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Einband Bild vorne Hl. Dionysius im Tympanon der Pfarrkirche
Bild hinten Kurzentrum Vigaun
Taugl-Wasserfall oberhalb der Römerbrücke
Gestaltung Horst Peter Neubacher, Golling
Vorsatz und Nachsatz
aus dem Franciszäischen Kataster, der ersten maßstabgetreuen Vermessungsaufnahme des
Landes Salzburg aus 1830
Danke allen Vigaunerinnen und Vigaunern, die durch Texte und Bilder zum Zustandekommen dieses Buches beigetragen haben.
Dank auch allen anderen der insgesamt 40 Autoren, ohne die dieses bunte Bild unseres Dorfes nicht entstanden wäre.
Herausgegeben von der Gemeinde Vigaun
Redaktion
Michael Neureiter
Michael Steinberger
Alois Tonweber
Copyright Gemeinde Vigaun, 1990
Satz Fotosatz Rizner, Salzburg
Druck Druckhaus Nonntal, Salzburg
Gedruckt auf Eurotrend 100 g der Hallein Papier
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INHALT
Die Urkunde der Wappenverleihung
Inhalt 4-5
Verbundenheit vertiefen! Walter Schörghofer 6
VIELFALTIGE NATUR
Naturraum zwischen Schlenken und Salzach Alois Tonweber 8
Das Höhlensystem im Schlenkengebiet Alois Tonweber 12
Die Taugl Alois Tonweber 16
Der Bergsturz Vigaun Christian Uhlir 19
Anvertraute Natur
Die Gemeindejagd Stefan Pichler 25
Die Imker Josef Gruber 31
Flurnamen von Vigaun und Umgebung Ferdinand Schönleitner 32
RÜCKBLICK AUF 1200 JAHRE UND MEHR
Die Schlenkendurchgangshöhle:
Die ältesten menschlichen Zeugnisse im Land Karl Mais 40
Vigaun in ur- und frühgeschichtlicher Zeit Fritz Moosleitner 50
Die Anfänge: Der Name „Vigaun" und seine erste Erwähnung Heinz Dopsch 52
Vigaun in Mittelalter und Neuzeit Alfred Stefan Weiß 66
Vigauner Sagen Alois Tonweber 109
Unsere Kirchen - Geschichte und Kunst Franz Ortner 111
Die Entwicklung des Schulwesens Alois Tonweber 150
Die „Nebenschule Rengerberg" Alois Tonweber 164
Unsere Gemeinde in den letzten 100 Jahren Michael Steinberger und Andreas Wallmann 172
Die Gemeindevertretungen seit 1945 192
Ehrenbürger und Ehrenringträger der Gemeinde Vigaun 195
DIE ALTEN HÖFE UND HÄUSER VON VIGAUN
Die bäuerliche Hauslandschaft Kurt Conrad 196
Die Grundherrschaften bis zur Grundentlastung 1848 Heinrich Schwab 204
Von Vigaun l bis Rengerberg 43
Heinrich Schwab
Vigaun 206
St. Margarethen 223
Riedl 227
Rengerberg 231
Vigauner Kleindenkmäler
149,163,200,201,235,241,267,279, XXIV
4
VIGAUN HEUTE
Perspektiven für Vigaun Walter Schörghofer und Alois Huber 244
Eine Gemeinde im Wandel Günther Poppinger 245
Die Vigauner Bevölkerung 1990 246
Von der Land- und Forstwirtschaft Martin Mitterwallner 247
Die Landjugend Georg Fagerer und Andreas Göllner 249
Eine dynamische Wirtschaft Rupert Schörghofer 252
Ein Fremdenverkehr der Qualität Raimund Egger 253
Das Kurzentrum Vigaun - Heilbad vor den Toren Salzburgs Helmut Schober 260
Die katholische Pfarrgemeinde Michael Neureiter 268
Der Kirchenchor Johann Rainer 275
Die katholische Jungschar und Jugend Franziska Neureiter 276
Vielfältige Bildung
Unser Kindergarten Alois Tonweber 278
Unsere Volksschule heute Alois Tonweber 280
Öffentliche Bücherei Rupert Lehenauer 281
Erwachsenenbildung Alois Tonweber 282
Das Heimatmuseum Josef Neureiter 284
Vigauner Heimatdichter
Leopold Mailänder
Johann Rainer
Hannelore Unterrainer
149
203,243,293
277
Musikalisches Vigaun
Die Musikschule Josef Grabner 288
Die Trachtenmusikkapelle Siegfried Schaber 289
Vigauner Musikgruppen 294
Der Fabelvogel von Vigaun Ferdinand Joly 300
Unsere Feuerwehr Rupert Trinker 301
Brauchtum und Tradition
Die Historischen Prangerschützen Josef Egger 306
Die Vigauner Festschützen Sebastian Rettenbacher 311
Der Trachtenverein „D'Schmittenstoana" Adi Unterberger 314
Kameradschaft Vigaun Andreas Wallmann 317
Freizeit und Sport
Unser Sportverein Michael Steinberger 320
Der Union-Ringerverein Vigaun Manfred Paulitsch 322
Die Sektion Damenturnen Josefine Ramsauer 326
Das Tischtennismodell Tennengau Alois Tonweber 327
Der 1. Vigauner Eisschützenverein Franz Wanka 328
Das andere Vigaun: Begunje in der Oberkrain Michael Neureiter 330
Autoren...
... und Bilder
333
335
Farbtafeln I-IV nach 57, V-VIII nach 97,
IX-XII nach 114, XIII-XVI nach 143,
XVII-XX nach 255,
XXI-XXIV nach 295
5
Verbundenheit vertiefen!
„Ich habe es sehr eilig, habe wenig Zeit!" Das ist eine
Redensart, die viele von uns im hektischen Leben oft
gebrauchen. Ja, die Zeit ist kostbar geworden, doch im Leben
des einzelnen Menschen und in der Gemeinschaft gibt es
Abschnitte, die zur besinnlichen Einkehr und damit zum
Überdenken des bisher Geleisteten und Erlebten einladen.
Die Zeit ist kostbar, aber ohne sie gäbe es keine
Vergangenheit und keine Zukunft, keine Weisheit und keine
Hoffnung.
Dieses Buch soll dem Leser Aufschluß geben, wie sich unser
Dorf durch Jahrhunderte zu dem entwickelt hat, wie wir es
heute erleben. Und es möge beitragen, daß die Verbundenheit
der hier Geborenen zum Heimatort nicht erlischt, bei den
zugezogenen Vigaunern Verbundenheit wächst und bei
unseren Gästen Verbundenheit geweckt wird.
Sehen wir dieses Buch aber auch als Dank an unsere
Vorfahren, die in mühevoller Arbeit den Grundstein für unser
Gemeinwesen gelegt haben, und als Auftrag an uns, die wir
heute die Verantwortung tragen, das Geschaffene zu erhalten.
Persönlich darf ich allen herzlich danken, die zum Entstehen
des Vigauner Buches beigetragen haben.
Bürgermeister
6
7
VIELFÄLTIGE NATUR
NATURRAUM ZWISCHEN SCHLENKEN UND SALZACH
von Alois Tonweber
Geographischer Überblick
Das Gemeindegebiet von Vigaun, politischer Bezirk Hallein,
liegt südöstlich der Stadt Hallein und umfaßt die Katastralgemeinden
Vigaun und Rengerberg.
Die Gesamtfläche des Gemeindegebietes beträgt 17,55 km²;
hievon entfallen auf Vigaun 6,20 km² und auf den Renger-berg
11,35 km².
Das Gemeindegebiet umfaßt die Ortschaften Vigaun (Sitz der
Gemeinde), St. Margarethen, Riedl und Rengerberg. In der
West-Ostrichtung hat das Gemeindegebiet eine größte
Ausdehnung von 7,5 km² und reicht vom Sattel des
Schmittensteins bis zur Salzach. In der Nord-Südrichtung
beträgt die Ausdehnung rund zwei Kilometer.
Der Ortskern liegt 469 m über dem Meere, der tiefste Punkt
des Gemeindegebietes 455 m, der höchste Punkt, der Gipfel
des Schlenkens, 1649 m über Normalnull.
Im Westen grenzt die Gemeinde von der Tauglmündung flußabwärts
in einer Länge von knapp einem Kilometer an die
Salzach. Die Grenze verläuft dann weiter nordwärts bis zum
Nordende des „Riedls" und biegt dann nach Osten ab.
8
Der Wiesentümpel des Egg-Bauern ist das einzige Vigauner Gewässer im
Kleingewässerkataster der Salzburger Landesregierung. Unter den Tieren
und Pflanzen des Tümpels befinden sich relativ viele geschützte Arten.
Der Mäander des „Ledererbaches" in St.
Margarethen. Der Bach bildet hier
übrigens die Gemeindegrenze zwischen
Vigaun (östlich) und Hallein (westlich).
An der Wasserscheide zwischen Spumbach, Mörtelbach
und der Taugl zieht sich dann die Grenze ostwärts über
den Gipfel des Schlenkens bis zum Sattel unterhalb des
Schmittensteins. Von hier aus verläuft die Gemeindegrenze
südlich des „Kasbachgrabens" bis zur Taugl. Bei
der Einmündung des Kasbaches in die Taugl biegt die
Gemeindegrenze rechtwinkelig nach Westen ab und
verläuft an der Südgrenze des Raumes entlang der Taugl
bis zu deren Einmündung in die Salzach.
An Vigaun grenzen im Westen Hallein, im Norden Adnet
und Krispl, im Osten St. Koloman und im Süden Kuchl
als Nachbargemeinden an.
Der westliche Teil des Gemeindegebietes stellt einen
ebenen Talboden dar und liegt in der Flußniederung der
Salzach. Überragt wird er vom mächtigen Kalkstock des
Göllmassivs (Hoher Göll, 2523 m) und dem Roßfeld
(1536 m).
Der weitaus größere östliche Teil des Gemeindegebietes
gehört der Landschaftsgliederung nach zur Osterhorn-
gruppe und trägt in den höheren Regionen
Mittelgebirgscharakter mit Wäldern und Almböden.
Geologischer Aufbau des Gemeindegebietes
- Der tiefer gelegene Talboden und St. Margarethen:
Schon im Pliozän1 hat sich der Lauf der Salzach nach
Westen verschoben. Ursache dafür ist höchstwahrscheinlich
die starke Schuttführung der ostseitigen
Nebenflüsse, wie des Tauglbaches. Dadurch
bildeten sich in diesem Gebiet postglaziale alluviale
Sedimente.²
- Der höher gelegene Talboden zwischen Vigaun
und der Taugl:
Beim Austritt der Taugl ins Salzachtal bildeten sich
ein spätglazialer Schwemmkegel, der von einer
Moräne 3 überlagert und am Rande des schwindenden
Salzachgletschers abgelagert wurde. Am Fuß dieser
Moräne ist noch ein jüngerer
9
Taugl-Schwemmkegel vorhanden, dessen Spitze
bei der Römerbrücke liegt und der, allmählich an
Höhe verlierend, in die Terrassenfläche von
Vigaun übergeht.
- Der „ Riedl" (Südteil des Adneter Riedls):
Hier handelt es sich wahrscheinlich um einen
Rest des interglazialen „Gollinger Sees" der Riß-
Würm-Zeit 4 , der sich als senkrecht abfallender
„ Nagelfluh" 5 besonders bei
St. Margarethen („Bruderloch") zeigt und ein
bevorzugter prähistorischer Siedlungsplatz war.
- Das Gebiet des „Tauglwaldes":
Man nimmt an, daß ein Bergrutsch von südlich
der Raspenhöhe auf die beiden Terrassen der
postglazialen Talauffüllung dazu führte, daß
sich etwas nördlich dieses Gebietes die Salzach
nach Osten bewegte, übrigens die einzige
Stelle im Tennengauer Salzachtal.
- Das östliche Gemeindegebiet des Rengerbergs
oberhalb des Riedls:
Dieser Teil ist aus Jurakalken 6 aufgebaut, die sich
in bänderförmigen, komplizierten Schollen aus
Oberalm-, Schrambach- und Roßfeldschichten
zusammensetzen.
Die Wälder
des Gemeindegebiets gehören zum mittleren
Wuchsbezirk des nördlichen randalpinen Fichten-
Tannen-Buchenwaldgebietes. In mittleren Lagen ist hier
von Natur aus der Fichten-Tannen-Buchenwald vorherrschend,
wobei insbesonders in tiefergelegenen
Gräben und Klammstrecken, wie etwa an der Taugl,
Elemente des Schluchtwaldes deutlich ausgeprägt sind.
Man findet dann verbreitet Bergahorn, Esche und
Grauerle, in Unterlaufbereichen, z. B. an der Taugl,
sowie an der Salzach auch verbreitet Weidengebüsche.
Der Simonbauern-Graben
ist wohl ein Relikt aus der
Eiszeit, in der auch unser
Gemeindegebiet vom
Gletscher bedeckt war.
Am l. August 1984 wurde
bei Leitungsarbeiten auf
dem Grund des Duldingbauern
am Riedl dieser
Findling aufgefunden.
Der Nagelfluh der Riedl-
Wand zwischen St.
Margarethen und Kellerbauer.
Die für die Randalpen auf Kalk typische
Schlußwaldgesellschaft auf durchschnittlichen Standorten
ist jedoch der erwähnte Fichten-Tannen-Buchenwald,
wobei die Tanne in der Regel im Altbestand noch
häufiger auftritt, in Folge des seit Ende des Zweiten
Weltkrieges in besonderem Maße verstärkten Wildverbisses
in der natürlichen Verjüngung stark zurückgedrängt
wurde und bereichsweise überhaupt fehlt.
Während in tieferen Lagen auf günstigen Standorten
auch Edellaubhölzer wie Wildkirsche und Winterlinde
beigemischt sein können, treten an der oberen
Waldgrenze Latschengebüsche auf. Von Natur aus
können im gesamten Bereich, je nach
10
Bestandesentwicklung, Bodenzustand und lokalklimatischen
Bedingungen auch verschiedene „Nebenbaumarten"
wie Eberesche und Birke vorkommen. 7
Rengerberger Impression
„Die Wiesen waren gemäht, überall lagen Heuhaufen,
wie Tupfen auf den Hängen, im Hintergrund schattete
ein dunkler Fichtenwald. Die Berghänge in der Runde
im Licht der untergehenden Sonne, tiefgrüne Schatten
und goldfarbene Fluren, lange samtgrüne Heuzeilen
unterteilten die Flächen, und das Licht fiel durch die
Fichten und vergoldete die Ränder." (Raffaela Toledo
am Ende des Zweiten Weltkrieges)
ANMERKUNGEN:
1 Pliozän = jüngste Abteilung der geologischen Formation des
Teritär.
Mit dem Teritär begann vor etwa 7 0 Millionen Jahren das
Känozoikum
(Erdneuzeit).
2 postglazial = nacheiszeitlich
alluvial (Alluvium) = nicht mehr gebräuchlicher Name der
jüngsten Abteilung der geologischen Formation der
Erdneuzeit im Quartär, des Holozän (vor etwa 50.000
Jahren).
Sedimente = abgelagerte Lockermaterialien (Geröll, Schutt,
Gesteine).
3 Moräne = vom Gletscher der Eiszeit verfrachteter und
abgelagerter Schutt, landschaftsbildend.
4 interglazial = zwischeneiszeitlich
„Gollinger See": Nach dem Abschmelzen des
Salzachgletschers bildete sich ein See, der vom Salzburger
Becken (Stammbecken) bis etwa nach Golling reichte (vor
etwa 20-30.000 Jahren).
5 Nagelfluh = Sediment (Ablagerungs-)gestein; abgerundete,
durch
eisenhaltige, kalkige, kieselige Bindemittel verkittete, kleine
Gesteins
trümmer; auch unter dem Namen „Konglomerat" bekannt.
6 Jura = Mittlere Abteilung der geologischen Formation des
Mesozoikums
(Erdmittelalters), vor etwa 180-135 Millionen Jahren. Die
Juragesteine bestehen zumeist aus schichtartigen Kalken
und sind vor allem in der Umgebung des Dürrnberges, in
der Osterhorn- und Schafberggruppe zu finden.
7 Laut freundlicher Auskunft von Dipl.-Ing. Hermann
Hinterstoisser vom Amt der Salzburger Landesregierung,
Naturschutz.
LITERATUR:
Erich Seefeldner, Salzburg und seine Landschaften, eine
geographische Landeskunde, Salzburg 1961.
Walter Del-Negro, Geologie des Landes Salzburg,
Schriftenreihe des Landespressebüros, Serie
„Sonderpublikationen", Nr. 45, Salzburg 1983
Weintrauben (südseitig in St. Margarethen) und Mehlbeeren
(vom Mehlbeerbaum beim Wurzerbauern am
Rengerberg) sind eher ungewohnte Früchte in unseren
Breiten - ein Zeichen für die vielfältige Natur Vigauns.
Auch Vigaun hat seinen Gletscherschliff: an der Straße
in den inneren Rengerberg kurz vor dem Pertheilbach,
der Grenze zwischen äußerem und innerem Rengerberg,
eine imposante Erinnerung an eisige Zeiten.
11
DAS HÖHLENSYSTEM IM SCHLENKENGEBIET
von Alois Tonweber
Im gesamten Schlenkengebiet befinden sich ca. 25
Höhlen, von denen hier nur die größten und bedeutendsten
erwähnt werden können.
Höhlen können nur dann entstehen, wenn das Gestein
geeignet ist, zu verkarsten. Dies trifft auch für diesen
Bereich zu, der hier ziemlich einheitlich aus Oberalmkalk
und oberjurassischen Hornsteinkalken 1 besteht. Der
Kohlensäuregehalt der Niederschläge wirkt kalkzersetzend.
Man findet hier vorwiegend zwei Höhlenhorizonte, der
untere ist meist aktiv wasserführend, der obere meist
inaktiv. Manche der wasserführenden Höhlen werden
zur Trinkwasserversorgung verwendet.
Zoologisch bemerkenswert ist in den Höhlen das
Vorkommen von Zackeneulen, Spannern, Weberknechten
und Gelsen. Interessant sind auch die verschiedenen
Fledermausarten. Vorherrschend ist die
kleine Hufeisennase, aber auch die Mausohr-Fledermaus
kommt hier vor. Die Tiere sind sehr ortstreu und kehren
jeden Winter zu ihrem Winterschlaf in dieselbe Höhle
zurück, was durch Beringungen nachgewiesen werden
konnte.
Die nun beschriebenen Höhlen wurden alle vom
„Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg" erforscht
und vermessen:
Archerhöhle (740 m)
Von Vigaun aus liegt am Fahrweg zur ehemaligen
Volksschule Rengerberg das „Archengut". Am Beginn
der Quellwasserleitung des Archengutes befindet sich
ein Gesteinsniederbruch, der den eingestürzten Höhlenvorraum
bildet. Oberhalb ist noch ein schmaler Spalt
frei, durch den der Zugang erfolgt. Anfänglich recht
nieder und eng unter einem Felsblock hindurch, erreicht
man nach 35 m eine Erweiterung. Hier nimmt auch die
Raumhöhe zu. Die anfangs nach Nord-Nordost gerichtete
Höhle wendet sich nun etwas nach Nordwesten
und endet in einer Kluft. Rechts führt nach einer
Wandstufe noch ein Gang aufwärts und endet verstürzt,
105 m vom Eingang entfernt.
Im Inneren der Höhle befinden sich Bruchmaterial,
Schotter, Lehm, Tropfsteine und ein aktiver Wasserlauf.
Die Archerhöhle wurde im Jahre 1930 entdeckt.
Dreischachteishöhle (1420 m)
Im Latschenfeld unterhalb des Schmittensteins gelegen.
Vom Sattel zwischen Schlenken und Schmittenstein
führt ein markierter Pfad hinunter zu den Schlenkenalmen.
Vom Pfad über die Geröllhalde ins Nigelkar
hinabziehend, erreicht man in einer ebenen Blöße die in
die Tiefe gähnenden Schächte. Es sind drei beieinanderliegende
Schachtöffnungen. Bei Schacht 1
erfolgt der Einstieg über eine 3-5 m tiefe Wandstufe,
nach der sich die drei Schächte auf einer Schnee- und
Eissohle vereinigen. Im verstürzten Schachtboden
wurden Tierknochen gefunden. Die Begehung der
Höhle ist nur mit Strickleiter möglich. Die Dreischachteishöhle
wurde 1931 erforscht.
Eisenloch („Lengfeldkeller")
Es liegt auf dem Weg vom Broswirt zur ehemaligen
Schule Rengerberg unterhalb des Steinbruches. Der
Eingang ist ca. 2 m hoch. Nach 12m erreicht man eine
Wasseransammlung, die in eine enge Spalte abfließt.
Geradeaus kann man durch eine lehmige Engstelle 30m
weiter zur „Teufelsküche" (kleine Halle) vordringen.
Diese Höhle diente ehemals als Keller und war mit einer
Tür versperrt.
Gutortenbrandhöhle (810 m)
Der Zustieg erfolgt von St. Koloman über den „Hohen
Steg" aus. Die Taugl wird hier nach Norden
überschritten. Nach ca. 300 m führt der Weg vorbei
über dem „Hennerloch" auf eine Bergwiese des
Hauslehens. Man trifft zuerst auf ein trockenes Bachbett
und dann auf den schachtartigen Abstieg in die Höhle.
Der Eingang befindet sich am Grunde eines 8 m tiefen
und 6 m breiten Einsturztrichters. Die Höhle verläuft in
12
Selbst den Vigaunerinnen und Vigaunern sind die Höhlen im Schlenken viel zuwenig bekannt: Das Eisenloch
birgt eine Halle, die als „Teufelsküche" bezeichnet wird.
nordöstlicher Richtung anfangs bis 3 m hoch in einer
Bruchspalte, dann als oft kaum l m niederes, sich
stellenweise auf 5 bis 10 m verbreiterndes Gerinne mit
angeschwemmten Lehm- und Schotterablagerungen und
endet nach ungefähr 160 m Länge in einer gegen Süden
biegenden, 10m hohen Spaltkluft. Nach Passieren einer
Wasserstelle gelangt man in eine tiefer liegende Fortsetzung,
in der eine schmale Kluft über einen Schotterkessel
hinweg zu einer Tropfsteinkammer führt. Von hier zieht
sich der nach Osten führende, äußerst enge „Klappacherschluf"
2 hinunter. Aus einem größeren, 9 m
langen Raum führt ein gut begehbarer Gang 10 m in
eine Seehalle, die auf ca. 10 m Länge und 2 bis 3 m
Tiefe mit Wasser gefüllt ist. Steigt man jetzt 4 m in einen
Schotterkessel hinab, so kann nordwärts durch den
„Rattenschluf", die „Hachlkammer", die „Lehmhalle" und
weiters durch den „Blockschluf" und den „Schlazgang"
das vorläufige Ende erreicht werden.
Die Höhle gehört nach ihrer Art zu den „Kluft- und
Schichterosionshöhlen" 3 und besteht aus Deckensturzmaterial,
Schotter, Lehm, Schlaz und im tagfernsten
Gebiet aus einem aktiven Wasserlauf. Sie wurde von
Einheimischen entdeckt und schon 1911 erforscht.
13
Hennerhöhle (Hennerloch) (685 m)
Ebenfalls über den Hohen Steg gelangt man am rechten
Tauglufer zum Eingang der Höhle. Sie verläuft fast
geradlinig nach Nordwesten, einer tektonischen
Bruchlinie folgend. Durch den 2 m hohen Eingang betritt
man zunächst die durch einen Versturz unter einer
Querkluft in zwei Teile gesonderte 50 m lange und bis
10 m breite Vorhalle, an die zum Teil enge, übereinanderliegende,
ausgewaschene Spaltgänge anschließen.
Sie erweitern sich mehrfach zu hohen, bis 10
m breiten Hallen, deren Grund von tiefen Wasserbecken
erfüllt ist und deren Wände nach oben zu hohen
Schloten auslaufen. Durch Erosion aus den Wänden
herausgearbeitete, bis 15 cm starke Hornsteinbänder
durchziehen die ganze Höhle und bilden öfters
treppenförmige Absätze, über die der Höhlenbach in
Kaskaden herabfällt. Nach etwa 400 m gerader Länge
wird der nach der letzten Seehalle sich fortsetzende
Spaltgang eng und unschliefbar. Das Hennerloch ist eine
Bruchfugenhöhle und wurde 1911 erforscht.
Lettenloch und Luegloch (840 m)
Beide Höhlen sind Klufthöhlen, liegen im
„Kasbachgraben" und sind über den Hohen Steg aus zu
erreichen. Von hier zieht sich nach Nordwesten gegen
das „Hauslehengut" fast eben zur Tauglklamm ein Weg,
der sich bald im Wald verliert. Etwa 80 m nach einer
deutlichen Wandbildung zeigt sich ein abwärtsführender
Graben, an dessen oberem Ende sich die beiden Höhlen
befinden. In der Felswand, die den steilen Graben
abschließt, öffnen sich die beiden Höhleneingänge
nebeneinander.
Der linke Eingang führt in das „Lettenloch" 4 , in eine 40
m lange und ebenso breite Riesenhalle mit ansteigendem,
von Bruchblöcken bedecktem Boden. Im Hintergrund
entspringt ein Bächlein.
Rechts führt ein enger Eingang in das „Luegloch", einem
anfangs nach Nordwesten, dann nach Südwesten
ziehenden Erosionsgang von etwa 280 m Länge, der
sich in der vorderen Hälfte an mehreren Stellen zu
kleinen Domen (Hallen) erweitert. Der Boden ist hier
ebenfalls mit Bruchblöcken bedeckt. Dann wird der Gang
klammartig eng und beschreibt wiederholt scharfe
Biegungen. Lehmige Ablagerungen bedecken hier den
Boden bis zu einem 9 m tiefen Schacht. Jenseits einer
weiter anschließenden Halle schließt der Gang durch
Verengung, ein hier herabstürzendes Wasser
verschwindet in den Spalten. Wer jedoch eine „Dusche"
nicht scheut, übersteigt den Wasserfall.
Hier gelangt man wieder in einen größeren Höhlenteil,
der in Hauptrichtung weiterläuft. Dieser Teil ist noch
unerforscht. Erforscht wurde die Höhle 1957, angeblich
soll sie bis in die Gaißau hinüberreichen.
Reitlloch (Emmahöhle)
Der Zugang erfolgt vom Reitlbauern in den
Kasbachgraben. Bei der Weggabelung noch wenige
Meter dem rechten Weg folgend und dann steil 10 bis
15 Meter rechts abwärts zum 60 cm hohen
Höhleneingang. Anfangs trifft man auf einen niederen,
bis 4 m breiten horizontalen Gang mit mehreren
Wasseransammlungen. Durch ein enges Fenster ist eine
Fortsetzung sichtbar. Herrliche Tropfsteingebilde mit
bizarren Formen, märchenhaft schön, bieten sich dem
Besucher.
Die Höhle verläuft bei etwa 200 m Länge fast geradlinig
in nordwestlicher Richtung und endet vor einem
Wasserfall tief im Berginnern. Sie ist eine aktive
Wasserhöhle, daher das unheimlich wirkende Rauschen
und Brausen schon beim Betreten der Höhle.
Versturzhöhle
Ungefähr 50 m vom Schlenkenkreuz entfernt; 1/2 m
hoher Eingang, sehr eng und nur 10 m lang.
ANMERKUNGEN:
1 Oberjura = mittlere Abteilung des Mesozoikums
(Erdmittelalter).
2 Klappacherschluf = nach seinem Entdecker so
benannt.
3 Schichterosion = Abtragung in Schichten durch die
Kraft des Wassers, dadurch Entstehung von Klüften.
4 Letten = Lehm; dem Lettenloch wird seit alter Zeit für
verschiedene Wirtschaftszwecke Lehm entnommen.
LITERATUR:
Gustave Abel, Salzburger Höhlen, Salzburg 1963.
Gustave Abel, Höhlen im Bereich des Rengerberges am
Schlenken,
Mitteilungen des Landesvereines für Höhlenkunde,
Salzburg. Naturwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft am
Haus der Natur in
Salzburg unter der Leitung von Prof. Dr. Eberhard
Stüber, Die
naturwissenschaftliche Erforschung des Landes
Salzburg, Stand 1963. Josef Neureiter, Wanderführer
Vigaun und Umgebung, herausgegeben vom
Verkehrsverein Vigaun.
14
15
DIE TAUGL
von Alois Tonweber
Südöstlich des Gemeindegebietes von Vigaun verbirgt
sich unterhalb des Schmittensteins, Schlenkens und
Rengerberges eine der längsten und völlig unzugänglich
erscheinenden Klammen Österreichs, die „Tauglklamm".
Sie hat ihren Namen vom Tauglbach, der am Westhang
des Gruberhornes in der Osterhorngruppe entspringt und
an der Gemeindegrenze zwischen Kuchl und Vigaun in
die Salzach mündet.
„Taugl" geht auf das althochdeutsche Wort „tougan" (=
heimlich) und das mittelhochdeutsche Wort „tougen" (=
verborgen, wunderbar) zurück. Tatsächlich merkt man,
vom Salzachtal den Höhenzug Richtung St. Koloman
überschreitend, nichts von diesem Gewässer, das man in
so einem ausgebildeten Schluchtsystem erwarten würde.
Die Länge des Tauglbaches vom „Tauglgrund" bis zur
Mündung beträgt 11 km, davon entfallen allein acht
Kilometer auf die Klammstrecke. Der Höhenunterschied
von der Tauglquelle bis zur Salzachmündung beträgt fast
400 m, die Klamm beginnt etwa 700 m außerhalb des
Tauglgrundes, ist 30 und mehr Meter tief und endet ca.
50 m unterhalb der „Römerbrücke" in Vigaun.
Das Wasser der Taugl zerschnitt im Laufe der Zeit
mächtige Felsbänke. Die senkrechten, oft überhängenden
Felswände nähern sich auf weiten Strecken
bis auf wenige Meter, und die über dem Abgrund sich
verflechtenden Baumkronen dämpfen das Licht zu einem
immerwährenden Dämmern.
Die Tauglklamm ist beliebtes Ziel von Wildwasserfahrern
und wird bei geringster Wasserführung im Spätsommer
und im Spätherbst von trainierten und mit den Tücken
der Schlucht vertrauten Touristen sogar durchwandert.
Selbstverständlich kann ein solches Unternehmen nur bei
stabiler Wetterlage und mit angemessener Ausrüstung in
Angriff genommen werden.
Gab es früher viele Stege über die Taugl, so sind heute
nur mehr der Hohe Steg und der Schmalecksteg
(baufällig!) erhalten. Nicht mehr vorhanden sind der
Lambertsteg und der Hundsteinsteg.
Zur Bedeutung der Taugl 1
Die Taugl ist eines der wenigen größeren Fließgewässer
Salzburgs, das von seinen Quellen bis in den Mündungsbereich
von technischen Verbauungen, insbesondere
Uferlängsverbauungen und Kanalisation
16
des Bettes, weitgehend unberührt geblieben ist. Gewisse
Beeinträchtigungen bestehen natürlich im Bereich von
Brückenbauwerken.
Einzigartig für Salzburg ist die Akkumulationsstrecke an
der unteren Taugl, westlich der Römerbrücke, wo der
Tauglbach nach einer Schluchtstrecke ins Salzachtal
hinausfließt:
Dieses sogenannte Tauglgries stellt ein bis zu 100 m
breites Bachbett dar, in dem der Tauglbach noch hinund
herpendeln kann und sich verzweigend Furkationen
ausbilden. Die großflächigen Schotterflächen sind teils
völlig vegetationsfrei, teils mit Vegetation
unterschiedlicher Sukzessionsstadien bewachsen. Das
Tauglgries bildet eine natürliche Versickerungs- und
Grundwasseranreicherungsstrecke. Der Tauglbach
erreicht nur bei höheren Wasserständen den
Mündungsbereich in die Salzach oberirdisch.
Derartige Bäche mit großen Schotterflächen sind
insbesondere in den Tallagen durch die intensive
Siedlungstätigkeit und andere Nutzungen bereits extrem
selten geworden.
Von vielen Seiten nur als Ödland und „Gstätten"
betrachtet und für illegale Müll- und
Bauschuttablagerungen mißbraucht, sind
Wildflußlandschaften mit großen
Geschiebeakkumulationsflächen als Biotope in
Mitteleuropa heute bereits extrem selten und
Lebensräume durchwegs höchstgefährdeter
Gemeinschaften von Lebewesen.
Von der Tierwelt an der Taugl 2
Von der Taugl können exemplarisch seltene Vorkommen
von Käfern, Heuschrecken und Vögeln hervorgehoben
werden:
Käfer:
- Flachstirniger Breithüften-Dornhalskäfer
Diese stark gefährdete Art der Roten Liste ist ein
Bewohner natürlicher Flußauen. Die Art wurde durch
Remigius Geiser 1988 erstmals für Salzburg im
Tauglgries nachgewiesen.
- Ziegelroter Zartkäfer
Diese Rote-Liste-Art, die 1988 von R. Geiser im
Tauglgries festgestellt wurde, ist ein halbunterirdisch
lebender Sandbewohner.
17
Die Blauflügelige Ödlandschrecke wurde 1989
im Tauglgries nachgewiesen, nachdem sie zuvor
mehr als zwanzig Jahre im Land Salzburg als
verschollen gegolten hatte.
Der Tauglgries ist nach dem Abschnitt vom Tauglboden bis zur
Strubklamm und der Schluchtstrecke zwischen Strubklamm und
Römerbrücke der dritte Abschnitt des Gebirgsflusses.
- Dicker Breithals-Ameisenkäfer
Wurde von R. Geiser 1989 erstmals für Salzburg im
Tauglgries nachgewiesen. Die Art scheint in der Roten
Liste Bayerns als vom Aussterben bedroht auf, was
sicherlich auch für Salzburg zutrifft. Die Art benötigt
primäre Wildflußauen tieferer Lagen. Da die Art sehr
anspruchsvoll ist, kann sie auch keine Sekundärstandorte,
wie z. B. Kiesgruben, als Ersatzlebensräume
besiedeln.
Heuschrecken:
- Philippis Grashüpfer:
1989 Erstnachweis für Salzburg an der Taugl. Die Art
lebt auf Geröllflächen der Alpenflüsse und ist bis jetzt im
Land Salzburg nur an der Taugl nachgewiesen worden
(R. Geiser). Art der Roten Liste: durch Zerstörung ihrer
Lebensräume in Österreich gefährdet.
- Blauflügelige Ödlandschrecke:
Die für Salzburg bereits als verschollen geltende Art
wurde 1989 von Inge Illich ebenfalls auf den
Alluvionsflächen der Taugl gefunden. Diese sehr
trockenheitsliebende Art wurde zuletzt 1965 auf dem
Rainberg nachgewiesen, sie gehört zu den größten
Heuschreckenarten im Land Salzburg.
Vogel:
- Flußregenpfeifer:
Unter den Vögeln ist v. a. das Vorkommen des gefährdeten
Flußregenfpeifers, eines typischen Brutvogels
der Schotterbänke natürlicher Flußlandschaften, hervorzuheben
(Mitteilung Elisabeth Geiser). Die Art ist in
Salzburg heute außer an der Taugl nur mehr auf
Sekundärstandorten anzutreffen, an denen sie, mangels
natürlicher Dynamik, meist nur ein vorübergehendes
Dasein fristet.
ANMERKUNGEN
1 Aus einer Stellungnahme der Landesumweltanwaltschaft
2 Ebda.
LITERATUR:
Arthur Spiegler, Die Taugl. Landschaft und
Landschaftsgeschichte, Hydrographie und Karst,
philosophische Dissertation (Wien, 1971),
Hans Matz, Schluchten, Klammen, Wasserfälle, Urlandschaften
Europas, Wien und München, 1986.
18
DER BERGSTURZ VIGAUN
von Christian Uhlir
Westlich der alten Salzachuferterrasse von Vigaun
befindet sich in der Faistelau das mit dichtem Wald
bedeckte Trümmerfeld eines Bergsturzes, der zwischen
Raspenhöhe und Abtswaldkogel abging. Die erste
Beschreibung stammt von E. Richter aus 1882 mit
seinem Aufsatz: „Ein alter Bergsturz im Salzachtal".
Die Faistelau als Standort des römischen
Cuculae (Kuchl)?
Die im Vergleich zum Talboden der Salzach
unregelmäßige Oberfläche der Faistelau (Tauglwald) mit
bis zu 5 m hohen Hügeln, Hügelreihen, Gruben und
Vertiefungen führte zu der Annahme, daß es sich dabei
um den Standort des römischen Cuculae handle.
Genährt wurde diese Vorstellung durch Grabungsfunde
(meist nicht bestätigt) und einer alten Sage, in der es
heißt: „Wo jetzt Figaun und der Faistelauer Waldsteht,
stand einst eine große Heidenstadt, welche in Folge
eines Erdbebens verschüttet worden ist. Um die Stadt
floß ein großes Wasser." (Prinzinger)
Der im vorigen Jahrhundert in Vigaun tätige Pfarrherr v.
Lama stellte mit seinem Hilfspriester A. Brennsteiner
Anfang der sechziger Jahre viele Nachforschungen an:
„Er glaubte, für den Sprengel die Ehre in Anspruch
nehmen zu müssen, daß derselbe schon zur Zeit der
Römerherrschaft die erste christliche Gemeinde und
nach deren Sturz die älteste christliche Seelsorge des
Thaies sei" (Prinzinger).Beim Bau der Gebirgsbahn 1874
wurden Hügel, die Verteidigungswälle des Kastells sein
sollten abgetragen oder angeschnitten, dabei kam aber
nur das Trümmerwerk des Bergsturzes zutage (Richter).
Zuletzt wurde 1983 in der Faistelau nahe der alten
Straße nach Vigaun unter Landesarchäologe E.
Penninger vom Keltenmuseun Hallein nach einer „Basilika"
gegraben. Das gefundene Säulenbruchstück und die
Mauerreste sind keiner Kulturstufe zuzuordnen.
Lageskizze von E. Richter, 1882.
Das bedeutenste Argument dagegen ist der Standort
selbst. Für den Fall, daß der Bergsturz nach der
Römerzeit niederging, ist es höchst unwahrscheinlich,
daß die Römer ein Kastell mit Siedlung an einen Ort
abseits der wichtigsten Verkehrsader hinab in das
Überschwemmungsgebiet der Salzach und der Taugl
gestellt hätten. Besäße der Bergsturz prähistorisches
Alter, so hätten die Römer das Trümmerfeld zumindest
teilweise eingeebnet und man könnte schon auf Grund
des unterschiedlichen Bewuchses den Ort der Siedlung
erkennen.
19
Geographische und geologische Übersicht
Das im Tennengau gelegene Gemeindegebiet von
Vigaun nimmt rechts der Salzach den ganzen Talboden
ein und dehnt sich noch einige Kilometer in Richtung
Osterhorngruppe aus. Das Salzachtal hat bei Vigaun
eine Breite von ca. 3 km und gehört zum Salzburger
Becken, das fjordartig in die Nördlichen Kalkalpen greift.
Der Talboden mit einem Gefalle von 0.16%, auf dessen
Schottersohle der Fluß vor der Regulierung hin und her
pendelte (mäandrierte), ist abgesehen von der Faistelau
und alten Salzachuferterrassen weitgehend eben. Alte
Flußläufe sind durch die Bewirtschaftung des Aubodens
kaum noch zu erkennen. Im Osten wird das Salzachtal
von der sanften Mittelgebirgslandschaft der Osterhorngruppe
begleitet (Schlenken 1649 m). Dieses Gebiet ist
weniger dicht besiedelt als das Salzachtal, aber
landwirtschaftlich intensiv genutzt. Im Westen steigt die
Talflanke sehr steil, gerade noch nicht felsbildend (bis zu
45°), bis auf ca 900 m (Raspenhöhe 894 m) an, und
geht dann in den stark bewaldeten, und in der Höhe
almbedeckten Rücken der Roßfeldgruppe über (Roßfeld
1536m). Auffallend sind noch der große Schwemmfächer
der Taugl im Süden von Vigaun, der die Salzach
nach Westen drängt, die sich ca 30 m über den
Talboden erhebenden Eisrandterrasse, der Riedl, im
Osten von Vigaun und die alte Uferterrasse, auf der die
Kirche von Vigaun steht.
In klimatischer Hinsicht nimmt der Tennengau eine
Mittelstellung zwischen den inneralpinen Landschaften
und dem Alpenvorland ein. Jedoch herrscht auf Grund
der NNW-Richtung im Salzachtal das atlantische Klima
vor. Die Niederschlagsmenge nimmt infolge der trichterförmigen
Verengung des Tales gebirgseinwärts zu (Seefeidner).
Die Entwässerung der Talflanken erfolgt wegen der
Verkarstung der anstehenden Gesteine größtenteils
unterirdisch in den Schotterkörper des Talbodens. Der
Tauglbach versickert ca. 200 m oberhalb der Autobahnbrücke
im Talschutt und erreicht nur bei Hochwasser
die Salzach. Im Talboden gelangen Niederschläge
direkt ins Grundwasser.
Die oben beschriebenen Oberflächenformen begründen
sich im geologischen Bau des Untergrundes und dem
20
Widerstand, den die Gesteine der Erosion (Abtragung
durch fließendes Wasser und strömendes Eis) entgegensetzen.
Die zu den Nördlichen Kalkalpen gehörenden
Gesteine sind Meeresablagerungen, die
mehrere hundert Kilometer im Süden, am Südrand des
mesozoischen Mittelmeeres (vor 284-65 mill. Jahren,
Zeitalter der Saurier) entstanden sind. Durch
raumverengende Gebirgsbildungsvorgänge wurden in der
Kreidezeit (vor 110-70 mill. Jahren) die Gesteine der
heutigen Kalkalpen von der Unterlage abgetrennt und
nach Norden verfrachtet. Dabei wurden sie gefaltet, in
sogenannte Decken und Schuppen zerlegt und
dachziegelförmig gestapelt. Bei einer späteren Gebirgsbildungsphase
im Alttertiär (vor 40 mio. Jahren) wurde
das fertige Deckengebäude als einheitlicher Block nochmals
nach Norden bis über das Alpenvorland geschoben
und in die heutige Lage gebracht.
Nach und nach wurden bei diesen Vorgängen die
Sedimentgesteine (Meeresablagerungen) der Kalkalpen
aus dem Meer gehoben. Das anfänglich nur wenige
hundert Meter aus dem Meer herausragende Festland
wurde durch Verwitterung (Erosion) zergliedert und damit
die Grundlage für das heutige Relief geschaffen. Die
Verwitterung setzt besonders stark an die durch die
Gebirgsbildung und Ferntransport geschaffenen Bruchlinien
und Bewegungsebenen (Störungen) an. In den
letzten 5 mill. Jahren wurde durch den aktiven Aufstieg
der Alpen die heutige Gebirgskette von Genua bis Wien
geschaffen. Mit der Bildung dieser Gebirgskette wurde
einerseits eine scharfe klimatische Trennung zwischen
Mitteleuropa und Südeuropa geschaffen, andererseits
verlandeten durch den Abtragungsschutt des jungen
Gebirges die angrenzenden Meeresbecken (Alpenvorland,
Wiener Becken, Poebene usw.).
Zur Geologie des Gemeindegebietes
Unser Gebiet liegt am Westrand der Osterhorndecke, sie
hat einen ausgeprägten Muldenbau (Großfalten, deren
Oberteil abgetragen wurde) (Plöchinger). Gut zu
erkennen ist dieser Bau an den Oberalmerschichten, die
fast überall am Osthang des Salzachtales anzutreffen
sind. Die Neigung dieser Schichten ist durchwegs
hangparallel, also flach gegen Westen oder Südwesten.
Sie tauchen von Osten her in die Salzachschotter ein und
steigen auf der anderen Talseite (bei Kuchl zu sehen)
meist steiler mit entgegengesetzter Neigung wieder aus
den Salzachschottern heraus. Westlich von Vigaun
stehen die später entstandenen, also über den Oberalmerschichten
liegenden Schrambachschichten und
Roßf eldschichten an, mit einer flachen bis steilen
Schichtneigung nach Osten bis Südosten. Dieser Muldenbau
wird zerteilt durch die talparallele Salzachstörung,
eine Reihe von Staffelbrüchen am Osthang (am Westrand
vermutet) mit zum Tal absinkenden Schollen und
wenigen, quer zum Salzachtal laufenden Störungen
(Verschiebungsbahnen).
Durch den Muldenbau der Osterhorndecke und die
Staffelbrüche an der Ostseite (und Westseite) des
Salzachtales, wurden die leichter zerstörbaren Mergel und
Sandsteine in eine tiefere Lage
(1) Salzachschotter, Sand , Konglomerate und Seeton
(2) Untere Roßfeldschichten: untere Kreidezeit, dunkelgrauer
massiger Sandstein abwechselnd mit hellgrauen
l cm bis 2 m Mergelschieferlagen (Baustein)
(3) Schrambachschichten: untere Kreidezeit, gelblichgraue
bis hellgraue, schiefrige Mergel bis 1-2 dm dicke
Mergelbänke (Zementmergel, Fa. Leube)
(4) Oberalmerschichten: oberster Jura, hellgraue, 1-2 dm dicke
Mergelkalkbänke mit schwarzgrauen Hornsteinlagen (Bau- und
Zierstein)
21
gebracht. Im Quartär (vor 1.8 mill. – 10.000 Jahre,
Eiszeitalter) vertieften die Gletscher das bereits
vorgeformte Tal (in das Eis eingelagerte Felsblöcke,
Steine und Sand trugen den Untergrund schleifend und
schrammend ab). Die Eisoberfläche lag beim
Höchststand ca. 1000m über dem heutigen Talboden,
und die Zungen des Salzachgletschers reichten bis
Oberndorf. Die Eisrandterrassen entstanden beim
Abschmelzen des Gletschers. Dabei bildeten sich seitlich
kleine Seen, die mit der Schotterfracht der Bäche
aufgefüllt wurden und durch kalkreiche Wässer zu
Konglomerat verfestigt wurden (z. B. am Riedl). Nach
dem Rückzug der Gletscher in den Hochalpinen Bereich
hinterließen sie einen Eissee und überstellte Talflanken
(vorwiegend an der Westseite). Der feste Untergrund lag
bei Vigaun ca 350 m unter dem heutigen Talboden
(erkundet durch eine Tiefbohrung der ÖMV beim
Kurzentrum). Dieser See von der Größe des Gardasees
wurde durch die von den Flüssen und Bächen
transportierten Schotter, Sande und Schwebestoffe vor
allem von Süden her zugeschüttet. Er war bereits vor
15000 Jahren weitgehend verlandet. Am Ende des
Quartärs gab es vor 15000 Jahren und vor 13500
Jahren aufgrund von Klimaschwankungen inneralpine
Gletschervorstöße. Beim Abschmelzen schwemmte das
Schmelzwasser den Talboden auf breiter Front aus, und
hinterließ zu beiden Seiten die alten Uferterrassen. Nun
wird es Zeit für den Bergsturz.
Das Bergsturzereignis
Bergstürze sind wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche
kaum vorhersehbar. Man kann zwar in gefährdeten
Gebieten mit modernen Meßmethoden Felsbewegungen
feststellen, der Zeitpunkt des Abganges läßt sich jedoch
damit nicht bestimmen, da Bergstürze oft mit Erdbeben,
langen Regenperioden oder Meteoritenfällen (selten)
einhergehen können.
Welches in unserem Fall das auslösende Ereignis war,
ist heute nicht mehr zu beurteilen.
Nun zum Ort des Geschehens: Auf Grund des
verschiedenen mechanischen Verhaltens der im
Abrißbereich anstehenden Gesteine (Mergel der Roßfeld-
und Schrambachschichten -Sandstein und Mergelschiefer
der Roßfeldschichten) lassen sich zwei unterschiedliche
Hangbewegungen erkennen. Einerseits die
durch langsames Herausbrechen von kleineren Felspartien
entstandene Nische (Kieferwand) links neben der
Raspenhöhe, deren Schutt den Schwemmkegel von
Gamp aufbaut, andererseits südlich davon die durch ein
einmaliges Abrutschen entstandene Abrißkannte des
Bergsturzes, deren Felsmassen die Faistelau bedecken.
Die Übersteilung der westlichen Talflanke durch den
Salzachtalgletscher ist der Hauptgrund für die
Hangbewegungen, gibt aber keine Aussage darüber,
warum es zwischen Raspenhöhe und Abtswaldkogel zum
Abgang kam. Bei genauer Betrachtung des Abrißbereiches
(siehe dreidimendionale Darstellung) lassen
sich Faktoren finden, die den Abgang an dieser Stelle
begünstigen. Eine quer zum Salzachtal laufende Störung
mit Klüften parallel dazu hat die Mergel im Bereich der
Nische stark zerrüttet. Die dort anstehenden Mergel
verwittern sehr schnell und zerfallen durch Lösung des
Kalkgehalts zu Lehm. Dies begünstigt bei längeren
Regenperioden oder während der Scheeschmelze
Murenabgänge, die den Verwitterungsschutt zu Tal
bringen.
Die Schichtgrenze zu den Sandsteinen der Roßfeldschichten
befindet sich etwa 50 m südlich der Nische.
Bei der Faltung der Osterhorndecke kam es im
Grenzbereich zwischen den weichen, plastischen Mergeln
und den spröden Sandsteinen zu erhöhten Spannungen,
die in Form von Zerbrechungen (Rissen und Klüften)
abgebaut wurden. Durch die gute Wasserwegigkeit
(offene Klüfte) kam es zur Lösung des Kalkgehalts in den
Mergeln und Mergelschiefern unter und zwischen den
Sandsteinlagen und damit zur Bildung von Gleitflächen in
Form von Lehmschichten. Die Sandsteine weisen eine
fast hangparallele Schichtneigung nach Südosten auf.
22
Dreidimensionale Darstellung
des Bergsturzgeländes.
Die Bewegungsbahn ist ohne
Wald dargestellt.
Dies begünstigt Felsgleitungen entlang der Schichtflächen
(Grenzflächen zwischen Sandstein und Mergel)und ein
weiteres Öffnen der Klüfte.
Beim großen Bergsturz wurden in einem Zuge ca. 4 Millionen
Kubikmeter Felsmassen zu Tal befördert. Auf der
anfangs 40° steilen Bewegungsbahn erreichten die
Schuttmassen mit bis zu 500 m 3 großen Blöcken eine
Geschwindigkeit von ca. 60 km/h. Mit dieser Geschwindigkeit
erreichte der Schuttstrom den Talboden,
überrollte diesen, fächerte dabei zu doppelter Breite auf
und kam erst an der Uferterrasse von Vigaun zum
Stillstand. Die Bergsturzmassen legten innerhalb einer
Minute eine Höhe von 450 m und einen Weg von 2200
m zurück und verwüsteten ca. 100 Hektar Aulandschaft,
die mit einer 5-10 m dicken Trümmerschicht bedeckt
wurde. Die Salzach wurde zu einem See aufgestaut, bis
sie sich an der heutigen Stelle einen Durchbruch schaffte.
Die Großblöcke zerfielen mit der Zeit, und es blieben die
jetzt waldbedeckten Hügel und Hügelreihen
(Tomalandschaft) der Faistelau.
Der Ablagerungsbereich des Bergsturzes ist noch fast zur
Gänze unverändert erhalten. Von Osten haben Bauern
wenige Hektar mühsam in teilweise von Steinmauern
begrenzte Weiden umgewandelt. Im Süden wurde ein
weiterer Hektar durch Tauglhochwässer abgetragen.
Über den genauen Zeitpunkt des Abgangs gibt es noch
keine genauen Ergebnisse, er läßt sich jedoch einschränken.
Der Bergsturz ist auf jeden Fall jünger als
die Uferterrasse von Vigaun, an die er anbrandete, und
da in Chroniken bis jetzt noch keine Angaben über das
Ereignis gefunden wurden, muß er älter sein als 800
Jahre. Zur weiteren Einschränkung müssen noch eine
Reihe von geologischen und archäologischen Daten gesammelt
werden.
Nach dem Bergsturz blieb ein relativ stabiler Hang,
Nachbrüche im Abrißbereich gab und gibt es nur in
geringem Ausmaß. Die Abrißnische neben der Raspenhöhe
wird weiter einbrechen und Material für Murenabgänge
liefern.
VERWENDETE LITERATUR:
Richter, E. (1882): Ein alter Bergsturz im Salzachtal. -
Zeitschrift d. deutschen u. österr. AV, Jhg. 1882, Bd.
XIII, S. 260-265, Wien (Verl. d. deut. u. österr. AV)
Plöchinger, B. (1980): Die Nördlichen Kalkalpen. - In: R.
Oberhauser (Red.), Der geologische Aufbau
Österreichs, S. 218-262, Wien (Springer Verlag)
Prinzinger, A. (1879): Die Eisenbahn und die alten
Verkehrswege. -Mitt. d. Ges. f. Salzb. Landesk., Bd.
XIX, S. 96-119, Salzburg (Verl.Ges.)
Seefeldner, E. (1961): Salzburg und seine Landschaften. - Mitt.
d. Ges.f. Salzb. Landesk., Ergänzungsbd. 2, S. 433,
438, Salzburg (Das Bergland-Buch)
23
An den Bergsturz Vigaun
erinnern heute noch die
Hügel im Tauglwald: Hier
beim Trattnerbauern.
Ein Blick über Vigaun zum
Abtswald: Hier ereignete sich
binnen weniger Minuten der große
Bergsturz.
24
ANVERTRAUTE NATUR
DIE GEMEINDEJAGD
von Stefan Pichler
Entstehung der Jagdgebiete
Neben den im Grundeigentum der Genossenschaften
stehenden Wäldern finden wir schon frühzeitig Wälder
im Privatbesitz einzelner Personen, und schon die ersten
Volksrechte enthalten Strafbestimmungen über ihre
Verletzung: Nach damaligen Grundsätzen war niemand
berechtigt, gegen den Willen des Eigentümers seinen
Grund und Boden zu betreten. Mit dem Eigentum eines
Waldes stand dem Besitzer auch die Jagd zu.
Herzog Theodebert (717-724) schenkte dem Kloster der
hl. Ehrentraud am Nonnberg die Jagd in den Wäldern
und Alpen vom Gaißberg bis Stegen a. d. Lammer, die
vier Alpen Schmittenstein, Schlenken, Trattberg, Alpbichl
und die Alpe Seewald. In diesem Gebiet werden die
Orte Hintersee, Faistenau, Lidaun und Ebenau erwähnt.
Nur der Adel und die Freien, sofern sie Waldbesitzer
waren, konnten die Jagd ausüben. Außer dem Besitz
eines Waldgebietes war zur Ausübung der Jagd nichts
weiter erforderlich (z. B.: Jagdkarte, Waffenpaß . . .).
Den Geistlichen war die Ausübung der Jagd aus Standesrücksichten
verwehrt.
Die Ausdehnung der Bannforste und die Doktrin der
Juristen des 16. Jahrhunderts, welche die herrenlosen
Sachen - zu denen auch das Wild gehörte - dem Landesherrn
zusprach, haben bewirkt, daß die Landesherren
neben der Beaufsichtigung der Jagd, die ihnen aufgrund
ihrer Staatsgewalt zustand, auch die Ausübung derselben
als ein mit der Landeshoheit verbundenes Recht in
Anspruch nahmen und somit ein Jagdregal behaupteten.
Durch das Jagdpatent vom 7. März 1849 wurde das
Jagdregal und somit das Jagdrecht auf fremdem Grund
und Boden aufgehoben, das Jagdrecht wurde als ein
Bestandteil des Grundeigentümers erklärt. Um eine
rücksichtslose Ausnützung des Jagdrechtes zu
verhindern, wurde eine Trennung von Jagdrecht und
Jagdausübungsberechtigung mit gewissen Einschränkungen
notwendig. Es wurden Mindestgrößen bestimmt und
Abschuß-wie Schonzeiten eingeführt.
Grundbesitzer, die nicht die ausreichende Größe
aufweisen konnten, hatten kein Jagdausübungsrecht. Es
entstanden somit die Genossenschafts- und
„Gemeindejagden" , welche von einer oder mehreren
Personen gepachtet werden konnten. Die Vigauner
Gemeindejagd hat ein Ausmaß von 1584 Hektar.
1939 wurde das Landesjagdgesetz vom deutschen
Jagdgesetz abgelöst, welches einheitlich für das gesamte
Deutsche Reich galt. Die Größe des Jagdgebietes wurde
von 115 ha auf 300 ha angehoben, somit waren viele
Kleinjagden - darunter auch der Tauglwald - keine
Jagden mehr. Für das Gemeindejagdgebiet Vigaun galt
in diesem Fall die Gemeindegrenze Salzach-Tauglbach
als Jagdgrenze. Es wurde auch u. a. der zahlenmäßige
Abschuß des Schalenwildes, welcher von der Behörde
überwacht wurde, eingeführt.
Mit Ende des Zweiten Weltkrieges endete das deutsche
Jagdgesetz, und es wurde wieder das Landesjagdgesetz
eingeführt, welches jedoch bald novelliert wurde. Zur Zeit
wird das Salzburger Jagdgesetz 1977 angewendet.
Jagdleiter der Gemeindejagd
Es läßt sich nicht mehr feststellen, wer in der ersten Zeit
die Jagd leitete. Folgende Jagdleiter kann man noch der
Reihe nach verfolgen (meist jeweils von 1. 1. bis 31.
12.): Josef Moldan, Brauereibesitzer und Gastwirt in
Hallein, 1890-1904, Georg Irnberger, Steinhausbauer
(Langgasse), vermutlich 1905-1908, Mathias Göllner,
25
Der Winter 1928/1929 war so kalt, daß die Salzach
zugefroren war, man konnte ohne Bedenken die Salzach
überqueren. Der Rehbestand im Abtswald war wesentlich
höher als in Vigaun, auf der „Schattseite" ist es viel kälter
als auf der „Sonnseite", und so kam es, daß viele Rehe
über die zugefrorene Salzach kamen. Sie fanden leere
Einstände vor und füllten somit einige Gebiete auf.
1930 konnten 26 Rehe erlegt werden.
Ein Rehkitz zu erlegen, war für jeden Weidmann
verpönt. Erst auf Grund der Vorschreibungen durch die
Bezirksverwaltungsbehörde sieht man sich dazu
gezwungen.
Da in den letzten 13 Jahren sehr stark in den Rehbestand
eingegriffen wurde, ist das Rehwild wesentlich
weniger geworden.
Hinterhochbrunnbauer Andreas Schörghofer war in den
zwanziger Jahren Jagdleiter der Gemeindejagd Vigaun.
Rengerbauer, vermutlich 1909-1916, Andreas Schörghofer,
Hinterhochbrunnbauer (vulgo „Stingl"), vermutlich
1917-1925, Mathias Lehenauer, Lengfeldbauer, 1925-
1951, Mathias Lienbacher, Wurzerbauer, 1952-1976
und Johann Quechenberger, Winterbichlbauer, ab
1976.
Die traditionelle „Andreasjagd" wurde unter Jagdleiter
Andreas Schörghofer, Hinterhochbrunnbauer, als Namenstagsjagd
zu Ehren des Jagdleiters eingeführt und
wird auch jetzt noch jährlich durchgeführt.
Abschüsse
Da der Bestand vom Rehwild in der Zeit um 1927
gering war, waren die sieben erlegten Rehböcke schon
die obere Grenze. Man kann nicht mehr erfahren, wie
hoch der Gaißenabschuß war.
Abschüsse mit einem „besonderen
Weidmannsheil"
In den 30er Jahren erlegte der Golleggbauer Josef Eibl
bei der „Schlenkenjagd" im Dirstegkaser einen Biber.
Die Nachfrage ergab, daß dieser dem Pfarrer von Krispl
entflohen war. Der Biber wurde präpariert, man konnte
ihn lange Zeit im Haus der Natur in Salzburg bewundern.
26
1952 erlegte Matthias Putz am „Weinleit Riedl" einen
6er Hirsch.
Andreas Bernegger v. Obergadorten erlegte 1960 im
„Tennerwinkl" einen Rehbock, der als Bezirksbester
bewertet wurde und in Salzburg unter den Landesbesten
den zweiten Platz einnahm.
Pankraz Pichler, Jägermeierbauer, erlegte im „Hinteren
Riedl" am Schlenken 1988 das erste Murmeltier - einen
Bär - nach dem Aussetzen.
Ein Rackelhahn
Stefan Brandauer v. Winterbichl erlegte 1935 einen
Auerhahn im „Äußeren Schlenkwald". Obwohl das Auerwild
jährlich vor Beginn der Schußzeit beobachtet
werden kann, konnte seit 1935 kein Auerhahn mehr
erlegt werden.
1987 erlegte Mathias Hagn jun. beim Ansitz auf einen
Dachs beim Wieserlehenbauer einen Keiler. Seit Menschengedenken
wurde in Vigaun kein Wildschwein
erlegt.
1976 war am Schlenken ein Rackelhahn zu beobachten,
der die „Menschenscheue" verloren hatte.
Das Rackelwild ist äußerst selten. Es ist in der Regel eine
Kreuzung zwischen einer Auerhenne und einem Birkhahn,
seltener zwischen einer Birkhenne und einem
Auerhahn. Es kommt nur in Gebieten vor, wo beide
Arten in nahe beisammenliegenden Balzplätzen im
gleichen Zeitraum balzen. Der Rackelhahn hat eine
Größe zwischen einem Birk- und einem Auerhahn.
Durch seine Rauflust und sein überfallartiges Auftreten
auf den Balzplätzen stört der Rackelhahn den Verlauf der
Balz und somit die Fortpflanzung des Birkwildes.
Der Rackelhahn vom Schlenken wurde in Adnet-Spumberg
verendet aufgefunden.
Aussetzen von Fasan und Murmeltier
Noch anfangs der 40er Jahre war das Vorhandensein
des Fasans und in den 50er Jahren das von Rebhuhnketten
in Vigaun eine Selbstverständlichkeit.
Durch das Vernichten der „lebenden Zäune" und immer
kleiner werdende Anbauflächen von Getreide und Kartoffel,
welche zu den wichtigsten Lebensräumen dieser
Wildarten gehören, erlosch dieses Flugwild gänzlich.
1956 entschloß sich Johann Schnöll, den Fasan wieder
einzubürgern: Die Jagdleitung besorgte aus Groß-
Enzersdorf Fasaneier. Johann Schnöll besorgte Fasaneier
aus Oberalm (Blüml) und legte alle unter brütende Haus-
27
hühner. Unter seiner Pflege und Obhut und unter
Mithilfe seiner Frau wurden die Küken aufgezogen.
Die Jagdleitung entschloß sich, ein kleines Voller am
Waldrand des Winterbichlbauern zu bauen. Johann
Quechenberger holte Jungfasane vom Flachgau, die
gemeinsam mit den Fasanen von Schnöll im Voller unter
Mithilfe von Pauline Quechenberger und einiger
Jagdkameraden großgezogen wurden, bis sie beim
„Hauserbrandl" und später auch am „Weinleit-Riedl"
ausgesetzt werden konnten.
Nach Rücksprache mit den Nachbarrevierinhabern
wurde eine Hegegemeinschaft gegründet, welche die
Jagden Golling, Kuchl, Tauglwald, Hallein (Gamp-
Burgfried), Adnet und Vigaun einschloß. Als Obmann
wurde Herbert Ebner aus Hallein gewählt.
Nach anfänglichem Erfolg mußte man feststellen, daß
trotz Schonung und Fütterung auf Dauer das
Gemeindejagdgebiet Vigaun für den Fasan nicht mehr
geeignet ist und deshalb dieses Vorhaben scheiterte.
1983 und 1984 versuchte Josef Pichler den Fasan einzubürgern.
Er kaufte im Burgenland und im Flachgau in
größerer Zahl Kücken, die unter Mithilfe einiger
Jagdkameraden in einem
Zu den Vigauner Jägern gehört auch unser ältester
Mitbürger, Rupert Klabacher (Gadorten).
Die Jäger vor dem Gasthaus „Neuwirt".
Volier im „Hammertal" großgezogen und ausgesetzt
wurden. Wie schon Jahre vorher scheiterte auch dieser
Versuch.
Nach diesen zwei erfolglosen Versuchen entschloß sich
„Jaga", wie Josef Pichler genannt wird, Murmeltiere am
Schlenken auszusetzen. Nach Einholung einer Bewilligung
des Grundbesitzers der „Niglkaralm" und nach
Ansuchen an die Landesregierung besorgte er fünf
Murmeltiere, die er unter Mithilfe einiger Jagdkameraden
1985 aussetzte.
Schon nach einigen Tagen wurden die „Mankei" nicht
mehr gesehen - und so glaubte man, daß auch dieses
Vorhaben gescheitert war. Erst nach einigen Wochen
wurden die Tiere im „Hinteren Riedl" wieder entdeckt,
und schon im Folgejahr konnte man fünf „Affen" (wie
die Jungtiere genannt werden) feststellen.
Zur „Blutauffrischung" setzen 1988 Fredl Frank (v. Fallnhauserbauern
in St. Margarethen) und Kaspar
Steinberger, Trattnerbauer, vier Affen und Josef Weiß,
Klabachbauer in der Langgasse, eine „Katze" (weibl.
Tier) aus. Nun ist man sicher, daß dieses Vorhaben ein
Erfolg ist, da man ständig zwei Kolonien beobachten
kann.
28
Die Bekämpfung der Tollwut
Die Tollwut ist eine akute, fast immer tödlich
verlaufende, virusbedingte Infektionskrankheit aller
Säugetiere und des Menschen. Es ist die am längsten
bekannte Infektionskrankheit, sie wurde schon 2300 v.
Chr. beschrieben. Es handelt sich um den Erreger mit
dem weitesten Wirtsspektrum: Der Erreger ist ein
sogenannter Rhabdovirus, er wird mit dem Speichel
infizierter Tiere ausgeschieden. Die Übertragung von
Tier zu Tier und auf den Menschen erfolgt in der Regel
duch Biß. Eine weitere Ansteckungsmöglichkeit ist die
Infizierung bereits bestehender, tiefer Wunden mit
infektösem Speichel. Die Inkubationszeit beträgt 14 bis
60 Tage und wird beeinflußt durch die Entfernung der
Infektionsstelle vom Gehirn.
Nach mündlicher Überlieferung waren in den 30er
Jahren, wie auch in anderen Jagden, die Füchse in der
Gemeindejagd Vigaun von der Tollwut befallen. Die
Seuche dauerte damals ca. sieben Jahre.
Ca. 40 Jahre später kam diese Krankheit über Polen,
DDR, Norddeutschland, Vorarlberg und Bayern nach
Salzburg und so auch in unser Jagdgebiet. Auch diesmal
erlosch diese Seuche erst nach ca. sieben Jahren, jedoch
nicht in der näheren und weiteren Umgebung.
Nach langen Versuchen wurde ein Präparat entwickelt,
das gegen diese auch für den Menschen gefährliche
Krankheit eingesetzt werden kann.
Es handelt sich hier um die sogenannten „Tübinger
Fertigköder" mit Impfstoff und Tetrazyklin. Die
dunkelbraunen Presslinge bestehen aus Fischmehl, Fett
und dazwischen die Impfstoffkapsel, die lebendes
verändertes Tollwutvirus enthält. Das Tetrazyklin dient
als Markierungssubstanz, welches später bei erlegten
Füchsen, die zur Bundesanstalt für Tierseuchenbekämpfung
eingesendet werden müssen, festgestellt
wird. Die Impfaktion wurde im Herbst 1989 und im
Frühjahr 1990 auf Anordnung der Salzburger Landesregierung
von der Jägerschaft durchgeführt, die Kosten
der Impfköder übernahm die Salzburger Landesregierung.
Wilderer
Gegenüber manch anderen Jagden war das Wildertum in
Vigaun nicht so stark ausgeprägt, jedoch ist auch Vigaun
nicht ganz verschont geblieben:
In den 30er Jahren fiel im Bereich der „Wurzer Köpfin"
ein Schuß. Matthias Bernegger, Obergadortenbauer, verfolgte
daraufhin einen Wilderer bis zum Haus. Als er in
die Wohnung eintrat, kam der Wilderer rußgeschwärzt
unter dem Tisch hervor. Er behauptete daß er gerade
beim „Ofenkehren" sei und deshalb so schwarz sei. Der
Wilderer wurde angezeigt und war lange Zeit in
Untersuchungshaft. Da er jedoch immer wieder seine
Unschuld beteuerte und bei seiner Aussage blieb, er habe
den Ofen gekehrt, konnte er mangels Beweisen nicht
verurteilt werden.
1945 hörte der spätere Jagdleiter und Wurzenbauer
Matthias Lienbacher einen Schuß im Gebiet des
„Niglkar". Er hielt Nachschau und sah, wie ein Wilderer
(er erkannte ihn auch gleich) ein Reh wegtrug.
Lienbacher lief zum Schlenkenwald, um dem Wilderer
den Weg abzuschneiden. Er kam jedoch zu spät und
verfolgte ihn deshalb weiter, bis er in Rufnähe kam.
Lienbacher schrie den Wilderer mit „Halt" an, dieser ließ
das Reh fallen, versteckte sich hinter einem Baum und
hielt den Lauf des Gewehres in Richtung Lienbacher.
Nun schrie Lienbacher den Wilderer mit seinem Namen
an und rief ihm zu, er sollte das Reh liegen lassen und
nach Hause gehen. Der Wilderer nahm jedoch das Reh
wieder zu sich und flüchtete nach Hause. Lienbacher
meldete diesen Fall dem Jagdleiter Matthias Lehenauer,
Lengfeldbauer, der den Wilderer bei der Behörde
meldete.
Die gemeinste Art zu wildern ist wohl der dritte
geschilderte Fall: 1963 stellte ein Wilderer eine Schlinge
(oder mehrere?) aus Draht, leider hatte dieses Vorhaben
auch Erfolg. Eine Rehgaiß verfing sich in der Falle und
mußte elend zugrunde gehen. Dieser Fall konnte trotz
intensiver Nachforschung nicht geklärt werden.
29
Jäger mit Jagdleiter
Johann Quechenberger
(Winterbichl)
nach der „Andreasjagd"
1989.
Vigauner Jäger am
Schlenken mit Jagdleiter
Mathias Lienbacher
(Wurzer).
30
DIE IMKER
von Josef Gruber
Ein kleiner, aber überaus aktiver Verein ist in Vigaun der
Imkerverein. Die Wichtigkeit des Imkers und seine
Tätigkeit werden von vielen Mitmenschen noch immer
nicht richtig verstanden: Und doch ist gerade dem Imker,
der in seiner Pflege und seiner Sorge um das Wohl der
Biene bemüht ist, ein großer Anteil zur Erhaltung unserer
Umwelt zu verdanken!
In Vigaun haben sich die Imker schon im Jahre 1924 zu
einem Verein zusammengeschlossen. Doch gab es auch
schon vor dieser Zeit Imker, die beim Landesverband
gemeldet waren, etwa Josef Putz, Ursula Rettenbacher,
Matthias Bernegger und Matthias Lehenauer.
Seit Gründung des Vereines 1924 gibt es ab 1940
genauere Aufzeichnungen:
In diesem Jahr waren 23 Vereinsmitglieder mit
insgesamt 153 Völkern gemeldet. Die Mitgliederzahl
stieg bis zum Jahr 1943 auf 29.
Im weiteren Verlauf wurde der Verein durch die
Obmänner Blasius Ramsauer (ab 1940), Josef Pichler
(1952-1960), Blasius Ramsauer (1960-1963) und Josef
Wallmann (1963-1983) vertreten.
Seit 1983 ist Josef Gruber Obmann und Gesundheitswart
des Vereines. Unter seiner Leitung findet jährlich
die Landeshauptversammlung statt. Auch dem Patron
der Imker, dem hl. Ambrosius, wird mit einer Messe und
anschließendem gemütlichen Beisammensein gedankt.
Im Jahr 1989 gab es in Vigaun 26 Imker mit insgesamt
264 Völkern. Diese Zahl sei deshalb festgehalten, weil
unsere Biene durch eine Milbe stark gefährdet ist:
Diese Milbe, genannt „Varroa", wurde 1970 aus Asien
eingeschleppt, und verbreitete sich in Europa sehr
schnell. Seit ungefähr drei Jahren gibt es die Varroa
auch in Österreich. Im Süden und Osten unseres
Bundesgebietes gab es deshalb bereits Ausfälle bis zu
50%. Da dies aber für die Landwirtschaft verheerende
Folgen hätte, versucht man die Bienenvölker durch
Behandlungen zu erhalten.
Nach bisherigen Erfahrungen ist es gelungen der Milbe
Einhalt zu gebieten, und so den Fortbestand der Biene zu
erhalten, die doch so wichtig ist in unserem Kreislauf der
Natur.
Denn ohne die Biene wäre es um unsere wertvolle Tierund
Pflanzenwelt sehr schlecht bestellt.
31
FLURNAMEN VON VIGAUN UND UMGEBUNG
von Ferdinand Schönleitner
Die Ortsgemeinde Vigaun hat sich trotz einschneidender
Veränderungen in jüngster Zeit, wie der häufigen
Verbauung wertvoller Grünflächen und des gigantischen
Anwachsens des Verkehrsaufkommens sowie der damit
verbundenen Verschlechterung der Luftqualität, den
Charakter eines lebendigen Dorfes und eine gewisse
Bodenständigkeit erhalten können. Dadurch sind die
Siedlungsstätten und Fluren doch einigermaßen von der
hektischen Weiterentwicklung verschont geblieben und
in diesem Zusammenhang auch die Siedlungs- und
Flurformen.
Wenn auch früher viele Berufe, besonders die der
Handwerker und Bauern, die Zusammengehörigkeit von
Wohn- und Arbeitsstätte schätzten, so ist dies heute nur
noch den Bauersleuten vorbehalten. Die Lage des
Bauernhofes zum Arbeitsbereich, das sind Äcker,
Wiesen, Weiden und Wälder, wird von den Siedlungsund
Flurformen des ländlichen Raumes bestimmt. Die
Beziehung des Menschen zur Natur ist aber vielfach
durch die Übertechnisierung in der Landwirtschaft
verloren gegangen. Die Arbeit des Bauern ist überwiegend
Nebenerwerb geworden. Sie ermöglichen sich
dadurch den Ankauf von landwirtschaftlichen Maschinen
für ihren Betrieb.
Nun zu den Flurformen: Wir unterscheiden drei große
Gruppen: Blockfluren, Gewannfluren und Waldhufenfluren.
Aus diesen entwickelten sich im Laufe der Zeit zahlreiche
Mischformen. Auf unserem Siedlungsboden scheint die
Blockflur, bei der das Ackerland in unterschiedlich große
Blöcke aufgeteilt wird, seit altersher vorherrschend zu
sein. Die Ackerparzellen bestehen aus regelmäßigen
Quadraten, Recht- und Vielecken und kommen nur in
Dorf- und Weilersiedlungen vor. Die mittelalterlichen
Streusiedlungen der Rodungsgebiete unserer Heimat
weisen beispielsweise die weiterentwickelte Einödblockflur
auf.
Die Gewannflur mit parallel angelegten, streif
einförmigen, schmalen Ackerflächen ist die klassische
Flurform hochmittelalterlicher Sammelsiedlungen des
Voralpenraumes. Durch Erbteilungen wurden die
Ackerparzellen häufig zersplittert oder aus Gründen der
Wirtschaftlichkeit eine Kommassierung (Flurbereinigung,
Grundstückszusammenlegung} durchgeführt. So
entstanden blockartige Streifenfluren.
Schließlich wäre noch die Waldhufenflur zu erwähnen,
die die gesamte Wirtschaft eines Bauern mit Gehöft,
Garten und Acker umfaßt. Diese Flurform ist in den
Grenzwäldern gegen Böhmen anzutreffen (Rodungsflur,
auf einer zwischen sechs und 16 ha großen „Hufe"
errichtet).
Mein Onkel, Matthias Klabacher, zuletzt Schulleiter in
Neuberg bei Filzmoos, „durchforstete" für eine Prüfungsarbeit
in jahrelanger, mühevoller Arbeit das gesamte
Gemeindegebiet von Vigaun: das Dorf Vigaun und die
Ortschaften Margarethen, Langgasse und Riedl (Aigen)
sowie den Rengerberg. Seine vor dem Zweiten Weltkrieg
verfaßten Unterlagen überließ er mir, und ich möchte
einen interessanten Teil davon wiedergeben.
Großflurnamen
Bei den Flurnamen sind die urkundlichen Belege äußerst
spärlich, und man ist daher auf die Aussage der Leute,
also der ortsüblichen Bezeichnung angewiesen. Aus
diesem Grunde ist die mundartliche Aussprache
maßgebender, da das schriftdeutsche Wort meist fehlt.
Aubühel: Bühel in der Au von ahd. aw-puhil.
Palfenfeld: ein Feld, das durch kleine Felsabstürze abgegrenzt
ist; vom urgerm. oder kelt. pal = Fels.
Barmstein: nach Hörburger früher Babensteine genannt,
vom PN. Pabo, vergl. auch Babenberg und Pabing. Nach
der Aussprache (Plural) erklärt Fiala aus mit. und mhd.
balm = nackter Fels, der aus dem Walde aufragt. In
erweiterter Bedeutung: aus rom. barme = nackter Fels,
der aus dem Wald oder einer Grünflur aufragt.
Bockbühel: nach Aussage des Besitzers ein Bühel, auf
dem die Ziegen weiden. Nach Fiala richtig von Bock -
oder nach einem Bockort im übertragenen Sinne
„schwieriger zu bearbeiten".
Bodenfeld: ein ebenes Feld, das sich auf einem
Hochboden oder auf dem Talboden befindet.
32
Blaikfeld, Plaikfeld: nach mhd. bleike, bleke, eine Stelle
an einem Abhang, wo die Erde abgerutscht ist und das
Gestein herausschaut.
Pretstein: In der Flur sind Steinblößen, die platten- oder
brettähnlich aus dem Boden hervorragen. Von breit
kommt diese Bezeichnung sicher nicht, dama. „broat"
gesprochen wird, daher eher von der langen
brettähnlichen Gestalt der herausschauenden Steine.
Bühelfeld : ebenes Feld oberhalb eines Bühels; also eine
Lagebezeichnung.
Pürgel: Nach der Schreibung im Urbar handelt es sich
um eine Baulichkeit. Auf Grund der ma. Aussprache
„das Pürgel" ist das Wort von einem kleinen Berg
abgeleitet. Auf der Hochfläche des Rückens sind noch
Teile einer trockenen Mauer zu erkennen. In tieferen
Erdschichten stößt man auf eine Schicht mit
Holzkohlenstückchen. Vielleicht könnte man auch
Scherben finden.
Tal: ahd. teile, tula = Mulde, eine Vertiefung im Gelände.
Der Taur: „Der Taur mit einem Orth an Vigaun". Nach
Fiala ist Taur ein Bergpaß. In diesem Falle spottweise
eine kleine Straßensteile in der Ebene.
Dawerchn: ein steiles Feld, bei dem mit der Arbeit oben
begonnen wird. Fiala entwickelt das Wort aus da-hinab,
d. i. abhin arbeiten. Es tritt hier eine Längung der
betonten Silbe o ein, das hin (. . .), fällt ab, oder ein Feld,
das ein Tagwerk groß ist; sinnvoller vielleicht eine Flur,
die ein Tagwerken = einen Tag lang währende Arbeit
benötigte. Es dürfte aber die erste Deutung zutreffend
sein. Trogrand: ein Feld, das den Rand des Troges bildet,
also eine rundliche Leite.
Ebenacker: ein Acker auf dem ebenen Fleck im Hang,
der auf einem Terrassenansatz liegt.
Gampbühel: Bühel im Feld. Wahrscheinlich aus rom.
camp = Feld, Wiese.
Garney : Gurney. Diese Ortschaft und Großflur liegt an
der sehr gewundenen Flußterrasse der Salzach; aus rom'.
cornali(s) = Kornelkirsche (F. Hörburger).
Göll: nach Fiala von gölch = jäh aufsteigend. Zur Zeit
noch nicht gesichert gedeutet, obwohl Fialas bair.
Deutung bisher unwidersprochen blieb.
Grubenfeld: Feld in einer breiten Talsenke oder Feld
bei einer Schottergrube. Beide Formen sind hier belegt.
Guggenfeld: Der Name stammt wahrscheinlich von der
aussichtsreichen Lage, daher dürften wohl andere
Bedeutungen hier nicht in Betracht kommen. Das Feld
besitzt ein Bergbauer. Ober-, Mitter-, Unterland: Land =
Ackerland, Grundstück. Damit wird die Dreiteilung eines
sanft ansteigenden
Grundstücks bezeichnet. Eine Feldgasse trennt jeweils
zwei Teile.
Unterlangenberg: Teilflur von Langenberg. Das „Unter"
bezieht sich hier auf die salzachabwärts gelegene Flur.
Leitenfeld: von mhd. lite = Leite oder sanfter Berghang.
Leitenfleck: ein ebener Fleck im sanft geneigten Ackerland.
Loch: ein Feld, das in einen Graben führt.
Ofenloch: nach Hörburger bedeutet Ofen Felsenkluft,
Felsenhöhle. Wie der Name selbst sagt, ist bei diesem
Feld eine Höhle in der Nähe.
Rengerböml: Rengerberg stammt von dem Gutsnamen
Renger (Hörburger) und -böml ist die Verkleinerung zu
mhd. bodem = Boden, Grund (Fiala); ein kleiner, ebener
Fleck. Schmalzkar: eine schüsseiförmige Mulde im
Gebirge, die gutes Wachstum verspricht.
Schmittenstein: Felskopf mit amboßartiger Form; nach
Fiala alt Wiland-schmitten-.
Starnenge: starren kommt aus älterem „storren" = vorspringender
Berg oder Hügel in der Flur. Das Feld endet
zwischen zwei solchen Hügeln, deshalb der enge Boden
zwischen den starren.
Sunkfeld: in einer Bodenvertiefung liegendes Feld; nach
mhd. sinkel = Vertiefung.
Wandfeld: bei einer Felswand gelegenes Feld.
Wiegenfeld: Feld in einer wiegenartigen, sanften Vertiefung
im Gelände.
Krispl: nach Fiala aus lat. crispulus, eine Bezeichnung für
Krauskopf. Der Name des Berges dürfte auf den Ort
übergegangen sein; zu mhd. kruspel, krospel „Knorpel"
= knorriges Baumwerk (F. Hörburger).
Hagengebirge: nach Hörburger hatte das Gebirge bis ins
18. Jh. keinen Namen; später hat man es
wahrscheinlich nach dem „Hagenbauer" am Fuße des
Gebirges benannt. Hagen ist ein altdeutscher
Personenname.
Tennengebirge: nach Hörburger „Gebirge von der Form
einer Tenne", d. i. ein ebener Boden, auf dem
gedroschen wird. Spumberg: auch als Spumbachberg
geschrieben. Weinleiten: Vom Weinbau in dieser Gegend
ist nichts überliefert, daher ist die Erklärung nach Fiala
doch möglich, daß die vielen Weinnamen im Gebirge
und teils auch im Flachland eine Doppelform zu wunne,
wune = Weide, sind. Es könnte aber auch ein Gelddienst
von dieser Flur zur Dotierung für den Messewein in der
Kirche namenbildend sein.
Rodungsnamen
Brandfeld: durch Brandrodung gewonnenes Land; -feld
33
Block- und Streifenflurtypen im Land Salzburg (nach Adalbert Klaar).
kommt in Vigaun oft als sehr sanft geneigtes oder ebenes
Gelände ohne Getriedeanbau vor. Es könnte auch auf ein
Feld beim Wald, der Brand heißt, hinweisen.
Schatzreit: nach Fiala Schattseitreit = Rodung auf dem
Gelände der Schattenseite.
Ein Feldmaß heißt auch Schatz (1 Joch = 9 Schatz); wäre
aber vielleicht doch ein Weinberg-Maß-? Das Feldmaß
„Schatz" ist im Salzburgischen ebenfalls nicht zu belegen,
daher dürfte doch die erste Deutung richtig sein.
Reuthwiesen: von riuten = ausstocken und urbar
machen; mhd. riuti = Reuth oder Rodung.
Anbaunamen
Für den Anbau vorbereiteter Böden müßte sehr früh
schneefreies Gelände sein, um den Anbau tätigen zu
können (Fiala).
Ackerl: kleines Feld. Unter Acker versteht man bei uns
den besten Boden.
Auflängfeld: Feld auf der Läng oder nach Fiala ein
Grundstück, mit dem eine besondere Auflage (zinsliche
Entrichtung) verbunden ist. Da aber nichts davon
überliefert ist, besteht keine Wahrscheinlichkeit auf
Richtigkeit.
34
Bärenacker: nach Fiala mhd. bar, bar = unaufhörlich,
was immer Ackerboden (mit Fruchtwechsel und Tratte)
bleibt. Da es auf dem Rengerberg bei vielen Lehen einen
Bärenacker gibt, ist eine Ableitung vom Personennamen
poro oder pero nicht zutreffend; ebenso wäre bei den mit
Bär (Ber) gebildeten Namen, ahd. ber = Zuchteber
sinnwidrig. Point: von ahd. biunda, biunt, d. i. ein
eingehegtes Grundstück für Anbauzwecke.
Kapellenfeld: Ackerfeld bei der Kapellen. Kastenfeld: ein
Feld bei dem Getreidekasten (Troadkasten).
Tägnischpoint: undeutbar, wenn nicht ein Personenname
Tagnisch zur Namensbildung Anlaß gab. Trattberg:
nach Hörburger Tratte = Weide, Viehtrift nach
Bodenumbruch.
Einfang: Aus dem Frei- oder Waldland eingefangenes
Grundstück, das mit einem Zaun umgeben und zum
Schutz vor dem Wild eingefangen wird.
Faistlau: Es ist anzunehmen, daß es sich um früheres Augelände
handelt, das heute zu fruchtbarem Weideland
geworden ist.
Prinzinger schreibt:
„Faistelau vom Eigennamen Faist, Faistl; nicht von der
Beschaffenheit einer faisten Au (Faista, Faistenau)."
Volkssprache ist: „Foastlau".
Der Name ist verschwunden (heute nicht mehr belegt).
Gamp: vom mit. campo = Feld, ebene Fläche.
Grummetöbm: Ein Stück Grund, der besser ist als eine
Ötz, jedoch nur zweimal gemäht werden kann.
Gschloßfeld: Ein Feld - Ackerland - das von Ötzen und
Büheln eingeschlossen ist.
Haferpoint: eingehegtes Grundstück, das hauptsächlich
zum Haferanbau benützt wird.
Hasenbühel: von gehäsig, hasen = fein, glatt, abgeholzt;
im Gegensatz zum Rauhenbühel, der noch mit Bäumen
bewachsen ist.
Himmelfeld: Die Volksphantasie hat für frei- und hochliegende
Fluren gerne den Namen „im Himmel,
Himmelreich oder Himmelfeld" geprägt.
Hochfeld: eine Lagebezeichnung, die im Verhältnis zu
den anderen umliegenden Gründen steht.
Hofangerfeld: Ein Anger ist stets ein gegen Viehtrieb
eingehegtes Grundstück, das als Grasland, bzw.
Obstgarten verwendet wird; also jenes Feld, das an den
Hofanger anschließt. Holzfeld: grenzt an einen Wald.
Langfeld: Die besondere Längserstreckung wird damit
gekennzeichnet.
Metzenfleckl: Zur Ausaat wird bei dieser kleinen Flur nur
ein Metzen (= 61,5 1) Getreide gebraucht.
Mittensteinfeld: In der Mitte dieser Flur ragt ein
Steinblock hervor.
Neubrüchl: früher nur als Wiesenland gebraucht, jetzt
davon ein Teil als Acker verwendet.
Schachenpoint: an einem Waldstreifen gelegene Beunde
von ahd. scahho.
Schwarzfeld: besteht aus kleinen Hügeln und dient zur
Viehötz. Vielleicht waren einst Köhlerstätten dort, da
heute noch das Erdreich an verschiedenen Stellen nach
Kohlen, also dunkel aussieht.
Steinpoint: eine steinige Beunde.
Stöei: rund ein halbes Joch (1 Joch = 57,546 a)großer
Acker, der etwas erhöht beim Walde liegt; also ein
kleiner Terrassenansatz, im Volksmund ein Stellchen
genannt.
Waldfeld: Feld am Waldrand oder Feld auf einer Lichtung
im Walde.
Beide Formen kommen hier vor.
Zipf: als Zipfel wird ein schmales Ende einer Flur gerne
bezeichnet.
Wasser- und Sumpfnamen
Kendel: ist eine Wasserrinne; aus mhd. kanel, kenel;
entlehnt aus dem mit. cannula.
Kendlfeld: ein Feld, das an einer Wasserrinne liegt oder
durch das eine solche führt.
Chempfpoint: ein durch Gräben abgesonderter
Weideplatz oder Feld. Diese Gräben heißen
Kempgräben. Wahrscheinlich zusammenhängend mit
dem mit. campo = Feld. Der Name existiert heute nicht
mehr.
Tauglgstöttn: Gstöttn heißt mhd. Gestade = Ufer der
Taugl. Triebenpach: zu mhd. trübe.
Trogfeld: Feld, in dem ein offener Brunnen mit
Wassertrog zur Viehtränke steht.
Flußfeld: ein Feld in dem sich Quellen befinden; zu mhd.
Vluz = empordrängendes Wasser.
Gleuberpeunt: nach Fiala zu mhd. Kleiben, kleb = nasser
Grund.
Hammertal: zu mhd. ham = Tümpel, Ufer des Tümpels,
auch abgestuftes Tal. Dieses Tal ist der Abfluß eines
Sumpfes. Hirschlack: eine Lache, die zur Hischtränke
dient. Lack = Waldflecken mit offenem Tümpel,
Wasserlache. Für kleinere Wasseransammlungen wird
häufig Lache, bairisch Lacke mit lat. lacus gebraucht.
Madlwasserfeld: nach Fiala ist Madlwasser ein sehr
langsam fließendes Wasser. Eine kleine, nie versiegende
Quelle befindet sich in der Nähe.
35
Mosel: ist ein Feld mit saurem Gras, ein kleines Moos mit
der Bedeutung Sumpfland.
Schlungfeld: vielleicht zu Schluche, umgedeutet zu
Schlunge, das sind versumpfte Abzugsgräben. Nach Fiala
zu Schling; altes, angedeutetes sliwing zu Personenname
Sliu(wes).
Waldnamen
Astenstein; von aewist (ouwisto)-stein = Hürde,
Umzäunung; ein sehr sonnig gelegener Waldrücken, auf
dem eine Frühweide liegt.
Eiblköpfl: Bergköpfl, das heute noch mit Eiben
bewachsen ist. Eibenbestände sind in der Gemeinde
Vigaun (Roßhag und Rengerberg) keine Seltenheit; von
ahd. iba = Eibe. Fiala bezeichnet iba eigentlich als
Laubholz.
Knoglwald: Wald, in dem kleine Felskuppeln stehen; von
nok = bewaldeter Felsbuckel.
Kohlstatthölzl: Holz ist hier gebraucht für Wald, in dem
früher eine Kohlstätte war.
Louchlandl: von ahd. loch, mhd. lohe. In Vigaun sind das
Felder, die noch in den Wald hineinreichen.
Mausöbm : ungedeutetes Mais = Holzschlag.
Niglkar: eine verwachsene Alm; nach Fiala von Ziegen
oder Wild verbissenes Nadelholz - Igelboschen, d. i.
latschenartiges Zwergholz.
Obstwald: der am höchsten gelegene Wald. Raspenhöhe:
ein Abrutschgelände, worauf sich ein großer, schwerer
Wald hält. Nach Fiala zu ahd. hraspa, d. i. Gebüsch, also
eine Höhe, die mit Gebüsch überwachsen ist; könnte
auch vom Personennamen Raspo abgeleitet werden.
Dieser ist jedoch nicht belegt.
Schlenggenwald: Wald am Fuße des Schlenggen.
Schmaz: bedeutet so viel wie Holzriese im Walde.
Waidach: ein mit Weiden bestandenes Gebiet; -ach ist
Sammelsilbe, wie Lindach, Erlach usw.
Pflanzen- und Tiernamen
Pflanzen
Prembleuten: von mhd. breme = Brombeergestrüpp.
Dickenbam: Flur, in der ein dicker Weidenstrunk mit
beachtlichem Alter steht.
Lindenfeld: eine Linde steht in der Flur.
Masl: ein Wald; nach der Aussprache des hellen a kann
man
Anläßlich eines Kaiserjubiläums wurde der Ahorn beim
Bahnübergang Vigaun gepflanzt. Mit den Linden auf den
Dorfplätzen in Vigaun und St. Margarethen und dem
Mehlbeerbaum am Rengerberg zählt er zu den
markantestesten Bäumen der Gemeinde.
es nicht von Mais = Holzschlag ableiten. Es stammt
vielmehr von Masholda mazzal, massalter = Feldahorn.
Sendererbüchl: ein Bühel, der mit Sendel, Senderer =
Erika, Besenheide bewachsen ist.
Tännland: diese Fluren sind nicht eben, daher wird der
Name wohl von Tanne abzuleiten sein.
36
Tiere
Göglgarten: zu Gogel = Schaf; Garten ist umzäuntes
Gebiet, also eine umzäunte Schafweide.
Hühnerbühel und Hühnergraben: zu Huhn, Henne,
Hühner oder zu mhd. hiune = Hüne; in der Nähe
hallstatt-zeitlicher Kulturschichten, die Fiala bei der
Begehung fand, daher andere Ableitung.
Rehfleck: Fleck, den die Rehe gerne aufsuchen. Nach
Fiala auch zu ahd. hreo, mhd. re = Leichnam,
Grabhügel, eine Stelle, wo jemand begraben liegt.
Roßfeld: Pferdeweide im Almgelände; bei -feld als
Almname ist weniger ein trogartiges Kargebiet gemeint,
sondern eine sanft abdachende Berglehne. Vergleiche
die fjeld in Skandinavien.
Schellenberg: die häufig vorkommenden Schellenberge
werden zu Unrecht oft als Schelchenberge und aus dem
Namen des im Nibelungenlied genannten Scheich
(männl. Elch) erklärt, der schon früh ausgestorben ist. Bei
der Vielzahl der Schellenberge bei uns müßte es ihn
seinerzeit in Überfülle gegeben haben. Schellenberge gibt
es auch im Hochgebirge, wo sich das Elchwild, ein Tier
der Sumpfniederungen, mit Sicherheit nie aufgehalten
hat. Vielmehr gehört der Name zu Schell, ahd. scelo =
Hengst. Die Schellenberge waren also Weideplätze,
Anger der Schele (Schellhengste), mhd. schel.
Schlangenbühel: ein Bühel, wo viele Kreuzottern vorkommen.
Vogeltenn: Tannen, bei denen Vogelfang betrieben
wurde, entweder mit leichten Ruten oder Netzen.
Vielleicht waren es auch Futterplätze für das Vogelwild.
Wolfgrub: Grube des Wolfes oder Fanggruben für Wölfe
oder anderes Wild, die bis in spätere Zeit vorhanden
waren.
Flurnamen nach Personen oder
Grundherrschaft und Verschiedenes
Ainau: nach Fiala zum Personennamen Ago, Agin, daher
Au des Agin.
Bruderloch: Felshöhle, die ein Einsiedler, frommer
Bruder, bewohnte.
Hertlpeunt: vom Personennamen Hartel, Peunt des
Härtel.
Trautenstatt: nach Fiala vom Personennamen Truto,
Trutin, also Wohnstätte des Truto.
Rämslpeunt: nach Fiala zu Personennamen Ramo,
Rämsl ist eine Koseform.
Backstatt (Bachstatt): von Bach ist jedoch keine Rede;
unter bac wird auch der Gerichtsstein (bach) mitunter
verstanden; ein erhöhter Stein, an dem Recht
gesprochen oder Opfer gebracht wurden. In der Flur ist
noch eine Grube sichtbar. Möglicherweise
wurde der Stein später gesprengt und fortgeschafft und
auf diese Weise entstand die Einsenkung.
Bannwald: ein unter besonderem Rechtsschutz
stehendes
Waldgebiet.
Freiboden: Wald mit vielen großen Lichtungen,
besonders
auf dem Rengerberg des öfteren zu beobachten.
Nach Fiala ein Gelände der hochfürstl. Frey, in der
Weiderechte vergeben wurden, d. h. von den
umwohnenden Urbarsleuten eine gewisse Anzahl von
Tieren auf die Weide getrieben werden durften. Heute ist
allerdings dieses Gebiet unter mehreren Besitzern
aufgeteilt.
Ötzmauernfeld: ist ein Feld an der Ötzmauer; nach Fiala
liegt die Ötzmauer oder der Otzhag immer außerhalb der
bebauten Fluren. Die Ötz innerhalb dieser Mauern oder
des
Zaunes ist ein Ausbruch (extractum) aus der allgemeinen
Freiötz. Dies bedeutet eine Änderung alten
Gemeinrechtes.
Wimberg: Widmberg = widum = Pfarrhof, demnach zu
einer
Kirche oder dem Pfarrhof gehörig; kirchliche
Grundherrschaft.
Wallmannsiedl: von mhd. sedel = Wohnsitz, Siedlung
oder Sitz des Wal(d)mannes.
Verschiedene Bezeichnungen
Mühlanger: Grasgarten, in dessen Nähe sich eine Mühle
befindet.
Radimacherfeld: ein Feld, das an die Siedlung des
Mühlradmachers grenzt.
Salzleck: der Ort, wo eine Salzlecke für das Weidevieh
steht. Schrögholzhüttenfeld: schrög = Zaun; Feld, in dem
die Hütte steht, in der die Zaunlatten untergebracht sind.
Teilstanterfeld: ein Feld, in dem ein Brunnenverteiler
situiert ist; Stander = Ständer = Steher.
Das Viereckerte: Das Viereckige bezeichnet hier das
Quadrat und nicht das Rechteck, eine Flur mit
quadratischer Form; rom. quadransflur?
Lahnstreifen: Bezeichnung einer Flur, die in einem
periodischen Lawinengang liegt.
Pämbhofnergassen: siehe Pabenhofen.
Bahnfeld: neu gebildeter Flurname für ein Feld an der
Eisenbahn.
Gangsteigfeld: Feld, durch das ein Weg führte.
Langgasse: eine Gasse, die ohne Richtungsänderung ca.
1,5 km lang ist. Diesen Namen trägt eine kleine
Ortschaft, die an dieser Straße (Langgassen) liegt. Die
genannte Gasse ist ein Überrest der alten Römerstraße,
die durch das Gemeindegebiet von Vigaun führt.
Stiegl: ein Brett zur Erleichterung beim Übersteigen
eines Zaunes.
37
Flurnamen von A bis Z
Ackerl Barmstein Kapellenfeld Taur der Ebenacker Gleuberpeunt
Ainau Plaikfeld Kastenfeld Tauglgstöttn Eiblköpfl Göglgarten
Anbau Bockbühel Kendel Dawerchn Einfang Göll
Astenstein Bodenfeld Kendlfeld Teilstanterfeld Grubenfeld
Aubühel Point Chempfpeunt Tennengebirge Faistlau Grummetöbm
Auflängfeld Bühelfeld Knoglwald Dickenbaumfeld Flußfeld Gschloßfeld
Pürgel Kohlstatthölzl Trattberg Freiboden Guggenfeld
Backstad, Bachstatt Brandfeld Krispl Trautenstatt
Bahnfeld Prembläuten Triebenbach Gamp Haferpeunt
Palfenfeld Pretstein Tägnischpeunt Trogfeld Gampbühel Hagengebirge
Bannwald Bruderloch Tal Trogrand Gansteigfeld Hammertal
Bärenacker Tännland Garney Härtlpeunt
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Hasenbühel Langgasse Mösel Rehfleck Schmaz Viereckte, das
Himmelfeld Lahnstreifen Mühlanger Rengerböml Schmittenstein Vogltenn
Hirschlack Leitenfeld Reuthwiesen Schrögholzhüttenfeld
Hochfeld Leitenfleck Neubrüchl Roßfeld Schwarzfeld Waidach
Hofangerfeld Lindenfeld Niglkar Senderbühelfeld Waldfeld
Holzfeld Loch Salzleck Spumberg Wallmannsiedl
Hühnergraben Louchkandl Obstwald Schachenpeunt Starnenge Wandfeld
Hühnerbühel Ofenloch Schatzreit Steinpeunt Weinleiten
Madlwasserfeld Ötzmauernfeld Schellenberg Stiegl Wiegenfeld
Oberland Masl Schlangenbühel Stöei Wimberg
Mitterland Mausöbm Radlmacherfeld Schlenggenwald Sunkfeld Wolfgrub
Unterland Metzenfleckl Rämslpeunt Schlungfeld
Langfeld Mittensteinfeld Raspenhöhe Schmalzkar Unterlangenberg Zipf
ABKÜRZUNGEN
ahd.
kelt.
lat.
mhd.
mit.
rom.
urgerm.
althochdeutsch
keltisch
lateinisch
mittelhochdeutsch
mittellateinisch
romanisch
Urgermanisch
VERWENDETE LITERATUR
Beitl, Richard / Deutsche Volkskunde, Deutsche
Buchgemeinschaft G.m.b.H., Berlin 1933
Buchinger, Josef / Der Bauer in der Kultur- und
Wirtschaftsgeschichte Österreichs, Österreichischer
Bundesverlag, Wien 1952
Faltner, Leopold / Mayregg, Georg / Salzburger Heimatkunde,
mit Ortsnamenerklärungen von Franz Hörburger, Salzburg,
Pustet 1927
Haidenthaler, Paulus / Haus- und Flurnamen, Salzburger
Volksbildung, Berichte und Mitteilungen des
Salzburger Bildungswerkes, Salzburg, Folge 35,
Dezember 1969
Hörburger, Franz / Salzburger Ortsnamenbuch, bearbeitet von
Ingo Reiffenstein und Leopold Ziller, Gesellschaft für
Salzburger Landeskunde, Salzburg 1982
Klaar, Adalbert / Die Siedlungsformen von Salzburg, Leipzig,
Hirzel 1939
Klabacher, Matthias / Die Flur- und Siedlungsnamen der
Gemeinde Vigaun, Prüfungsarbeit (masch.). Ergänzt und auf
den neuesten Stand gebracht von Karl Fiala.
Ringlschwendtner, Max / Ein historischer Pirschgang durch das
Vigauner Revier, Verlag und Jahr unbekannt.
Stenzel, Gerhard / Das Dorf in Österreich, Kremayr und
Scheriau, Wien 1985
Wolfram, Richard / Österreichischer Volkskundeatlas, 6.
Lieferung /1. Teil, Historische Flurnamen von Elisabeth
Tomasi, Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Wien 1978
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RÜCKBLICK AUF 1200 JAHRE UND MEHR
DIE SCHLENKENDURCHGANGSHÖHLE:
DIE ÄLTESTEN MENSCHLICHEN ZEUGNISSE IM LAND
von Karl Mais
Zu den verborgenen Besonderheiten des Vigauner
Gebietes zählt die Schlenkendurchgangshöhle, die unter
dem Grat liegt, der vom Schlenkengipfel zum
Schmittenstein hinüberzieht.
Sie besitzt zwei Tagöffnungen, die sich in ca. 1560 m
Seehöhe gegen Norden zur Gaißau hin und gegen Süden
zur Taugl hin öffnen. Von der Südseite zieht ein Gang,
der Bärengang, rund 30 m weit gerade nach Norden,
knickt dann etwas um und weitet sich in eine ca. 40 m
lange und ca. 15m breite Halle, die Blockhalle, von der
man zum Nordeingang hinaussteigen kann. Die
Gesamtlänge ist mit etwas über 120 m anzugeben.
Fortsetzungen gibt es bis auf einen kluftgebundenen
unbedeutenden Seitenteil keine. Das Muttergestein der
Höhle stammt aus dem oberen Jura, es ist im unteren
Teil Oberalmerkalk und im oberen aufgehenden Profil
bankiger Barmsteinkalk.
Die Besonderheit der Höhle liegt demnach nicht in der
Größe, auch nicht in einer sensationellen Pracht und
Herrlichkeit, die vielen bekannten Höhlen zukommt,
sondern in einer Reihe von kleinen, aber bemerkenswerten
Tatsachen: So liegt etwa die Höhle nicht nur im
Gebiet der Gemeinde Vigaun allein, sondern auch in dem
der Gemeinde Krispl. Die Höhle ist aber vor allem eine
bedeutende Fundstelle von jungeiszeitlichen Ablagerungen,
in denen sich Reste der damaligen Tier- und
Pflanzenwelt, besonders des Höhlenbären, sowie
kulturelle Hinterlassenschaften des damaligen Menschen
erhalten haben.
Die Höhle im Schlenkengrat ist aber auch ein letzter Rest
unterirdischer Wasserwege, die das Gebiet vor der Eintief
ung der Taugl und des Mörtelbaches entwässert haben,
von deren ehemaliger Landoberfläche noch am besten
die kuppige Oberfläche des Trattberges zeugt.
Wegen dieser und noch anderer Besonderheiten ist die
Höhle zum Naturdenkmal erklärt worden und war für
viele Jahre Ziel eingehender höhlenkundlicher
Forschungen. Die Höhle bedarf wegen ihrer
Besonderheiten auch eines besonderen Schutzes vor
Zerstörungen, Veränderungen, aber auch anderen
Beeinflussungen.
Die Entdeckung
Viele Höhlen sind den Bewohnern einer Gegend schon
lange bekannt, ehe sie „entdeckt" werden. Ähnlich, aber
nicht ganz so, war es bei der Höhle im Schlenkengrat.
Während der traditionellen Herbstjagd in der Taugl war
die Jagdgesellschaft im November 1926 oder 1928
einem Fuchs auf der Spur. Im leichten Neuschnee ließ er
sich gut verfolgen. An einer Felswand führte die Fährte
entlang und zog dann zwischen Blockwerk in den Berg
hinein. Da der Fuchs nicht hervorkommen wollte,
versuchten die Jäger, das Blockwerk wegzuräumen,
waren schließlich erfolgreich und gelangten in eine
Höhle, durch die das Füchslein bereits durchmarschiert
und in die Gaißau verschwunden war.
Als die Mitglieder des angesehenen Salzburger
Höhlenvereins im September 1934 eine Tauglkundfahrt
unternahmen, erfuhren sie durch den Jäger Palfinger von
dieser Höhle und machten sich sogleich dorthin auf.
Gleich beim ersten Besuch entdeckten Ernst Heger und
der unermüdliche Obmann des Vereins, Ing. Walter
Czoenig, beim prüfenden Durchsuchen der erdigen
Ablagerungen die ersten Knochen vom Höhlenbären.
Noch im selben Jahr folgten weitere Forschungsfahrten,
bei denen es zu den ersten Grabungen kam,
40
Die Schlenkendurchgangshöhle: oben im Schnitt durch den Schlenkengrat, unten im Grundriß: in der Nordhälfte der
Hallenteil (die Blockhalle) mit vorwiegend Verbruchmaterial als oberflächigem Bodenbelag, in der Südhälfte der
Gangteil (Bärengang) mit meist erdig-lehmigen Sedimenten als oberflächigem Bodenbelag. Nach Gustave Abel
(1934) umgezeichnet von Karl Mais.
41
und bei denen auch ein trefflicher Plan von Gustave Abel
gezeichnet und von ihm auch Fotos in bewährter
Teamarbeit angefertigt wurden.
In den folgenden Jahren kam es nun zu informativen
Besuchen durch verschiedene Mitglieder des
Höhlenvereins. Etwa von Th. Rullmann, der verschiedene
Knochen aufsammelte, oder von Gustave
Abel, der mehrfach eingehende Temperaturbeobachtungen
machte. Berichte über Befahrungen liegen im
Katasterarchiv des Höhlenvereins u. a. aus den Jahren
1942, 1945, 1949 und 1951 vor.
Die Unterschutzstellung
Bereits in den 30er Jahren hat die Absicht bestanden,
die Höhle nach den Bestimmungen des noch recht
neuen Bundesgesetzes zum Schutz von Naturhöhlen aus
dem Jahre 1928 unter Schutz zu stellen und weitere
Grabungen durchzuführen. Die traurige finanzielle
Situation in der Zwischenkriegszeit, der Tod von Prof.
Georg Kyrie, der vom und für das Bundesdenkmalamt
die Schutzangelegenheiten mit seinem Speläologischen
Institut betreute, ließen jedoch keine weiteren Schritte in
dieser Richtung zu. In der nach 1938 einsetzenden
Neuordnung der Höhlenforschung im „Deutschen Reich"
kam es trotz oder wegen grundsätzlicher
Reorganisationen nur zu Konzepten, die weder für den
Schutz noch für weitere Forschungen dieser Höhle etwas
beitrugen.
Als nach 1945 die Höhlenforschung in Salzburg mit zum
Teil jungen Mitgliedern genauso erfolgreich weiterging
wie vor und während (!!) des Krieges, bemühten sich älter
gewordene Mitglieder des Höhlenvereins um die
Angelegenheiten des Höhlenschutzes und die
Weiterführung begonnener Forschungen. In diesem
Sinne regte im Jahre 1955 der Verein durch seinen
damaligen Obmann Gustave Abel die Unterschutzstellung
wieder an. Das Bundesdenkmalamt holte von Prof.
Ehrenberg aus Wien, der mit Gustave Abel aus Salzburg
die Höhle besucht hatte, ein Gutachten über die
Schutzwürdigkeit ein. Doch wurde damals das Verfahren
zur Schutzstellung nicht eingeleitet, da keine unmittelbare
Gefährdung für den Bestand der Höhle vorhanden war.
Zu Beginn der 60er Jahre waren offensichtlich unbefugte
Grabungen der Anlaß, den seinerzeitigen Schutzantrag
weiter zu verfolgen. Die Vorarbeiten wurden rasch
wieder aufgenommen. Hiezu gehörte eine genaue
Lageeinmessung der Höhle, für die ein für damalige
Verhältnisse sehr langer Vermessungszug vom
Schlenkengipfel den Grat entlang bis zur Höhle geführt
werden mußte. Als Vermessungsgerät stand damals das
„Xavermeter" zur Verfügung, das vom
Vermessungsingenieur und erfolgreichen Erforscher der
Tantalhöhle Franz Xaver Koppelwallner für die speziellen
Bedürfnisse der Höhlenvermessung konstruiert und
gebaut worden war. Mit diesem Gerät, das leider ein
Prototyp geblieben ist, war es möglich, in einem
Visurgang sowohl Richtung als auch Neigung des
Polygonzuges präzise zu erfassen. Das robuste Meßgerät
hatte eine Innenbeleuchtung und war für den rauhen
Höhleneinsatz wirklich ideal geeignet, ausgelaufene
Batterien zerstörten es bedauerlicherweise.
Durch diese Außenvermessung und die gleichzeitig
erfolgte Vermessung der Höhle am 4. Oktober 1964
konnte die genaue Lage der Höhle in den Grundstücks-
Katasterblättern festgestellt und eingezeichnet werden.
Demnach gehört der nördliche Teil der Höhle zur KG
Krispl und steht im Eigentum der „Agrargemeinschaft
Zisterbergalpe". Der südliche Teil gehört zur KG
Rengerberg, als Eigentümer scheint „Die gemeinschaftliche
Schlenken-Alpe" mit ihren sechs Miteigentümern
von Rengerberg und Spumberg auf.
Nach dem Abschluß der Vorarbeiten hat das
Bundesdenkmalamt mit Bescheid vom 10. September
1965 die Höhle zum Naturdenkmal erklärt. Seit damals
unterliegen alle weiteren Forschungen, aber auch alle
Befahrungen, Besuche der Höhle, Veränderungen und
Zerstörungen, selbstverständlich auch Grabungen und
Aufsammlungen der Zustimmung der Behörde.
Unabhängig von dieser muß auch eine entsprechende
Zustimmung vom „Höhleneigentümer" eingeholt werden.
Mit der Stellung unter Denkmalschutz waren somit
schwere Beschränkungen zum Schutz der Höhle
verhängt. Für die Eigentümer bedeutete dies aber keine
Einschränkung der normalen almwirtschaftlichen
Nutzung oberhalb der Höhle.
Diese Beschränkungen ließen bzw. lassen eine Kontrolle
über eine geschützte Höhle zu. Durch die nötigen
Bewilligungen für Begehungen, Aufsammlungen,
Grabungen u. ä. ergab sich eine umfassende Chronik der
Geschehnisse in der Höhle. Doppel- oder Konkurrenzarbeiten
waren zu vermeiden und Angaben über den
Stand der Forschungen in der Höhle zu geben.
Außerdem informierte das Bundesdenkmalamt stets auch
den Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg über die
vereinsfremden Forschungsaktivitäten. So lassen sich die
genannten Beschränkungen nicht nur als Schutzmaßnahmen,
sondern auch als „Informationsmittler"
ansehen.
42
Alle wichtigen Daten über die Höhle, wie Namen, Lage,
Eigentümer, Bescheide. Raumbeschreibung, Lage-
Parzellenplan. Höhlenplan und Höhlenfotos, sowie
Ergänzungen über die Ergebnisse behördlich bekannter
Forschungen in der Höhle und darüber erschienene
Veröffentlichungen wurden in der Höhlenbucheinlage für
die „Schlenkendurchgangshöhle" vom Bundesdenkmalarnt
zusammengestellt, weitergeführt und den
Gemeinden Krispl und Vigaun sowie der BH Hallein zur
allgemeinen Einsichtnahme übermittelt.
Heute ist der Höhlenschutz nicht mehr Bundessache,
sondern seit 1974 eine Angelegenheit des Landes. Die
Schutzbestimmungen mit ihren Beschränkungen sind
jedoch auch nach dem ..Salzburger Höhlengesetz" aus
dem Jahr 1985 für alle zu Naturdenkmälern erklärten
Höhlen, die jetzt als.. besonders geschützte Höhlen"
bezeichnet werden, aufrecht.
Die Grabungen...
Die ersten Grabungen setzten praktisch im Herbst 1934
mit den ersten Arbeiten der Höhlenforscher ein. Die
erdigen Höhlenablagerungen und die Nischen des
Bärenganges ließen die Hoffnung aufkommen, daß dort
einmal der urgeschichtliche Mensch geweilt habe. Vor
allem waren es Martin Hell, der später Landesarchäologe
von Salzburg wurde und der bereits damals in
verschiedenen Höhlen Salzburgs nach derartigen
Hinterlassenschaften gesucht hatte, dann aber Gustave
Abel. Alfons Bergthaller und Theo Rullmann, um nur
einige zu nennen, die sich daran machten, in der Höhle
Suchschnitte anzulegen und die Ablagerungen zu
erforschen.
An drei günstigen Stellen, nahe dem Südeingang, am
Ende des geraden Bärenganges und am Beginn der
Halle, wurden Profilgruben abgetieft. Sie brachten
reichlich Knochenmaterial vom Höhlenbären ans
Tageslicht, nicht jedoch die erhofften Werkzeuge oder
Feuerstellen des Urmenschen, aber auch keine anderen
Zeugnisse einer menschlichen Besiedlung.
Als in den 60er Jahren Spuren unbefugte Grabungen
festzustellen waren, kam es einerseits zur Unterschutzstellung,
andererseits zur Einleitung von Grabungen
zur Sicherung von Befunden und Material. Die erste
Grabung sollte der Erfassung von Mächtigkeit und
Schichtfolge der Ablagerungen dienen, sie konnte vom
7. bis 15. August 1965 durchgeführt werden.
Die lokale Organisation des Unternehmens hatte Gustave
Abel übernommen, der nicht nur Höhle und Gegend,
sondern auch viele der Bewohner von den früheren
Forschungsfahrten und Begehungen her gut kannte. Für
die fachliche Abwicklung sorgten Univ.-Prof. Kurt
Ehrenberg, der bereits seit den 20er Jahren Bärenhöhlen
erforschte und im Jahr zuvor eine langjährige Grabungskampagne
in den Grundlseer Bergen abgeschlossen
hatte, und Karl Mais. Einige Kameraden und Freunde
konnten sie zur Mitarbeit gewinnen. Von Salzburg aus
waren dies u. a. Paul Jäger. Herr Lechner und Frau
Gscheider, von Wien Werner Hengstberger.
Das Ergebnis der ersten Grabungswoche war durchaus
bemerkenswert: Unter sterilen Lagen folgten bis zum
gewachsenen Boden erdige Ablagerungen mit
zahlreichen Höhlenbärenknochen, die vielfach nur als
Bruchstücke und sehr selten ganz, d. h. unzerbrochen,
vorlagen.
Werkzeuge des eiszeitlichen Menschen tauchen zwar
auch bei diesen neuerlichen Grabung nicht auf, doch
hatten sich seit den 30er Jahren die fachlichen Interessen
bei Höhlengrabungen entsprechend gewandelt. Während
ehemals die schönen Funde im Vordergrund standen,
waren jetzt die Befunde wichtiger, die aus Bruchstücken
und Fundsituationen erhoben werden konnten, denen
meist große Aussagekraft zukommt. Eine Fortsetzung der
Arbeiten erschien daher geboten. Die dabei immer
wieder auftauchenden Fragen und Funde ließen ein
Weiterführen der Grabungen bis 1984 sinnvoll
erscheinen.
In der Mitarbeiterliste sind fast 200 verschiedene
Personen erfaßt, die jeweils mehrere Tage hindurch an
den Arbeiten teilgenommen haben. Zahlreiche Helfer
sind jedoch noch hinzuzuzählen, die nur gelegentlich,
tageweise mitgeholfen haben und der Aufnahme in die
Liste entgangen sind. Die Teilnahme an einer Grabung
war für jeden einzelnen Mitarbeiter auch bei schlechtem
Wetter eine erfüllte, schöne Zeit, die für viele auch einen
anstrengenden und denkwürdigen Urlaub im Dienste der
Höhlenforschung dargestellt hat.
...und Grabungsstellen:
Die 1964 anlaufenden Grabungen setzten zuerst an den
bereits im Jahre 1934 von Abel und Hell untersuchten
Stellen ein. Dort waren die Schichten ja bereits „gestört",
und dort war es vertretbar, rasch in die Tiefe abzugraben
und die Profile aufzunehmen. Rund um die Profilgruben
konnten dann, je nach den Erfordernissen der Grabung,
weitere Flächen in einem Meterraster angelegt und
ausgeweitet werden.
43
Zur Hauptgrabungsstelle entwickelte sich die Profilgrube
II. am Knick des Ganges gegen die Halle. Dort konnte
auf einer beachtlich großen Fläche bis zum gewachsenen
Boden abgegraben werden.
An der Profilgrube I. in der Halle war ein großes Querprofil
und eine weitere Flächengrabung vorgesehen. Dies
mußte jedoch nach Wassereinbrüchen, die immer wieder
den starken sommerlichen Regenfällen folgten, aufgegeben
werden. Ein Profilgraben nahe dem Südeingang
konnte wegen wiederholter Überflutung ebenfalls nicht
abgeschlossen werden. An einem weiter in der Höhle
gelegenen Quergraben konnte das Gangprofil schließlich
ohne derartige Störungen bis an den gewachsenen
Boden freigelegt werden. In der Halle, am halben Weg
zum Nordeingang, gelang es, ein weiteres Querprofil zu
er-graben, obwohl die Arbeit auch dort mehrfach durch
das Wasser stark behindert war.
Die Grabungsstellen waren in einen Referenzraster von
1x1 Meter großen Quadranten eingebunden, die jeweils
auftretenden Schichten entsprechend berücksichtigt. Die
Grabungsflächen wurden, wenn an ihnen keine
unterschiedlichen Lagen festzustellen waren, jeweils um
10 cm tiefer gelegt. Bei der Grabung war genaugenommen
nicht von einem „Graben" mit Krampen und
Schaufeln die Rede, auch von keinem „Wühlen", sondern
es wurden alle Fundstücke und größeren Steine mit
kleinen messerartigen Geräten sorgfältig freigelegt und
erst dann geborgen. Die Funde waren dann auch
lagemäßig festzuhalten, zu zeichnen und zu dokumentieren.
Das abgegrabene erdige, meist aber auch klebrige
und lehmige Abraummaterial mußte in Kübeln von den
Grabungsstellen weg getragen und dann nochmals sorgfältig
durchsucht werden. Bei dieser Sichtung fielen
immer wieder wertvolle Funde an, meist waren es zwar
nur kleine Knochen und Bruchstücke, aber mehrfach
auch ortsfremde Gesteinsstückchen, die möglicherweise
durch den Menschen in die Höhle eingebracht worden
waren.
Neben der „Blockhalle“ wird die Schlenkendurchgangshöhle
vom „Bärengang“ geprägt – hier im Bild. Die
ältesten Spuren vom Menschen im Land Salzburg
wurden in dieser Höhle gefunden.
Aus finanziellen Gründen standen in den zwanzig Grabungsjahren
von 1965 bis 1984 zuerst nur eine, später
rund zwei Wochen zur Arbeit zur Verfügung, wobei zu
Beginn und am Ende erschreckend viel Arbeitszeit auf die
Freilegung und Wiederabdeckung der Grabungsstellen
anfiel. Dies war leider unumgänglich, da praktisch jeder
Zeitungsbericht über die Grabungen wilde Besuche der
Höhle mit sich brachte, bei denen auch die
Grabungsflächen ordentlich zerstört wurden.
Neben der „Blockhalle" wird die Schlenkendurchgangshöhle
vom ..Bärengang" geprägt-hier im Bild. Die
ältesten Spuren vom Menschen in: Land Salzburg
wurden in dieser Höhle gefunden.
Die notwendigen An- und Abtransports konnten
anfänglich mit Hilfe einer Tragtiereinheit des
Bundesheeres durchgeführt
44
Als Standquartier diente bereits ab 1965 die Halleiner
Hütte der Gruppe Hallein des TVN ..Die Naturfreunde",
die in dieser Zeit eine Wandlung von der kleinen
schmucken Hütte zu einem stattlichen Haus durchgemacht
hat. und deren Betreuung von der Gschwandtner-Mami
bis schließlich zu Amalie und Franz
Reithofer wechselte.
Begleitende Untersuchungen
Die Arbeiten in der Höhle waren jedoch nicht nur auf die
Grabung selbst und die dabei zu erwartenden Funde
ausgerichtet, sondern dem fächerübergreifenden,
speläologischen Interesse der Grabungsleitung entsprechend
auch auf andere Untersuchungen. So etwa
auch auf die Erfassung des Höhlenklimas, um den
heutigen Temperaturverlauf kennenzulernen und daraus
Hinweise auf die klimatischen Bedingungen jener Zeit zu
erhalten, in der die Höhlenbären unsere Gegend
besiedelt hatten. Es konnten aber auch Beobachtungen
über die Bildung von Kondenswasser und seine
Auswirkung auf die Höhlenwände gemacht werden.
Durch den Luftstrom, der durch die Höhle streicht,
kommt es zur Bildung von Kondenswasser, das sich an
den Wandpartien niederschlägt und durch seine lösende
Kraft die zahlreichen, kaum sichtbaren Klüfte im
Muttergestein korrosiv heraus „präpariert“ und der Höhle
so eine ganz besondere Eigenart verleiht.
Der nördliche Eingang der Schlenkendurchgangshöhle.
werden. Da aber die Kostenbeteiligungen an derartigen
Übungseinsätzen immer höher wurden, nahmen es die
Mitarbeiter schließlich idealistisch auf sich, die nötigen
Werkzeuge und Geräte, den Stromgenerator und die
Beleuchtung selbst zur Höhle zu tragen, die Tragtierkosten
zu sparen und dafür länger zu graben.
In den erdigen Ablagerungen, die ihre Entstehung
weitgehend der „Lebenstätigkeit" der Höhlenbären
(Dungmassen, Kadaver u. a.) verdanken, haben sich
zahlreiche Pollen und Sporen von Pflanzen erhalten,
ausdenen ein Pflanzenbild der Höhlenbärenzeit, das
weitgehend dem pflanzlichen Nahrungsspektrum der
Bären entspricht, rekonstruiert werden kann. Dabei war
deutlich zu sehen, daß die Bären heute einen entsprechenden
Lebensraum nur in einigen hundert Metern
tieferen Lagen finden könnten und demzufolge zur
Höhlenbärenzeit das Klima viel besser gewesen sein
muß, als dies derzeit der Fall ist. Es ist anzunehmen, daß
die Baumgrenze weiter oben gelegen ist, die
Vegetationszeit länger und die Winter kürzer waren als
heute.
Auch den Steinen in den Ablagerungen wurde
entsprechende Aufmerksamkeit gezollt. Art und
Zugehörigkeit, Form. Größe und Oberflächengestaltung
wurden festgestellt und daraus Transportwege, Abrollungsmechanismen
und die chemische Beanspruchung
festgestellt. Solche Untersuchungen hat Rudolf Vogeltanz
durchgeführt, der heute als Landesgeologe von Salzburg
tätig ist.
45
Eiszeitliche Tierwelt
Das bekannteste Tier des ausgehenden Eiszeitalters ist
neben dem Mammut der Höhlenbär, der Höhlen
bewohnt hat und mit der letzten Eiszeit ausgestorben ist.
Neben ihm sind eher selten Reste anderer Tiere der
sogenannten Begleitfauna anzutreffen; der Höhlenbär
dominiert.
Der Höhlenbär gehört zwar zur Gruppe der Braunbären,
ein gar arges Raubtier war er jedoch nicht. Bis zu einem
Drittel größer als die heute lebenden Braunbären war er
dadurch ein eher behäbiger Zeitgenosse. Dies geht aus
den Körpermaßen und den flacheren Gelenkflächen in
Vorder- und Hintertatze hervor. Seine Nahrung bestand
selten aus dem Fleisch seiner kleineren und flinkeren
Begleitfauna, sondern hauptsächlich aus Kräutern und
anderen Pflanzen, was aus den Resten seiner Losung
hervorgeht, die sich in den Sedimenten als Pollen und
Sporen der Futterpflanzen erhalten haben. Auch beim
heutigen Braunbären spielt pflanzliche Nahrung eine
große Rolle. Entsprechend dieser vom Frühjahr bis zum
frühen Herbst verfügbaren Nahrung paßte sich der
Höhlenbär an diese sich ändernde Lebensweise durch
das Anlegen eines Fettkörpers in der Schulterregion an,
seine Vorderextremitäten benötigten durch diese stärkere
Belastung auch eine Verstärkung. Als weitere Anpassung
an die pflanzliche Ernährung haben sich die Kauflächen
der Backenzähne vergrößert und gefältelt. Die anderen
Zähne konnten jedoch nicht auf die geänderte Futterwahl
umgestellt werden. Die mächtigen Eckzähne weisen
immer wieder starke Schliffspuren auf, die ein Zeichen
für das Fressen von Gräsern sind: Die Halme haben sich
beim Abreißen elastisch um die Eckzahne gelegt, sind
dann durch diese durchgeglitten und haben im Laufe der
Zeit Schliffspuren hinterlassen.
Höhlenbären-Oberkieferfragment mit hinterstem Backenzahn:
seniler Zahn wie Knochen total verrundet und
geglättet. 1 1/4 der natürlichen Größe.
Zur Zeit der Höhlenbären herrschte in den Höhlen ein
günstigeres „Wohnklima" als außerhalb. Die Bären lebten
dort in wahrscheinlich größeren Familienverbänden und
verbrachten dort auf jeden Fall den Winter, in dem auch
die etwa rattengroßen Jungen zur Welt kamen. Im
Frühjahr und Sommer „weideten" die Bären auf den
saftigen Wiesen und an den Waldrändern der Umgebung
der Höhle. In klimatisch sehr günstigen Gebieten
verbrachten sie die Sommerzeit im Freien. Wie aus den
Knochenresten zu erkennen ist, war die Schlenkendurchgangshöhle
das ganze Jahr über bewohnt, auch im
Sommer. Knochen und Zähne praktisch aller Altersstufen
liegen vor. Neugeborene, milchzähnige Bärenkinder,
halbwüchsige Jungbären, erwachsene Tiere und schließlich
auch alte, ja senile Bären sind lückenlos vertreten.
Eine große Anzahl von Jungtieren verendete im ersten
Winter. Sie standen im Sommer voll im Zahnwechsel und
hatten mit den Milchzähnen, den hervorbrechenden
Zähnen und den noch nicht voll funktionsfähigen
Dauerzähnen große Probleme bei der
Nahrungsaufnahme. Daher überlebte eine große Anzahl
der schlechter ernährten Tiere nicht das erste
Lebensjahr.
Während das reiche Fundgut an Höhlenbärenresten eine
Fülle von Angaben über sein Leben, seine
Lebensgewohnheiten, auch seine Krankheiten -so wurde
etwa ein Knochen¬tumor gefunden, der in einer
Stirnhöhle entstanden sein dürfte - gestattet, sind nur
wenige Fundstücke der Begleitfauna vorhanden.
Trotzdem sind es zehn Schneckenarten und 34
Wirbeltierarten. Mit dieser Faunenliste gehört die
Schlenkendurchgangshöhle zu den bedeutenden eiszeitlichen
Fundstellen Österreichs.
Bei den Wirbeltieren gelang der Nachweis von Frosch,
dreier Vogelarten (Alpendohle, Wachtelkönig und
Misteldrossel), Spitzmäusen. Maulwurf, Fledermäusen
(von denen Mopsfledermaus und Großes Mausohr zu
nennen sind), Nagetieren wie Hamster, Murmeltier,
Mäusen (Schermaus, Mühlmäusen, Schneemaus u. a.],
dann Hasen, Raubtieren wie Wolf, Braunbär - der
gleichzeitig mit den Höhlenbären gelebt hat -, Marder,
Großes Wiesel, Höhlenlöwe und Paarhufer, von diesen
Hirsch, Reh, Garns und Steinbock. Die aufgezählten
Tierarten sind nicht alle dem Jungpleistozän
zuzurechnen. Von Fledermäusen, Nagern, Hirsch und
Reh sind sowohl fossile, subfossile als auch rezente
Knochen vorhanden.
Hamster und Höhlenlöwe sind von den oben genannten
Tieren besonders erwähnenswert, da sie schon lange
nicht mehr in Salzburg heimisch sind. Vom Hamster
konnten Schädel. Unterkiefer, Langknochen, Rippen u.
46
a. in ansehnlicher Anzahl gefunden werden. Hinweise
auf sogenannte Hamsterburgen, wie man unterirdische
Baue nennt, ergaben sich nicht. Die Hamsterknochen
stammen von einer Form, die deutlich größer als die
normale war. Die normale Hamsterform tritt heute noch
im Osten Österreichs auf Lind bewohnt dort
steppenartige Gebiete. Das Vorkommen des Hamsters
im bereits alpinen Schlenkenbereich ist ein klarer Beweis
dafür, daß zur „Höhlenbärenzeit" ein besseres Klima
geherrscht hat, als diese heute der Fall ist.
Schlagfläche, Schlagkante und Schlagbuckel sowie
einwandfrei retuschierten seitlichen Kanten. Die Farbe ist
rötlichbraun. Es könnte aus rötlichen Schichten
stammen, die in den tieferen Regionen der Gaißau
aufgeschlossen sind.
Knochenreste vom Höhlenlöwen tauchten zwar selten,
aber immer wieder auf. Meist waren es nur einzelne
Stücke aus den Tatzen, aber auch Schwanzwirbel und ein
einzelner Unterkiefer konnten gefunden werden. Durch
seine sehr stark abgeschliffenen Zähne war er sehr
auffällig und stammt von einem recht alten Tiger. Der
Höhlenlöwe hatte etwa die Größe der heutigen Löwen
und Tiger. Ob er wie ein Löwe oder aber wie ein Tiger
ausgesehen hat, ist nicht zu sagen, da einerseits im
Skelett kaum Unterschiede vorhanden sind und
andererseits eiszeitliche Löwe-Tiger Darstellungen aus
den eiszeitlichen „Bilderhöhlen" auch keine endgültigen
Schlüsse zulassen. Aus diesem Grunde spricht man
vielfach nicht vom Höhlenlöwen, sondern von der
Höhlengroßkatze.
Menschliche Besiedlung vor 40.000 Jahren
Bei den Grabungen wurde auf alle Hinweise und Reste
einer menschlichen Hinterlassenschaft oder Tätigkeit
sorgfältig geachtet. Mit derartigen Funden konnte nicht
unbedingt gerechnet werden, doch bestand die
begründete Hoffnung darauf. Die Grabungsstellen waren
bereits von Martin Hell und Gustave Abel an den
günstigsten Stellen der Höhle eingerichtet worden,
lieferten jedoch bei unseren Arbeiten keine Feuerstelle,
sondern lediglich vereinzelte Holzkohlenflitterchen. aus
denen sich keine weiteren Schlüsse ziehen lassen.
Ortsfremdes Steinmaterial oder gar Stein Werkzeuge
waren zu Beginn der Grabungen auch nicht zu finden.
Schließlich kamen doch kleine Gesteinsstücke zum
Vorschein, die eindeutig ortsfremd und als Werkzeuge
anzusprechen waren. 1967 war dies ein nur rund 30 Mal
20 mm messendes stark verkieseltes Kalkstück, das nicht
aus der näheren oder weiteren Umgebung der Höhle
herstammte und obendrein eindeutig einen klingenartigen
Abschlag mit Randretuschen darstellte.
Das 1970 in der Schlenkendurchgangshöhle gefundene
Werkzeug eines Neandertalers in natürlicher Größe.
Nach dem Urteil der Prähistoriker Richard Pittioni. der
den kulturellen Funden alpiner Bärenhöhlen immer eine
besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatte, und
Friedrich Berg, der an den Grabungen in der Schlenkendurchgangshöhle
immer wieder gerne teilgenommen hat,
besitzt dieses Stück eine typisch mousterienartige Form,
die wohl ein Neandertaler dem Stein gegeben hat. von
dem jedoch bisher keine Knochenfunde gemacht werden
konnten.
In den folgenden Jahren kamen weitere ortsfremde
Gesteinsstücke zum Vorschein, manche mit eindeutigen
Bearbeitungsspuren, andere mit fraglichen Formen und
Retuschen. Damit war die Hoffnung zur Tatsache
geworden: Der eiszeitliche Mensch hielt sich in der
Schlenkendurchgangshöhle als Zeitgenosse der
1970 folgte ein weiteres, ebenso gutes, eindeutig
ortsfremdes und bearbeitetes Stück. Es war rund 64 mm
lang und etwas über 37 mm breit, mit deutlicher
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Höhlenbären auf. Ein weiterer Nachweis für die
menschliche Besiedlung alpiner Hochlagen in Österreich
war erbracht.
Neben den Stein Werkzeugen traten verschiedenartige
Knochen-und Zahnstücke auf, die möglicherweise oder
sogar wahrscheinlich vom Menschen bearbeitet oder zur
Arbeit verwendet worden waren. Eine ganze Reihe von
Knochen hatte starke Verrundungen, Glättungen, deren
Entstehung nicht auf natürliche Weise zu erklären ist.
Andere Stücke wiesen Kerben. Schnitt- und
Schlagmarken sowie Lochungen auf. Diese konnten an
verschiedenen Skelettelementen gefunden werden, etwa
an Langknochen, vielfach an Wirbeln. Warum und wozu
die Lochungen gemacht worden sind, ist offen.
Möglicherweise dienten sie zum Durchziehen einer
Schnur, um die Stücke als Schmuck , als Amulett oder
Auszeichnung zu tragen. Besonders bei den Wirbeln
können magische Vorstellungen zur Herstellung der
Lochungen geführt haben, wie dies von verschiedenen
Naturvölkern bekannt ist.
Die prähistorischen Fundstücke ordnen sich nicht direkt
einer der altsteinzeitlichen Kulturstufen unter, sondern
werden nach der Bearbeitungsart der Steinwerkzeuge
„mousterienartig" bezeichnet. Sie sind aber dadurch als
typisch für das sogenannte alpine Paläolithikum
anzusehen. Zur zeitlichen Einstufung wurde eine absolute
Altersbestimung der Bärenknochen nach der
Radiokohlenstoffmenge (C-14) gemacht, die ein Alter
von mindestens 42.600 Jahren ergeben hat. Da dieser
Wert aber an der Nachweisgrenze dieser Methode
gelegen ist, könnten die Bärenknochen und damit die
Kulturreste auch noch älter sein. Untersuchungen mit
neueren, weiter in die zeitliche Tiefe reichenden
Methoden stehen aus.
Wenn man die urgeschichtlichen Funde aus der
Schlenkendurchgangshöhle betrachtet, ist das
Fundinventar trotz seiner Bedeutung spärlich. Es ist zu
erkennen, daß der Mensch nicht ständig in der Höhle
gelebt, sondern sie nur gelegentlich aufgesucht hat. Die
Artefakte stammen auch nicht von einer engbegrenzten
Fundstelle oder Fundschichte, sondern wurden an
verschiedenen Stellen und in verschiedenen Tiefen
gefunden, daraus ist anzunehmen, daß der Mensch
immer wieder zur Höhle kam und dort eine Rast machte.
vielleicht Jagd auf den Bären unternahm oder auch
Zuflucht vor Unwetter suchte. Wo aber seine
Wohnhöhlen lagen, ist nicht bekannt. Sie befanden sich
sicher in tieferen Bereichen der Taugl oder auch weiter
weg im Salzachtal. Ob diese Höhlen heute noch
bestehen, ist fraglich, da die Gletscher der letzten Eiszeit
sie mit Moränematerial vollständig verschüttet, aber auch
ausgeräumt oder gar zerstört haben können.
Zur Entstehung der Höhle
Wenn man die Höhle im Schlenkengrat betrachtet, muß
man feststellen, daß ihre große Halle und der ansehnliche
Gangteil den letzten Rest eines Höhlensystems darstellen,
welches in den Oberalmer- und Barmsteinkalken entwickelt
war, bevor es zur Eintiefung der Täler und der
damit einherschreitenden Zerstörung dieses Höhlensystems
kam. Von der ehemaligen Landoberfläche ist
oberhalb der Höhle auch nichts mehr erhalten, es wird
ihr höchstens die Kuppenlandschaft des Trattberggebietes
entsprechen.
Mit der Eintiefung des Salzachtales und der Bildung der
zur Salzach gerichteten Seitentäler ist es zur Zerschneidung
der Landschaft gekommen und dadurch zur Zerstörung
des ehemaligen Entwässerungssystems, zu
dessen unterirdischem Teil das „Schlenkenhöhlensystem"
gezählt hat. Seit dieser Zeit ist das Höhlensystem immer
mehr durch die Talbildungen zerstört worden und ist
heute nur mehr als wenige Meter lange Durchgangshöhle
erhalten. Sicher waren verschiedenartige Sedimente in
diesen Höhlenräumen ab- und
Ein Höhlenbären-Wirbel mit Lochung, einer Spur vom
Menschen. Kurt Ehrenberg vermutet sogar Beziehungen
zum magisch-kultischen Bereich. (Etwa 4/5% der
natürlichen Größe.)
48
umgelagert worden. Bei den Ausgrabungen konnten
jedoch keine Ablagerungen gefunden werden, die älter
als die des Jungpleistozäns waren. Der gewachsenen
Höhlensohle lagen nur einige Zentimeter mächtige
sterile, lehmige Schichten auf, ober denen dann die
Höhlenbärenschichten lagen. Daraus kann geschlossen
werden, daß die Höhle praktisch leer war, als die
Höhlenbären mit der Besiedelung begannen. Es dürfte
damals nur der Südeingang offen gestanden sein, der
Nordeingang war wahrscheinlich durch einen Versturz
unpassierbar, der Luftzug fehlte und die Höhle hat einen
entsprechenden Lebensraum geboten.
Zur Bedeutung der Höhle
Die Schlenkendurchgangshöhle stellt den Rest eines
ehemals großen und heute fast vollkommen zerstörten
Höhlensystems dar, welches vor der Eintiefung der
Salzach und der anderen Flußsysteme für die
unterirdische Entwässerung eines Gebietes gesorgt hat,
von dem nichts mehr erhalten ist.
Die mächtigen Ablagerungen, die stellenweise bis auf
eine Profiltiefe von mehr als 3,5 m bis zum gewachsenen
Fels abgegraben werden konnten, haben Reste einer
reichen Tierwelt des Jungpleistozäns, der letzten
Zwischeneiszeit, freigegeben, in der der Höhlenbär
vorgeherrscht hat.
Die nachgewiesenen Tierarten, die Pflanzenreste (Pollen
und Sporen aus den erdigen Ablagerungen) sowie die
Tatsache, daß die Höhle ganzjährig vom Höhlenbären
bewohnt war, deuten auf ein entsprechend günstigeres
Klima hin, bei dem die Baumgrenze um rund 400 m
höher gelegen sein dürfte, als dies heute der Fall ist.
Gemeinsam mit den Knochen des Höhlenbären konnten
in den Ablagerungen der Höhle Steinwerkzeuge und
Knochengeräte gefunden werden, die davon zeugen, daß
der Mensch das „alpinen Paläolithikums", der
Neandertaler, im Bereich der Taugl vor mehr als 40.000
Jahren gelebt und gejagt hat.
Die Schlenkendurchgangshöhle diente noch im 20. Jahrhundert
als Zufluchtsort: Wie die Salzburger Künstlerin
Raffaela Toledo berichtet, versteckte sie sich mit ihrer
Familie (Schmeisser) in der Zeit des Nationalsozialismus
in der Höhle, weil ein unbekannter Uniformierter auf
dem Rengerberg unterwegs war. Wie sich dann
herausstellte, war nicht die Familie der 1910 in Laufen
geborenen Jüdin das Ziel des Uniformträgers, sondern
ein gewisser „Uhrmacher-Franzi". Die Familie
Schmeisser war in jenen Jahren im Zuhaus des
Hinterhochbrunnbauern in Miete (Toledo: „Die Bauern
waren großartig zu uns!"), 1945 begann Raffaela Toledo
am Schlenken zu malen (siehe ihre „Rengerberger
Impression" auf Seite 14!).
49
VIGAUN IN UR- UND FRÜHGESCHICHTLICHER ZEIT
von Fritz Moosleitner
Die Funde aus der im Gemeindegebiet von Vigaun
gelegenen Schlenkendurchgangshöhle stellen die ältesten
Zeugnisse menschlicher Anwesenheit im Lande Salzburg
dar. Hingegen liegen aus den nachfolgenden Epochen
bis hin zum Einsetzen schriftlicher Überlieferung bisher
nur sehr wenige Bodenfunde vor, die nur ein sehr
lückenhaftes Bild der Entwicklung des Ortes vermitteln.
Nach dem Abklingen der letzten Eiszeit und dem
Rückzug der Gletscher vor rund 12.000 Jahren
durchstreiften kleine Gruppen von Jägern das Salzburger
Becken und drangen in die inneralpinen Gebiete vor. In
Halbhöhlen oder unter Felsdächern haben sie ihre
Spuren hinterlassen. so z. B. in der Zigeunerhöhle bei
Elsbethen. Das Bruder loch bei St. Margarethen hat in
dieser Epoche vermutlich als Raststation gedient, bisher
sind noch keine archäologischen Forschungen
durchgeführt worden, die Aufschluß geben könnten.
Der Übergang vom Jägerdasein zum Bauerntum, zur
Nahrungsproduktion durch Viehzucht und Ackerbau,
erfolgte in unserem Gebiet vor ca. 7000 Jahren.
Dadurch wurde eine sesshafte Lebensweise ermöglicht,
der Mensch war nicht mehr vom Nahrungsangebot der
Natur abhängig. Erst von diesem Zeitpunkt an ist mit
einer dauernden Anwesenheit des Menschen im
Salzachtal zu rechnen. Natürlich geschützte Felshöhen
und Inselberge bildeten bevorzugte Siedlungsplätze, so z.
B. der Rainberg und der Hellbrunnerberg m der Stadt
Salzburg. Der Dürrnberg wurde in dieser Periode, der
Jüngeren Steinzeit (ca. 5000-1800 v. Chr.), wegen der
salzhaltigen Quellen häufig aufgesucht. Aus Vigaun
fehlen bisher noch gesicherte Funde aus dieser Periode.
Erst aus der nachfolgenden Bronzezeit (ca. 1800-750 v.
Chr.) liegen Siedlungsnachweise vor.
Beim Bau der Autobahn wurde 1969 am Fuße des
Adneter Riedls rund 200 m südlich des Bruderloches
eine Kulturschicht angeschnitten, die zahlreiche
Keramikbruchstücke der frühen Bronzezeit enthielt. Eine
Höhensiedlung der Bronzezeit hat der frühere Landesarchäologe
Martin Hell 1950 auf dem sog. Rehrlpalfen
entdeckt und archäologisch erforscht. Diese Fundstelle
liegt am linken, südseitigen Ufer der Taugl, damit knapp
außerhalb der Gemeindegrenze von Vigaun. Die allseitig
steil abfallende Felshöhle des Rehrlpalfens bot nur für
wenige Hütten Platz. Die Grabungen förderten zahlreiche
Der Rehrlpalfen auf der Kuchler Seite der Taugl, auf dem
sich in der Bronzezeit und in der Jüngeren Eisenzeit eine
Höhensiedlung befand.
Keramikbruchstücke zutage, die zum Teil mit zerriebener
Kupferschlacke gernagert sind. Die Schlacke ist bei der
Verarbeitung oder Veredelung von Rohkupfer aus den
Bergbaugebieten im heutigen Pongau angefallen.
Die Kupfervorkommen in den Salzburger Gebirgsgauen
verliehen unserem Gebiet in der Bronzezeit große
Bedeutung, von hier aus wurden weite Bereiche
Mitteleuropas mit Kupfer versorgt. Das Kupfer bildete in
dieser Zeit - mit etwas Zinn zu Bronze legiert - den
wichtigsten Rohstoff für die Herstellung von
Werkzeugen, Geräten, Waffen und Schmuck. Die
bedeutendsten Kupfervorkommen liegen im Bereich von
Bischofshofen, Mühlbach und St. Johann. Schon in der
späten Jungsteinzeit, im 3. Jährt, v. Chr., setzte die
Gewinnung von Kupfer ein, die Blüte des
Kupferbergbaues fällt in die Bronzezeit. Ein wichtiges
Zeugnis für den bronzezeitlichen Kupferhandel entlang
der Salzach wurde in Vigaun aufgefunden. In einer
50
Schottergrube traten mindestens sechs große Kupfergußkuchen
mit einem Gewicht von durchschnittlich sechs
Kilogramm zutage. Eine noch im zähflüssigen Zustand
eingetiefte Rille sollte das Zerteilen der Gußkuchen
erleichtern. Vermutlich hat ein Händler seine Ware vor
einer drohenden Gefahr der Erde anvertraut und kam
nicht mehr dazu, seinen Besitz wieder zu heben.
In der Eisenzeit (ca. 750-15 v. Chr.) siedelte das Volk der
Kelten in unserem Gebiet. Der Dürrnberg bei Hallein
entwickelte sich in dieser Periode zu einem bedeutenden
industriellen Zentrum mit weitreichenden Handelskontakten.
Die Grundlage dafür bildete das Salz, das ab
600 v. Chr. bergmännisch gewonnen worden ist.
Keltische Siedlungsreste fanden sich auch am Rehrlpalfen
sowie am Fuß des Adneter Riedls bei St. Margarethen.
Um 15 v. Chr. wurde das keltische Königreich Noricum,
zu dem auch unser Gebiet gehörte, auf friedlichem Wege
in das Römerreich eingegliedert.
Auf der bis dahin unbesiedelten Schotterebene zwischen
den Salzburger Stadtbergen legten die Römer eine Stadt
an, die den Namen Juvavum trug. Diese Stadt war in das
Netz der römischen Reichsstraßen eingebunden. Die
Trasse jener Römerstraße, die von Juvavum aus nach
Süden Richtung Italien führte, deckte sich im Ortsbereich
von Vigaun etwa mit jener der mittelalterlichen und
frühneuzeitlichen Poststraße. Die Römerbrücke über die
Taugl stammt zwar nicht aus römischer Zeit, sondern ist
erst um 1600 errichtet worden; die Römerstraße hat
jedoch zweifellos an derselben Stelle die Taugl
überbrückt.
Entlang der Römerstraßen waren in durchschnittlich 20-
25 km Entfernung Raststationen eingerichtet. Antike
Straßenkarten verzeichnen 14 Meilen von Juvavum
(Salzburg) entfernt die Station „Cucullae". Die
ausgedehnten Überreste dieser römischen Straßenstation
ca. einen Kilometer südlich des Georgenberges sind
bisher nicht archäologisch erforscht. Im Ortsnamen
„Kuchl" lebt die antike Bezeichnung weiter; aber auch im
Namen der Gugilanalm unter dem Schmittenstein im
Tauglboden, die in den ältesten Quellen als Cuculana-
Alm („Kuchler Alm") bezeichnet wird. Auch der Name
Vigaun - Vigun bzw. Figunas in den ältesten Quellen - ist
römischen Ursprungs, er leitet sich von „vicus" - Gehöft,
Dorf - mit einer im Romanischen vergrößernden
Nachsilbe „on" ab, und wäre damit mit „Großdorf" zu
übersetzen.
Grundrißskizze der festgestellten Mauerreste angefertigt.
Die Lage der Fundstelle ist aber wieder in Vergessenheit
geraten. Eine vor wenigen Jahren durchgeführte
archäologische Erkundung im Tauglwald blieb ergebnislos.
Wie der Lebensbeschreibung des hl. Severin zu
entnehmen ist, war in spätrömischer Zeit, im 5. Jh. n.
Chr., die Bevölkerung unseres Gebietes weitgehend
christianisiert. Dieser Heilige weilte um 460 auch in
Cucullae (Kuchl) und hat hier ein Kerzenwunder
vollbracht. Eine moderne Statue des hl. Severin an der
Tauglbrücke soll an dessen Aufenthalt in unserem Gebiet
erinnern.
Hl. Severin von Hans Fächer, 1954.
Die spätrömische Siedlung Cucullae ist auf dem
Georgenberg bei Kuchl zu suchen, Baureste jener
frühchristlichen Kirche, in der der Heilige gepredigt und
Wunder gewirkt hat, konnten 1964 unter dem Fußboden
der Kirche auf dem Georgenberg aufgefunden werden.
Zweifeilos bestand zu dieser Zeit auch in Vigaun bereits
ein Gotteshaus. Dessen Lage ist - ebenso wie jene der
Siedlung - bisher noch unbekannt.
ANMERKUNG:
Die Funde aus der Schlenkendurchgangshöhle werden im Haus
der Natur in Salzburg aufbewahrt, die Scherbenfunde vom
Adneter Riedl sowie die Kupfergußkuchen aus Vigaun befinden
sich im Keltenmuseum Hallein. Die Funde vom Rehrlpalfen
besitzt das Salzburger Museum C.A.
Die genaue Lage von „Großdorf" konnte bisher nicht
geklärt werden. Zwar hat man um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts im „Faistelauer Wald" Gebäudereste
entdeckt, die vermutlich aus römischer Zeit stammen.
Das aufgedeckte Steinmaterial wurde für Wasserschutzbauten
verwendet, man hat jedoch eine
51
DIE ANFÄNGE:
DER NAME „VIGAUN" UND SEINE ERSTE ERWÄHNUNG
von Heinz Dopsch
Im ältesten Salzburger Güterverzeichnis, der 790 niedergeschriebenen
Notitia Arnonis, wird unter den Kirchen
des Salzburger Bischofs auch jene in Vigaun (ad Fuginas)
an-geführt. 1 Vom Zeitpunkt der Niederschrift her
gesehen ist es tatsächlich die erste Erwähnung des Ortes.
Einem weiteren Güterverzeichnis der Salzburger Kirche,
den 798 angelegten „kurzen Aufzeichnungen" (Breves
Notitiae) ist jedoch zu entnehmen, daß Vigaun schon ein
halbes Jahrhundert früher unter dem Bayernherzog Odilo
(736/737-748) als Ort bestanden hat. 2 Die damit
verbundenen Fragen nach dem Alter von Vigaun, nach
der Entstehung und Bedeutung des Ortsnamens und
nach der Rechtsstellung der 790 genannten Kirche in
Vigaun sollen in Verbindung mit dem historischen
Umfeld kurz dargestellt werden.
Kelten, Romanen und Baiern
Das erste bekannte Volk, das in unserem Raum nicht nur
durch Bodenfunde sondern auch durch schriftliche
Quellen namentlich bezeugt ist, waren die Kelten. Die
Illyrer, die angeblich schon vor den Kelten auch das
Gebiet von Salzburg besiedelten, spuken zwar noch
immer in den Schulbüchern herum, sind aber tatsächlich
nie hierher gekommen. Der Zeitpunkt der keltischen
Besiedlung des Ostalpenraumes wird heute schon im
7./8. Jahrhundert v. Chr. angesetzt. Unter den Kelten
erreichte vor allem der Salzbergbau am Dürrnberg eine
hohe Blüte. In Verbindung damit entstanden auch
keltische Siedlungen im Salzachtal, die meist auf
geschützten Höhen angelegt wurden. Dazu zählten der
Georgenberg bei Kuchl, der Hellbrunnerberg, der einen
keltischen Fürstensitz trug, sowie der Rainberg und der
Kapuzinerberg im Stadtgebiet von Salzburg. 3
Seit dem 2. Jahrhundert vor Chr. bestanden zwischen
dem keltischen Königreich Noricum und der
aufstrebenden Großmacht Rom enge wirtschaftliche
Kontakte und auch politisch eine gute Nachbarschaft. Als
im Jahre 15 v. Chr. Noricum von römischen Truppen
besetzt und damit dem römischen Reich einverleibt
wurde, gab es offenbar - im Gegensatz zum
benachbarten Rätien - keine größeren Kampfhandlungen.
Nur der im Pinzgau ansässige Stamm der
Ambisonten dürfte energischen Widerstand geleistet
haben. Unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) wurde
Noricum als römische Provinz eingerichtet. Als
Nachfolger der hochgelegenen, wehrhaften Keltensiedlungen
entstanden neue Ortschaften in den Talniederungen,
wo die Bevölkerung besser kontrolliert
werden konnte. Am bedeutendsten war Juvavum, das
römische Salzburg, das von Kaiser Claudius die Rechte
einer Municipalstadt erhielt. 4 Damit verfügte Juvavum
über eine eigene, weitgehend autonome Verwaltung und
einen Stadtbezirk, der wesentlich größer war als das
heutige Land Salzburg.
In den fünf Jahrhunderten römischer Herrschaft wurde
die bodenständige keltische Bevölkerung in Sprache,
Tracht und Lebensformen weitgehend romanisiert.
Damit verbunden war auch ein Wechsel der Identität,
obwohl sich römische Familien aus dem „Mutterland"
Italien fast ausschließlich in der Stadt Juvavum und auch
dort nur in verhältnismäßig geringer Zahl niederließen.
Der allmähliche Wandel der Provinzbevölkerung von
Kelten zu Romanen kommt auch in den schriftlichen
Quellen des frühen Mittelalters zum Ausdruck. Die
Romanen werden dort meist als Walchen bezeichnet,
einem Namen, der noch heute in dem uns vertrauten
Begriff der „Welschen" fortlebt. Die Bezeichnung
Walchen ist aber vom keltischen Volk der Volcae
Tectosages, die von keinem geringeren als Julius Cäsar
genannt werden, abgeleitet. 5 So wie dieser keltische
Stamm durch die Jahrhunderte römischer Herrschaft
völlig romanisiert und schließlich sogar namengebend für
die Romanen (Walchen) wurde, betrachtete man auch die
bodenständige Bevölkerung des Salzburger Gebietes am
Ende des 5. Jahrhunderts durchaus als romanisch.
Zeitgenössische Darstellungen auf Grabsteinen zeigen
uns freilich, daß diese Keltoromanen gewisse Eigenheiten
in der Tracht, wie die „norische Haube" der Frauen, aber
auch in ihrer Physiognomie bewahrt hatten.
Die Lebensbeschreibung des h l. Severin, der um 470
nach Juvavum (Salzburg) und Cucullis (Kuchl) kam 6 , wirft
schlagartig Licht auf diesen Raum in der Endphase
römischer Herrschaft. Bedroht von den ständigen
Einfallen germanischer Stämme, vor allem der
Alamannen, hatte sich die Provinzialbevölkerung wieder
auf jene schützenden Höhen zurückgezogen, die sie am
Beginn der römischen Herrschaft verlassen mußte. Die
stattlichen römischen Gutshöfe (uillae rusticae) waren
längst aufgegeben und das Land konnte nur noch im
Umkreis der schützenden Mauern von wehrhaften
Siedlungen bestellt werden. 7 Der christliche Glaube, der
sich auch in den ländlichen Siedlungen
52
durchgesetzt hatte, konnte sich trotz dieser Bedrohungen
behaupten. In Juvavum ist neben der Gemeindekirche
sogar ein Kloster bezeugt.
Das Wirken des hl.Severin hatte den Zusammenbruch
der römischen Herrschaft in Ufernoricum (südlich der
Donau) noch um einige Jahrzehnte hinausgezögert.
Selbst der Sturz des letzten Kaisers, Romulus Augustulus,
durch den germanischen Heerführer Odovakar im Jahre
476 hatte keineswegs die große Wende herbeigeführt,
wie sie in den meisten Geschichtsbüchern dargestellt
wird. Erst nach dem Tode Severins (t 482) wurde die
Situation unhaltbar. Als König Odovakar 488 den Befehl
gab, daß die bedrohte Bevölkerung von Ufernoricum im
Schutze römischer Truppen das Land verlassen und
„heim ins Reich" nach Italien ziehen sollte, haben nicht
alle dieser Anordnung Folge geleistet. Namhafte Teile
der keltoromanischen Bevölke¬rung sind - teils in
kleineren, verstreuten Gruppen, teils in geschlossenen
Siedlungsgebieten - im Lande zurückgeblieben und im 6.
Jahrhundert unter die Herrschaft der Baiern gelangt.
Gerade das südliche Salzburger Becken von Golling bis
zur Stadt Salzburg bildete nach dem Befund der
Ortsnamen aber auch nach den Berichten der
schriftlichen Quellen ein relativ geschlossenes Rückzugsgebiet
der romanischen Bevölkerung. Man hat es, nicht
ganz zu unrecht, geradezu als die „Salzburger Romania"
bezeichnet. 8
Im 6.und 7. Jahrhundert wurden das Alpenvorland
südlich der Donau bis in den Salzburger Raum aber auch
einzelne inneralpine Beckenlandschaften, wie der fruchtbare
„Gerstenboden" von Saalfelden, von den Baiern
besiedelt. Über die Herkunft dieses Stammes ist
Jahrhund-erte hindurch gerätselt worden. Es hat kaum
ein Gebiet zwischen dem Schwarzen Meer und
Skandinavien gegeben, aus dem man die Baiern nicht in
ihre Heimat zwischen Donau und Alpen einwandern ließ.
Neben den spärlichen Schriftquellen - die Baiern werden
551 in der Gotengeschichte des Jordanes erstmals
genannt - haben in den letzten Jahren vor allem die
Ergebnisse der Archäologie zur Klärung dieser Frage
beigetragen. Der Name Baiuwaren (Baioarii) bedeutet
soviel wie „Männer aus Böhmen". Tatsächlich dürften
noch vor dem Ende der römischen Herrschaft um die
Mitte des 5. Jahrhunderts Männer elbgermanischer
Herkunft aus dem südböhmischen Raum an die Donau
gezogen und dort als Söldner in römische Dienste
getreten sein. Da sie die Besatzung der wichtigen
Kastelle an der Donau stellten und nach dem Ende der
römischen Herrschaft diese Schlüsselpositionen in ihrer
Hand hatten, konnten sie, obwohl eher gering an Zahl,
zum namengebenden Kern des neuen Stammes werden.
Neben ihnen waren Splitter anderer germanischer Völker
wie der Alamannen, Langobarden, Ostgoten und
Thüringer, aber auch
Das Bruderloch spielte möglicherweise im ausgehenden
5. Jahrhundert eine Rolle als Zufluchtsort.
Reste der bodenständigen romanischen Bevölkerung an
der Stammesbildung (Ethnogenese) der Baiern beteiligt. 9
Schon bei den ersten Nennungen in den schriftlichen
Quellen standen die Baiern unter der Herrschaft der
Agilolfinger, die von den fränkischen Königen aus dem
Geschlecht der Merowinger zu Herzogen eingesetzt
worden waren. Mit den geschlossenen Gruppen
romanischer Bevölkerung, die sich auch nach der
bairischen Besiedlung zu halten vermochten, scheint es
zu einer friedlichen Koexistenz gekommen zu sein. Die
Baiern konnten von ihnen vieles lernen: Töpferei,
Weinbau, Salzgewinnung und
53
Almwirtschaft, aber auch Schriftkultur, Urkundenwesen
und nicht zuletzt das Christentum wurde von ihnen an
ihre neuen Herren vermittelt. 10 Diese Entwicklung läßt
sich gerade in der weiteren Umgebung von Vigaun, im
südlichen Salzburger Bekken, an etlichen Zeugnissen
ablesen.
Der Name „Vigaun": „Grossdorf"
Die ältesten bairischen Ortsnamen sind durch die
Endsilben -mg und -heim (-harn) gekennzeichnet. Sie
finden sich nördlich der Stadt Salzburg in auffallender
Dichte. 11 Es genügt auf Beispiele wie Itzling, Anthering
und Eching, Siezenheim und Surheim, Baierham und
Seeham hinzuweisen. Südlich von Salzburg fehlen
derartige Namen vollkommen. Der einzige frühbairische
Ortsname ist Puch, das auf eine alte, schon um 700
genannte Buche als Grenzbaum zurückgeht. 12 Dafür
weist das südliche Salzburger Becken eine auffallende
Dichte romanischer und vorromanischer Ortsnamen auf,
deren Bedeutung oft ganz einfach zu erklären ist. 13
So geht Gamp (bei Hallein) auf ein lateinisches campus
(Feld) zurück, dem Ortsnamen Gfalls (bei Elsbethen) liegt
ein romanisches caballus (Pferd) zugrunde, und die
Ortsnamen Gois von lat. collis (Hügel) und Muntigl von
monticulus (kleiner Berg) im Norden von Salzburg deuten
auf Geländeformen hin. Der Name Rif kommt von lat.
ripa (Ufer) und die Orte Ober-undNiederalm sind nach
den Almbächen benannt, denen zwar ein vorrömischer
Wortstamm zugrunde liegt, der aber im Lateinischen als
albina (die Weiße, Schäumende) auf den bewegten Lauf
dieser Bäche hinwies. Der Name Torren hat sich bis
heute als torrente (Wildbach) im Italienischen erhalten.
Am interessantesten ist zweifellos der Ortsname Wals,
der in den ältesten Salzburger Güterverzeichnissen als
uicus Romaniscus (romanisches Dorf) erscheint. Er wurde
als Walchwis (zusammengesetzt aus Walchen für die
Romanen und weiks/wihs für Dorf) ins Deutsche übertragen
und dann zu Wals kontrahiert. Der Ortsname
Wals hat also ebenso wie der danach benannte
Walserberg - entgegen immer wieder aufgestellten
falschen Behauptungen - nichts mit der Ansiedlung von
Waisern zu tun, die niemals in dieses Gebiet gekommen
sind. 14
Von den Sprachforschern wird besonders auf jene
Ortsnamen hingewiesen, in denen der romanische
Fremdakzent erhalten blieb, wie bei Torren, Marzöll und
Garnei. Da sie im Deutschen die Betonung der
Ausgangssprache behalten haben, sind sie frühestens im
11. Jahrhundert eingedeutscht worden. Es blieb also im
südlichen Salzburger Becken und damit in der Umgebung
von Vigaun bis über die Jahrtausendwende hinaus eine
romanische Vulgärsprache lebendig, wie sie heute noch
südlich der Alpen in Form des Ladinischen,
des Rätoromanischen und des Furlanischen gesprochen
wird. 15
Überblickt man das vielfältige Bild der romanischen
Ortsnamen im südlichen Salzburger Becken, dann
springt die Vielzahl von Namen ins Auge, die mit „G"
beginnt: Grödig, Glas, Gfalls, Gamp, Gois usw. Bei allen
diesen Namen wurde das romanische oder vorrömische
C im Anlaut durch G ersetzt (romanische Lenisierung).
Ein ähnlicher Vorgang ist auch im Wortinneren bei
Namen wie Morzg, Muntigl, Gnigl und Vigaun
festzustellen. Das bedeutet, daß diese Worte die zweite
Lautverschiebung nicht mitgemacht haben und erst im 8.
Jahrhundert oder später eingedeutscht wurden. Eine
gewichtige Ausnahme bildet jedoch das historische
Zentrum des Raumes, Kuchl. Bei diesem Ortsnamen, der
auf Cucullis (Kapuze) zurückgeht, blieb ebenso wie bei
Crethica (Grödig) das C im Anlaut erhalten. Daraus geht
hervor, daß die Baiern schon im 6. oder 7. Jahrhundert
das politische Zentrum Kuchl in Besitz genommen
haben, während die benachbarte Kuchler Alm (alpis
Cuculana), die noch heute Gugelan Alm heißt, davon
ebensowenig betroffen wurde wie die umliegenden
Orte. 16
Die Vorstellung vom südlichen Salzburger Becken als
einem durch Mauern zwischen dem Untersberg und
Juvavum gesicherten romanischen Siedlungsgebiet, in
dem die Baiern nicht Fuß zu fassen vermochten, ist daher
sicher verfehlt. Die Baiern begnügten sich als neue Herrn
vielmehr, mit Juvavum, das unter völligem Bruch mit der
romanischen Tradition in Salzburg umbenannt wurde,
und mit Kuchl die politischen Zentren in Besitz zu
nehmen. Ansonsten aber konnte die keltoromanische
Bevölkerung in diesem Gebiet auch ihre Lebensformen,
ihren Besitz und ihre Sozialstruktur mit einem eigenen
Adel bewahren.
Auch der Ortsname Vigaun darf eine gewisse
Sonderstellung in Anspruch nehmen. Neben dem
bairischen Marzöll bei Reichenhall, das auf den
romanischen Personennamen Marciolus zurückgeht, ist
es der einzige romanische Ortsname für ein altes Dorf.
Die in den ältesten Salzburger Güterverzeichnissen
belegten Formen Fuginas (Notitia Arnonis, wohl
verschrieben für Figunas) und Figün (Breves Notitiae) sind
vom romanischen Wort *vicone abzuleiten, das soviel wie
„Großdorf" bedeutet. Aus dem lateini-schen Wort uicus
(Gehöft, Dorf) wurde mit dem romanischen
vergrößernden Suffix -on- das Wort uicone (Großdorf)
gebildet. Daraus entstand mit der Übertragung ins
Deutsche (noch vor 748) die Form Figün und durch die
bairische Diphthongierung der heute übliche Name
Vigaun. Aus der ursprünglichen Bedeutung des
Ortsnamens, „Großdorf", geht hervor, daß Vigaun schon
im 6. und 7. Jahrhundert im Vergleich
54
zu den benachbarten Siedlungen ein stattlicher Ort
gewesen sein muß. 17 Im Gegensatz zu Wals, das von den
Baiern als „Romanendorf" (uicus .Roman iscus,)
bezeichnet wurde, haben in Vigaun die ansässigen
Romanen ihre Siedlung selbst „Großdorf" (*vicone)
genannt.
Die ersten Nennungen in den ältesten
Salzburger Güterverzeichnissen
Tassilo III. (748-788), der letzte Baiernherzog aus dem
Geschlecht der Agilolfinger, hatte - seit er großjährig war
und allein in Baiern regierte (757) - eine durchaus
eigenständige, königsgleiche Herrschaft entfaltet. In
seinem Vetter, dem Frankenkönig Karl dem Großen,
erwuchs ihm jedoch ein übermächtiger Gegner. Nach
dem Sturz des Langobardenkönigs Desiderius (774), des
Schwiegervaters von Tassilo, und der Unterwerfung des
Herzogs Arichis von Benevent (787) war Baiern das
nächste Ziel von Karls Großmachtpolitik. Vergeblich
versuchte Tassilo durch seine Gesandten, Bischof Arn
von Salzburg und Abt Hunrich von Mondsee, einen
friedlichen Ausgleich zu erreichen. Als Karl der Große
noch im Jahr 787 mit Heeresmacht gegen Baiern
vorrückte, sah sich Tassilo vom bairischen Adel im Stich
gelassen und mußte sich kampflos unterwerfen. 18
Im folgenden Jahr vollzog sich auf der Reichsversammlung
zu Ingelheim am Rhein sein endgültiger
Sturz. Da die Anklagen, er habe den bairischen Adel
gegen Karl aufgewiegelt und ein Bündnis mit den
Awaren als Reichsfeinden geschlossen, nicht für ein
Todesurteil ausreichten, mußten die Ankläger auf ein
Verbrechen zurückgreifen, das Tassilo III. 25 Jahre
vorher begangen hatte. Der junge Herzog war 763 mit
seinen Truppen von jenem Feldzug entwichen, den sein
Onkel Pippin damals gegen Aquitanien führte. Dieser
„harisliz" diente nun als Rechtsgrund, um Tassilo III.
formell zum Tode zu verurteilen und damit den im
bairischen Stammesrecht (Lex Baiuvariorum) verankerten
Anspruch der Agilolfinger auf die Herrschaft über Baiern
zu beseitigen. Karl hat seinen Vetter Tassilo samt Frau
und Kindern dann großmütig zu lebenslanger Klosterhaft
begnadigt. Wann und in welchem Kloster der letzte
Herzog aus agilolfingischem Stamm sein Leben
beschlossen hat, meldet keine Quelle mehr. 19
Die Salzburger Kirche hatte sich seit ihren Anfängen
unter dem hl. Rupert (696) der besonderen Förderung
durch das Herzogshaus der Agilolfinger erfreut. Die
reichen Schenkungen der Herzoge, die Salzburg binnen
weniger Jahrzehnte zum reichsten unter den bairischen
Bistümern machten, schienen mit der Verurteilung und
dem Sturz Tassilos III. ernstlich bedroht. Karl der Große
betonte anläßlich der Bestätigung jener Besitzungen,
die Tassilo III. 777 zur Ausstattung der Abtei
Kremsmünster verwendet hatte, daß diese Güter „durch
die Schenkung des genannten Tassilo keineswegs fest
und unwiderruflich dem Kloster gehören können..". 20 Der
um die Güter seiner Kirche besorgte Bischof Arn von
Salzburg gab deshalb noch im Jahr von Tassilos Sturz
(788) den Auftrag, ein Güterverzeichnis anzulegen. Nach
dem Auftraggeber wird es als Notitia Arnonis bezeichnet.
Das Schwergewicht wurde dabei auf jene Besitzungen
gelegt, die von den Agilolfingern selbst und deren
unmittelbaren Gefolgsleuten an die Salzburger Kirche
geschenkt worden waren; sie schienen in dieser Situation
besonders bedroht.
Bischof Arn betont am Ende des Verzeichnisses selbst,
daß er „diese Sammelnotiz (notitia) mit Zustimmung und
Erlaubnis des allerfrömmsten Königs Karl in demselben
Jahr, als dieser Baiern unter seine unmittelbare
Herrschaft nahm", erstellen ließ. Bis zum Abschluß der
Arbeit und der endgültigen Niederschrift nach dem Diktat
des Diakons Benedikt verging offenbar ein längerer
Zeitraum, da das älteste erhaltene Exemplar der Notitia
Arnonis, eine Pergamentrolle des 12. Jahrhunderts aus
der Abtei St.Peter in Salzburg, ursprünglich mit der
Überschrift „Im Jahre 790 zusammengestellt" versehen
war. 21 Die Entstehungszeit des ältesten Salzburger
Güterverzeichnisses, der Notitia Arnonis, fällt damit in
die Jahre 788-790. Damals wurde auch der Ortsname
Vigaun in der Form ad Fuginas erstmals
niedergeschrieben. Mit der Bestätigung des gesamten
Salzburger Kirchenbesitzes, die Karl der Große noch im
Dezember 790 erteilte, hatte Bischof Arn jenes Ziel
erreicht, dem die Anlage des ältesten Güterverzeichnisses
dienen sollte.
Anläßlich der Erhebung Salzburgs zum Erzbistum im
Jahre 798 ließ Erzbischof Arn ein zweites Güterverzeichnis
anlegen, das nicht nur die einst bedrohten
Schenkungsgüter der Agilolfinger und ihrer Gefolgsleute,
sondern alle Besitzungen der Salzburger Kirche, woher
immer sie auch stammten, erfassen sollte. Diese „Kurzen
Aufzeichnungen" (Breves Notitiae) sind zwar ein
Jahrzehnt jünger als die Notitia Arnonis, behandeln aber
ebenso wie das ältere Güterverzeichnis die Entstehung
des gesamten Kirchenbesitzes seit den Anfängen unter
dem hl. Rupert (696). Da sie die Existenz des Ortes
Vigaun schon unter der Regierung des Herzogs Odilo
(736/37-748) und damit ein halbes Jahrhundert vor der
Niederschrift der Notitia Arnonis bezeugen, gilt es, zuerst
auf diese Nennung einzugehen. 22
Das Kernstück der Breves Notitiae bildet der Bericht über
den Streit um die Maximilianszelle im Ort Pongau, ein
Kloster im heutigen Bischofshofen, dem Aufzeichnungen
zugrundeliegen,
55
Die erste Nennung von Vigaun in den
„Breves Notitiae" zwischen 741 und 748:
Der edle Santulus übergibt seine
Besitzungen in Vigaun an die
Maximilianszene. Der Name „Santulus"
kommt in der 6. Zeile dieses Ausschnittes
vor, „figun" in der 8. Zeile.
die unter Bischof Virgil (746/47-784) angefertigt wurden
(Libellus Virgilii). 23 Darin wird zunächst die Gründung des
Klosters in den Jahren 711/12 genauer beschrieben.
Zwei Brüder aus einer in Oberalm ansässigen
Adelsfamilie (genealogia de Albina), die in engen
Kontakten zum Herzogshaus stand, waren beim Jagen
und Goldwaschen in das dichte Waldgebiet des Pongaus
vorgedrungen. Dort stießen sie in einigen aufeinanderfolgenden
Nächten auf brennende Kerzen und nahmen
einen süßen Geruch wahr. Offenbar hatte in dieser
abgeschiedenen Gegend ein Kult, der von der
provinzialrömischen Bevölkerung zu Ehren des hl.
Maximilian gepflogen wurde, die stürmischen Jahrhunderte
der Völkerwanderung überdauert. 24
Der hl. Rupert, den die Brüder von ihrer Entdeckung
benachrichtigten, ließ dort mit Zustimmung des
Baiernherzogs Theodo ein kleines Kloster erbauen, das
als erster Stützpunkt für die Missionierung jener Slawen
gedacht war, die in der Umgebung siedelten. Neben
Rupert und dem Herzog übergaben auch die beiden
Brüder reichen Besitz, der nicht im Pongau, sondern in
Oberalm lag, an die Maximilianszelle. Daraus ergab sich
ein besonderes Naheverhältnis des jungen Klosters zur
romanischen Adelssippe von Oberalm, die als Mitgründer
Ansprüche auf die Ausstattungsgüter stellte.
Um 720 fiel jedoch die Maximilianszelle einem Vorstoß
benachbarter Slawen, die „grausame Heiden"
(crudelissimi pagani) waren, zum Opfer. Herzog Odilo
(736-748), der selbst aus Schwaben stammte und die
Vorgeschichte nicht kannte, verlieh die Ausstattungsgüter
in Oberalm samt der zerstörten Maximilianszelle seinem
Kaplan Ursus. Dieser war ein Mitglied der Adelssippe aus
Oberalm und ein enger Vertrauter des Herzogs, den er
740/41 ins fränkische Exil begleitet hatte. Der Ire Virgil
jedoch, der wohl nach dem Willen des Frankenkönigs
Pippin 746/47 zum Leiter der Salzburger Kirche bestellt
wurde, nahm sofort den Kampf um das Kloster und seine
Ausstattungsgüter auf. Daraus entstand ein heftiger
Konflikt mit dem Herzog und der von ihm begünstigten
romanischen Adelsfamilie in Oberalm, der bis zum Tode
Odilos 748 nicht beigelegt wurde. 25
Die Initiative des Kaplans Ursus und seiner Verwandten
hatte jedoch dazu geführt, daß die zerstörte
Maximilianszelle wieder aufgebaut wurde. Herzog Odilo
selbst und zahlreiche Adelige, besonders die Romanen
aus Oberalm, übergaben dem Kloster reichen
Grundbesitz. Die Breves Notitiae berichten in einem
eigenen Abschnitt: „Das sind die Güter, die adelige
56
Männer zur Zeit des Herzogs Odilo an die
Maximilianszelle übergeben haben". Gegen Ende der
relativ langen Liste heißt es dann: „Santulus, ein adeliger
Mann, übergab eben-dort, was er an Eigenbesitz in Wals
und zu Vigaun hatte, an Gott und den hl. Maximilian"
(Santulus virnobilisdedit ibidem quidquid proprietatis
habuit in Vico Romcmisco et ad Figün deo et sancto
Maximiliano). 26 Da die Wiederrichtung der Maximilianszelle
erst nach der Rück-kehr Odilos aus dem fränkischen
Exil erfolgte, ist die erste Nennung von Vigaun in die
Jahre 741-748 zu setzen. Wahrscheinlich läßt sich dieser
Zeitraum sogar auf 743-748 eingrenzen.
Gerne wüßten wir, wer jener Edle namens Santulus war,
der als erster Grundherr in Vigaun erscheint. Da er
offenbar nicht zu den Spitzen des bairischen Adels zählte,
liegen über ihn keine anderen Nachrichten vor. Einige
Beobachtungen vermögen jedoch weiterzuhelfen.
Santulus ist ein eher seltener, typisch romanischer Name.
Da zwar Romanen relativ früh begannen, bairische oder
biblische Namen zu führen, die Baiern aber als neue
Herren romanische Namen durchwegs ablehnten, war
Santulus selbst sicher ein Romane. Wals, wo er Besitz
hatte, war geradezu ein Zentrum adeliger Besitzungen,
vorwiegend von Romanen. Unter anderem waren hier
auch die Brüder Boso und Johannes, Gründer der
Klöster Gars am Inn und Zell am See (Bisontio),
begütert. 27 Außerdem berichten die Breves Notitiae noch
von einer zweiten, späteren Schenkung in Vigaun:
„Angelus, ein Priester und adeliger Mann, übergab von
seinem Eigenbesitz im Ort genannt Vigaun (in loco dicto
Figün) an denselben Bischofssitz (Salzburg). 28 Wieder ist
es, wie der Name beweist, ein adeliger Romane, diesmal
ein Priester, der Besitz in Vigaun an Salzburg schenkt.
Bei aller gebotenen Vorsicht wird man daraus schließen
können, daß jene romanischen Adeligen, die in Vigaun
begütert waren, besonders der erstgenannte Grundherr
Santulus, der an die „Familienstiftung" Maximilianszelle
schenkte, zur romanischen Adelssippe von Oberalm oder
zumindest zu deren Umkreis zählten.
Im ältesten Salzburger Güterverzeichnis, der Notitia
Arnonis, wird Vigaun in der Liste der insgesamt 67
bischöflichen Eigenkirchen (ecclesiae parrochiales) an
achter Stelle genannt. Es heißt dort: „Zu Vigaun nur eine
Kirche" (Ad Fuginas ecclesia tantum). 29 Diese
Formulierung nimmt darauf Bezug, daß die Kirche von
Vigaun offenbar über keine entsprechende Ausstattung
mit Grundbesitz verfügte. Für alle anderen Kirchen wird
sonst das Ausstattungsgut (territorium) vermerkt oder die
In den Breves Notitiae ist von
Vigaun noch bei einer weiteren
Schenkung die Rede: Ein Priester
und adeliger Mann namens
Angelus schenkt seinen Besitz „in
loco dicto figun" an den
Bischofssitz. Ang(e)l(u)s in der 6.,
figun in der 7. Zeile des Ausschnittes
aus den Breves Notitiae.
Auf der nächsten Seite ein Ausschnitt
aus dem ältesten Salzburger
Güterverzeichnis, der Notitia
Arnonis, das um 788-790 angelegt
wurde: „Ad fuginas eccl(esia)
tantu(m)" („Zu Vigaun nur eine
Kirche") ist der erste Beleg für eine
Kirche in Vigaun. Im Ausschnitt ist
er in der Mittelspalte in der
sechsten Zeile von oben zu finden.
57
I Zwischen Schlenken und Salzach erstreckt sich das Gebiet uon Vigaun, nach Oberalm die flächenmäßig
zweitkleinste Gemeinde des Tennengaus. Im Blick vom Winterstall auf der gegenüberliegenden Seite der Salzach.
Der Mäander der Feuchtwiese beim Hötlbachgut am Riedl und die Taugl vor dem Austritt in den Tauglgries; zwei
Beispiele für die Vielfalt der Natur in unserer Gemeinde.
58
II Dos „Blasse Knabenkraut" ist In ganz Mitteleuropa
selten und gefährdet, im Niglkar am Schlenken ist einer
seiner wenigen Standorte (links oben). Rechts oben der
Mehlbeerbaum beim Wurzerbauern am Rengerberg, ein
Rosengewächs.
Im Bild auf der Seite 111 die Pfarrkirche vom Dorfplatz
aus.
Links unten die Römerbrücke (siehe Seite 70-73), rechts
unten zwei Kupfergußkuchen aus dem Depotfund von Vigaun
- ein Hinweis auf den bronzezeitlichen
Kupferhandel entlang der Salzach (Seite 53-54).
59
60
IV Das Tympanon der Pfarrkirche mit der Jahreszahl 1488 und dem Steinmetzzeichen, Der hl. Dionysius wird hier
mit nur einem Kopf dargestellt. (Volksmund: „Weil sie für den Kopf keinen Platz mehr hatten, haben sie ihn ihm in
die Hand gegeben.")
Auf den Bildern unten zwei der insgesamt sieben geheimnisvollen Köpfe, die der aufmerksame Besucher in der
Pfarrkirche entdecken kann (siehe Seite 116}.
61
62
genaue Größe des Grundbesitzes von ein bis sechs Hufen
(mansus) angegeben. Nur in St. Georgen bei Salzburg, im
bayerischen Lauterbach und in Vigaun fehlt ein
entsprechender Hinweis. Sicher wäre es verfehlt, daraus
voreilige Schlüsse zu ziehen, auch wenn es auffällt, daß in
Vigaun, Grödig und Anif drei Kirchen des 8. Jahrhunderts
auf relativ engem Raum beisammen liegen. Dabei
hat zweifellos die Kontinuität des spätantiken Christentums
bei den Romanen, die eigene Kirchen in Puch und
Oberalm errichteten 30 , eine wichtige Rolle gespielt.
Zu Mißverständnissen gab und gibt bis heute die
Bezeichnung „ecclesiae parrochiates", mit der die
Kirchenliste der Notitia Amonis überschrieben ist, Anlaß.
Seit dem 12. Jahrhundert wurden anstelle der älteren
Begriffe plebs und piebanus (plebesanus) für die Pfarre
und den Pfarrer die Bezeichnungen parochia und
parochianus üblich. Darauf gestützt wurden die 67
„ecclesiae parochiales" der Breves Notitiae immer wieder
als Pfarren gedeutet und auch von „Urpfarren"
gesprochen. Im 8. Jahrhundert bezeichnete jedoch das
Wort parochia nicht die Pfarre, die es damals noch gar
nicht gab. sondern das Bistum. Aus der Lebensbeschreibung
des hl. Bonifatius erfahren wir, daß er 739
das Herzogtum Baiem in vier parochias, nämlich die
Bistümer Salzburg, Passau, Freising und Regensburg
einteilte. Dementsprechend bezeichnet der Begriff
ecclesiae parochiales jene Kirchen, die zur Ausstattung
(Mensa] des Bistums gehörten und damit direkt dem
Bischof unterstanden. Vigaun war damit eine der 67
bischöflichen Eigenkirchen, die in der Notitia Arnonis
ausgewiesen sind, während die zahlreichen Eigen-kirchen
des Herzogs und des Adels, wie sie z, B. für Kuchl und
Puch anzunehmen sind, natürlich nicht aufscheinen, 31
Zur Errichtung eines einheitlichen Pfarrnetzes, dessen
besondere Kennzeichen der Pfarrsprengel und der
Pfarrzehent waren, ist es erst seit der Jahrtausendwende
unter dem Einfluß der Kirchenreform gekommen.
Gerade das Beispiel Vigaun zeigt, daß zwischen den
bischöflichen Eigenkirchen des 8. Jahrhunderts, die in
der Notitia Amonis genannt werden, und den späteren
Pfarrkirchen überhaupt kein unmittelbarer Zusammenhang
bestand. Zur Mutterpfarre Smatrix ecclesia) - die
Bezeichnung „Urpfarre". die in keiner Quelle vorkommt,
ist gelehrter Unsinn - wurde der zentrale Ort Kuchl
bestimmt, der in der Notitia Arnonis gar nicht aufscheint,
da die Kirche damals Eigentum des Herzogs war. 32 Die
Notitia-Kirche von Vigaun und ihre Nachfolgebauten
waren hingegen nur eine unbedeutende Tochterkirche
der Mutterpfarre Kuchl. Es sollten viele Jahrhunderte
vergehen, bis der uralte Kirchenort Vigaun, das
„Großdorf" des 8. Jahrhunderts, wenigstens den Rang
eines Vikariats erhielt und schließlich 1858 zur
selbständigen Pfarre wurde.
ANMERKUNGEN
1 Salzburger Urkundenbuch (= SUB) Bd. I, ed. Willibald
Hauthaler (Salzburg 1910), S. 11 ZI. 14.
2 SUB II, A 11 ZI. 8 f. Die Edition der Breves Notitiae im
Anhang zum II. Band des Salzburger Urkundenbuchs
(Salzburg 1916) ist der älteren Edition in SUB I. S. 17-52,
vorzuziehen.
3 Zu den Kelten vgl. allgemein Ludwig Pauli (Red.), Die
Kelten Mitteleuropa. Kultur-Kunst-Wirtschaft, Katalog der
1. Salzburgs Landesausstellung (Salzburg 1980); Ernst
Penninger, Die Vorgeschichte, in: Geschichte Salzburgs-
Stadt und Land Bd. I, hg. von Heinz Dopsch (Salzburg 2.
Aufl.1983),S.51-74.
4 Norbert Heger, Salzburg in römischer Zeit. Jahresschrift
des Salzburger Museums C. A. 19 (1973); Derselbe, Die
Römerzeit, in Geschichte Salzburgs I (wie Anm. 3), S. 75-
91.
5 Julius Caesar, De bello Gallico VI, 24; Vgl. dazu Ernst
Schwarz, Baiern und Walchen, in: Zeitschrift für
bayerische Landesgeschichte 33 (1970). S. 915 ff.
6 Eugippius, Das Leben des hl. Severin. Lateinisch und
Deutsch von Rudolf Noll, Schriften und Quellen der Alten
Welt 11 (Berlin-Ost 1963, 2. Aufl. Passau 1981). Zur
Person Severins vgl. Friedrich Lotter, Severinus von
Noricum. Legende und historische Wirklichkeit,
Monographien zur Geschichte des Mittelalters 12
(Stuttgart 1976); Rudolf Noll, Die Vita sancti Severini im
Lichte der neueren Forschung. Anzeiger der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften 112
(1975), S. 61-75.
7 Heger, Salzburg in römischer Zeit (wie Anm. 4). S. 157
ff.
8 Schwarz. Baiern und Walchen (wie Anm. 5), S. 898 ff.;
Friedrich Prinz, Salzburg und die Frage der Kontinuität
zwischen Antike und Mittelalter, in: Mitteilungen der
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (= MGSL) 115
(1975), S. 19ff.; Dieter Messner (Hg.), Das Romanische in
den Ostalpen, Sitzungsberichte der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften 442 (1984). Franz
Hörburger, Salzburger Ortsnamenbuch, bearb. von Ingo
Reiffenstein und Leopold Ziller, MGSL Erg.Bd. 9 (1982).
S. 33ff.; Ingo Reiffenstein. Baiern und Romanen im
Salzburggau (im Druck für die Schriftenreihe der Arge-
Alp).
9 Hermann Dannheimer/Heinz Dopsch (Hg.). Die
Bajuwaren. Ausstellungskatalog Rosenheim-Mattsee
(München/Salzburg 1988): Zu den schriftlichen Quellen
Kurt Reindel, Die Bajuwaren. Quellen, Hypothesen.
Tatsachen, in: Deutsches Archiv zur Erforschung des
Mittelalters 37 (1981), S. 451-473; Derselbe,
Grundlegung, in: Handbuch der bayerischen
Geschichte, hg. von Max Spindler, Bd.I [2. Aufl.
München 1981), S. 99 ff.
10 Heinz Dopsch, Zum Anteil der Romanen und ihrer Kultur
an der Stammesbildung der Bajuwaren, in: Die Bajuwaren
(wie Anm, 9), S. 47-54; Herwig Wolfram, Die Geburt
Mitteleuropas. Geschichte Österreichs vor seiner
Entstehung (Wien 1987), S. 335 ff.
11 Hörburger. Ortsnamenbuch (wie Anm. 8). S. 63-84; Vgl.
dazu die Karte „Besiedlung im Spiegel der Ortsnamen'' bei
Fritz Moosleitner, Die Merowingerzeit, in: Geschichte
Salzburgs l (wie Anm. 3), S.110/111.
63
64
12 Breves Notitiae, SUB l A 3, ZI. 10f.: ...usque fagum
stantem in medio campo in australi parte ipsorum,
quod wlgo dicitur haganpuocha...
13 Franz Hörburger, Die romanischen und vorrömischen
Ortsnamen des Landes Salzburg, in: MGSL 107 (1967).
S. 1-48; Derselbe, Salzburger Ortsnamenbuch (wie Anm.
8). S. 33 ff.; Reiffenstein, Baiern und Romanen (wie Anm.
8}.
14 Zum Ortsnamen Wals vgl. Hörburger. Salzburger
Ortsnamenbuch (wie Anm. 8), S. 40 f. Zuletzt hat Peter
Sack, Die Berchtesgadener Namen im Licht neuer
Erkenntnisse zur Besiedelung des Alpenraumes, in:
Berchtesgadener Schriftenreihe Nr. 2 (München 1980),
den völlig mißglückten Versuch unternommen. den
Walserberg und auch Wals auf eine angebliche
Einwanderung von Walsern aus dem Schweizer Kanton
Wallis zurückzuführen.
15 Schwarz, Baiern und Walchen (wie Anm. 5), S. 878f.;
Hörburger, Salzburger Ortsnamenbuch (wie Anm 8). S.
35 f. Beide Autoren weisen jedoch auf den Sonderfall
Vigáun hin, wo ein endbetonter Ortsname schon im
8. Jahrhundert (vor 748) ins Althochdeutsche
übernommen wurde.
16 Schwarz, Baiern und Walchen (wie Anm. 5}. S. 886 und
Karte; Reiffenstein, Baiern und Romanen (wie Anm. 8),
mit Karte: Dopsch, Romanen (wie Anm. 10), S. 48 ff. (mit
Karten).
17 Schwarz, Baiern und Walchen (wie Anm. 5). S. 878, 899,
904, 911; Hörburger, Ortsnamenbuch (wie Anm. 8),
S. 34. 44; Reiffenstein, Baiern und Romanen (wie Anm.
8).
18 Peter Classen, Bayern und die politischen Mächte im
Zeitalter Karls des Großen und Tassilos III., in: Die
Anfänge des Klosters Kremsmünster, red. v. Siegfried
Haider, Mitteilungen des Oberösterreichischen
Landesarchivs, Erg.Bd. 2 (Linz 1978), S. 169-187;
Herwig Wolfram, Tassilo III. und Karl der Große - Das
Ende der Agilolfinger. in: Bajuwaren-Katalog (wie Anm.
9}, S. 160 ff.
19 Lothar Kolmer. Zur Kommendation und Absetzung
Tassilos III., in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
43 (1980), S. 291-327: Walter Laske. Die
Mönchung Herzog Tassilos III. und das Schicksal seiner
Angehörigen, in: Die Anfänge des Klosters
Kremsmünster (wie Anm. 18). S. 189-197.
20 Herwig Wolfram, Die Gründungsurkunde Kremsmünsters,
in. Die Anfänge des Klosters Kremsmünster (wie Anm.
18), S. 51-82, bes. S. 81.
21 SUB I, S. 4, dazu die Abbildung S. 2 und die
Vorbemerkung von Willibald Hauthaler S. 3; Zur Notitia
Arnonis vgl. Herwig Wolfram, Die Notitia Arnonis und
ähnliche Formen der Rechtssicherung im
nachagilolfingischen Bayern, in: Vorträge und
Forschungen 23 (1977), S. 115-130; Fritz Losek, Notitia
Arnonis und Breves Notitiae. Die Salzburger
Güterverzeichnisse aus der Zeit um 800. Sprachlichhistorische
Einleitung, Text und Übersetzung, in: MGSL
130 (1990), S. 5-191.
22 Zu den Breves Notitiae vgl. Alphons Lhotsky,
Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs,
Mitteilungen des Instituts für österreichische
Geschichtsforschung Erg.Bd. 19 (1963). S. 152 f;
Losek, Notitia Arnonis (wie Anm. 21).
23 Herwig Wolfram, Libellus Virgilii. Ein quellenkritisches
Problem der ältesten Salzburger Güterverzeichnisse, in:
Vorträge und Forschungen 20 (Sigmaringen 1977), S.
177-214.
24 Eine Kontinuität des Kults vermutete bereits Friedrich
Prinz, Frühes Mönchtum im Frankenreich (München
1965), S. 403 f. Mittlerweile wurde durch die Ergebnisse
der Ausgrabungen von Andreas Lippert im Bereich des
Pestfriedhofs in Bischofshofen auch eine beschränkte
Kontinuität der Besiedlung in diesem Bereich
wahrscheinlich gemacht.
25 Zur Gründung und zur Frühgeschichte der Maximilianszelle
vgl. SUB I, S. 15 f. und SUB II. A4 f. und A 8 ff.;
Christine Janotta, Die Entwicklung von Kirche und
Siedlung in Bischofshofen. in: MGSL 117 (1977), S. 73-
88; Heinz Dopsch, Bischofshofen im Mittelalter und in der
frühen Neuzeit, in: Bischofshofen-5000 Jahre Geschichte
und Kultur, red v. Roswitha Moosleitner (Bischofshofen
1984), S. 57-101, bes. S. 61 ff.
26 SUB II A 11, ZI. 8 f.
27 SUB I, S. 7 f.
28 SUB II A 14, ZI. 16 f.
29 SUB I, S. 11 ZI. 13.
30 Dazu Wolfram, Libellus Virgilii (wie Anm. 23) und
Dopsch, Bischofshofen (wie Anm. 25).
31 Zu den bischöflichen Eigenkirchen vgl. Romuald
Bauerreiß, Altbayerische „ecclesiae parrochiales" der
Karolingerzeit und der „Phapho“, in: Festschrift Michael
Schmaus (München 1957). S. 899-908; Heinz Dopsch,
Von der bayerischen Besiedlung zur Landesherrschaft der
Salzburger Erzbischöfe, in: Heimatbuch des Landkreises
Traunstein. hg. von Christian Soika (Traunstein 1990),
S. 59-98, bes. S. 70 f.; Eine Übersichtskarte über die 67
bischöflichen Eigenkirchen bei Heinz Dopsch, Die Zeit der
Karolinger und Ottonen. in: Geschichte Salzburgs I (wie
Anm. 3). S. 170/171.
32 Zum Problem der Entstehung eines Pfarrnetzes vgl. Karl
Amon, Eigenkirche und Salzburger Mission, in: Siedlung,
Macht und Wirtschaft. Festschrift Fritz Posch (Graz 1981),
S. 319-333; Derselbe, Vom Archipresbyterat zur
„Urpfarre". Das Landesarchipresbyterat als Ursprung der
Pfarre in der alten Diözese Salzburg, in: Forschungen zur
Landes- und Kirchengeschichte. Festschrift Helmut J.
Mezler-Andelberg (Graz 1988). S. 21-36; Dopsch,
bayerische Besiedlung (wie Anm. 31); Derselbe, Grödig im
Mittelalter und der frühen Neuzeit, in: Grödig. Aus der
Geschichte eines alten Siedlungsraumes am Untersberg
(Grödig 1990), S. 45 ff.
65
VIGAUN IN MITTELALTER UND NEUZEIT
von Alfred Stefan Weiß
„In ältesten Zeiten bedeutungsvoller..."?
Die Kirchensiedlung Vigaun mit ihrer ursprünglich rein
bäuerlichen Bevölkerung, etwas abseits von der Salzach,
von Bahn und Durchzugsverkehr gelegen, ist im Verlaufe
ihrer Geschichte durch den sich auch in zwei Sakralbauten
ausdrückenden bedeutenden Einfluß der Kirche
und durch die Grundherrschaft des Benediktiner-
Frauenkonventes Nonnberg entscheidend geprägt
worden. Diese Annahme findet sich im Gemeindewappen
von Vigaun bestätigt, wo neben dem hl.
Dionysius als Kirchenpatron des Dorfes zusätzlich die
drei dem Wappen des Stiftes Nonnberg entlehnten
goldenen Kugeln bildlich dargestellt werden.
Die angebliche „Römerstadt" im Tauglwald
„Es war im Attergaw ein Statt Cucullae genandt / (zwar
dise Statt die Alten Saltzburgischen Chronicken nicht ins
Attergaw /sonder drey Meil oberhalb Saltzburg/auch alte
Schrifften bey S. Peter zwischen dem Gaißberg vnd dem
Lueg / allem Ansehen nach dermalen der Lerch - vnd
Aichwald Faistelau / wie es die zerfallene Stainhauffen
und Gassen allda / auch nechst daran gelegene Marckt
Kuchl guten Glauben geben.)" 3
Wenn die politische Gemeinde Vigaun mit ihren
Ortschaften Rengerberg, Riedl, St. Margarethen und
Vigaun mit einer Gesamtfläche von 1.755 ha ihre
Bedeutung erst im 20. Jahrhundert nicht zuletzt durch
die Errichtung des Kurzentrums vermehren und ihre
Einwohnerzahl verdoppeln konnte - so zählte Vigaun
beispielsweise 1910 lediglich 802 Einwohner, heute
hingegen bevölkern mehr als doppelt so viele Menschen
diese Tennengauer Gemeinde 1 -, so muß dennoch auch
die für das 19. Jahrhundert getroffene Aussage in einem
Feuilleton der Salzburger Zeitung, daß „Figaun (...) gewiß
in den ältesten Zeiten bedeutungsvoller als im Mittelalter
und in der Gegenwart (war) " 2 als pauschalierend und bei
genauerer Untersuchung sogar als unrichtig
zurückgewiesen werden.
Selbstverständlich konnte Vigaun nicht die Bedeutung
eines Marktes wie Kuchl oder Golling erlangen oder sich
gar mit der Stadt Hallein messen, deren räumliche Nähe,
wie die Betrachtung zeigen wird, für das ländliche Dorf
nicht immer von Vorteil war. Diese Tatsache zu
berücksichtigen, ist eine der Aufgaben des Historikers.
Unter Beachtung dieser Überlegung sollen jene Bereiche
der Ortsgeschichte, die - berechtigter- oder unberechtigterweise
- mit der Römer- bzw. Völkerwanderungszeit
in Zusammenhang gebracht werden, an
den Anfang gestellt und sachthematisch behandelt
werden. Konkret sollen die „Römerstadt" im „Faistelauer
Wald", das „Bruderloch" und die „Römerbrücke"
Beachtung finden. Daran anschließend werden die
wichtigsten Aspekte der Kirchen-, Sozial- und Ortsgeschichte
chronologisch eingehender dargestellt. Als
Abschluß ist noch ein Blick auf die stiefmütterliche
Behandlung des Dorfes in der sogenannten Reiseliteratur
vorgesehen.
In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die
Frage nach der Vergangenheit des Tauglwaldes einmal
mehr aktuell: Oberschulrat Josef Neureiter fand 1983 im
Tauglwald ein Fragment einer Säule aus Adneter Marmor
(heute im Adneter Marmormuseum). Das Material ist
Adneter „blinder Scheck".
66
Wie aus dem Zitat hervorgeht, nahm schon der
Salzburger Beamte und Chronist Franz Dückher nach
Mitte des 17. Jahrhunderts an, daß die „Statt Cucullae"
im Faistelauer Wald zu finden sei, der Beamte und
Schriftsteller Benedikt Pillwein hingegen sprach von im
Wald gelegenen Gräber- oder Heidenhügeln. 4 Spätestens
heute wissen wir, daß sich die Phantasie unserer
Vorgänger vor allem an der erstaunlichen Bodenformation
des Tauglwaldes, die bereits im vorigen Jahrhundert
als Trümmerfeld eines Bergsturzes von der
Raspenhöhe identifiziert wurde, entzündete.
Unterstützt durch die Sagenbildung konnte sich immerhin
über mehrere Jahrhunderte die Annahme halten, daß im
Tauglwald die Reste einer antiken römischen Stadt im
Boden der Erde schlummern. Wie entwickelte sich nun
diese nur durch phantastisch anmutende Konstruktionen
aufrechtzuerhaltende Ansicht?
Zunächst kann angenommen werden, daß die Gegend
um Vigaun bereits lange vor ihrem ersten Auftauchen in
den Quellen besiedelt worden ist, worauf sowohl die
Interpretation des Ortsnamens als auch die Lage der
alten Römerstraße schließen lassen. Diese Straße führte
aus Richtung Kuchl kommend durch den Tauglwald und
das Bachbett der Taugl, das häufig trocken lag und zur
Sicherung und Erleichterung des ungefährlichen
Passierens gewissermaßen „gepflastert" gewesen sein
könnte, nach dem Dorf Vigaun. Die Übergänge
befanden sich bei der später so bezeichneten „Tauglmauth",
wo noch im 18. Jahrhundert Maut eingehoben
wurde und in deren unmittelbarer Nachbarschaft auch die
Richtstätte lag, sowie bei der Römerfurt in der Nähe der
heutigen Autobahn. Nach schweren Regengüssen und
während der Zeit der Schneeschmelze ist die Taugl
wahrscheinlich an der Stelle der heutigen „Römerbrücke",
wo möglicherweise schon in frühester Zeit eine
Brücke stand, passiert worden, um sodann über St.
Margarethen die Gegend von Hallein und das offene
Gelände zu erreichen. Der Rechtsanwalt und Heimatforscher
August Prinzinger äußerte sich dazu in folgender
Weise: „Die Birg-, Kuler- und Langgasse mit der
Teufelsbrücke hatten demnach offenbar die Bestimmung,
den Verkehr der Hauptstraße, worein die Langgasse bei
den letzten Häusern Vigauns wieder einmündete, für den
Fall eines Hochwassers der Taugl aufzunehmen, in
welchem Falle die Furthen bei Vigaun und Tauglmauth
nicht gangbar waren." 5
Nach Mitte des neunzehnten Jahrhunderts entbrannte
eine hitzige, nicht ohne Bosheiten geführte Diskussion
um die Lage von Cucullae zwischen dem Professor der
Geschichte in Metten, P. Rupert Mittermüller O.S.B.,
und dem weithin bekannten Staatsbeamten, Schriftsteller
und Historiker Joseph Ernst Ritter von Koch-Sternfeld. 6
Mittermüller berief sich auf die eigenartige
Waldformation, auf die alte Sage über die Existenz einer
Stadt im Faistelauer Wald sowie den Liedtext „Um die
Stadt Vigunium (= Vigaun) fließt ein großes Wasser
„rum" (= die Salzach und das Hochwasser der Taugl) und
die Spuren der ehemaligen römischen Militärstraße.
Einen Felssturz von der jenseitig gelegenen Raspenhöhe
schloß er als Ursache der eigentümlichen Bodengestaltung
des Forstes kategorisch aus. Das Fehlen entsprechender
Bauüberreste erklärte er dadurch, daß das
Salinenamt in Hallein sowie die Bauern der näheren
Umgebung die Ruinen als günstigen „Steinbruch" genützt
hätten. Mehrere Grabungen, unter anderem durch den
Altertumsforscher Pfleger Andreas Seethaler und Bergrat
Mathias Mielichhofer, hätten erstaunliche Funde ans
Tageslicht gebracht. Es war die Rede von einer
römischen Basilika, einer unterirdischen Grotte, Steinsärgen,
Urnen mit Tränenfläschchen u.s.w. Der einzig
mögliche Schluß, der nun aus den Hypothesen des
Geschichtsprofessors gezogen werden konnte, war
folgender: „Kurz, der Georgshügel (bei Kuchl) entbehrt
aller jener Vortheile und Eigenschaften, Spuren und
Ueberreste, die das einstige Dasein des römischen
Castells vermuthen lassen, und die wir von der Faistelau
rühmen können." 7
Der historisch interessierte Kunstmaler und Architekt
Georg Pezolt schlug in dieselbe Kerbe. Bereits 1850
veröffentlichte er in der Salzburger Zeitung einen Artikel,
wo er zur Rettung salzburgischer Altertümer aufrief und
in diesem Zusammenhang auch die Ruinen im Tauglwald
erwähnte. 8 Gemeinsam mit dem Vikar und späteren
Pfarrer von Vigaun, Ferdinand Ritter von Lama, trug er
zur Verbreitung der Idee einer versunkenen Stadt im
Faistelauer Wald bei. Ritter von Lama, der sehr an der
Erforschung der Geschichte seiner Seelsorgestation
Interesse nahm und mehrmals römische Münzfunde dem
Salzburger Museum Carolino Augusteum übergeben
hatte, war ähnlich wie Pezolt mit viel Eifer und vor allem
mit einem hohen Maß an Einbildungs- und Vorstellungskraft
bei der Sache. Ohne stichhaltige Argumente
vorweisen zu können, bediente sich auch Pfarrer Lama in
einer aus dem Jahr 1860 erhaltenen Handschrift
polemischer Seitenhiebe in Richtung seiner Gegner.
„Jeder Unbefangene muß in der Niederlage des gewaltig
ergrim(m)ten besiegten Herrn von Koch auf ein Neues
für die Ansicht des P. Rupert Mittermüller gewon(n)en
werden." 9 Die kommenden Jahrzehnte mit ihren neuen
Ergebnissen brachten diese Annahme aber endgültig zu
Fall!
Der hart angegriffene Ritter von Koch-Sternfeld bewies
in der Folgezeit, daß auch er trotz seines hohen Alters
seine Gegner noch immer mit wohlgezielten Worten
anzugreifen wußte.
67
Er sprach von „archäologischem Humbug" und von den
in der Faistelau „erträumten Herrlichkeiten" 10 ; die
Auffassung Mittermüllers und Pezolts konnte nach der
Veröffentlichung der Entgegnung dieses angesehenen
Lokalhistorikers kaum mehr ernsthaft vertreten werden,
da sich Koch-Sternfeld zusätzlich auf zahlreiche eigene
Vorarbeiten stützen konnte. Pezolt kam derart in
Mißkredit - vor allem durch das sture Festhalten an der
Entdeckung einer angeblich römischen Basilika -, sodaß
noch der Benediktiner P. Anselm Ebner zu Ende des 19.
Jahrhunderts in seiner handschriftlichen Kunsttopographie
des Dekanates Hallein von den Funden in der
Faistelau von Georg Pezolts Erdichtung und
„Mystification" 11 zu berichten wußte. Die be¬deutenden
Geldopfer, die Ritter von Lama und sein Hilfspriester P.
Ambros Prennsteiner für Grabungen nach Altertümern
gebracht hatten, wurden durch ihre Ergebnislosigkeit und
vor allem durch den bereits von Pezolt heiß ersehnten
Bahnbau 1873 von Innsbruck nach Salzburg (Giselabahn)
zunichte gemacht. Pezolt wollte noch „die beim Bau (...)
beschäftigten Ingenieurs aufmerksam machen, daß bei
Abgrabungen etwaige noch verborgene Schätze früherer
Zeiten mit besonderer liebevoller Vorsicht behandelt
werden.“ l2 Weder Koch-Sternfeld - er starb 1866 - noch
Pfarrer Lama (gestorben 1867) erlebten den Beginn der
Aushubarbeiten für die Streckenführung der Bahn durch
den Tauglwald.
Waren bereits die gesicherten Funde der früheren
Grabungen enttäuschend gewesen - es wurde lediglich
ein Gebäuderest sowie ein dazugehöriger Fensterstock im
Winkel zwischen Taugl und Salzach gefunden, in
welchem man die Spuren einer Mühle vermutete 13 -, so
brachte die Bahntrassierung weitere negative Ergebnisse
mit sich. Bei den Arbeiten wurden zahlreiche Hügel des
Waldes durchschnitten, doch konnten keine Spuren einer
früheren Siedlungstätigkeit nachgewiesen werden. Im
Gegenteil: Die Hypothese des Bergsturzes erhärtete sich
noch. Der Straßenbau in den dreißiger Jahren unseres
Jahrhunderts brachte wiederum neue eindrucksvolle
Aufschlüsse mit sich; im Interesse einer guten
Linienführung wurden die teils hohen Hügel abgetragen
bzw. ebenfalls durchschnitten. Der 1975 verstorbene
Salzburger Archäologe Martin Hell berichtete in der
Salzburger Chronik über den Fortgang der
Straßenanlegung. „Und hier zeigt sich ein überraschender
Anblick. (...) (E)s müssen da vorerst vier
haushohe Hügel auf eine Länge von etwa 300 Meter
durchgegraben werden, welche Arbeiten gerade in
vollem Gange sind. (...)Es sind diese nichts anderes als
gewaltige Anhäufungen von Schutt und Felstrümmern,
aus Mergelschiefer und Kalksandsteinen. (...)Die neuen
Beobachtungen können also jene aus dem Jahre 1873
nur bestätigen." 14
Will sich heute der interessierte Laie selbst ein Urteil über
die Existenz einer römischen Stadt im Faistelauer Wald
bilden, so wird es ihm ähnlich wie August Prinzinger vor
bereits mehr als einhundert Jahren ergehen: ,Ich
durchstreifte den Wald mehrmal nach kreuz und quer,
war aber nicht im Stande, irgend die Spur von
Gebäuden, Grotten oder Wällen zu entdecken. " 15
Zu der Thematik der „römischen Altertümer" gehörend,
sei auch noch kurz darauf verwiesen, daß im Brandwald
bei St. Margarethen im Jahr 1855 durch einen Sturm
mehrere Tannen gefällt wurden, wodurch Gebäudereste
zum Vorschein kamen. Da die Vorstellung einer
Römerstadt im Tauglwald immer präsent war, schwankte
die Deutung zunächst zwischen einem römischen
Landhaus und einer mittelalterlichen Burgruine.
Anläßlich der Grabungsarbeiten im Jahr 1934 konnte
endgültig geklärt werden, daß es sich bei der Ruine um
einen ehemaligen Vogelherd handelte, der um 1500
erbaut und gegen Beginn des 18. Jahrhunderts wieder
aufgegeben worden sein dürfte. Dieses Gebäude diente
zur Beförderung des Vogelfanges und soll dem Stift
Nonnberg gehört haben. Auch in diesem Fall erfüllte sich
die Hoffnung des begeisterten Lokalhistorikers Ritter von
Lama nach einer zumindest mittelalterlichen
Vergangenheit des Gebäudekomplexes in keinster
Weise. 16
Das Bruderloch und seine wechselvolle
Geschichte
In einer großen Höhle am Südwestabhang des aus
Konglomerat bestehenden Vigauner Riedls, oberhalb des
Halleiner Burgfrieds, befindet sich das sogenannte
Bruderloch. Noch vor wenigen Jahren war diese
christliche Andachtsstätte nur von Waldesstille umgeben
und lud zum Verweilen ein, heute wird bedauerlicherweise
der Besucher durch die Abgaswolken der motorisierten
Verkehrsteilnehmer und durch den ohrenbetäubenden
Lärm der nahe gelegenen Autobahn in
seiner Beschaulichkeit empfindlich gestört.
Am Fuße des Treppenaufgangs zum Bruderloch ließ der
Fremdenverkehrsverein Vigaun ein Hinweisschild
anbringen, das folgenden Text trägt: „Bruderloch.
Zweitälteste christliche Glaubensstätte des Landes. Um
477 flüchteten Christen aus Salzburg vor den
germanischen Herulern zum hl. Severin und feierten hier
Gottesdienste. Später bewohnten fromme Waldbrüder
die Höhle und noch heute trifft man sich hierzu
Maiandachten." Obwohl nicht die Verwendung der
68
Bruderhöhle als christliche Kultstätte in Frage gestellt
werden soll, so muß dennoch vom momentanen
Forschungsstand ausgehend die Flucht der christlichen
Gemeinde aus Salzburg vor den anstürmenden Herulern
in den Bereich der Legende bzw. Sage 17 verwiesen
werden. Um dies zu zeigen, muß etwas weiter ausgeholt
werden.
In der lokalgeschichtlichen Literatur wird der frühchristliche
Charakter der „Katakomben" im Mönchsberg
zu Salzburg vehement verteidigt und bereits seit langer
Zeit vertreten. Eine in der sogenannten Maximuskapelle
zu Anfang des 16. Jahrhunderts angebrachte Inschrift
besagt, daß im Jahr 477 der Ruthenenkönig Odoaker,
Gepiden, Goten, Ungarn und Heruler den seligen
Maximus sowie fünfzig seiner treuen Gefährten, die sich
in der besagten Höhle verborgen hielten, auf Grund ihres
Glaubens in den Tod stürzten. 18 Der hl. Severin, der
vorübergehend in Kuchl weilte, hätte seinen geistlichen
Bruder zweimal vor den heranstürmenden Feinden
gewarnt, doch dieser sei standhaft in Iuvavum (Salzburg)
geblieben. Die restlichen Glaubensgefährten seien nach
dem Martyrium des Maximus nach Kuchl zu ihrem neuen
Beschützer geflüchtet. Dieses verschobene
Geschichtsbild, wahrscheinlich ein Werk Salzburger
Humanisten, läßt sich auf Abschreibefehler aus der Vita
Severini zurückführen. Dort heißt es in Kapitel 24 der
deutschen Wiedergabe: „Später beorderte der Mann
Gottes auf Grund gewohnter göttlicher Erleuchtung zu
den Bewohnern einer Stadt namens loviaco (mehr als
zwanzig Meilen von Batavis (= Passau) entfernt) einen
Kirchensänger namens Moderatus mit dem Auftrag, alle
sollten unverzüglich ihren Wohnsitz verlassen; falls sie
seine Befehle mißachteten, würden sie bald umkommen."
Auch nach wiederholter Aufforderung verließen die
Bewohner der Siedlung, unter ihnen der Presbyter
Maximianus, ihren Wohnsitz nicht, sodaß es zu den
folgenden Ereignissen kommen konnte. „In dieser Nacht
machten die Heruler unerwartet einen Überfall,
verwüsteten die Stadt, führten die meisten in die
Gefangenschaft ab und hängten den erwähnten
Presbyter an den Galgen." 19 Eine Flucht zum hl. Severin
kann also sicherlich nicht stattgefunden haben, da ja
nicht luvavum (Salzburg), sondern loviaco nach den
Angaben in der Lebensbeschreibung des Heiligen durch
seinen Schüler Eugippius von den Herulern angegriffen
wurde. Ob Severin nun tatsächlich das „Bruderloch"
aufsuchte und bereits im fünften nachchristlichen
Jahrhundert ebendort Gottesdienste gefeiert wurden, läßt
sich hier nicht klären. Jedenfalls verfügen wir über keinen
zwingenden Quellenbeleg, der dies mit einiger Sicherheit
vermuten ließe. Da aber Kuchl nicht allzu weit entfernt
war, stellt es zumindest keine Unmöglichkeit dar, daß die
Höhle schon in frühester Zeit vielleicht auch für
christliche Zwecke genutzt wurde.
Diese geräumige und zur Kapelle ausgestaltete Taghöhle,
die mit frommen Bildern geschmückt bzw. verziert ist,
fand ihre erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1556; In
einer von Erzbischof Michael von Kuenburg ausgestellten
Urkunde, die die Grenzen zwischen dem Landgericht
Golling und dem Stadtgericht Hallein neu regelte, werden
unter anderem auch die „Bruderlöcher" als Grenzmarkierung
genannt. 20 Gesichert ist auch, daß die Höhle
einmal besiedelt war, wofür etliche im Felsen eingestemmte
Löcher, die als Halterung für eingezogene
Balken gedient haben dürften, und versinterte, schwarze
Verkrustungen einer ehemaligen Feuerstelle sowie sehr
alte Fundstücke Zeugnis ablegen. Ebenso fallen kleinere
Vertiefungen im Felsen ins Auge, die als Trittmöglichkeiten
zu einer höher gelegenen Nische, wo sich
eine vor Tieren geschützte Lagerstatt anlegen ließ,
gedeutet werden könnten. In späterer Zeit wurde das
Bruderloch angeblich von sieben Brüdern, die den
natürlichen, horizontalen Felsspalt vergrößert hätten,
bewohnt, wovon auch die Bezeichnung „Bruderloch"
stammen könnte. Endgültig läßt sich heute nicht mehr
klären, ob die Höhle hauptsächlich als durch die
vorgelagerte Bewaldung versteckte Zuflucht oder als
Waldbrüderbehausung Verwendung fand.
Tatsache hingegen ist, daß dieser Andachtsort im
September 1899 aus unbekannter Ursache völlig ausbrannte.
Mehrere Wohltäter bemühten sich, die Kapelle
wieder in den ehemaligen Zustand zu versetzen und noch
im selben Jahr konnte sie neu eingeweiht werden. 21 Im
Oktober 1940, also während der nationalsozialistischen
Herrschaft mit ihrer Blut- und Boden-Ideologie, wurden
schließlich die Höhlen „Bruderloch" und „Klause" zum
Naturdenkmal erklärt 22 , ohne jedoch die forstwirtschaftliche
Nutzung in der näheren Umgebung entscheidend
zu beeinträchtigen.
Obwohl das zweite Bruderloch, die Klausnerhöhle bei St.
Margarethen, keine lange geschichtliche Tradition
aufweisen kann, soll es an dieser Stelle behandelt
werden. Während des Zweiten Weltkrieges bot die Höhle
einigen Menschen Schutz vor Fliegerangriffen, da man
ihrem Eingang eine Ziegelmauer vorgesetzt hatte, um
den Luftdruck zu brechen. Die schwer zugängliche,
sieben Meter lange, wenige Meter breite und zwei Meter
hohe Höhle ist heute leer und unbewohnt. Im
vergangenen Jahrhundert hauste darin ein gewisser Karl
Geis(s)ler, ein ehemaliger Zimmermann und vermutlich
ein Verwandter eines hohen geistlichen Würdenträgers in
Salzburg, der gelegentlich vornehme Herrschaften in
seiner Höhle empfing. Die Versuche, diesen alten Mann
im Salzburger Altenheim unterzubringen, schlugen
mehrmals fehl, da der „Sonderling" immer wieder in
seine Klause zurückkehrte. Die allseits bekannte
69
Das Bruderloch (oben) wurde in den
letzten Jahren in einer beispielhaften
Initiative von Christen aus St.
Margarethen und Burgfried wiederhergestellt.
Immer wieder finden hier
Andachten statt - wenn auch die nahe
Tauernautobahn sehr stört.
Die Klausnerhöhle (rechts) befindet
sich in der Wand oberhalb des
nördlichen Ortsendes von St.
Margarethen.
70
Heimatforscherin Nora Watteck beschreibt mit
einfühlsamen Worten das Leben Geis(s)lers
folgendermaßen: „Da sich über diesen Menschen noch
eine lebende Überlieferung erhalten hat, kann man ihr
Dinge entnehmen, die man in Archivalien (oft) umsonst
sucht, nämlich das Bild des Alltags. Man hört, wie ein
vermögensloser Mensch, der nicht arbeitet und in keiner
Gemeinschaft mit einer Familie lebt, die ihn miternährt,
sein Leben fristet, indem er alle drei bis vier Tage
Speisereste einsammeln geht. (...)
Viele Buben der Umgebung suchten diesen
Felsenbewohner auf, um mit ihm zu „dischkerieren " (=
diskutieren, sprechen), meistens aber, um ihm einen
Streich zu spielen. So hatten sie ihm einmal seinen
Kaminabzug, der den Rauch von seiner Feuerstelle in der
Höhle ableitete, mit Papier verstopft, worauf sie vom
schimpfenden Einsiedler verjagt wurden. Nach solchen
Besuchen bei ihm mußten sich die Buben bei ihrer
Heimkehr vorerst ganz umziehen, da sie stets Flöhe mit
nach Hause brachten. Denn seine mit Laub gefüllte
Pritsche habe von Flöhen gewimmelt, so wie auch er
selbst. Er trug einen Bart. Gesicht wie Hände waren
durch das offene Feuer in seinem niederen Felsschlauch
stets schwärzlich geräuchert. (...) Im Winter verdingte er
sich öfters als Kleinkinderaufsicht, um durch einige
Stunden Aufenthalt in einer geheizten Stube sich etwas
aufzuwärmen. In seinen letzten Jahren soll er sich
während der kältesten Jahreszeit beim Hofwirt in St.
Margarethen aufgehalten haben.
Er starb allein und unbemerkt in seiner kalten Höhle. Erst
als er einige Zeit nicht zu sehen war, hielt man
Nachschau und fand ihn tot auf seiner Laublagerstätte
liegen. Mag Karl Geissler auch nicht im strengen Sinn als
Klausner gelten, weil er sich nicht an die vielen
vorgeschriebenen Betstunden hielt, durch sein
unbemerktes Sterben in der Felsenhöhle rückt er in ihre
Reihe. " 23
Vom dritten „Bruderloch" schließlich, das in der sogenannten"
Einauerwand" liegt, ist lediglich bekannt, daß es
einmal von einem Einsiedler, angeblich ein Flickschuster,
bewohnt gewesen sein soll.
Die Römer- oder Teufelsbrücke
über die Taugl
Einige wenige Kilometer südlich vom Dorf Vigaun findet
man die vom Verkehr nur wenig berührte Römerbrücke,
die rundbogenartig den in einer Felsenklamm eingeengten
Tauglbach grandios überspannt. Der sich noch
kurz vor der Brücke ergießende Wasserfall sowie die
bedrückende Enge der Klamm verleihen dem von
Menschenhand geschaffenen Übergang einen Hauch
von Romantik, aber auch von Gefährlichkeit.
Dieses Bauwerk ist auch Gegenstand der volkstümlichen
Sagenbildung, was bereits durch die ältere Bezeichnung
„Teufelsbrücke" angedeutet wird. 24 Daß dieser alte
Brückenbau sowohl vom historischen als auch
kunsthistorischen Standpunkt erhaltenswert erscheint,
beweist auch seine Aufnahme in das Dehio-Handbuch, in
welchem die beachtenswertesten Kunstdenkmäler Österreichs
verzeichnet und beschrieben werden. 25
Die Kenntnis vom Verlauf der Römerstraße im Gebiet
der Taugl verleitete im späten 19. Jahrhundert dazu, daß
man diese Brücke mit einem antiken Bauwerk in
Verbindung brachte. Die Bezeichnung „Römerbrücke"
wurde üblich. Ob aber die Straße nach dem Süden in
römischer Zeit exakt an dieser Stelle oder etwas weiter
westlich über die Taugl führte, mag dahingestellt bleiben;
ein brückenartiger Übergang dürfte aber auf jeden Fall
existiert haben.
Die heutige Bausubstanz ist nun mehr als 370 Jahre alt,
wurde 1613 errichtet und ist keineswegs eine „sicher
römische Arbeit", wie dies noch Sebastian Wimmer Ende
des vergangenen Jahrhunderts annahm. 26 Wie aus den
Hofkammerakten des Pfleggerichtes Golling hervorgeht,
dürfte bereits kurz nach Mitte des 15. Jahrhunderts eine -
wahrscheinlich - Steinkonstruktion die Taugl überbrückt
haben. Spätestens 1585 fiel diese Brücke dann dem
Hochwasser zum Opfer, wofür die Errichtung einer
Holzklause (= eine Wehr bzw. Schleuse zur Aufstauung
eines (Gebirgs)baches zum Holzflößen) mitverantwortlich
war.
Noch 1530 war die „Taukl" als Freibach bezeichnet
worden, d.h. es konnte Holz ohne Unterstützung durch
„Clauswasser" getriftet werden. 1578 wurde jedoch die
„Klausherstellung" in der Nähe der Tauglbrücke befohlen,
um nach Öffnung der Klausentore das Holz mit Hilfe der
durch die Schluchten und Klammen brausenden Wassermassen
schneller und mit geringerem Schaden triften zu
können. Die Triftzeit begann mit der Frühjahrsschneeschmelze
und dauerte normalerweise bis Ende Juli, im
Herbst von Mitte September bis zum Wintereintritt. Die
bedeutendsten und schönsten Waldungen des Taugleinzugsgebietes
waren landesfürstlich und der Saline
Hallein vorbehalten. Das Holz wurde in den Einwurfsorten
im Unterkasbachgraben, beim Hauslehen-, Bendl-,
Unterbrückl -und Lengfeldgut „angewässert", zusätzlich
beim Kolmannsbach, beim Hohen Steg und beim
Kneilbach. Ausgeländet wurde das Triftholz schließlich im
„Halleiner-Rechen", bei der Tauglmühle und unterhalb
derselben. Nach der Ausländung mußte sodann zuerst die
Triftgebühr hinterlegt werden, bevor das Holz abgeholt
werden konnte. 27
71
72
Die Zerstörung der Brücke läßt sich archivalisch durch
ein Bittschreiben der Gerichtsgemeinde Golling an den
damaligen Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau aus
dem Jahr 1597 beweisen. Die „ganze Gerichtsgemain
der Pfleg Golling" ersuchte um ein Hilfsgeld zur
Errichtung einer neuen Brücke. „(...) nachdem ob der
Stadt Haalein zu St. Dioni-sien (Vigaun) über das Wasser
der Tauggl so in regenwetter und güssen plötzlich
anläufft und unversehens groß würde, also das man vil
zeit im jähr weder mit fahrn noch reiten sicherlich nit wol
dadurch körnen kann, ob menschen-gedenkhen, an
einen bequemen ort eine guete wol und stark gesözte,
gewölbt star nern Pruggen in der landstrassgstandten,
doch ist solche, durch machung in dem graben einer
holzklausen (dl aber vor nit gewesen) in dem gewässer
und güssen zerrissen und sie weckhgetragen worden,
welche sonsten außer dessen, etwa in ewigkheit
beständig blieben wer (...). " 28
Damit verdient die „Taugglprügge", wie sie in den
Quellen genannt wird, erwiesenermaßen die Bezeichnung
„Römerbrücke" nur mehr in Hinblick auf ihre
Bauart. Bereits 1585 war an der Stelle der weggerissenen
Brücke eine Holzkonstruktion errichtet
worden, die jedoch nur wenige Jahre klaglos in Anspruch
genommen werden konnte. Der Erneuerungsbau aus
Lärchenholz von 1597, dessen Kosten - 120 Gulden -
durch Zolleinnahmen teilweise hereingebracht werden
sollten, befand sich sechzehn Jahre später wiederum in
einem derart desolaten Zustand, daß dieser nur unter
Lebensgefahr passiert werden konnte.
Auf Grund der Klagen des Pflegers in Golling erklärten
sich neunzehn Rotten des Gerichtsbezirkes bereit, die
nicht geringen Kosten für den Neubau einer Steinbrücke
zu übernehmen. Verständlicherweise scheute man den
hohen Aufwand, da Ende des 16. bzw. Anfang des 17.
Jahrhunderts die Passanten den Umweg über die
Teufelsbrücke nur dann auf sich nahmen, wenn sie der
Wasserstand der Taugl dazu zwang. In einer Art „Bauverhandlung"
an Ort und Stelle schlossen die Vertreter
der Rotten mit den Bauausführenden einen zwölf Punkte
umfassenden Vertrag (Geding). Einige Aspekte der
Vereinbarung seien hier exemplarisch angeführt:
„Fürnemblich und erstlichen solln Meister Andre
Maurermaister, Georg Reindl, Hanns Prunner, die
Pruggen über die Tauggl von Holzwerch gemacht und
alle erfaullt abwerfen, -zum andern solln si anstath
derselbig ein von Nagelstuckh gewölbte pruggen hinüber
richten und machen, -drittens solle die pruggen gegen
Golling werts, zur einfahr 18 schuech in die prallen (ca.
5,3 m), damit einer mit ainen vierroßigen Wagen die
reider, wol gehaben mag: in mitts der prugg, da dieselb
am engnstn ist, solle sie sambt den
prustmeyrln 14 schuech in die praitn (ca. 4,1 m) haben.
(...) - zum achten solln sy die eisenkheul zum verzwickhen
selbs hergeben, der obrigkait in augenschein bringen,
damit man sieht, wie viel man verpraucht hat, irem
anzaign nach miessen si der kheul 18 haben, ain p. 5 kr
(= Kreuzer). (...) - zum ailften solln die maister alle
paumaterialia von stain, sant, khalch und alles was man
dazue bedarf, in suma nichts ausgenommen, hergeben
und auf ire Kosten ausrichten. - zum zwölften. Da inen
den maistem inn werenderarbeit, viel oder wenig wurde
mislingen, soll es die gemain keineswegs entgellten.
Sowol solln si di pruggen immer jar und tag zu erpaun
schuldig sein, bey Verpfändung aller irer haab und
guetter und solln für hier-uor verstandtne arbeit, inen den
maistem durch die undtherthanen 190 fl. (= Gulden)
bezallt und richtig gemacht werden. " 29
Bei der „Römerbrücke", die vermutlich älteste Brücke im
Bundesland Salzburg, handelt es sich um ein echtes
Gewölbe, welches man über einer hölzernen Tragkonstruktion
aufrichtete. Nach dem Abriß der Tauglmühle
verlor auch die Teufelsbrücke etwas von ihrer
faszinierenden Anziehungskraft, die sie noch Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts auf den Wanderer Pater
Joanes Ev. Gries vom Konvent des Erzstiftes St. Peter
ausgeübt hatte, der die Taugl euphorisch als
smaragdgrüne Quelle im dunklen Schoß einer Marmorkluft
darzustellen wußte. 30
Zu Beginn unseres Jahrhunderts mußte sich auch der
Salzburger Landtag mit der Teufelsbrücke beschäftigen,
da die Gemeinde Vigaun eine Petition an denselben um
eine Subvention aus dem Landesfonds für Zwecke der
Umlegung der Gemeindestraße vom Klabachgut bis zur
Römerbrücke richtete. Die Sanierungsarbeiten konnten
Ende 1904 als abgeschlossen betrachtet werden und
verursachten - zusammen mit der Umlegung der
Gemeindestraße - eine Gesamtkostensumme von 6.100
Kronen. Da die Gemeinde Vigaun bedingt durch ihre
angespannte finanzielle Situation nicht in der Lage war,
diesen Geldbetrag aufzubringen, bewilligte die
Landesregierung eintausend, das k.k. Ministerium für
Kultus und Unterricht auf Anregung der k.k.
Zentralkommission für Kunst und historische Denkmale
in Wien weitere 3.000 Kronen. Zu dieser Zeit glaubte
man noch vielfach, daß der Brückenbau der Römerzeit
zuzuschreiben sei (z. B. in den Kreisen der
Landesregierung). 31 Ohne das altertümliche Aussehen
der Brücke zu beeinträchtigen, wurde aber auch den
Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen und
„durch das beiderseitige starke Brückengeländer die
Gefahr, daß Roß und Wagen einmal in die Taugl
hinabstürzen könnten, für immer beseitigt". 32
73
Anfangs des 20. Jahrhunderts wurde die Gemeindestraße vom Klabachgut zur Römerbrücke umgelegt und die
Stirnmauer erhöht. Im Bild das „Project" für diese Maßnahme.
Auf Seite 71 die Brücke vor dieser Maßnahme. Rechts die „Tauglmühle".
74
Ausgewählte Aspekte der Ortsentwicklung,
Kirchen- und Sozialgeschichte
Es wird den Leser vielleicht verwundern, daß der Autor
die Ortsentwicklung in einen sehr engen sachthematischen
Zusammenhang mit der Kirchengeschichte bringt.
Dazu sei erklärend erwähnt, daß im ländlichen Dorf
Vigaun die Entwicklung von der bereits archivalisch früh
faßbaren Kirche ihren Ausgang nahm. Das Leben spielte
sich unter Aufsicht der Kirche ab, und diese beeinflußte
die sozialen Strukturen und Beziehungs-gefüge der
Dorfbewohner. Zugleich darf auch nicht übersehen
werden, daß das Frauenkloster Nonnberg über einen
langen Zeitraum der größte und damit bedeutendste
Grundherr war. Wechselseitige Einflüsse lassen sich
feststellen, und wenn sich auch die Vigauner in keiner
Zeitepoche gegen die priesterliche Seelsorge auflehnten,
so gab es doch immer wieder ernsthafte Auseinandersetzungen,
die aber letztlich geregelt werden konnten. In
diesem Sinn war es auch gewissermaßen ein
respektvolles Kompliment, als der Vikar Joseph Anton
Waldmann in seinem „Seelsorgs-Berichte für das 1ste
Semester 1824/25" mit aufrichtiger Überzeugung
festhalten konnte, daß die Erwachsenen als auch die
Kinder fleißig den Gottesdienst besuchen und daß
Mißbräuche in religiöser Hinsicht in seinem Vikariat
nicht aufkommen. 33
Von den ersten Quellen bis zum Ausgang des
Mittelalters - die Grundherrschaft Nonnbergs
Nach der frühen Erwähnung des Ortes und seiner Kirche
in den Salzburger Güterverzeichnissen aus der Zeit um
800 fehlt für die folgenden Jahrhunderte ein weiterer
Quellenbeleg. Als Folge der Ungarneinfälle könnte im
10. Jahrhundert auch die Kirche und die Siedlung in
Vigaun in Mitleidenschaft gezogen bzw. zerstört worden
sein. Kurzzeitig galt die Gräfin Hemma von Gurk, die
zahlreiche Kirchen und Kapellen stiftete, als Wiederherstellerin
des Kirchenbaues (um 1040), doch konnte
diese Annahme nicht ernsthaft aufrechterhalten werden.
Kritisch meint dazu der Benediktiner P. Anselm Ebner:
„Die Abschrift einer Non(n)berger-Urkunde (...), daß die
selige Hem(m)a „ Campos Hadrianos" iuxta Fuginas" (=
die hadrianischen Felder nahe bei Vigaun) an Non(n)berg
schenkt, ist fingiert, da G. Pezolt diese Abschrift erst bei
P. Bernard von Viecht sah, als letzterer bereits 4 Jahre
im Grabe lag. Zu Non(n)berg, München, Viecht (...) weiß
man nichts von einer solchen Urkunde. " 34
Aus dem frühen zwölften Jahrhundert schließlich verfügen
wir über eine gesicherte Erwähnung zumindest des
Ortes Vigaun, von einem Sakralbau verkünden die
Quellen hingegen nichts.
Erzbischof Konrad I. verlieh 1117 zu Friesach auf Bitten
der Äbtissin des Benediktiner-Frauenstiftes Nonnberg,
Diemut HL, die Vogtei über dieses Kloster dem
Markgrafen Otakar IV. von der Steiermark, schenkte
dem Kloster einen Acker bei den Weingärten in Arnsdorf
in Niederösterreich und bestätigte eine Reihe in der
Urkunde aufgeführter Besitzungen, wozu auch Vigaun
mit seinen Rotten zählte („Figun cum viculis suis"). 35
Nachdem Konrad I. bereits seiner Schwester Diemut das
Besitztum bestätigt hatte, stellte er ihrer Nachfolgerin
Wirad 1144 erneut eine Urkunde aus, die die erwähnten
Schenkungen zum Gegenstand hatte („Vigune cum
viculis suis"). 36 Trotz einer großen Anzahl von
Besitzungen dürften die Einkünfte Nonnbergs aber nicht
übermäßig groß gewesen sein. Da die Bischöfe und
Erzbischöfe von Salzburg bis ins 12. Jahrhundert
zugleich auch die Eigenklosterherren von Nonnberg
waren, scheinen die klösterlichen Besitzrechte auch in
dem unter Bischof Arn angelegten Güterverzeichnis der
Salzburger Kirche, in der sogenannten Notitia Arnonis,
auf. Im 14. Jahrhundert, als das Nonnberger Urbar
abgefaßt wurde, befanden sich annähernd alle diese
Besitzungen noch unter Aufsicht des Klosters. 37
Das Frauenkloster auf dem Nonnberg war also seit f
rühester Zeit Grundherr in und um Vigaun. Zum
Zeitpunkt der Bauernbefreiung 1848 und Ablöse der
Grundherrschaft scheinen daneben zusätzlich noch das
Stift St. Peter, das Bürgerspital St. Blasius in Salzburg
oder beispielsweise die Kirche in St. Margarethen als
Grundbesitzer kleineren Umfangs auf. In früheren Zeiten
war auch der Erzbischof Grundherr in Vigaun gewesen.
Die Besitzerlisten und Grundherren der einzelnen Häuser
und Bauerngüter zeichnete dankenswerterweise Pfarrer
Max Ringlschwendtner in den dreißiger Jahren auf,
wobei er sich in seiner kurzen Häuser- und
Familiengeschichte auf die Vorarbeiten seines Vorgängers
in der Seelsorge, Pfarrer Simon Rettenpacher,
stützen konnte. 38
Bevor nun auf das Urbar aus dem 14. Jahrhundert näher
eingegangen wird, muß zunächst die Frage nach der
Bedeutung der Grundherrschaft gestellt und zugleich
auch abgeklärt werden, welche Leiheformen grundsätzlich
möglich waren: Der Stand des freien Bauern, der
also keinem Grundherrn dienstpflichtig und noch im 12.
Jahrhundert eine beachtliche Rolle zu spielen fähig war,
verschwand völlig bis zum Ende des Mittelalters. Die
zunehmende Bedrohung durch Kriege, die steigenden
Anforderungen des Kriegsdienstes sowie die damit
verbundenen Kosten der militärischen Ausrüstung, aber
auch die Willkürmaßnahmen mancher Adeliger waren
maßgebliche Gründe, daß viele Bauern freiwillig auf ihre
75
Freiheit verzichteten und sich einem geistlichen oder
weltlichen Grundherrn unterwarfen. Gelegentlich trugen
auch wirtschaftliche Schwierigkeiten zu der Entscheidung
bei, sich als Zinspflichtige beispielsweise an das Kloster
Nonnberg zu übergeben.
Das im 11. Jahrhundert einsetzende Bevölkerungswachstum
führte zu einer neuen Rodungs- und
Kolonisationswelle. Den dringend benötigten Grund und
Boden konnten junge Bauernsöhne aber nur von
geistlichen bzw. weltlichen Grundherren erhalten, denen
sie von nun an Abgaben leisten mußten. Im allgemeinen
ging der Bauer von waldumstandenen Siedlungsinseln
aus an die äußerst schwere Rodungsarbeit, wobei
bäuerliche Gemeinschaften einander Hilfe leisteten. Dem
Rodungsbauern wurden - sozusagen als Starthilfe -
unentgeltlich Baumaterial, Saatgut, Gerätschaften und
Vieh zur Verfügung gestellt, außerdem brauchte er
längere Zeit keine Pacht zu zahlen. In Notzeiten, bei
Unwetterschäden, Seuchen oder Brandunglück bewahrte
ihn der Grundherr vor drohender Armut und Hunger.
Nach Möglichkeit wurden zuerst gute Böden in günstiger
Lage kultiviert, danach legte man sogenannte
„Schwaigen" in mittleren Hanglagen an, wo die
Bauernfamilien meist nur mehr Viehzucht betreiben
konnten.
Mit der Auflösung der grundherrlichen Eigenbetriebe
waren für den Grundherrn nicht mehr der persönlich
geleistete Dienst sondern die Zinse und Abgaben der
Hintersassen von wesentlicher Bedeutung. Allmählich
entstand ein einheitlicher Bauernstand, welcher sich mit
Ende des 13. Jahrhunderts als wirtschaftlich besonders
günstig gestellt präsentierte. Durch die schriftliche
Fixierung der Dienstleistungen blieben die Abgaben
gleich, die Erträge der meisten Güter konnten durch eine
verbesserte Agrartechnik und Viehhaltung in der Regel
spürbar gesteigert werden. Die Natural- und / oder
Gelddienste waren üblicherweise „zu Georgi" (= 23.
April) und „zu Martini" (=11. November) fällig und
wurden auch als Zins, Gült oder Gilt bezeichnet. Die
Naturalabgaben richteten sich verständlicherweise nach
der Produktionsart des Bauerngutes und umfaßten
Getreide (Roggen, Korn, Hafer), Kraut, Rüben, Erbsen,
Roßbohnen, Mohn etc. Im Gegensatz dazu hatten
Schwaigen hauptsächlich tierische Naturalabgaben als
Pacht und Grundsteuer zu leisten, wobei eine
durchschnittliche Schwaige über zwölf Kühe oder fünfmal
soviele Mutterschafe mit Lämmern verfügen konnte. Der
Nonnberger „Swaighof" in Vigaun diente beispielsweise
„300 cház", wobei jeder Käse die „fronchost" (=
festgesetzter Preis für eine Naturalabgabe an die
grundherrliche Küche) wert sein sollte. Das
Durchschnittsgewicht eines Dienstkäses wurde mit ein bis
zwei Pfund veranschlagt; im Nonnberger Amt Vigaun
legte man dieses mit 1 1/2 Pfund fest, um
im 17. und 18. Jahrhundert die Geldablöse der
Käsedienste nach Gewicht besser berechnen zu
können. 39 Wie aus dem Beispiel ersichtlich wird,
wandelte der Grundherr im Verlauf der Jahrhunderte die
Naturaldienste teilweise oder gänzlich in Geldleistungen
um, der Abgabenpflichtige konnte seine Erzeugnisse
nunmehr frei verkaufen. 40
Sämtliche Grundbesitztümer der Abtei Nonnberg waren
in viele und zugleich kleinräumige Ämter gegliedert. Das
vorliegende Urbar verzeichnet nicht weniger als zwanzig
Amter (officia). In diesem „officium" Vigaun wurde nun
die Urbarverwaltung von Amtleuten ausgeübt, die
Gerichtsbarkeit hingegen war Angelegenheit des Vogtes
der Äbtissin (seit 1334 übte der Erzbischof die
Vogteirechte aus).
Das Schachtengut gehört zu den vielen Vigauner
Bauerngütern, deren Grundherrschaft das Stift Nonnberg
war. Beim alten Haus handelt es sich um einen
Tennengauer Einhof (bezeichnet 1739) mit Katzenfirst
und freistehendem gemauertem Backofen.
76
Die Pachtdauer kannte drei Stufen: Die ungünstigste
Leiheform war die sogenannte Freistift, bei welcher eine
Pachtkündigung zu gewohnheitsrechtlich fixierten
Terminen möglich war. Hatte ein Bauer hingegen ein
Gut zu Leibgeding, so war er auf Lebenszeit der einzig
berechtigte Pächter dieser Liegenschaft. Um eine gute
Bewirtschaftung durch den Grundholden zu gewährleisten,
setzte sich ab dem Spätmittelalter immer mehr
die Erbleihe durch, was in der Folge zu einem
generationenlangen Verweilen der bäuerlichen Familien
auf den Höfen der Vorfahren führte. 41 Der Erbhof war
Mitte des 17. Jahrhunderts auch im Amt Vigaun weit
verbreitet, wie die entsprechende Güterbeschreibung aus
dem Jahr 1652 deutlich vor Augen führt. 42 Die Anlait,
eine Erbschafts- und Grunderwerbssteuer - ca. 5% des
Schätzwertes - sowie die Dienste mußten natürlich weiter
entrichtet werden.
gentlich auch mit diplomatischen Aufgaben betraut
wurden, Teile der Burg Radeck, das Landgericht
Hallwang und die Vogteien zu Elixhausen, Pebering, Glas
und Vigaun an Erzbischof Friedrich III. (1315-1338).
„(...) auch alle unser vogtay, di wir gehabt haben ze (...)
Vygaun mit allem recht und gewonheit, als wirsi und
unser vordem herpracht haben und mit allem di(e)nst, ez
sein pfenning, habern, haw(e), huener und ayer eder
ander di(e)nst mit stew(e)er mit gerichte (...) verchauffet
und geantwurtt haben unserm gena(e)digen herren
ertzbischolf Fridreichen von Salzburch und seinem
gotshous (...)." 46 Eine Erwähnung fand dieses
Rechtsgeschäft auch in einer 1335 ausgestellten
Urkunde, mit welcher der Erzbischof verschiedene
Gottesdienste im Dom stiftete und unter anderem die
Vogtei Vigaun zur Entschädigung der erzbischöflichen
Mensa, aus der der Unterhalt des Landesfürsten
bestritten wurde, vorsah. 47
Das Nonnberger Urbar aus dem zweiten Viertel des 14.
Jahrhunderts, das die Güter der Grundherrschaft und die Verständlicherweise hatte der Landesherr Interesse
darauf lastenden Dienstverpflichtungen auflistete, daran, die Schutzvogtei an sich zu ziehen, denn diese
beschrieb auch die Abgaben des Amtes Vigaun. Großteils
handelte es sich dabei um Käse-und Hühnerdienste. So
Politik erweiterte einerseits seinen Machtanspruch und
vermehrte andererseits seine Besteuerungsrechte. Der
mußte „Chunrat der Arczt (...) von dem gut genant ehemalige Direktor des Salzburger Landesarchivs, Franz
Chersuel 50 chaz" abliefern. Ringlschwendtner vermutet,
daß die Vigauner mit diesem „Chunrat" bereits vor mehr
als 650 Jahren einen „Arzt" in ihren Reihen hatten,
schränkt aber zugleich ein, es könne sich keineswegs um
einen hochgelehrten Herrn gehandelt haben. 43 Daneben
gab es auch unterschiedlich hohe Geld- und Holzabgaben,
beispielsweise dienten die Brüder Heinrich der
Mair und Chunrat von dem Gut in „Pawenhofen" (= St.
Margarethen) „16 fluder witt" (ein „Fluderwid" ist ein
Fuder Holz bestehend aus acht Holztrümmern, wie sie
zur Anfertigung von Flößen Verwendung fanden). Neben
der Kirche befand sich der Nonnberger Zehentstadel, der
Pagitz, meint zu diesem Problemkreis. „Vor 1200 wurde
der Besitz des Hochstiftes Salzburg und der anderen
Stifte von den weltlichen Großen bevogtet. Diese Vogtei
über das Kirchengut war als Institution zum Schutz und
zur Verteidigung des Kirchengutes bestimmt gewesen,
zugleich besaß der Vogt die gerichtsherrliche Gewalt über
die Untertanen. Der Hauptvogt konnte die Vogtei an
Untervögte zu Lehen vergeben, die in manchen Fällen
das ihnen anvertraute Amt zur Bedrückung der Bauern
mißbrauchten. Die Vögte waren auch beim Stifttaiding (=
Tag, an dem der Grundherr mit den Bauern über die
Besitzeinführung verhandelte) gegenwärtig, und sie
1939 der Straßenverbreiterung zum Opfer fiel, „in versuchten immer wieder, sich in die An- und Abstiftung
welchem man jährlich den Zehent (...) von Vigaun und der Bauern einzumengen." 48 Der Erzbischof konnte im
Pämbhofen führen tut. Das Zehentgetreide von den Amt Vigaun von nun an eine zweijährliche Vogtsteuer
Hablingerhöfen und Ahausen daselbs herum bis auf den einnehmen, die zum Herbsttermin fällig war, und
Pöchtlhof legen die Nunnbergischen Fuhrknechte bei zusätzlich die Gerichtsagenden durch einen Vertreter
schönem Wetter auf dem Feld auf (welches Auflegen ausüben. Wie bereits erwähnt wurde, hatte Erzbischof
beiläufig zu morgens 6 Uhr anfängt) und führen solches Konrad I. zu Beginn des 12. Jahrhunderts die Vogtei
nach Salzburg in den Nunnbergischen Meyerstadl. " 44 über das Kloster Nonnberg, zu dessen Urbarbesitz das
Amt Vigaun zählte, dem Markgrafen Otakar IV. von der
1273 kam es zur nochmaligen Bestätigung der Steiermark übergeben. Danach ging sie auf die
Besitzungen des Klosters Nonnberg. Papst Gregor X.
beurkundete im Mai dieses Jahres namentlich die Rechte,
Freiheiten und Besitzansprüche des Benediktinerinnen-
Babenberger und anschließend auf die Habsburger über,
wurde zum Streitobjekt zwischen Erzbischof Rudolf von
Hoheneck (1284-1290) und Herzog Albrecht L, aber
Konventes, darunter auch diejenigen in und um Vigaun. 45 schließlich dem Herzog zugesprochen. Da die
Annähernd 60 Jahre später (1334) verkauften die Brüder
Ruger und Heinrich von Radeck, die als Salzburger und
Passauer Ministerialen unter den Salzburger Dienstmannen
eine wichtige Stellung bekleideten und gele-
Habsburger in den folgenden Jahrzehnten jedoch nur
wenig Interesse an der beinahe ertragslosen Vogtei
zeigten, bestellten die Äbtissinnen von Nonnberg unter
Mitwirkung der Erzbischöfe bisweilen Untervögte. 49
77
Das Duldinggut am Riedl hatte (ausnahmsweise) als
Grundherrschaft nicht das Stift Nonnberg, sondern das
Salzburger Bürgerspital. Vor dem alten Haus die
Brunnenhütte mit dem 25 m tiefen Brunnen.
War bisher fast ausschließlich von Vigaun die Rede, so
soll auch der Ortsteil St. Margarethen natürlich nicht
völlig vernachlässigt werden. Bereits nach 1131 übergab
der Hochstiftsministeriale Hiltibrant de Pabinhouin (=
Baumhofen, der frühere und heute nicht mehr
gebräuchliche Name für das Dorf St. Margarethen,
Baumhofen wahrscheinlich nach dem Personennamen
Pabo) vor seinem Eintritt in das Kloster St. Peter dem
Abt verschiedene Güter. 50 Keineswegs erwiesen ist
jedoch, wie gelegentlich behauptet wird, daß der
möglicherweise namengebende „Bauernadelige" Pabo
seinen Wohnsitz in einer Burg am Riedl gehabt hat,
bevor er sich ins klösterliche Leben zurückzog. Grabungen
konnten am Riedl bisher nur einen Vogelherd
eindeutig nachweisen. Um 1259 scheint dann ein gewisser
Livpoldus de Pebenhoven als Zeuge in einem
Rechtsgeschäft auf. 51 Bereits ein Jahr zuvor hatten die
erzbischöflichen Ministerialen Kuno und Otto von Gutrat
auf Bitte des Klosters Nonnberg demselben die Güter
„Holenpach" (in Vigaun) und die Wiese „Pabenhoven" zu
ihrem und dem Seelenheil ihrer Verwandten
abgetreten. 52 Der Gebietsstand des Klosters im späteren
Amt Vigaun hatte sich wieder etwas vergrößert. Ab dem
15. Jahrhundert treten sodann immer häufiger
Bewohner („Ansässige") Baumhofens und Vigauns in
Urkunden als Rechtspartner bzw. als Zeugen auf. Die
einzelnen Belege können hier aber nicht gesondert
berücksichtigt werden. Es sei lediglich ein Beispiel aus
dem frühen 16. Jahrhundert angeführt. So gelobten „
Wolf gang Nechl und Leonhart Dürführ d. Z. des
Erwirdigen gotshauß sandMargrethen zu Pabenhofen
vnderhalb Vigawn in Kuchler Pfarr zechpröbst" dem
Kloster Nonnberg, von dem erkauften, aus dem Kendlgut
zu St. Margarethen gebrochenen, Haus jährlich 32
Pfennige zu dienen. 53 Auch die Urbaramtmänner zu
Vigaun wurden gelegentlich „aktenkundig".
Der Bau der Kirchen...
Zu den für die Kirchengeschiche Vigauns wichtigsten
Beurkundungen zählt ein Rechtsvergleich aus dem Jahr
1444, mit welchem sich Nikolaus Hampel, Bürger in
Salzburg, mit den Kirchpröbsten von „Kuchel, S. Nicla,
Vigawn und Pabenhouen" bezüglich der Forderungen an
das Gut „Taugkelholcz", das bereits 1422 an Hampels
Vater verkauft worden war und unter anderem ein halbes
Pfund Pfennige, vier Hühner und 60 Eier abzuliefern
hatte, einigte. 54 Neben dem Rechtsinhalt ist vor allem
aber bedeutsam, daß „Niclas Puechberger Peter Staindel
zechpröbst S. Dyonisen zw Vigawn, Hanns von Chondel
Niclas Haller zechpröbst S. Margreten Kirichen zw
Pabenhouen" aufgeführt wurden, womit wir spätestens
ab diesem Zeitpunkt einen Quellenbeleg für die
gemeinsame Existenz der beiden heutigen Dorfkirchen
haben. Die Filialkirche zur hl. Margaretha war bereits
wenige Jahre zuvor - 1437 - als „Sand Margretten in
Pabenhofen " in den Quellen aufgeschienen und soll der
Legende nach einer reichen Weißwarenhändlerswitwe in
Hallein ihre Entstehung verdanken. Für die glückliche
Ankunft eines Schiffes in Venedig, beladen mit ihr
gehörenden Waren, gelobte sie angeblich einen
Kirchenbau. Dieser gotische Bau mit der alten Umfriedungsmauer
dürfte in die erste Hälfte des 15.
Jahrhunderts zu datieren und an der Stelle eines viel
älteren errichtet worden sein; das genaue Alter der
Kirche läßt sich heute leider nicht mehr ermitteln.
Ähnlich ergeht es uns mit der Altersangabe der
Pfarrkirche (seit 1858) zum hl. Dionysius: Zwar wird
„Sand Dyonisen zu Figaeun" um die Mitte des 14.
Jahrhunderts in einer Salzburger Bürgerspitalurkunde
namentlich genannt - die Kirche erhielt von Adelheit
78
der Witingerin 30 Pfennige -, doch dürfte nach Dürlinger
spätestens seit dem 13. Jahrhundert erneut ein
Gotteshaus in Vigaun bestanden haben. 55 Die spätgotische
dreischiffige Hallenkirche, die heute der Betrachter
vor sich sieht, wurde in den Jahren 1488 bis
1516 neu erbaut. Ein Vorgängerbau könnte in den
1480er Jahren großteils niedergerissen bzw. wie viele
andere Kirchen der damaligen Zeit eventuell durch eine
Feuersbrunst zerstört worden sein. Ein in Anbetracht der
Seelenzahl zu klein dimensionierter Friedhof ist mit Ende
des 15. bzw. Anfang des 16. Jahrhunderts belegbar.
Über die Finanzierung des Kirchenbaues meldet die
traditionelle Überlieferung folgendes: „Die reichen
Lederer vom Gries (Ortsteil Burgfried in Hallein) hätten
sich um diesen Bau besonders bemüht. (...)Am Boden
der Kirche sieht man noch ihre Grabsteine. ( . J Diese
edlen Männer kamen aber mit dem Bau nur bis zur Höhe
von 13 Schuhe, dann seien ihnen die Mittel
ausgegangen. Dann sei der Kirchenbau unter Beihilfe des
Erzbischofs Leonhard (von) Keutschach (1495-1519)
fortgesetzt und vollendet worden. Die Jahrzahl
1519(1516?) am Gewölbe deutet das Vollendungsjahr
an. Daß die Geldmittel nicht im Überfluß vorhanden
waren, zeigen die Gewölbe der Seitenschiffe, wo die
Rippen fehlen, sowie die Einfachheit der Brüstung bei
der Emporekirche, wo jedes Ornament fehlt. " 56 Nach
der Ansicht von Pfarrer Max Ringlschwendtner dürften
aber auch die Klöster Nonnberg und St. Peter sowie
wohlhabende Bauern einen entsprechenden Beitrag zur
Fertigstellung des Gotteshauses geleistet haben. Da das
Jahr 1488 den Baubeginn markiert - über dem
Kirchenportal ist die Jahrzahl eingemeißelt -, konnte vor
zwei Jahren auch das 500-jährige Jubiläum der
„Grundsteinlegung" begangen werden.
Es bleibt noch festzuhalten, daß in der erwähnten
Urkunde von 1444 neben „S. Nicla enthalbn des wasser
in Kuchler pfarr", „S. Steffan zw Adnaten" auch „S.
Dyonisen zw Vigaun" und „S. Margreten Kirichen zw
Pabenhouen " als Filialen von Kuchl aufscheinen. Vigaun
wurde in der Folgezeit von den Pfarrgeistlichen Kuchls
pastoriert; erst um 1550 „erhielten die Kreuztrachten
„unter der Tauggl" Vigaun und Adnet einen eigenen
Priester, zu Adnet wohnend, welcher den pfarr-l(ichen)
Gottesdienst (...) in beiden Kirchen abwechselnd zu
halten hatte, wobei Vigaun freilich manchmal übergangen
wurde. " 57 Über das Patronat aber wurde weder
bei der Bereitstellung eines Seelsorgers für Adnet und
Vigaun noch bei der Errichtung des späteren Vikariates
Vigaun (1716) etwas Näheres bestimmt, obwohl der
Filialbezirk von der domkapitularischen Pfarre Kuchl
abgetrennt wurde. Da jedoch das Domkapitel keine
schriftlichen Einwendungen vorzubringen hatte, wurden
die Vikare ausschließlich vom fürsterzbischöflichen
Konsistorium bestellt.
... und ein Sturz Oswalds von Wolkenstein?
Im frühen 15. Jahrhundert spielte sich in Vigaun
angeblich eine Episode ab, die auch von literaturhistorischem
Interesse ist. Der berühmtgewordene Tiroler
Adelige und Dichter Oswaldvon Wolkenstein (1377-
1445), dessen Leben und politische Handlungen an
Hand von historischen Quellen und autobiographischen
Äußerungen in seinen Liedern einigermaßen erfaßt
werden können, soll eine unangenehme Erfahrung mit
dem Tauglbach gemacht haben. Wie die Biographen des
Dichters meinen, unternahm dieser im Herbst und
Winter 1424 eine Ungarnreise in politischer Mission,
doch ließen bereits die Umstände der Hinreise keinen
guten Ausgang dafür erwarten. Der Abenteurer Oswald
ritt demnach bei naßkaltem Wetter und hatte das Pech,
bei Vigaun in den breiten Tauglbach zu stürzen. Als
möglicher Beleg für dieses Ereignis sei die entsprechende
Stelle aus dem Lied „ Wie uil ich sing und lichte"
angeführt: „Des bin ich worden innen, /do ich gen
Ungern rait, /noch uon derselben minne/kom ich in
grosses laid./in wasser, weiter, wegen/„husch" lert ich
maierol/und was auch nach belegen; /der tauggel ward
ich vol, /Das ist ain wasser sumpern/von hohen klopfen
gross, / darin viel ich mit pumpern, / des gouggels mich
verdross. /ich wett umb all die stainer,/poliert durch edel
dach, /ob doch aus hundert ainer/plib, gauggelt er mir
nach." 58
Dem Leser wird auffallen, daß sich dieser Liedtext
Oswalds keineswegs eindeutig interpretieren läßt, da er
zuviele Übersetzungsschwierigkeiten aufwirft. Dies ist
auch der Grund dafür, warum die Interpreten dieser
Textstelle sowohl einen Sturz in den Tauglbach im
Salzburgischen als auch die Schilderung einer lebensgefährlichen
Prügelei in Ungarn herauslesen konnten.
Zusätzlich bleibt zu bedenken, daß sich der Autor
möglicherweise der dichterischen Freiheit bedient hat.
Oder anders ausgedrückt: „Wie Oswald die verschiedenen
Todesgefahren darstellt, das entspricht freilich
kaum der Ernsthaftigkeit eines geistlichen Liedes, das
ist zum größten Teil Slapstick. Und doch: jede dieser
Slapstick-Episoden hat einen Kern an biographischer
Realität. Vorsichtiger formuliert: kann einen Kern an
biographischer Realität haben." 59
79
Die frühe Neuzeit (bis ca. 1800) - bäuerliche
Arbeit
Ein unfreiwilliges Bad in der Taugl mag der
spätmittelalterliche Tiroler Minnesänger Oswald von
Wolkenstein genommen haben-. 1377 in Südtirol
geboren, war er abenteuerlustig, kam in ganz Europa
herum und war ein temperamentvoller Lyriker und
Musiker. Oswald verstarb 1455 auf der Burg Hauenstein,
seine Grabplatte befindet sich im Kreuzgang von Brixen,
Die Bewohner des Dorfes lebten im Mittelalter und in
der frühen Neuzeit fast ausschließlich von der landwirtschaftlichen
Arbeit, deren Methoden sich erst im vergangenen
Jahrhundert änderten. Auch das Abhängigkeitsverhältnis
des Bauern zum Grundherrn, die
Grundherrschaft, die lange Zeit als gottgewollte Ordnung
angesehen wurde, blieb bis 1848 bestehen.
Um 1780 hatten im Pfleggericht Golling, das in Rotten
unterteilt war, 500 ganze Höfe, 230 halbe und 147
Viertelhöfe ihren Bestand. 60 Wie auch aus den Urbaren
des Amtes Vigaun ersichtlich ist, überwogen bei den
Produkten der Feldbewirtschaftung naturgemäß das
Brotgetreide („Korn, Waiz") mit drei Fünftel der agrarisch
genutzten Gesamtanbaufläche des Erzbistums Salzburg
und der „Haabern", der im Landesdurchschnitt Ende des
18. Jahrhunderts nur etwa auf einem Drittel der
fruchtbaren Ackererde wuchs. In Vigaun hingeigen
wurde dieses Futtergetreide - zumindest um 1830 - als
einzelne Hauptfrucht zum überwiegenden Teil angebaut.
Neben dem klassischen Dreifeldersystem wurde im
Salzburger Becken ebenso wie in den Alpentälern die
sogenannte „Egartenwirtschaft" betrieben, worunter man
die süddeutsche Form der Feldgraswirtschaft zu verstehen
hat. Überwiegende Wiesen- und Grünlandnutzung
wechselte mit der Umwidmung einzelner Teile zum
Anbau von Getreide (in späterer Zeit auch Kartoffelaussaat),
war vor allem in den klimatisch bedingten Viehzuchtgebieten
verbreitet und diente vornehmlich zur
Eigenversorgunng. In der Regel nutzte der Bauer die
Egärten ein, gelegentlich zwei Jahre für den Fruchtbau,
um in den folgenden Jahren - die Dauer hing von der
Bodenqualität ab -das Acker- in Wiesenland
umzuwandeln.
Die Getreideerträge waren mit der zwei- bis ca.
fünffachen Menge des Saatgutes nur etwa halb so groß
wie heute. Der Kulturaufwand dürfte vorsichtigen
Schätzungen zufolge zwischen 50 und 70% des
Bruttoertrages ausgemacht haben; wenn man zusätzlich
bedenkt, daß vom verbleibenden kümmerlichen Roheinkommen
noch die Urbarrialabgaben bestritten werden
mußten, so wird verständlich, daß der Großteil der
bäuerlichen Bevölkerung ein eher bescheidenes Leben
führen mußte. In diesem Zusammenhang erstaunt die
Reiseschilderung des Naturforschers und Schriftstellers
Jcoseph August Schultes doch ein wenig, der zu Beginn
des 19. Jahrhunderts auch an Vigaun vorbeizog und
diese Gegend mit überschwenglich schwärmerischen
Worten zu schildern wußte:
80
„Unser Bothe führte uns einen anmuthigen Weg durch
Auen und Wiesen am linken Ufer der Salza hinab nach
Hallein. Wir behielten den Markt Küchel (Cucullae der
Alten) zur Rechten, und zogen an einzelnen Bauernhöfen
vorüber, die ebenso sehr von dem Wohlstande ihrer
Besitzer zeugten, als ihre Wiesen und Aecker und
Obstgärten von ihrem Fleisse und ihrer Betriebsamkeit.
Die lebendigen Zäune, die ihre Fluren umkränzten, die
goldenen Aepfel in den Obstgärten, unter deren
süsserLast die Aeste sich zur Erde bogen, die purpurnen
Keime der jungen Saat, die auf den fruchtbaren
schwarzen Ackerfeldern im Sonnenstrahle schillerten, (...)
die lachenden Hügel, die das weite Salzathal umsäumten,
die heiteren lichtgrünen Auen, alles um uns wehte eine
Anmuth, die wir auf einer Wanderung in den Gärten der
Hesperiden nicht froher hätten athmen können." 61
Nebenerwerb und Armenwesen
Schufen wiederholte Mißernten - vor allem in den Jahren
1770 bis 1772 - auf der einen Seite Versorgungsprobleme,
so konnten die Hofbesitzer auf der anderen
Seite von den Preissteigerungen für ihre Produkte
profitieren. Zugegebenermaßen war die Lage der in der
Landwirtschaft tätigen Bevölkerungsgruppe gesicherter
als jene der im Handwerk Beschäftigen. Über Wohlstand
verfügte jedoch nur eine verschwindende Anzahl von
Bauern, sodaß die Beschreibung Schultes aus heutiger
Sicht als zu romantisierend und realitätsfern eingestuft
werden muß. Zusätzlich sollte man auch nicht übersehen,
daß ärmere Bauernfamilien aus Vigaun an der Erzeugung
von „Halleiner Strumpf und Salzburger Schuh"
wesentlich beteiligt waren. Die Baumwollverarbeitung in
Hallein, die im späten 17. Jahrhundert einen
außerordentlichen Aufschwung nahm und auf die
Pfleggerichte Golling, Werfen, Glanegg, Abtenau und
Thalgau übergriff, beschäftigte „viele tausend Hände".
Die Erzeugung der Produkte (Socken, Jacken, Handschuhe,
Fäustlinge etc.) erfolgte im mehrstufigen Verlagssystem,
wobei es in der Verantwortung des „Verlegers"
lag, die Rohstoffe zu besorgen; die Arbeitsausführung
hingegen geschah hauptsächlich in Heimarbeit. Zumeist
war dieser Zuerwerb mit den Bergwerksbetrieben
verknüpft, doch auch die Frauen Vigauns wollten sich mit
Spinnarbeiten ein kleines Zusatzeinkommen sichern.
Leider fehlen uns genaue und zuverlässige Zahlenangaben
über die Anzahl der Beschäftigten aus dem Dorf
Vigaun.
Die Qualitätsprodukte aus Hallein, die einen weitreichenden
und guten Ruf hatten, konnten von den
Händlern bei den Messen in München, Augsburg, Leipzig
und Stuttgart mit Gewinn abgesetzt werden. Wie
bisweilen aber kritisiert wurde, machten
ausschließlich die Verleger und Händler das wahre
Geschäft mit den Baumwollwaren, der Verdienst der
Lohnarbeiter hingegen war eher bescheiden. Die
Spinnerinnen erhielten für ein Pfund weißes Garn bloß
ca. 15 bis 30 Kreuzer, für ein „blaues Pfund" zwischen
20 und 30 Kreuzer Spinnerlohn. Ende des 18. Jahrhunderts
schließlich geriet dieser Zweig der ländlichen
Hausindustrie durch ausländische Konkurrenzunternehmen
und Einfuhrverbote in ernsthafte Absatzschwierigkeiten,
was allmählich zum Ruin des Halleiner
Wollverlages führte. Eine bedeutende Möglichkeit der
bäuerlichen Nebenerwerbs-tätigkeit war damit verloren
gegangen. 62
Ein weiteres Problem, das sich auch in Vigaun bisweilen
zeigte, war die „Verstückung" von Gütern zu Hofeinheiten,
die ohne Zusatzeinkommen nicht mehr
existenzfähig waren. Trotz der landesfürstlichen Einschränkungen
vom Jahr 1782 63 gelang es nicht, diesem
Verfahren einen wirksamen Einhalt zu gebieten. Aber
nicht nur rein bäuerlicher Gutsbesitz wurde verstückt.
Noch 1793 ersuchte der Mesner von Vigaun, Joseph
Lienbacher, der nur über ein geringes Einkommen
verfügen konnte, um eine Verkaufsbewilligung für ein
Häuschen aus dem „Kasbachgütl" (Tischlerhaus), das zum
Besitztum des Klosters Nonnberg gehörte. Dieser
Holzbau mit „Gartl" sollte verstückt werden, da es sich
beim „Kasbachgütl" ohnedies um ein größeres Haus mit
dazugehörendem Stall handelte und der zusätzliche Bau
scheinbar leicht entbehrt werden konnte. In den meisten
Fällen hatte sich nun der Urbarverwalter des Stiftes
Nonnberg in Hallein vom Augenschein der jeweiligen
Güter zu überzeugen, um sodann dem Frauenkloster
darüber Bericht erstatten zu können. 64
In der frühen Neuzeit zeigte sich wiederholt, daß die
Bewohner Vigauns, die Angesessenen, welche die
„Landgemeinde" bildeten, nicht allzu reichlich mit
materiellen Gütern ausgestattet waren. Finanzielle
Schwierigkeiten hatten sich schon im Spätmittelalter
beim Bau der Kirche ergeben und traten im frühen 17.
Jahrhundert bei der Neuerrichtung der Römerbrücke
noch stärker hervor. Kaum jemand konnte sich „stille"
Reserven für Notzeiten anlegen. Sicherlich war dies ein
Los, das nicht nur die Vigauner traf!
Generell hatte die „Landgemeinde" im 18. Jahrhundert
fünf größere Aufgabenbereiche zu erfüllen, wobei die
Führung der Gemeinen Anlags-Kasse besonders
wesentlich war, denn zur Ausführung ihrer Angelegenheiten
mußte die „Gemeinde" von ihren Mitgliedern diese
Steuer einheben, deren Höhe sich nach der Notwendigkeit
und Dringlichkeit richtete. Weiters war für die
Veröffentlichung der Befehle der Zentralstellen und des
Pfleggerichtes Golling zu sorgen bzw. waren entsprechende
Durchführungsbestimmungen zu erlassen.
81
Der „Landgemeinde" stand ferner das Petitionsrecht zu,
und ihre Vertreter waren für die Ausstellung des
Heiratskonsensus für Unangesessene zuständig.
Als teure Pflicht erwies sich meist die Regelung des
Armenwesens. Pesteinbrüche und andere Krankheiten,
Unglücks und Todesfälle sowie fortgeschrittenes Alter
führten häufig zu Existenzschwierigkeiten, denen
zumindest halbwegs effizient begegnet werden mußte.
Schon in der „Ordnung und anweißung wie ain pfleger
zu Golling, dessen landrichter oder gerichts-schreiber, das
land- oder ehehaft thäding des hochfürstl. landgerichts
daselbst besützen und halten solle" aus dem Jahr 1694
wurde in besonderer Weise der Witwen und Waisen
gedacht, damit ihre „freihalten, recht und gerechtigkeiten
geschützt, geschirmbt, gesichert und ruheiglich erhalten
werde, wie landsrecht ist". 65 Durch dieses „Landrecht"
wurde auch das allgemeine Zusammenleben geregelt.
Um das Bettelwesen besser in den Griff zu bekommen,
sollten aufklärerischen Tendenzen zufolge alle Arme
wenigstens einmal im Jahr vor einer Kommission aus
Beamten des Pfleggerichtes Golling und Vertretern der
„Landgemeinde" erscheinen. Da es in Vigaun auch Ende
des 18. Jahrhunderts noch kein eigenes Armen- bzw.
Bruderhaus wie beispielsweise in Golling (1776) oder
Kuchl (1786) gab (erst in späterer Zeit fanden im
heutigen Heimatmuseum, dem ehemaligen „Mesnerhäusl",
einige Ortsarme Aufnahme), dessen Finanzierung
Um eine frühe Teilung handelt es
sich bei Vizdum und Donigl: Sie
erfolgte bereits vor 1542. Besonders
interessant ist bei dieser
Hofteilung, daß die beiden alten
Bauern häuser aneinandergebaut
sind: Vorne (rechts) das alte Vitzthum;
links das alte Doniglhaus.
Angelegenheit der Dorfbewohner gewesen wäre, mußten
die Sozialfälle in die „Einlage" gegeben werden. Man
überprüfte die tatsächliche Bedürftigkeit des Armen und
im Fall eines positiven Bescheides wurde er einem
Bauern zur Kost zugewiesen. Ein innergerichtlicher
Finanzausgleich aus der Gemeinen Anlags-Kasse oder
aus einer eigenen Almosenkasse schützte die
Quartiergeber vor einer übermäßigen Belastung. Der
Zeitgenosse Franz Michael Vierthaler charakterisierte
dieses System, das noch bis in unser Jahrhundert
Verwendung fand, mit folgenden Worten: „In jedem
Gerichte werden genaue Verzeichnisse über die Armen
und ihr Alterund ihre Gebrechen geführt; und diesen
gemäß, die Vertheilung derselben durch die Rotten und
Höfe vorgenommen. Kinder und Greise, ohne andere
Gebrechen außer jenen ihres Alters werden leichte;
Kranke, Preßhafte und Blödsinnige schwere Anlieger
genannt. Ein Schwerer wird zwei, oder nach Umständen
auch drei Leichten gleich geschätzt. " Abschließend
urteilte er wohlwollend: „Auf diese Art wird die (...)
Nächstenliebe ausgeübt, ohne daß der Begüterte über
Zudringlichkeit und Last, der Arme über Härte und
Hülflosigkeit klagen darf. Der Gewinn der Menschheit ist
dabei ungemein groß, obschon er wie so manches stille
Gute nicht sogleich in die Augen fällt." 66 Diese
idealistische Interpretation Vierthalers ist von seiner
bürgerlichen Abstammung her erklärbar und übersieht
sehr deutlich die menschliche Tragödie der vielfach
unerwünschten Einleger.
82
Medizinische Versorgung
Ließ sich Armut noch als Problem einer Minderheit
ansehen, so betraf die medizinische (Unter)versorgung
die Gesamtheit der Dorfbewohner. Gerade hier zeigte
sich aber der Widerwille der bäuerlichen Bevölkerung
gegen Neuerungen und Änderungen in voller Stärke.
Man berief sich bei Krankheiten lieber auf übernatürliche
Ursachen und magische Vorstellungen, gelobte für die
Gesundung eine Wallfahrt oder fügte sich in das
gottgewollte Schicksal. Sentimentalitäten und humane
emotionale Rücksichten konnte sich die Gesellschaft
jedoch nicht leisten. Die tief empfundene Religiosität und
Kirchlichkeit ist zum Teil auf die alltäglich erlebbaren
Umstände eines kurzen, dafür aber umso härteren
Lebens rückführbar. Ende des 18. Jahrhunderts bemühte
sich schließlich der Salzburger Erzbischof Hieronymus
Graf Colloredo, mit Hilfe der Geistlichkeit Reformen im
Gesundheitswesen durchzusetzen. Da die Priester meist
einen enormen Einfluß auf die ländliche Bevölkerung
nehmen konnten, sollten diese von der Kanzel aus immer
wieder aufklärend wirken. Bedauerlicherweise riefen
deren gutgemeinte Worte häufig jedoch nur Gelächter
hervor. Für Vigaun lassen sich nun zwei Bereiche der
problematischen Gesundheitsfürsorge quellenmäßig
belegen. So wurde von obrigkeitlicher Seite geklagt, daß
sich im Gerichtsbezirk Golling die große Zahl der
„Kretinen und Fexen" noch vermehren würde. 67 Dieser
weit verbreitete Kretinismus mit seinen schlimmen
Folgen hatte mehrere Hauptursachen, wobei die Gefahr
der Inzucht - beim „Fensterln" wurde sicherlich nicht
nach der blutmäßigen Abstammung gefragt! -, der
ständige Jodmangel und die vielfach schwerwiegenden
Schädelverletzungen durch die groben Hände der
ungeübten Hebammen im Vordergrund standen. Meist
fristete der „Läpp", der bisweilen schon durch seine
mongoloiden Gesichtszüge auffiel, ein kümmerliches
Dasein als Einleger. 68
Um die hohe Säuglingssterblichkeit und die Lebensgefahr
für die werdenden Mütter eindämmen zu können, sollten
im Pfleggericht Golling unter Erzbischof Colloredo (1772
-1803) auch fünf unterrichtete Hebammen beschäftigt
werden. Eine Geburtshelferin sollte abwechselnd in
Vigaun und Adnet ihrer Tätigkeit nachgehen. Die
Wirklichkeit sah jedoch noch 1801 völlig anders aus.
„Gegenwärtig ist aber nur zu Kuchl eine (Hebamme)
angestellt, nämlich Zezilia Eggschlagerin, die aber von
der Gemeinde aus Vorliebe für quacksalbernde Weiber,
in deren Händen das hiesige Hebammenwesen ist, wenig
Vertrauen besitzt, und selbe ihrer beschränkten
Kenntniße, und ihrer Zaghaftigkeit wegen auch nicht
sehr zu verdienen scheint." Aus diesem Grund mußte sich
häufig der „Chirurg" von Kuchl auch in den
Nachbarorten mit der Geburtshilfe abgeben. Bereits zu
Beginn des Jahres 1800 hatten aber die
„Gerichtsausschüsse unter der Taukel" ohnedies folgende
Meinung vertreten: „ Vigaun und Adnet sind der Stadt
Hällin nahe liegende Orte von welcher die betreffende
Gemeinde im Nothfall allzeit eintweder den dort
befindlichen Herrn Stadt-Physikus oder kündige
Hebam(m)en beruffen kön(n)en, ohne das sie Noth haben
eine eigene Hebame mit grossen Kosten zu unterhalten,
da sie selbst wohl verständige und in der Entbündungs
Ku(e)nst sehr kündige Weiber in ihren Gegenden
haben." 69
„Höchste Preise"
Konnte sich Vigaun auf der einen Seite durch die leicht
erreichbare Stadt Hallein die „so unnöthige ! Auslage"
ersparen, so hatte die Bevölkerung auf der anderen Seite
eben durch diese Nähe auch finanzielle Einbußen in Kauf
zu nehmen. Bezeichnend ist in diesem Fall die Bitte des
Vikars Johann Baptist Raacher, der 1793 nur für wenige
Wochen die Seelsorgetätigkeit in Vigaun ausübte, um
Versetzung nach Kleinarl. Da alle Möbel des
Vikariathauses verkauft worden waren, erklärte er, daß er
nicht in der Lage sei, „die nothwendige Gerätschaften,
als Kästen, Tische, Bethstätte, Stühle etc. für mehrere
Personen, denen er daselbst bedürftig, als an einem Ort,
wo dergleichen Haus(gerätschaften) nur in höchstem
Preise zu bekom(m)en sind, anzuschaffen." Zusätzlich
hätte er dem altgedienten Vikar jährlich 50 Gulden
zahlen und auch die Brennholzkosten selbst übernehmen
müssen. Der neue Vikar schätzte die diesbezüglichen
Aufwendungen in Kleinarl nur auf ca. die Hälfte.
Offenherzig gab er zu, er könne sich das Leben in
Vigaun nicht leisten und außerdem, so argumentierte er,
was uns heute doch zum Schmunzeln verleitet, „könne er
(in Kleinarl) besonders leicht seine Lieblings- und
Gesundheitsspeise als Milch, Butter, Honig, Läm(m)erund
Kitzfleisch, und die edelsten Fische bekom(m)en."
Seiner Bitte brachte man im Konsistorium Verständnis
entgegen, da man auch der Aussage, „zu Vigaun stehen
alle Viktualien im höchsten Preise, und seyen oft, wegen
Nähe der Stadt Hallein, ums theure Geld nicht zu bekom(m)en"
70 zustimmen mußte. Obwohl vor allem die
Bauern von den gestiegenen Nahrungsmittelpreisen
profitieren konnten, finden sich dennoch wiederholt
Bitten um Aufschub der Fälligkeit bzw. Nichtbezahlung
der Anlait, die beim Erwerb eines Gutes durch Kauf,
Tausch oder Erbschaft - meist betrug sie 5% des
geschätzten Wertes der Liegenschaft - an die Grundherrschaft
zu entrichten war. So erscheint nunmehr auch
das Ersuchen des Fahnenträgers des Vikariates Vigaun
von 1795, der um ein jährliches Gehalt wenigstens im
Ausmaß von einem Gulden und zwölf Kreuzern als
83
Entgelt für das Fahnentragen bei den Bruderschaftsumgängen
(seit 1724) und Wallfahrten bat, in einem
neuen Licht. 71 Armut hatte also durchaus in der frühen
Neuzeit unter anderem ein ländlich(-agrarisches) Gesicht.
Kirchliche Reformen
Innerkirchlich-organisatorische Schwierigkeiten bestimmten
die Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts in
religiöser Hinsicht. Nach dem Konzil von Trient (1545-
1563) waren vor allem die Salzburger Provinzialkonzilien
von 1569,1573 und 1576 auch für den hier
besprochenen geographischen Raum von allgemeiner
Bedeutung. So klagte der Pfarrer von Kuchl anläßlich der
Vorbereitung der Konzilsmaterie für 1569 neben
protestantisierenden Tendenzen außerdem darüber, daß
die Messen und das Begräbnis in den Filialen gefährdet
seien, weil der Unterhalt der Gesellpriester (in Kuchl
wurden dafür jeweils zwanzig Gulden veranschlagt) nicht
mehr als gesichert angesehen werden könne. Der
Unterhalt der Kooperatoren hingegen sollte durch
Kollekte weiterhin aufgebracht werden. Zu den
Weihnachts- und Ostersammlungen für den Pfarrer
leisteten nur mehr wenige einen Beitrag. Auch das
Beichtgeld betrug lediglich die lächerliche Summe von
ein bis zwei Pfennige. 72 Eine ähnliche Problemstellung
dürfen wir auch für Vigaun vermuten. Um Mißstände
rasch zu entdecken bzw. beseitigen zu können, schienen
Visitationen das geeignete Mittel zu sein. Wie aus dem
diesbezüglichen Bericht des Dekanates Hallein Mitte des
17. Jahrhunderts hervorgeht, war man bei diesen
„Überprüfungen" durchaus kleinlich. Nach einer
Beschreibung der Einrichtung der Vigauner Kirche und
Angabe des Vermögens (631 Gulden), wurden die
bestehenden „Unzulänglichkeiten" aufgedeckt. So
kritisierte man das Durcheinander in der Sakristei und die
eigentlich unwesentliche Tatsache, daß auf dem Friedhof
das Kreuz ohne Abbild des Gekreuzigten errichtet
worden war. Das St. Margarethen Kirchlein, dessen
Kapital sich auf 186 Gulden belief, wurde ebenfalls
visitiert und auch dort hielt man drei Kritikpunkte fest. 73
Vermeinte man von obrigkeitlich-katholischer Seite
überall und jederzeit den Keim des Protestantismus
ersticken bzw. „austreiben" zu müssen - es sei nur an die
unfreiwilligen Protestantenauswanderungen erinnert -, so
glaubte auch die Bevölkerung, das Recht und die Pflicht
zu haben, ihre bisweilen vom richtigen Weg abgewichenen
Seelsorger maßregeln zu können. In diesem
Sinne scheuten sich die Vigauner nicht, noch im Jahr
1805 heftige Klagen gegen ihren Vikar Franz de Paula
Liedl vorzubringen. Der Dechant von Hallein, der die
Anschuldigungen zu untersuchen hatte, legte dem
Beschuldigten 21 Fragen vor, die dieser zu beantworten
hatte. Die Ergebnisse dieser Befragung wurden schriftlich
festgehalten. Einige Vorwürfe seien hier auszugsweise
wiedergegeben. „Ob es wahrseye, daß er für einen
Bittgang in eine andere Kirche 2 fl Ganggeld ab 1 Stund
Entfernung über das Opfer verlange, und 4 fl wegen 2
Stunden Entfernung? (...) Aus welchem Grunde er bey
denen Bruderschaftsämtern oder Messen das Opfer
bezohen oder verlangt habe?(...) Ob nicht auch ein Knab
von 8 Jahren ohne Sacramenten verstorben seye? (...)
Ob er sich auch nicht unanständiger Reden bey
Verweigerung des abspeisen er-
Auch der Opferstock in St. Margarethen soll vom
„Zauberer-Jackl" und seiner Mutter, der Hexe Barbara
Koller, bestohlen worden sein.
84
laubt habe?" 74 Der 66 Jahre alte Vikar verteidigte sich
sehr erfolgreich; außerdem dürften die Anschuldigungen
doch etwas übertrieben gewesen sein, da sich Liedl
immerhin noch sieben weitere Jahre bis zu seinem Tod
1812 als Seelsorger in Vigaun halten konnte. Seine
Grabplatte befindet sich noch heute an der Außenseite
der Kirchenmauer und zwar in der Nähe des Portales.
Aberglaube und Hexen
Trotz gegenreformatorischer Maßnahmen breitete sich
im 17. Jahrhundert die lutherische Lehre auch in
Salzburg immer weiter aus. Die besorgten Dekane,
Pfarrer und Vikare wußten aber zusätzlich über ein
erschreckendes Ausmaß an Aberglauben, der sich beim Als Zeugen wurden auch die Zechpröbste der
Volk einnistete, zu berichten. Nach Ansicht des in Vigaun bestohlenen Kirchen vorgeladen. Hanns Liederer,
lebenden Kirchenhistorikers Franz Ortner war dieser Zechprobst der St. Dionysius-Kirche, gab zu Protokoll,
zerstörerische Aberglauben „ohne Zweifel das daß er in den Kirchenstöcken Vogelleim entdeckt habe.
schwerwiegendste Problem jener Zeit, das in Den Geldabgang schätzte er auf annähernd 40 Kreuzer.
Teufelsfurcht und im Hexenwahn gipfelte. Diese heillose Georg Schaffer, Zechprobst des St. Margarethener
Erkrankung des religiösen Empfindens erreichte in Gotteshauses, berichtete, daß sich für gewöhnlich acht
Salzburg im sogenannten Zauberer-Jackl-Prozeß (...) bis neun Gulden in den Opferstöcken befunden hätten.
einen späten und grausamen Höhepunkt, der das ganze 1674 habe das Spendengeld aber nur mehr die geringe
Land in den Sog irrationaler Ängste und Leidenschaften Summe von ca. zwei Gulden ausgemacht, dafür wären
stürzte." 75 Anzeigen in diesem Prozeß weisen außerdem jedoch das Geld und der Stock mit Vogelleim beschmutzt
auf eine Mystifizierung bedrückender, die Eigenwirtschaft gewesen. Die Delinquentin wurde von den einvernommenen
Personen übereinstimmend als bettelndes
schädigende Vorgänge hin. Anklagen wegen Verzauberung
von Vieh und Mensch, Wettermachen, Wein- und und „böses Weib" charakterisiert, der Zauberei anfangs
Milchverderben und Vernichtung der Ernte durch Zauberkundige
sind Ausdruck der primären Lebenssorgen der wurde sie von Golling nach Salzburg überführt, wo sie
jedoch noch nicht offen beschuldigt. Im März 1675
bäuerlichen Bevölkerung. Diese unbegründete Furcht vor schließlich nach der „peinlichen Befragung", bei welcher
übernatürlichen Kräften bedrohte auch im kleinen Dorf sie den damals üblichen Foltermethoden ausgesetzt
Vigaun die Einheit von bäuerlicher Arbeit und wurde, folgende Verbrechen gestand: Opferstockdiebstähle,
Verzauberung von Mensch und Vieh,
kirchlichem Leben, schuf eine Atmosphäre des
gegenseitigen Mißtrauens und förderte die böswillige Teufelsverschwörung, Hexentanzbesuch, Hostienschändung,
Wetterzauber und Teufelsbesuch mit Teu-
Denunziation.
felsbuhlschaft. Mögen dem aufgeklärten Menschen von
heute diese Anschuldigungen auch lächerlich erscheinen,
so war man Ende des 17. Jahrhunderts vom Hexenwahn
geradezu besessen, und viele aus dem Milieu der Armen
und Außenseiter mußten sinnlos ihr Leben lassen.
Anfang August 1675 wurde Barbara Koller schließlich
durch Erdrosselung und anschließende Verbrennung in
Gegenwart der gaffenden Menge öffentlich hingerichtet.
76 Die Salzburger Schriftstellerin Hilga Leitner hat
sich erst jüngst in ihrem Roman „Im Zeichen des Feuers"
Möglicherweise gingen zwei „Hexen" in Vigaun ihren
„Machenschaften" nach. Von den insgesamt 133
Hingerichteten (1675-1681) wurden immerhin fünf
Malefikanten im Pfleggericht Golling verhaftet. Die wohl
bekannteste und berühmteste Hexe, Barbara Koller, die
Mutter des legendären Zauberer-Jackls, wurde zu Beginn
des Jahres 1675 gefangengenommen. Sie wurde
beschuldigt, gemeinsam mit ihrem Sohn und weiteren
Helfern unter anderem zahlreiche Opferstockdiebstähle
begangen zu haben. Bei ihrer Einvernahme gestand sie,
auch aus den Opferstöcken der Vigauner und der St.
Margarethener Kirche jeweils 40 Kreuzer entwendet zu
haben. Den eigentlichen Diebstahl habe aber ihr Sohn
begangen, der das Münzgeld mit weichen Hölzern
(Gerten) oder Fischbein aus den Stöcken erfolgreich zu
entwenden versucht hatte. Sie sei lediglich in der Nähe
der Kirchentür gestanden, habe auf vorbeikommende
Leute geachtet und ihren Sohn Jackl mit einem
vorgetäuschten Hustenanfall vor der Entdeckung
bewahrt.
Der 15jährige Paul Kaltenbacher, der an den verschiedenen
Gaunereien beteiligt war, scherzte mit dem
Hund Barbaras vor der Kirche, um die eventuellen
Kirchenbesucher abzulenken. Barbara Koller war zum
Zeitpunkt ihrer Verhaftung 50 Jahre alt, wahrscheinlich
aus Werfen gebürtig, verwitwet und von Beruf
„Schinderin". Dieser damals „ehrlose" Beruf verurteilte
sie zu einem Leben außerhalb der Gesellschaft, wo man
am Dorfrand Tierkadaver begrub oder weiterverwertete,
sich zusätzlich mit Medizin und einem Naturwissen
beschäftigte, das im Verdacht der Zauberei stand. Angeblich
hatte sie sich in der Abdeckerei im Tauglwald
zwischen Kuchl und Vigaun aufgehalten.
in literarischer Form mit dem Leben und Sterben dieser
„Hexe" auseinandergesetzt, um der Nachwelt ein
mahnendes Denkmal zusetzen.
Zweieinhalb Jahre später, im Februar 1678, fiel die erst
18 Jahre alte Rosina Kasperin (Kalspergerin) aus
Glanegg bei Salzburg den Gerichtsschergen in die
Hände. Sie wurde in
85
technisch organisierte Hexenbekämpfung bereits
erhebliche Kosten verursacht hatte. In einer beinahe
pogromartigen Vernichtung der Armen hatten immerhin
- wie bereits erwähnt - 133 Menschen ihr Leben
verloren, wobei der jüngste Malefikant im zarten Alter
von zehn Jahren mit dem Todesurteil bestraft, die älteste
Malefikantin hingegen noch mit ca. 80 Jahren dem
Feuer übergeben wurde.
Vikariatserhebung 1716
Die wiederhergestellte Einheit von bäuerlichem und
kirchlichem Leben, eine neue Phase des gegenseitigen
Vertrauens, drückte sich in den gemeinsamen Anstrengungen
zur Vikariatserhebung 1716 aus. 78 Im
frühen 18. Jahrhundert wurden lediglich vier Vikariatserhebungen
vorgenommen, neben Vigaun noch Ebenau
(1702), Flachau (1722) und Tweng (1727). 79 Wie aus
den Akten des Konsistorialarchivs in Salzburg hervorgeht,
wollten sowohl die Zechpröbste der St.
Dionysius-Kirche als auch die Ansässigen ständig einen
Geistlichen in Vigaun haben. Ein umfangreicher und
ausführlicher Briefverkehr mit Erzbischof Franz Anton
Graf Harrach (1709-1727) setzte ein. An möglichen
Einkünften wurden ca. 330 Gulden als Unterhaltsleistung
für einen Seelsorger in Vigaun errechnet, das „Samblung
und Stocksgelt" betrug in den Jahren 1714 bis 1716
durchschnittlich zwischen 114 und 126 Gulden.
Die heilige Dreifaltigkeit schmückt die „Sammeltafel", die
Berechtigte Sorgen machte sich die opferwillige
früher zu den Tafelsammlungen verwendet wurde. Auch
Gemeinde auch um die künftige Wohnung des Vikars
sie gehörten zu den Aufgaben der Zechpröpste.
und versprach, eine größere Geldsumme zur Errichtung
bzw. zum Ankauf eines Vikariatshauses beizutragen.
Salzburg verhaftet, dürfte sich aber bis zum Zeitpunkt
Anfang Dezember 1716 war dieser Bau bereits den
ihrer Gefangennahme häufig in Vigaun aufgehalten
Bedürfnissen angepaßt und noch im gleichen Monat,
haben. Bettelnd zog sie in der Gegend um Salzburg
zwei Tage vor Weihnachten, wurde mit
umher, und bei ihrer Aufgreifung fand man ein
Konsistorialdekret das Vikariat als errichtet erklärt und
sogenanntes „Galgmannerl" in ihrem Besitz, eine kleine
Mathias Seeleithner zum ersten Vikar bestellt. Obwohl
Figur mit menschlichen Zügen, die von Abergläubigen
Vigaun zu Adnet „mehr im Verhältnis der Gleichstellung
am Körper getragen wurde, um vor Krankheiten
als der Unterordnung (gestanden war), daß man die
geschützt zu sein. Da die junge Frau zugab, mit diesen
Seelsorge von a. 1550 Adnet-Vigaun hätte nennen
puppenartigen Figuren Handel getrieben zu haben, geriet
sollen " 80 , legten sowohl der Vikar von Adnet als auch
sie rasch in den Verdacht, eine Hexe zu sein. Unter der
der Pfarrer von Kuchl dem Ansinnen der Vigauner große
Folter gestand sie, mit Hilfe dieser „Männchen" zaubern
Hindernisse in den Weg. Das Konsistorium jedoch setzte
zu können, was ausreichte, um sie auf den
sich über diese Einwände hinweg und bestimmte den
Scheiterhaufen zu bringen. Gemeinsam mit weiteren
Umfang des neuen Vikariates, der durch den alten
Verurteilten, unter diesen Gertraud Faistmanin, die
Filialbezirk vorgegeben war. Erst in den Jahren 1783 bis
Rosina Kalspergerin die Herstellung der „Galgmannerl"
1803 wurden mehrfach Auspfarrungen nach St.
gelehrt haben soll, wurde auch sie am 12. März 1678
Koloman, Hallein und Kuchl beantragt, aber nur teilweise
mittels Erdrosselung und nachfolgender Verbrennung
bewilligt. Jene sechzehn Häuser, die um „Ueberpfarrung"
hingerichtet. 77
nach St. Koloman eingereicht hatten,
In den 1680er Jahren schließlich ließ Erzbischof Max
Gandolph Graf Kuenburg die Verfolgung des Zauberer-
Jackls einstellen, da die bürokratisch und verwaltungs-
86
konnten schließlich nach lebhaften und turbulenten
Verhandlungen ausgepfarrt werden, wobei dem Vigauner
Vikar allerdings eine jährliche Entschädigungssumme von
16 Gulden zustand. Mehrmals verlangten die Bewohner
Burgfrieds die Zuteilung nach Hallein, ohne jedoch damit
Erfolg zu haben. Nach mehr als einhundertjähriger
Bemühung erreichten sie im Mai 1898, daß ein großer
Teil von Burgfried von Vigaun abgetrennt und nach
Hallein ausgepfarrt wurde. Dieser Entwicklung war
bereits 1895 das Gesetz vom 17. September dieses
Jahres betreffend die Vereinigung der Ortsgemeinden
Burgfried und Taxach mit der Stadtgemeinde Hallein
vorausgegangen. 81
Hilfspriester wurden im Vikariat Vigaun seit dem Jahr
1726 fast ununterbrochen beschäftigt und mußten von
den Einkünften des jeweiligen Vikars miterhalten werden.
Interessant ist, daß Joseph Mohr, der Dichter des
Weihnachtsliedes „Stille Nacht, Heilige Nacht", 1821 als
Koadjutor in Vigaun weilte. 82 Bis 1860 hatten bereits 92
Seelsorger als Hilfspriester in Vigaun fungiert. Da der
Sustentations- oder Erhaltungsbeitrag für den Koadjutor
das Budget des Vikars doch stark beanspruchte - das
Vikariat war nur für einen Priester gestiftet worden -,
reichte 1840 Vikar Ferdinand Ritter von Lama ein
Gesuch um eine gesetzliche Unterstützung ein. Nach
längerer Diskussion seitens der zuständigen Stellen sah
man die evidente Notwendigkeit des gesicherten
Sustentationsbeitrages ein und wies diesen seit 1842
folgend periodenweise aus dem Salzburger
Religionsfonds an. 83
Wie aus der „Beschreibung des ganzen
Vermoegensstandes der sam(m)entlichen Milden-Orte
von der Hauptstadt Salzburg und dem ganzen Lande
MDCCXCV" hervorgeht, besaß das Vikariatgotteshaus
Ende des 18. Jahrhunderts ein Gesamtvermögen von
knapp über 5.000 Gulden, das bis zum Jahr 1800 noch
auf 5.726 Gulden anwuchs. Die Filialkirche St.
Margarethen näherte sich stetig der 3.000 Guldengrenze
und die Dreifaltigkeitsbruderschaft, auf die noch näher
eingegangen wird, wies einen Vermögensstand von
annähernd 1.900 Gulden aus. 84 Aufschlußreich ist auch
ein Blick auf die jährlichen „Ertragniße" der
Vikariatsstelle Vigaun, die für das Jahr 1793 aufgelistet
wurden. Zu den Einkünften aus der Rubrik „pfarrliche
Gottesdienste" zählten 20 Roraten (ä 40 Kreuzer), 42
Seelengottesdienste (ä 1 Gulden), 6 Hochzeitsämter (ä 1
Gulden) oder beispielsweise 463 Messen (ä 30 Kreuzer).
Daneben fielen noch Stiftungs-, Besoldungs- und
Opfergelder an (z.B. die „Einnahm der österlichen
Beichtzedeln" 10 Gulden). Die „Stollgefälle" („auf
Hochzeit, Sponsalien, Copulationen, Tauf- und Todtenschein,
dann sam(m)entl. Verkündungen" 24 Gulden) und
geringe Diensteinnahmen (die „Haabersam(m)lung"
betr(ä)g(t) jährlich von 35 Metzen a 36 x (= Kreuzer)" 21
Gulden)
Ein Zeichen der Volksfrömmigkeit ist die Gedenktafel an
den Müller Johann Schnall an der Römerbrücke.
87
undeten zusätzlich das Gesamteinkommen ab, das die
Summe von 762 Gulden ausmachte. 85 Diese
Aufzeichnungen waren vor allem bei Freiwerdung der
Vikariatsstelle von besonderem Interesse, um sowohl
dem Konsistorium als auch den Bewerbern einen
Überblick über die Arbeitsleistung und die finanzielle
Situation zu verschaffen. Da auch Ende des 18.
Jahrhunderts in Salzburg ein Mangel an qualifizierten
Priestern bestand, und es sicherlich nicht immer einfach
war, ausreichend geeignete Kanditaten für die Seelsorge
zu finden, wußten die aufgeklärten Mitglieder des
Konsistoriums bisweilen den rationalen mit dem
rationellen Standpunkt zu verbinden. So sollte auf
Vorschlag des Dechants von Hallein der „alte und in der
Seelsorge verdiente Priester" Vikar Andrä Kaspar
Greiner, der 1786 sein Amt in Vigaun niederlegte, im
Pfarrhof Kuchl wohnen, da er dort eine gute Verpflegung
sowie medizinische Betreuung genießen konnte und -
typisch für die Aufklärungszeit - „(b)ey dem gegenwärtigen
Mangel der Priestern auf solche Weise vielleicht der
Herr Pfarrer nicht mehr als einen Herrn Koadjutor
vonnöthen haben dürfte. " 86
Bemerkenswert ist, daß auch das Vikariat Vigaun
gelegentlich von der Priesternot betroffen war, doch
wußten sich die resoluten Gemeindemitglieder sehr wohl
zu helfen. Der Konsistorialrat und Generalvisitator
Zacharias Lang hielt seine Eindrücke zu diesem Problem
1794 fest: „Einige Gemeindemänner von Vigaun
drangen bey mir sehr nachdrücklich, und beynahe mit
einer Art Ungestüm(m)igkeit darauf, daß, da die
Ernen(n)ung eines Vikars noch auf einige Zeit verschoben
bleiben dürfte, und die Gemeinde ohnehin einen zweiten
Priester schon lange entbehren mußte, so ein zweiter
Hilfpriester wenigstens irzt bis zur Wiederbesetzung des
Vikariats dahin abgeordnet werden möchte; indem sie
ihn nicht länger mehr entbehren können. " 87 Ein
Eingreifen des Konsistorialrates war nicht mehr
notwendig, da bereits kurz nach der Vorsprache der
Gemeindemänner Leopold Holzer zum neuen Vikar
bestellt wurde und sein Seelsorgeamt immerhin bis 1798
ausübte.
Volksfrömmigkeit
Bäuerliche Arbeit, christliche Lebensweise und
Brauchtum waren wohl die bedeutendsten Schwerpunkte
im Jahresablauf der ländlichen Bevölkerung. Eine
Verbundenheit, die sich auch noch bei den Robotdiensten
bei den Kirchenrenovierungen oder -umbauten
(so beispielsweise 1789 oder 1899) in Taten ausdrückte.
Neben der Errichtung des Vikariates manifestierte sich
die barocke Volksfrömmigkeit der Vigauner zusätzlich in
der Bitte um Zulassung der heiligen Skapulierbruderschaft.
Der Vikar, der die Mitglieder seiner Kirchengemeinde
bereits gut kannte, meinte kritisierend, daß er ihnen ihre
Devotion zu der hl. Maria nur dann glauben könnte,
wenn die Bittsteller „ nit alljärlich die heil. Frauenabendt
für Ordinari schier bis zu einfallender Nacht mit laut und
grober Arbeit zubringen thäten. " 88 Das Konsistorium in
Salzburg verweigerte die Bewilligung mit Hinweis auf das
Bestehen dieser Bruderschaft in Hallein. Bereits ein Jahr
später, 1724, war ein Gesuch um Errichtung der heiligen
Dreifaltigkeitsbruderschaft, für welche eine Dotation von
350 Gulden vorgesehen war, erfolgreicher. Nachdem am
1. September 1724 die päpstliche Zustimmung schriftlich
erfolgte, hatte auch das Konsistorium keine Vorbehalte
mehr und empfahl, die Statuten der Bruderschaft
gleichen Namens in der Priesterhauskirche in Salzburg zu
übernehmen. Die Bruderschaft zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit
wurde in den Jahren von 1700 bis 1802 insgesamt
in vierzehn Orten gegründet, so z.B. in
Dorfwerfen, Uttendorf, Saalbach, Seekirchen, Lessach,
Anif, Abtenau etc. 89 Wie schon im späteren Mittelalter so
bildeten die Bruderschaften mit ihrem religiösen
Gemeinschaftssinn oft auch noch im 18. Jahrhundert die
finanzielle Grundlage einer Pfarrgemeinde beim Armen-,
Schul- und Unterstützungswesen sowie beim Neu- bzw.
Erweiterungsbau von Kirchen. Diese sozial-caritative
Aufgabe wird auch im päpstlichen Breve angedeutet, wo
es heißt, daß die Mitglieder Arme beherbergen und „den
Bedrängten, Mühseligen und Kranken, vörderst den
Gefangenen, so weit sich eines jeden Vemögen erstreckt,
mit zuläßigem Rath und That an die Hand zu gehen,
oder Hülfe leisten" sollten. 90 Eine große Anziehungskraft
übten diese christlichen Gesinnungsgemeinschaften auch
durch die Verheißung der Sündenvergebung aus.
„Erstlich haben sie vollkommenen Ablaß und Verzeihung
aller ihrer Sünden an dem Tage ihres Eintritts oder
Einschreibung in diese Bruderschaft, wie imgleichen
hernach alle Jahre am Sonntag der Allerheiligsten und
unzertheilten Dreifaltigkeit, als ihrem Haupt-Fest; endlich
zur Zeit ihres Absterbens, wann sie doch jedes Mahl die
in dem päpstlichen Breve hiezu erforderlichen Werke
fleißig verrichten." 91 Neben vier weiteren „mindern oder
kleinern" Festtagen wurden außerdem die Prozessionen
und Bruderschaftsumgänge, die die Mitglieder am Tag
des Hauptfestes sowie jeden dritten Sonntag im Monat
abhielten, feierlich begangen. Die Mitgliederzahl der
Dreifaltigkeitsbruderschaft in Vigaun war durchaus beachtlich,
denn um 1880 zählte die Vereinigung 996
Pfarrangehörige, d.h. daß ein Großteil der Dorfbewohner
der Bruderschaft beigetreten war. Das Vermögen - 1460
Gulden - war zum überwiegenden Teil in öffentlichen
Fonds oder bei Privaten angelegt; als Jahresbudget wurde
eine Summe von 177 Gulden veranschlagt, und als
jeweiliger Vorstand („Obmann") fungierte der Vikar bzw.
ab 1858 der Pfarrer. 92
88
Der letzte regierende Fürsterzbischof, Hieronymus Graf
Colloredo, ging als aufgeklärter Landesherr und geistlicher
Oberhirte gegen die barocke Ausprägung des
christlichen Glaubens in entschiedener Weise vor. In
seinem berühmten Hirtenbrief von 1782 wetterte er
gegen kirchliche Mißstände mannigfacher Art und schuf
damit die Grundlage für einschneidende Veränderungen,
die vor allem von der ländlichen Bevölkerung jedoch
vielfach nicht akzeptiert wurden. Obwohl Colloredo auch
harte Kritik an den Priestern übte und der Hoffnung
Ausdruck verlieh, daß „Gott (…) jede christliche
Gemeinde vor einem Seelsorger (behüten wolle), der sein
Amt nur mechanisch, handwerksmäßig und aus Noth
treibt, schon zufrieden ist, den Augen und Ohren etwas
vorgemacht zu haben, seine Pfrunde nur als ein Mittel
zum bequemen Leben und zum Vermögensammeln
ansiehet, der seine Tage im Dienste des Bauches oder
des Mammons verleben will, und vergessen hat; daß
seine Herde nicht zu seinem Dienste, sondern er zum
Dienste der Herde da ist!" 93 , blieben ihm das Verständnis
und die Zustimmung für seine Maßnahmen versagt.
Auch in Vigaun verhielt es sich nicht anders! 1785
wurden in der Filialkirche St. Margarethen die üblichen
Messen an Sonn- und Feiertagen abgestellt, eine
Vorgehensweise, die Protest hervorrief. Zusätzlich ließ
Erzbischof Colloredo die Kreuzgänge nach Maria Plain
verbieten, wo man eine mehrpfündige Wachskerze
opferte und die bereits während der Pestzeiten gelobt
worden war. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
pilgerten die Wallfahrer des Vikariates Vigaun auch auf
den Dürrnberg, wo es angeblich zu mehreren Gebetserhörungen
gekommen war, nach Kuchl, nach
Georgenberg oder nach St. Margarethen. Die beliebte
Wallfahrt zur St. Margarethenkirche wurde vor allem an
den sogenannten drei „Engerlingfeiertagen" (St. Georgs-,
St. Heinrichs- und St. Margarethentag) mit Kreuzvölkern
aus der gesamten Pfarre Kuchl durchgeführt, wo die
Landbevölkerung den Schutz ihrer Felder vor Schädlingen
erflehte. Die Frühmesse mußte an diesen Tagen
der Geistliche von Adnet, das Hochamt der Kuchler
Pfarrer feiern und die Predigt der Vikar aus Vigaun
halten. 94 Nach dem Verbot des Kreuzganges nach Maria
Plain gingen die Wallfahrer ohne Begleitung eines
Priesters zu dieser Marienverehrungsstätte. Da es jedoch
ein Anliegen der Vigauner war, den von den Vorfahren
gestifteten Kreuzgang nicht in Vergessenheit geraten zu
lassen, richteten sie mehrmals eindringliche Bittschriften
an das Konsistorium mit Hinweis auf die ihrer Meinung
nach ohnedies geringe Anzahl jährlicher Wallfahrten.
Aber erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde
neuerlich die Bewilligung
Bittgänge gehören auch heute
zum pfarrlichen Leben im
Jahreskreis: Hier einer der
drei Bittgänge nach St. Margarethen
an den „Bittagen" vor
Christi Himmelfahrt.
89
Die Titelseite des Bruderschaftsbüchls der
1724 gegründeten Vigauner Dreifaltigkeitsbruderschaft,
das erste Druckwerk
speziell für Vigaun?
90
zur Abhaltung eines Bittganges unter Leitung des Vikars
erteilt. 95
Auch das vielfach geübte Wetterläuten und -schießen, das
die Leute auf dem Feld und im Haus auf die drohende
Unwettergefahr aufmerksam machen sollte, wurde 1785
von obrigkeitlicher Seite stark eingeschränkt. In der
entsprechenden Verordnung, die das Gespür für die
bewahrende Mentalität der Landbevölkerung gänzlich
vermissen läßt, heißt es wörtlich: „Soll in Zukunft bey
einem aufsteigenden Hochgewitter mehr nicht, als ein
kurzes dreimaliges Glockenzeichen, eben so wie man zu
dem englischen Gruß zu la(e)uten pflegt, gegeben, und
das na(e)mliche Zeichen, sobald das Gewitter uoru(e)ber
gegangen ist, wiederholet werden. " 96 Bei Zuwiderhandlung
drohte eine höhere Geldstrafe, die der
jeweiligen Gemeindearmenkasse zufloß. Für das
Wetterläuten war in der Regel der Mesner zuständig, der
sich an heißen und schwülen Sommertagen als genauer
Beobachter auszeichnen konnte. Solange ein Gewitter
andauerte, mußte er wachsam sein, „um bey einem
etwaigen Unglu(e)cksfalle durch Anschlagung der
Glocken, oder auf eine andere Art die umliegenden Orte
aufmerksam machen und zur Hilfe rufen zu können". 97
Da das Einkommen des Mesners auf dem Land eher
gering ausfiel, sollte ihnen für ihre Tätigkeit auch das
sogenannte Wetterläutgeld ausgefolgt werden. 1807
verweigerte man den Mesnern zu Vigaun (l Gulden) und
zu St. Margarethen (2 Gulden) kurzfristig diese jährliche
finanzielle Zuwendung, erst im folgenden Jahr wurde die
„gnädigste Verleihung" erneut bewilligt. Daß das
Wetterläuten nicht gänzlich ungefährlich war, bewiesen
die zahlreichen Unfälle, die sich dabei ereigneten; das
Verbot Erzbischof Colloredos vom Jahr 1785 konnte
vom k.k. Kreisamt 1817 aus diesem Grund nur bestätigt
werden. 98 Auch in Vigaun entging man nur knapp einer
gefährlichen Situation. Am Maria Himmelfahrtsfest 1802
schlug der Blitz in die erst 1791 ausgebesserte
Turmspitze ein, „fuhr zu der 1727 aufgestellten Orgel,
welche er zertrümmerte und Zin(n)pfeifen davon biszum
Speisgitter schleuderte." Die nötigen Zug- und
Handlangerarbeiten bei der wiederum fälligen Reparatur
wurden wie schon so häufig freiwillig von den
Gemeindemitgliedern geleistet. Auch nach Jahrhunderten
war die Einheit bäuerliches und kirchliches Leben
noch nicht brüchig geworden.
Vigaun im 19. Jahrhundert –
der Ort gewinnt an Bedeutung
Zählte Vigaun in seinen heutigen Grenzen im Mittelalter
nur einige wenige hundert Einwohner, so wuchs die
Bevölkerung bis 1990 auf annähernd 1800 Ortsansässige
an. Für die Frühzeit fehlen uns verläßliche
Daten gänzlich, erst mit Ende des 18. Jahrhunderts
lassen sich konkrete Zahlen anführen.
So wurde die Volkszahl des Pfleggerichtes Golling um
1795 mit 7163 „Seelen" angegeben, wovon 1229 im
Vikariat Vigaun ihren Wohnsitz hatten. Der Ort selbst
zählte natürlich wesentlich weniger Ansässige und dürfte
ähnlich wie das gesamte Erzbistum Salzburg zwischen
1795 und 1805 durch politische Wirren und kriegerische
Auseinandersetzungen einen Bevölkerungsrückgang
erlitten haben (im Dekanat Hallein betrug diese Einbuße
ca 3,7% oder 760 Personen). 10 ° Eingehender befaßte
sich der Topograph Weilmeyr mit den einzelnen
Ortsteilen, der seine Ergebnisse im „Topographischen
Lexikon vom Salzach-Kreise" auflistete, welches 1812,
also während der bayerischen Herrschaft, erschien.
Vigaun charakterisierte er als Vikariatsdorf mit 350
Seelen und 72 Häusern, „Aign" im Vikariat Vigaun
zählte 86 Seelen und 19 zertreut liegende Häuser, Riedl
113 Seelen und 18 Wohngebäude, Baumhofen 60
Seelen in ebenfalls zerstreut liegenden Bauernhäusern,
die Ortschaft Rengerberg hingegen bewohnten 189
Seelen in 42 Häusern. Der Weiler „Burgfrieden" mit
seinen 689 Einwohnern war nur im Bereich der
Seelsorge teilweise an Vigaun angegliedert, was
gelegentlich zu Schwierigkeiten führte, da Kinder in
Hallein und nicht in Vigaun getauft wurden, wodurch das
Taufregister nicht korrekt geführt werden konnte bzw.
Taufgebühren ungerechtfertigterweise nach Hallein
abflößen. 101
Die Kirchengemeinde Vigaun beschrieb Weilmeyr
folgendermaßen: „Das Vikariat, das sich u(e)ber die
Ortschaften Aign, Baumhofen, einen Theil von
Burgfried, Rengenberg und Riedl erstreckt, zählt 1200
Seelen, darunter 506 m. und 485 w. Kommunikanten,
steht unter dem Dekanate Hallein und ist in dem Bezirke
des R.A. Golling (...). Daselbst ist auch eine Schule." 102
Kriege und Kämpfe in unmittelbarer Nähe,
Kontributionen sowie Einquartierungen - 1810 hielten
sich immerhin sechs Kompanien des 2200 Mann
umfassenden 57. Linien-Infanterie-Regimentes der französischen
Armee in Hallein, Adnet und Vigaun auf 103 -
erschwerten eine Bevölkerungszunahme im frühen 19.
Jahrhundert. 1817 siedelten 707 Menschen in 151
Wohn- und Wirtschaftsgebäuden auf dem Gebietsstand
der späteren Gemeinde Vigaun, 1843 waren es ca. 730.
Danach stagnierte die Bevölkerungsentwicklung, es kam
sogar zu einem nicht unerheblichen Rückgang (1870
610 Einwohner, 1890 632 Einwohner - Aigen 64, St.
Margarethen 73, Rengerberg 212, Vigaun 283). Erst
nach der Jahrhundertwende konnte wieder ein Zuwachs
verzeichnet werden, die Bevölkerungszahl nahm bis zum
Jahr 1990 um mehr als das Doppelte zu, wobei die
größte Steigerungsrate in den letzten dreißig Jahren zu
verzeichnen war. 104
91
Auf der Karte des
Berchtesgadener Landes
„Das Landt und Frei Stifft
Berchtolsgaden mit den
anstossenden Grenzen"
um 1620 sind „Tauggl
Fl(uss)", „S. Dionis" und
„S. Margreth" zu finden.
An der Taug! sind zwei
Brücken eingezeichnet,
auf der Kuchler Seite auch
der Galgen.
92
Nach dem fünffachen Regierungswechsel in den Jahren
1803 bis 1816 kehrte in Salzburg erneut Ruhe ein.
Durch die Degradierung des Landes zum fünften Kreis
der „Provinz Oberösterreich und Salzburg" mußte das
Randgebiet zu Bayern unter der Herrschaft der Habsburger
nunmehr für mehrere Jahrzehnte das kümmerliche
Schattendasein einer bedeutungslos gewordenen
Provinz führen. Diese unfreiwillige Idylle war am Land
noch stärker ausgeprägt als in der Stadt. Das Leben in
Vigaun ging seinen gewohnten Gang und wurde
weiterhin durch Arbeit, kirchliche Seelsorge und
Schicksalsschläge bestimmt. So starben beispielsweise
noch 1816 viele Bewohner des Dorfes in jugendlichem
Alter. Im Vikariat Vigaun standen in diesem Jahr 49
großteils ehelichen Geburten 40 Todesfälle gegenüber,
wobei die Kindersterblichkeit immerhin 17 Opfer
gefordert hatte. Bestimmte Krankheiten traten mit
Ausnahme gelegentlicher Fieberepedemien kaum gehäuft
auf, auch die gefürchteten Blattern bekam man
allmählich in den Griff. Vigaun hatte noch immer keine
eigene Hebamme, doch konnte man die Unterstützung
der Geburtshelferinnen in Hallein oder in Kuchl erbitten.
105
Auch in religiöser Hinsicht ereignete sich im frühen 19.
Jahrhundert zunächst nichts Ungewöhnliches, die
Pfarrerhebung in der zweiten Hälfte dieses Zeitabschnittes
(1858) hingegen stellte lediglich die
Anerkennung der gewachsenen Bedeutung des Seelsorgegebietes
dar. Wie aus dem Bericht des Vikars Mitte
der 1820er Jahre an die kirchliche Oberbehörde zu
entnehmen ist, waren keine wesentlichen Beschwerden
zu verzeichnen, selbst der ungeliebte deutsche Kirchengesang
bei den Gottesdiensten ließ sich friedlich
durchsetzen. „Schwarze Schafe" gab es im Dekanat nur
wenige, und so wurden bloß zwei Männer namentlich
beschuldigt, gegen die Lehren der katholischen Kirche zu
verstoßen. Einem ehemaligen Gutsbesitzer wurde
vorgeworfen, seit drei Jahren der Kirche und den
heiligen Sakramenten ferngeblieben zu sein, ein anderer
sollte seit zwölf Jahren in Trennung von seiner Frau
leben, die in der Stadt Salzburg eine eigene Wohnung
unterhielt. Um diese „Mißstände" abzustellen, übte man
sowohl von geistlicher als auch von privater Seite
moralischen Druck aus. 106
Grundentlastung 1848
Einschneidender als die bisher geschilderten Ereignisse
waren sicherlich die Veränderungen in der Besitzstruktur,
die das Revolutionsjahr 1848 auslöste. - Zunächst muß
aber ein Blick auf das versteuerbare Vermögen, auf das
landwirtschaftliche Kapital, geworfen werden, wie dieses
in Vigaun im Stichjahr 1830 verteilt war. Als wichtigste
Quelle stehen uns dafür die Mappen des sogenannten
„Franciszäischen Katasters"
zur Verfügung, die im Salzburger Landesarchiv
aufbewahrt werden. Bereits mit Entschluß vom 23.
Dezember 1817 verfügte Kaiser Franz I. die Anlage eines
genauen Steuerkatasters, der auch nach ihm benannt
wurde. Auf der Grundlage einer umfassenden Landestriangulierung
erfolgte im Jahr 1830 die erste maßstabsgetreue
Vermessungsaufnahme des Landes Salzburg.
Für den Historiker ist auch bedeutend, daß diese
Mappen den Zustand des Landes noch vor den verändernden
Eingriffen der Industrialisierung und der
umfassenden Verkehrserschließung wiedergeben. Als
administrative Neuerung brachte das Vermessungswerk
die Errichtung der Katastralgemeinde. 107 Neben einer
definitiven Grenzbeschreibung des Ortes Vigaun, der zum
Steuerbezirk Golling zählte, wurden in das „Protocoll der
Catastral Vermessung" auch die verschiedenen
Grundherrschaften und eine Auflistung der 147 Gebäude
bzw. Häuser mit ihrem Verwendungszweck als Wohnund/oder
Wirtschaftsgebäude aufgenommen. 108
Besonders wesentlich und interessant ist jedoch, daß
erstmals auf den Zustand der Landwirtschaft in der
Steuergemeinde Vigaun näher eingegangen wurde. So
fanden sich dort neben den üblichen Bodennutzungsarten
wie Äcker und Wiesen auch noch Waldungen und
wenige Hutweiden. Noch um das Jahr 1800 konnten die
Bauern des Taugltales zusätzlich den 1758 Meter hohen
Trattberg als „Freyalpe" in Anspruch nehmen, „auf
welcher 58 Käsen (= Almhütten) sich befinden, und
wohin 80 Bauern mit ihrem Melkviehe auffahren, und
noch mehrere andere Bauern ihr Rindvieh, und ihre
Pferde zum freyen Weidgenuße treiben". 109 Den
stundenlangen und beschwerlichen Anmarsch nahm man
dafür gerne in Kauf.
An Hauptfrüchten baute man Hafer, Weizen und Korn
an sowie als Nachfrüchte Kartoffeln, weiße Rüben und
Kraut in geringer Quantität. Den Kartoffelanbau
versuchte bereits die erzbischöfliche Regierung Ende des
18. Jahrhunderts in verstärktem Maß zu propagieren,
doch da man den „Erdapfel" vielfach als Schweinefutter
ansah, konnte die Aussaat nur unwesentlich vermehrt
werden. Obwohl diese Frucht auch bei der
Katastererhebung 1830 noch in keiner prozentuell
faßbaren Größenordnung vorkam 110 , fand man es in
Vigaun bedeutsam, auf diesen Anbau gesondert
hinzuweisen. Die Frage nach den Absatzmärkten der
landwirtschaftlichen Produkte mußte hingegen negativ
beantwortet werden: „Die hiesige Gemeinde hat
höchstens nur in gesegneten Jahren an Hafer zum
Verkauf etwas übrig, - und erklärt: daß Sie bisher noch
nie in der glücklichen Lage war, etwas von ihren übrigen
erzeugten Produkten zum Verkaufe losschlagen zu
dürfen." An Nutzvieh wurde ein Bestand von ca. 180
Kühen, 30-40 Kälbern und
93
20 Schafen ausgewiesen, als Zugvieh listete man 18
Pferde und fünf Ochsen auf. Grundbesitzer, die jedoch
über kein eigenes Zugvieh verfügen konnten, mußten
dieses bei Nachbarn oder in anderen Ortsteilen ausleihen
bzw. „mieten", wobei die Kosten pro Zugtag für Pferde
zwei Gulden CMWW (= Conventions-Münze Wiener
Währung) und für Ochsen ein Gulden 40 Kreuzer
CMWW betrugen. 111 Bis zum Jahr 1851 vergrößerte sich
die Anzahl des Großviehs auf 556 und die des Kleinviehs
auf 940 Stück. Auch die Pferdezucht war im Taugltal
keineswegs unbedeutend; es wurden annähernd
einhundert Pferde gehalten und der Durchschnittspreis
dafür betrug nach 1860 ca. 300 Gulden. 112
In der Gegend um Hallein kam es sogar zu Mißstimmigkeiten,
da angeblich „irrthu(e)mliche Begriffe"
über den Zweck der Volksbewaffnung verbreitet wurden.
So schimpfte ein Nationalgardist aus Salzburg, daß man
in den Ortschaften in der Nähe Halleins „die la(e)pische
Idee unter den Landbewohnern zu verbreiten suchte, daß
die Nationalgarden, wenn sie einmal einexerciert sind,
zum Kriegsdienste verwendet und in das Milita(e)r
eingereiht werden. (...) Bei dem biederen Sinn unseres
Landbewohners fu(e)r alles Gute, istes zu bedauern, daß
diejenigen, welche durch ihre Stellung oder Bildung
berufen sind, auf das Volk aufkla(e)rend zu wirken, es in
ihrer na(e)chsten Na(e)he unterlassen, solche irr-
Obwohl in der Steuergemeinde Vigaun ein Mangel an
Taglöhnern herrschte, verdienten männliche
Handarbeiter zusätzlich zu den Naturalleistungen lediglich
20 Kreuzer täglich. Die Arbeit der Frauen wurde noch
schlechter entlohnt, ihnen bezahlte man nur 16 Kreuzer
pro Tag. Aber auch die Lage der Bauern war durch die
vielfachen steuerlichen Abgaben beeinträchtigt, die ihre
Erträge schmälerten. „Die Lasten die auf unsern
Gründen haften, sind folgende: 1.) Die landesherrl.
Steuern 2.) die Stiften und andre Natural-Giebigkeiten
3.)der Zehent an das Kapitel und Stift Nonnberg in
Salzburg 4.) die Erhaltung der Armen im Orte selbst in
Naturalien 5.) die Gemeinde Umlagen 6.) Bei dem
Antritte einer neuen Grundherrschaft, - bey Uebergaben,
- muß die (...) Anlait an die Grundherrschaft entrichtet
werden." 113 Es versteht sich von selbst, daß man
zumindest einem Teil dieser Abgaben entkommen wollte.
Die Ereignisse des Revolutionsjahres 1848 schufen dafür
die notwendigen Voraussetzungen. Sogar der erklärte
Revolutionsgegner und Schriftsteller Matthias Koch
kritisierte noch in den 1840er Jahren die
unangemessene steuerliche Belastung der Hofbesitzer.
Bezugnehmend auf die Verhältnisse im „Gollinger-
Bezirke" meinte er: „Ueberall beinahe findet sich, daß die
Gemeindelasten beträchtlich sind und die Besteuerten
stark in Anspruch nehmen. Uebrigens sind es nicht die
landesfürstlichen, sondern die gutsherrlichen Abgaben,
welche die Bauernwirthschaften nicht emporkommen
lassen. Diese sind auch hier bis zur Hälfte ihres Werthes
und wie überall von alter Zeit her verschuldet. " 114
Im März 1848 stürzte eine breite konstitutionelle Bewegung
den ungeliebten Staatskanzler Metternich.
Bereits Mitte des Monats mußte Kaiser Ferdinand die
Pressefreiheit und die Bildung von Nationalgarden
gewähren sowie eine Konstitution versprechen. Die
Wiener Ereignisse verbreiteten sich auch in Salzburg in
Windeseile. Die Bevölkerung ertrug die neue Last des
Nationalgardendienstes, wodurch die Ordnung und
Sicherheit garantiert werden sollte, willig, jedoch scheinbar
ohne allzu große Begeisterung.
Mit der Grundentlastung 1848 endete auch die
Grundherrschaft des Stifts Nonnberg in Vigaun, an die
im Gemeindewappen die drei goldenen Kugeln erinnern.
94
thu(e)mliche Geru(e)chte oder eitle Zwistigkeiten durch
Belehrung ungefa(e)hrlich zu machen." 115
Die gegen vermeintliche innere und äußere Gefahren
gegründeten Nationalgarden stießen bei der ländlichen
Bevölkerung, die Ruhe und Ordnung als ihre Pflicht
ansah, auf wenig Interesse. Wesentlich bedeutsamer für
den einzelnen Bauer war die Grundentlastung, eine
bleibende Errungenschaft des Revolutionsjahres, welche
die Verhältnisse der im Agrarbereich tätigen Mehrheit
gänzlich neu gestaltete. Obwohl die Revolution niedergeschlagen
werden konnte, setzte die Regierung die
Bauernbefreiung fort. Mit der Ministerial-Verordnung
vom 4. Oktober 1849 wurden die Durchführungsbestimmungen
zur Grundentlastung im Kronland
Salzburg näher erläutert. Zur Umsetzung dieser
Verordnung errichtete man die k.k. Grundentlastungskommission,
die in Salzburg in 23 Bezirksunterabteilungen
gegliedert war. Nur zu einem geringen Teil
wurden die eigentlichen Urbarial-, Zehent- und
vogtherrlichen Rechte entschädigungslos gestrichen, die
übrigen Ansprüche waren im zwanzigfachen Jahreswert
abzulösen, wobei als Berechnungsgrundlage die eher
niedrig gehaltenen Sätze des stabilen Grundsteuer-
Katasters bzw. der Urbarial- und Zehentfassionen
Gültigkeit hatten. Den so ermittelten Geldwert zerlegte
man in drei gleiche Teile: ein Drittel hatte der ehemalige
Grundherr gewissermaßen als Gegenleistung für seine
nunmehr entfallenden Pflichten zu streichen; ein Drittel
mußte vom Zinspflichtigen innerhalb von 20 Jahren
bezahlt werden; das letzte Drittel schließlich hatte das
Land in einem Zeitraum von 40 Jahren aufzubringen.
Die erwiesenermaßen hohen Viehpreise der fünfziger
Jahre erleichterten den Vigauner Bauern die Begleichung
der übernommenen Schulden. Die Jahrhunderte
andauernde Verbindung zum dominierenden Grundbesitzer
Nonnberg war damit endgültig gelöst. Auch die
Abgaben an die Vikariatskirche Vigaun und an die
Filialkirche St. Margarethen wurden großteils beseitigt;
die Grundentlastungskapitalien dieser geistlichen Stiftungen
bzw. Körperschaften machten jedoch lediglich
einen Minimalbetrag von unter 100 Gulden aus. 116 Der
Wert der Naturaliensammlung - im zehnjährigen
Durchschnitt ca. 36 bayerische Metzen, die der Seelsorger
in eigener Person von Hof zu Hof gehend
einsammeln mußte - betrug aber noch 1857 20 Gulden
34 Kreuzer CMWW. 117 Insgesamt betrachtet harrte der
Zustand der Landwirtschaft im Kronland Salzburg um
1850 jedoch noch vieler Verbesserungen. Neben dem
geringen Potential an arbeitenden Menschen, der
kostspieligen Erhaltung der Dienstboten und den vielen
Feiertagen wurde zusätzlich „der gänzliche Mangel an
aufmunternden rationellen Beispielen und Belehrungen
zur Verbesserung der Bewirthschaftung des Bodens" 118
entsprechend kritisiert.
Errichtung der Gemeinde 1849
Auf Grund des „Provisorischen Gemeindegesetzes" vom
17. März 1849 kam es auf dem Land zur Errichtung von
155 Gemeinden, wozu auch Vigaun mit seiner heutigen
Grenzziehung zählte. Durch den Wegfall der bisherigen
Grundherrschaften sollten den Gemeinden auch viele
ehemals obrigkeitliche Rechte eingeräumt werden. Zwar
wurden noch die Gemeindevertretungen gewählt, doch
dann „legte sich der Rauhreif des Neoabsolutismus auf
den Habsburgerstaat". 119 Gemeindevorstand Mathias
Wintersteller, die beiden Gemeinderäte Josef Ziller und
Johann Georg Weiß sowie die neun Mitglieder des
Ausschusses, dem auch der Schulmeister und Vikar
Lama angehörten, amtierten weiterhin als Hilfsorgane
der staatlichen Verwaltung. Die Gemeindevertretung
bestand verständlicherweise zum größten Teil aus
Bauern. Von den 729 Ortsbewohnern waren 1850 nur
121 oder 16,6% tatsächlich wahlberechtigt, zur Wahl
erschienen jedoch lediglich 79 Vigauner (die
Wahlbeteiligung betrug also nur minimale 65,3%). 120 In
der Übergangsphase vom Absolutismus zur
konstitutionellen Ära wurden schließlich im Herbst 1860
die Gemeindevertretungsorgane durch einen Urnengang
neu bestimmt. Der Bauer Anton Schieferer übernahm
nunmehr das Amt des Vorstandes, Blasius Frank und
Georg Schörghofer fungierten als Gemeinderäte. Nach
der Ansicht des k. k. Bezirksamtes waren sämtliche Gewählte
in politischer Hinsicht „von sehr gemässigt
liberaler Gesinnung u(nd) loyal". 121
Sozial- und Gesundheitswesen
Zu den Gemeindeagenden zählte auch die problematische
Armenversorgung. Da Armut ein ständiger
Begleiter der kleinen Leute war, mußten legistische
Maßnahmen getroffen werden, um diese soziale
Herausforderung in den Griff zu bekommen. Mit dem
Gesetz betreffend die Regelung der Heimatverhältnisse
von 1863 und mit dem sogenannten Armengesetz vom
30. Dezember 1874 wurde den Gemeinden die Pflicht
auferlegt, „die Verabreichung des nothwendigen
Unterhaltes und die Verpflegung im Falle der
Erkrankung" 122 zu gewährleisten. Zuvor betreuten die
Pfarrarmeninstitute, die überall im Land seit 1827
verpflichtend zu errichten waren, diese Sozialfälle.
Selbstverständlich gab es auch in Vigaun eine derartige
Institution, die beispielsweise 1841 einen Mann und elf
Frauen mit der Summe von 384 österreichischen Gulden
beteilte. Für „Irre" standen zwei Häuser zur vollen
Betreuung zur Verfügung, doch wurden zu diesem
Zeitpunkt die vorhandenen Plätze nicht benötigt. Auch
der allgemeine Bezirks-Armenfonds
95
konnte eine eventuell benötigte finanzielle Aushilfe
gewähren. In den späten 1880er Jahren wurden
zusätzlich die Dienstbotenkrankenkassen im Land
Salzburg errichtet, die einzige Form einer
Pflichtversicherung im ländlichen Bereich, wobei die
Beitragszahlung zwischen Dienstgeber und Arbeitnehmer
im Verhältnis 1:3 geteilt war. Da sich der Klerus in
besonderer Weise für dieses „Salzburger Modell"
engagierte, gelang es trotz vielfacher Schwierigkeiten,
diese Kasse in allen Gemeinden zu installieren. Noch im
Jahr 1905 wurden in mehreren Tennengauer Gemeinden
- so auch in Vigaun -anläßlich des 75-jährigen
Geburtstages Kaiser Franz Josephs I. Elementar- und
Unterstützungsfonds gegründet. Der Zweck dieser
wohltätigen Vereine war, „bei Eintritt von
Elementarereignissen, insbesondere von
Überschwemmungen, an die von solchen Ereignissen
Betroffenen Unterstützungen zu verabfolgen, weil die in
derartigen Fällen vom Staate beigestellten Geldmittel zur
notwendigen Hilfe und Unterstützung nicht ausreichen,
im Falle aber, als nur einzelne Güter von
Elementarereignissen heimgesucht werden, eine
staatliche Notstands-Aktion überhaupt nicht eingeleitet
wird". 123 Bei Brandunglück hingegen versprach der
Brandschaden-Versicherungs Verein „Tännengau", der
seinen Sitz im Markt Golling hatte, einen gewissen
Schutz. 124
In gesundheitlicher Hinsicht bildete Vigaun eine
Ausnahme im Land Salzburg. Noch nach 1840 zeigte
sich der k.k. Kreisarzt und Direktor des medizinischchirurgischen
Studiums, Dr. Carl Ozlberger, über den
keineswegs günstigen Gesundheitszustand der Bewohner
des Salzburger Kreises besorgt. Als schädigende Einflüsse
für das Leben des einzelnen erachtete er das rauhe
Klima, die anstrengenden Arbeiten des Landmannes, die
vorherrschende Unreinlichkeit, die schwere und sehr
fette Kost - in der Regel wurden mehr Mehl- als
Fleischspeisen konsumiert -, den übermäßigen Bier- und
Branntweingenuß sowie die engen und dumpfen
Wohnungen des Landvolkes. Der medizinische Laie
Pfarrer Lama äußerte sich in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts zum Thema Gesundheit und Alter
der Vigauner aber folgendermaßen: „Übrigens hat die
Gegend, besonders wo die Vikariatskirche liegt, eine
äußerst gesunde Lage. Der trockene Sandboden der
Anhöhe und der frische Luftzug hindert das Auftreten
von ansteckenden Krankheiten und Seuchen, selbst die
gewöhnlichen Krankheiten, als Blattern, Nervenfieber,
Typhus, Scharlach dehnen sich selten über mehr als ein
Haus aus. Das gilt ebenso von den höher gelegenen
Wohnungen im Riedl und Rengerberg; darum trifft man
hier nicht selten Menschen von sehr hohen (sie!) Alter
von 70, 80, 90 und selbst 100 Jahren an." 125 Im November
1898 forderte aber dann doch die „Diphtheritis"
ihre Opfer. Pfarrer Johann Gruber berichtet in der von
ihm begonnenen Pfarrchronik von Vigaun, daß manche
Erwachsene und zahlreiche Kinder ernsthaft erkrankten.
Sogar die Schule mußte von Dezember bis Anfang März
geschlossen bleiben, da einige Kinder an den Folgen
dieser bakteriellen Infektion verstarben. 126
Pfarrerhebung 1858
Mit der Erhebung des Vikariates Vigaun zur Pfarre im
Jahr 1858 fand die kirchliche Entwicklung ihren
Abschluß. Obwohl der Prozeß der Pfarrerhebungen des
19. Jahrhunderts eine allgemeine Erscheinung in der
Erzdiözese Salzburg war - allein 1858 wurde das
Pfarrnetz um zwölf Pfarren erweitert - und in den
ausführenden Händen der Erzbischöfe lag 127 , gewann
dadurch auch das Dorf Vigaun an Bedeutung und
Prestige. Der gebührende Rang einer Pfarre wurde dem
„alten" Vikariat durch den hohen Ministerialerlaß vom 7.
Jänner 1858 zugesprochen. Dem bereits mehrfach
erwähnten Ferdinand Ritter von Lama, der seit 1839 die
Stelle des Vikars versah, wurde die Ehre zuteil, als erster
Pfarrer in die Geschichte Vigauns einzugehen. Mit dieser
Erhöhung war zusätzlich eine Aufbesserung des Gehaltes
für den Priester aus dem Religionsfonds vorgesehen,
sodaß Pfarrer Lama in den Genuß bestimmter Pfründe
kommen konnte. Vom Einkommen, welches 1858
vorläufig mit 573 Gulden und 16 Kreuzern angegeben
wurde, konnten nach § 192 des Taxgesetzes von 1840
für den Pfründner 300 und für jeden Hilfspriester
überdies nochmals 200 Gulden als taxfreie Gebühr in
Abzug gebracht werden. Trotz dieser klaren Besteuerungsgrundlage
gab es mehrmals Schwierigkeiten
mit der k.k. Staatsbuchhaltung in Salzburg. 128
Pfarrer Lama zeigte sich aber nicht nur um das Wohl
seiner Kirchengemeinde besorgt, sondern war nebenbei
an der Erforschung der Geschichte der näheren
Umgebung besonders interessiert. Wenn seine Methoden
und Ergebnisse auch heute nicht mehr der Kritik
standhalten können, so muß doch zumindest sein
Engagement gewürdigt werden. Schon 1864 äußerte
sich die Salzburger Zeitung zu seiner Person: „Wer sich
über die Denkwürdigkeiten und geschichtlichen Daten
Figaun's sammt Umgebung interessiert, der wolle sich an
der dortigen Pfarrherrn Ritter v. Lama wenden, welcher
mit der größten Freundlichkeit zu Diensten steht." 129
Am 20. November 1867 verstarb Pfarrer Lama, der
immerhin 28 Jahre die Vigauner priesterlich betreut
hatte. Testamentarisch stiftete er mit seinem nicht
unerheblichen Privatvermögen ein Beneficium zu St.
Margarethen, wodurch altersschwachen, in der Seelsorge
ergrauten Priestern eine Unterkunft für ihren
96
Lebensabend geboten hätte werden sollen. Laut Gesetz
war diese letzte Verfügung aber nicht ganz unproblematisch,
da die Pfarrkirche Vigaun, der
Armenfonds der Gemeinde und die Verwandten je ein
Drittel des Vermögens hätten verlangen können. Obwohl
es in den folgenden Jahren nicht zur Errichtung des
Beneficiums kam, wurde das vorhandene Geld dennoch
sinnvoll genützt. 1903 betrug die Kassabarschaft lediglich
871 Kronen, 17.400 Kronen hingegen waren in
öffentlichen Fonds angelegt und mehr als 35.000
Kronen an Privatschuldner verliehen.
Durch die Geldentwertung wurde auch dieser Fonds
schwer in Mitleidenschaft gezogen bzw. ruiniert, das
restliche „Vermögen" betrug nur mehr 7 Schillinge und
20 Groschen. 130
Nach dem Tod von Ritter von Lama mußte das Amt des
Pfarrers neu bestellt werden. Wie aus der Kompetenten-
Tabelle hervorgeht, interessierten sich neun Bewerber für
die Pfarre Vigaun. Schließlich entsprachen sowohl das
erzbischöfliche Ordinariat als auch die Landesregierung
der Bitte Joseph Menhardts, Pfarrer in Hüttau. Menhardt
war der älteste Bewerber, 1808 in Steyr in
Oberösterreich geboren, sehr erfahren in der Seelsorge
und eifrig im Schuldienst. Seinen Lebenswandel
bezeichnete man als tadellos. Da er an einem Fußleiden
litt, war die gebirgige Pfarre Hüttau im Fritztal nicht der
geeignete Platz für ihn. Auch seine vorgesetzte Stelle sah
diese Sachlage in ähnlichem Licht: „(S)o ist doppelt
wünschenswerth, daß er auf eine(n) minder
anstrengende(n) Posten im Flachlande versetzt werde.
" 131 Bis 1879 kümmerte sich Pfarrer Menhardt
gewissenhaft um seine neue Pfarre; das letzte Dezennium
seines Lebens verbrachte er aber in seinem Geburtsort
Steyr, wo er 1886 im Alter von 78 Jahren verstarb.
Bei Prozessionen mitgetragen wurde auch die bekleidete
und mit Naturhaar ausgestattete Madonna aus dem 18.
Jahrhundert (heute in der Pfarrkirche im linken
Seitenschiff).
Das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts
Diese wenigen Jahre verliefen nicht minder ereignislos.
Ende November 1897 wurde wiederum die
Gemeinderatswahl durchgeführt und die eprobten
Männer in ihren Ämtern bestätigt. Gemeindevorstand
Simon Schaber vertrat zusätzlich von 1896 bis 1902 als
Landtagsabgeordneter die Interessen der Tennengauer
Landgemeinden im Landtag. 132 Nachdem bereits 1891
im benachbarten Hallein der erste gewissermaßen
„unpolitische" katholische Arbeiterverein durch den
Ortsseelsorger gegründet worden war, schritt man im Juli
1898 auch im Dorf Vigaun zur Gründung dieses
„Bollwerkes" gegen die Sozialdemokraten, „nachdem
durch hochw. Hr. Coop. die Vorarbeiten mit vielem
Fleißegemacht worden waren", 133 Da Politik
satzungsgemäß nicht erlaubt war, verwundert es nicht
weiter, daß sich die Vereinsmitglieder eher folgsam und
passiv verhielten.
Knapp an der Jahrhundertwende wurde von den
Gläubigen auch der Wunsch geäußert, die Renovierung
der Kirche in Angriff zu nehmen. In besonderer Weise
erwies sich Kaspar Neureiter, ehemals Bauer zu
Kleinbrettstein, als Wohltäter der Pfarrkirche. Die von
ihm angeregte Sammlung brachte ein Ergebnis von
ungefähr 3.000 Gulden, wodurch die Kosten großteils
gedeckt waren. Die Bauern leisteten zusätzlich die schon
traditionellen Robotdienste. 134 Drückte sich das
gewachsene Selbstbewußtsein
97
98
VI Das Langhaus der Vigauner Pfarrkirche ist eine dreischiffige, vierjochige Halle. Der Chor ist zweijochig,
netzrippen-gewölbt und mit 1519 bezeichnet und geht in das Netzrippengewölbe des südlichen, gleich hohen
Seitenschiffs über.
Bilder auf der nächsten Seite VII: Links oben die Kanzel: Marmorkanzelkorb auf sechseckiger Säule, polychromiertes
Reliefwappen des Erzbischofs Johann Jakob von Kuen Belasy, bezeichnet 1567. Das Sakristeiportal (Bild rechts
oben) im ersten nördlichen Chorjoch ist mehrfach gekehlt und gestäbt. Links unten das Kruzifix der Totenkapelle,
rechts unten das Altarblatt des linken Seitenaltars: Die Taufe Christi von Georg Beham, 1597 (Seite 118).
99
100
VIII Die Bildtafeln im nördlichen Seitenschiff zeigen die Kreuzabnahme und die Grablegung und stammen aus dem
Ende des 16. Jahrhunderts. Sie dürften Teil eines Flügelaltars gewesen sein: Auf der Rückseite der Tafeln sind der hl.
Martin beziehungsweise die Stigmatisation des hl. Franz von Assisi dargestellt (Seite 119).
101
der Gemeindemitglieder durch die in Angriff genommene
Kirchenerneuerung und -verschönerung aus, so läßt sich
die gesteigerte wirtschaftliche Bedeutung des Ortes am
Gewerbeschematismus ablesen. So gingen in den späten
1890er Jahren in Vigaun immerhin 5 Gastwirte, 4 bis 5
„Händler", 2 bis 3 Käseerzeuger, 1 Essighersteller, 1
Schmied, 1 Schneider, 3 bis 4 Schuster, 1 bis 2 Tischler,
1 Viehhändler sowie 1 Wagner ihrem Gewerbe nach. 135
Den Bemühungen des Gemeindeausschusses war es zu
verdanken, daß Vigaun im November 1901 auch
Anschluß an das Schienennetz fand.
Das k. k. Eisenbahn-Ministerium ließ die Haltestelle
„Vigaun-St. Colomann" errichten und sechs Züge sollten
künftig dort halten. In der Zeitung gab man sich
optimistisch, was den materiellen Nutzen dieser
Bahnstation betraf: „Daß sich die Haltestelle rentieren
werde, kann man daraus schließen, daß
gleich in den ersten 2 Tagen der Kartenverkauf 10 fl.
=20 K betrug. " 136
Vigaun in „Reiseberichten" des 18. und 19.
Jahrhunderts
Nachdem Natur und Landschaft jahrhundertelang kaum
beachtet worden waren, stießen sie seit dem letzten
Viertel des 18. Jahrhunderts auch beim gebildeten
Salzburger auf zunehmendes Interesse. Obwohl sich
Vigaun zu dieser Zeit lediglich als ein Dorf mit stark
ausgeprägtem landwirtschaftlichen Charakter präsentierte,
das bei den Händlern, Kaufleuten und anderen
Reisenden wenig Beachtung fand, lassen sich doch
sporadisch Bemerkungen über den Ort in den
Reiseberichten bzw. Topographien
In derselben Nische, in der das Jahr über die
bekleidete Madonna aufgestellt ist, befindet
sich in den Kartagen das „Hl. Grab": Es ist,
wie in unserer Gegend üblich, mit von hinten
beleuchteten und mit gefärbtem Wasser
gefüllten Glaskugeln verziert. Oberhalb des
Grabes Szenen aus dem Leiden des Herrn,
unter der Altartischplatte die Darstellung des
Hinabsteigens in das Reich des Todes.
102
nachweisen. Häufig gaben sich die Autoren mit der
Nennung der Anzahl der Einwohner, einiger
geschichtlicher Daten und der wirtschaftlichen Grundlagen
bereits zufrieden. 137
Nur wenige kritisierten die überhöhten Preise in der
nächsten Umgebung der Märkte Golling und Kuchl oder
den zunehmenden „Kleiderluxus und andere erkünstelte
Bedürfnisse". 138 Die Mentalität der Dorf- und
Marktbewohner zu erfassen, erachtete man als wichtiger.
So versuchte beispielsweise der Journalist und
Topograph Lorenz Hübner die Ansässigen des Pfleggerichtes
Golling pauschalierend zu kennzeichnen. „Der
Charakter der Einwohner dieses Pfleggerichts na(e)hert
sich, je na(e)her man dem Gebirge kommt, schon mehr
jenem der Gebirgsbewohner, ob er gleich auch noch
einigen Anstrich von der Zuru(e)ckhaltung und dem
Mißtrauen der Flachla(e)nder, welche nahe an großen
Sta(e)dten wohnen, an sich tra(e)gt. Das Volk ist im
ganzen lustig, und fro(e)hlich, obgleich gro(e)ßten Theils
zum Aberglauben geneigt. Die Kleidung fa(e)ngt schon
von Kirchspiele zu Kirchspiele an sich etwas zu
a(e)ndern 139 , und die Bewohner von mehr abgelegenen
Gegenden zeichnen sich darin vorzu(e)glich aus. Die
beliebtesten Belustigungen sind Scheibenschießen, Kegelund
Kartenspiele. " 140
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts charakterisierte man
den Landmann auch noch mit sichtlichem Respekt, wie
aus den „Briefen eines reisenden Franzosen" hervorgeht.
„Viele der hiesigen Bauern tragen noch lange Ba(e)rte
und den Hals und die Brust zu jeder Jahreszeit offen.
Diese ist dann von der Sonne und der Luft gebra(e)unt
und meistens stark beharrt. In einiger Entfernung sehn
sie schrecklich aus; aber in der Na(e)he macht sie ihr
freundlicher Blick
und das unverhehlbare Gepra(e)ge der Redlichkeit willkommen.
" 141
Zu den Naturerscheinungen, die man der Erwähnung für
würdig befand, zählten das Taugltal und -bach sowie der
schöne Nadelwald Faistelau. 142 Schon um 1845 wurde
die Empfehlung ausgesprochen, die Straße von Hallein
nach Kuchl zu befahren, um den schattenspendenden
dichten Wald intensiver durchstreifen zu können. Immer
wieder riefen auch die kultivierten Felder die
Bewunderung und das Staunen des Betrachters hervor,
der seine Eindrücke bisweilen in romantisierender Form
zu Papier brachte. 143 Ähnlich „liebliche" Beschreibungen
lassen sich nebenbei auch für St. Margarethen anführen.
Noch nach 1880 fand Sebastian Wimmer folgende
Charakterisierung für angemessen: „Dieses Dörflein liegt
reizend mit seinen zwischen Obstbäumen halbversteckten
Häusern am Fuße des bewaldeten Höhenrücken(s), des
Riedls. Die kleine alte Kirche mit schlankem Spitzthurme,
einer an der Außenseite angebrachten Marmorkanzel und
einem hübschen Portale steht auf einer künstlichen
Terrasse, die mit einer niedrigen Mauer eingefaßt ist. " 144
Diese wenn auch nur kurzen Beschreibungen des Ortes
und seiner Besonderheiten waren zumindest geeignet,
das Interesse der Reisenden zu wecken und bereiteten
bereits den Weg hin zum Sommerfremdenverkehrsort
mittlerer Bedeutung. Nach der Errichtung der Haltestelle
Vigaun konnten sodann zu Beginn unseres Jahrhunderts
dem ortsunkundigen Wanderer schließlich noch folgende
Spaziergänge besonders nahegelegt werden: „Zum stillen
Kirchlein von Margarethen und zum uralten Vigaun mit
gothischer Kirche aus 1488; zur Römersbrücke an der
Tauglmühle oder durch den steinbesäten Tauglwald
gegen Kuchl. " 145
ANMERKUNGEN
1 Tennengau vor 75 Jahren. Einwohnerzahl des Bezirkes in
dieser Zeitspanne fast verdoppelt, in: Gästezeitung
Tennengau 11 (1988) Nr. 216.
2 Figaun und das Tauglthal, in: Salzburger Zeitung 1864 Nr.
149.
3 F. Dückher von Hasslau zu Winkl, Saltzburgische Chronica
1666. Mit einem Nachwort von R. Wagner (Nachdruck
Graz 1979), S. 22.
4 B. Pillwein, Das Herzogthum Salzburg oder der Salzburger
Kreis. Ein Originalwerk (Linz 1839) (= Geschichte,
Geographie und Statistik des Erzherzogthums Oesterreich
ob der Enns und des Herzogthums Salzburg Bd. 5), S.
231.
5 A. Prinzinger, Die Eisenbahn und die alten Verkehrswege.
Teil 4 (Kuchl-Georgenberg), in: Mitteilungen der
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (= MGSL) 21
(1881), S. 3-6 (hier S. 6); H.Widmann, Geschichte
Salzburgs. Bd. l (Gotha 1907) (= Allgemei-
ne Staatengeschichte. 3. Abt. Deutsche Landesgeschichten
Bd. 9/ 1), S. 31.
6 Vgl. für die folgende Darstellung R. Mittermüller, Die Lage
von Cucullä, in: Jahres-Bericht des vaterländischen
Museums Carolino Augusteum der Landes-Hauptstadt
Salzburg für das Jahr 1858,
S. 61-71; J. E. Ritter von Koch-Sternfeld, Ein Ausflug
über Salzburg in die wunderschöne Landschaft bis zum
Passe Lueg und die Lage von Cucullä noch einmal!, in:
Ebd. 1859, S. 56-64.
7 Mittermüller, Lage von Cucullä (wie Anm. 6), S. 70.
8 Zur Rettung salzburgischer Alterthümer, in: Salzburger
Zeitung 1850 Nr. 294-296.
9 F. Ritter von Lama, Historisch statistische Nachweisung
über die Seelsorgs Station Figaun und deren
Nebenstiftungen
(Vigaun
1860), o.Pag., KonsistorialarchivSalzburg (= KÄS), 6/105
Vigaun Historica.
10 Koch-Sternfeld, Ausflug über Salzburg (wie Anm. 6), S. 57
u. 64
103
Aus dem Jahr 1948 stammt ein Aquarell von Ludwig Randacher, das das Dorf Vigaun gegen den Schwarzerberg und
das Tennengebirge hin zeigt.
11 A. Ebner, Das Decanat Hallein (1890-1897) (= Campus
Sanctus Bd. 12), Vigaun S. 36, Bibliothek Sankt Peter
Salzburg.
12 Alterthümer (wie Anm. 8) Nr. 295.
13 S. Wimmer, Hallein und Umgebung (Hallein 1883), S.
129; Heimatkunde vor 50 Jahren, in: Pfarrblatt des
Dekanates Hallein 2 (1932) Nr. 10.
14 Der Bergrutsch am (sic!) Tauglwald, in: Salzburger Chronik
1935 Nr. 206.
15 Prinzinger, Verkehrswege (wie Anm. 5), Teil 3 (Die
Faistelau und Kuchl-Georgenberg), in: MGSL 19 (1879), S.
105.
16 F. Narobe, Die Ruine im Brandwald bei St. Margarethen,
in: MGSL 74 (1934), S. 182-184; Fundberichte aus
Österreich 2 (1935-1938), S. 45; Ebner, Decanat Hallein
(wie Anm. 11), S. 30.
17 F. Zillner, Salzburger Sagen, in: MGSL 2 (1862), S. 73
(Bruderlochsage).
18 R. Moll, Die Anfänge des Christentums, in: Geschichte
Salzburgs.Stadt und Land. Hrsg. von H. Dopsch und H.
Spatzenegger. Bd. l/l. 2. verb. Aufl. (Salzburg 1983), S.
98f.
19 Eugippius, Das Leben des Heiligen Severin. Lateinisch und
Deutsch. Übersetzt von R. Noll (Berlin 1963) (= Schriften
und Quellen der Alten Welt Bd. 11), S. 90f.
20 N. Watteck, Einsiedler. Inklusen, Eremiten, Klausner und
Waldbrüder im Salzburgischen (Salzburg 1972), S. 113-
118 (hier S. 114); Wimmer, Hallein (wie Anm. 13), S.
128.
21 Einweihung des „Bruderloches", in: Volksfreund 1899 Nr.
20.
22 Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Salzburg.
Hrsg. vom Reichsstatthalter für den Reichsgau Salzburg.
Jg. 1940 St. 30 Nr. 112.
23 Watteck, Einsiedler (wie Anm. 20), S. 116-118; Das
Bruderloch und die Klausnerhöhle bei St. Margarethen in
Vigaun, in Pfarrblatt des Dekanates Hallein 2 (1932) Nr. 7.
24 H. Wallmann, Zwölf Salzburger Sagen, in: MGSL 4
(1864), S. 247 (Die Teufelsbrücke bei der Tauglmühle).
25 Salzburg, Stadt und Land. Bearb. von B. Euler u.a. (Wien
1986) (= Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler
Österreichs), S. 469.
26 Wimmer, Hallein (wie Anm. 13), S. 130.
27 Das Triften auf der Taugl, in: Gästezeitung Tennengau 6
(1982) Nr.121; vgl. auch allgemein E. Koller,
Forstgeschiche des Landes Salzburg (Salzburg 1975).
28 Zit. nach A. Frank, Die Teufelsbrücke bei der (sic!) Vigaun
über die Taugl, in: Salzburger Volksblatt 1909 Nr. 294;
Die „Römer- oder Teufelsbrücke" in der Taugl (Manuskript
o.O und o.J.),
104
S. 2; Salzburger Landesarchiv (= SLA). Hofkammer
Golling 1614.
29 SLA, Frank Ortsgeschichten (Vigaun, Teufelsbrücke); P.
Buberl, Die Denkmale des politischen Bezirkes Hallein
(Wien-Augsburg-Köln 1927) (= Österreichische
Kunsttopographie Bd. 20), S. 275.
30 Die Römerbrücke in der Tauglmühle, in: Gästezeitung
Tennengau 5 (l980) Nr. 84.
31 Umfangreiches Aktenmaterial (1902-1904) zur
Ausgestaltung der Römerbrücke findet sich im SLA, BH
Hallein, Vigaun Römerbrücke; Verhandlungen des
Salzburger Landtages. Bd. 42 (1904)
Nr. 341, ad Nr. 341; Die Römerbrücke bei Hallein, in:
Salzburger Tagblatt 1903 Nr. 69.
32 Die Römerbrücke bei Taugl, in: Salzburger Zeitung 1904
Nr. 284.
33 KAS, 6/107 Vigaun Varia Pastoralia.
34 Ebner, Decanat Hallein (wie Anm. 11), S. 27; Wimmer,
Hallein (wie Anm. 13), S. 128. Vgl. allgemein zu diesem
Kapitel auch F.Ortner, Salzburger Kirchengeschichte. Von
den Anfängen bis zur Gegenwart (Salzburg 1988); F. V.
Zillner, Salzburgische Dörfer im Mittelalter, in: MGSL 32
(1892), S. 159-202.
35 Salzburger Urkundenbuch (= SUB). Bearb. von W.
Hauthaler und F. Martin. Bd. II (Salzburg 1916) Nr. 119;
F. Esterl, Chronik des adeligen Benediktiner-Frauen-Stiftes
Nonnberg in Salzburg (Salzburg 1841), S. 22 und Nr. 1.
36 SUB II Nr. 232; Esterl, Chronik (wie Anm. 35), Nr. 2.
37 H. Dopsch, Klöster und Stifte, in: Geschichte Salzburgs.
Stadt und Land. Hrsg. von H. Dopsch und H.
Spatzenegger. Bd. 1/2 (Salzburg 1983), S. 1013f;
Widmann, Geschichte Salzburgs (wie Anm. 5), S. 251f.
38 SLA, Franciszäischer Kataster Vigaun (Protokoll der
Catastral Vermessung); M. Ringlschwendtner, Die Häuser
von Vigaun, in: Pfarrblatt Salzburg-Umgebung, Flachgau
und Tennengau (= PFSFT) 4 (1934) Nr. 8 - 6 (1936) Nr.
12.
39 A. Doppier und W. Hauthaler, Urbar des Benedictinnen-
Stiftes Nonnberg, in: MGSL 23 (1883), S. 49; H. Klein,
Über Schwaigen im Salzburgischen, in: Beiträge zur
Siedlungs-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte von
Salzburg. Festschrift H. Klein (Salzburg 1965) (= MGSL
Ergänzungsbd. 5), S. 294.
40 Vgl. das Nonnberger Urbar des Amtes Vigaun aus dem 18.
Jhdt. - SLA, Urbar 458 n - oder auch die Hofmeistereiurbare
des 17. Jhdts. aus dem Pfleggericht Golling - SLA,
Urbar 70 und 71.
41 H. Dopsch, Die soziale Entwicklung, in: Geschichte
Salzburgs (wie Anm. 18), S. 414-418; G. Stadier,
Rodungsleistungen und Besitzverhältnisse unserer
bäuerlichen Vorfahren, in: Unser Salzburg (Salzburg
1985), S. 110-114.
42 SLA, Urbar 458 i.
43 Doppier, Urbar (wie Anm. 38), S. 49; Ringlschwendtner,
Häuser (wie Anm. 38), in: PFSFT 5 (1935) Nr. 12.
44 Zit. nach Ringlschwendtner, Häuser (wie Anm. 38), in:
PFSFT 4 (1934) Nr. 12; Wanderführer Vigaun und
Umgebung. Bearb. von S. Neureiter (Vigaun o.J.), S. 6.
45 A. Doppier und H. Widmann, Urkunden und Regesten
des Benedictinerinnen-Stiftes Nonnberg in Salzburg.
Sonderdruck der MGSL 35 (1895) - 48 (1908) Nr. 28.
46 SUB IV Nr. 347; F. Martin, Die Regesten der Erzbischöfe
und des Domkapitels von Salzburg 1247-1343. Bd. 3
(Salzburg 1934) Nr. 933.
47 SUB IV Nr. 349; Martin, Regesten (wie Anm. 46) Nr.952.
48 F. Pagitz, Die rechtliche Stellung der Salzburger Bauern im
Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Die Ehre Erbhof.
Analyse einer jungen Tradition. Hrsg. von A. Dworsky und
H. Schider (Salzburg-Wien 1980), S. 23.
49 Dopsch, Soziale Entwicklung (wie Anm. 41), S. 378f;
Ders., Klöster und Stifte (wie Anm. 37), S. 1015; H. Klein,
Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstiftes Salzburg im
späteren Mittelalter, in: Festschrift Klein (wie Anm. 39), S.
224; F. Martin, Die kirchliche Vogtei im Erzstifte
Salzburg, in: MGSL 46 (1906), S. 374-377.
50 SUB I Nr. 179.
51 Ebd. Nr. 667.
52 Doppier, Urkunden Nonnberg (wie Anm. 45) Nr. 14.
53 Ebd. Nr. 474.
54 A. Doppier, Auszüge aus den Original-Urkunden des
fürsterzbischöfl. Consistorial-Archives zu Salzburg, in:
MGSL 13 (1873) Nr. 110 und MGSL 14 (1874) Nr. 190.
55 Buberl, Denkmale (wie Anm. 29), S. 46 und 261; (J.
Dürlinger), Historisch-statistisches Handbuch der
Erzdiöcese Salzburg in ihren heutigen Grenzen. Bd. l
(Salzburg 1862), S. 537f.
56 Unsere Pfarrkirche, in: Pfarrblatt des Dekanates Hallein 3
(1933) Nr. 1.
57 Dürlinger, Handbuch Erzdiöcese (wie Anm. 55), S. 538; K.
F.Hermann, Erläuterungen zum Historischen Atlas der
österreichischen Alpenländer. Hrsg. von der österr.
Akademie der Wissenschaften. Abt. H/Teil 9 (Salzburg
1957), S. 98; vgl. auch Lama, Seelsorgs Station Figaun
(wie Anm. 9).
58 Auf diesen unfreiwilligen Sturz machte mich
freundlicherweise Herr Michael Veits aus Salzburg
aufmerksam. Zit. nach A. Schwob,
Oswald von Wolkenstein. Eine Biographie. 2. Aufl. (Bozen
1977) (= Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes Bd.
4), S. 181f.
59 D. Kühn, Ich Wolkenstein. Eine Biographie (Frankfurt
1988),S. 410-412 (hier S. 412); K. Baasch und H.
Nürnberger, Oswald von Wolkenstein (Reinbek bei
Hamburg 1986) (= Rowohlts Monographien Bd. 360), S.
100.
60 (F. Th. von Kleimayrn), Nachrichten vom Zustande der
Gegenden und Stadt Juvavia...(Salzburg 1784), S. 419.
61 J. A. Schultes, Reise auf den Glockner an Kärthens,
Salzburgs und Tyrols Gränze und durch Salzburg und
Berchtesgaden. Teil 3 (Wien 1804), S. 179f; E.
Bruckmüller und G. Ammerer, Die Land- und
Forstwirtschaft in der frühen Neuzeit, in: Geschichte
Salzburgs. Stadt und Land. Hrsg. von H. Dopsch und H.
Spatzenegger. Bd. II/3 (im Druck); G. Ammerer, Beiträge
zur Salzburger Landwirtschaft in der Zeit der Aufklärung
(Manuskript), S. 2.
62 G. Ammerer, „Alles was sich rührt, beschäftigt sich mit
Baumwolle stricken". Bemerkungen zum Halleiner
Wollverlag im 17. und 18. Jahrhundert, in: Salzburg
Archiv2 (1986), S. 173-177; E. Penninger
und G. Stadier, Hallein. Ursprung und Geschichte der
Salinenstadt (Salzburg 1970), S. 46f; Fr. Moosleitner,
Hallein - Portrait einer Kleinstadt. Bilddokumente zur Bauund
Kulturgeschichte der Salinenstadt. 2. verbesserte Aufl.
(Salzburg 1989), S. 170-172; vgl. auch SLA, Churf. u. k.k.
österr. Regierung 47/7.
105
63 J. Th. Zauner (Hrsg.), Auszug der wichtigsten hochfürstlichen
Salzburgischen Landesgesetze zum
gemeinnützigen Gebrauch nach alphabetischer Ordnung.
Bd. l (Salzburg 1785), S. 313- 318; Archivaliensammlung
des Salzburger Museums Carolino Augusteum,
Schwarze Groß 897.
64 SLA, Churf. u. k.k. österr. Regierung 23/5
(Verstückungen Vigaun).
65 H. Siegel und K. Tomaschek, Die Salzburgischen Taidinge
(Wien 1870) (= Österreichische Weisthümer Bd. 1), S.
143-150. Zur Problematik der „Landgemeinde" vgl. F.
Koller, Die Landgemeinde im Erzstift Salzburg, in: Die
ländliche Gemeinde. II commune rurale.
Historikertagung in Bad Ragaz 16.-18.10.1985 (Bozen
1988) (= Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft
Alpenländer), S. 85-99.
66 Fr. M. Vierthaler, Meine Wanderungen durch
Salzburg, Berchtesgaden und Oesterreich. Teil l (Wien
1816), S. 196, 198.
67 SLA, Churf. u. k.k. österr. Regierung 12/13.
68 N. Watteck, Lappen, Fexen und Sonderlinge in Salzburg,
in: MGSL 118(1978), S. 230.
69 SLA, Churf. u. k.k. österr. Regierung 12/13.
70 KAS, 6/107 Vigaun Personalia, Folge der Vikare und
Pfarrer.
71 KÄS, 6/106 Vigaun Varia Oeconomica.
72 G.B. Winkler, Die nachtridentinischen Synoden im Reich.
Salzburger Provinzialkonzilien 1569,1573,1576(Wien-
Köln-Graz 1988), S. 112.
73 SLA, Handschriften 153 (Visitatio Decanatus Hällinensis
peracta 1653).
74 KAS, 6/106 Vigaun Varia Oeconomica.
75 Ortner, Salzburger Kirchengeschichte (wie Anm. 34), S.
111.
76 H. Nagl, Der Zauberer-Jackl-Prozeß. Hexenprozesse im
Erzstift Salzburg 1675-1690, in: MGSL 112/113
(1972/73), S. 422-440, 530; E. Baumgartner, Der
Zaubererjackl. Die Anfänge des
großen Salzburger Zauberprozesses nach den Akten des
Pfleggerichtes Golling dargestellt (Salzburg 1930), S. 7f.
77 Nagl, Zauber-Jackl-Prozeß (wie Anm. 76), S. 529; Die
Hexe von Vigaun, in: Salzburger Volksblatt 1931 Nr. 33;
SLA, Hofratsprotokolle 1678 Bd. l, Folio 198f.
78 Zur Vikariatserhebung vgl. KÄS, 6/105 Vigaun Historica;
6/107 Vigaun Personalia, Folge der Vikare und Pfarrer;
Lama, Seelsorgs Station Figaun (wie Anm. 9); Dürlinger,
Handbuch Erzdiöcese (wie Anm. 55), S. 538-541;
Hermann, Erläuterungen (wie Anm. 57), S. 97f.
79 Ortner, Salzburger Kirchengeschichte (wie Anm. 34), S.
129.
80 Dürlinger, Handbuch Erzdiöcese (wie Anm. 55), S. 540.
81 Landes-Gesetz- und Verordnungsblatt für das Herzogthum
Salzburg. Hrsg. vom Salzburger Landtag. Jg. 1895 St. 26
Nr. 32; Chr. Gärtner, Die Entstehung der
Bezirkshauptmannschaft Hallein, in: 80 Jahre
Bezirkshauptmannschaft Hallein 1896-1976 (Salzburg
1976) (= Salzburg Dokumentationen H. 10), S. 7.
82 Ringlschwendtner, Häuser (wie Anm. 38), in: PFSFT 5
(1935) Nr. 2.
83 Lama, Seelsorgs Station Figaun (wie Anm. 9); Dürlinger,
Handbuch Erzdiöcese (wie Anm. 55), S. 540f.
84 SLA, Geheimes Archiv 14/39 und 14/46 - Beschreibung
des Vermögensstandes der milden Orte 1795 und 1800.
85 KAS, 6/107 Vigaun Personalia, Folge der Vikare und
Pfarrer.
86 Ebd.
87 Ebd.
88 Zit. nach Dürlinger, Handbuch Erzdiöcese (wie Anm. 55),
S. 544; KAS, 6/107 Vigaun Pastoralia, Bruderschaften.
89 Chr. Greinz, Das sociale Wirken der katholischen Kirche in
der Erzdiöcese Salzburg (Wien 1898) (= Das sociale
Wirken der katholischen Kirche in Österreich Bd. 5), S.
75. Ortner, Salzburger Kirchengeschiche (wie Anm. 34),
S. 128f; Verzeichnis der Regeln, Ablässe und Andachten
der löblichen
90 Ortner, Salzburger Kirchengeschiche (wie Anm. 34), S.
128f; Verzeichnis der Regeln, Ablässe und Andachten der
löblichen Bruderschaft, welche unter dem Titel der
allerheiligsten Dreyfaltigkeit in dem lobwürdigen
Gotteshause S.S. Dionysii und Blasii zu Vigaun im Jahre
Christi 1724 ordentlich aufgerichtet worden (Salzburg
1831), S. 6 und 12.
91 Verzeichnis der Regeln der Bruderschaft (wie Anm. 90), S.
8.
92 Vereinswesen in Salzburg. Skizze über die Entwicklung
desselben. Nebst einer statistischen Zusammenstellung der
Vereine des Landes Salzburg (Salzburg 1881), S. VIII.
93 Dieser Hirtenbrief wurde zuletzt abgedruckt bei P.
Hersche(Bearb.), Der aufgeklärte Reformkatholizismus in
Österreich (Bern-Frankfurt 1976) (= Quellen zur Neueren
Geschichte H. 33), S. 45-102 (hier
S. 87f); Ortner, Salzburger Kirchengeschichte (wie Anm.
34), S. 130-133.
94 Dürlinger, Handbuch Ercdiöcese (wie Anm. 55), S. 546;
G. Stadler, Von der Kavalierstour zum Sozialtourismus.
Kulturgeschichte des Salzburger Fremdenverkehrs (Salzburg
1975), S. 33-35; Lama, Seelsorgs Station Figaun (wie
Anm. 9); J. Neuhardt, Wallfahrten im
Erzbistum Salzburg (München-Zürich 1982), S. 83.
95 KAS, 6/107 Vigaun Pastoralia, Bruderschaften.
96 Zauner, Auszug Landesgesetze (wie Anm. 63), Bd. 2
(Salzburg 1787), S. 423-427 (hier S. 423). Ähnliche
Verhältnisse lassen sich auch im benachbarten Ausland,
so in der Fürstpropstei Berchtesgaden, nachweisen - vgl.
Pfarrarchiv Berchtesgaden, Kassette 89 (freundlicher
Hinweis von Fr. Cand.phil. Sabine Falk,
Salzburg).
97 Zauner, Auszug Landesgesetze (wie Anm. 96), S. 425.
98 SLA, Churf. u. k.k. österr. Regierung 9/176; K. Adrian,
Wind und Wetter im Glauben und Brauchtum unseres
Volkes, in: MGSL 84/85 (1944/45), S. 7-10.
99 Ebner, Decanat Hallein (wie Anm. 11), S. 29; Was die
alten Akten von unserem Kirchturm erzählen, in: PFSFT 5
(1935) Nr. 6.
100 L. Huebner, Beschreibung des Erzstiftes und
Reichsfuersthenthums Salzburg in Hinsicht auf
Topographie und Statistik. Bd. l (Salzburg
1796, Faksimile 1983), S. 326; H. Bastgen, Eine amtliche
Berichterstattung über den Diözesanstand in dem
Erzbistum Salzburg im Jahre 1806, in: MGSL 52 (1912),
S. 87.
101 Fr. X. Weilmeyr, Topographisches Lexikon vom Salzach-
Kreise (Salzburg 1812), Bd. l, S. 20, 79, 132f; Bd. 2, S.
159, 161, 346; KAS, 6/107 Vigaun Varia Pastoralia.
102 Weilmeyr, Topographisches Lexikon (wie Anm. 101), Bd.
2, S. 346.
103 A. Ritter von Schallhammer, Kriegerische Ereignisse
im Herzogthume Salzburg in den Jahren 1800, 1805
und 1809 (Salzburg 1853), S.52.
106
104 50 Jahre Landtag. 1861-1911 (Salzburg 1911), S. 12; K.
Klein, Bevölkerung und Siedlung, in: Geschichte Salzburgs.
Stadt und Land. Hrsg. von H. Dopsch und H.
Spatzenegger. Bd. II/2 (Salzburg 1988), S. 1346f; A.
Grundbichler, Vigaun - meine Heimat (Manuskript um
1985/86), S. 7; Vollständiges Ortschaften-Verzeichnis der
im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder nach
den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dezember
1890 (Wien 1892), S. 72.
105 SLA, Gen. Komm. Salzach-Kreis, Hallein B 26/48.
106 KAS, 6/107 Vigaun Varia Pastoralia.
107 Fr. Koller, Das Salzburger Landesarchiv (Salzburg 1987)
(= Schriftenreihe des Salzburger Landesarchivs Bd. 4), S.
172f; E. Richter, Gemarkungen und Steuergemeinden im
Lande Salzburg, in: Archiv für österreichische Geschichte
94 (1907), S. 63-82.
108 SLA, Franciszäischer Kataster Vigaun.
109 Huebner, Beschreibung Erzstift (wie Anm. 100), S. 327.
110 Bruckmüller-Ammerer, Land- und Forstwirtschaft (wie
Anm. 61); Ammerer, Landwirtschaft (wie Anm. 61), S.
15f.
111 SLA, Franciszäischer Kataster Vigaun.
112 SLA, Landesregierungs-Akten 1850-1860 XIV N 1;
Figaun und das Tauglthal (wie Anm. 2) Nr. 148.
113 SLA, Franciszäischer Kataster Vigaun.
114 M. Koch, Reise in Oberösterreich und Salzburg auf der
Route von Linz nach Salzburg, Fusch, Gastein und Ischl.
Mit einem historischen Anhang, Abbildungen und
statistischen Tabellen (Wien 1846), S. 251.
115 Die Nationalgarde auf dem Lande, in: Juvavia 1848 Nr.
18; H. Haas, Vormärz, Revolution und Neoabsolutismus,
in: Geschichte Salzburgs (wie Anm. 104), S. 692f.
116 Haas, Vormärz (wie Anm. 115), S. 709f; 50 Jahre
Landtag (wie Anm. 104), S. 490-492; I. Planitzer-Kocher,
Die Bauernbefreiung 1848 in der Habsburgermonarchie
unter besonderer Berücksichtigung von Salzburg.
Hausarbeit aus Geschichte (masch.) (Salzburg
1981), S. 84-119, 124f (mit vielen weiteren
Literaturhinweisen); SLA, Landesregierungs-Akten 1850-
1860 XX 2.
117 Lama, Seelsorgs Station Figaun (wie Anm. 9); Dürlinger,
Handbuch Erzdiöcese (wie Anm. 55), S. 541.
118 Das Kronland Salzburg vom geschichtlichen,
topographisch-statistischen und landwirtschaftlichen
Standpunkte (Salzburg 1851), S. 81-95 (hier S. 85).
119 Haas, Vormärz (wie Anm. 115), S. 701; Derselbe, „Die
Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde".
Salzburger Erfahrungen zur Gemeindeautonomie 1864-
1868, in: MGSL 126 (1986), S. 555-568.
120 SLA, Landesregierungs-Akten 1850-1860 XIX A l und
XIX A14.
121 SLA, Landeshauptmannschaft 1860/61 XV 2.
122 Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Oesterreich Jg.
1863 St. 105 § 24; E. Mayer, Sozialhilfe in Salzburg.
Gesetzgebung und Praxis in der Zeit der ausgehenden
Monarchie, in: Jahrbuch der
Universität Salzburg 1979-1981, S. 52-72; zu den
Maßnahmen im 18. und 19. Jahrhundert vgl. in jüngster
Zeit auch A. S. Weiß, Armen- und Krankenpflege in
Salzburg unter Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo, in:
Salzburg Archiv 6 (1988), S. 73-94;
Derselbe, „Wer aber ein Herz hat..." Geschichte und
Organisation der Wohlfahrtspflege in Golling, in:
Ortschronik von Golling. Hrsg.
von R. Hoffmann und E. Urbanek (1991).
12350 Jahre Landtag (wie Anm. 104), S. 446-455, 469-476
(hier S. 454); F. Steinkellner, Georg Lienbacher. Salzburger
Abgeordneter zwischen Konservatismus, Liberalismus und
Nationalismus 1870-1896 (Wien-Salzburg 1984) (=
Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums
für Grundfragen der Wissenschaft NF Bd. 17), S. 94-99;
J. E. Tettinek, Die Armen-, Versorgungs- und
Heilanstalten im Herzogthume Salzburg (Salzburg
1850), S. 186; H. Haas, Arbeiterschaft und
Arbeiterbewegung, in: Geschichte Salzburgs (wie Anm.
104), S. 954-959; SLA, Pflegg. Golling 1819/50 XIV
(Statistik).
124 Statuten für den wechselseitigen Brandschaden-
Versicherungsverein „Tännengau" (Hallein-Salzburg 1894).
125 Zit. nach: Die Pest in Vigaun und der Ursprung der
Wallfahrt nach Maria Plain, in: Pfarrblatt des Dekanates
Hallein 2 (1932) Nr. 4; C. Ozlberger, Physischmedizinische
Beschreibung des Herzogthums
Salzburg, in: Medicinische Jahrbücher des k.k.
österreichischen Staates 49/50 (1844), S. 357f; Kronland
Salzburg (wie Anm. 118), S. 93f.
126 Pfarrarchiv Vigaun (= PA V), Pfarrchronik, S. 18; zum
Krankheitsbild vgl. D. Knop, Von Pest bis Aids. Die
Infektionskrankheiten und ihre Geschichte (Teningen
1988), S. 78t.
127 Ortner, Salzburger Kirchengeschichte (wie Anm. 34), S.
148f.
128 SLA, Landesregierungs-Akten 1850 -1860 XIG 67; KÄS,
6/105 Vigaun Historica; Dürlinger, Handbuch Erzdiöcese
(wie Anm. 55), S. 538; Lama, Seelsorgs Station Figaun
(wie Anm. 9).
129 Figaun und das Tauglthal (wie Anm. 2) Nr. 150.
130 KAS, 6/107 Vigaun Stiftung, Ferdinand v. Lama'sche
Beneficium; SLA, Landesregierungs-Akten 1860/69 XIG
24; Ringlschwendtner, Häuser (wie Anm. 38), in: PFSFT 5
(1935) Nr. 4.
131 SLA, Landesregierungs-Akten 1860/69 XIG 26;
Ringlschwendtner, Häuser (wie Anm. 38), in: PFSFT 5
(1935) Nr. 5.
132 50 Jahre Landtag (wie Anm. 104), S. 50; PAV,
Pfarrchronik, S. 6.
133 PAV, Pfarrchronik, S. 13; Haas, Arbeiterschaft (wie Anm.
123), S. 983f.
134 PAV, Pfarrchronik, S. 18 und o.Pag.
135 Salzburgischer Geschäfts-, Volks- und Amtskalender für das
Jahr 1895, S. 93; 1899, S. 106 und 1900, S. 114.
136 Von unserer Haltestelle, in: Salzburger Chronik 1901 Nr.
264; Haltestelle Vigaun, in: Volksfreund 1901 Nr. 45.
137 Z.B. Pillwein, Herzogthum Salzburg (wie Anm. 4), S. 223f,
230f.
138 Koch, Reise (wie Anm. 114), S. 249-251.
139 Vgl. dazu die verschiedenen Trachtendarstellungen des
ausgehenden 18. Jhdts. bei Fr. Prodinger und R. R.
Heinisch, Gewand und Stand. Kostüm- und Trachtenbilder
der Kuenburg-Sammlung (Salzburg-Wien 1983).
140 Huebner, Beschreibung Erzstift (wie Anm. 100), S. 328.
141 K(aspar) R(iespeck), Briefe eines reisenden Franzosen
u(e)ber Deutschland an seinen Bruder zu Paris. 2. verb.
Aufl. Bd. l (o.O. 1784), S. 153.
142 Figaun und das Tauglthal (wie Anm. 2) Nr. 148;
Rettenbacher, Römerbrücke (wie Anm. 30); F. C.
Weidmann, Touristen-Handbuch auf Ausflügen und
Wanderungen in Salzburg und den
Hochthälern Pongau's, Lungau's und Pinzgau's. Bd. l (Wien
1845), S. 162.
107
143 Schultes, Reise auf den Glockner (wie Anm. 61), S. 179f;
Fr. A. von Braune, Salzburg und Berchtesgaden. Ein
Taschenbuch für Reisende und Naturfreunde. Neue
Ausgabe (Wien 1829), S. 140.
144 Wimmer, Hallein (wie Anm. 13), S. 127.
145 Salzburg. Stadt und Land (Salzburg 1902), S. 64.
108
VIGAUNER SAGEN
von Alois Tonweber
Die Gegend von Vigaun ist reich an Naturschönheiten.
Das Zauberreich der Wälder, Fluren, Wiesen, Berge, aber
auch von alten Bauwerken, regte schon zu alten Zeiten
die Phantasie der Menschen an. So entstanden
überirdische Wesen und Erscheinungen. Ob es sich um
den Teufel, feenhafte Wesen, Heilige oder Wundertätige
handelte - derlei Gedankengut erhielt sich in
geheimnisvollen Geschichten und Sagen bis heute. Unser
Vigaun ist reich an solchen Sagen.
Von den ersten Christen im Tennengau
Nahe dem Ort Vigaun zeigt man im Felsen das
sogenannte Bruderloch. Von dieser Höhle berichtet man
folgendes: Als der heilige Severin in der wilden Zeit der
Völkerwanderung um 477 n. Chr. vorübergehend in
Kuchl weilte, sandte er zweimal einen Boten zu seinem
geistlichen Bruder, dem heiligen Maximus, nach
Salzburg, um diesen vor den heranstürmenden Herulern 1
zu warnen. Doch Maximus blieb in Juvavum 2 und verbarg
sich in jener Höhle im Mönchsberg, die heute die
„Katakomben" oder die Maximuskapelle genannt wird.
Sein Aufenthaltsort wurde verraten und er wurde samt
seinen Glaubensgefährten zu Tode gemartert.
Die übriggebliebenen Christen aber flüchteten zu ihrem
Beschützer Severin. Sie feierten im Bruderloch ihre
Gottesdienste, und noch heute ist auf der linken Seite der
Höhle ein Steinsitz zu sehen, von dem aus der Priester zu
den Gläubigen sprach. Die Höhle wurde später von
frommen Einsiedlern, den „Waldbrüdern", als Wohnung
benutzt, und daher rührt ihr Name.
Die große Glocke in Vigaun
Das Geläute zu Vigaun erregte einstmals wegen seines
Wohlklanges den Neid der Nachbarschaft. Man setzte es
beim fürsterzbischöflichen Hof in Salzburg durch, daß die
Glocke abgenommen und mit vier Rossen fortgeführt
wurde. Man konnte sie aber nur bis Langwies bringen,
weil plötzlich Wagen wie Pferde festgebannt schienen
und nicht mehr vom Platz konnten. Das galt den Leuten
als Wink des Himmels. Die Vigauner spannten ein paar
Ochslein vor den Wagen und brachten die Glocke unter
dem Jubel der Bevölkerung ohne die mindeste
Anstrengung wieder zurück. Zum Andenken an dieses
wundersame Ereignis bauten die Vigauner in Langwies
eine Kapelle, in welcher der geschilderte Vorfall in einem
Bild verewigt wurde.
Als der Teufel zur Hochzeit aufspielte
In der Kirche zu Vigaun hing ein altes Bild, das eine
Hochzeit darstellt. An einem Tisch saß mitten unter den
Musikanten der Teufel und spielte eifrig mit. Die Sage
berichtet darüber folgendes: Ein Bauer hielt einst
Hochzeit, wobei es gar lustig herging. Da aber am
anderen Tag ein hoher Feiertag war, sollten nach altem
Brauch um Mitternacht Tanz und Spiel ihr Ende finden.
Als es zwölf Uhr schlug, wollte die ganze Gesellschaft
aufbrechen. Da trat einer der Gäste zu den Musikanten,
gab ihnen zehn Gulden und sagte: „Spielt mir noch einen
lustigen Tanz auf, daß der Teufel auch eine Freude hat!"
Darauf begannen die Musikanten wieder zu blasen und zu
fiedeln. Doch als die Gäste den Tanz beendet hatten,
saßen auf einmal sieben Musikanten um den Tisch,
obwohl es doch bisher nur sechs waren! Als man den
neuen Musikanten näher betrachtete, gewahrte man an
ihm Bocksfüße und Hörner. Laut aufschreiend lief alles
auseinander. Der Teufel aber sprang auf, packte den
Mann, der den letzten Tanz gezahlt hatte, und fuhr mit
ihm zum Fenster hinaus.
Der Teufel im Vigauner Wald
Nächst der Bahnstation Vigaun führt die Bundesstraße
durch einen schönen, dichten Wald. 3 In alter Zeit war
diese Gegend sehr verrufen, und wer nicht unbedingt
diesen Steig zu nehmen hatte, wählte lieber einen
Umweg, denn im Vigauner Wald trieb der Teufel in
höchsteigener Person sein Unwesen! Er fügte zwar
niemand ernsthaft Böses zu, doch sprang er, Qualm und
Feuer speiend, vor den Menschen über die Straße, so
daß viele darüber vor Angst und Schrecken erkrankten.
Die Leute in der Umgebung drängten und baten nun so
lange, bis sich einige Priester entschlossen, den Satan zu
bannen. Mit Weihrauch und frommen Gebeten rückten
sie ihm zu Leibe, mußten aber samt und sonders wieder
abziehen, da sie selbst nicht frei von Sünde waren.
Schließlich fand sich aber ein Priester, der sein ganzes
Leben hindurch untadelig gewesen war und der dem
Teufelsspuk ein Ende machen wollte. Er bereitete sich
durch Fasten und Gebete gar wohl vor und schritt dann
ans Werk.
Diesmal erging es dem Teufel schlecht. Er fühlte, daß er
diesem Priester weichen mußte und verlegte sich deshalb
aufs Verhan-
109
deln. Er bat zuerst, sich in einen Grashalm begeben zu
dürfen, und da ihm dies verweigert wurde, wollte er
seinen Aufenthalt auf einer unzugänglichen Bergspitze
nehmen. Der Geistliche entgegnete jedoch, daß seines
Bleibens unter freiem Himmel nicht mehr wäre.
Schließlich flehte er, man möge ihn in die Tiefe einer
nahen Lache fahren lassen. Der Priester schlug ihm auch
das ab und fuhr mit seiner Beschwörung so lange fort,
bis der Teufel das Vergebliche seines Widerstandes
einsah, durch die Luft entflog und sich mitten im
Tennengebirge niederließ.
Die Teufelsbrücke in der Taugl
Wo der Tauglbach zwischen Vigaun und Kuchl ins
Salzachtal tritt, hat er eine tiefe, wildschäumende Klamm
ausgewaschen. Diese wird von einer uralten Steinbrücke
überspannt; sie heißt im Volksmund die „Römerbrücke".
Lange Zeit schlug jeder Mensch, der darüber schritt, ein
Kreuz, denn man sagte, daß der leibhaftige Satan bei der
Errichtung dieses Bauwerkes seine Hand im Spiel gehabt
hätte.
Dies ging so zu: Vor langen Jahren lebte in der Taugl
eine Müllerin, welche einen Pakt mit dem Teufel
geschlossen hatte. Dieser verpflichtete sich, über den
Tauglbach eine Brücke zu schlagen, die Müllerin aber
mußte versprechen, dem Satan ihr Kind zu opfern, das
sie unter dem Herzen trug, falls die Brücke vor der
Geburt des Kindes fertig sein sollte. Als nun das Kind das
Licht der Welt erblickte, war der kühne Bau vollendet,
nur ein einziger Stein wäre noch einzufügen gewesen - er
fehlt noch heutzutage im Gewölbe.
Damit hatte der Teufel das Spiel aber verloren und mußte
mit langer Nase abziehen. Um aber doch nicht ganz
ohne Lohn die Höllenfahrt anzutreten, rief er
zornschnaubend: „Da mir das Kind entgangen ist, soll
das Erste mir gehören, was über die Brücke geht!" Das
hörte die Müllerin, und, schlau wie sie war, jagte sie ihren
großen Hauskater darüber. Den packte der Teufel und
fuhr mit ihm in jene Klamm, in deren Tiefe heute noch
die Taugl tosend ihren Lauf nimmt. Voll Zorn schleuderte
er den letzten Stein in die tiefe Schlucht. Noch heute ist
der Schlußstein, der „Teufelstein", im klaren Wasser zu
sehen.
Die Heidenstadt im Faistelauer Wald
Da, wo jetzt Figaun und besonders der Faistelauer Wald
stehen, stand einst eine große Heidenstadt, welche durch
Erdbeben gänzlich verschüttet worden ist. Ein alter
Spruch sagt noch: Die Stadt Figaun benetzen zwei Flüsse
(nämlich die Salzach und Taugl).
Erbauer der Kirche zu St. Margarethen (bei
Figaun)
Die Kirche von St. Margarethen ließ eine
Weißwarenhändlerswitwe aus Hallein infolge eines
Gelübdes erbauen. Sie versprach, wenn ihre
Baumwollballen ohne Unglück von der Levante 4 über das
Meer nach Hause gebracht würden, eine schöne Kirche
zu erbauen und jährliche Zinsgelder und Güten zu stiften.
Die Waren kamen unversehrt an, und die Krämersfrau
hielt ihr Gelübde und erbaute die Kirche zu St.
Margarethen.
In Hallein gab es einst reiche Weißwarenhändler und
Strumpfwirker. Noch jetzt bestehen auf dem
Eisenkrämerhause zu Hallein (Goldgasse Nr. 127) Gilten
für die Kirche St. Margarethen bei Figaun. 5
ANMERKUNGEN
1 Heruler = Ostgermanisches Volk
2 Juvavum = Name der Stadt Salzburg zur Römerzeit
3 schöner, dichter Wald = Faistelau oder Tauglwald
4 Levante = italienischer Name für Gebiete um das östliche
Mittelmeer, mit denen die italienischen Stadtrepubliken im
Mittelalter Handel betrieben haben.
5 Figaun = Schreibweise Vigauns im Mittelalter
VERWENDETE LITERATUR:
Josef Brettenthaler und Matthias Laireiter, Das Salzburger
Sagenbuch, Salzburg 1962.
Heinrich Wallmann, Zwölf Salzburger Sagen, in: Mitteilungen
der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (MGSL) 4
(1864), S. 247-249.
110
UNSERE KIRCHEN-
GESCHICHTE UND KUNST
von Franz Ortner
Wer von Hallein in Richtung Kuchl unterwegs ist, sieht
aus weiter Entfernung den markanten Kirchturm von
Vigaun. In früheren Zeiten war sein Aussehen allein
schon deshalb auffällig, weil der gotische Pyramidenhelm
um einiges höher als heute war. Der ganze Turm hatte
dadurch ein ziemlich unproportioniertes Aussehen.
Zudem war der Turmspitz in der Mitte leicht geknickt.
Fast 200 Jahre lang hatte man Probleme mit diesem
„schiefen Turm von Vigaun", bis im Jahre 1935 der
eigenartige Mangel endlich behoben werden konnte.
Nähert man sich dem Dorf, so erblickt man das zweite
Vigauner Gotteshaus, die St. Margarethen Kirche. Auf
erhöhter Hanglage überragt es den heute gleichnamigen
Ortsteil, der früher Pabenhofen und später Baumhofen
geheißen hat.
In diesen beiden Kirchen spiegelt sich die Geschichte
Vigauns und seiner Umgebung wieder. Sie sind nicht nur
Zeugen vergangener Tage. Als Gotteshäuser waren diese
Kirchen immer auch Mitte der jeweiligen Gegenwart des
weitverzweigten Dorfes. An ihnen wurde bis heute
gebaut, umgebaut, erneuert und verändert, je nach dem
Empfinden der Zeit und ihrer Menschen. So haben diese
Kirchen gleichsam als Weggefährten der Bevölkerung
auch die Richtung in die Zukunft gewiesen.
Die Pfarre Vigaun
Am 7. Jänner 1858 war Vigaun durch einen kaiserlichen
Ministerialerlaß in den Rang einer eigenen Pfarrei
erhoben worden. Erster selbständiger Pfarrer wurde der
damalige Vikar Ferdinand Ritter von Lama, der aus
einem Geschlecht des Tiroler Kleinadels stammte, das
sich auch von und zu Büchsenhausen nannte. Mit der
Pfarrerhebung mußte auch das Seelsorgsgebiet genau
umschrieben werden. Es erstreckte sich damals auf ein
sehr großes Gebiet: im Osten grenzte die Pfarre an St.
Koloman, im Süden an Kuchl. Die Grenze bildete die
Taugl mit der „Römerbrücke". Gegen die Stadt Hallein
war ursprünglich die Salzach und im Norden der
Almbach mit dem Gries in Burgfried die Grenzlinie.
Nachdem die bis dahin selbständige Gemeinde Burgfried
Die Filialkirche St. Margarethen vom Riedl her gesehen.
1896 zur Stadt Hallein gekommen war, mußte auch der
seelsorgliche Zuständigkeitsbereich neu festgelegt
werden. Diesbezügliche Bestrebungen hatte es ja schon
lange gegeben. Mit 1. Mai 1898 kam der untere Teil
Burgfrieds an die Stadtpfarre Hallein 1 , die heute auch
den größten Teil dieses rasch wachsenden Stadtteils
seelsorglich betreut. Die nördliche Pfarrgrenze bildet
seither das sogenannte Ledererbachl, die Westgrenze die
Eisenbahntrasse in Burgfried. Der weite Vigauner
Pfarrbezirk - größer als die politische Gemeinde - weist
auch heute noch eine Berggegend auf, wie sie nicht
einmal jede Gebirgspfarre hat: er dehnt sich vom
Kasbach, zwischen dem Schlenken und Schmittenstein
zum Hohen Steg hin, über den ganzen Rengerberg aus.
Gerade diese Bergregion wies noch um die Mitte des 19.
Jahrhunderts mehr Pfarrangehörige auf als die der
Pfarrkirche näher gelegenen Ortsteile. In statistischer
Hinsicht nahm sich dies im Jahre 1858 wie folgt aus:
111
Langgasse: 27 Häuser mit 112 Einwohnern
Aigen: 20 -"- 84 -"-
Baumhofen: 16 76 (=St. Margarethen)
Rengerberg: 43 201
Burgfried: 73 524
Vigaun(Ort): 45 215
In diesen 224 Häusern lebten um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts 1.212 Katholiken. 2
Heute zählt die Pfarre ca. 1.800 Katholiken, wobei im
Jahre 1988 im Gebiet der politischen Gemeinde Vigaun
1.637 Pfarrangehörige ihren Wohnsitz hatten.
Reihenfolge der Pfarrer 3
1858-1867 Ferdinand Ritter von Lama
1868-1879 Joseph Menhardt
1879-1884 Peter Metzger
1885-1896 Anton Lienbacher
1896-1907 Johann Gruber
1907-1925 Simon Rettenbacher
1926-1931 Dr. Leopold Ziller
1931-1949 Max Ringlschwendtner
1949-1963 Karl Rammler
1963-1965 Bruno Klingenmaier
1965- Franz Brunauer
Das Vikariat (1716-1858)
Vor seiner Pfarrerhebung war Vigaun 142 Jahre
hindurch ein Vikariat mit einem eigenen Seelsorger, der
zeitweilig auch durch Hilfspriester (Kooperatoren)
unterstützt wurde. Nachdem im August 1716 die
damaligen Zechpröpste, d. h. die Vermögensverwalter
der Kirche, Hans Egger, Konrad Lienpacher und acht
weitere Bauern im Namen der „Kreuztracht Vigaun" um
einen eigenen Priester angesucht hatten, wurde das
Vikariat mit einem Dekret des erzbischöflichen
Konsistoriums am 22. Dezember 1716 errichtet und
Matthias Seeleithner als erster Vikar angestellt. Die
Mutterpfarre Kuchl, aus der das neue Vikariat herausgebrochen
worden war, und noch weniger das Vikariat
Adnet waren von dieser Entscheidung begeistert. Beide
versuchten die Vigauner Ambitionen sogar zu
verhindern. Aber die Vigauner konnten die
Unterhaltskosten für einen eigenen Priester aufbringen
und ihm ein Wohnhaus zur Verfügung stellen. Es war
dies das Haus des Handwerkers Veit Kholler im
Dorfzentrum, das die Gemeinde gekauft und zum
Vikariatshause (heute Pfarrhof) umbauen ließ. 4
Reihenfolge der Vikare 5
1716 Matthias Seeleithner
1722 Joseph Scheiblprandtner
1730 Sebastian Gißi
1739 Nikolaus Graßmayr
1752 Joh. Jakob Egedacher
1761 Joachim Hofer
1762 Franz Joseph Atzinger
1768 Aegyd Mühlfellner
1775 Martin Räß
1780 Andreas Caspar Greiner
1786 Joh. Bened. Mühlthaler
1793 Johann Raacher
1793 Thaddä Lactanz Prex
1794 Leopold Holzner
1798 Joseph Stauder
1801 Franz Liedl
1812 Johann Cajetan Schmid
1823 Joseph Anton Waldmann
1827 Joseph Mödlinger
1839 Ferdinand Ritter von Lama
Unter den Kooperatoren, die in Vigaun zur
Unterstützung des jeweiligen Vikars ihren Dienst
versahen, findet sich auch der berühmte Dichter des
weltbekannten Liedes „Stille Nacht". Joseph Mohr wirkte
hier einige Monate des Jahres 1821, kam dann 1822
nach Adnet, nachdem er zuvor 1819 in Kuchl und 1820
in Golling gewesen war. 6
Vikariat Adnet (Vigaun)
Bevor Vigaun im Jahre 1716 einen eigenen Priester
bekommen hatte, bildete es zusammen mit dem
Nachbarort Adnet 166 Jahre hindurch ein gemeinsames
Vikariat (1550-1716) der Mutterpfarre Kuchl. Der Vikar
„unter der Taugl", wie er aus der Kuchler Sicht
bezeichnet wurde, war Untergebener des dortigen
Pfarrherrn. Er hatte das große Gebiet der heutigen
Pfarren Adnet, Vigaun und Krispl seelsorglich mit allen
Verpflichtungen allein zu betreuen. Seinen Wohnort
nahm er in Adnet; er hatte aber fast gleichrangige
Seelsorgsdienste auch in Vigaun zu verrichten:
Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen mit Predigt -
sowohl in Adnet als auch in Vigaun; an Wochentagen
wurden die Gottesdienste anscheinend abwechselnd
einmal in Adnet, das andere Mal in Vigaun gehalten. 7
Adnet hatte eindeutig den Vikariatsvorrang, Vigaun
wurde deshalb bisweilen übergangen. Es gab nämlich zur
Zeit der Reformation und Gegenreformation kaum
Hilfspriester, auch sonst herrschte Priestermangel. Da-
112
Mit der Errichtung des
Vikariats Vigaun begann
auch die eigene Matrikenführung:
Die erste
Eintragung in den Vigauner
Taufmatriken stammt uom
22. Februar 1717 und
besagt, daß an diesem Tag
Anna Maria Haidinger vom
Vigauner Vikar Matthias
Seeleithner getauft wurde.
Ihre Eltern waren der
Zimmermann Jo(h)annes
Haidinger und seine Frau
Apollonia,
geb.
Hehenwarter vom Gries in
Burgfried, Patin Magdalena
Rainer(in).
113
durch hatte der Adneter Vikar an Sonn- und Feiertagen
doch einiges zu tun. Er mußte „binieren", d. h. zwei oder
mehr Gottesdienste mit Predigt halten, was damals in
unserer Diözese nicht allgemein üblich war. Um die
Sakramente rechtzeitig zu spenden, bediente er sich der
damals schnellsten Fortbewegungsmöglichkeit. Zu Pferde
„pendelte" er zwischen Adnet und Vigaun hin und her.
Die Situation besserte sich erst dann, als es im Zuge der
Reformen des Konzils von Trient (1545-1563) zu einer
gediegeneren Ausbildung der Kleriker gekommen war
und in Salzburg selbst ein Priesterseminar errichtet
werden konnte. Wenn auch die Vigauner Matrikenbücher
erst mit der Errichtung des selbständigen Vikariates
Vigaun nach 1716 beginnen, so wurden das Sakrament
der Taufe und die anderen Sakramente doch in der
Vigauner Kirche gespendet. Die Toten mußte man nicht
in den Pfarrfriedhof nach Kuchl oder nach Adnet
bringen, sie durften im damals sehr kleinen Ortsfriedhof
bestattet werden. Dies scheint in Vigaun schon so lange
(spätestens seit 1480) 8 üblich gewesen zu sein, daß
diesbezügliche Urkunden, aus denen eine
Begräbniserlaubnis hervorginge, gar nicht mehr
vorhanden sind oder wegen der alten Praxis nie vorgelegt
zu werden brauchten.
Vigaun - eine Filiale von Kuchl
Die längste Zeitspanne im Verlauf ihrer Geschichte
waren die Vigauner Gotteshäuser nur Filialkirchen der
Mutterpfarre Kuchl. Diese war zu Anfang des 13.
Jahrhunderts errichtet worden und vom damaligen
Erzbischof Eberhard II. von Regensberg (1200-1246)
dann im Jahre 1244 dem Salzburger Domkapitel
übertragen worden (Inkorporation). Ihr Seelsorgsgebiet
umfaßte praktisch das ganze „Kuchltal", nämlich das
Gebiet der heutigen Pfarren Kuchl, Adnet, Vigaun, St.
Koloman, Golling und Krispl, reichte somit von Hallein
bis zum Stegenwald-Wirt im Paß Lueg. Vor dem Jahre
1550, ab dem Adnet-Vigaun durch den „ Vikar unter der
Taugl" betreut werden mußte, wurden alle seelsorglichen
Verpflichtungen von der Kuchler Geistlichkeit verrichtet.
In dieser Zeit des Spätmittelalters, im 14. und 15. Jahrhundert,
versorgten die Geistlichen vom Kuchler Pfarrhof
aus neben der Hauptkirche im Marktorte selbst noch
folgende Filialgotteshäuser: Golling, St. Florian in der
Gollinger Burg, St. Nikolaus in Torren, Scheffau, St.
Georgenberg, Vigaun, St. Margarethen, Adnet, St.
Koloman und Krispl. Damals war es gleichsam zu einem
„Bauboom" von Kirchen, zu Um-, Erweiterungs- und
sogar zu Neubauten der Gotteshäuser wie etwa in Vigaun
um das Jahr 1488 gekommen. All diese Bauten gingen
zumeist auf Vorgängerkirchen zurück, wobei die alten
Türme (wie in Vigaun) in die Neubauten integriert
wurden.
Überlieferte schriftlichen Quellen aus jenen
Jahrhunderten und weiter zurück werden nun aber
immer spärlicher. Nur weniges hat sich bis heute
erhalten.
Vigauns Kirchen in alten Urkunden
In einer wichtigen Urkunde des Jahres 1444 scheinen
beide Vigauner Gotteshäuser als Filialkirchen von Kuchl
auf. In einem Streit um das Gut Taugklholz, das leider
heute nicht mehr identifiziert und lokalisiert werden
kann, vergleicht sich ein Salzburger Bürger namens
Nikolaus Hampel mit den Kirchenpröpsten (Zechpröpste
= Vermögensverwalter) von Kuchl, St. Nikolaus, Vigaun,
St. Margarethen und Adnet in Bezug auf die
Forderungen an das Gut Tauglholz. In der damaligen
Schreibweise, die auch die Sprechweise war, liest man
bezüglich Vigaun folgendes: „...Niclas Puechperger Peter
Staindel zechbröbst S. Dyonisen zw Vigawn Hanns von
Chondel Niclas Haller zechbröbst S. Margreten kirichen
zw Pabenhouen...". Diese Zechpöpste und andere hatten
laut Vertragsurkunde nun ihre Abgaben und Dienste im
Ausmaß von 6 Schilling (Pfennige) minus 10 Pfennig an
das Gut Tauglholz und nicht mehr an die oben
erwähnten Kirchen zu leisten. 9 Dies mußten sie nämlich
zuvor tun, als seit dem „Pfingstag" ^Donnerstag), dem
29. Jänner 1422, dasTauglholz-Gut von„Margaret die
Lechnerin, Magdalena Gilgen des Smalczlein Hausfrau,
und Barbara M. Chunrad Pillungs Hausfrau , der
Margaret Töchter" ihr Gut „Tawkelholz im Kuchler
Gericht" an den Salzburger Bürger Heinrich Hampel
verkauft worden war. 10
Vorgänger der heutigen Pfarrkirche
Die soeben erwähnten schriftlichen Nachrichten aus dem
Jahre 1444 können sich nur auf den Vorgängerbau der
heutigen Vigauner Kirche beziehen, der in den achtziger
Jahren desselben Jahrhunderts einem Neubau weichen
mußte, der wiederum erst im Jahre 1559 fertig gestellt
werden konnte. Knapp hundert Jahre früher, nämlich im
Jahre 1347, wird zum ersten Mal die Vorgängerin der
heutigen Pfarrkirche in einer Urkunde erwähnt. Vielleicht
befand sich damals gerade der Turm mit einer kleinen
Kirche in Bau. Ihre Außenmaße dürften etwa bis zur
heutigen Kanzel und bis zur ersten Stufe vor den
Kommunionschranken in der Größenordnung der
gewölbten Empore im Mittelteil und einer Breite
innerhalb der heutigen Säulenreihen gereicht haben. Der
Dachfirst dieser Kirche war unterhalb der heutigen
Schallöcher und des Turmgesimses, sodaß die ganze
Anlage sicher ein gut proportioniertes Aussehen abgab.
Es war eine einschiffige gotische Kirche mit einer damals
114
115
116
117
XII Auf der ersten dieser vier Farbseiten die Kreuzigungsgruppe
im südlichen Seitenschiff, ein Aquarell
„Vigaun" von Martin Hell, die angebaute Wendeltreppe
der Pfarrkirche und das Bruderschaftsbild.
Auf der vorangehenden Doppelseite Teile eines Vigauner
Flügelaltars um 1500, die sich im Salzburger Museum
Carolino Augusteum befinden. Auf der (geschlossenen)
Werktagsseite die Verkündigung durch den Engel an
Maria, auf der (geöffneten) Feiertagsseite die heiligen
Dionysius und Sebastian.
Diese Seite: Der Grabstein des Leonhard Schiling in der
Totenkapelle, der spätgotische Taufstein und das Kreuzigungsbild
an der Empore.
118
üblichen markanten Westturmanlage. An der Ostseite des
massiven Turmes erkennt man noch heute im Bereich
des Kirchendachstuhles die damalige Gesimsschräge aus
Konglomerat, welche die Dachkonstruktion des
ursprünglich einschiffigen Langhauses getragen hatte.
Erst darüber befand sich das steinerne Kaffgesims des
Turmes. In der Mitte der vorgebauten (alten und neuen)
Westmauer des jetzigen Langhauses findet sich noch eine
Nische vor, in die ein gut sichtbares Kreuz (50x50cm) tief
in die Konglomeratquadern eingemeißelt ist. Dieser alte
Turm ist entsprechend der damaligen Konstruktionsweise
massiv, nach oben hin verjüngt gebaut, jedenfalls 150 bis
200 Jahre älter als die heutige Kirche.
Einer Urkunde zufolge spendete nämlich im Jahre 1347
eine Frau" Adelheit, die Witingerin", dem Gotteshaus zu
„Sand Dyonisen zu Figaeun" eine Gült (Gilt=eine Art
Hypothekardarlehen) von 30 Pfennig (=1 Schilling
Pfennig). 11
Weiter zurück als bis zum Jahre 1347 läßt sich die
vermutlich zweite Kirche, d. h. der Vorgängerbau des
heutigen Gotteshauses, mangels schriftlicher Quellen
nicht mehr verfolgen. Erhalten blieb aus dieser Zeit nur
der Turm. Nach den Formen der spitzbogigen
Turmeingänge und aus der sonst wuchtigen,
konservativen Bauweise könnte man schließen, daß er
schon in gotischer Zeit, an der Wende vom 13. zum 14.
Jahrhundert gebaut worden sein könnte. Als im Jahre
1117 Erzbischof Konrad I. Vigaun mit all seinen
Ortsteilen dem Kloster Nonnberg übergab, wird in der
Schenkungsurkunde keine Kirche erwähnt. 12
Ecclesia ad Fuginas (788/790)
Vom Jahre 1347 weiter zurück bis zur ersten Erwähnung
einer Kirche in Vigaun im Jahre 788/790 - für diesen
Zeitraum von über 550 Jahren haben wir leider keinerlei
Nachrichten. Wieviele Kirchen - wahrscheinlich nur
bescheidene Holzkirchlein-hier gestanden und wo sie sich
genau befunden haben, wissen wir nicht; jedenfalls
solange nicht, bis Grabungen neue Forschungsergebnisse
zu Tage fördern.
Umso kostbarer ist die Erwähnung einer Kirche in
Vigaun in der berühmten Notitia Arnonis, die Karl der
Große im Dezember 790 für den Salzburger Bischof Arn
bestätigt hatte. Diese Urkunde zählt alle Kirchen auf, die
sich im Besitz des Salzburger Bischofs befanden, nicht
aber die Gotteshäuser adeliger Familien wie etwa jene in
Adnet u. a. Die Vigaun betreffende Stelle lautet: „Ad
Fuginas eccl. (esia) tantum ", 13 In Vigaun gehörte
demnach nur die Kirche zum bischöflichen
Besitz; der Bischof hatte hier über das Gotteshaus die
alleinige Entscheidungsbefugnis.
Wann diese im Jahre 788/790 erwähnte Kirche erbaut
worden ist und wie lange sie Bestand hatte, wissen wir
nicht. In den Stürmen der Magyaren, (Ungarn)invasionen
und Feldzüge bis 955 dürften wohl fast alle Kirchen
zerstört worden sein. Ob bereits zu Zeiten des Hl.
Rupert, um 700, eine Kirche für Vigaun anzunehmen ist,
wie es die örtliche Überlieferung tradiert haben will, läßt
sich nicht eindeutig erweisen. Am ehesten können wir
noch auf ein Gotteshaus schließen, wenn in den Breves
Notitiae um 800 in Bezug auf das Jahr 748 von einem
Edlen namens Santulus die Rede ist, und darin Vigaun
erstmals Erwähnung findet. Santulus, ein „vir nobilis"
schenkte seinen Besitz bei „Figun" der St.
Maximilianszelle (in Bischofshofen). An einer anderen
Stelle, allerdings für die Zeit um 788 ist abermals ein
Priester (Presbyter) namens Angelus in einem Ort,
genannt Figun erwähnt, der seine Güter der Salzburger
Kirche schenkte. 14
Haben wir für diese frühe Zeit einen eindeutigen
Quellenbeleg für ein Gotteshaus in Vigaun, so wissen wir
nicht, wem es tatsächlich geweiht war. Gute Gründe
sprechen aber für die Annahme, daß sehr bald auch der
hl. Dionysius in dieser ersten Kirche Vigauns verehrt
worden sein könnte. Immerhin war dieser fränkische
Nationalheilige auch eine Art „Hausheiliger" der
bayerischen Adeligen.
Die Kirchenpatrone:
Eine kopflose Figur am Kirchenportal
Im spitzbogigen Marmorportal der Kirche findet der
aufmerksame Betrachter eine künstlerische Rarität:
Nähert man sich vom Dorfplatz kommend dem
Haupteingang zur Kirche, ist man zunächst überrascht
von der seltsamen Darstellung einer Relieffigur, die ihr
eigenes Haupt in den Händen trägt. So mancher ist dann
geneigt anzunehmen, ein unerfahrener Künstler habe
sich in den Proportionen des spitz nach oben laufenden
Türabschlusses (Tympanon) so gänzlich vertan, daß ihm
nichts anderes mehr übrig blieb, als der Figur den Kopf
in die Hand zu legen.
Das war aber ganz gar nicht der Fall. Denn es handelt
sich hier um das Meisterstück eines erfahrenen Künstlers.
Der damalige - leider unbekannte - Künstler aus der Zunft
der Steinmetze kannte genau die weitverbreitete Legende
um den hl. Dionysius. Deshalb konnte er ihn auch so
eindrucksvoll darstellen. Stolz über sein Werk versah er
es sogar mit seinem Steinmetzzeichen.
119
Es ist im Torabschluß rechts von der Jahreszahl 1488 zu
sehen:
Deshalb wurde im Mittelalter so großer Wert auf die
schöne und kostspielige Ausgestaltung der Kircheneingänge
gelegt. Das Portal bedeutete im biblischen Sinne
„Pforte des Lebens"; durch sie verließ man gleichsam die
Welt und trat in das Heiligtum.
Das Jahr 1488 muß aber nicht - wie vielfach
angenommen - als das Jahr des Baubeginns der heutigen
Kirche angesehen werden. Die Seitenschiffe der Kirche
dürften sich damals bereits im Bau befunden haben.
Wahrscheinlich deutet die Zahl auf eine Ablaßverleihung
im Jahr der Fertigstellung des Portals hin.
Diesbezügliche eindeutige Belege und auch die
Weiheurkunden der Kirche sind leider verloren
gegangen. Es war aber damals allgemein üblich, für den
Baufortschritt Ablässe zu verleihen, wie sie auch für
andere Tennengauer Kirchen überliefert sind (Hallein,
Abtenau u. a. ). Jeder, der das Gotteshaus besuchte, die
vorgeschriebenen Gebete verrichtete und eine Spende
reichte, nahm gleichsam am Heiligungswerk persönlich
teil, wie wenn er selbst durch seiner Hände Arbeit am
Kirchenbau mitgeholfen hätte. So bestimmte etwa
Helena, die Frau des Halleiner Pflegers Wenzeslaus
Maschauer am 15. Jänner 1518 testamentarisch an
erster Stelle eine großzügige Spende für den Vigauner
Kirchenbau. Von der 1519 verstorbenen Wohltäterin
heißt es in der erwähnten Urkunde: „Item gen sannd
Dionisien hat Sy geschafft zween reinisch Gulden ". Der
Rheinische Goldgulden war damals die oberste
Münzeinheit im Reich. Zwei Gulden entsprachen 480
Pfennig bisheriger Währung und hatten etwa den Wert
eines Kilogramms Silber. Auch St. Anna in Hallein und
die Dürrnberger Kirche wurden von der Frau des Pflegers
in ihrem letzten Willen mit je zwei Gulden bedacht. 15
Das beeindruckende Portal mit der Darstellung des Hl.
Dionysius, des Patrons der Kirche, sollte jeden
Vorbeikommenden zum Eintritt einladen.
Der Hl. Dionysius: Geschichte und Legende
„Er trägt seinen Kopf bereits in den Händen!" Diese alte
sprichwörtliche Redensart hat ihren Ursprung in den
Bildwerken vom heiligen Dionysius, der einer der
berühmten 14 Nothelfer ist und in der mittelalterlichen
Frömmigkeit eine hohe Verehrung erfuhr. Dionysius
bedeutet im Griechischen „der Gott Geweihte". Sein Fest
feiert die Kirche am 9. Oktober. Im Französischen lautet
sein weitverbreiteter und wohlkingender Name Denis.
St. Denis (hl. Dionysius) war nach der Legende der erste
Bischof von Paris. Nach ihm ist die nordwestliche
Vorstadt von Paris Saint-Denis benannt; dort hat er auch
sein Grab in der berühmten Abteikirche von St. Denis.
Nach dem Bericht des Hl. Gregor von Tours in der
„Historia Francorum" zu Anfang des 9. Jahrhunderts war
Dionysius der erste Bischof von Paris. Er stützt sich dabei
auf das frühe Zeugnis aus der „Vita Genovefae" um das
Jahr 520. Mit sechs anderen Bischöfen soll Dionysius
vom heiligen Papst Fabian um das Jahr 250 von Rom
nach Gallien gesandt worden sein. In der damaligen Zeit
der Christenverfolgung sei dann Dionysius mit den
Priestern Rusticus und dem Diakon Eleutherius am
Montmartre, dem Berg der Märtyrer von Paris,
enthauptet worden. Etwa 6 km vom Hinrichtungsort
entfernt habe man den entseelten Leichnam bestattet.
Die bekannte Dionysiuslegende läßt ihn diesen Weg
selbst mit seinem abgeschlagenen Kopf in den Händen
gehen. Im Jahre 624 wurde dann an der besagten Stelle
die berühmte Abtei St. Denis errichtet. Von seinem Grab
wurden alsbald zahlreiche wunderbare Begebenheiten
berichtet.
Zu Anfang des 9. Jahrhunderts kam es bereits zur
oftmaligen Verwechslung des Hl. Dionysius von Paris mit
dem legendären Dionysius Areopagitas, einem
angeblichen Schüler des hl. Paulus. Der Reliquienschrein
des gelehrten Areopagiten soll im Jahre 827 nach St.
Denis gekommen sein. Seit damals werden beide sowohl
in der West-wie auch in der Ostkirche verehrt. Die
Kombination und oftmalige Verwechslung dieser beiden
Heiligengestalten wirkte sich später auch auf die
künstlerische Darstellung aus: oft ist das Heiligenattribut
ein abgeschlagenes Haupt, das auf einem Buche liegt.
120
Als Vigauner Kirchenpatron ist der Hl. Dionysius, der
erste Bischof von Paris, anzusehen, den der Künstler so
überaus beeindruckend am Kirchenportal darstellte.
Dionysius, der Nothelfer
Im heutigen Bundesland Salzburg ist nur die Vigauner
Kirche dem Hl. Dionysius als Kirchenpatron geweiht. 16
Dieses seltsame Faktum läßt zumindest auf einen frühen
Kirchenbau schließen. Die Heiligenverehrung war um das
Jahr 800 schon weit verbreitet. Zu den frühchristlichen
römischen Heiligen kommen neue hinzu. Das südliche
Bayern erwies sich hier als ein Schnittpunkt dreier
Richtungen: einer südlichen mit römischen, einer westlichen
mit fränkischen und einer einheimischen mit den
Bistums- und Traditionsheiligen. Als fränkischer Heiliger
hatte der hl. Martin einen gewissen Vorzug. Sein Fest,
der 11. November, galt seit jeher als Zehent- und
Zinstag. Nach Westen, ins Fränkische, weist auch der
große Heilige der Merowinger und Karolinger, nämlich
St. Dionysius, der besonders auch vom altbayerischen
Hochadelsgeschlecht der Huosi in den Klosterstiftungen
von Schlehdorf und Schäftlarn bevorzugt wurde.
Bereits 780-800 werden Dionysiusreliquien in Schäftlarn
erwähnt. 17
Dionysius war sozusagen der „Hausheilige" des bayerischen
Adels. Immerhin wurden die Bayern u. a. auch von
fränkischen Missionaren wie dem Hl. Rupert missioniert.
Und bei den Franken galt Dionysius als Nationalheiliger.
Daß seine Reliquien im 8. Jahrhundert von Paris nach
Regensburg übertragen wurden, ist zwar nur eine
fromme Legende. Aber seine Verehrung fand damals
immer größere Verbreitung, sodaß man um den Besitz
seiner Reliquien wetteiferte. So besaß auch das Erzbistum
Salzburg in der Klosterkirche von St. Peter eine Reliquie
des hl. Dionysius, wie eine Urkunde in der ersten Hälfte
des 9. Jahrhunderts festhält. 18
Dionysius ist heute noch einer der Nationalheiligen und
Hauptpatrone Frankreichs. Seit dem Mittelalter wurde er
ein immer populärerer Heiliger und zählte sodann zu den
14 Nothelfern. Er war der besondere „Nothelfer gegen
das Kophweh". Auch bei Tollwut des Viehs wurde er
angerufen. In kriegerischen Auseinandersetzungen nahm
man bei ihm Zuflucht. So ist er auch heute noch der
Patron der Schützenkompagnien. 19
Der Grundriß der
Pfarrkirche zum hl.
Dionysius in Vigaun.
121
Dionysius am alten Flügelaltar
In der zweiten gemauerten Kirche Vigauns, d. h. im
Vorgängerbau der heutigen Kirche, befand sich
wahrscheinlich schon ein gotischer Flügelaltar aus dem
15. Jahrhundert, der im Kirchenneubau nur noch kurze
Zeit in Verwendung stand. Er dürfte erst nach
Fertigstellung des gesamten Langhauses im Jahre 1559
in der oberen Sakristei deponiert worden sein.
Nach mittelalterlicher Bauweise führte man zuerst die
Mauern der Seitenschiffe und des Chors rund um den
Vorgängerbau auf. Diese Arbeiten waren im Jahre 1519
abgeschlossen. Erst hernach riß man die so umbaute
Kirche im Innern ab und brach Öffnungen aus. In Vigaun
mußte man aber den gesamten Vorgängerbau bis auf die
Empore abreißen und führte sodann die großen Säulen
des Langhauses auf. So entstand eine beeindruckende
Hallenkirche. Nun mußte auch die ganze Dachkonstruktion
höher gezogen werden. Für eine
notwendige Erhöhung des Turmes und der Schallöcher -
wie wir dies für andere Kirchenanlagen festellen können -
fehlte dann wahrscheinlich das Geld.
Im Jahre 1613 findet sich der erwähnte kombinierte
Flügelaltar nicht mehr in der Kirche 20 ; verwahrt in der
Sakristei wurde er im Jahre 1874 an das Salzburger
Museum Carolino Augusteum übergeben. 21 Der
Mittelschrein dieses gotischen Altares enthielt die ca.
70cm hohe Gruppe der „Hl. Anna Selbdritt" auf einem
Sockel, d. h. die hl. Anna sitzt auf einem Thron unter
einem Baldachin und trägt das nackte Christuskind auf
dem rechten, die bekleidete Maria als kleines Mädchen
mit offenem Haar auf dem linken Knie. Die großen
Altarflügel (39,5x 135cm)enthielten innen die HU.
Dionysius und Sebastian in ganzer Figur auf Goldgrund.
An den Außenflügeln des Altares waren ein
Verkündigungsengel und Maria am Betpulte in der
Darstellung einer Halle mit gelbrot gemustertem Pflaster
und rotem Gitter im Hintergrund zu sehen. 22
Altarweihe 1638 ?
Am Hauptportal der Vigauner Kirche findet man unter
der markanten figuralen Darstellung des Hl. Dionysius
die Zeichen: G. 1638 W. Erst in diesem Jahr scheint ein
neuer Hochaltar geweiht und vollständig den liturgischen
Vorschriften des Konzils von Trient mit der Errichtung
eines Tabernakels in der Altarmitte angepaßt worden zu
sein. Bislang wurde für dieses Jahr nur eine
Restaurierung vermutet. 23 Aus den Kirchenrechnungen
geht hervor, daß die Anschaffung eines neuen
Hochaltares im Jahre 1635 begann, wobei ein G. W. ( =
Georg Wald), der Kirchenwirt von Vigaun, dafür
wahrscheinlich die finanziellen Mittel aufbrachte.
Bis dahin hatte der Altarraum vermutlich noch ein sehr
ärmliches Aussehen. Der Hauptaltar schien überhaupt
noch nicht geweiht worden zu sein. Es soll sich dort nur
eine transportable marmorne Altarplatte (heute:am
linken Seitenaltar oder in St. Margarethen?) befunden
haben. „Expaupertate ecclesiae" d. h. aus Armut der
Kirche war der Altar noch nicht den vorgeschriebenen
liturgischen Erneuerungen des Trienter Konzils angepaßt,
wie die Gemeinde dem Visitator im Jahre 1613
berichtete. Damals äußerte man auch Zweifel, ob die
neue Kirche jemals geweiht worden sei.
Das hochwürdigste Sakrament wurde in einer
„marmornen Tabernakelvorrichtung" an der rechten
Seite des Altares, an der Wand fixiert, aufbewahrt. An
der linken Seite stand ein marmorner Taufstein, der sich
auch heute noch in der Kirche (am linken Seitenaltar)
befindet.
Tatsächlich kam im Zuge der letzten Kirchenrenovierung
1974 ein Teil jener alten Tabernakelvorrichtung wieder
zum Vorschein. Sie befindet sich freigelegt in der rechten
Chorwand des Altares, im Blick auf den Altar links. Vom
Altar aus gesehen war die rechte Seite immer die
sogenannte „Evangelienseite". Nach den alten liturgischen
Vorschriften mußte demnach auf der Evangelienseite
das sogenannte „Sakramentshäuschen" stehen. Es
diente zur Aufbewahrung der Krankenkommunion und
der heiligen Öle für das Sakrament der Krankensalbung
(früher: „Letzte Ölung" genannt). Kunstvolle Sakramentshäuschen
konnten sich nur reichere Kirchen leisten. In
armen Landkirchen waren meist nur sogenannte
„Armarien", Wandnischen mit Eisengittern, in denen das
Sakrament aufbewahrt wurde. Eine solche Vorrichtung
besaß Vigaun noch in den ersten Jahrzehnten des 17.
Jahrhunderts. 1635 scheint dann der erste Hochaltartabernakel
angeschafft worden zu sein.
Eine „Ewiglichtampel" konnten sich die Vigauner bis
dahin auch nicht leisten; denn dies wurde ihnen im Jahre
1617 durch ein ausdrückliches Dekret angeordnet. 24 So
geschah es auch: die alte Wandtabernakelnische wurde
nun in eine Vorrichtung zur Aufstellung des „Ewigen
Lichtes" umfunktioniert; das Eisengitter konnte belassen
werden. Und - was sonst in den Salzburger Kirchen
nirgendwo sich noch findet - kam dann bei der erwähnten
Kirchenrenovierung des Jahres 1974 auch zum
Vorschein: diese Ewiglicht-Vorrichtung in der kleinen
Wandnische wurde anscheinend sogar mit einem
Rauchabzugsloch in die Sakristei hinein versehen.
122
Im Zuge der vermutlichen Altarweihe und Aufstellung
eines Hochaltartabernakels im Jahre 1638 scheint
Vigaun auch zu seinem zweiten Kirchenpatron gekommen
zu sein. Nachdem die Verehrung des Hl.
Dionysius in der Zeit der Reformation und Gegenreformation
schon etwas verblaßt war, dürfte die Kirche
ihren zweiten Schutzpatron erhalten haben. Dieser
Vorgang stellt nichts Ungewöhnliches dar und ist auch
bei anderen Kirchen festzustellen. Vigauns grundherrschaftliche
Verhältnisse zu Nonnberg und zum Stift
St. Peter in Salzburg mag dabei eine Rolle gespielt
haben: Die St. Petrische Pfarre Abtenau ist dem Hl.
Blasius geweiht, ebenso die ehemalige Bürgerspitalskirche
in Salzburg.
Der Hl. Blasius: Zweitpatron der Kirche
Zu den berühmten und hochverehrten 14 Nothelfern
zählt auch der Hl. Blasius. Sein Fest wird am 3. Februar,
dem Tag nach Maria Lichtmess, gefeiert. Beide Bauernfeiertage
spielten im Alltagskalender eine maßgebliche
Rolle. Sie waren sogenannte „Lostage": an Maria Lichtmess
fand der alljährliche Dienstbotenwechsel statt. Jeder
neue Dienstbote erhielt einen Laib Brot zum Einstand.
Auch die Vermögensverwalter der Kirchen, die sogenannten
„Zechpröbste", überließen an diesem Tage
ihren Nachfolgern Amt und Würde. Am Blasiustag
dagegen wurden die Habseligkeiten der Dienstboten
durch den Brauch des „Kastenfahrens" zum neuen
Arbeitsplatz gebracht.
Blasius bedeutet im Griechischen:der Lispelnde, Stammelnde,
der Krummbeinige. Er war Bischof von Sebaste
am Halys in Kleinasien (heute: Siwas in der östlichen
Türkei). Nach verschiedenen legendenhaften Versionen
lebte Blasius in einer Berghöhle in vertrautem Umgang
mit wilden Tieren. Der kleinasiatische Statthalter
Agrikolaos ließ ihn aber aufspüren, mit eisernen
Kämmen martern und schließlich enthaupten. Dies
geschah unter Kaiser Licinius um das Jahr 316. Im
Kerker soll Blasius u. a. einem Knaben, den eine
Fischgräte dem Erstickungstod nahe gebracht hatte,
geheilt haben. Ferner soll er, wie die Legende berichtet,
bewirkt haben, daß eine arme Frau ihr durch einen Wolf
geraubtes Hausschwein wieder zurückerhielt. Zum Dank
dafür habe die Frau dem inhaftierten Blasius Fleisch, Brot
und eine Kerze in den Kerker gebracht. Bischof Blasius
habe daraufhin mit der alljährlichen Erneuerung dieses
Kerzenopfers einen Segen verbunden.
Der heilige Blasius wurde im Orient schon im 6.
Jahrhundert als Patron gegen Halsleiden verehrt, im
Abendland dagegen erst sei dem 9. Jahrhundert, als
seine Reliquien nach Tarent, Mainz, Trier, Paris und
nach St. Blasien im Schwarzwald gekommen waren.
Der bekannte Blasiussegen entstand vermutlich erst im
16. Jahrhundert. Er wird am Festtag des Heiligen
gespendet. Dabei hält der Priester zwei geweihte Kerzen
in Form des Andreaskreuzes vor den Hals der Knienden
und spricht das Segensgebet.
In der Kunst wurde der Hl. Blasius auf Grund der ihm
zugeschriebenen Wundertaten ganz verschieden dargestellt:
als Bischof mit brennender Kerze bzw. zwei
einander überkreuzender Kerzen in der Hand, oder mit
einer eisernen Hachel (Kamm), mit Tieren oder mit
einem Schweinskopf in den Händen.
Am Vigauner barocken Hochaltar steht an der rechten
Seite die lebensgroße Statue des Hl. Blasius als Bischof
nach einer alten Vorlage, nach der er eine gedrehte
Kerze (=Wachsstock) in der Hand hält.
Blasius, der Nothelfer der Bauern
Der überaus volkstümliche Heilige wurde von der
bäuerlichen Bevölkerung besonders im 15./16.
Jahrhundert und in der späteren Barockzeit des 18.
Jahrhunderts verehrt. Seine Hilfe war bei Halsleiden, bei
Husten und Kröpf gewachsen, sowie bei Blutungen,
Blasenkrankheiten (Name!), eiternden Geschwüren,
Koliken, Krankheiten der Kinder, der gefürchteten Pest,
bei Zahnweh, aber auch bei quälenden Gewissensbissen
stets gefragt. So wurde der Hl. Blasius ein vielseitiger
Nothelfer: er war Patron der Ärzte, der Bäcker, der
Maurer, Steinmetze, Schuster, Hutmacher, Wachszieher
(=Kerzenmacher), der Weber, Wollhändler, Windmüller
und vor allem der Musikanten. Als Viehpatron schützt er
die Haustiere, besonders die Pferde. Blasius wurde auch
als Wetterheiliger verehrt. Nach dem bäuerlichen Jahreskalender
bringt der Blasiustag das Winterende, aber auch
Gefahren durch den Wind. Es ist der Wetterstichtag, der
die kommende Witterung des Frühjahres vorausnimmt.
Heftigen Wind nannte man in der bäuerlichen
Umgangssprache „den Blasius".
In früheren Zeiten wurde deshalb „der Blasiustag" festlich
begangen: man opferte Kerzen und ließ Blasiuswein,
Blasiusbrot, Blasiuswasser u. a. m. segnen. 25
Die Pfarrkirche:
ihre Kunst und ihre Geschichte
Das heutige Gotteshaus ist - wie bereits erwähntvermutlich
der dritte Kirchenbau an dieser Stelle. 26 Es
wurde um das Jahr 1488
123
- etwa zur selben Zeit und wahrscheinlich von denselben
Baumeistern wie die Kirche von Kuchl - errichtet 27 und
überrascht den Besucher als einzige spätgotische
Hallenkirche des Tennengaues. Die ansehnliche
dreischiffige Kirche löste den kleinen einschiffigen
Vorgängerbau ab, wobei der markante und massive
Westturm unverändert stehen blieb. 28
Eintritt: Spuren der Gotik
Vom Dorfplatz kommend betritt man die Kirche durch
das schöne spätgotische Südportal mit dem beachtlichen
Tympanonrelief, das den Kirchenpatron, den Hl.
Dionysius, mit dem Haupt in den Händen darstellt (die
alte Jahreszahl 1488 und daneben das
Steinmetzzeichen). Die Türöffnung weist einen geraden
Sturz, in den Ecken reich profilierte Konsolen und spitzbogig,
abgeschrägtes Gewände aus rotem Adneter
Marmor auf. Über dem glatten Sockel befinden sich zwei
in Stufen gesetzte starke Rundstäbe mit zwei breiten
Hohlkehlen.
Die Menschen des Mittelalters verliehen ihrer Vorstellung
von Gott und der Kirche im steinernen Bauwerk, im
Kirchenportal und in mächtigen Türmen anschauliche
Gestalt. Das Gotteshaus als Bauwerk war gleichsam
sichtbarer, im Schauen und Staunen lesbarer Ausdruck
der Glaubenslehre der Kirche, die sich als eine
Heilsgemeinschaft der von Jesus Christus Erlösten
verstand. Eine Kirche war somit auch ein Zeichen der
Frohbotschaft des Evangeliums vom Tode und der
Auferstehung Jesu.
Wer durch das Kirchenportal schreitet und nach uraltem
katholischen Brauch sich mit dem geweihten Wasser
bekreuzigt, berührt zu linker Hand eine konsolenförmige
gotische Weihwasserschale, die vermutlich bereits im
Vorgängerbau der heutigen Kirche vorhanden gewesen
ist. Sie scheint ursprünglich an der Wendeltreppe zur
Empore eingemauert gewesen zu sein. Eine zweite
größere Schale aus der selben Zeit, ebenso aus rotem
Adneter Marmor, befindet sich heute außerhalb der
Kirche, eingemauert in den Strebepfeiler an der Tür zur
Totenkapelle. Beide Werke sind gute Steinmetzarbeiten
des frühen 15. Jahrhunderts.
Erster Blick ins Kircheninnere
Der weite und hohe Raum beeindruckt durch seine
lichtvolle Helle. Dies wurde nur möglich, nachdem man
einige Fenster, die teils zugemauert und mit
dunkelfarbigen Scheiben versehen waren, nach 1867
wieder öffnete und 1971 neu verglaste. Die Kirche ist
innen 29,3m lang, 16,7m breit, 11m hoch und bietet
ca. 500 Menschen Platz. Durch eine behutsame und
stilgerechte Renovierung unter Pfarrer Franz Brunauer
wurde zuletzt 1967 das Gotteshaus den liturgischen
Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-
1965) angepaßt und 1974 durch den Kirchenrestaurator
Ernst Fuchs aus Mayrhofen im Zillertal grundlegend
restauriert. Der Spendeneifer der Bevölkerung und viele
freiwillige Helfer deckten fast zur Gänze die Kosten. Von
den heimischen Tischler- und Zimmermeistern Matthias
und Rupert Schörghofer wurden neue Kirchenbänke u.
a. m. gefertigt und durch Wilfried Brandl 1986 mit einer
Bankheizung versehen. Eine Marmortafel beim
Eingangsportal hält die Jahreszahlen bisheriger
Renovierungen seit dem 19. Jahrhundert fest: 1833,
1899, 1953, 1974.
Langhaus und Chor (Altarraum)
Schon in älteren Zeugnissen wird diese Kirche als „eine
der schönsten gothischen Kirchen im Kuchlthale"
gerühmt. 29
Prächtig im Raumeindruck ist das Vigauner Gotteshaus
eine dreischiffige, auf starken Rundpfeilern ruhende
Hallenkirche. Das breite Mittelschiff ist nur geringfügig
höher als die zwei schmalen Seitenschiffe. Hier besteht
eine enge Verwandschaft zwischen der Mutterpfarre
Kuchl und Vigaun:nur diese beiden Kirchen etwa aus
derselben Zeit der achziger Jahre des 15. Jahrhunderts
sind dreischiffige Anlagen mit den gleichen erweiterten
Chören und eingebauter Sakristei. Es sind im Tennengau
die beiden reifsten und vollkommensten Kirchenschöpfungen
jener Jahre.
Wenn wir unseren Blick nach oben richten, bemerken
wir im Mittelschiff das kunstvolle spätgotische
Rippenwerk, das am stumpfspitzbogigen Tonnengewölbe
angebracht ist, eingeschnitten von je vier spitzbogigen
Stichkappen. Durch die hallenartige Vereinigung von
Hauptchor und südlichem Seitenschiffchor ohne Stütze
kommt hier eine etwas unregelmäßige, aber überaus
interessante Häufung von Rauten im Netzgewölbe
zustande. Gerade diese Asymetrie in den beiden Altarräumen
wirkt besonders reizvoll. An den
Kreuzungspunkten der profilierten Rippen sind insgesamt
28 kleine bemalte Wappenschildchen angebrachten der
Mittellinie die Wappen des Erzstiftes Salzburg, des
Bistums Chiemsee und des Bischofs Christoph II. Schlattl
(1558-1589) von Chiemsee, des Stiftes St. Peter und des
Abtes (=ein T) Peter Benedikt Obergassser (1553-1577),
des Stiftes Nonnberg (= drei Kugeln) und der Äbtissin
Anna VII. von Paumann (1552-1571) mit einem weißen
Kreuz auf rotem Grund, ferner das der Salzburger
Dompropstei, dann drei Schilde mit den Monogrammen
124
WW, PW, SW (wohl Mitgliedern der Vigauner
Kirchenwirt-Familie Walder), weiters IS, WR, wobei es
sich um Hausmarken von Vigauner Bauern handeln
könnte. 30 Sie alle dürften finanzielle Mittel zur
Fertigstellung des Kirchenbaues, vor allem des Langhauses
bis zum Jahre 1559, bereitgestellt haben.
Um den kostspieligen Bau überhaupt weiterzuführen, ist
schon Erzbischof Leonhard von Keutschach (1495-1519)
der armen, rein bäuerlichen Landgemeinde zu Hilfe
gekommen. Sein Wappen - die bekannte Keutschacher
Rübe - ist im spätgotischen Netzgewölbe des Chores
(Altarraum) gut sichtbar angebracht. Da die Mittel nicht
reichten, wurde nur noch der südliche Seitenschiffchor
mit Steinrippenabschlüssen versehen, während auf das
Netzgewölbe in den Seitenschiffen verzichtet werden
mußte. Sie weisen nur ein einfaches Kreuzgewölbe auf.
Der Chor (Altarraum), im Jahre 1519 fertiggestellt, ist
gleich breit und hoch wie das Mittelschiff und hat einen
3/8 Schluß. Der Boden ist vom zweiten Joch an um zwei
Stufen erhöht. An der linken Seite befindet sich eine
schöne gotische Sakristeitür in spitzbogiger roter
Marmorrahmung. Das abgeschrägte Torgewände ist über
dem glatten Sockel durch zwei Rundstäbe und einem
Kantstab profiliert und dazwischen mit zwei Hohlkehlen
versehen. Die schwere Eichentür wurde mit
gehämmerten Eisenplatten verkleidet und trägt ein
gewaltiges Schloß.
Im rechten Seitenschiffchor sind hinter dem Altare noch
die beiden schmalen, jedoch zugemauerten Chorfenster
zu bemerken. Eines davon zeigt das einfache
Kleeblattmaßwerk des ursprünglichen Fensters. An den
Steinrippen des Gewölbeabschlußes sind vier Schildchen
mit den Zahlen 1. 5.19 (oder in Spiegelschrift 1516) zu
sehen; im vierten hat sich der bislang unbekannte Meister
mit seinem Steinmetzzeichen verewigt.
Grabplatten und merkwürdige Gesichter,
Taufstein und Kanzel
Wer den ersten Rundgang durch die Kirche absolviert
hat, den harmonischen Kirchenraum auf sich einwirken
ließ und sich nun wieder im Mittelgang einfindet, bemerkt
vor der ersten Stufe des Altarraumes im roten
marmornen Fußboden einige mit gotischen
Schriftzeichen versehene Platten:
Nach einer Ortsüberlieferung waren hier - im Altarraum
der alten Kirche, die bis zur heutigen Kanzel reichte - die
vier Lederer bestattet. Sie sollen den Kirchenneubau
veranlaßt haben. Infolge der Besiedelung des Rengerberges
vom 11. bis zum 13. Jahrhundert wäre die alte
Kirche zu klein geworden. So hätten sich - der Baulegende
nach - vier reiche Lederermeister,
Im Mittelschiff liegen die
Grabplatten von Lienhart Elich
und seiner Frau Katherina
(1480, links) und Jörg Sturm
(1519).
125
die am Gries (Ledererbachl) in Burgfried wohnten,
entschlossen, einen neuen Kirchenbau aufzuführen. Sie
wären aber mit den Mauern nur 13 Schuh (=etwa 4m)
hoch gekommen. Dann sei ihnen das Geld ausgegangen.
Der damalige Erzbischof Leonhard von Keutschach habe
daraufhin den Bau in die Hand genommen und ihn mit
finanzieller Hilfe der Klöster Nonnberg, St. Peter u. a.,
wie bereits angeführt, vollendet.
Im Fußboden der Kirche finden sich tatsächlich drei und
in der Totenkapelle einer der alten Lederer-Grabsteine
mit schönen Hausmarken im Schild: Urban Klingner
(gest. 152l) 31 , Lienhard Euch (1480) 32 , Jörg Sturm
(1519) 33 , und Lienhard Schiling (1506). 34 Letzterer findet
sich aufgestellt an einer Wand in der Totenkapelle.
Weitere Marmorplatten weisen auf Priestergrabsteine
1515, 1761 und 1779 u. a. hin. 35
Gewölbte Westempore
Zu den ältesten Bauteilen der heutigen Kirche - einzelne
Elemente stammen wahrscheinlich noch aus der Zeit des
Turmbaues um 1300 - ist die spätgotische Westempore
zu zählen. Sie umfaßte - nach der Erweiterung über das
Mittelstück hinaus - ursprünglich die Breite aller drei
Schiffe. In das südliche Seitenschiff wurde im 18.
Jahrhundert die „Arme Seelenkapelle" (heute: Totenkapelle)
eingebaut. Der Mittelteil der Empore öffnet sich
zum Hochaltar hin gegen Osten in einem großen
Halbkreisbogen. Er weist ein sehr schönes gotisches
Sterngewölbe mit birnförmig profilierten Rippen aus
rotem Marmor und runden Schlußsteinen auf. Die
Rippen schneiden erst kurz über dem Boden in halb-
Auch die Ehefrauen der Lederer sind auf den Grabplatten
angeführt; dies läßt den Schluß zu, daß auch sie in
Vigaun bestattet worden sind. Zwei der reichen Lederer
scheinen unverheiratet gewesen zu sein.
Der aufmerksame Betrachter wird an der
Emporebrüstung auf 4 Konsolenenden interessante
Männer- und auch Frauengesichter entdecken. Ein
weiteres Gesicht ist gut sichtbar, eingemauert im
Emporepfeiler am Aufgang zur Wendeltreppe. Schwerer
auffindbar ist das Gesicht an der Nordostecke des linken
Seitenschiffes (linker Seitenaltar). Als Träger des
halbrunden Postaments der Rippen entpuppt sich ein
skulpiertes bartloses Gesicht. Eine weitere ausdruckstarke
Gesichtsdarstellung dürfte erst im Zuge der letzten
Kirchenrenovierung 1974 wiederum zum Vorschein
gekommen sein: das große bärtige Gesicht befindet sich
im Altarraum, als Konsolenträger ganz oben am
Halbrundpfeiler neben der Sakristeitür. Von den
insgesamt 7 Kopf-Gesichtsdarstellungen wären demnach
vier den Lederer-Männern und drei den Frauen
zuzuordnen, wie auch den Grabsteinen zu entnehmen ist.
Aus der Zeit um 1500 stammt auch der schöne Taufstein
am linken Seitenaltar: aus rotem Marmor gefertigt weist
der Säulenfuß und auch das Becken schmal und breit
gedrehte Kannelüren auf. Die Kanzel aus rotem Adneter
Marmor wird von einer sechseckigen Säule getragen. Die
gute Steinmetzarbeit wurde im Jahre 1567 angefertigt
und der Kirche durch Erzbischof Johann Jakob von
Kuen-Belasy (1560-1586) zum Geschenk gemacht.
Deshalb trägt sie auch ein Relief mit dem vielfarbigen
Wappen des Spenders und die Inschrift: "Joannes
Jacobus Dei Gratia Archiepiscopus Ecclesiae
Saltzburgensis Apostolicae Sedis Legatus Anno Domini
MDLXVII". Die barocke Schallhaube darüber stammt
allerdings erst aus dem Jahre 1707.
Den angesetzten Treppenturm gibt es neben den
Vigauner Kirchen auch bei der Peterskapelle in Hallein.
126
unde Dienste ein. Gegenüber der geraden Steintreppe
findet sich der rundbogige Einlaß zur steinernen
Wendeltreppe auf die Empore und von dort durch ein
ebenso rundbogiges Türchen auf den Dachboden und in
den Turm. Gerade diese Treppe, eingebaut in einen
halbrunden Außenturm ist eine Eigenheit der beiden
Vigauner Kirchen. Das Türmchen ist an den Hauptturm
angebaut, mit Sockel, drei Luken, Hohlkehlgesims und
halbrundem Schindelkegeldach versehen. Einen ganz
ähnlichen Treppenturm finden wir auch in der St.
Margarethen Kirche, ansonsten im Salzburgischen nur
noch beim alten Peterskirchlein in Hallein (neben der
Stadtpfarrkirche), die dem Alter nach den Vigauner
Türmchen ein Vorbild gewesen sein könnte. Im
benachbarten Bayern besitzt einzig die Kirche in Asten
bei Tittmoning eine solche platzsparende Vorrichtung. 36
Barockisierung im 17./18. Jahrhundert
Nach unserem ersten Rundgang durch die Spätgotik der
Pfarrkirche setzen wir im Barock fort. Ende des 17.
Jahrhunderts kam die unvermeidliche Barockisierung fast
aller Kirchen. Damals hatten die Menschen ihren
„Geschmack" an der Gotik verloren. Es mußte so gut wie
alles „modernisiert" werden. Als erste büßten die Fenster
ihre gotische Form ein, wurden z. T. zugemauert und mit
Farbglas versehen. Die dadurch eher düster wirkende
Vigauner Kirche wurde erst 1867/1872 wiederum
regotisiert, damit mehr Licht und Helle ins Kircheninnere
strömen konnte. Vollends gelungen ist dies erst durch die
neuen Thermoscheiben der Firma Eßl aus Salzburg im
Jahre 197l. 37 Nach den Fenstern wurden die Altäre
barockisiert. So kam es dann nach und nach zur
Anschaffung der heutigen Ausstattung des Gotteshauses.
Wie in St. Margarethen waren hier vor allem Mitglieder
von Halleiner Künstlerfamilien beschäftigt, die sich auch
in den Kirchen von Oberalm, Puch, Kuchl, Golling u. a.
hervorgetan hatten. 38
Der Hochaltar
Im Jahre 1635 wurde mit einem neuen Aufbau
begonnen. 39 Der heutige, überaus glücklich restaurierte
Barockaltar vom Portaltypus mit reichem Aufbau und
Zierwerk stammt aus dem Jahre 1675 und ist das Werk
des Halleiner Kunsttischlers Lorenz Lasacher. Auf drei
Stufen steht ein hölzerner Altartisch. Darauf befindet sich
ein sehr großer, ganz vergoldeter Tabernakel aus dem
Jahre 1690 vom Kuchler Tischler Hanns Pfister, ein
Kuppelbau mit vier gewundenen Säulchen und
Traubengehänge; auf den Seitenpostamenten zwei
anbetende Engel; oben darauf das Lamm Gottes auf
einem Buche.
Im Hauptteil sehen wir ein großes rechteckiges Altarbild.
Es stellt die Kreuzigung Christi, die Schacher, Maria,
Maria Magdalena, Johannes und einige Krieger dar. Das
Aufsatzbild zeigt Gottvater mit der Taube, umgeben von
Engeln. Beide Gemälde sind mittelgute Arbeiten des
Halleiner Malers Ferdinand Mayrhofer aus dem Jahre
1675. 40
Neben den Säulen des Altaraufbaues stehen die
lebensgroßen Statuen der Kirchenpatrone: links der Hl.
Dionysius mit dem Attribut seines abgeschlagenen
Hauptes (hier also mit zwei Köpfen) und rechts der Hl.
Blasius mit gedrehter Wachskerze. Darüber die Statuen:
Hl. Martin mit dem Bettler und rechts der Hl. Franz von
Assisi. Sie stammen aus der Meisterhand des
Berchtesgadener Bildhauers Franz Kheimhofer (1675). 41
Im Altarraum finden sich noch folgende Statuen aus der
Barockzeit: links auf einer Holzkonsole eine Pieta-
Gruppe (um 1700), Mutter Gottes mit dem Kind (um
1638), der Schmerzensmann und die Statue der
Schmerzhaften Mutter Gottes, einer Arbeit des Halleiners
Johann Georg Mohr um 1700.
127
Ein interessantes Bild aus 1750 findet sich direkt über
der Sakristeitür: Es zeigt die Hl. Dreifaltigkeit. Vor ihr
knien vier Mitglieder einer Bruderschaft in gelben
Habiten. Hier handelt es sich um das Bruderschaftsbild
jener Vigauner Vereinigung, die sich im Jahre 1724 als
„Bruderschaft zur Verehrung der Allerheiligsten
Dreifaltigkeit" zusammengeschlossen hatte. Die „Dreifaltigkeitsbruderschaft"
beging ihr Hauptfest am ersten
Sonntag nach Pfingsten, dem Dreifaltigkeits-sonntag, an
dem bis heute alljährlich ein Hochamt mit anschließender
Prozession stattfindet.
Der rechte Seitenaltar
Dieser pseudogotische und filigran gearbeitete Altar zu
Ehren der Hl. Familie wurde erst im Jahre 1906
aufgestellt und ist in künstlerischer Hinsicht eher wertlos.
Der Altaraufbau stammt von Vinzents Pezzei, die Statuen
der Hll. Florian und Sebastian vom Südtiroler Bildhauer
Tabella.
Früher stand hier der barocke St. Josefs-Altar aus dem
Jahre 1706. Er wurde zunächst der St. Petrus Claver-
Sodalität in Salzburg überlassen und kam später an die
St. Josefs Missionsanstalt nach Brixen/Südtirol. Bis ins
16. Jahrhundert hinein könnte an dieser Stelle - wie
schon erwähnt - der spätgotische Vigauner Flügelaltar
gestanden haben, der im Jahre 1874 an das Salzburger
Museum Carolino Augusteum übergeben worden ist.
Der linke Seitenaltar
Dieser Altar hat bereits eine bewegte Geschichte hinter
sich und birgt schon seit langem eine kunstgeschichtliche
Kostbarkeit aus dem Jahre 1597. Das Altarbild ist
signiert: "Georg Behem Monacensis 1597". Es handelt
sich hier um jenen Georg Beham (Böhm) aus München,
einen Schüler des Melchior Bocksberger, der im Jahre
1593 sein Probestück machte und zum Hofmaler
ernannt wurde, aber bereits 1604 verstorben ist. Beham
arbeitete auch für die Bürgerspitalskirche St. Blasius in
Salzburg. Das Tafelbild in Vigaun ist das einzige signierte
Ölgemälde des seltenen Münchner Meisters. 42
Das Bild (177x134, 5cm) zeigt in heller Farbe die Taufe
Christi. Im Mittelgrund fallen, unter teils in türkischer
Tracht gekleidete Personen, drei auf, die in
zeitgenössischer Kleidung erscheinen und aus dem Bild
den Betrachter fixieren. In ihnen werden Mitglieder der
Trompeterfamilie Schroffenauer vermutet, weil einer von
ihnen eine Tuba unter dem Arm trägt. Andererseits läßt
der rötliche Bart auch auf eine Zugehörigkeit
zur Familie der Raitenauer schließen, aus der Erzbischof
Wolf Dietrich stammte.
Dieses Bild war nie das Hochaltarbild in Vigaun, wie
verschiedentlich behauptet worden ist. Auch stand es
nicht in der St. Margarethenkirche, wie uns das
Visitationsprotokoll vom Jahre 1613 erweist. 43 Das
berühmte Taufbild von Georg Beham kam erst während
des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) etwa um
1640/43 nach Vigaun und wurde am linken Seitenaltar
aufgestellt, sodaß aus diesem ehemaligen „Kreuzaltar"
später der St. Johannes Altar wurde. In den Jahren
1688/1693 und endgültig 1701 wurde dieser Altar
wegen Baufälligkeit gründlich saniert. Sein heutiges
Aussehen erhielt er erst durch einen neuen marmorierten
Holztabernakel im Jahre 1732 und durch Arbeiten des
Kuchler Tischlers Johann Pfister. 44
Im Jahre 1876 wurde das berühmte Taufbild wiederum
aus dem Altar genommen und durch ein Gemälde von
Anton Eggl ersetzt. Dieses neue Altarbild stellte Christus
als Richter dar. Das Beham-Bild ist sodann mit zwei
anderen doppelseitig bemalten hölzernen Tafelbildern zu
einer Art Flügelaltarkonstruktion vereint und im Jahre
1912 an der Südwand des rechten Seitenschiffes angebracht
worden. 45 Dort blieben sie bis zur
Kirchenrenovierung 1953. Dann kehrte das Beham-Bild
wieder an seinen angestammten Platz zurück, während
die beiden Seitenflügel nun an der Wand des nördichen
Seitenschiffes befestigt wurden. Diese Holztafeln vom
Ende des 16. Jahrhunderts zeigen die Kreuzabnahme
und Grablegung Christi. Heute befindet sich an der
Südwand des rechten Seitenschiffes ein mächtiges Kreuz
mit den Figuren Maria und Johannes, Arbeiten aus dem
Jahre 1682. Dieses „Hängekreuz" war bis 1953 am
Gewölbe zwischen Langhaus und Altarraum
(Triumpfbogen) befestigt; darunter war im Rosenkranz
jene Madonnenstatue angebracht, die heute die
Emporewand ziert.
Im linken Seitenschiff befindet sich in einer Wandnische
noch ein weiteres Altärchen mit den bekleideten, mit
Naturhaar ausgestatteten Holzfiguren der Madonna mit
dem Kinde (späte Arbeiten des 18. Jahrhunderts).
An der Emporebrüstung das Bruderschaftskreuz (oben
Gottvater und die Taube), das im Jahre 1725 durch
Simon Fries aus Salzburg schön gearbeitet worden ist.
Die Kreuzweg-Tafeln wurden im Jahre 1900 durch
Johann Baptist Schmalzl aus St. Ulrich im
Grödnertal/Südtirol geschnitzt. 46
128
Die „Werktagsseite" (im zugeklappten Zustand) der beiden ursprünglich sicherlich zu einem Flügelaltar gehörenden
Holztafeln, die jetzt an der Wand des nördlichen Seitenschiffs der Pfarrkirche hängen: der hl. Martin (links) und der
hl. Franz uon Assisi, wie er die Wundmale des Herrn empfängt.
129
Kirchenäußeres
Ein Gang um die Kirche läßt uns noch die Spuren der
Fensterumbauten und das im Jahre 1701 zugemauerte
Nordportal erkennen. Die auffallend vielen Vertiefungen
in der Mauer sind sogenannte „Tramlöcher". Sie dienten
bei Ausbesserungsarbeiten u. a. zur Aufstellung der
Holzgerüste und zur „Atmung des Gesteins". Das
Gotteshaus, aus unverputzten Konglomeratquadern
erbaut, hat einen umlaufenden, oben abgeschrägten
Sockel und ein gotisches Hohlkehlgesimse. Auch im
Äußeren wirkt diese Kirche anziehend und interessant.
Ihre Mauern werden von 14, dreimal abgestuften und mit
Marmorplatten 47 abgedeckten Strebepfeilern gestützt, die
den Druck der Gewölbe abfangen.
Das Baumaterial für die beiden Vigauner Kirchen wurde
in der näheren Umgebung - aus der Taugl und dem
Tauglwald - bezogen. Marmor kam aus der
Nachbargemeinde Adnet. Für die Konglomeratquadern
aus „St. Margarethener Nagelfluh" gab es einen
Steinbruch in der Nähe des „Bruderloches" in St.
Margarethen und entlang des Adneter Riedls vermutlich
eine Aushubstelle im Bereich des heutigen Restaurants
Kellerbauer. 48
Vom südlichen Haupteingang des Friedhofes gewinnt
man einen schönen Blick auf die alte Sonnenuhr aus
dem Jahre 1765 (renoviert 1983), das große Holzkruzifix
im dritten Jochfeld und auf den Hl. Dionysius im
Tympanon des Eingangsportals.
Der Kirchturm
Der „schiefe Turm von Vigaun" war lange Zeit ein
Kuriosum im Tennengau. Erst im Jahre 1935 konnte
dieser gefährliche Mangel endgültig behoben werden
(Jahreszahl am Turmhelm).
In der Tat hat dieser Kirchturm eine bewegte Geschichte.
In seiner massiven Bauweise hat er aber alle Stürme der
Zeit überstanden. Er ist der älteste Teil der Kirchenanlage
und dürfte in seinen Fundamenten noch aus dem
späteren 13. oder frühen 14. Jahrhundert stammen 49
und mit der alten nur einschiffigen Kirche eine
harmonische Einheit gebildet haben.
Die Marmornische im Presbyterium der Pfarrkirche links,
die bis ins 17. Jahrhundert als Wandtabernakel
(Sakramentshäuschen) gedient haben dürfte. Das
Rauchabzugsloch ist ein Hinweis, daß sie dann als Ewig-
Licht-Nische verwendet wurde.
Ursprünglich war das Erdturmgeschoß dreiseitig geöffnet,
sodaß der Turm auf mächtigen Eckpfeilern ruht. Hier
sieht man noch das schöne gotische Sterngewölbe mit
den heute freigelegten Marmorrippen. Der Nordeinlaß ist
vermauert; darin eingebaut wurde eine barocke Pieta-
Gruppe mit dem alten Kriegerdenkmal. Die neue
Gedenkstätte befindet sich seit 1953 am Dorfplatz mit
einer Figurengruppe des berühmten Halleiner Künstlers
Jakob Adlhart.
Das Problem des „schiefen Turms"
Die größten Probleme hatte der Vigauner Kirchturm mit
seinem gotischen Pyramidenhelm. Im Jahre 1789 war
dieser bereits so schadhaft, daß er sich zum erstenmal
neigte und bei Sturmgewittern gefährlich „ächzte".
Damals meinte man, man müsse den Helm ganz
abtragen, weil er in seiner Auflage im Gemäuer zu wenig
verankert wäre. „Das arme Vikariat" könne sich aber die
Kosten dafür nicht leisten , meinten der Pfleger von
Golling und der Pfarrer von Kuchl. 50 Da der Turmhelm
am Gemäuer zu geringen Halt hatte und in der Mitte um
3 Schuh (=ca Im) bereits gebogen war, wurde
angeordnet, sofort den Helm bis zu diesem „Knick"
abzutragen. 51
130
Mit der Arbeit wurde der Halleiner Zimmermeister Josef
Schöndorfer (Schendorfer) beauftragt, der auch ein
kostengünstiges Anbot erstellt hatte: Der Turmhelm sollte
um 12 Schuh (=ca 4m) gekürzt und ab der Mitte mit
einer Blindlaterne und Spitze versehen werden. Eine
andere Variante sah statt der Spitze eine barocke
Zwiebelkonstruktion vor. 52
Nach einem Lokalaugenschein durch den Salzburger
Hofbauverwalter Wolfgang Hagenauer entstanden
langwierige Streitverhandlungen, da Hagenauer
seinerseits einen Neubau des ganzen Spitzhelmes
vorschlug und dafür seinen Rißplan vorlegte.
Darüberhinaus unterbot er mit seinem neuen Anbot den
Kostenvoranschlag Schöndorfers. 53 Der Streit währte
über ein Jahr, während der Turmhelm bis zur Mitte
bereits abgetragen und nur notdürftig abgedeckt worden
war. Schlußendlich entschied am 15. September 1790
das Salzburger erzbischöfliche
Konsistorium: Josef Schöndorfer solle den Turmhelm,
versehen mit einer Blindlaterne und Spitz - wie es seine
Rißzeichnung im April 1789 zeigt - aufführen.
Ob Zimmermeister Josef Schöndorfer dann diesen Plan
auch tatsächlich zur Ausführung brachte, ist aus den
Akten leider nicht mehr ersichtlich. Und wenn er dem
Konsistorialbefehl Folge leistete, dann hatte diese
interessante und ansehnliche Kirchturmkonstruktion nur
12 Jahre Bestand.
Am 11. Juli 1802 um 20.45 Uhr fuhr ein mächtiger
Blitz in die Wetterfahne des Turmspitzes, sprang auf die
Zifferblätter der Uhr über und von dort zurück in das
Orgelgehäuse im Kirchenraum. Der Schaden an der
Orgel war beträchtlich. Eine neue Mauracher-Orgel
konnte sich die Pfarre erst 1865 leisten (letzte
Restauration 1980). Einen ebenso großen Schaden
richtete der Luftdruck des gewaltigen Donnerschlages an:
131
es auch, die Vigauner von der Notwendigkeit zu
überzeugen, am Turm einen Blitzableiter anzubringen.
Sie wollten aber auch Kreuz und Kugel vergolden lassen.
Es wurde ihnen aber nur die Verwendung einer gelben
Farbe gestattet.
Es dauerte nicht lange, da begann sich der Turmhelm
abermals zu neigen. Im Jahre 1833 wurde er durch
Einzug neuen Gebälks im Innern verspreizt.
Auch diese Konstruktion hielt nicht lange. Sie war nur
durch sogenannte „Klampfen" (geschmiedete
Eisenklammern) befestigt. Alsbald begann sich der
Turmhelm neuerlich gefährlich zu neigen. Da entschloß
sich Pfarrer Max Ringlschwendtner und die Gemeinde zu
einer Radikalsanierung. Der Pyramidenspitz wurde zur
Gänze abgetragen und im Jahre 1935 ein neuer aufgesetzt.
Die Arbeiten dauerten nur vom 15. bis 20. Juli und
wurden durch den Zimmermeister Josef Neureiter aus
Kuchl und dem Baupolier Anton Wellinger aus Golling
ausgeführt. 55 Der neue Pyramidenspitz ist um 5m kürzer
als sein „schiefer Vorgänger" und gibt der ganzen
Kirchenanlage eine bessere Optik.
Vielleicht trug der Vigauner Kirchturm zwischen 1789 bis
1802 einen Turmhelm in einer dieser Formen? Die
Skizzen eines Laternenaufsatzes oder eines Zwiebelturms
stammen vom Halleiner Tischlermeister Schöndorfer.
Er deckte die Holzschindeln am Turmhelm vollständig ab
und riß vermutlich die Laternenkonstruktion aus ihrer
Verankerung, sodaß sie zu Boden stürzte. 54
Nun war man wieder soweit wie im Jahre 1789. Auf den
noch unbeschädigten halben Turmhelm wurde der Spitz
in der früheren Höhe von 72 Schuh (=ca 23m)
aufgesetzt. So bekam der Vigauner Kirchturm nun wieder
sein unproportioniertes Aussehen mit der zu langen
Pyramidenspitze. Im Jahre 1803 gelang
Der neue Vigauner Turmhelm im Juli 1935.
132
Die Glockenweihe durch Weihbischof Johannes Filzer 1927.
Die Glocken
Der Kirchturm beherbergt eine der ältesten Glocken des
Bundeslandes Salzburg. Seit nahezu 500 Jahren kündet
die große Glocke den Vigaunern Freud und Leid. Ihre
Tragringe haben gegossene bärtige Masken. Sie ist mit
der Jahreszahl 1500 und einer Umschrift in gotischen
Minuskeln verziert: omnes sancti intercedite pro
nobis+iesvs+maria+hans reicher. „Alle Heiligen bittet für
uns"; Hans Reicher hat der Glocke ein Gewicht von
1.232 kg und einen Durchmesser von 1,18 m gegeben.
Ihr schöner Klang (Ton G) - so erzählt eine hübsche
Ortssage - soll einst den Neid der umliegenden
Gemeinden und vorallem einiger geistlicher Herren in
Salzburg erregt haben: der erzbischöfliche Hof habe die
große Glocke in die Residenzstadt bringen wollen. Aber
vier Pferde konnten sie
nicht über „Langwies" hinausziehen. Ein Vigauner Bauer
führte sie dann mit seinem kleinen Öchslein ohne
Anstrengung und im Triumphe wieder ins Dorf zurück. 56
Aus Dankbarkeit hätten die Vigauner dann die
Langwieser-Kapelle errichtet, in welcher die obige
Begebenheit bildlich dargestellt gewesen sein soll. 57
Die Glocken in den Weltkriegen
Einzig die große Vigauner Glocke hat alle Stürme
überlebt, wäre aber beinahe durch einen unverzeihlichen
Irrtum eingeschmolzen worden.
Am 2 2. Juli 1916 mußten zwei Glocken der Pfarrkirche
und eine von St. Margarethen von den Türmen
genommen, nach Kuchl
133
geführt und dem Militär übergeben werden. Die zwei
größten Glocken wurden ihres hohen Alters wegen(
gegossen um 1500) noch verschont. Die mittlere aus
dem Jahre 1503 bekam 1918 einen Sprung und wurde
umgegossen. Neue Glocken kamen erst 10 Jahre später:
am Ostermontag, dem 18. April 1927 wurden sie durch
den Salzburger Weihbischof Johannes Filzer geweiht:
Marienglocke (500 kg), Dionysius und Blasius (300 kg)
und die Josephsglocke (200 kg). 58
Diese Glocken ereilte im Zweiten Weltkrieg das Schicksal
ihrer Vorgänger. Am 23. Jänner 1942 wurden drei vom
Kirchturm genommen und in Brixlegg/Tirol
eingeschmolzen. Nur die große Glocke und ein St.
Margerethener Glöcklein aus dem Jahre 1666 durften
zunächst verbleiben.
Dann hätte beinahe auch die altehrwürdige Vigauner
Glocke das Schicksal ihrer Schwestern ereilt. Über 400
Jahre hing sie bis dahin im Glockenstuhl. Nun wäre sie
fast dem Übereifer einer Behörde zum Opfer gefallen:
Am 10. Juli 1942 mußte die Große vom Turm
genommen werden. Zum ersten Mal verließ sie so ihren
hohen Sitz und kam nach Salzburg. Nach Protest und
Interventionen wurde der Irrtum aufgeklärt. Am 18. September
kam die Glocke wieder nach Vigaun zurück und
wurde noch am selben Tag zu ihrem angestammten
Platze aufgezogen. 59
Glockenweihe 1950
Das neue Geläute stellte die Wiener Glockengießerei
Josef Pfunder her. Am Pfingstmontag, dem 29. Mai,
fand durch den Salzburger Domdechant Etter die
feierliche Weihe statt; die zweitgrößte Glocke (549 kg) ist
wie ihre Vorgängerin der Mutter Gottes gewidmet mit
der Inschrift: Ave Maria gratia plena dominus tecum.
Nach uraltem Brauch wurde der Glocke bei der Weihe
auch eine Patin gegeben: Anna Hagn. St. Floriane et
Sebastiane orate pro nobis lautet die Umschrift auf der
zweiten Glocke mit 370 kg; Patin war Maria Steiner.
Schließlich ist das kleinste Glöcklein (213 kg) dem Hl.
Joseph geweiht: Sancte Joseph adjuva morientes.
Johanna Widl fungierte als Patin. 60 Im Jahre 1964
konnte das schöne Geläute zusammen mit der Turmuhr
elektrifiziert werden.
Die große Glocke der Pfarrkirche von Vigaun ist eine der
ältesten im ganzen Land. Die lateinische Umschrift: „Alle
Heiligen, verbürgt euch für uns. Jesus. Maria. Hans
Reicher 1500".
134
St. Margarethen
Die Vigauner Pfarrkirche hat in unmittelbarer Nähe eine
in künstlerischer Hinsicht überaus reizvolle Filialkirche.
Der Bau dieses Gotteshauses erklärt sich nicht nur aus
edlem Spendergeist; er wird vor allem durch die religiöse
Zugkraft der hochverehrten Bauernpatronin, der Hl.
Margareta verständlich.
In der religiösen Vorstellungswelt des Spätmittelalters
wurden Kirchen nicht als Selbstzweck errichtet; auch
vermachte man Schenkungen nicht etwa dem Gebäude
eines Gotteshauses, sondern immer zu Ehren des
Kirchenpatrons und zur Verschönerung seines
Heiligtums. Damals signierten Künstler noch nicht ihre
Werke, sie schufen zur Ehre Gottes und frommen
Erbauung der Menschen. So finden wir in der mit
Marmor so reich ausgestatteten St. Margarethen Kirche
kein einziges Steinmetzzeichen (nur eine kleine Rose und
ein zierliches Gesicht im Blütenkranz entdeckte man im
Zuge der Restaurierung 1976 am ehemals vermauerten
Südportal, heute Sakristeitür innen).
Gleich wie in der Vigauner Pfarrkirche ist in St.
Margarethen über dem Eingangsportal ein berühmtes
gotisches Tympanonrelief aus weiß-rot gesprenkeltem
Adneter Marmor, polychromiert mit zarten Farben. Das
schöne Hochrelief stellt die Hl. Margareta mit Krone dar,
zu ihren Füßen ein Drache. So wie Margareta aus dem
Griechischen übersetzt „die Perle" bedeutet, so ist die St.
Margarethen Kirche in der Tat ein Schmuckstück unter
den Tennengauer Gotteshäusern. Urkundlich erstmals im
Jahre 1444 erwähnt 61 wird dieser Ortsteil heute nach ihr
benannt. Früher hieß er Baumhofen und in der
Anfangszeit seit 1437 Pabenhofen. 62
Die Hl. Margareta: Geschichte und Legende
Der Legende nach wurde Margareta von ihrem
heidnischen Vater verstoßen, in der Diokletianischen
Christenverfolgung um das Jahr 307 wegen ihrer Treue
zum Glauben und zur Jungfräulichkeit schrecklich
gemartert und schließlich enthauptet. Deshalb wird sie
zumeist dargestellt als Siegerin über einen Drachen
(=Teufel) mit einem Kranz in der Hand. Die Krone auf
ihrem Haupte ist das Symbol des Sieges. Ihrem Namen -
„die Perle" - entsprechend wird sie oft auch mit einem
Perlenkranz dargestellt, bisweilen auch mit einer Fackel
und einem Kamm, den Werkzeugen ihres Märtyrertodes.
Margareta, Patronin der Bauern
Margareta zählt zu den hochverehrtesten der 14
Nothelfer. Ihr Fest ist bei uns am 20. Juli, während sie
im Orient als Hl. Marina am 17. Juli gefeiert wird. Der
20. Juli war früher ein wichtiger bäuerlicher Lostag:Nach
altdeutschem Recht mußte an ihrem Festtag der
bäuerliche Pachtzins gezahlt werden. Der Margaretentag
war aber auch ein wichtiger Wetterstichtag:
„Margaretenregen kann erst nach einem Monat sich
legen", heißt eine alte Bauernregel. Margareta gilt seit
dem Mittelalter als die eigentliche Patronin des
„Nährstandes", d. h. der Bauern und wird als
Kulturpatronin für die Fruchtbarkeit der Felder verehrt.
Sie sollte alles „böse und schädigende Ungeziffer", d. h.
vorallem den Befall der Felder durch Engerlinge
verhindern.
Engerlinge sind die weißlichen Larven des Maikäfers, die
durch Abbeißen der Wurzeln die Planzen zum Absterben
bringen und daher äußerst schädlich wirken. Früher
rückte man ihnen durch reichliche Bewässerung zu
Leibe. Man bekämpfte sie aber auch dadurch, daß man
die Felder zur Mittagszeit, wenn diese Schädlinge an die
Oberfläche kamen, mit breiten Vorrichtungen walzte.
Die Heilige Margareta von Antiochien in Pisidien
(westlich von Konia in der Türkei) wurde im Orient schon
früh als eine sogenannte Megalomartyrin, als eine
Großmärtyrerin verehrt. Um Margareta oder auch
Margarita genannt, die im Orient den wohlkingenden
Namen Marina hat, bildete sich im Laufe der Zeit ein
ganzer Kranz von Legenden. Im Abendland verbreitete
sich ihre Verehrung seit dem 7. Jahrhundert. Im
späteren Mittelalter wurde sie zu einer der
volkstümlichsten heiligen Frauengestalten: „Barbara mit
dem Turm, Margareta mit dem Wurm und St. Katharina
mit dem Radl, das sind die drei heiligen Madl" wurde zu
einem Volksspruch, mit dessen Hilfe man diese
Frauengestalten und ihre Heiligenattribute leicht im
Gedächtnis behalten konnte.
Margareta ist auch die Nothelferin der unfruchtbaren
Ehefrauen, der Gebärenden, der Jungfrauen. Bei
schweren Verletzungen und entstellenden
Gesichtskrankheiten vertraute man auf die
Fürsprachekraft der Heiligen. 63 Wurden in der Vigauner
Kirche die männlichen Schutzheiligen des bäuerlichen
Gemeinwohls verehrt, so war St. Margarethen gleichsam
die frauliche Ergänzung: Es war das Heiligtum der
weiblichen Nothelfer des Bauernstandes.
Der Zulauf zur St. Margarethenkirche aus nah und fern
muß immer so groß gewesen sein, daß man eigens eine
marmorne Predigtkanzel unter das schützende Vordach
der Kirche baute. Auf seiner erhöhten Hanglage war das
schmucke Kirchlein schon von Weitem sichtbar und lud
zur besinnlichen Einkehr. Es barg bis ins 17. Jahr-
135
hundert 64 eine der ältesten Kalksteinstatuen Salzburgs:
Die um 1400 entstandene Statue der Hl. Margareta.
Schon damals dürfte sie bereits ein Torso gewesen sein,
später in Verwahrung genommen, wurde sie schließlich
im Jahre 1930 vom Lande Salzburg angekauft. In
kunstgeschichtlicher Hinsicht wird sie folgendermaßen
beschrieben: „62 cm hoch; der Kopf fehlt, auch die
rechte Hand ist abgebrochen. In der linken Hand hält sie
ein geschlossenes Gebetbuch, zu ihren Füßen liegt der
kleine Drache, dessen Kopf abgebrochen ist. Starke S-
Krümmung, schwache Spuren von Bemalung. Die
Rückenpartie ist vollkommen durchgearbeitet, interessant
die Stilisierung des Haares. Gute Arbeit des 14.
Jahrhunderts..." 65 Die Kunsthistorikerin Roswitha
Juffinger meint dagegen, daß die Figur etwas später um
1400 entstanden ist. 66
aufbringen können. Es ist wahrscheinlich die erste Kirche
an dieser Stelle, einfach in ihrem Äußeren, aber ganz
einheitlich im gotischen Stile, würdig der im Mittelalter
und in der Barockzeit hochverehrten Bauernpatronin,
der Hl. Margareta. Die wenigen neugotischen Zutaten
wie etwa das Emporefenster mit Rosette aus dem Jahre
1909 u. a. fallen dabei nicht besonders ins Gewicht.
Nach einer Legende soll das Kirchlein von einer reichen
Weißwarenhändlerswitwe aus Hallein erbaut worden
sein. Sie hätte den Kirchenbau „verlobt", nachdem ihr
Schiff, das mit einer wichtigen Fracht beladen war, aus
dem Orient glücklich den Hafen Venedig erreichte. 68
Und in der Tat wurde bei diesem Kirchenbau mit teurem
Marmor, der Dank einer geglückten Restaurierung 1977
wieder frei gelegt werden konnte, nicht gespart.
Die St. Margarethen Kirche
Das Gotteshaus hatte das besondere Glück, noch vor
dem allgemeinen Kirchenbauboom 67 zu Ende des 15.
Jahrhunderts errichtet worden zu sein. So dürfen wir
annehmen, daß hierher beträchtliche finanzielle Mittel
geflossen sein müssen, die eine arme Landgemeinde wie
Vigaun zur damaligen Zeit nicht hätte
Kirchenäußeres
Die schöne einschiffige gotische Kirche vom Anfang des
15. Jahrhunderts mit den dreimal abgestuften und in
unterschiedlichen Abständen gesetzten Strebepfeilern ist
ganz aus Konglomeratquadern erbaut. Das Langhaus
vermittelt einen einheitlichen Gesamteindruck.
Der Grundriß der Filialkirche
zur hl. Margaretha in
St. Margarethen bei Vigaun
136
Die „Vigauner Margarethe" ist eine
Steingußstatue. Sie ist ca. 62cm
hoch, die rechte Hand ist wie der
Kopf des zu ihren Füßen liegenden
Drachens abgeschlagen, der Kopf
fehlt. Anläßlich des Jubiläums „500
Jahre Pfarrkirche Vigaun" im Jahre
1988 ließ die Gemeinde einen Abguß
der Statue herstellen, die heute der
Salzburger Residenzgalerie gehört.
Die Kopie soll in der Kirche von St.
Margarethen aufgestellt werden - wo
sich das Original ursprünglich
befunden haben wird.
137
Der niedrige Anbau mit drei Stützpfeilern und
Schindelpultdach an der Nordseite diente als Sakristei.
An der Südseite wurde im Jahre 1909 die heutige
Sakristei angebaut. Das ehemals an dieser Stelle
vermauerte, schön gearbeitete Marmorsüdportal findet
heute als Sakristeitür Verwendung. Daneben befindet
sich ein Charakteristikum der Vigauner Kirchen: das
angebaute Stiegenhaus in der Form eines halbrunden
Türmchens mit Sockel, gekehltem Gesimse und halbem
Schindelkegeldach. 69 Innen führt eine Wendeltreppe aus
Marmorstufen zur Empore, zur Orgel und zum kleinen
Dachreiterturm.
Vorhalle und Kanzel
Wegen der vielen Wallfahrer und Kirchenbesucher hat
sich das Gotteshaus an den kirchlichen Hochfesten und
besonders an den „von der gesammten Pfarre Kuchl
verlobten drei Engerlingfeiertagen " immer als zu klein
erwiesen. Deshalb wurde in der ganzen Breite der
Westfront ein auf vier Holzsäulen ruhendes Schutzdach
mit tonnenförmigem Brettergewölbe und einfacher
ornamentaler Malerei verziert, errichtet. Die Vorhalle in
dieser Form wurde erstmals zu Ende des 17.
Jahrhunderts aufgestellt. Die „Engerlingfeiertage":
Georgs-Heinrich- und Margaretentag = 23. April, 15.
(nun 13. Juli) und 20. Juli wurden schon seit
„urdenklichen Zeiten" besonders festlich begangen, wie
der Vigauner Vikar Josef Scheiblprandtner im Jahre
1726 berichtet: Kreuzvölker, d. h. Pilgergruppen aus der
ganzen Kuchler Pfarr würden insbesondere am St.
Margareten Tag (=20. Juli) kommen, „wo das Frühamt
der Geistliche von Adnet, das Hochamt der von Kuchl
und die Predigt der von Vigaun halten muß". 70 An den
erwähnten Engerlingtagen fand die Predigt vor der
Kirche statt. Dazu diente die angebaute Kanzel aus rotem
Adneter Marmor 71 in der Vorhalle, die von den
Kreuztrachten aus Vigaun, Kuchl, Adnet und St.
Koloman im Jahre 1679 erwünscht und hernach
aufgestellt wurde.
Das gotische Portal
In der Mitte des offenen Vordaches kann man das
überaus beeindruckende, aus der Mitte des 15.
Jahrhunderts stammende, spitzbogig gotische Portal aus
rotem, weißgesprenkeltem Adneter Marmor bestaunen:
das abgeschrägte Gewände ist über dem glatten, oben
gekehltem Sockel profiliert. Es weist drei starke, in
Stufen gestellte Stäbe auf, dazwischen befinden sich drei
Hohlkehlen. Der Türausschnitt schließt mit der
eigenartigen Lösung eines flachen Kleeblattbogens mit
beiderseits je einer Volute. Darüber befindet sich ein
gerader Fries mit einer krautigen
Wellenranke in flachem Relief und einem Zinnenband.
Im kunstvollen Tympanon erkennen wir das bereits
eingangs beschriebene, schöne Hochrelief mit der Hl.
Margareta.
Kircheninneres
Über dem alten Fußboden aus roten Marmorplatten
öffnet sich dem Eintretenden der Blick auf das
einschiffige Langhaus und den um zwei Stufen erhöhten
Chor (Altarraum). Das Kirchlein ist gut proportioniert
20,5 m lang, 8,5 m breit und 12m hoch. Der
einheitliche, hohe und helle Raum hat eine gotische
Wandgliederung. Den inneren Strebepfeilern sind runde
Dienste mit vorspringenden Sockeln und einfachen
Ringkapitälen vorgestellt. Auf ihnen ruhen die beiderseits
gekehlten marmornen Rippen des schönen
Sterngewölbes auf. Sie werden durch runde Schlußsteine
abgeschlossen. Darauf wurden die Jahreszahlen der
Kirchenrenovierungen aufgemalt: 1597, 1643, 1671,
1804, 1909. Der heutige stilvolle Gesamteindruck wurde
durch den Spendeneifer der Bevölkerung bei der letzten
Kirchenrenovierung unter Pfarrer Franz Brunauer
1976/1977 erzielt. Wie bei der Pfarrkirche waren auch
hier die heimischen Handwerksbetriebe Rupert
Schörghofer, der St. Margarethener Zimmermeister
Johann Frank und zahlreiche Helfer bei der Sanierung
und Restaurierung tätig.
Aus gotischer Zeit stammt auch der schöne Weihwasserstein
aus gesprenkeltem Adneter Marmor: ein
zehnseitiges kanneliertes Becken auf einer kurzen
ebenfalls zehnseitig kannelierten Säule.
Barockisierung der Kirche
Salzburgs berühmtester Barockfürst, Erzbischof Wolf
Dietrich (1587-1612, gest. 1617), nahm sich des bereits
zu verfallen drohenden Kirchleins an und ließ es im Jahre
1597 renovieren. Rechts vom Altare steht ein ovaler
Holzschild mit seinem Wappen und der Umschrift: „Fürst
Wolf Dietrich hat dies kirchlein gnäd. anno 1597 renov.
lassen".
Zu dieser Zeit hatte das Gotteshaus drei Altäre: Der
Hochaltar war der Hl. Margareta geweiht; auf seiner
Rückseite befand sich eine Salvatordarstellung (= Jesu
Haupt am Schweißtuche Veronikas). Der rechte
Seitenaltar war der Gottesmutter, der linke den Hll.
Gervasius und Benedikt geweiht. Der Friedhof war nicht
konsekriert 73 , deshalb konnten auch keine Beerdigungen
vorgenommen werden. Das Salvatorbild hinter dem
Hochaltar wurde noch im Jahre 1652 restauriert. Im
Zuge der Barockisierung der Vigauner Kirche, bekam
138
St. Margarethen zunächst im Jahre 1724 den alten
Vigauner Hochaltar, d. h. jenen Altar, auf dem die
Kreuzigung zu sehen war, geschenkt.
Die alten gotischen Einrichtungen waren nun nicht mehr
nach dem Geschmack der Menschen, und alles mußte
„modernisiert", d. h. barockisiert werden. Die St.
Margarethener suchten deshalb im Jahre 1724 um die
Aufstellung eines neuen Altares an. Der Kuchler Pfarrer
sprach sich vehement dagegen aus; es wäre zu
kostspielig und überdies würden in der Kirche das ganze
Jahr hindurch nur sechs bis sieben Gottesdienste
gehalten. Der Altar wurde daraufhin nicht bewilligt, kam
aber in den folgenden Jahren wegen der Hartnäckigkeit
der Bittsteller trotzdem zur Ausführung.
Eine ganze Reihe bedeutender Künstler, die bereits auch
in anderen Tennengauer Kirchen ihr Können unter
Beweis gestellt hatten, arbeiteten nun seit 1725 in St.
Magarethen. In erster Linie ist der berühmte Halleiner
Bildhauer Johann Georg Mohr zu nennen, dann der
Kunsttischler Josef Krimpacher aus Hallein, der Gollinger
Maler Wilhelm Ignaz Lamberti, der Salzburger Bildhauer
Johann Georg Mayr, der Halleiner Maler Josef
Prandstetter, der Maler Josef Franz Högler aus Oberalm,
der Kuchler Tischler Johann Pfister und der Bildhauer
Johann Georgross aus Hallein. 74
Im Jahre 1731 fanden die St. Margarethener auch an
den Seitenaltären keinen Gefallen mehr. Sie wurden dem
bereits damals fertiggestellten Hochaltare angeglichen.
Im selben Jahre mauerte man auch im Altarraum das
mittlere Fenster zu, von dem nur noch die äußeren
spitzbogigen Konturen und Maßwerkreste zu sehen sind.
Der Hochaltar
Der freistehende Altar hat auf drei Holzstufen eine
einfache Mensa (Altartisch). Der ganze Aufbau wurde
vom Halleiner Tischler Josef Krimpacher noch im Jahre
1725 fertiggestellt. 75 Das schöne Altarbild soll noch aus
der Vigauner Kirche stammen; es stellt die Kreuzigung
Christi mit vielen Figuren dar, eine gute Arbeit vom Ende
des 16. Jahrhunderts (um 1597 ?). Im Altaraufsatzbild:
Gottvater mit der Weltkugel, Taube und Engeln; an der
Rückseite auf Blech: Kopf Christi am Schweißtuche
(restauriert 1652).
Der Schild mit dem Wappen Erzbischof Wolf Dietrichs
von Raitenau rechts vom Hochaltar in der Filialkirche St.
Margarethen erinnert an die Renovierung 1597.
Die Statuen, welche 1909 neu gefaßt wurden, stehen auf
Postamenten zwischen Säulenpaaren: die schwungvoll
gearbeiteten Statuen der Hl. Margareta und jene der Hl.
Magdalena. Am Aufsatz die kleineren Figuren des Hl.
Michael, der Hl. Katharina und der Hl. Barbara. Hier
handelt es sich um sehr gute Arbeiten des Halleiner
Bildhauers Johann Georg Mohr aus dem Jahre 1725.
Der schmucke marmorierte Holztabernakel wurde 1750
erworben.
Rechter Seitenaltar
Auch für die kleineren Seitenaltäre besorgte Johann
Krimpacher den Aufbau:
139
Dieser Altar ist der heiligen Nothelferin Katharina
geweiht. Die Holzskulpturen stellen Johannes den Täufer
und Johannes den Evangelisten dar. Es sind Arbeiten aus
dem Jahre 1731 vom Halleiner Bildhauer Johann Georg
Ross. 76 Das schöne Standkruzifix ist eine gute Arbeit des
Jahres 1731.
Linker Seitenaltar
Er enthält ein interessantes Bild: Einen betenden Bauern,
Rinder, Pferde und die Kirchen von St. Margarethen und
Vigaun; darüber der Hl. Leonhard mit zwei Engeln. Es
wurde von Anton Eggl gemalt und zeigt die idyllische
Landschaft dieses Gebietes, wie sie der Künstler im Jahre
1841 gesehen hat. Im Aufsatzbild ist die H l. B a r b a r
a zu sehen (1731). Die Statuen zeigen die H11.
Sebastian und Rochus. Aus dem Jahre 1634 stammt die
Hl. Margareta mit der Inschrift: „Margaretha Perneggerin
zum Hällein hat dise zwey bilder allhieher machen
lassen... 1634". 77
Die sechseckige Holzkanzel, verziert mit geschnitzten und
vergoldeten Akanthusranken und Fruchtgehängen,
stammt aus dem Jahre 1707 und wurde 1909 neu
gefaßt; an der Brüstung die auf Holz gemalten
ausgeschnittenen Figuren der vier Evangelisten mit ihren
Symbolen.
Vom Gewölbe hängt das große Holzkruzifix aus dem
Jahre 1643 herab. Ein größeres Bild im Langhaus stellt
den Hl. Florian dar. Es ist eine alte Kopie des
Seitenaltarbildes von Rottmayr in Maria Bühel. Auf einer
Holzkonsole im Altarraum erkennt man eine Abbildung
der „Mutter Gottes von Altötting". Die 14
Kreuzwegstationen wurden 1848 von Anton Eggl
gemalt.
Im Blick auf das Eingangsportal ist die hölzerne
Westempore aus dem Jahre 1707 mit den
ausgeschnittenen Figuren Christi und der 12 Apostel.
Eine Berührung mit dem großen Weihwasserstein führt
uns wieder zurück in die hohe Zeit der Gotik mit dem
künstlerisch interessanten Eingangsportal.
Wie ein kleiner gotischer Dachreiter erscheint uns das
viereckige, ganz mit Schindeln verkleidete, hölzerne
Giebeltürmchen mit seinem achtseitigen Pyramidenhelm,
vergoldetem Knauf und Kreuz. Durch Blitzschlag wurde
es am 22. Juli des Jahres 1968 arg in Mitleidenschaft
gezogen.
Sowohl Kirchendach als auch Türmchen wurden mit
Lärchenschindeln vom heimischen Zimmermeister
Rupert Schörghofer neu eingedeckt. 78
Türmchen und Glocken
In diesem Türmchen waren seit dem 17. Jahrhundert
stets zwei kleine Glocken:die ältere wurde 1682
umgegossen, blieb aber anscheinend weiterhin schadhaft.
Die Kleinere ist der Muttergottes geweiht und trägt die
Umschrift: Johann Eisenberger in Saltzburg goss mich
anno 1666 Jahr. Wie die große Glocke in Vigaun hat
auch diese die zwei Weltkriege überstanden. Ihre beiden
Vorgänger waren beim Kirchenbrand 1642
geschmolzen.
Die größere St. Margarethener Glocke (337kg) aus dem
Jahre 1908 wurde wie die Glocken der Pfarrkirche am
22. Juli 1916 abgenommen, nach Kuchl gebracht und
dem Militär übergeben. Das 1927 geweihte Glöcklein ist
im Jahre 1942 abermals abgenommen und eingeschmolzen
worden. Nur die Muttergottesglocke aus
dem Jahre 1666 mit ihrem silberhellen Klang durfte
bleiben. Aber auch sie hätte beinahe das Schicksal
vollständiger Zerstörung ereilt: als die Pfarre Hallein
durch den großen Kirchenbrand im Jahre 1943 das
ganze schöne Geläute verlor, ersuchte der damalige
Dechant Hermann Oberwallner um leihweise Überlassung
des St. Margarethener Glöckleins. Nur kurze Zeit
sollte es die Salinenstädter erfreuen. Denn am 26.
September 1945 stürzte der Turm der Halleiner Pfarrkirche
in sich zusammen und begrub auch die St.
Margarethener Muttergottesglocke unter seinen Trümmern.
Jedermann glaubte, das Glöcklein sei endgültig
verloren. Als die riesigen Schutthaufen des Turmes weggeräumt
wurden, kam auf einmal das Glöcklein zum Vorschein
und zwar vollständig unversehrt. 79 Es kehrte nach
St. Margarethen zurück.
Die zweite Glocke wurde 1950 geweiht und trägt die
Umschrift: Der hl. Barbara für die Gefallenen der beiden
Weltkriege. Glockenpatin ist Regina Hinterlechner. 80
Vigauns Gotteshäuser sind drei durch Jahrhunderte
verehrten heiligen Nothelfern geweiht: Dionysius, Blasius
und Margareta. Ein glücklicher Zufall wollte es, daß
gerade am St. Barbaratag, dem 4. Dezember 1976, eine
Bohrgesellschaft in St. Margarethen an einer
beachtlichen Heilquelle fündig wurde. Die Barbaratherme
von Vigaun schließt nun gleichsam den Kreis jener
wichtigen Einrichtungen des Kurortes, die Geist und
Körper gesund erhalten mögen.
140
Mit der Muttergottesglocke im Türmchen von St.
Margarethen gibt es in Vigaun eine zweite kostbare
Glocke. Sie war von 1943 bis 1945 in Hallein auf
„Aushilfe" und konnte nach dem Einsturz des
ausgebrannten Halleiner Kirchturms unversehrt nach St.
Margarethen zurückgebracht werden.
ANMERKUNGEN
1 PAV (Pfarrarchiv Vigaun): Pfarrchronik zum Jahr 1898.
2 KAS (Konsistorialarchiv Salzburg): 6/105 Historica;
Auspfändungen von Vigaun nach St. Koloman, Hallein und von
Kuchl nach Vigaun 1783-1849. Damals war Vigaun noch ein
Vikariat, das 1716 errichtet worden war. Am 4. Juli 1785
wurden 16 Häuser im sogenannten Tauglboden nach St.
Koloman ausgepfarrt. 1784 verlangten 9 Häuser des
Burgfrieds die Zuteilung nach Hallein. Im Jahre 1803 wollte
der ganze Burgfried zur Stadtpfarre Hallein, 1849 suchten
darum 28 Häuser an. Obwohl gerade dieser Pfarrbezirk näher
bei Hallein liegt, wurden bis 1898 sämtliche Ansuchen vom
erzbischöflichen Konsistorium abgewiesen. Vgl. auch Dürlinger,
Josef: Historisch-statistisches Handbuch der Erzdiözese
Salzburg in ihren heutigen Grenzen. Salzburg 1862 (5. Heft,
Dekanat Hallein), S. 538 f.
3 KAS: 6/107 Personalia; PAV: Pfarrchronik 1897 ff.
4 KAS: 6/105 Historica; Errichtung des Vikariates 1716.
5 KAS: 6/107 Personalia; Folge der Vikare etc. 1722 ff. Vgl.
auch Dürlinger, Hist. stat. Handbuch (wie Anm. 2), S. 540.
6 PAV: Pfarrchronik; Aufzählung der Hilfspriester-Liste der
Kooperatoren durch Pfarrer Max Ringelschwendtner. Liste
auch, IN: Pfarrblatt Salzburg-Umgebung, Flachgau
Tennengau 1934 ff.
7 KAS: 11/79 Generalvisitationsprotokoll 1613, fol. 300r-
301v. DieVisitation der Vigauner Kirchen fand am 14.
November statt.
8 Vgl. Hermann, Karl Friedrich, Die Seelsorgestationen der
Erzdiözese Salzburg, Wien 1961 (Austria sacra 1/II/6), S.
97.
9 KAS: D 190 (Originalurkunde); vgl. Text bei Doppier Adam,
Auszüge aus den Original ' Jrkünden des
fürsterzbischöflichen Consistorial-Archives zu Salzburg
(1441-1460), IN: MGSLK 14 (1874), S. 15, Nr. 190 (29.
September, „S. Michelstag 1444").
10 KAS: D 110 (Originalurkunde); Text bei Doppier, Adam,
Auszüge (wie Anm. 9), IN: MGSLK 13 (1873), S. 79f., Nr.
110; („1422 (29. Jänner) Pfincztag vor dem frawntag zu der
liechtmesse").
11 Nach einer Bürgerspitalsurkunde 1437; vgl. Buberl, Paul,
Die Denkmale des politischen Bezirkes Hallein, Wien 1927
(= Österreichische Kunsttopographie Bd. XX), S. 261. Diese
Urkunde konnte ich leider bisher nicht mehr ausfindig
machen.
12 SUB (=Salzburger Urkundenbuch, bearb. von Willibald
Hauthaler und Franz Martin) II (Salzburg 1916), S. 187f. ,
Nr. 119 vom 9. Juni 1117 (wahrscheinlich eine
Vordatierung; richtiger um das Jahr 1140).
13 SUBI. ,S. 11.
14 SUB I. , S. 32; S. 37. Breves Notitiae X. und XIV.
15 Pfarrarchiv Hallein, Urkunde Nr. 558; Text gedr. bei
Greinz, Christian, Die Urkunden des Stadtpfarrarchives in
Hallein (III. Teil), IN: MGSLK 53 (1913), S. 147.
16 Vgl. Reitlechner, Gregor, Patrocinien-Buch, Salzburg
1901.; Derselbe, Die heiligen Patrone der Kirchen und
Kapellen in der Erzdiözese Salzburg, Salzburg 1895.; Zarl,
Josef, Patrozinienbuch der Kirchen und Meßkapellen der
Erzdiözese Salzburg, Salzburg 1987.; Mitterer, K. A. , Die
Patrozinien der Diözese Salzburg unter besonderer
Berücksichtigung der Heiligenverehrung im 8. und 9.
Jahrhundert, Salzburg 1990 (Phil. Diss. ungedr.), S. 149.
17 Vgl. Bauerreiss, Romuald, Kirchengeschichte Bayerns, St.
Ottilien 1974, Bd. I. , S. 128; 130.
18 SUB I. , S. 575; Verzeichnis von Reliquien, die in den
Altären der Klosterkirche von St. Peter beigesetzt wurden;
nach den Traditionen von St. Peter um das Jahr 845/847.
19 Kötting, Bernhard, Dionysius von Paris, IN: LThK 3, Sp.
408. Wimmer Otto, Handbuch der Namen und Heiligen,
Innsbruck 21959, S. 171. Schnitzler, Theodor, Die Heiligen
im Jahr des Herrn. Ihre Feste und Gedenktage, Freiburg
31980, S. 348f.
20 KAS: 11/79 Generalvisitationsprotokoll 1613, fol. 300r-
301v.
21 PAV: Inventarbuch
141
22 Tietze, Hans, Kunstsammlungen der Stadt Salzburg.
Österreichische Kunsttopographie XVI., Wien 1919,5.
153f. Abbildungen des Altares und der Seitenflügel, Fig.
197, 198, 199.
23 Vgl. Buberl und Franz Martin, OKT XX. , S. 266.
24 KAS: 11/79 Generalvisitationsprotokoll 1613, fol. 300r-
Dekret vom 6. Oktober 1617 für den Pfarrer in Kuchl,
300v;
fol. 307r-307v.
25 Gugitz, Gustav, Fest-und Brauchtumskalender, Wien 1955,
S. 15.; LThK 2. Sp. 525. Wimmer, Otto, Handbuch (wie
Anm. 19), S.148f. ferner die Monographie: St. Blasius
unser Schutzpatron, Münster 1946.
26 Buberl, Paulfwie Anm. 11), ÖKT XX (1927), S. 261 ff.
Dehio-Handbuch, Stadt und Land Salzburg, Wien 1986, S.
467f.
27 Vgl. Telsnig, Eleonore/Lamprecht, Die Landkirchen
Salzburgs des 15. und 16. Jahrhunderts, Innsbruck 1951
(Phil. Diss. ungedr.), S.68„ 74.
28 Vgl. dazu „Ausblick auf die Entwicklung des Einzelwestturms
in der Gotik", IN: Koch, Rudolf, Die Entwicklung der
romanischen Westturmanlage in Österreich, Wien 1986
(Phil. Diss. ungedr.), S. 148ff. SLA: HS 958.
29 Vgl. Dürlinger, Joseph, Hist. stat. Handbuch (wie Anm. 2),
S. 541f.
30 PAV: Inventarbuch; Buberl, P., ÖKT XX. (wie Anm. 11), S.
266f.
31 Am Fußboden des Langhauses: in der Mitte Dreipaß um
Schild mit Hausmarke. Inschrift in gotischer Minuskel: Hie
ligt pegraben Urban Klingner ledrer am gries der gestorben
ist am erichtag nach allerheiligndag anno dorn. MCCCCC
hundert und in dem XXI iar, dem got genadig sei amen.
Auch ligt hie pegraben Barbra sein hausfraw die gestorben
ist am kodem(b)er (=Quatember) freyttag vor
weinachdn MCCCCC im XIII iar. Auch ligt hie
pegraben Dorothe die des urban Klingner hausfraw
gewesen ist, die gestorben ist am erichtag nach
Marci(?)tag ano MCCCCXX iar der got genedig sey amen.
32 Im rechten Seitenschiff; in der Mitte Schild mit Hausmarke
in Vierpaß: Hie ligt begraben lienhart Euch purger zum
Hellein der gestorben ist nach xpi gepurd MCCCC und im
Lxxx iar an sand luczein tag. Darunter: Auch ligt hie
katherina die sein hawsfraw gewesen ist und ist gestorben
am heyligen aufferttag anno dni MCCCC und im LII iar.
den got genedig sey.
33 Ebenfalls im rechten Seitenschiff; in der Mitte Schild mit
Hausmarke in Vierpaß. Darüber fünfzeilige Inschrift in