Prof. Christian Schmidt (Unimedizin Rostock) über Wirtschaftlichkeit und Zukunft
Fachaufsatz zur Studie "Gynäkologie und Geburtshilfe im Spannungsfeld von Personalmangel, Wirtschaftlichkeit und Ambulantisierung" (2014)
Fachaufsatz zur Studie "Gynäkologie und Geburtshilfe im Spannungsfeld von Personalmangel, Wirtschaftlichkeit und Ambulantisierung" (2014)
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DGGG 1061
Diskussion
Gynäkologie und Geburtshilfe im
Spannungsfeld von Personalmangel,
Wirtschaftlichkeit und Ambulantisierung
Christian Schmidt 1 , Bernd Halbe 2 und Friedrich Wolff 3
1 Universitätsmedizin Rostock, 2 Kanzlei Dr. Halbe, Köln, 3 Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus Holweide, Köln
Der Fachbereich Gynäkologie und Geburtshilfe spürt die Auswirkungen des Wandels im Krankenhausmarkt
– ausgelöst durch Privatisierung von Krankenhäusern, Mangel an Fachkräften
und Ambulantisierung – stark. Ursachen aus Vergangenheit und Gegenwart bewegen aktuell
und werden zukünftig Maßnahmen erforderlich machen. Somit: ein passendes Thema für den
Festvortrag anlässlich der 60. Tagung der DGGG, den Prof. Dr. med. Christian Schmidt, Ärztlicher
Vorstand und Vorstandsvorsitzender Universitätsmedizin Rostock, hielt. Für die GebFra
haben Schmidt und Kollegen die Thematik in Form einer Studie zusammengefasst.
Der Krankenhausmarkt Deutschland befindet
sich im Wandel [1–3]. Waren es Ende
der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre
die Privatisierung von Krankenhäusern, so
ist es seit etwa 10 Jahren ein zunehmender
Fachkräftemangel bei steigendem Frauenanteil
junger Ärzte, der die einzelnen
Fachabteilungen beschäftigt [4–7]. Die Situation
wird für Krankenhäuser und deren
Fachabteilungen durch die zunehmende
Ambulantisierung der Medizin, die nicht
zuletzt durch den technischen Fortschritt
hervorgerufen wird, weiter verschärft. Jedes
Jahr, so berichten einige Häuser werden
vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen
(MDK) etwa 5 % der bisher stationär
erbrachten Leistungen als ambulant
eingestuft und damit nicht vollständig vergütet
[6]. Hiervon sind die Fachdisziplinen
sehr unterschiedlich betroffen, wie einige
Studien zeigen [8]. Besonders stark wird
diese Entwicklung jedoch Fächer, wie die
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) und
Gynäkologie / Geburtshilfe treffen [8, 9].
Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die
Wirtschaftlichkeit und Attraktivität als Arbeitgeber.
Im Folgenden wird auf Basis aktueller
Studien und Berichte ein Überblick
über die derzeitige Situation der Gynäkologie
und Geburtshilfe gegeben und Konsequenzen
sowie Lösungsansätze aufgezeigt.
Methodik
▼
Die Datenlage zum Thema Zukunft der
Gynäkologie ist heterogen. Bei der Suche
nach geeigneten Publikationen sind demzufolge
zahlreiche Datenquellen zu analysieren.
Die Vorgehensweise bei der Suche
und Auswertung der Daten orientierte
sich an anerkannten Standards [9]. Zur Erhebung
und Aufbereitung des aktuellen
Wissensstandes erfolgte zunächst eine Internetsuche
zu den Stichworten „Gynäkologie
und Geburtshilfe und Zukunft“ sowie
„Demografie, Personal und Krankenhaus.
Die Suchmaschinen google.de, altavista.de
und yahoo.de standen hierzu zur
Verfügung. Aus über 120 000 Treffern
wurden die Ergebnisse nach den folgenden
Kriterien kategorisiert: Studien aus
Fachzeitschriften, Bücher, Berichte von
wissenschaftlichen bzw. staatlichen Institutionen,
Projektbeschreibungen und Berichte
aus Printmedien (Zeitschriften sowie
Zeitungen). Es wurden ausschließlich
deutschsprachige Quellen verwendet.
Über Medline / Pubmed wurden wissenschaftliche
Studien bzw. Berichte über die
Themen Gynäkologie und Geburtshilfe im
Gesundheitswesen nach den Stichworten
„gynaecology, personnel, shortage, doctors“
(19 Quellen), zum Thema Demografie
nach den Stichworten „ gynaecology
demographic changes, personnel“ (27
Quellen) und zum Thema Zukunft nach
den Stichworten „gynaecology, future,
economics“ (240 Quellen) gesucht. Hier
wurden englischsprachige Publikationen
berücksichtigt. Darüber hinaus wurden
Berichte der Landes- bzw. Bundesbehörden,
statistischer und medizinischer Institute
sowie medizinischer Fachgesellschaften
gesichtet. Die vorhandenen Daten
wurden in Microsoft Excel ® gelistet
Prof. Dr. med.
Christian
Schmidt,
Rostock
(Quelle:
http://www.
med.unirostock.de/).
und nach Oberkriterien sortiert. Die statistische
Auswertung erfolgte deskriptiv
nach Häufigkeiten von Schlüsselwörtern
mithilfe nichtparametrischer Tests. Als
Auswertungssoftware wurde SPSS ® , Version
13.0 verwendet.
Ergebnisse
▼
Das heterogene Bild der Datenlage bestätigte
sich bei der Analyse der Daten. Insgesamt
konnten 231 Quellen verwendet
werden. Bei der Verdichtung des umfangreichen
Quellenmaterials kristallisierten
sich 4 wesentliche Herausforderungen für
die Gynäkologie und Geburtshilfe heraus
[5, 7–14]:
1. Ambulantisierung bzw. sinkende
Nachfrage nach stationären Leistungen
von bis zu 30 %
2. Unwirtschaftlichkeit kleiner Abteilungen
(< 4000 Fällen / Jahr) wegen
fehlender Refinanzierung der Vorhal-
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Geburtsh Frauenheilk 2014; 74
1062
DGGG
tekosten (vor allem Dienste und Versicherungen
in der Geburtshilfe)
3. Fachkräftemangel bei gleichzeitiger
Feminisierung und Überalterung des
Personals
4. Generation Y: veränderte Erwartungen
junger Ärzte an die Auswahl von
Fächern bzw. Krankenhäusern
Ambulantisierung
Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass es
bis 2030 zu einer verringerten Nachfrage
nach stationären gynäkologischen Leistungen
kommen wird [5–7, 11–12, 14]. Experten
der Firma Deloitte gehen von einem
Rückgang der Fälle von etwa 103 000 bis
2030 aus [8]. Augurzky und Mitarbeiter
vom Rheinisch-Westfälischen Institut für
Wirtschaftsforschung (RWI) errechnen ein
Minus von 1,7 % bis 2030, was bei insgesamt
2 Mio. gynäkologischen Fällen insgesamt
einer Verringerung der Fallzahlen um
etwa 34 000 Fälle entspräche [12]. Betrachtet
man jedoch die durchschnittliche Verweildauer
der Frauenheilkunde und Geburtshilfe
von 4,2 Tagen, wird verglichen
mit anderen Fächern (Innere Medizin: 6,4
Tage, Chirurgie 6,6 Tage), das ambulante
Potenzial deutlich, denn Leistungen mit
weniger als 4 Tagen Verweildauer, haben
sehr großes Potenzial zukünftig ambulant
erbracht zu werden [14]. Aus diesem
Grund schätzen Augurzky und Mitarbeiter
das ambulante Potenzial der Gynäkologie
Abnahme Angebot
Verringerung desArbeitskräfteangebots
in der Gesundheitsbranche
bis 2030
Hochschulabschluss
Medizin
1
bis 2030 auf 10–27 %, das der Geburtshilfe
auf etwa 6 %. Dabei konnten Sie einen Rückgang
der Geburten von 1996 bis 2011 um
17 % feststellen. Als Folge dieser Entwicklung
prognostizieren die Experten eine Abnahme
der 982 jetzt bestehenden Fachabteilungen
um über 300 [12].
Zunahme Nachfrage
deutliche Zunahme der Nachfrage
nachArbeitskräften in der Gesundheitsbranche
bis
2
2030
–2% –6% –11% –16%
Unwirtschaftlichkeit
kleiner Abteilungen
57 % aller Allgemeinkrankenhäuser in
Deutschland halten eine Fachabteilung
für Gynäkologie und Geburtshilfe vor [12,
14]. Diese behandeln im Durchschnitt
2250 Patientinnen pro Jahr (1540 Fälle
Geburtshilfe und etwa 660 Fälle Gynäkologie)
bei einem durchschnittlichen Case
Mix Index (CMI) in der Gynäkologie von
0,97 und in der Geburtshilfe von 0,46 [12,
14]. Dabei behandeln kleine Kliniken etwa
400 Fälle, große weit über 5000 Fälle. In
45 % aller Klinken waren weniger als 500
Geburten pro Jahr zu verzeichnen [12, 14].
Dabei hatten 46 % aller Kliniken weniger
als 1800 Fälle insgesamt. Augurzky und
Mitarbeiter [12] konnten feststellen, dass
aufgrund der hohen Vorhaltekosten und
vergleichsweise geringen Erlöse eine Refinanzierung
der Personalkosten erst ab einer
Fallzahl von über 4000 pro Jahr möglich
ist. Damit wäre mehr als die Hälfte der
gynäkologisch-geburtshilflichen Fachabteilungen
heute unwirtschaftlich. Hinzu
kommt, dass die rasant steigenden Haftpflichtprämien
für die Kliniken ein zunehmend
wichtiger Kostenfaktor sind. Prämien
von über 2 Mio. € sind heute keine Seltenheit
mehr. Neben den Risikobereichen
wie Neurochirurgie oder Orthopädie,
werden die Prämien insbesondere von der
exorbitanten Schadenhöhe in der Geburtshilfe
getriggert, die beim Großschaden,
beispielsweise schwere Behinderung
beim Kind mit Schmerzensgeld und Versorgungsansprüchen,
leicht bei über
10 Mio. € liegen kann. Gerade kleinere Abteilungen
mit wenigen Geburten und
niedrigem CMI haben aufgrund ihrer Infrastruktur
ein hohes Schadenrisiko, wie
Zahlen der nur noch wenigen Versicherer
zeigen [15]. Das wirkt sich daher besonders
ungünstig auf die Haftpflichtprämie
und damit auf die wirtschaftliche Gesamtbilanz
des Krankenhauses aus. Der
Träger muss sich daher überlegen, was
ihm Image und Außenwirkung einer Geburtshilfe
wert ist. In vielen Landkreisen
werden diese Defizite jedoch aus politischen
Gründen durch Subventionen aus
Steuermitteln aufgefangen. Wo dies nicht
geschieht, kann es konsequenterweise
nur die Schließung einer geburtshilflichen
Abteilung bedeuten.
Fachkräftemangel und
Feminisierung
Deutschland ist heute bereits von einem
Fachkräftemangel betroffen, der aufgrund
zukünftiges Defizit
3
Gesundheitsbranche mit
zweithöchstem
Arbeitskräftedefizitin 2030
Abweichung des Arbeitskräfteangebots von der Nachfrage (in %)
2010 2015
2020 2025 2030
–22%
Heruntergeladen von: IP-Proxy Universität Rostock, Universität Rostock. Urheberrechtlich geschützt.
Berufsabschluss
medizinische Dienste
Krankenpflege
Sonstige Gesundheitswesen
Sonstige WirtschaftRecht Soziales
1
2
3
gesundheitlich/sozial helfen –457000 Personen
Gesundheits-,Veterinär- und Sozialwesen +740000 Personen
Gesundheits-,Veterinär- und Sozialwesen –864000 Personen
–2% –6% –10% –14% –19%
–1% –6% –10% –16%
–21%
–1% –5% –9% –13% –17%
–3% –6% –10% –13% –16%
Abb. 1 Eine Unterdeckung in allen medizinischen Bereichen ist wahrscheinlich [18].
Geburtsh Frauenheilk 2014; 74
DGGG 1063
der Demografie weiter ansteigen wird [3–
13, 16, 17]. Dabei ist auch festzustellen,
dass der soziale Beruf insgesamt weniger
stark nachgefragt wird als andere Branchen
bzw. Berufsfelder [18]. So findet sich
beim Ranking der beliebtesten Arbeitgeber
in Deutschland die Gesundheitsbranche
erst auf Platz 85, wobei insgesamt große
Unterschiede zwischen der Pflege und
dem Arztberuf festzustellen sind [18].
Prognosen des Statistischen Bundesamtes
aus 2008 [14] gehen von einer Unterdeckung
von insgesamt 457 000 Personen in
Gesundheits- und Sozialberufen bis 2030
aus [19]. Für die Pflege ergibt sich aus der
Gegenüberstellung von Angebot und
Nachfrage des Arbeitskräfteangebots eine
Unterdeckung von 21 %, für die Medizin
von 22 % bis 2030 [19] wie q Abb. 1 zeigt.
Daher ist mit einem noch ansteigenden
Mangel an Fachkräften für die Zukunft in
Medizin und Pflege zu rechnen. Bei der Befragung
von Studierenden nach der Attraktivität
der Fächer für die spätere Facharztausbildung
zeigen aktuelle Studien,
dass die Gynäkologie und Geburtshilfe
nicht mehr unter den ersten 10 Fächern zu
finden ist [11]. Andere Befragungen von
Studierenden zeigen jedoch die Gynäkologie
und Geburtshilfe zusammen mit der
Pädiatrie unter den beliebtesten Fächern
bei Frauen [20].
Laut aktuellen Daten der Bundesärztekammer
sind in Deutschland zurzeit etwa
17 340 Ärztinnen und Ärzte mit abgeschlossener
Facharztausbildung “Frauenheilkunde
und Geburtshilfe“ zugelassen.
Davon sind ca. 10 800 Frauen. In den letzten
Jahren ist eine deutliche Feminisierung
unter den Medizinstudierenden zu
beobachten [14]. Fast 70 % der Absolventen
von medizinischen Fakultäten sind
angestellt in
Forschung
angestellt in
Praxis
angestellt im
MVZ
Facharzt in
Praxis
angestellt im
Krankenhaus
0 20 40 60 80 100
Angaben in %, Mehrfachnennungen möglich
Tab. 1 Präferenzen junger Mitarbeiter für die Tätigkeit im Krankenhaus [29].
Thema
Anteil der jungen Mitarbeiter
männlich
weiblich
Vereinbarkeit von Beruf und Familie 93% 97%
Möchte Arbeit selbst einteilen 75% 74,7%
Würde gern Teilzeit arbeiten 32,1% 77,2%
Arbeite zunächst in Vollzeit insgesamt 87%
heute Frauen. In der Gynäkologie sind aufgrund
des Auswahltrends 90 % der Berufsanfänger
weiblich [14]. Das stellt Kliniken
vor enorme Herausforderungen, denn
über 90 % der Absolventen möchten Familie
und Beruf miteinander verbinden, was
sich wiederum in einer Teilzeittätigkeit
während oder nach dem Facharzt äußert.
Aktuelle Studien zeigen, dass 77 % der
Frauen und 32 % der Männer gerne in Teilzeit
arbeiten möchten [10], wie q Tab. 1
darstellt. Durch diese verringerte Verfügbarkeit
von Ärzten werden die Effekte des
Fachkräftemangels verschärft, was insbesondere
für Kliniken mit Notfallvorhaltung,
wie im Fall von Gynäkologie und Geburtshilfe
gravierend ist [8].
Generation Y
Wohl kaum eine Generation, die neu ins
Arbeitsleben tritt, hat für so viel Wirbel
gesorgt wie die Generation Y [10, 11]. Gut
ausgebildet, technologieaffin, lernbereit
und selbstbewusst treten die 20- bis
30-Jährigen heute in der Klinik auf. Die
Vorstellungen der jungen Mitarbeiter von
Arbeit und Freizeit, Verantwortung, Führung
und Verbindlichkeit sind ganz andere
als diejenigen, die bisher galten. Ein
neuer Lebensstil, der für viele Führungskräfte
zur Herausforderung wird, denn
obwohl Generation Y Hierarchien ablehnt,
möchte sie engmaschig gecoacht werden
und regelmäßiges Feedback erhalten [10,
männlich
weiblich
Abb. 2 Präferenzen
junger Mitarbeiter für
die Wahl des Arbeitsplatzes
[20].
11]. Damit wird die Führung dieser Mitarbeiter
aufwendiger. Vor allem das verringerte
Interesse dieser Mitarbeiter an Karriere
und der Wunsch in Teilzeit zu arbeiten
sind für die Gynäkologie und Geburtshilfe
eine Herausforderung. Einige Untersuchungen
zeigen auch, dass die Berufswünsche
nach Absolvieren des Facharztes
sehr heterogen sind. Gibis und Mitarbeiter
konnten zeigen, dass die Mehrheit der
Ärzte dieser Generation gerne im Krankenhaus
und in der Praxis arbeiten möchte
[21], wie q Abb. 2 zeigt. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz
(VÄndG) von
2007 hat hierzu für Kliniken die Möglichkeit
geschaffen, diese Beschäftigungsverhältnisse
anzubieten [22].
Diskussion
▼
Die Gynäkologie und Geburtshilfe steht vor
gravierenden Veränderungen. Kaum ein
Fach ist so stark von den genannten Effekten
betroffen, wie die Gynäkologie und Geburtshilfe
[6–12]. Als Konsequenz sind bereits
zahlreiche kleinere Abteilungen geschlossen
worden und weitere auf dem
Prüfstand. Augurzky und Mitarbeiter gehen
davon aus, dass über 300 Fachabteilungen
in den nächsten 10 Jahren geschlossen
werden [12]. Trotz der Schließungen würde
sich in Deutschland keine Unterversorgung
mit gynäkologisch-geburtshilflicher Versorgung
einstellen [22–24]. Gleiches zeigen
Studien aus Frankreich, wo der Prozess
schon vor Jahren begonnen hat [23]. Interessant
an der Untersuchung ist auch, dass
es gravierende Unterschiede zwischen
ländlichen und urbanen Strukturen in der
Versorgung geben wird. In Städten werden
die großen Maximalversorger für komplexe
Fälle bleiben. Gesäumt werden diese
durch Praxisgemeinschaften und MVZ für
einfache Fälle [9]. Auf dem Land werden die
großen Versorger nicht mehr die breite Aufstellung
wie zuvor haben. Hier sollen neben
größeren, für die Versorgung notwendigen
Häuser, Gesundheitszentren mit einem stationären
und ambulanten Angebot entstehen.
Daher machen hier auch vernetzte
Versorgungsangebote Sinn. Über Kooperationsmodelle
mit Praxen, Sprechstundenangebote
nach Art der ehemaligen DDR-Po-
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Geburtsh Frauenheilk 2014; 74
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DGGG
Belegarzt
Freiberufler,daspezielle Form der
vertragsärztlichen Versorgung
Praxis am Krankenhaus
strikteTrennungvon Praxis und KH
älteste Form der Kooperation, nicht am KH
angestellt, sichertVersorgungTag und Nacht
selber, Honorar über KV,spezielle Voraussetzungennotwendig,
z.B. Wohnort
Nutzungvon Ressourcendes KH
gegen Entgelt
Bei einer verringerten Verfügbarkeit junger
Ärzte sollte jedoch auch der Fokus auf
die Mitarbeiter der Generation 55plus gelegt
werden, die mit einfachen Mitteln zu
motivieren sind, denn keine Studie zeigt
einen Zusammenhang zwischen Alter und
Arbeitsleistung [13]. Die wesentlichen Faktoren,
welche die Leistungsfähigkeit im Alter
fördern, sind Motivation, Aktualität des
Wissens, Erfahrung und körperliche Konstitution.
Ältere Mitarbeiter verfügen darüber
hinaus über eine höhere Arbeitszufriedenheit
und Loyalität zur Klinik als jüngere
Mitarbeiter [13]. Vor allem aber sind es
Wertschätzung, Respekt vor der Lebensleistung
und Erfahrung sowie Einbindung
bei Entscheidungen durch die Führungskräfte,
welche ältere Mitarbeiter fit und
motiviert halten. Somit sind Führungskompetenzen
der entscheidende Faktor,
um qualifizierte Mitarbeiter zu halten [13].
Darüber hinaus sollten heute Kooperationsmodelle
mit Praxen intensiver geprüft
werden, denn durch die Möglichkeiten des
VändG sind zahlreiche Chancen entstanden,
den Mitarbeiterstamm durch externe
Kollegen aufzustocken [7]. Entscheidend
wird dabei sein, wie diese Kollegen in den
Klinikalltag integriert werden und wie
weit eine Geschäftsführung von solchen
Vorhaben überzeugt werden kann [29].
Konsiliararzt
fürZweitmeinung oder für
Mitbehandlung bei fehlender
Fachdisziplin, weisungsfrei
Übernahme vor- und nachstationärer
Leistungen für das Krankenhaus
eigenständige Behandlungsform
Anlaufpraxis
organisiert durch KH
Vertragsarztrechtsänderungsgesetz
(VändG)
Angestellter desHauses
Abb. 3 Grober Überblick zu den Kooperationsmöglichkeiten zwischen Praxis und Krankenhaus (KH).
liklinik und ambulante Strukturen im
Krankenhaus könnte sich das Bild der bisherigen
Fachabteilung in großen Häusern
auf dem Land wandeln. Die q Abb. 3 stellt
Kooperationsmöglichkeiten von Praxis und
Krankenhaus übersichtlich dar.
Einige Bundesländer, wie beispielsweise
Mecklenburg-Vorpommern haben bereits
durch eine überwiegende Zentralisierung
der Geburtshilfe, sehr große Einheiten geschaffen.
Damit ließe sich auch das Thema
der Qualität besser in den Griff bekommen,
denn die Daten des Statistischen
Bundesamtes zeigen, dass beispielsweise
die Sectio-Rate in Belegabteilungen deutlich
höher ist als in großen Hauptabteilungen
[14]. Vergleichbare Untersuchungen
gibt es auch aus anderen Fachdisziplinen
mit ähnlicher Konstellation, wie beispielsweise
in der HNO [25]. Dies wird nochmals
den Druck auf Belegabteilungen erhöhen,
denn das neue GKV-Versorgungsstärkungsgesetz
wird zukünftig die Ergebnisqualität
in diesen Bereichen verstärkt
unter die Lupe nehmen und ggf.
minderwertige Qualität nicht mehr vergüten
[6, 26]. Genau hier sind die Fachgesellschaften
aufgefordert, über gemeinsam
verabschiedete Standards und Vorschläge
für neue Versorgungsmodelle aktiv den
Veränderungsprozess mitzugestalten. Größe
und Wirtschaftlichkeit sind jedoch
nicht die einzigen Treiber des Wandels. Um
die Attraktivität der Gesundheitsberufe zu
steigern, wurden zahlreiche Kampagnen
von sozialen Trägern gestartet. Exemplarisch
ist hier das Projekt „Sozial kann nicht
kein Angestellter desKH,
Bezahlung über KH (Musterverträge
vonKBV und BÄKvorgegeben)
Vergütung durch KH,Finanzierung aus DRG
bezogen auf bestimmteLeistungen
(z.B.Wundkontrolle,Verbände)
Behandlungvon Notfällen außerhalb der
Praxiszeiten, wieKVNotfallpraxis
niedergelassener FA ist mit bis zu 13 h/Woche
in der Fachabteilungangestellt, alle Rechte
und Pflichten, über das Haus versichert,
auchDatenschutzist kein Problem
jeder“ des Evangelischen Werks für Diakonie
und Entwicklung e. V. zu nennen. Die
Kampagne spricht vor allem Pflegeberufe
an, jedoch gilt der Trend auch für den Arztberuf
und die Wahl des Faches Gynäkologie
und Geburtshilfe. Die Breite der Aufstellung,
also das medizinisch inhaltliche Angebot,
die Qualität der Führung und die
Perspektiven nach dem Facharzt werden
vor allem bei jungen Mitarbeitern ausschlaggebend
für die Wahl der Klinik sein
[10, 11, 27, 30].
Fazit für die Praxis
▼
Die Gynäkologie und Geburtshilfe wird
sich in den nächsten Jahren stark verändern.
Die wesentlichen Treiber dafür sind
die Ambulantisierung bzw. sinkende
Nachfrage nach stationären Leistungen,
die Unwirtschaftlichkeit kleiner Abteilungen,
der Fachkräftemangel gepaart mit
gleichzeitiger Feminisierung der Mitarbeiter
und die veränderten Erwartungen
der Generation Y an den Arbeitsplatz im
Krankenhaus [30]. Doch diese Veränderungen
bergen – neben vielen Risiken –
immer auch eine Chance für die Beteiligten,
im Rahmen von sinnvollen Kooperationsmodellen
und vernetzen Versorgungsstrukturen
eine Verbesserung der
Patientenversorgung herbeizuführen. Die
Möglichkeiten des VändG und die Chancen
des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes
sind dabei die Ansatzpunkte. Doch wie
sagte schon Sir William Edwards Deming
so trefflich: „Sie müssen das nicht tun,
Überleben ist keine Pflicht.“
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Was erwartet uns von unseren Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern? Geburtsh Frauenheilk
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Korrespondenz:
Prof. Dr. med. Christian Schmidt MPH,
Rostock
christian.schmidt@med.uni-rostock.de
Heruntergeladen von: IP-Proxy Universität Rostock, Universität Rostock. Urheberrechtlich geschützt.
Geburtsh Frauenheilk 2014; 74