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Eva Finkenstein: Im »Raum der Suche nach Verständigung« (Leseprobe)

Ostdeutschland gehört zu den am stärksten säkularisierten Gebieten der Welt. Gleichwohl sind dort seit der Wiedervereinigung zahlreiche evangelische Schulen entstanden. Wie realisieren diese im konfessionslosen Kontext ihr christliches Profil? Die Studie schließt an die Forderung nach entsprechenden empirischen Daten an und legt den Fokus auf konfessionslose Schülerinnen und Schüler: Was kennzeichnet das evangelische Profil aus ihrer Sicht? Wie erleben sie seine religiöse Dimension, wie erleben sie sich selbst im schulischen Rahmen als konfessionslos (wahrgenommen)? Auf Grundlage qualitativer Interviews werden typische Deutungsmuster aus wissenssoziologisch-diskursanalytischer Perspektive rekonstruiert und innerhalb eines Spektrums von Annäherung, Enthaltung und Distanzierung beschrieben.

Ostdeutschland gehört zu den am stärksten säkularisierten Gebieten der Welt. Gleichwohl sind dort seit der Wiedervereinigung zahlreiche evangelische Schulen entstanden. Wie realisieren diese im konfessionslosen Kontext ihr christliches Profil? Die Studie schließt an die Forderung nach entsprechenden empirischen Daten an und legt den Fokus auf konfessionslose Schülerinnen und Schüler: Was kennzeichnet das evangelische Profil aus ihrer Sicht? Wie erleben sie seine religiöse Dimension, wie erleben sie sich selbst im schulischen Rahmen als konfessionslos (wahrgenommen)? Auf Grundlage qualitativer Interviews werden typische Deutungsmuster aus wissenssoziologisch-diskursanalytischer Perspektive rekonstruiert und innerhalb eines Spektrums von Annäherung, Enthaltung und Distanzierung beschrieben.

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18 Einleitung<br />

Zugänge sind entscheidend, um empirisches Material als Basis <strong>der</strong> Rekonstruktionvon<br />

Deutungsmustern gegenüber dem evangelischen Profil generieren<br />

und auswerten zu können. Antezedenz von intersubjektiv geteilten Deutungen<br />

ist die gemeinsame Bezugnahme sozialer Akteur*innen auf ein geteiltes objektives<br />

Handlungsproblem 34 (Oevermann). Als solches wird im Hinblick auf die<br />

Interpretationspraxis konfessionsloser Schüler*innen an evangelischen Schulen<br />

die kognitive Dissonanz 35 (Festinger) betrachtet, die aus <strong>der</strong> diskursiven Grenzziehung<br />

zwischen ihrer eigenen Konfessionslosigkeit und <strong>der</strong> Konfessionalität<br />

des Profils resultiert. <strong>Im</strong> Sinne des Konzeptes <strong>der</strong> kognitiven Dissonanz zielt<br />

solch ein kognitiv erlebter Wi<strong>der</strong>spruch auf Aktivitätenseiner Reduktion, sobald<br />

er alltagspraktisch virulent wird.<strong>Im</strong>Hinblick auf die beschriebene Dissonanz als<br />

Handlungsproblem konfessionsloser Schüler*innen geschieht das, wenn sich<br />

diese auf <strong>der</strong> symbolischen o<strong>der</strong> imaginären Ebene <strong>der</strong> Schulkultur 36 (Werner<br />

Helsper) manifestiert. Dadurch wird sie im Schulalltag zum Auslöser dissonanzreduzieren<strong>der</strong><br />

Interpretationen. Ebenso wie das Handlungsproblem selbst<br />

werden diese intersubjektiv geteilt und können somit als soziale Deutungsmuster<br />

beschrieben werden.<br />

Anschließend werden das Forschungsdesign <strong>der</strong> empirischen Untersuchung<br />

und seine methodologischen Grundlagen erläutert. Entscheiden<strong>der</strong> Ansatz ist<br />

dabei die Grounded Theoryals gegenstandsbezogene,vom empirischen Material<br />

geleitete Theorieentwicklung. Entsprechend dem wissenssoziologisch-diskursanalytischen<br />

Zugang dazu wird diese in ihrer konstruktivistischen Interpretation<br />

rezipiert. 37 Der Akzent liegt dabei auf <strong>der</strong> epistemologischen Einsicht, dass<br />

Theorie nicht einfach aus den Daten »emergiert«, son<strong>der</strong>n wie beschrieben von<br />

<strong>der</strong> Forscherin durch die iterative Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Daten und<br />

theoretisch sensibilisierenden Konzepten konstruiert wird. 38<br />

Die Art dieses Forschungsprozesses und die hier vorgenommene Verbindung<br />

von Grounded Theory und Deutungsmusterrekonstruktion werden im Anschluss<br />

reflektiert. 39 Schließlich werden als methodische Grundlagen <strong>der</strong> Datenerhebung<br />

Elemente des problemzentrierten und des diskursiven Interviews aufgegriffen.<br />

Ihre Verbindung soll Gesprächssituationen hervorrufen, welche die Konfrontation<br />

<strong>der</strong> Schüler*innen mit <strong>der</strong> erörterten kognitiven Dissonanz als Handlungsproblem<br />

reproduzieren und auf diese Weise Deutungen zu ihrer Auflösung<br />

evozieren. Eine entscheidende Funktion hat dabei <strong>der</strong> für die Interviews entwi-<br />

34<br />

Vgl. Oevermann, Zur Analyse <strong>der</strong> Struktur von sozialen Deutungsmustern, 5.<br />

35<br />

Vgl. Festinger, Theorie <strong>der</strong> kognitiven Dissonanz.<br />

36<br />

Vgl. Helsper, Schulkulturen – die Schule als symbolische Sinnordung.<br />

37<br />

Vgl. Hohage, Kathy Charmaz’.<br />

38<br />

Vgl. Kelle/Kluge, VomEinzelfall zum Typus, 28.<br />

39<br />

Die damit verbundene Iterativität und eine gewisse Kontingenz des Forschungsprozesses<br />

sind angedeutet worden.

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