auch die insgesamt geringe Beliebtheit des Angebots Thema<br />
werden: Offiziell leben mindestens 2000 Obdachlose in Hamburg – die meisten von<br />
ihnen auch im Winter offenkundig auf der Straße. UJO<br />
•<br />
Wohnungslose<br />
Die Unterkunft wird zum Dauerzustand<br />
Gut 10.000 Menschen in Hamburg leben seit mehr als fünf Jahren in sogenannter<br />
öffentlich-rechtlicher Unterbringung. Das teilte der Senat auf Anfrage der<br />
Linksfraktion mit. Insgesamt wohnten vor Ausbruch des Ukraine-Krieges rund<br />
27.500 Menschen in städtischen Unterkünften. Die Mehrzahl von ihnen könnte<br />
in normalem Wohnraum leben, wenn es ihn für sie gäbe: Gut 5000 Betroffene<br />
haben ihre Wohnung verloren, weitere 12.500 sind Zugewanderte, die das Recht<br />
haben, in eigenen vier Wänden zu leben, aber keine finden. Der Ukraine-Krieg<br />
dürfte die Lage weiter verschärfen. Bis Redaktionsschluss (20. März) hatte<br />
Hamburg bereits 10.447 Geflüchtete aus der Ukraine registriert. Die tatsächliche<br />
Zahl dürfte deutlich höher sein, da viele zunächst bei Verwandten, Bekannten<br />
oder hilfsbereiten Hamburger:innen untergekommen sind. UJO<br />
•<br />
Wohnraumschutz<br />
Leerstand ohne Ende in der Grindelallee?<br />
Die Stadt scheint nicht in der Lage zu sein, den jahrelangen Leerstand von<br />
Wohnungen in der Grindelallee 80 zu beenden. 45.000 Euro Zwangsgelder<br />
hat der Eigentümer bislang nicht bezahlt, ein Gerichtsbeschluss, nach dem er<br />
sein Haus auf Vordermann bringen muss, bleibt ohne Wirkung. In dem schmucken<br />
Altbau stehen seit mittlerweile bald drei Jahren bis zu 26 Wohnungen leer.<br />
Die Linke und der Mieterverein zu Hamburg fordern, das Amt solle deshalb einen<br />
Zwangsverwalter einsetzen, die Stadt wartet allerdings den Ausgang eines<br />
Rechtsstreits ab. „Leider nutzt das Bezirksamt hier nicht sämtliche Mittel aus“, so<br />
Mieter:in nenschützer Paul-Hendrik<br />
Mann. Die Einsetzung eines Treuhänders<br />
sei „rechtlich zulässig und erforderlich“.<br />
UJO<br />
•<br />
20<br />
Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />
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ILLUSTRATION: ISTOCK/OLGA KURBATOVA
Auf gute<br />
Nachbarschaft!<br />
Sie sind täglich um, über und unter uns. Läuft es normal,<br />
bemerken wir sie kaum. Läuft es schlecht, machen sie<br />
Stress. Und läuft es so richtig gut, werden aus Nachbar:innen<br />
Freund:innen. Wie gute Nachbarschaft gelingen kann, ist<br />
Thema unseres Schwerpunkts. Wir haben einen Hauswart<br />
gefragt, wie er für gelungenes Miteinander sorgt (S. 22).<br />
Stellen Kioske vor, die besondere Orte der Begegnung<br />
sind (S. 26). Und haben erkundet, wie ein<br />
Nachbarschaftszentrum in St. Georg unterschiedlichste<br />
Menschen im Stadtteil zusammenführt (S. 34).
Nachbarschaft<br />
Experte für<br />
Nachbarschaft<br />
Niels Spohrmann weiß, was gute Nachbarschaft<br />
ausmacht – und wo es manchmal hakt. Seit 27 Jahren<br />
ist er Hausmeister bei der Hansa Baugenossenschaft.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER<br />
FOTOS: MIGUEL FERRAZ<br />
Hand aufs Herz: Wie viele<br />
der Menschen in Ihrem<br />
Mietshaus kennen Sie<br />
wirklich? Zwei, drei, vier?<br />
Räumliche Nähe führt nicht automatisch<br />
zu Gemeinschaft. Leichter zu<br />
Konflikten. Ein Beispiel? Ich bin gerade<br />
in einen Neubau mit Fahrradkeller gezogen.<br />
Die Tür hat einen Knauf, keinen<br />
Griff, und muss also nicht verriegelt<br />
werden. Wenn man sie vernünftig<br />
schließt. Trotzdem wurde sie kürzlich<br />
doppelt verschlossen. Passiv-aggressive<br />
Reaktion auf ein Fehlverhalten? Oder<br />
gar ein Konflikt? Niels Spohrmann<br />
muss lachen, wenn er solche Erzählungen<br />
hört. Sie sind sein Alltag. Der Hauswart<br />
der Hansa Baugenossenschaft betreut<br />
rund 500 Wohnungen. Konflikte<br />
moderieren, Streit lösen und Mieter:innen<br />
helfen ist sein Job. Seit 27 Jahren.<br />
Mit rund 10.000 Wohnungen zählt<br />
die Hansa zu den größten „Playern“ in<br />
Hamburg. Niels Spohrmanns Einsatzgebiet<br />
liegt im Stadtzentrum: St. Georg,<br />
Hafencity und St. Pauli. „Als ich bei der<br />
Hansa anfing, hatten wir noch einen<br />
Piepser wie ein Oberarzt“, erinnert er<br />
sich. „Da musste ich mir eine Telefonzelle<br />
suchen, um die Zentrale zurückzurufen.“<br />
Gepiepst habe es allerdings nur selten.<br />
Heute hingegen klingelt sein Telefon<br />
jede Viertelstunde. „Es hat sich schon<br />
verdammt geändert. Alles muss sofort<br />
Früher über Piepser, heute über<br />
Smartphone für die Mieter:innen<br />
erreichbar: Niels Spohrmann<br />
sein. Früher war es anders. Die Leute<br />
waren entspannter“, sagt der 62-Jährige,<br />
dem man sein Alter nicht ansieht.<br />
Hält ihn seine Arbeit jung? Niels<br />
Spohrmann lacht verlegen und verweist<br />
auf die Gene. Dass ihn der Job erfüllt<br />
und zugleich immer wieder vor neue<br />
Aufgaben stellt, dürfte allerdings dazu<br />
beitragen, dass ihm noch keine grauen<br />
Haare wachsen. Wobei auch unter den<br />
Hansa-Mitgliedern nicht nur Friede-<br />
Freude-Eierkuchen herrscht: „Einen<br />
Karton klein zu reißen, kriegen einige<br />
nicht auf die Reihe“, echauffiert sich<br />
Spohrmann. Wenn der Hauswart an<br />
überquellende Papiercontainer denkt,<br />
schwillt ihm der Kamm. „Die Rücksichtslosigkeit<br />
wird größer“, sagt der<br />
gebürtige Hamburger. Das sei aber<br />
wohl kein spezifisches Verhalten seiner<br />
Mieter:innen, sondern eine gesellschaftliche<br />
Entwicklung.<br />
Dennoch ist Spohrmann glücklich.<br />
„Es gibt viele, die sich bedanken. Das<br />
ist schön“, sagt der Hauswart. Natürlich<br />
gebe es auch Menschen, die sich<br />
beklagen. Wenn Handwerksarbeiten zu<br />
lange dauern, Reparaturen nicht<br />
schnell genug erfolgen. Doch auch die<br />
Hansa brauche die Hilfe von Fremdfirmen,<br />
die manchmal völlig ausgelastet<br />
wären. Zudem komme es immer öfter<br />
vor, dass Einzelteile nicht lieferbar<br />
s eien. Das führe verständlicherweise zu<br />
Unmut. Grundsätzlich habe er aber<br />
das Gefühl, dass die Bewohner:innen<br />
zufrieden seien. Und der Kontakt<br />
zwischen ihnen gut funktioniere.<br />
23
Rubrik<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Oben: Vor 16 Jahren entstand der<br />
Neubau im Brau-Viertel auf St. Pauli.<br />
Unten: Niels Spohrmann im Gespräch mit<br />
Anwohnerin Nadine Soetbeer-Lissek<br />
Seit 16 Jahren ist der Hauswart für die<br />
Bewohner:innen der Hansa-Häuser im<br />
Stadtzentrum zuständig. Zu einigen<br />
pflegt er ein fast schon persönliches<br />
Verhältnis. „Die melden sich sogar bei<br />
mir ab, wenn sie in den Urlaub fahren“,<br />
sagt Spohrmann nicht ohne Stolz.<br />
Fest angestellte Hausmeister oder<br />
eine „Anlaufstation für alles“ (Spohrmann)<br />
leisten sich heutzutage immer<br />
weniger Hauseigentümer:innen. Dort<br />
wo sie noch im Einsatz sind, ist es für<br />
die Mieter:innen ein Segen. „Wo ich<br />
24<br />
Sie gerade sehe“ ist der Satz, den er am<br />
häufigsten höre, sagt Spohrmann.<br />
Durch den engen Kontakt zu den Genossenschaftsmitgliedern<br />
ließen sich<br />
oftmals Situationen auflösen, bevor sie<br />
zu einem Problem würden.<br />
Trotzdem denke er manchmal sehnsüchtig<br />
an früher zurück. „Wenn es bei<br />
Oma Meyer hieß ,Bei meiner Lampe,<br />
da geht was nicht‘, haste noch eine neue<br />
Glühbirne reingedreht. Das gehörte zur<br />
Mieter:innenbetreuung dazu.“ Heute<br />
sei alles enger getaktet und der Verwaltungsaufwand<br />
viel größer. Ein Großteil<br />
seiner Arbeitszeit gehe für die Dokumentation<br />
von Mängeln und anderem<br />
drauf. Auch die gesetzlichen Vorschriften<br />
seien immer mehr geworden. Aber<br />
auch die Bewohner:innenschaft habe<br />
sich gewandelt. „Es kommen immer<br />
weniger Leute auf die Idee, mir einen<br />
Kaffee anzubieten“, sagt der Hauswart.<br />
Nicht unwesentlich sei der Wandel<br />
der Kommunikationsmittel. Traf man<br />
früher seinen Hauswart noch zu<br />
Sprechzeiten in dessen Büro an, melden<br />
sich die meisten Mieter:innen heutzutage<br />
lieber per E-Mail bei der Verwaltung.<br />
„Die neue Nachbarschaft trifft<br />
sich nicht mehr im Treppenhaus, sondern<br />
bei WhatsApp“, meint Spohrmann.<br />
Fast in jedem Haus gebe es inzwischen<br />
eine derartige Chat-Gruppe:<br />
„Das kann gut sein, aber auch anstrengend<br />
werden, wenn die sich gegenseitig<br />
aufpushen und in kleine Probleme<br />
reinsteigern.“<br />
Immerhin, diese Gruppen sind ein<br />
Beleg, dass zwischen den Mieter:innen<br />
kommuniziert wird. Und damit Kennenlernen<br />
und gutes Zusammenleben
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auch gelingt, fördert die Hansa<br />
sogar Nachbarschaftsfeste finanziell.<br />
Es bräuchten sich nur ein paar<br />
Bewohner:innen zusammentun und<br />
schon könne es losgehen, erklärt der<br />
Hauswart, der in den Anfangsjahren<br />
selbst die Feste für die Nachbarschaft<br />
im Brau-Quartier organisiert hat. Grill,<br />
Musikanlage und Spielgeräte stellt die<br />
Hansa. Trotzdem wird nicht in jeder<br />
Hansa-Wohnsiedlung regelmäßig gefeiert.<br />
Spohrmann findet das schade.<br />
Ob einige die Mühen scheuen? Vielleicht<br />
sollte der Hauswart die Debatte<br />
via WhatsApp anstoßen? Nein, die Einladung,<br />
Mitglied solcher Gruppen zu<br />
werden, hat er bislang dankend abgelehnt,<br />
sagt er. Zu ausufernd solle die<br />
Betreuung lieber nicht werden. Es gebe<br />
auch so genug zu tun. Er könne für die<br />
Rahmenbedingungen sorgen. Am Ende<br />
liege es an den Nachbar:innen, ob sie<br />
sich anfreunden oder nicht.<br />
Und dann erzählt er noch eine<br />
skurrile Begebenheit aus seinem Arbeitsleben.<br />
Vor Jahren habe ihn eine<br />
Mieterin angerufen: „Herr Spohrmann,<br />
da liegt einer in seiner Wohnung<br />
seit einer Viertelstunde auf dem Boden<br />
neben dem Bett. Können Sie mal prüfen,<br />
was da los ist? Nicht, dass der tot<br />
ist.“ Da war der gelernte Schlosser mit<br />
seinem Latein am Ende. Denn er war<br />
nicht vor Ort. Und er hatte keine Idee,<br />
auf welche Wohnung die Mieterin<br />
blickte. Eine Stunde später klingelte<br />
sein Telefon erneut – und brachte<br />
Erleichterung: „Der ist wieder aufgestanden“,<br />
hieß es am anderen Ende<br />
der Leitung.<br />
Dass Niels Spohrmann mal keine<br />
Lösung hat, kommt sonst selten vor.<br />
Schließlich kennt kaum jemand die<br />
Mieter:innen, aber auch die Bauten so<br />
gut wie er. Beim Brau-Quartier war er<br />
vor 16 Jahren sogar in die Fertigstellung<br />
der Häuser miteinbezogen. Eine<br />
Besonderheit, denn lange Jahre verwalteten<br />
die Hamburger Genossenschaften<br />
nur noch ihre Bestände. Der Neubau<br />
auf St. Pauli sorgte damals für Schlagzeilen.<br />
Auch weil die Hansa damit in<br />
neue Mietpreisdimensionen vorstieß.<br />
„Die Genossenschaften werden moderner,<br />
und sie haben durch interessante<br />
Nachbarschaft<br />
„Die Nachbarschaft<br />
trifft sich<br />
auf WhatsApp.“<br />
NIELS SPOHRMANN<br />
Neubauten, eben auch nicht mehr nur<br />
diese altbackenen Häuser aus den<br />
1950er-Jahren“, hält Niels Spohrmann<br />
der Kritik entgegen. Als die Bauten<br />
Ende der 2000er-Jahre fertiggestellt<br />
und Mieten von knapp über zehn Euro<br />
pro Quadratmeter verlangt wurden,<br />
war das auf St. Pauli noch eine Ausnahme.<br />
Heutzutage wohnt man im Brau-<br />
Quartier deutlich günstiger als in den<br />
umliegenden Straßen, in denen für<br />
unsanierte Altbauten inzwischen weit<br />
mehr verlangt wird. „Natürlich steigen<br />
auch bei uns die Mieten“, sagt Spohrmann.<br />
„Aber wir liegen mit dem<br />
Durchschnitt unserer Mieten immer<br />
unter dem Hamburger Mietenspiegel.“<br />
Wohl auch ein Grund, warum Nachbarschaft<br />
bei den Genossenschaften<br />
leichter fällt: Wer überteuerte Mieten<br />
zahlt, ist mit dem Angebot schneller<br />
unzufrieden und beschwert sich.<br />
Vor allem aber fehlt privaten Wohnungsunternehmen,<br />
die aus Kostengründen<br />
auf einen Hauswart verzichten,<br />
ein menschlicher Kummerkasten<br />
wie Niels Spohrmann, der für bessere<br />
Nachbarschaft sorgt. Kürzlich traf ich<br />
im Treppenhaus meinen Hauswart. Ich<br />
hatte schon ein „Ach, wo ich Sie gerade<br />
treffe“ auf den Lippen, als er mich ansprach:<br />
„Hallo, Herr Füllner. Die Tür<br />
zum Fahrradkeller bekommt übrigens<br />
einen Türschließer. Die fällt dann selbst<br />
zu, hat ja einen Knauf und muss also<br />
nicht mehr abgeschlossen werden ...“<br />
Niels Spohrmann hätte jetzt sicherlich<br />
noch angefügt: „Das gehört schließlich<br />
zum Service dazu.“ •<br />
Jonas Füllner ist erst kürzlich<br />
umgezogen und bereits jetzt<br />
völlig begeistert vom überaus<br />
freundschaftlichen Umgang<br />
zwischen den Nachbar:innen.<br />
jonas.fuellner@hinzundkunzt.de<br />
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Sie uns in Ihrem Testament!<br />
Als Testamentsspender:in<br />
wird Ihr Name auf Wunsch<br />
auf unseren Gedenk-Anker<br />
in der Hafencity graviert.<br />
Ein maritimes Symbol für<br />
den Halt, den Sie den sozial<br />
Benachteiligten mit Ihrer<br />
Spende geben.<br />
Wünschen Sie ein<br />
persönliches Gespräch?<br />
Kontaktieren Sie unseren<br />
Geschäfts führer Jörn Sturm.<br />
Tel.: 040/32 10 84 03 oder<br />
E-Mail: joern.sturm@hinzundkunzt.de<br />
25
26
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rubrik<br />
Kaugummi,<br />
Kippen und<br />
Klönschnack<br />
Wenn der Supermarkt schon geschlossen<br />
hat und die Tanke zu weit weg ist, retten<br />
Kioske gestressten Großstädter:innen<br />
den Abend. Aber die kleinen Läden ums<br />
Eck können noch mehr: Hier treffen sich<br />
Nachbar:innen und Fremde, Alte und<br />
Junge, Einsame und Partygänger:innen.<br />
Man kommt für eine Packung Zigaretten<br />
und geht mit einer ganzen Lebensgeschichte.<br />
Ein Gang durch eine Parallelwelt<br />
in Altona, Ottensen, Harburg und Wedel.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
Kioskbetreiber Robin Meric vor seinem<br />
Arbeitsplatz in der Stresemannstraße.<br />
27
Im Kiosk von Sakir<br />
Büjükodabasi wurde früher<br />
Obst und Gemüse verkauft<br />
(oben). Lichtkunst von Claudia<br />
Kulenkampff und Florian<br />
Tampe auf dem Dach des<br />
Kulturkiosks Blohmstraße<br />
28
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Nachbarschaft<br />
Kiosk 2000, Ottensen<br />
„Ein Traumjob ist das nicht“<br />
Die blauen Haifische kosten zehn Cent. Die weißen Mäuse auch. Draußen, auf der Plastikklappe,<br />
steht mit Edding geschrieben, ob der Süßkram für die gemischte Tüte mit oder ohne Gelatine ist.<br />
„Es gibt hier im Viertel viele Veganer und Muslime, für die ist das wichtig“, sagt Kioskbetreiber<br />
Sakir Büjükodabasi. Er selbst greift auch manchmal zu, aber seine Lieblingssorte ist gerade aus.<br />
1999 hat der Sohn türkischer Einwanderer den Kiosk übernommen. „Kiosk 2000“, das klang nach<br />
Zukunft. „Meine Eltern haben hier früher Obst und Gemüse verkauft, aber dann zog nebenan ein<br />
‚Penny‘ ein, und wir mussten uns etwas überlegen.“ Damals gab es in der Bahrenfelder Straße nur<br />
einen weiteren Kiosk. Und das Cornern war noch lange nicht erfunden. Jetzt hängt hier am<br />
Wochenende das Szenevolk auf den Fußwegen ab und versorgt sich mit billigem Kioskbier, Kippen<br />
und Kaugummi. Doch der Hype hat seinen Preis. „Auch bei uns hat sich die Miete verdoppelt, aber<br />
das ist immer noch super für die Verhältnisse in Ottensen. Diesen Laden würdest du für diese<br />
Miete jetzt niemals mehr bekommen“, sagt Sakir. Corona hat ihn aber hart getroffen: „Wir durften ja<br />
ab 22 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen. Unser Geschäft fängt aber erst ab 20 Uhr an. Das war<br />
wirklich schwierig.“ Erst langsam entspannt sich die Lage wieder. Dennoch sieht Sakir seinen<br />
Job kritisch: „Ich sage jedem, der einen Kiosk aufmachen will: ‚Du hast kein Privatleben mehr.<br />
Du arbeitest nur noch.‘ Ein Traumjob ist das nicht.“ Derzeit konzentriert er sich auf seinen<br />
neuen Laden: ein kleines Nudel-Restaurant in derselben Straße. „Da machen wir alles selbst.“<br />
Die Zahl 2000 im Kiosknamen, sie klingt jetzt fast schon ein wenig retro. •<br />
Ein Kiosk-Klassiker:<br />
die bunte oder gemischte Tüte –<br />
nicht nur bei Kindern beliebt<br />
Kiosk 2000 Bahrenfelder Straße 141, Ottensen, Mo–Do 7–1 Uhr, Fr+Sa 7–3 Uhr, So 9–1 Uhr<br />
Kulturkiosk Blohmstraße, Harburger Binnenhafen<br />
„Man wundert sich, dass so was überlebt“<br />
Pferdebockwurst gibt es hier nicht mehr, auch keine „Hafenlümmel“,<br />
eine Art größere Wiener Würstchen. Und will man ein Bierchen trinken,<br />
muss man es selbst mitbringen, denn: Seit 2015 wird am Kiosk<br />
Blohmstraße nichts mehr verkauft. Ein altes Werbeplakat mit dem<br />
Aufdruck „Hamburger Knacker“ erinnert noch an geschäftige Zeiten.<br />
Damals, als der Kiosk von Hafenarbeitern belagert wurde, die hier<br />
gern ihre Mittagspause verbrachten. Bereits 1876 eröffnete die kleine<br />
Trinkhalle. Erst 139 Jahre später hörte der letzte Pächter auf, weil die<br />
Stadt das Gelände neu bebauen wollte. Ein paar Harburger:innen<br />
retteten das „schrullige Kleinod“ (Denkmalverein) und machten einen<br />
„Kulturkiosk“ daraus. Seither finden hier mehrmals im Jahr Lesungen,<br />
Ausstellungen und Open-Air-Konzerte statt. „Wir haben den Kiosk<br />
zufällig bei einer Fahrradtour entdeckt“, sagt Künstlerin Claudia<br />
Kulenkampff. Gemeinsam mit Florian Tampe war sie auf der Suche<br />
nach vergessenen Orten für ein neues Projekt. „Der Kiosk hat förmlich<br />
geschrien: ‚Nehmt doch mich!‘“, sagt sie und lacht. Beide finden: Dieser<br />
Ort gehört gewürdigt. „Der Binnenhafen ist wie die Hafencity von<br />
Harburg: Alles türmt sich immer höher, das Viertel ist im Wandel“,<br />
sagt Kulenkampff. Und Tampe ergänzt: „Mittendrin steht dann dieses<br />
schiefe Ding. Man wundert sich, dass so was überlebt.“ Die<br />
Künstler:innen setzten dem Kiosk eine Lichtinstallation aufs Dach<br />
und hüllten den klapprig gewordenen Korpus mit einem Umhang ein,<br />
auf dem Fotos anderer vergessener Orte gedruckt sind. Im Februar<br />
leuchtete der Kiosk jede Nacht für vier Stunden, betrieben mit Solartechnik.<br />
„Wir haben erstaunlich viel Anerkennung bekommen für so<br />
ein relativ kleines Kunstprojekt“, sagt Florian Tampe. Bei der Vernissage<br />
waren sogar einige Hafenarbeiter dabei, die schon lange im Ruhestand<br />
sind. Nur Pferdewurst zur Feier des Tages gab es nicht.<br />
•<br />
29<br />
Kulturkiosk Blohmstraße<br />
Blohmstraße 28/Ecke Kanalplatz, Harburg Binnenhafen,<br />
geöffnet nur bei Veranstaltungen,<br />
www.facebook.com/kulturkiosk
Blitz-Kiosk, Altona-Nord<br />
„Das ist wie eine Therapie“<br />
Zack! Schon wieder hat der Blitzer auf der Stresemannstraße ausgelöst.<br />
1,03 Millionen Euro hat die fleißigste Radarfalle der Stadt<br />
vergangenes Jahr eingebracht. Schräg gegenüber, auf der anderen<br />
Straßenseite, sitzen junge Menschen auf einer Bierbank und grinsen.<br />
Sie haben gewettet, wen es wohl als nächstes erwischt – ein beliebter<br />
Zeitvertreib am Blitz-Kiosk. „Über den Namen habe ich mir viele<br />
Gedanken gemacht“, sagt Betreiber Robin Meric. Am Ende wurde es<br />
der offensichtliche. Seit 2017 steht Robin hinterm Verkaufstresen,<br />
geplant war das nicht: „Ich bin Koch und wollte eigentlich ein kleines<br />
Restaurant aufmachen“, sagt der 35-Jährige. Doch die Fläche war<br />
dafür viel zu klein, also: Kiosk. „Wir haben mitten im Winter eröffnet,<br />
einem Winter, in dem es noch richtig geschneit hat“, erinnert sich<br />
Robin. 16-Stunden-Tage, wenig Schlaf, aber nach einem halben Jahr<br />
lief es. Seine Stammkund:innen sind Student:innen, viele wohnen<br />
gleich nebenan. „Bevor es den Kiosk gab, kannten die sich kaum.<br />
Jetzt ist das anders“, sagt Robin. Wie auf Bestellung läuft ein junger<br />
30
Nachbarschaft<br />
Gegenüber vom Blitz-Kiosk steht eine Radarfalle – seit Neuestem<br />
blitzt sie mit Lasertechnologie. Kioskbetreiber Robin Meric<br />
(kleines Foto) ist eine familiäre Atmosphäre wichtig: Die mögen<br />
auch sein Neffe (großes Foto, sitzend) und sein Mitarbeiter.<br />
Mann am Kiosk vorbei und grüßt ihn. „Mir ist eine familiäre<br />
Stimmung ganz wichtig. Wenn du mal einen traurigen Tag hast,<br />
komm vorbei! Wir können über alles reden. Das ist hier wie eine<br />
Therapie.“ Die langen Nächte – am Wochenende kann es schon mal<br />
bis vier Uhr in der Früh gehen – machen Robin eigentlich nichts aus.<br />
Seit er Vater eines dreijährigen Kindes ist, versucht er allerdings<br />
etwas kürzer zu treten. Aber nach der langen Corona-Flaute zählt<br />
jeder Tag. „Ich hoffe, dass es wieder wie vorher wird“, sagt Robin.<br />
Gut, dass er jede Menge positiver Geschichten auf Lager hat:<br />
„Es gibt da zwei Leute, die sich hier immer getroffen haben. Die sind<br />
jetzt verheiratet.“ Er hätte auch sagen können: Die wurden hier vom<br />
Blitz getroffen. •<br />
Blitz-Kiosk<br />
Stresemannstr. 126, Altona-Nord,<br />
Mo–Do + So 10–0 Uhr, Fr+Sa 10–3.30 Uhr<br />
31
Kiosk und Getränke Otto, Wedel<br />
„Verkaufen ist mein Leben“<br />
Peter Otto steht seit 50 Jahren<br />
am Kiosk-Tresen. Ein anderes<br />
Leben hat er nie gewollt.<br />
Montagvormittag in Wedel. Im Minutentakt gehen<br />
Kund:innen in Peter Ottos Kiosk ein und aus: „Eine Lucky für<br />
zehn, und ne rote Pall Mall kannste auch noch mal bringen,<br />
bitte. Und gib mir doch auch noch ein Feuerzeug dazu, so<br />
ein weißes.“ Es sind fast ausschließlich Stammkund:innen,<br />
die hier Zigaretten kaufen, leere Getränkeflaschen gegen<br />
volle tauschen und sich die Tageszeitung holen. „Wenn mal<br />
jemand kommt, den ich nicht kenne, erschrecke ich mich<br />
richtig“, sagt der 76-jährige Chef und lacht. Seit 50 Jahren<br />
bedient er seine Kund:innen am Galgenberg schon. „Ich<br />
h abe nie etwas anderes gewollt als Verkaufen, das ist mein<br />
Leben“, sagt Otto und sortiert ein paar Zigarettenschachteln<br />
ein. Jeden Tag, außer sonntags, steht er nachts um eins auf,<br />
füllt Ware auf und kocht frischen Kaffee. Um vier Uhr öffnet<br />
32
Nachbarschaft<br />
Bunte Tüte:<br />
Kiosk-Wissen in Kurzform<br />
• Die Zahl der Kioske in Deutschland sinkt<br />
seit Jahren. 23.100 soll es noch<br />
geben (Stand: 2021), vor zehn Jahren waren<br />
es noch rund 28.000.<br />
• Gesamtumsatz der Kioske in Deutschland:<br />
rund 7,5 Mrd. Euro<br />
• 71 Prozent der Kioskbesitzer:innen in Deutschland<br />
haben einen Migrationshintergrund.<br />
• Die Preise für Waren im Kiosk sind im Durchschnitt<br />
zwischen 37 und 53 Prozent höher als im Supermarkt.<br />
• Hannover gilt als Kiosk-Hochburg in<br />
Deutschland: Mehr als 300 Kioske gibt es in<br />
der niedersächsischen Landeshauptstadt.<br />
(Quellen: Competence Center for on-the-go Consumption,<br />
NDR, Handelsblatt, Welt)<br />
HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />
DER ETWAS ANDERE<br />
STADTRUNDGANG<br />
Wollen Sie<br />
Hamburgs City<br />
einmal mit<br />
anderen Augen<br />
sehen? Abseits<br />
der glänzenden<br />
Fassaden zeigen wir<br />
Orte, die in keinem<br />
Reiseführer stehen:<br />
Bahnhofsmission<br />
statt Rathaus und<br />
Tagesaufenthaltsstätte<br />
statt Alster.<br />
Sie können mit<br />
unserem Stadtführer<br />
Chris zu Fuß auf<br />
Tour gehen, einzeln<br />
oder als Gruppe<br />
bis 25 Personen.<br />
Auch ein digitaler<br />
Rundgang ist<br />
möglich. Das ist fast<br />
genauso spannend.<br />
Offener Rundgang am Sonntag, 10.4. und 24.4.22, jeweils 15 Uhr<br />
Reguläre Rundgänge bequem selbst buchen unter:<br />
www.hinzundkunzt.de/stadtrundgang<br />
Digitale Rundgänge bei friederike.steiffert@hinzundkunzt.de oder<br />
Telefon: 040/32 10 84 04<br />
Kostenbeitrag: 5 Euro/10 Euro<br />
pro Person<br />
er, meist wartet da schon ein Stammkunde auf ihn. Auch<br />
seine Frau, mit der er seit 56 Jahren verheiratet ist, hat er<br />
hier kennengelernt: „Ich habe über dem Kiosk gewohnt und<br />
sie eine Straße weiter, das war optimal“, sagt er und lacht<br />
erneut. Wenn Kund:innen ein Wehwehchen plagt, googeln<br />
sie mögliche Ursachen nicht im Internet, sondern fragen<br />
ihn: „Die Leute sagen immer: ‚Du weißt doch alles!“, sagt<br />
Otto. So viel Einsatz hat seinen Preis: Im Urlaub war er<br />
zuletzt vor 21 Jahren. Normal, findet er. Außerplanmäßig<br />
geschlossen war noch nie, darauf ist er stolz: „Wenn hier zu<br />
ist, dann müsste ich tot sein!“ An die Rente denkt der Kioskbetreiber<br />
nicht. „Ich muss nicht zu Hause auf dem Sofa<br />
sitzen und in die Glotze gucken, da verblödet man.“ Solange<br />
sein Körper noch will, macht Peter Otto weiter. Dann kommt<br />
wieder Kundschaft: „Moin Dieter, wie immer?“ •<br />
Getränkemarkt & Kiosk Otto<br />
Galgenberg 94, Wedel,<br />
Mo–Fr 4–12.30 Uhr und 14–18 Uhr,<br />
Sa 4–13 Uhr, So geschlossen<br />
Simone Deckner hat sich<br />
früher nach der Schule Esspapier<br />
und saure Gurken in ihre bunte<br />
Tüte gepackt. Bei dieser Recherche<br />
gab es heißen Kaffee – so<br />
ändern sich die Zeiten.<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />
Wie klingt<br />
Hamburg?<br />
Schüler:innenwettbewerb von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> und AUDIYOU<br />
Wie klingt für euch Hamburg?<br />
Welche Menschen und Orte gehören dazu?<br />
Wir sind gespannt darauf, was für Persönlichkeiten,<br />
Geschichten oder auch Klänge ihr findet.<br />
Macht unsere Stadt hörbar!<br />
Gestaltet aus den Ideen einen Hörbeitrag, egal<br />
in welcher Form. Das kann eine kleine Geschichte,<br />
eine Reportage, ein Hörspiel, ein Song, ein Interview<br />
oder etwas anderes sein. Hauptsache, es ist hörbar<br />
und nicht länger als vier Minuten.<br />
Wir sind gespannt darauf! Aus allen Einsendungen<br />
wählt eine Expert:innen-Jury ihre Favoriten und<br />
stellt diese bei einer großen Abschlussveranstaltung<br />
für alle Teilnehmer:innen im Juni 2022 vor.<br />
Dabei gibt es viele Preise zu gewinnen.<br />
Einsendeschluss:<br />
2. Juni 2022<br />
Mehr Informationen, Teilnahmebedingungen<br />
und das Anmeldeformular gibt es<br />
unter hinzundkunzt@audiyou.de oder<br />
bei Stephanie Landa, Tel. 040 – 46 07 15 38.<br />
33
Alle Türen<br />
bleiben auf<br />
Im Stadtteilzentrum Schorsch in<br />
St. Georg treffen die unterschiedlichsten<br />
Menschen aufeinander. Sie schaffen<br />
es, Konflikte zu lösen, bevor sie<br />
überhaupt entstehen.<br />
TEXT: ANNA-ELISA JAKOB<br />
FOTOS: IMKE LASS
Nachbarschaft<br />
Das Schorsch in St. Georg<br />
bietet unterschiedlichsten<br />
Gruppen Raum. Bedingung:<br />
Die Tür muss immer für<br />
andere offenstehen.<br />
M<br />
itten in St. Georg, eine<br />
Straße entfernt von der<br />
„Gaybar Extratour“,<br />
zwischen dem Duft von<br />
Baklava und Nawashev-Gebäck, mit<br />
Blick auf Spielplatz und Kirchturm –<br />
hier steht das „Schorsch“.<br />
Auf 1400 Quadratmetern finden<br />
hier alle Raum, die Raum suchen;<br />
und so ist es ganz selbstverständlich,<br />
dass sich an manchen Tagen die Fridaysfor-Future-Kids,<br />
die Gruppe „Konfirmanden<br />
deutschafrikanisch“ und<br />
die „Regenbogenfamilie“ in Räumen<br />
„Wir<br />
vermeiden<br />
aktiv Konflikte.“<br />
PETRA THIEL, SCHORSCH-GESCHÄFTSFÜHRERIN<br />
direkt nebeneinander treffen. Die Bedingung:<br />
Ein Raum des Kinder- und<br />
Jugendzentrums muss immer ein offener<br />
sein. Denn alle, die interessiert sind,<br />
egal, ob aus dem Stadtteil oder von<br />
anderswo, sollen mitmachen dürfen.<br />
Was vor allem klingt wie eine schöne<br />
Idee, zeigt mittlerweile Wirkung im<br />
ganzen Stadtteil. „Wir vermeiden aktiv<br />
Konflikte“, sagt Petra Thiel, seit 1996<br />
im Stadtteil in der Kinder- und Jugendarbeit<br />
aktiv und Geschäftsführerin des<br />
35
Nachbarschaft<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Mehdi Aroui und Petra Thiel kennen St. Georg seit vielen Jahren – und schätzen das Miteinander im Stadtteil.<br />
Schorsch. Dessen Räume seien eine<br />
Ressource, die sie nutzten, um Menschen<br />
zu zeigen, dass es „auch noch<br />
andere Lebensmodelle gibt“ und dass<br />
diese oft nur eine Tür weiter stattfinden.<br />
Wer die Regeln der anderen<br />
kenne, meint Thiel, müsse die ja nicht<br />
gleich gut finden. Doch: „Je mehr sich<br />
die Menschen kennenlernen, desto<br />
mehr führt das zu einem konfliktfreien<br />
Miteinander.“<br />
Wie gut das normalerweise funktioniert,<br />
hat sich ausgerechnet gezeigt, als<br />
es nicht funktionierte. In der Coronapandemie<br />
und vor allem während<br />
der Lockdown-Phasen mussten sie im<br />
Schorsch häufig die Türen schließen,<br />
Kinder abweisen, den Einlass kontrollieren.<br />
Also genau das, was dem<br />
offenen Konzept widerspricht. Ob sich<br />
dadurch etwas verändert hat? „Tatsächlich<br />
kam es schneller zu Konflikten“,<br />
sagt Petra Thiel. Alle seien angespannter<br />
gewesen, die Jugendlichen<br />
schneller emotional. Miteinander auszukommen<br />
– das hätten viele erst wieder<br />
lernen müssen. Vor allem innerhalb<br />
der Familien habe es in dieser Zeit<br />
viel Streit gegeben. „Die Nachfrage für<br />
Beratungen von Familien hat sich fast<br />
verdoppelt.“<br />
Wenige Gehminuten vom Schorsch<br />
entfernt, weist Mehdi Aroui den Weg in<br />
die Muhajirin Moschee. Direkt neben<br />
dem „Tango Tanzstudio“ führt ein<br />
schmaler Gang zum Schuhregal und<br />
von dort über weichen Teppichboden<br />
in den Gebetssaal. Das Mittagsgebet ist<br />
„Wir sind<br />
wie eine große<br />
Familie.“<br />
MEHDI AROUI, AL MANAR STIFTUNG<br />
gerade vorbei, die Moschee deswegen<br />
leer. Aroui ist Vorsitzender der Al Manar<br />
Stiftung, einer islamischen Bildungsstiftung,<br />
die sich früher vor allem<br />
in der Moschee traf. Irgendwann sei ihnen<br />
der Platz aus gegangen. Dann gründete<br />
sich 2014 das Schorsch und lud die<br />
islamische Gemeinde zur Eröffnungsfeier<br />
ein.<br />
36<br />
Damals, erzählt Aroui, standen sie alle<br />
auf dem Spielplatz vor dem Schorsch,<br />
eine kleine Bühne war aufgebaut. Geschäftsführerin<br />
Thiel und der Pastor<br />
aus dem Viertel sagten beide: Das<br />
Schorsch wird zwar kirchlich gefördert,<br />
doch vor allem ist es von der Stadt<br />
Hamburg finanziert. Es sei offen für alle,<br />
lautete ihr Versprechen. Auch Aroui<br />
sollte auf die Bühne. Er wusste damals<br />
noch nicht, wie gut das funktionieren<br />
würde. Aroui hoffte nur, sie würden ihr<br />
Versprechen halten. Heute sagt er:<br />
„Das haben sie. Mittlerweile sind wir<br />
wie eine große Familie.“<br />
Als sie das erste Mal nach einem<br />
Raum im Schorsch fragten, fühlte sich<br />
seine islamische Gemeinde dennoch vor<br />
den Kopf gestoßen. Warum sollte jede:r<br />
reinkommen dürfen, wenn sie etwas besprachen?<br />
Wozu die Tür für alle öffnen,<br />
wenn es doch um ihre muslimische<br />
Gemeinde ging? Bedeutet das Toleranz?<br />
Doch sie ließen sich das Konzept<br />
erklären und willigten ein. Transparenz,<br />
so sagt Aroui, sei ihnen selbst sehr<br />
wichtig. Seit Jahren posten sie jede<br />
Predigt auf Facebook. Damit Skepsis
Peeerssssönnliicheee<br />
Assssssssiissssteeennz<br />
Nachbarschaft<br />
gar nicht erst entsteht, dafür umso mehr Dialog. Das<br />
bedeutet nicht, dass es keine Konflikte mehr gibt –<br />
aber dass sie gelöst werden, bevor sie sich verfestigen.<br />
Jedes Jahr organisiert Aroui den „Ramadan-<br />
Pavillon“. Nach dem Fasten mit den Jugendlichen<br />
der muslimischen Gemeinde folgt in einem großen<br />
Zelt ein Essen mit Freund:innen und Bekannten.<br />
Auch Menschen aus dem Schorsch sind eingeladen.<br />
„Dort können sie sehen, dass wir uns nicht wie ausgehungerte<br />
Vampire auf die Mahlzeiten stürzen, sondern<br />
alles sehr gesittet zugeht“, sagt Aroui und lacht.<br />
Was er damit meint: Egal welche abstrusen Bilder<br />
und Vorurteile über die anderen sich in den Köpfen<br />
festgesetzt haben – mithilfe des Schorsch setzen sie<br />
die Realität entgegen. „Im Schorsch wurden wir<br />
nicht nur zum Essen eingeladen, sondern auch zum<br />
Kochen, und ja, sogar zum Einkaufen“, sagt Aroui.<br />
Auch an diesem Nachmittag will er gleich noch<br />
weiter zum Einkaufen, das Abendessen für eine<br />
Jugendfreizeit besorgen. Dafür ist er extra zum<br />
Steindamm gefahren, denn er sagt: „Das Beste bekommt<br />
man hier, in St. Georg.“<br />
Wenn Geschäftsführerin Thiel von St. Georg<br />
spricht, meint sie weniger den Stadtteil, sondern den<br />
„Sozialraum“. Denn hier, nahe des Hauptbahnhofs,<br />
bewegen sich tagsüber rund viermal so viele<br />
Menschen, wie im Viertel wohnen. Ähnlich ist es im<br />
Schorsch: Nur rund die Hälfte derjenigen, die dort<br />
regelmäßig zusammenkommen, lebt in der Nachbarschaft.<br />
Die andere Hälfte stammt aus Stadtteilen wie<br />
Harburg, Altona, Borgfelde. Auch Aroui beobachtet:<br />
„Viele junge Menschen identifizieren sich mit diesem<br />
Stadtteil, obwohl sie hier nicht wohnen.“<br />
Aroui ist im Hamburg der Achtzigerjahre<br />
groß geworden. Er zeigt die Straße hinab auf die<br />
St.Georg-Borgfelde-Schule: Dort habe er damals<br />
Arabisch gelernt. Nun wachsen seine Kinder im<br />
Stadtteil auf. Sie gehen zum Arabischunterricht und<br />
in die Moschee, so wie er damals. Nur das Schorsch,<br />
das ist neu. •<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
OSTERMARSCH 2022<br />
NEIN ZUM<br />
KRIEG!<br />
Abrüsten statt Aufrüsten!<br />
Russische Truppen raus aus der<br />
Ukraine!<br />
Keine NATO-Expansion!<br />
Keine atomare Aufrüstung!<br />
Hamburger Forum für Völkerverständigung<br />
und weltweite Abrüstung e.V.<br />
www.hamburgerforum.org<br />
DEEEIINN NNEEEUEEERR<br />
JOB<br />
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IInnnffos<br />
RRuuff uunnns aannn did}gdkld<br />
Demonstration<br />
18. <strong>April</strong> um 13 Uhr<br />
Reeperbahn<br />
(Höhe Spielbudenplatz)<br />
Gastfamilien gesucht!<br />
Für 3 bis 6 Monate haben Sie eine Chance,<br />
einen jungen Menschen aus dem Ausland gegen<br />
eine Entschädigung aufzunehmen. Alle Infos unter:<br />
https://copernicus-stipendium.de/gastfamilien<br />
Kontaktieren Sie uns unter<br />
copernicus@hamburg.de oder 0176 / 30198955.<br />
Leichte Sprache:<br />
Es gibt den Text auch in Leichter<br />
Sprache. Scannen Sie den<br />
QR-Code mit dem Handy.<br />
Dann klicken Sie auf den Link.<br />
Der Text in Leichter Sprache öffnet<br />
sich. Oder Sie gehen auf unsere<br />
Webseite www.hinzundkunzt.de und suchen dort<br />
nach „Leichte Sprache“.<br />
www.huklink.de/<strong>350</strong>-leichte-sprache<br />
37<br />
abasto<br />
ökologische Energietechnik<br />
Für mehr soziale Wärme<br />
und eine klimaschonende<br />
Strom- und Wärmeversorgung.<br />
www.abasto.de
Minibord<br />
Schlüsselregal<br />
Mini-Ablage<br />
Nach getanem Job: Steffi Treiber<br />
freut sich über das bunte Ergebnis.<br />
Alte Schachtel?<br />
Nein. Neues Regal!<br />
Upcycling-Expertin Steffi Treiber zeigt,<br />
wie aus ausgedienten Weinkisten bunte Regale entstehen.<br />
TEXT: ANNETTE WOYWODE<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
D<br />
iese drei Weinkisten haben<br />
ein veredeltes Weiterleben verdient,<br />
so stabil wie sie gefertigt<br />
sind“, schrieb uns Leserin Iris Roß.<br />
Mit ihrer E-Mail nahm sie an der Verlosung<br />
teil, zu der wir in der Dezemberausgabe<br />
(H&K Nr. 346) eingeladen<br />
hatten. Die 52-Jährige hatte Glück: Ihr<br />
Name wurde aus dem Lostopf gezogen.<br />
Deshalb holten wir ihre kleinen,<br />
hölzernen Kisten ab und brachten sie<br />
in Steffi Treibers Atelier. Dort baute<br />
die Upcycling-Expertin drei farbenfrohe<br />
Mini-Wandregale daraus – wie Iris<br />
Roß es sich gewünscht hatte. „Ich<br />
38<br />
bin total begeistert vom Upcycling“,<br />
schrieb sie uns noch. „Ich arbeite auch<br />
selber Dinge auf, allerdings vornehmlich<br />
aus Stoff, da ich Modedesign studiert<br />
habe. Das Bearbeiten von Holz<br />
ist mir sehr fremd, aber ich finde es<br />
spannend.“ Mithilfe der Bauanleitung<br />
von Steffi Treiber macht sich Iris Roß<br />
beim nächsten Mal vielleicht selbst ans<br />
Werk. •<br />
annette.woywode@hinzundkunzt.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Bauen&Basteln<br />
Schlüsselregal<br />
Die Schlüsselanhänger:<br />
• Bohrmaschine und 3er-Bohrer • 2 cm x 2 cm Quadratleiste<br />
(gibt es im Baumarkt als Meterware) • Bleistift<br />
• Farbschale • Holzwasserbeize • Leinöl • zwei Baumwolltücher<br />
(alte Socke oder T-Shirt) • Handschuhe • Feile<br />
• 1,5 mm Drahtseil • Seitenschneider • 80er-Schleifpapier<br />
• 3 Pressklemmen, entsprechend der Dicke des Drahtseils<br />
Das Regal:<br />
• Zange • Schraubendreher<br />
• Schreinerwinkel (oder Lineal) • 80er-Schleifpapier<br />
Das brauchen Sie:<br />
• Bohrmaschine und 3er-Bohrer • Bleistift • 2 Schraubzwingen<br />
• Handsäge (Steffi Treiber nutzt eine Japansäge)<br />
• Zum Bemalen: wasserlöslicher Buntlack, Abtropfwanne,<br />
Pinsel, Schaumwalze • zwei Haken<br />
Mini-Garderobe:<br />
• siehe das Material für das Schlüsselregal (bis auf zwei Haken)<br />
• Paketschnur • Schere • Klebstoff<br />
Mini-Ablage:<br />
• siehe das Material für das Schlüsselregal (bis auf zwei Haken)<br />
Schlüsselregal – so geht’s:<br />
Wir beginnen mit den Schlüsselanhängern, denn die brauchen wir später zum Maßnehmen.<br />
3<br />
1<br />
4<br />
2<br />
Die Schlüsselanhänger<br />
1 Von der Quadratleiste drei 2 cm mal 2 cm<br />
große Würfel absägen.<br />
2 Mit dem Lineal von Ecke zu Ecke Linien ziehen,<br />
sodass in der Mitte ein Kreuz entsteht.<br />
3 Die Kanten der Würfel glatt schmirgeln.<br />
4 Am Mittelpunkt des Kreuzes mit dem Bohrer<br />
ein Loch durch jeden Würfel bohren.<br />
39
Bauen&Basteln<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
5<br />
6 7<br />
8 9<br />
Nun bauen wir<br />
das eigentliche Regal:<br />
5 Holzwasserbeize in eine Farbschale füllen.<br />
Handschuhe überziehen und Baumwolllappen<br />
mit Beize tränken. Die Holzwürfel damit abtupfen,<br />
um ihnen eine schöne dunkle Farbe zu geben.<br />
Sobald die Würfel trocken sind, zweites Tuch mit<br />
Leinöl tränken und die Würfel mit dem Öl versiegeln.<br />
6 Drahtseil auf Länge zuschneiden (hier 21 cm).<br />
7 Beide Enden durch das Loch fädeln, sodass eine<br />
Schlaufe entsteht. Die Enden des Drahtseils mit einer<br />
Pressklemme verschließen, damit sich die Schlaufe<br />
nicht lösen kann. Dafür eine Zange zu Hilfe nehmen.<br />
8 Die überstehenden Enden mit dem Seitenschneider<br />
abklemmen.<br />
9 Zum Schluss die Drahtseil-Enden glatt schleifen, damit<br />
man sich später nicht am scharfen Draht verletzten<br />
oder Löcher in die Kleidung reißen kann.<br />
1<br />
Zur Erinnerung:<br />
So soll es am<br />
Ende aussehen.<br />
2<br />
Schlüsselregal<br />
1 Kistendeckel mit Zange und Schraubendreher abtrennen.<br />
2 Die Unterseite des Regals soll nur noch so tief sein, dass die Schlüsselanhänger<br />
bequem daran Platz finden. Um die richtige Größe zu bestimmen,<br />
einen der Holzwürfel anhalten und das Maß einzeichnen.<br />
40
3 a+b Mit dem<br />
Schreinerwinkel je<br />
eine schräge Linie<br />
auf die Seiten des<br />
Regals und eine<br />
weitere Linie an<br />
der Unterseite<br />
des Regals<br />
einzeichnen.<br />
4 a+b Kiste mit<br />
den zwei Schraubzwingen<br />
auf der<br />
Arbeitsunterlage<br />
fixieren. Mit der<br />
Handsäge entlang<br />
der Linien das<br />
Holz zusägen.<br />
3a<br />
4a<br />
3b<br />
4b<br />
5a<br />
5b<br />
5 a-c Wir arbeiten nun an der abgesägten<br />
Unter seite weiter: In gleichem Abstand über die<br />
Regal unterseite verteilt die Positionen für die drei<br />
Schlüsselanhänger anzeichnen (als Linie, denn<br />
dort sollen Spalten entstehen, in die die Schlüsselanhänger<br />
später hineingeschoben werden können)<br />
sowie für die zwei Haken (als Punkt, denn dort<br />
werden die Haken später bloß hineingeschraubt).<br />
Tipp: Als Begrenzung fürs Aussägen der Spalten ans<br />
Ende der Linie mit dem Bohrer je ein Loch setzen.<br />
5c<br />
8<br />
9<br />
10<br />
6 Entlang der Linien nun Schlitze ins Holz sägen, sodass das Drahtseil<br />
des Schlüsselanhängers bequem hindurch geschoben werden kann.<br />
7 Die Kiste entlang der gesamten Sägeflächen sorgfältig abschmirgeln.<br />
6 7<br />
8 Zuletzt das Holz lackieren: zuerst<br />
mit dem Pinsel die Ecken, dann die<br />
glatten Seiten mit der Schaumrolle.<br />
9 Nach dem Trocknen die zwei<br />
Haken an den gewünschten Stellen<br />
der Regalunterseite eindrehen.<br />
10 An der Rückseite auf gleicher Höhe<br />
zwei Markierungen für die Auf hängung<br />
setzen und Löcher bohren. Fertig!<br />
41<br />
Weiter mit dem Minibord!
Bauen&Basteln<br />
Minibord – so geht’s:<br />
Zur Orientierung:<br />
das fertige Minibord<br />
4<br />
5<br />
6<br />
1 2<br />
1 Kistendeckel abtrennen (siehe S. 40 unten)<br />
2 Bereich, der entfernt werden soll, mit dem<br />
Bleistift anzeichnen. Kiste mit den zwei<br />
Schraubzwingen auf der Arbeitsunterlage<br />
fixieren und markierten Bereich aussägen.<br />
Sägeflächen gründlich mit Schleifpapier<br />
glatt schmirgeln.<br />
3 Sollte die Kiste – wie hier – genagelt sein,<br />
mit einem Schraubendreher (Steffi nutzt einen<br />
Klammerheber) die Kistenwand abheben.<br />
3<br />
4 Überstehende Nägel mit dem<br />
Seitenschneider abknipsen.<br />
5 Da die Kiste nicht geleimt, sondern<br />
genagelt bzw. die Bretter ineinander<br />
gesteckt waren, kann man hier nach<br />
Wunsch einfach mit der Zange die<br />
kleinen Holzwürfelchen ziehen.<br />
6 Mit dem 3er-Bohrer mittig in die<br />
nun herausragenden Holzzähnchen<br />
je ein Loch bohren. Regal nach<br />
Wunsch lackieren (siehe hierzu<br />
S. 41, Bild 8).<br />
7a<br />
7b 7c 8<br />
7 a-c Nach dem Trocknen die Paketschnur durch die Löcher fädeln,<br />
sodass auf der Regalvorderseite ein Fallschutz entsteht.<br />
Tipp: Damit sich die Schnur besser durch die Löcher fädeln lässt,<br />
das eine Ende zuvor mit Klebstoff bestreichen und trocknen lassen.<br />
8 Nun die Schnur auf Spannung bringen und am Anfang<br />
und Ende mit je einem Knoten fixieren. Zuletzt die Löcher für die<br />
Aufhängung bohren (siehe Seite 41, Bild 10). Fertig!<br />
42
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Bauen&Basteln<br />
Mini-Ablage – so geht’s:<br />
Diese Form soll<br />
das Regal erhalten.<br />
2<br />
1a<br />
3a<br />
1b<br />
1 Deckel abtrennen und Kiste mit den zwei Schraubzwingen<br />
auf der Arbeitsunterlage fixieren. Den auszusägenden Bereich<br />
mit dem Bleistift anzeichnen und mit der Handsäge absägen.<br />
2 Sägekanten gründlich mit Schleifpapier glatt schmirgeln.<br />
3 Auf gleicher Höhe zwei Löcher für die Aufhängung bohren.<br />
4 Kiste nach Wunsch lackieren und trocknen lassen. Fertig!<br />
4<br />
Upcycling-Unikat gesucht?<br />
Fehlt Ihnen in Ihrer Wohnung ein dekorativer Gegenstand? Haben Sie Altes oder Ungenutztes<br />
im Schrank, auf dem Dachboden oder im Keller, aus dem etwas Neues entstehen kann?<br />
Mit Glück baut Ihnen Steffi Treiber daraus ein Upcycling-Unikat!<br />
Schicken Sie uns bis zum 30. Mai 2022 eine E-Mail an redaktion@hinzundkunzt.de. Schreiben<br />
Sie uns, was Ihnen fehlt und schicken Sie Handyfotos oder einen Handyfilm dazu: 1) von den ungenutzten<br />
Dingen, die Steffi Treiber fürs Upcycling verwenden könnte und 2) von der Leerstelle in Ihrer Wohnung.<br />
Unter allen Einsendungen losen wir eine:n Kandidat:in aus. Im Raum Hamburg holen wir<br />
den Gegenstand ab. Nach der Bauphase bringen wir Ihr neues Lieblingsstück zu Ihnen nach Hause.<br />
Einschränkung: Der Gegenstand muss mit einem normalen Pkw leicht zu transportieren sein.<br />
Die Bauanleitung für dieses Upcycling-Unikat veröffentlichen wir in unserer September-Ausgabe 2022.<br />
Glücklich:<br />
Gewinnerin Iris<br />
Roß mit einem der<br />
neuen Regale.
Freunde<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Ulrike Johannsen,<br />
Hans-Gerhard Meyer und<br />
Birgit Peuker (von links) bei der<br />
Übergabe des Kunstwerks<br />
Herr Bohm kommt rum<br />
Birgit Peuker und Herr Bohm sind unzertrennlich: Er hilft der Professorin,<br />
auf soziale Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Das Ungewöhnliche:<br />
Herr Bohm ist ein Bild, das sie zugunsten von Hinz&<strong>Kunzt</strong> ersteigert hat.<br />
TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />
FOTO: LENA HEILER<br />
Wenn Birgit Peuker von<br />
Herrn Bohm erzählt,<br />
meint sie zwar eigentlich<br />
sein Porträt. Dieses<br />
Gemälde hat jedoch inzwischen so etwas<br />
wie ein Eigenleben entwickelt. Wie<br />
die 49-Jährige mit ihm zusammengekommen<br />
ist, erzählt sie immer wieder<br />
gern: Regelmäßig pendelt die Professorin<br />
für „Ernährung und Hauswirtschaft<br />
und ihre berufliche Didaktik“ aus ihrer<br />
Heimatstadt Dresden zur Arbeit an die<br />
Europa-Universität Flensburg. Bei den<br />
Zwischenstopps in Hamburg kaufte sie<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> immer bei ihrem Stammverkäufer.<br />
Dann kam Corona, und das<br />
Pendeln hörte auf.<br />
Bei ihrer ersten Reise nach dem<br />
Lockdown sprach sie in Hamburg<br />
prompt ihr Verkäufer an: „Er hat mich<br />
gleich erkannt, ich ihn aber nicht“, erzählt<br />
Birgit Peuker. „Ich hatte ihn völlig<br />
vergessen und war so erschüttert über<br />
mich selbst!“ Im Magazin entdeckte sie<br />
dann das Bild von Herrn Bohm, das zugunsten<br />
von Hinz&<strong>Kunzt</strong> versteigert<br />
werden sollte. „Dieser eindringliche<br />
Blick! Dieses Bild musste ich haben.“<br />
44<br />
Das Porträt von Klaus-Dieter Bohm hat<br />
der Hamburger Künstler Hans-Gerhard<br />
Meyer 2006 gemalt. Er hatte sich<br />
über die Diskussion geärgert, dass<br />
Obdachlose bei der Austragung der<br />
Fußball-Weltmeisterschaft das Stadtbild<br />
stören könnten. Am Bahnhof traf<br />
er den wohnungslosen Klaus-Dieter<br />
Bohm und überzeugte ihn davon, sich<br />
malen zu lassen. Im Hintergrund des<br />
Bildes ist das Rathaus zu sehen, um auf<br />
das Stillschweigen dort hinzuweisen.<br />
Maler und Porträtierter trafen sich<br />
noch einmal, Klaus-Dieter Bohm gefiel
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Freunde<br />
JA,<br />
ICH WERDE MITGLIED<br />
IM HINZ&KUNZT-<br />
FREUNDESKREIS.<br />
Damit unterstütze ich die<br />
Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
sein Bild. Was aus ihm geworden ist,<br />
weiß Hans-Gerhard Meyer nicht.<br />
Nach mehreren Ausstellungen<br />
spendete er das Bild im Jahr 2020 für<br />
die Versteigerung zugunsten von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>. So kam Birgit Peuker ins<br />
Spiel, die das Bild erwarb. Es hängt indes<br />
nicht bei ihr zu Hause. Sie stellt es<br />
ihrer Universität als Leihgabe zur<br />
Verfügung. „Als Team haben wir<br />
uns vorgenommen, stets mindestens<br />
ein Projekt durchzuführen, das<br />
Menschen im Fokus hat, die zu wenig<br />
Beachtung finden. Herr Bohm erinnert<br />
uns daran“, sagt sie.<br />
Überrascht hat sie aber die starke<br />
emotionale Reaktion ihrer Studierenden,<br />
als das Bild kürzlich übergeben<br />
wurde. Obwohl die Studierenden bereits<br />
zum Thema Armut gearbeitet<br />
hatten, war die Wirkung groß: „Eine<br />
Studentin hat geweint, eine andere<br />
wurde sehr wütend und betroffen<br />
wegen der sozialen Ungerechtigkeit“,<br />
erzählt Birgit Peuker und staunt immer<br />
noch darüber, wie Herr Bohm Menschen<br />
berührt. Das will sie für ihre<br />
Arbeit nutzen. „Das Bild ist ein<br />
Wachmacher.“<br />
Mit Herrn Bohm hält Birgit Peuker<br />
nun Vorträge, er ist im sozialen Netzwerk<br />
LinkedIn vertreten, und die Professorin<br />
denkt darüber nach, Herrn<br />
Bohm twittern zu lassen, „wissenschaftlich<br />
natürlich.“ Sensibel passe sie<br />
darauf auf, dass Herr Bohm – der reale –<br />
sich nicht benutzt fühlen könne, sagt sie<br />
selbstkritisch. Doch es gehe ihr um den<br />
Symbolwert des Bildes, nicht um<br />
die wirkliche Person: „Das Bild ist ein<br />
eigener Charakter mit einer eigenen<br />
Geschichte, die wir fortschreiben.“ •<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Meine Jahresspende beträgt:<br />
60 Euro (Mindestbeitrag für<br />
Schüler:innen/Student:innen/<br />
Senior:innen)<br />
100 Euro<br />
Euro<br />
Datum, Unterschrift<br />
Ich möchte eine Bestätigung<br />
für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Dankeschön<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
Wir danken allen unseren Spender:innen, die<br />
uns im März 2022 unterstützt haben, sowie<br />
allen Mitgliedern im Freundeskreis von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>! Ausdrücklich danken wir allen<br />
Spender:innen – kleine Beträge und große<br />
Beträge werden geschätzt! Auch unseren<br />
Unterstützer:innen auf Facebook: ein großes<br />
Dankeschön!<br />
DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />
• wk it services<br />
• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
• die Hamburger Tafel<br />
• die Obstmonster GmbH<br />
• Hanseatic Help<br />
• Axel Ruepp Rätselservice<br />
• die Hamburger Kunsthalle<br />
• die Trauergäste von Johannes Elvers,<br />
der mit 100 Jahren verstorben ist<br />
• die Geburtstagsgäste von Tina Lütkehölter<br />
• die Glücksspirale<br />
• die Gesamtschule Stellingen für den Erlös<br />
aus dem Verkauf der Baumwolltaschen<br />
„Corona will be yesterday“<br />
• Julia und Sven Knigge und<br />
ihre Geburtstagsgäste<br />
• die AMP Schulbegleitung Hamburg<br />
• die Konfirmand:innen der Ev. Kirchengemeinde<br />
St. Peter und Paul in Bardowick<br />
NEUE FREUNDE:<br />
• Alexandra Callenberg • Christel Eschert<br />
• Christian Frerichs • Benedikt Just<br />
• Jakob Krafft • Peter Nahke<br />
• Fabian Pfeifer • Franz Rössle<br />
• Christian Schneider • Sabine Schulz<br />
• Christina Seyd • Wolfgang Wendt<br />
• Antje Wiese • Luise und Joachim Zettl<br />
IBAN<br />
BIC<br />
Bankinstitut<br />
Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />
der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />
Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />
Ja<br />
Nein<br />
Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />
Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />
Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />
Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />
genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />
jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />
mehr von uns bekommen möchten, können<br />
Sie jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer<br />
personenbezogenen Daten widersprechen.<br />
Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />
einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />
Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />
Minenstraße 9, 20099 Hamburg<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
45<br />
HK <strong>350</strong>
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Was unsere Leser:innen meinen<br />
Patenkind entdeckt dank Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
„Tolle Zeitschrift“<br />
H&K 349: „Die Geldverbesserer“<br />
Zufällig habe ich heute Ihre tolle Zeitschrift<br />
erworben und sie sehr gerne<br />
gelesen! Respekt, was für eine super<br />
Arbeit Sie machen! DEBORAH DIETRICH<br />
Habe die März-Ausgabe gelesen, war<br />
enttäuscht! Habt ihr zuviel Geld oder<br />
warum reist euer Fotograf bis nach<br />
Argentinien für einen Bericht über<br />
Lithium-Gewinnung, das doch eher die<br />
reiche Mittelschicht betrifft? CHRISSIE<br />
Anmerkung der Redaktion: Der freie Fotograf<br />
hat die Reise selbst bezahlt. Im Übrigen<br />
stellt die Umweltzerstörung in den ärmeren<br />
Ländern des globalen Südens ein Problem<br />
dar, das nicht nur die Mittelschicht hierzulande<br />
betrifft – sondern vor allem auch die<br />
Benachteiligten dort.<br />
Patenkind entdeckt dank H&K<br />
H&K 348, „Ich war voll der Nischenheini“<br />
Ich wollte ein großes Dankeschön<br />
sagen, ich habe über eure Ausgabe mit<br />
dem Bericht über den Schauspieler Jan<br />
Georg Schütte und sein Engagement<br />
für die Accion Humana in Ecuador<br />
mein künftiges Patenkind George<br />
Axiel entdeckt. Es bereichert mich<br />
sehr, dass ich nun sein Leben begleiten<br />
darf. Natürlich schmälert das nicht<br />
mein künftiges Engagement für die<br />
obdachlosen Menschen in Hamburg.<br />
<br />
SABINE<br />
„Großartige Aktion“<br />
H&K 348, „Siegeszug eines Plastikstuhls“<br />
Warum gibt es kein Spendenkonto in<br />
Deutschland, über das man diese großartige<br />
Aktion (mit Spendenbescheinigung)<br />
unterstützen kann?! MARTIN HILL<br />
Anmerkung der Redaktion: Die Organisation<br />
Free Wheelchair Mission, über die in dem<br />
Dokumentarfilm „Monobloc“ berichtet wird,<br />
hat ihren Sitz in den USA. Spenden werden<br />
also von dort eingeworben, über die Internetseite<br />
www.freewheelchairmission.org<br />
Leser:innenbriefe geben die Meinung der<br />
Verfasser:innen wieder, nicht die der Redaktion.<br />
Wir behalten uns vor, Briefe zu kürzen. Über Post<br />
an briefe@hinzundkunzt.de freuen wir uns.<br />
Wir trauern um<br />
Daiga Freidenfelde<br />
11. Dezember 1983 – Oktober 2020<br />
Daiga starb nach schwerer Krankheit in ihrer Heimat<br />
Lettland, wie wir erst kürzlich erfahren haben.<br />
Die Verkäufer:innen und das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />
100Jahre<br />
Trauern<br />
ist<br />
heilsam.<br />
Wenn die Welt<br />
auf einmal<br />
stillsteht.<br />
Zuverlässige und<br />
persönliche Hilfe im<br />
Trauerfall – jederzeit.<br />
Immer für Sie da.<br />
040 - 24 84 00<br />
trostwerk.de<br />
andere bestattungen<br />
040 43 27 44 11<br />
SCHNELL<br />
SCHALTEN<br />
Anzeigen: 040/28 40 94-0<br />
anzeigen@hinzundkunzt.de<br />
www.gbi-hamburg.de
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Newcomer: Jungschauspieler Bruno Alexander steht am liebsten hinter der Kamera (S. 48).<br />
Neustart: Unser Gartenkolumnist meldet sich aus der Winterpause zurück (S. 56).<br />
Neue Herausforderung: Hinz&Künztlerin Janina unterstützt unser Reinigungsteam (S. 58).<br />
Der US-amerikanische Bildhauer<br />
Tom Sachs hat die<br />
Deichtorhallen in eine interaktive<br />
Raumfahrt-Landschaft<br />
verwandelt. Zum Abschluss<br />
der Ausstellung lädt er zu einer<br />
Space Mission zum Asteroiden<br />
4-Vesta. Deichtorhallen,<br />
Deichtorstraße 1, So, 10.4.,<br />
ab 10 Uhr, 12 Euro<br />
FOTO: TOM SACHS
Worüber wird hier<br />
eigentlich gelacht?<br />
Er war Boris Becker und auch im „Tatort“ zu sehen.<br />
Doch der Hamburger Jungschauspieler Bruno Alexander<br />
steht lieber hinter der Kamera. Vor Kurzem erst<br />
in der erfolgreichen Serie „Die Discounter“.<br />
TEXT: ANNA-ELISA JAKOB<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF, PYJAMA PICTURES GMBH/MANJU SAWHNEY (S. 50) ,<br />
MANJU SAWHNEY/AMAZON (S. 50 OBEN), STEPHAN PICK (S.51),
Lebt zwischen<br />
Party und Nachtschicht<br />
im Schnitt raum:<br />
Bruno Alexander
B<br />
runo Alexander fläzt sich<br />
auf einem Stuhl im spärlich<br />
eingerichteten Büro seiner<br />
Produktionsfirma, Sneaker<br />
auf Parkettboden, Cap aus Cord zu<br />
lockeren Klamotten, vor ihm steht eine<br />
Flasche Club-Mate. Es wäre ziemlich<br />
einfach, ihn in dieser Umgebung als<br />
glatt gebügelten Kreativling zu beschreiben:<br />
junger Schauspieler, 23, Abitur<br />
in Eimsbüttel und gerade in eine WG<br />
in der Schanze gezogen, weil er es von<br />
dort nicht weit hat zu seinen liebsten<br />
Clubs. An der Wand hinter ihm hängen<br />
ein paar zerfetzte Klebestreifen, Überreste<br />
eines „Brainstormings“, wie er<br />
anmerkt. Deswegen sehe die Wand<br />
leider ziemlich „broke“ aus.<br />
Anglizismen benutzt der Hamburger<br />
sowieso sehr gerne, zum Beispiel die,<br />
dass er beim Arbeiten in seine „zone“<br />
kommen müsse. Und Humor, den alle<br />
verstünden, im besten Falle „cringe“ sei.<br />
Für mehr „Meme-Potenzial“.<br />
Im Büro der Produktionsfirma<br />
„Kleine Brüder“ gibt es auch eine<br />
Küche. Dort stehen Kaffeepulver, Gin,<br />
Basilikum, Olivenöl, Vollkornpasta und<br />
Weißwein, ansonsten ist hier wenig zu<br />
Zuletzt stand Bruno Alexander für „Die Discounter“ vor und hinter<br />
der Kamera. Produziert wurde die Serie u. a. von Christian Ulmen (2. von links).<br />
sehen – sorry –, denn gerade verbringen<br />
die Firmenmitglieder ihre Zeit lieber<br />
auf einem Gutshof auf dem Land.<br />
„Kleine Brüder“ sind Bruno Alexander<br />
und seine alten Schulfreunde: Emil und<br />
Oskar Belton, Leo Fux und Max Mattis.<br />
Gerade versorgen sie ihre Followerschaft<br />
auf Instagram mit Bildern aus<br />
dem Gutshaus, albern dort auf der<br />
Couch herum, mehr Party als Arbeit,<br />
darunter steht: „Wir schreiben.“<br />
Doch es wäre falsch, Bruno Alexander<br />
nach diesen Beobachtungen als eine Art<br />
aufstrebenden Dandy der Schauspielszene<br />
zu stilisieren; als einen, der mit<br />
qualmender Kippe im Interview sitzt<br />
und von Partys und Projekten erzählt<br />
(obwohl er an diesem Nachmittag genau<br />
das tut). Denn ja, Bruno Alexander ist<br />
sehr jung, sehr talentiert und geht gerne<br />
feiern. Doch bis vor Kurzem stand er<br />
auch monatelang jeden Tag um 18 Uhr<br />
50
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
auf und ging um sieben Uhr morgens<br />
wieder ins Bett, damit er die Serie „Die<br />
Discounter“ im Dunkeln schneiden<br />
konnte. Weil er sich besser konzentrieren<br />
kann, wenn es um ihn herum einfach<br />
still ist, niemand schreibt einem Nachrichten,<br />
wenn „alle pennen“.<br />
Zwar wurde Bruno Alexander als<br />
Schauspieler bekannt: „Die Pfefferkörner“,<br />
Boris Becker in „Der Rebell“,<br />
„Die Kinder vom Bahnhof Zoo“. Aber<br />
natürlich muss man mit ihm jetzt<br />
erst mal über diese Supermarkt-Serie<br />
sprechen, bei der er nicht nur eine<br />
Hauptrolle gespielt, sondern auch<br />
Drehbuch geschrieben, Regie geführt<br />
und geschnitten hat. Die Serie begleitet<br />
die fiktive Filiale „Kolinskis“ in Hamburg-Altona.<br />
Es gibt einen deprimierten<br />
Filialleiter und ziemlich viele weitere<br />
deprimierte Angestellte, die nur auf<br />
den nächsten Feierabend hinarbeiten.<br />
Der Einzige unter ihnen, der etwas<br />
Ehrgeiz zeigt, ist Titus, gespielt von<br />
Bruno Alexander.<br />
Die Serie scheint ein großer Erfolg<br />
zu werden, obwohl – oder gerade weil –<br />
sie mit vielem bricht, was die deutsche<br />
Fernsehlandschaft prägt. Es wird vorher<br />
nicht geprobt und dann improvisiert,<br />
im Grunde „ist alles erlaubt“, sagt Bruno<br />
Alexander. Sogar, auch das darf<br />
man seit Dezember auf Amazon Prime<br />
bestaunen, dass einer der Schauspieler<br />
spontan in den Supermarkt uriniert.<br />
Wer den Schauspieler Bruno Alexander<br />
kennenlernen möchte, muss aber<br />
vor allem eine andere Serie sehen: „Intimate“.<br />
Die ist sein Herzensprojekt, wie<br />
er sagt, daran arbeiten er und seine Produktionsfirma<br />
schon seit sechs Jahren.<br />
Eine Staffel ist auf Youtube zu sehen,<br />
und in diesem Jahr können sie eine weitere<br />
produzieren, unterstützt von Christian<br />
Ulmen. Die Serie handelt von peinlichen<br />
Momenten aus dem Leben der<br />
fünf Jungs, die Rollen spielen sie selbst.<br />
Es gibt darin eine Szene, in der<br />
Bruno Alexander seinen Dozenten vor<br />
dem ganzen Uni-Kurs vorführt, obwohl<br />
der sich gerade erstaunlich verletzlich<br />
gezeigt hat. Später versuchen er und<br />
sein Kumpel gar, den Hamster des<br />
Dozenten umzubringen und hängen<br />
ihn hierfür an einem Faden auf. Ist<br />
Bruno<br />
Alexanders<br />
Humor ist<br />
peinlich und<br />
unbequem.<br />
das etwa der Humor für die sogenannte<br />
Fridays-For-Future-Generation, die<br />
sensible #allvegan-Jugend?<br />
Die Antwort ist: irgendwie nicht<br />
und irgendwie schon. Nein, weil es diese<br />
homogene Masse junger Menschen ja<br />
sowieso nicht gibt; und doch, weil die<br />
Eimsbütteler Jungs offenbar eine Komik<br />
gefunden haben, die über ihre eigene<br />
Bubble hinausgeht. Der Witz liegt in<br />
den unangenehmen Peinlichkeiten des<br />
Alltags, so hatte es Bruno Alexander<br />
anfangs schon erwähnt: „Humor, der<br />
cringe ist, wird von allen akzeptiert.“<br />
Er öffnet die Notizen-App auf seinem<br />
Handy, zeigt darin ein paar lange<br />
Bruno Alexander als Boris Becker im Film „Der Rebell“ (2021)<br />
Texte. Er schreibe sich alles auf, zum<br />
Beispiel, „wenn ein Date krass unangenehm<br />
war“ oder, wenn er den Gedanken<br />
hatte, man könne doch „Löcher in<br />
einen J oghurt bohren“, um ihn gratis zu<br />
bekommen. Es wird langsam klar, dieser<br />
Humor ist peinlich und unbequem.<br />
Und war nicht das einst das Privileg<br />
der Jugend: politisch sein, indem<br />
man einfach nur rebelliert? Gegen<br />
das System Supermarkt zum Beispiel,<br />
lahme Abläufe alteingesessener Schauspiel-Kolleg:innen,<br />
inkompetente Dozierende,<br />
ganz egal. Wer mag, kann Bruno<br />
Alexander beim Jungbleiben zusehen.<br />
Und sich darüber freuen, dass es eine<br />
Jugend gibt, die trotz jeglicher Katastrophen<br />
noch an etwas anderes denken<br />
kann. Die beobachtet, sich Notizen<br />
macht. Die Welt kitzelt, ihr den<br />
Spiegel vorhält und fragt: Wo rüber<br />
lacht ihr da eigentlich? •<br />
Anna-Elisa Jakob versuchte,<br />
sich aus den im Raum verteilten<br />
Notizzetteln einen Reim auf<br />
Bruno Alexanders nächstes<br />
Projekt zu machen – vergeblich.<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
51
Kult<br />
Tipps für den<br />
Monat <strong>April</strong>:<br />
komisch, kritisch und<br />
bereichernd<br />
Podcastfestival<br />
Auf die Ohren<br />
Podcasts kann man sich allein im stillen<br />
Kämmerlein anhören. Aber lustiger<br />
wird’s zusammen mit Freund:innen und<br />
dem Rest des Publikums – dann kann<br />
man nämlich direkt seinen Senf dazugeben.<br />
Dachten sich auch die Tivoli-<br />
Macher und heben das erste Schmidt-<br />
Heinz Strunk, Bühnenmensch der schlagfertigen Sorte<br />
Podcastfestival aus der Taufe: fünf<br />
Tage, sechs Live-Podcasts, mitten auf<br />
dem Kiez. Gastgeber Henning Mehrtens<br />
hat eine bunte Truppe<br />
zusammengetrommelt: Gäste beim<br />
„Kiezmenschen“-Live-Podcast am 9.4.,<br />
den die MOPO-Reporter:innen Wiebke<br />
Bromberg und Marius Röer moderieren,<br />
sind zum Beispiel Schriftsteller<br />
Heinz Strunk und „Handschuh“-Wirt<br />
Sascha Nürnberg. •<br />
Schmidtchen, Spielbudenplatz 21-22,<br />
Mi, 6.4., bis So, 10.4., abends, Eintritt pro<br />
Veranstaltung 21 Euro, www.tivoli.de<br />
52
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Das Deutsche<br />
Hafenmuseum<br />
ist noch im Aufbau,<br />
aber das<br />
größte Exponat<br />
liegt schon am<br />
Kai.<br />
Lesung<br />
Hoffnungsziel Israel<br />
Der Theologe, Politiker und Gründer<br />
dieses Magazins, Stephan Reimers,<br />
stellt in der Hauptkirche St. Jacobi<br />
sein neuestes Buch vor, das Reiseführer<br />
und Porträt des Wirkens deutscher<br />
Auswanderer im Heiligen Land ist<br />
(Verlag Ellert & Richter). •<br />
Hauptkirche St. Jacobi, Jakobikirchhof<br />
22, Mo, 4.4., 19 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung<br />
erbeten an info@jacobus.de<br />
FOTOS: DENNIS DIRKSEN (S. 52), SINJE HASHEIDER (OBEN), EKSYSTENT FILMVERLEIH<br />
Deutsches Hafenmuseum<br />
Endlich an Deck<br />
Das Museum am Schuppen startet mit frischem Namen „Deutsches Hafenmuseum<br />
(im Aufbau)“ in die neue Saison, und vor allem ist auch sein größtes Exponat,<br />
die Viermastbark „Peking“, klar zum Entern. „Baustellenführungen“ nennt sich<br />
das dann erst mal, weil noch nicht alles fix und fertig ist. Aber immerhin kann<br />
man das Prachtschiff, zu seiner Zeit schnellster Frachtsegler der Welt, nun aus<br />
der Nähe inspizieren. Sie liegt gegenüber vom Museum im Hansahafen. Und ab<br />
Mai kann man selbst mit Hand anlegen bei Workshops zum Segelmachen, Takeln<br />
und Schmieden für Kinder ab 12 Jahren: Erwachsene dürfen auch mit. •<br />
Deutsches Hafenmuseum (im Aufbau), Australiastraße 50 a, ab dem 3.4.,<br />
„Baustellenführungen“: Mi und Fr, 10, 12, 14 und 16 Uhr, Sa und So 10, 11, 12, 14, 15<br />
und 16 Uhr, max. 10 Personen pro Rundgang, 15 Euro, Anmeldung über www.shmh.de<br />
Film<br />
Russlandreise<br />
Russischer Bergarbeiter und feinsinnige Archäologin aus Finnland müssen sich ein<br />
Abteil im Zug von Moskau nach Murmansk teilen. Was einfach nur ein lustiges<br />
und wodkaschweres Railroad-Movie über die tagelange Reise hätte werden können,<br />
macht der Regisseur Juho Kuosmanen zu einer Parabel über unfreiwillige Annäherung,<br />
das Überwinden von geografischen und mentalen Grenzen und eine daraus<br />
entspringende Freundschaft.<br />
Passt gut in diese Zeit. Bei<br />
den Filmfestspielen in<br />
Cannes im vergangenen<br />
Jahr wurde „Abteil Nr. 6“<br />
mit dem Großen Preis der<br />
Jury ausgezeichnet und läuft<br />
jetzt auch bei uns in den<br />
Kinos, zum Beispiel hier:<br />
Abaton, Allendeplatz 3,<br />
www.abaton.de und im<br />
3001 Kino, Schanzenstraße<br />
75, www.3001-kino.de.<br />
Ab Do, 31.3., Termine bitte den<br />
Programmen entnehmen.<br />
Laura (Seidi Haarla) würde gern aussteigen,<br />
dabei ist der Weg erst halb geschafft.<br />
Konzert<br />
Mimi Schell<br />
Die stimmstarke Hamburger Sängerin<br />
und Songschreiberin macht wahrhaft<br />
zeitlosen Pop, durchweht von<br />
einem Hauch Folk. Das Album, aus<br />
dem sie mit Jürgen Scholz und Martin<br />
Meyer, ihrerseits formidable Musiker,<br />
spielt, heißt „Heliodor“, Griechisch<br />
für „Geschenk der Sonne“. •<br />
Bürgerhaus Barmbek, Lorichsstraße 28 a,<br />
Fr, 8.4., 19 Uhr, Eintritt frei, Spenden<br />
erbeten. Anmeldung bitte unter<br />
anmeldung@buergerhaus-barmbek.de<br />
Familie<br />
Eierei für alle<br />
Fröhliche Eiersuche, Spiele, Osterbäckerei,<br />
Rätselrallye per App, Frühschoppen<br />
oder plattdeutsche Livemusik:<br />
Das Freilichtmuseum Kiekeberg<br />
lädt Groß und Klein zum Osterspaß<br />
im Garten und in den Reetdachhäusern<br />
im historischen Heidedorf ein. •<br />
Freilichtmuseum am Kiekeberg,<br />
Am Kiekeberg 1, in 21224 Rosengarten,<br />
Mo, 18.4., 10–18 Uhr, Eintritt 9 Euro, unter<br />
18 Jahren frei, www.kiekeberg-museum.de<br />
Slam<br />
8min Ottensen<br />
Hitzig, wüst, lyrisch, experimentell<br />
wird es werden: Acht Minuten haben<br />
die Teilnehmenden Zeit, um ihre<br />
Texte vorzutragen. Das klingt kurz,<br />
reicht aber sicher für den einen oder<br />
anderen Aha-Moment. •<br />
Mathilde Bar Ottensen, Kleine Rainstraße<br />
11, Do, 28.4., 20 Uhr, Eintritt 6 Euro<br />
(Dichter frei), www.mathilde-hh.de<br />
53
Konzertkunst<br />
Lichte Momente<br />
Die Elbphilharmonie ist an sich ein<br />
beachtliches Gebäude. Der Auftakt<br />
des Internationalen Musikfestes am<br />
28. <strong>April</strong> aber bringt sie zum Strahlen.<br />
Das Festkleid hat sie sich verdient,<br />
schließlich feiert sie in diesem Jahr ihren<br />
fünften Geburtstag. Das niederländische<br />
Künstlerduo Lonneke Gordijn<br />
und Ralph Nauta alias Drift hat beides<br />
zum Anlass genommen, ein Lichtkunstwerk<br />
zu entwerfen, das die „Elphi“ in<br />
Szene setzt und dabei das Motto des<br />
diesjährigen Musikfestes, „Natur“, perfekt<br />
einbindet. „Breaking Waves“ lautet<br />
der Titel ihres Werks, Lichtwellen, die<br />
die Verbindung symbolisieren zwischen<br />
Natur und Technik und die Glasfassade<br />
des Konzerthauses rahmen. Das könnte<br />
ziemlich beeindruckend werden. Neben<br />
diesem optischen Highlight wird das<br />
54<br />
Die Lichtperformance des Künstlerduos Drift<br />
wird die Elbphilharmonie umschmeicheln.<br />
6. Internationale Musikfest von unzähligen<br />
akustischen Höhepunkten begleitet.<br />
Am Eröffnungswochenende spielt<br />
das NDR Elbphilharmonie Orchester<br />
unter Alan Gilbert „Die Schöpfung“<br />
von Joseph Haydn. •<br />
Elbphilharmonie, Platz der Deutschen<br />
Einheit 4, Do, 28.4., bis So, 1.5., Tickets für<br />
die Festivalkonzerte ab 10 Euro, Lichtkunst<br />
gratis, www.elbphilharmonie.de
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Kinofilm des Monats<br />
Heldengeschichte<br />
FOTOS: MOKA-STUDIO (S. 54), IRIS-A-MAZ (OBEN), PRIVAT<br />
Theater<br />
Alles Spaß?<br />
Tanz<br />
Komm tanzen<br />
Viel zu lange mussten die Kids die<br />
Füße stillhalten. Corona mag kein<br />
gemeinsames Tanzen. Jetzt nimmt der<br />
K3-Jugendclub wieder Fahrt auf und<br />
lässt die jugendlichen Tänzer:innen<br />
auf das Kampnagel-Außengelände<br />
los. Es begegnen sich Zeitgenössischer<br />
Tanz, Hip-Hop und Gaming – die<br />
Tanzenden erproben choreografische<br />
Strategien, folgen „Scores“ und Bewegungsimpulsen,<br />
bewegen sich umeinander<br />
und aneinander vorbei. Der<br />
Stadtraum wird so zur Bühne für<br />
eigene Choreografien. „The Street<br />
Belongs To Us“ bringt festgelegte Bewegungsmuster<br />
und -sequenzen sowie<br />
Zufallsentscheidungen zusammen und<br />
lässt so Freiraum für Improvisation.<br />
Sicherlich herrlich anzuschauen. •<br />
Kampnagel K3, Außengelände, Jarrestraße<br />
20, Fr, 22.4. + Sa, 23.4., jeweils 18 Uhr und<br />
19.30 Uhr, Eintritt frei (Ticketbuchung<br />
erforderlich), www.k3-hamburg.de<br />
Wo fängt der Spaß an – und wo<br />
hört er auf? Philosophisch-digitales<br />
Mashup für Kids ab 13 Jahren<br />
Auf der Bühne zu sehen sind zwei typische Teenagerzimmer – wäre das Bett<br />
nicht gleichzeitig Achterbahn oder Parkbank. Die Räume fungieren als Filmset,<br />
in dem Videokünstler Matthias Hederer und das Darsteller:innenteam ihre Szenen<br />
oder TikToks live aufnehmen und projizieren. Verwendet werden dafür unter<br />
anderem TikTok- und Gaming-Tipps der Schüler:innen der Stadtteilschule<br />
Bahrenfeld und des Gymnasiums Dörpsweg. •<br />
Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15, Sa, 30.4., 15 Uhr und 20.15 Uhr,<br />
18/12 /8 Euro, www.lichthof-theater.de<br />
Konzert<br />
Soft mit Kante<br />
Gitarrenmusik ist tot? Quatsch.<br />
Sarah Tudzin und ihre US-Indie<br />
Rockband Illuminati Hotties hören<br />
sich jedenfalls ziemlich lebendig an.<br />
Zum Glück, immerhin haben sie drei<br />
Jahre Pause gemacht. Mit ihrem aktuellen<br />
Album „Let me do one more“<br />
gehen sie in diesem Jahr endlich auf<br />
Europatournee. Im Gepäck haben sie<br />
fluffige Sommersounds mit rotziger<br />
Note, frisch aus dem sonnigen<br />
Kalifornien. „Tenderpunk“ nennt<br />
Frontfrau Sarah ihre Musik, also<br />
zärtlichen Punk. •<br />
Häkken, Spielbudenplatz 21/22, Sa, 30.4.,<br />
Eintritt 19 Euro, www.haekken.de<br />
Über Tipps für Mai freuen sich<br />
Simone Rickert und Regine Marxen.<br />
Bitte bis zum 10.4. schicken an:<br />
kult@hinzundkunzt.de<br />
Was macht einen Menschen<br />
heldenhaft? Dieser Frage<br />
geht das Kinodrama „A Hero<br />
– die verlorene Ehre des<br />
Herrn Soltani“ nach, das ab<br />
<strong>April</strong> im Kino zu sehen ist.<br />
Regisseur Asghar Farhadi<br />
verfilmt darin die Geschichte<br />
eines Mannes, der alles richtig<br />
machen will, aber an seinen<br />
Schwächen und der<br />
Missgunst seiner Mitmenschen<br />
zu scheitern droht.<br />
Der Reihe nach: Protagonist<br />
Rahim hat Schulden<br />
gemacht, die er nicht zurückzahlen<br />
kann, und landet im<br />
Gefängnis. Als seine Freundin<br />
eine Tasche mit Goldmünzen<br />
findet, versucht er,<br />
das aus seiner Sicht Richtige<br />
zu tun: Er gibt sich als Finder<br />
aus und beschließt, während<br />
seines Freigangs den Besitzer<br />
ausfindig zu machen. Ein<br />
ehrlicher Krimineller – das<br />
gefällt Menschen und Medien.<br />
Rahim wird gefeiert und<br />
hofiert. Doch dann kommt<br />
der Fall. Rahim verfängt sich<br />
in einem Lügengeflecht.<br />
Gibt es das Gute im<br />
Schlechten? Die Antwort findet<br />
auch Regisseur Farhadi<br />
nicht. Sein Held ist gefangen<br />
zwischen dem Bestreben, das<br />
Richtige zu tun, und den Regeln,<br />
die definieren, was das<br />
„Richtige“ sein soll. „A Hero“<br />
ist eine gelungene und<br />
bisweilen tragische Parabel<br />
auf das wahrlich Heldenhafte<br />
im Menschen: Gutes zu<br />
tun, ganz ohne Superheldenkostüm<br />
– auch oder gerade,<br />
weil es am besten keiner mitbekommen<br />
soll. •<br />
André Schmidt<br />
geht seit<br />
Jahren für uns<br />
ins Kino.<br />
Er arbeitet in der<br />
PR-Branche.<br />
55
klein<br />
gartenlife<br />
#8<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Ode an die<br />
Nachbarschaft<br />
Sturmtief Daniel hat unserem Kolumnisten<br />
Benjamin Laufer übel mitgespielt. Zum Glück kann<br />
er sich auf seine Gartenfreund:innen verlassen.<br />
Die Gartensaison endet im Oktober,<br />
haben meine Kolleg:innen gesagt. Lass<br />
uns mit der Kolumne eine Pause einlegen,<br />
haben sie gesagt – da gibt es im<br />
Winter doch ohnehin nichts zu erzählen.<br />
Ha! Dass ich nicht lache ... Zwar<br />
war der Winter hart für mein Gärtnerherz,<br />
ja: Da waren einfach kein Grün<br />
und kaum Getier auf meiner Parzelle,<br />
und ich habe die Zeiten, die jetzt<br />
endlich wieder anbrechen, schmerzlich<br />
vermisst. Das heißt aber nicht, dass es<br />
nichts zu tun gegeben hätte. Dass ich<br />
nicht fast jede Woche dort gewesen<br />
wäre, um die Laube herzurichten etwa.<br />
Oder um mich einfach am Wintergarten<br />
und seiner Umgebung zu erfreuen.<br />
Die Gartensaison, so viel ist sicher,<br />
sie endet nie!<br />
Nur mit einem hätte ich nie und<br />
nimmer gerechnet: mit Sturmtief<br />
TEXT UND FOTOS: BENJAMIN LAUFER<br />
Daniel. Klingt ja irgendwie ganz nett<br />
und harmlos, so ein Daniel. Aber das<br />
täuschte – und wie! Mit seinen Fallwinden<br />
machte der sich nämlich auch<br />
über meine in mühsamer Handarbeit<br />
errichtete Gartenlaube her – und hat<br />
einfach mal so eben ihr Dach ab gehoben.<br />
Um es dann in toto auf die<br />
Gemüsebeete meiner Nachbarin zu<br />
werfen, ganz so als wäre es ein Papierflieger<br />
und kein massives Holzbauwerk.<br />
Als mir am Morgen danach<br />
Fotos davon zugeschickt wurden, war<br />
ich wirklich nahe der Verzweiflung.<br />
Daniels sind einfach nicht gut für<br />
mich, eigentlich ist das seit der achten<br />
Klasse klar.<br />
Wer aber gut für mich ist: Torstens<br />
und Kerstins, Julias und Rolands. Und<br />
manche Daniels sogar auch. Denn die<br />
allerbesten Gartennachbar:innen der<br />
Mit vereinten Kräften wuchten<br />
die Gartenfreund:innen das<br />
Dach zurück auf die Laube.<br />
Welt waren sofort zur Stelle, um den<br />
Schaden gemeinsam mit mir zu beheben.<br />
Sie hatten die (wie ich fand völlig<br />
irre) Idee, das Dach am Stück wieder<br />
auf die Laube zu hieven – und mit vereinten<br />
Kräften haben wir das tatsächlich<br />
geschafft! Selten war ich so froh, derart<br />
hilfsbereite Menschen um mich zu haben.<br />
Das Gefühl, mit dem Dachschaden<br />
nicht alleine zu sein, nicht verzweifeln zu<br />
müssen – das war wirklich toll!<br />
Wenn es eines gab, was mich jahrelang<br />
davon abgehalten hat, einen<br />
Kleingarten zu beziehen, dann war es<br />
die angenommene Spießigkeit der<br />
Nachbarschaft hinterm Jägerzaun. Mit<br />
denen wollte ich schon prophylaktisch<br />
nichts zu tun haben. Wie konnte ich<br />
mich bloß so irren? Die Gemeinschaft<br />
in der Gartenkolonie, so viel steht<br />
inzwischen fest, sie ist fast das Beste am<br />
Gärtnern. Alle zusammen erfreuen wir<br />
uns schon bald am sprießenden Gemüse<br />
und an den summenden Bienen.<br />
Ach, wie schön das wird! •<br />
benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />
56
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
hoher<br />
kathol.<br />
Würdenträger<br />
starke<br />
Disharmonie,<br />
Zwist<br />
Kirchenausschluss<br />
Neckar-<br />
Zufluss<br />
bei Besigheim<br />
Sportgröße<br />
(engl.)<br />
Haut<br />
glätten<br />
(chirurgisch)<br />
Waldgrundstück<br />
poetisch:<br />
Atem<br />
Turngerät<br />
geldlich,<br />
das Vermögen<br />
betreffend<br />
Hauptstadt<br />
von<br />
Brasilien<br />
ringförmiger<br />
Kuchen<br />
5<br />
6<br />
1<br />
4<br />
1<br />
3<br />
4<br />
5<br />
7<br />
Impfstoffe<br />
2<br />
6<br />
3<br />
7<br />
gerichtlich<br />
eintreiben<br />
russischer<br />
Männername<br />
Kurort<br />
in Graubünden<br />
(Schweiz)<br />
Automobiltyp<br />
(Abk.)<br />
prunkvolles<br />
Eingangstor<br />
politischer<br />
Extremist<br />
3<br />
5<br />
1<br />
2<br />
3<br />
1<br />
Stadt<br />
in Ostfriesland<br />
Vorbindetuch<br />
1<br />
7<br />
2<br />
5<br />
4<br />
2<br />
e. kleine<br />
Anzahl<br />
von<br />
Menschen<br />
2<br />
8<br />
4<br />
6<br />
österr.<br />
Tenor<br />
(Richard)<br />
† 1948<br />
5<br />
9<br />
4<br />
zum<br />
Meer<br />
gehörig<br />
(latein.)<br />
Beingelenk<br />
AR0909-1219_2sudoku<br />
poetisch:<br />
Wappenvogel<br />
Beifallsruf<br />
englisch:<br />
Lied<br />
Bankansturm<br />
Sohn des<br />
Dädalus<br />
Christusmonogramm<br />
Pfadfinder<br />
(engl.)<br />
altes<br />
Längenmaß<br />
Monatsmitte<br />
im röm.<br />
Kalender<br />
Seltenerdmetall<br />
Teilzahlung,<br />
Teilbetrag<br />
spanische<br />
Prinzessin<br />
Dauerbezug<br />
(Kurzwort)<br />
Seitenbestimmung<br />
Misstrauen,<br />
Bosheit<br />
Grundlage,<br />
Ausgangspunkt<br />
Papierzählmaß<br />
schmiedbares<br />
Eisen<br />
ältere<br />
Einheit<br />
der<br />
Energie<br />
Füllen Sie das Gitter<br />
so aus, dass die Zahlen<br />
von 1 bis 9 nur je einmal<br />
in jeder Reihe, in jeder<br />
Spalte und in jedem<br />
Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken<br />
Sie uns bitte die farbig<br />
gerahmte, unterste<br />
Zahlenreihe.<br />
Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Minenstraße 9, 20099 Hamburg,<br />
per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 25. <strong>April</strong> 2022. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />
kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle gewinnen oder<br />
eines von zwei Büchern „Die ganze Geschichte“ von Aboud Saeed<br />
(Mikrotext Verlag).<br />
Das Lösungswort des März-Kreuzwort rätsels war: Binnenmeer.<br />
Die Sudoku-Zahlenreihe lautete: 143 872 569.<br />
8<br />
7<br />
4<br />
5<br />
6<br />
4<br />
3<br />
7<br />
9<br />
7<br />
8<br />
7<br />
9<br />
5<br />
8<br />
4<br />
10<br />
12192 – raetselservice.de<br />
10<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Minenstraße 9, 20099 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Karin Schmalriede (ehemals Lawaetz-Stiftung, i.R.),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Spies PPP),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Jörn Sturm<br />
Redaktion Lukas Gilbert (lg, stellv. CvD; V.i.S.d.P. für den Titel, Inhalt,<br />
Gut&Schön, Freunde, Buh&Beifall, <strong>Kunzt</strong>&Kult, Momentaufnahme),<br />
Annette Woywode (abi, CvD; V.i.S.d.P. für Bauen&Basteln), Ulrich Jonas<br />
(ujo, V.i.S.d.P. für die Zahlen des Monats, Stadtgespräch,<br />
Editorial), Jonas Füllner (jof, V.i.S.d.P. für den Nachbarschaftsschwerpunkt),<br />
Benjamin Laufer (bela), Simone Deckner (sim), Kirsten Haake (haa),<br />
Jochen Harberg (joc), Misha Leuschen (leu),<br />
Regine Marxen (rem), Simone Rickert (sr), Anna-Elisa Jacob (aej)<br />
Online-Redaktion Benjamin Laufer (CvD), Jonas Füllner, Lukas Gilbert<br />
Korrektorat Christine Mildner, Kerstin Weber<br />
Redaktionsassistenz Cedric Horbach,<br />
Sonja Conrad, Anja Steinfurth<br />
Artdirektion grafikdeerns.de<br />
Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />
Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />
Anzeigenvertretung Gerald Müller,<br />
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Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Gabor Domokos,<br />
Meike Lehmann, Sergej Machov, Frank Nawatzki,<br />
Sigi Pachan, Reiner Rümke, Marcel Stein,<br />
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Spendenmarketing Gabriele Koch<br />
Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />
Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Jonas Gengnagel,<br />
Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />
Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Chris Schlapp<br />
Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Stefan Calin, Fred Houschka, Mandy Schulz<br />
Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />
Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger,<br />
Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />
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Druck und Verarbeitung A. Beig Druckerei und Verlag,<br />
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www.hinzundkunzt.de. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />
obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalist:innen geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter*innen<br />
unterstützen die Verkäufer:innen.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Durchschnittliche monatliche<br />
Druckauflage 1. Quartal 2022:<br />
55.333 Exemplare<br />
57
Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>350</strong>/APRIL 2022<br />
Janina unterstützt<br />
neuerdings das<br />
Reinigungsteam<br />
bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Alles in Ordnung<br />
Janina (61) hat Hinz&<strong>Kunzt</strong> an der Hamburger Straße<br />
verkauft. Nun putzt sie im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTO: ANDREAS HORNOFF<br />
Ob ich den Fernsehsender TLC<br />
kenne, fragt Janina interessiert. Da läuft<br />
nämlich eine ihrer Lieblingssendungen:<br />
„Diagnose: Messie“. Die Dokusoap berichtet<br />
über Menschen, die nichts wegschmeißen<br />
können und deren Woh <br />
nungen nach und nach vermüllen. „Das<br />
gucke ich gerne. Aber es ist ein Schock,<br />
wie manche Leute wohnen“, sagt Janina<br />
und schüttelt ungläubig den Kopf.<br />
Janina sieht es dagegen so: „Putzen<br />
muss gemacht werden, das ist logisch.“<br />
Die 61-Jährige hat viele Jahre in einer<br />
Reinigungsfirma gearbeitet, hat<br />
Krankenhäuser, Uni-Gebäude, Arztpraxen<br />
und Büros geputzt. Seit Mitte<br />
März sorgt sie nun dafür, dass im<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus in St. Georg Sauberkeit<br />
herrscht. 20 Stunden in der<br />
Woche arbeitet sie jetzt und freut sich<br />
sehr über den neuen Teilzeitjob. Aufgeregt<br />
ist sie allerdings nicht: „Für mich<br />
ist Putzen ja nichts Neues“, sagt sie.<br />
Auch Hinz&<strong>Kunzt</strong> kennt die im<br />
polnischen Ort Chojnice geborene<br />
Mutter von drei erwachsenen Kindern<br />
schon länger: Vor zwölf Jahren fing<br />
Janina als Verkäuferin an. Ihr Stammplatz<br />
war lange der Lidl an der Hamburger<br />
Straße. Eine polnische Bekannte<br />
hatte ihr den Kontakt vermittelt.<br />
Damals hatte Janina gerade ihren Job<br />
in einer Kirchengemeinde auf St. Pauli<br />
verloren. Sie wohnte zu der Zeit noch<br />
im Haus Bethlehem, einer Notunterkunft<br />
vor allem für Frauen. Sie aß dort<br />
oder im CaFée mit Herz.<br />
Nach Hamburg gekommen war sie<br />
nicht ganz freiwillig: „Mein Mann hat<br />
Mist gemacht“, erzählt sie. Nach<br />
20 Jahren Ehe habe er mit einer anderen<br />
Frau ein Kind bekommen. „Da<br />
hört meine Toleranz auf. Für mich war<br />
sofort Schluss.“ In Hamburg hatte sie<br />
gute Bekannte und sah die Chance auf<br />
einen Neubeginn.<br />
Was Janina damals nicht ahnte:<br />
In Hamburg würde sie auch eine neue<br />
Liebe finden. Wie bei so vielen anderen<br />
Menschen auch funkte es bei der Arbeit.<br />
„Mein zweiter Mann hat mich angesprochen,<br />
als ich Hinz&<strong>Kunzt</strong> verkauft<br />
habe“, sagt Janina. Er lebe allein<br />
und brauche Hilfe im Haushalt, sagte<br />
er. Ob sie ihn vielleicht ab und an<br />
unterstützen könne? „Das war ein<br />
kleiner Trick, um mich kennenzulernen“,<br />
erzählt Janina und lächelt. Da<br />
er ihr sympathisch war, tauschten sie<br />
Telefonnummern aus. „Er war ja ein<br />
Nachbar, wohnte ganz in der Nähe.“<br />
Seit elf Jahren sind sie nun glücklich<br />
zusammen. •<br />
simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />
Janina und alle anderen<br />
Hinz&Künztler:innen erkennt man<br />
am Verkaufsausweis.<br />
5197<br />
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Foto: Katharina Lotter<br />
Das ist<br />
nicht egal!<br />
Gerechtigkeit entsteht nicht, wenn<br />
uns alles gleich ist, sondern indem<br />
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Wolf Lotters Essay ist ein Lob dieser<br />
Unterschiede, die unser Leben um<br />
Vielfalt und Freiheit bereichern.<br />
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