08.09.2022 Aufrufe

BS 11-2017

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Schiffstechnik<br />

Elektronische Hilfe gegen Kollisionen<br />

Immer wieder ist von Brückenanfahrungen auf Flüssen und Kanälen zu lesen. Oft ist<br />

menschliches Versagen die Ursache. Können entsprechende Systeme hier Abhilfe schaffen?<br />

Von Hermann Garrelmann<br />

Bilder von abgefahrenen Ruderhäusern<br />

zeigen das Ausmaß der Havarien,<br />

bei denen nicht selten Menschen ihr<br />

Leben lassen. Auf der Suche nach technischen<br />

Lösungen, die das oft ursächliche<br />

»menschliche Versagen« weitgehend<br />

ausschalten, gibt es jetzt eine vielleicht<br />

zukunftsweisende Entwicklung. Das inzwischen<br />

marktreife System hat Dirk Sobotka,<br />

in der Branche bestens bekannt als<br />

Direktor für Strategie und Development<br />

bei A-Rosa, »BridgesSecure« genannt.<br />

Auf der diesjährigen STL in Kalkar<br />

stellte der Entwickler seine Lösung zum<br />

ersten Mal dem Fachpublikum vor. Das<br />

System soll »zu 100% verlässlich und<br />

rechtzeitig« vor einer möglichen Gefahr<br />

warnen, damit geeignete Manöver ergriffen<br />

werden können, um Schäden an<br />

Schiff oder Besatzung zu vermeiden.<br />

Das modular aufgesetzte System verarbeitet<br />

eine Fülle von unterschiedlichen<br />

Daten. Zunächst wären das die schiffspezifischen<br />

Gegebenheiten wie Angaben<br />

über die Höhe über Wasser, die Höhe<br />

von Ruderhäusern, Masten oder anderen<br />

Aufbauten sowie weitere Schiffsparameter.<br />

Variable Daten wie die lokale Position,<br />

die Geschwindigkeit, der Kurs oder<br />

die Drehzahlen fließen ebenfalls in das<br />

System ein. Als geografische Gegebenheiten<br />

sind alle möglichen Hindernisse wie<br />

Brücken jeder Art erfass und in den Karten<br />

hinterlegt.<br />

Akustisches Signal als Warnung<br />

Aus der Berechnung von Wasserstand,<br />

Abladetiefe und Geschwindigkeit ermittelt<br />

das System, ob die gegebene Durchfahrtshöhe<br />

für die auf dem Kurs liegenden<br />

Höhenhindernisse ausreicht. Ist dies<br />

der Fall, zeigt der Monitor einen grünen<br />

Balken fü die Fahrroute. Trifft dies nicht<br />

zu, ist also das Steuerhaus oder ein Mast<br />

zu hoch oder die Brücke wegen des Wasserstandes<br />

zu niedrig, ist eine rote Linie<br />

zu sehen.<br />

Abhängig von der verbleibenden Distanz<br />

zum Hindernis ertönt dann ein<br />

differenziertes akustisches Signal. Die<br />

Schema der Signale<br />

des BridgeSecure-Systems<br />

von Dirk Sobotka<br />

Zeitspanne, die dafür zugrunde liegt,<br />

ist gestaffelt, individuell einstellbar und<br />

räumt eine ausreichende Zeit ein, entsprechend<br />

zu reagieren.<br />

Dazu kann zum Beispiel gehören, den<br />

Mast am Vorschiff zu legen, das Steuerhaus<br />

abzusenken, die Reling niederzuklappen<br />

oder andere Aufbauten zu beseitigen.<br />

Ist eine der nötigen Reaktionen wegen<br />

technischer Probleme (wie einem Ausfall<br />

einer Hydraulikanlage) nicht machbar,<br />

ertönt ultimativ das Signal zum Aufstoppen.<br />

Auch die dafür benötigte Zeit lässt<br />

sich schiffsspezifisch definieren. Die vom<br />

System geforderten Aktionen muss der<br />

Schiffsführer jeweils quittieren.<br />

Die volle Funktionalität erfordert nicht<br />

nur eine Kopplung des Systems mit dem<br />

Schiffs-GPS. Auch sind entsprechende<br />

Sensoren zu installieren, zum Beispiel<br />

an den zu bedienenden Aufbauten. Die<br />

Displays sowie die Quittier-Tasten lassen<br />

sich sowohl zentral im Steuerhaus<br />

als auch, beispielsweise bei Flusskreuzern,<br />

auf den Nock-Ständen installieren.<br />

Die Daten der Anlage werden in einem<br />

externen Speicher (Black-Box) abgelegt,<br />

um später entsprechende Rekonstruktionen<br />

zuzulassen.<br />

Sobotka hat in diese Entwicklung all<br />

seine Erfahrung eingebracht. Wichtig<br />

im Unterschied zu vorhandenen laserbasierten<br />

Lösungen war ihm, dass die Technik<br />

wetterunabhängig funktioniert, also<br />

auch bei Dunkelheit, Nebel und Schneefall,<br />

und weitgehend gegen Fehlalarme<br />

abgesichert ist.<br />

Ebenfalls an einer Lösung für diesen<br />

Problembereich arbeitet man bei Innovative<br />

Navigation (IN) in Kornwestheim.<br />

Als Beitrag zum aktuellen Forschungsprojekt<br />

LAESSI (Leit- und Assistenzsysteme<br />

zur Erhöhung der Sicherheit der<br />

Schifffahrt auf Inlandwasserstraßen) hat<br />

IN ein System entwickelt, um vorhandene<br />

Satellitendaten mittels präziser GNSS-<br />

Sensoren zu empfangen und so auszuwerten,<br />

dass die aktuelle Höhe eines Schiffes<br />

mit der Höhe des nächsten Höhenhindernis<br />

(Brücke o. ä.) abgeglichen wird.<br />

Das System soll in der Lage sein, rechtzeitig<br />

vor einer Brückenpassage zu überprüfen,<br />

ob eine Kollisionsgefahr besteht.<br />

Eine eventuelle Warnmeldung erfolgt<br />

mehrere hundert Meter vor der Brückenpassage,<br />

damit ausreichend Zeit für eine<br />

entsprechende Reaktion verbleibt.<br />

Eine Besonderheit des unter anderem<br />

von IN entwickelten Systems, das<br />

als Prototyp auf der Messe in Kalkar gezeigt<br />

wurde, ist die Integration in die Navigationssysteme<br />

an Bord. Zudem erfasst<br />

und integriert es lokale Abstandsdaten<br />

zu Ufern und anderen festen Bauwerken,<br />

die über rotierende Laserscanner ermittelt<br />

werden. Das als Erweiterung für den<br />

ebenfalls von IN entwickelten Radarpilot<br />

720° erhältliche System soll den Herstellerangaben<br />

zufolge zum Jahresende verfügbar<br />

sein.<br />

M<br />

Quelle: Shipsolution<br />

26 Binnenschifffahrt – ZfB – <strong>2017</strong> – Nr. <strong>11</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!