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Prof. Christian Schmidt (Unimedizin Rostock) über Wirtschaftlichkeit und Zukunft

Fachaufsatz zur Studie "Gynäkologie und Geburtshilfe im Spannungsfeld von Personalmangel, Wirtschaftlichkeit und Ambulantisierung" (2014)

Fachaufsatz zur Studie "Gynäkologie und Geburtshilfe im Spannungsfeld von Personalmangel, Wirtschaftlichkeit und Ambulantisierung" (2014)

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DGGG 1061

Diskussion

Gynäkologie und Geburtshilfe im

Spannungsfeld von Personalmangel,

Wirtschaftlichkeit und Ambulantisierung

Christian Schmidt 1 , Bernd Halbe 2 und Friedrich Wolff 3

1 Universitätsmedizin Rostock, 2 Kanzlei Dr. Halbe, Köln, 3 Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus Holweide, Köln

Der Fachbereich Gynäkologie und Geburtshilfe spürt die Auswirkungen des Wandels im Krankenhausmarkt

– ausgelöst durch Privatisierung von Krankenhäusern, Mangel an Fachkräften

und Ambulantisierung – stark. Ursachen aus Vergangenheit und Gegenwart bewegen aktuell

und werden zukünftig Maßnahmen erforderlich machen. Somit: ein passendes Thema für den

Festvortrag anlässlich der 60. Tagung der DGGG, den Prof. Dr. med. Christian Schmidt, Ärztlicher

Vorstand und Vorstandsvorsitzender Universitätsmedizin Rostock, hielt. Für die GebFra

haben Schmidt und Kollegen die Thematik in Form einer Studie zusammengefasst.

Der Krankenhausmarkt Deutschland befindet

sich im Wandel [1–3]. Waren es Ende

der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre

die Privatisierung von Krankenhäusern, so

ist es seit etwa 10 Jahren ein zunehmender

Fachkräftemangel bei steigendem Frauenanteil

junger Ärzte, der die einzelnen

Fachabteilungen beschäftigt [4–7]. Die Situation

wird für Krankenhäuser und deren

Fachabteilungen durch die zunehmende

Ambulantisierung der Medizin, die nicht

zuletzt durch den technischen Fortschritt

hervorgerufen wird, weiter verschärft. Jedes

Jahr, so berichten einige Häuser werden

vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen

(MDK) etwa 5 % der bisher stationär

erbrachten Leistungen als ambulant

eingestuft und damit nicht vollständig vergütet

[6]. Hiervon sind die Fachdisziplinen

sehr unterschiedlich betroffen, wie einige

Studien zeigen [8]. Besonders stark wird

diese Entwicklung jedoch Fächer, wie die

Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) und

Gynäkologie / Geburtshilfe treffen [8, 9].

Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die

Wirtschaftlichkeit und Attraktivität als Arbeitgeber.

Im Folgenden wird auf Basis aktueller

Studien und Berichte ein Überblick

über die derzeitige Situation der Gynäkologie

und Geburtshilfe gegeben und Konsequenzen

sowie Lösungsansätze aufgezeigt.

Methodik

Die Datenlage zum Thema Zukunft der

Gynäkologie ist heterogen. Bei der Suche

nach geeigneten Publikationen sind demzufolge

zahlreiche Datenquellen zu analysieren.

Die Vorgehensweise bei der Suche

und Auswertung der Daten orientierte

sich an anerkannten Standards [9]. Zur Erhebung

und Aufbereitung des aktuellen

Wissensstandes erfolgte zunächst eine Internetsuche

zu den Stichworten „Gynäkologie

und Geburtshilfe und Zukunft“ sowie

„Demografie, Personal und Krankenhaus.

Die Suchmaschinen google.de, altavista.de

und yahoo.de standen hierzu zur

Verfügung. Aus über 120 000 Treffern

wurden die Ergebnisse nach den folgenden

Kriterien kategorisiert: Studien aus

Fachzeitschriften, Bücher, Berichte von

wissenschaftlichen bzw. staatlichen Institutionen,

Projektbeschreibungen und Berichte

aus Printmedien (Zeitschriften sowie

Zeitungen). Es wurden ausschließlich

deutschsprachige Quellen verwendet.

Über Medline / Pubmed wurden wissenschaftliche

Studien bzw. Berichte über die

Themen Gynäkologie und Geburtshilfe im

Gesundheitswesen nach den Stichworten

„gynaecology, personnel, shortage, doctors“

(19 Quellen), zum Thema Demografie

nach den Stichworten „ gynaecology

demographic changes, personnel“ (27

Quellen) und zum Thema Zukunft nach

den Stichworten „gynaecology, future,

economics“ (240 Quellen) gesucht. Hier

wurden englischsprachige Publikationen

berücksichtigt. Darüber hinaus wurden

Berichte der Landes- bzw. Bundesbehörden,

statistischer und medizinischer Institute

sowie medizinischer Fachgesellschaften

gesichtet. Die vorhandenen Daten

wurden in Microsoft Excel ® gelistet

Prof. Dr. med.

Christian

Schmidt,

Rostock

(Quelle:

http://www.

med.unirostock.de/).

und nach Oberkriterien sortiert. Die statistische

Auswertung erfolgte deskriptiv

nach Häufigkeiten von Schlüsselwörtern

mithilfe nichtparametrischer Tests. Als

Auswertungssoftware wurde SPSS ® , Version

13.0 verwendet.

Ergebnisse

Das heterogene Bild der Datenlage bestätigte

sich bei der Analyse der Daten. Insgesamt

konnten 231 Quellen verwendet

werden. Bei der Verdichtung des umfangreichen

Quellenmaterials kristallisierten

sich 4 wesentliche Herausforderungen für

die Gynäkologie und Geburtshilfe heraus

[5, 7–14]:

1. Ambulantisierung bzw. sinkende

Nachfrage nach stationären Leistungen

von bis zu 30 %

2. Unwirtschaftlichkeit kleiner Abteilungen

(< 4000 Fällen / Jahr) wegen

fehlender Refinanzierung der Vorhal-

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1062

DGGG

tekosten (vor allem Dienste und Versicherungen

in der Geburtshilfe)

3. Fachkräftemangel bei gleichzeitiger

Feminisierung und Überalterung des

Personals

4. Generation Y: veränderte Erwartungen

junger Ärzte an die Auswahl von

Fächern bzw. Krankenhäusern

Ambulantisierung

Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass es

bis 2030 zu einer verringerten Nachfrage

nach stationären gynäkologischen Leistungen

kommen wird [5–7, 11–12, 14]. Experten

der Firma Deloitte gehen von einem

Rückgang der Fälle von etwa 103 000 bis

2030 aus [8]. Augurzky und Mitarbeiter

vom Rheinisch-Westfälischen Institut für

Wirtschaftsforschung (RWI) errechnen ein

Minus von 1,7 % bis 2030, was bei insgesamt

2 Mio. gynäkologischen Fällen insgesamt

einer Verringerung der Fallzahlen um

etwa 34 000 Fälle entspräche [12]. Betrachtet

man jedoch die durchschnittliche Verweildauer

der Frauenheilkunde und Geburtshilfe

von 4,2 Tagen, wird verglichen

mit anderen Fächern (Innere Medizin: 6,4

Tage, Chirurgie 6,6 Tage), das ambulante

Potenzial deutlich, denn Leistungen mit

weniger als 4 Tagen Verweildauer, haben

sehr großes Potenzial zukünftig ambulant

erbracht zu werden [14]. Aus diesem

Grund schätzen Augurzky und Mitarbeiter

das ambulante Potenzial der Gynäkologie

Abnahme Angebot

Verringerung desArbeitskräfteangebots

in der Gesundheitsbranche

bis 2030

Hochschulabschluss

Medizin

1

bis 2030 auf 10–27 %, das der Geburtshilfe

auf etwa 6 %. Dabei konnten Sie einen Rückgang

der Geburten von 1996 bis 2011 um

17 % feststellen. Als Folge dieser Entwicklung

prognostizieren die Experten eine Abnahme

der 982 jetzt bestehenden Fachabteilungen

um über 300 [12].

Zunahme Nachfrage

deutliche Zunahme der Nachfrage

nachArbeitskräften in der Gesundheitsbranche

bis

2

2030

–2% –6% –11% –16%

Unwirtschaftlichkeit

kleiner Abteilungen

57 % aller Allgemeinkrankenhäuser in

Deutschland halten eine Fachabteilung

für Gynäkologie und Geburtshilfe vor [12,

14]. Diese behandeln im Durchschnitt

2250 Patientinnen pro Jahr (1540 Fälle

Geburtshilfe und etwa 660 Fälle Gynäkologie)

bei einem durchschnittlichen Case

Mix Index (CMI) in der Gynäkologie von

0,97 und in der Geburtshilfe von 0,46 [12,

14]. Dabei behandeln kleine Kliniken etwa

400 Fälle, große weit über 5000 Fälle. In

45 % aller Klinken waren weniger als 500

Geburten pro Jahr zu verzeichnen [12, 14].

Dabei hatten 46 % aller Kliniken weniger

als 1800 Fälle insgesamt. Augurzky und

Mitarbeiter [12] konnten feststellen, dass

aufgrund der hohen Vorhaltekosten und

vergleichsweise geringen Erlöse eine Refinanzierung

der Personalkosten erst ab einer

Fallzahl von über 4000 pro Jahr möglich

ist. Damit wäre mehr als die Hälfte der

gynäkologisch-geburtshilflichen Fachabteilungen

heute unwirtschaftlich. Hinzu

kommt, dass die rasant steigenden Haftpflichtprämien

für die Kliniken ein zunehmend

wichtiger Kostenfaktor sind. Prämien

von über 2 Mio. € sind heute keine Seltenheit

mehr. Neben den Risikobereichen

wie Neurochirurgie oder Orthopädie,

werden die Prämien insbesondere von der

exorbitanten Schadenhöhe in der Geburtshilfe

getriggert, die beim Großschaden,

beispielsweise schwere Behinderung

beim Kind mit Schmerzensgeld und Versorgungsansprüchen,

leicht bei über

10 Mio. € liegen kann. Gerade kleinere Abteilungen

mit wenigen Geburten und

niedrigem CMI haben aufgrund ihrer Infrastruktur

ein hohes Schadenrisiko, wie

Zahlen der nur noch wenigen Versicherer

zeigen [15]. Das wirkt sich daher besonders

ungünstig auf die Haftpflichtprämie

und damit auf die wirtschaftliche Gesamtbilanz

des Krankenhauses aus. Der

Träger muss sich daher überlegen, was

ihm Image und Außenwirkung einer Geburtshilfe

wert ist. In vielen Landkreisen

werden diese Defizite jedoch aus politischen

Gründen durch Subventionen aus

Steuermitteln aufgefangen. Wo dies nicht

geschieht, kann es konsequenterweise

nur die Schließung einer geburtshilflichen

Abteilung bedeuten.

Fachkräftemangel und

Feminisierung

Deutschland ist heute bereits von einem

Fachkräftemangel betroffen, der aufgrund

zukünftiges Defizit

3

Gesundheitsbranche mit

zweithöchstem

Arbeitskräftedefizitin 2030

Abweichung des Arbeitskräfteangebots von der Nachfrage (in %)

2010 2015

2020 2025 2030

–22%

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Berufsabschluss

medizinische Dienste

Krankenpflege

Sonstige Gesundheitswesen

Sonstige WirtschaftRecht Soziales

1

2

3

gesundheitlich/sozial helfen –457000 Personen

Gesundheits-,Veterinär- und Sozialwesen +740000 Personen

Gesundheits-,Veterinär- und Sozialwesen –864000 Personen

–2% –6% –10% –14% –19%

–1% –6% –10% –16%

–21%

–1% –5% –9% –13% –17%

–3% –6% –10% –13% –16%

Abb. 1 Eine Unterdeckung in allen medizinischen Bereichen ist wahrscheinlich [18].

Geburtsh Frauenheilk 2014; 74


DGGG 1063

der Demografie weiter ansteigen wird [3–

13, 16, 17]. Dabei ist auch festzustellen,

dass der soziale Beruf insgesamt weniger

stark nachgefragt wird als andere Branchen

bzw. Berufsfelder [18]. So findet sich

beim Ranking der beliebtesten Arbeitgeber

in Deutschland die Gesundheitsbranche

erst auf Platz 85, wobei insgesamt große

Unterschiede zwischen der Pflege und

dem Arztberuf festzustellen sind [18].

Prognosen des Statistischen Bundesamtes

aus 2008 [14] gehen von einer Unterdeckung

von insgesamt 457 000 Personen in

Gesundheits- und Sozialberufen bis 2030

aus [19]. Für die Pflege ergibt sich aus der

Gegenüberstellung von Angebot und

Nachfrage des Arbeitskräfteangebots eine

Unterdeckung von 21 %, für die Medizin

von 22 % bis 2030 [19] wie q Abb. 1 zeigt.

Daher ist mit einem noch ansteigenden

Mangel an Fachkräften für die Zukunft in

Medizin und Pflege zu rechnen. Bei der Befragung

von Studierenden nach der Attraktivität

der Fächer für die spätere Facharztausbildung

zeigen aktuelle Studien,

dass die Gynäkologie und Geburtshilfe

nicht mehr unter den ersten 10 Fächern zu

finden ist [11]. Andere Befragungen von

Studierenden zeigen jedoch die Gynäkologie

und Geburtshilfe zusammen mit der

Pädiatrie unter den beliebtesten Fächern

bei Frauen [20].

Laut aktuellen Daten der Bundesärztekammer

sind in Deutschland zurzeit etwa

17 340 Ärztinnen und Ärzte mit abgeschlossener

Facharztausbildung “Frauenheilkunde

und Geburtshilfe“ zugelassen.

Davon sind ca. 10 800 Frauen. In den letzten

Jahren ist eine deutliche Feminisierung

unter den Medizinstudierenden zu

beobachten [14]. Fast 70 % der Absolventen

von medizinischen Fakultäten sind

angestellt in

Forschung

angestellt in

Praxis

angestellt im

MVZ

Facharzt in

Praxis

angestellt im

Krankenhaus

0 20 40 60 80 100

Angaben in %, Mehrfachnennungen möglich

Tab. 1 Präferenzen junger Mitarbeiter für die Tätigkeit im Krankenhaus [29].

Thema

Anteil der jungen Mitarbeiter

männlich

weiblich

Vereinbarkeit von Beruf und Familie 93% 97%

Möchte Arbeit selbst einteilen 75% 74,7%

Würde gern Teilzeit arbeiten 32,1% 77,2%

Arbeite zunächst in Vollzeit insgesamt 87%

heute Frauen. In der Gynäkologie sind aufgrund

des Auswahltrends 90 % der Berufsanfänger

weiblich [14]. Das stellt Kliniken

vor enorme Herausforderungen, denn

über 90 % der Absolventen möchten Familie

und Beruf miteinander verbinden, was

sich wiederum in einer Teilzeittätigkeit

während oder nach dem Facharzt äußert.

Aktuelle Studien zeigen, dass 77 % der

Frauen und 32 % der Männer gerne in Teilzeit

arbeiten möchten [10], wie q Tab. 1

darstellt. Durch diese verringerte Verfügbarkeit

von Ärzten werden die Effekte des

Fachkräftemangels verschärft, was insbesondere

für Kliniken mit Notfallvorhaltung,

wie im Fall von Gynäkologie und Geburtshilfe

gravierend ist [8].

Generation Y

Wohl kaum eine Generation, die neu ins

Arbeitsleben tritt, hat für so viel Wirbel

gesorgt wie die Generation Y [10, 11]. Gut

ausgebildet, technologieaffin, lernbereit

und selbstbewusst treten die 20- bis

30-Jährigen heute in der Klinik auf. Die

Vorstellungen der jungen Mitarbeiter von

Arbeit und Freizeit, Verantwortung, Führung

und Verbindlichkeit sind ganz andere

als diejenigen, die bisher galten. Ein

neuer Lebensstil, der für viele Führungskräfte

zur Herausforderung wird, denn

obwohl Generation Y Hierarchien ablehnt,

möchte sie engmaschig gecoacht werden

und regelmäßiges Feedback erhalten [10,

männlich

weiblich

Abb. 2 Präferenzen

junger Mitarbeiter für

die Wahl des Arbeitsplatzes

[20].

11]. Damit wird die Führung dieser Mitarbeiter

aufwendiger. Vor allem das verringerte

Interesse dieser Mitarbeiter an Karriere

und der Wunsch in Teilzeit zu arbeiten

sind für die Gynäkologie und Geburtshilfe

eine Herausforderung. Einige Untersuchungen

zeigen auch, dass die Berufswünsche

nach Absolvieren des Facharztes

sehr heterogen sind. Gibis und Mitarbeiter

konnten zeigen, dass die Mehrheit der

Ärzte dieser Generation gerne im Krankenhaus

und in der Praxis arbeiten möchte

[21], wie q Abb. 2 zeigt. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz

(VÄndG) von

2007 hat hierzu für Kliniken die Möglichkeit

geschaffen, diese Beschäftigungsverhältnisse

anzubieten [22].

Diskussion

Die Gynäkologie und Geburtshilfe steht vor

gravierenden Veränderungen. Kaum ein

Fach ist so stark von den genannten Effekten

betroffen, wie die Gynäkologie und Geburtshilfe

[6–12]. Als Konsequenz sind bereits

zahlreiche kleinere Abteilungen geschlossen

worden und weitere auf dem

Prüfstand. Augurzky und Mitarbeiter gehen

davon aus, dass über 300 Fachabteilungen

in den nächsten 10 Jahren geschlossen

werden [12]. Trotz der Schließungen würde

sich in Deutschland keine Unterversorgung

mit gynäkologisch-geburtshilflicher Versorgung

einstellen [22–24]. Gleiches zeigen

Studien aus Frankreich, wo der Prozess

schon vor Jahren begonnen hat [23]. Interessant

an der Untersuchung ist auch, dass

es gravierende Unterschiede zwischen

ländlichen und urbanen Strukturen in der

Versorgung geben wird. In Städten werden

die großen Maximalversorger für komplexe

Fälle bleiben. Gesäumt werden diese

durch Praxisgemeinschaften und MVZ für

einfache Fälle [9]. Auf dem Land werden die

großen Versorger nicht mehr die breite Aufstellung

wie zuvor haben. Hier sollen neben

größeren, für die Versorgung notwendigen

Häuser, Gesundheitszentren mit einem stationären

und ambulanten Angebot entstehen.

Daher machen hier auch vernetzte

Versorgungsangebote Sinn. Über Kooperationsmodelle

mit Praxen, Sprechstundenangebote

nach Art der ehemaligen DDR-Po-

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Belegarzt

Freiberufler,daspezielle Form der

vertragsärztlichen Versorgung

Praxis am Krankenhaus

strikteTrennungvon Praxis und KH

älteste Form der Kooperation, nicht am KH

angestellt, sichertVersorgungTag und Nacht

selber, Honorar über KV,spezielle Voraussetzungennotwendig,

z.B. Wohnort

Nutzungvon Ressourcendes KH

gegen Entgelt

Bei einer verringerten Verfügbarkeit junger

Ärzte sollte jedoch auch der Fokus auf

die Mitarbeiter der Generation 55plus gelegt

werden, die mit einfachen Mitteln zu

motivieren sind, denn keine Studie zeigt

einen Zusammenhang zwischen Alter und

Arbeitsleistung [13]. Die wesentlichen Faktoren,

welche die Leistungsfähigkeit im Alter

fördern, sind Motivation, Aktualität des

Wissens, Erfahrung und körperliche Konstitution.

Ältere Mitarbeiter verfügen darüber

hinaus über eine höhere Arbeitszufriedenheit

und Loyalität zur Klinik als jüngere

Mitarbeiter [13]. Vor allem aber sind es

Wertschätzung, Respekt vor der Lebensleistung

und Erfahrung sowie Einbindung

bei Entscheidungen durch die Führungskräfte,

welche ältere Mitarbeiter fit und

motiviert halten. Somit sind Führungskompetenzen

der entscheidende Faktor,

um qualifizierte Mitarbeiter zu halten [13].

Darüber hinaus sollten heute Kooperationsmodelle

mit Praxen intensiver geprüft

werden, denn durch die Möglichkeiten des

VändG sind zahlreiche Chancen entstanden,

den Mitarbeiterstamm durch externe

Kollegen aufzustocken [7]. Entscheidend

wird dabei sein, wie diese Kollegen in den

Klinikalltag integriert werden und wie

weit eine Geschäftsführung von solchen

Vorhaben überzeugt werden kann [29].

Konsiliararzt

fürZweitmeinung oder für

Mitbehandlung bei fehlender

Fachdisziplin, weisungsfrei

Übernahme vor- und nachstationärer

Leistungen für das Krankenhaus

eigenständige Behandlungsform

Anlaufpraxis

organisiert durch KH

Vertragsarztrechtsänderungsgesetz

(VändG)

Angestellter desHauses

Abb. 3 Grober Überblick zu den Kooperationsmöglichkeiten zwischen Praxis und Krankenhaus (KH).

liklinik und ambulante Strukturen im

Krankenhaus könnte sich das Bild der bisherigen

Fachabteilung in großen Häusern

auf dem Land wandeln. Die q Abb. 3 stellt

Kooperationsmöglichkeiten von Praxis und

Krankenhaus übersichtlich dar.

Einige Bundesländer, wie beispielsweise

Mecklenburg-Vorpommern haben bereits

durch eine überwiegende Zentralisierung

der Geburtshilfe, sehr große Einheiten geschaffen.

Damit ließe sich auch das Thema

der Qualität besser in den Griff bekommen,

denn die Daten des Statistischen

Bundesamtes zeigen, dass beispielsweise

die Sectio-Rate in Belegabteilungen deutlich

höher ist als in großen Hauptabteilungen

[14]. Vergleichbare Untersuchungen

gibt es auch aus anderen Fachdisziplinen

mit ähnlicher Konstellation, wie beispielsweise

in der HNO [25]. Dies wird nochmals

den Druck auf Belegabteilungen erhöhen,

denn das neue GKV-Versorgungsstärkungsgesetz

wird zukünftig die Ergebnisqualität

in diesen Bereichen verstärkt

unter die Lupe nehmen und ggf.

minderwertige Qualität nicht mehr vergüten

[6, 26]. Genau hier sind die Fachgesellschaften

aufgefordert, über gemeinsam

verabschiedete Standards und Vorschläge

für neue Versorgungsmodelle aktiv den

Veränderungsprozess mitzugestalten. Größe

und Wirtschaftlichkeit sind jedoch

nicht die einzigen Treiber des Wandels. Um

die Attraktivität der Gesundheitsberufe zu

steigern, wurden zahlreiche Kampagnen

von sozialen Trägern gestartet. Exemplarisch

ist hier das Projekt „Sozial kann nicht

kein Angestellter desKH,

Bezahlung über KH (Musterverträge

vonKBV und BÄKvorgegeben)

Vergütung durch KH,Finanzierung aus DRG

bezogen auf bestimmteLeistungen

(z.B.Wundkontrolle,Verbände)

Behandlungvon Notfällen außerhalb der

Praxiszeiten, wieKVNotfallpraxis

niedergelassener FA ist mit bis zu 13 h/Woche

in der Fachabteilungangestellt, alle Rechte

und Pflichten, über das Haus versichert,

auchDatenschutzist kein Problem

jeder“ des Evangelischen Werks für Diakonie

und Entwicklung e. V. zu nennen. Die

Kampagne spricht vor allem Pflegeberufe

an, jedoch gilt der Trend auch für den Arztberuf

und die Wahl des Faches Gynäkologie

und Geburtshilfe. Die Breite der Aufstellung,

also das medizinisch inhaltliche Angebot,

die Qualität der Führung und die

Perspektiven nach dem Facharzt werden

vor allem bei jungen Mitarbeitern ausschlaggebend

für die Wahl der Klinik sein

[10, 11, 27, 30].

Fazit für die Praxis

Die Gynäkologie und Geburtshilfe wird

sich in den nächsten Jahren stark verändern.

Die wesentlichen Treiber dafür sind

die Ambulantisierung bzw. sinkende

Nachfrage nach stationären Leistungen,

die Unwirtschaftlichkeit kleiner Abteilungen,

der Fachkräftemangel gepaart mit

gleichzeitiger Feminisierung der Mitarbeiter

und die veränderten Erwartungen

der Generation Y an den Arbeitsplatz im

Krankenhaus [30]. Doch diese Veränderungen

bergen – neben vielen Risiken –

immer auch eine Chance für die Beteiligten,

im Rahmen von sinnvollen Kooperationsmodellen

und vernetzen Versorgungsstrukturen

eine Verbesserung der

Patientenversorgung herbeizuführen. Die

Möglichkeiten des VändG und die Chancen

des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes

sind dabei die Ansatzpunkte. Doch wie

sagte schon Sir William Edwards Deming

so trefflich: „Sie müssen das nicht tun,

Überleben ist keine Pflicht.“

Literatur

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Welt der Krankenhausversicherung 2014; 9:

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in hospitals. Anästhesist 2011; 60:

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In: Klauber J, Geraedts M, Friedrich J,

Wasem J, Hrsg. Krankenhaus-Report 2011.

Schwerpunkt: Qualität durch Wettbewerb.

Stuttgart: Schattauer, 2011

6 Klauber J, Geraedts M, Friedrich J, Wasem J

Krankenhaus-Report 2013. Schwerpunkt

Mengendynamik: mehr Menge, mehr Nutzen?

Stuttgart: Schattauer, 2013

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Krankenhaus-Report 2012. Schwerpunkt Regionalität.

Stuttgart: Schattauer, 2012

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ahead of print]

17 Augurzky B, Kopetsch T, Schmitz H. What

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2008. Wiesbaden: Eigenverlag, 2008

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23 Pilkington H, Blondel B, Carayol M, Breart G,

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Gynäkologe 2010; 43: 203–204

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in der Geburtshilfe und Gynäkologie

an die gesundheitspolitischen Entwicklungen.

Gynäkologe 1998; 31: 629–633.

30 Schmidt C, Warm M, Wolff F. Generation Y:

Was erwartet uns von unseren Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern? Geburtsh Frauenheilk

2014; 74: 23–27

Korrespondenz:

Prof. Dr. med. Christian Schmidt MPH,

Rostock

christian.schmidt@med.uni-rostock.de

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Geburtsh Frauenheilk 2014; 74

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