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Ausbildung und Beruf 2022-09-red

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BERUFSINFO: PSYCHOTHERAPEUT<br />

Was machen eigentlich Psychologische Psychotherapeuten?<br />

Mönchengladbach - Jedes Jahr sind knapp<br />

30 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland<br />

von einer psychischen Erkrankung<br />

betroffen. Entsprechend nachgefragt ist<br />

die Hilfe <strong>und</strong> Begleitung durch Psychotherapeutinnen<br />

<strong>und</strong> Psychotherapeuten.<br />

Dass der Weg in den <strong>Beruf</strong> aber alles andere<br />

als einfach ist, zeigt Sascha Belkadi<br />

im Job-Protokoll. Der 31-jährige psychologische<br />

Psychotherapeut hat eine Praxis in<br />

Mönchengladbach <strong>und</strong> engagiert sich im<br />

<strong>Beruf</strong>sverband Deutsche Psychotherapeuten<br />

Vereinigung (DPtV).<br />

DER WEG IN DEN JOB<br />

Ein Zuckerschlecken ist sie nicht, die <strong>Ausbildung</strong>.<br />

Ich habe zuerst Psychologie studiert<br />

<strong>und</strong> anschließend eine theoretische<br />

<strong>und</strong> praktische <strong>Ausbildung</strong> angeschlossen.<br />

Darum musste ich mich selbst kümmern,<br />

mir einen Überblick verschaffen über psychiatrische<br />

Einrichtungen <strong>und</strong> staatlich<br />

anerkannte <strong>Ausbildung</strong>sstätten. Dann<br />

habe ich unter der Woche Praktika absolviert<br />

<strong>und</strong> oftmals am Wochenende die<br />

Theorie. Nachdem man 1800 praktische<br />

St<strong>und</strong>en in psychiatrischen Einrichtungen<br />

nachgewiesen hat, mindestens 600 ambulante<br />

Therapiest<strong>und</strong>en unter Supervision<br />

absolviert hat sowie 600 theoretischen<br />

Unterrichtsst<strong>und</strong>en gefolgt ist, kann man<br />

sich nach einer Prüfung um die staatliche<br />

Approbation kümmern, also um die Zulassung,<br />

in einem Heilberuf zu arbeiten. Am<br />

Ende kommt noch die Suche nach einem<br />

Kassensitz dazu, falls man auch gesetzlich<br />

Versicherte behandeln möchte. Das ist je<br />

nach Region ein langwieriges <strong>und</strong> teures<br />

Vergnügen.<br />

DAS LERNINTENSIVE STUDIUM<br />

Das Studium der Psychologie ist stark<br />

nachgefragt <strong>und</strong> an den meisten Universitäten<br />

zulassungsbeschränkt. Da ich kein<br />

Einser-Abitur hatte, habe ich mich in Nimwegen<br />

in den Niederlanden beworben.<br />

Dort hatte ich Losglück. Das Bachelorstudium<br />

war auf Niederländisch, dafür habe<br />

ich vorab einen Sprachkurs absolviert.<br />

Der Master war auf Englisch. Das Studium<br />

war extrem lernintensiv, da braucht<br />

es viel Biss. In Nimwegen war das sehr naturwissenschaftlich<br />

ausgerichtet. Man hat<br />

viel mit Mathe zu tun, beschäftigt sich viel<br />

mit Statistik. Die Prüfungen waren dicht<br />

getaktet, man braucht wirklich Durchhaltevermögen.<br />

DIE POSTGRADUELLE AUSBILDUNG<br />

Weil ich einen Heilberuf ausüben wollte,<br />

musste ich den Uni-Abschluss aus den<br />

Niederlanden in Deutschland anerkennen<br />

lassen. Da kommt viel Papierkram auf einen<br />

zu. Eigentlich eine gute Übung, denn<br />

Organisations- <strong>und</strong> Verwaltungsarbeit gehört<br />

zum Job. Nach dem Studium steht die<br />

weitere theoretische <strong>und</strong> praktische <strong>Ausbildung</strong><br />

an. Das war stressig, man sucht<br />

sich die Praktika selbst, die sind - wenn<br />

überhaupt - lausig bezahlt. Ich bekam<br />

kein Bafög mehr, musste mich selbst um<br />

die Sozialversicherung kümmern. Als ich<br />

dann endlich meine Approbationsprüfung<br />

bestanden hatte, ging es wieder ans Stempelsammeln,<br />

um eine GKV-Praxis zu ergattern.<br />

Mit 19 habe ich Abitur gemacht,<br />

mit 27 Jahren hatte ich die KV-Zulassung.<br />

Damit gehörte ich zu den Leuten, die das<br />

alles recht zügig auf die Reihe bekommen<br />

haben.<br />

DIE BEGLEITUNG VON<br />

SEELISCH ERKRANKTEN<br />

Menschen kommen aus unterschiedlichen<br />

Gründen zu mir in die Praxis. Jeder<br />

hat seine eigene Geschichte, seine eigene<br />

Persönlichkeit, seine eigene Art <strong>und</strong><br />

Weise mit der seelischen Erkrankung<br />

Sascha Belkadi begleitet als Psychologischer<br />

Psychotherapeut Menschen mit psychischen<br />

Erkrankungen wie Depressionen,<br />

Angststörungen oder Traumata.<br />

Foto: Henning Kaiser/dpa-mag<br />

umzugehen. Wie sich die Psychotherapie<br />

ausgestaltet, ist also immer von individuellen<br />

Faktoren abhängig. Als Psychologische<br />

Psychotherapeuten unterstützen wir<br />

dabei, den Entstehungsfaktoren für eine<br />

Depression oder Angststörung nachzuspüren.<br />

Wir können ganz konkret helfen,<br />

etwa mit Techniken aus der Verhaltenspsychologie,<br />

mit denen man festgefahrene<br />

Muster auflösen kann. Unser <strong>Beruf</strong><br />

hat ein riesiges Gestaltungspotenzial <strong>und</strong><br />

es ist erfüllend, Menschen zu begleiten.<br />

Man sieht, wie sich Dinge verändern, wie<br />

es den Betroffenen besser geht. Ich habe<br />

großen Respekt davor, was Menschen alles<br />

aushalten <strong>und</strong> verarbeiten können.<br />

DAS MENTALE RÜSTZEUG<br />

Wer in unserem <strong>Beruf</strong> arbeitet, sollte sich<br />

für Menschen interessieren, ihnen Empathie<br />

entgegenbringen. Man braucht große<br />

inhaltliche Flexibilität: Unter Umständen<br />

spreche ich montags mit einem Opfer sexueller<br />

Gewalt <strong>und</strong> mittwochs mit einem<br />

Täter. Oft geht es neben psychischen Erkrankungen<br />

um existenzielle Themen der<br />

Lebensgestaltung. Auf die Frage etwa, was<br />

ein gutes ges<strong>und</strong>es Leben ist, gibt es viele<br />

Antworten. Man muss eine gewisse Ambiguität<br />

aushalten können, ebenso Phasen<br />

des Stillstands, wenn es im Laufe einer<br />

Therapie langsamer vorangeht, als man<br />

sich das wünscht. Wichtig ist nicht zuletzt,<br />

dass man sich einen Ausgleich schafft zum<br />

<strong>Beruf</strong>, in dem man viel Bedrückendes hört.<br />

Fre<strong>und</strong>e treffen, malen <strong>und</strong> Sport sind<br />

meine Mittel, um auf andere Gedanken zu<br />

kommen. Unerlässlich ist aus meiner Sicht<br />

auch die Supervision für die eigene berufliche<br />

Entwicklung.<br />

DAS MONATLICHE EINKOMMEN<br />

Zur Wahrheit gehört, dass wir die Arztgruppe<br />

sind, die das Geringste verdienen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich hat man es selbst in der<br />

Hand, wie viele St<strong>und</strong>en in der Woche<br />

man arbeitet <strong>und</strong> ob man sich selbst um<br />

Verwaltungsarbeiten kümmert oder jemanden<br />

dafür einstellt. Interessierte sollten<br />

neben <strong>Ausbildung</strong>skosten von 20 000<br />

bis 40 000 Euro auf jeden Fall vorab die<br />

Wartezeit nach der Bewerbung um einen<br />

Kassensitz sowie die Übernahmekosten<br />

berücksichtigen. Je nach Region kann das<br />

zwischen 20 000 <strong>und</strong> 100 000 Euro kosten.<br />

Vor allem in Ballungszentren sind die Ablösesummen<br />

hoch.<br />

14 <strong>09</strong> | <strong>2022</strong>

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