NewHealthGuide Magazin 01 2022
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Ausgabe 01/2022
Ihr Weg in das digitale Gesundheitssystem
„Die Digitalisierung ist eine
riesengroße Chance“
Prof. Dr. med. Sebastian
Kuhn im Interview
Krankenhauszukunftsgesetz
Ist es Fluch oder Segen?
Eine Bestandsaufnahme
Wertvoller Zeitgewinn
Wie Rettungsdienst und
Notfallambulanz digital
zusammenarbeiten können
Videocall vor der OP
So wird die telemedizinische
Anästhesie-Sprechstunde
erfolgreich genutzt
Neue Kompetenz gefragt!
In diesen Fortbildungen kann
sich Klinikpersonal in Sachen
Digitalisierung weiterbilden
PREIS: 8,50 EUR
newhealth.guide #1
newhealth.guide #1
Liebe Leserinnen,
liebe Leser
Inhalt
Was wäre, wenn ...
… bei einem Notfall
die wesentlichen
Daten und
Befunde zu einem
Patienten, einer Patientin schon vor
der Ankunft des Rettungswagens
in der Zentralen Notaufnahme einträfen
und so wichtige Vorbereitungen
ohne Zeitverlust umgesetzt
werden könnten?
… jeder, der von ärztlicher oder
pflegerischer Seite an der Behandlung
von Patienten beteiligt ist, auf
alle Informationen zu diesem Patienten,
dieser Patientin jederzeit
und umfassend, z. B. per Tablet, zugreifen
könnte?
Detlef Koenig
Gründer
Zukunftsmusik? Vielleicht.
In der Tat bietet die Digitalisierung
besonders im Gesundheitswesen
schon jetzt viele Möglichkeiten
– die Realität in den Krankenhäusern
sieht aber vielerorts noch völlig
anders aus:
• Befunde werden per Fax übermittelt
oder telefonisch durchgegeben,
sind aber nicht gebündelt
und vor allem nicht unbedingt
am richtigen Ort zur richtigen Zeit
verfügbar.
• Wichtige Informationen werden
auf gelben Klebezetteln im Pflegestützpunkt
notiert und im Zweifelsfall
sicher auch gelegentlich
übersehen.
Dr. med. Gudrun Westermann
Chefredakteurin
• Durch das Entziffern handschriftlicher
Notizen geht wertvolle Zeit
verloren – im schlimmsten Fall
kommt es zu Fehlern, z. B. bei der
Medikamentenausgabe.
Das sind vermeidbare Missstände,
die zu Fehlern, zu mangelhafter
Dokumentation und zum Verlust
wertvoller Zeit in Notfallsituationen
führen. Nicht zuletzt steht dabei
vielfach die Patientensicherheit
auf dem Spiel.
Wir wenden uns an Entscheider/
innen und Zukunftsgestalter/innen
im Krankenhaus und möchten Sie
mit dem NewHealth.Guide auf
dem Weg in ein digitales Gesundheitssystem
begleiten und unterstützen
– nicht durch Zukunftsmusik,
sondern indem wir aufzeigen, was
schon funktioniert, was ohne zu großen
Aufwand umgesetzt werden
kann und wie bereits jetzt viele mit
kleinen Schritten vorankommen.
In diesem Sinne stellen wir in
jeder Ausgabe Best-Practice-Beispiele
vor, berichten über News
und Trends und sprechen mit Experten.
Natürlich behalten wir
auch rechtliche und Sicherheitsfragen
im Blick, denn ein großes
Ziel der Digitalisierung im Gesundheitswesen
ist neben einem geringeren
Aufwand für viele Arbeitsschritte
ein Plus an Sicherheit für
Behandelnde und Patient/innen.
Wir wünschen Ihnen viel Freude
beim Lesen und freuen uns auf Ihre
Rückmeldungen und Anregungen.
COVER: EVELYN DRAGAN, FOTOS: EVELYN DRAGAN, MURAT TUEREMIS/LAIF, SCHWARZWALD BAAR-KLINIKUM/CAROLIN JACKLIN,; ILLUSTRATION: GOLDEN COSMOS/2 AGENTEN
04
Aktuelles aus der Gesundheitsbranche:
z. B. Laborroboter und In-Ear-Wearables
08
„Das Smartphone ist das Stethoskop
des 21. Jahrhunderts“: Prof. Dr. med. Sebastian Kuhn
über die Chancen der Digitalisierung
14
Fortschritt auf allen Ebenen: welche
Klinikbereiche die Digitalisierung verändert
16
Krankenhauszukunftsgesetz: Ist die digitale
Transformation so schnell zu schaffen?
Newsletter
Ab Oktober das monatliche
Update zu allen
Fragen der Digitalisierung im
Gesundheitswesen
Podcast
Experten und Vorreiter im Interview.
Jeden Monat ein spannendes
Hintergrundgespräch zum Thema
New Health
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Aufklärung per Video:
die Anästhesie-Sprechstunde am
Helios Klinikum in Berlin-Buch
22
Zeitgewinn: wie Rettungsdienst und Notaufnahme im
Schwarzwald-Baar Klinikum digital kommunizieren
26
Spannende Podcasts und neue Fachbücher
28
Digital fit genug?
Fortbildungen für Klinikpersonal
Website
Die Plattform für alle Inhalte des
NewHealth.Guide: schnell Wissen
finden und abrufen, Podcasts
laden oder Newsletter bestellen!
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newhealth.guide #1
newhealth.guide #1
News + Trends + Future
Den Laboralltag effizienter gestalten?
Das Fraunhofer-Institut
für Produktionstechnik und
Auto matisierung (IPA) sieht dafür
KEVIN vor, einen kollaborativen
Laborroboter, mit dem
bestimmte Prozesse automatisiert
werden sollen. Wenn es um
repetitive Aufgaben geht, beispielsweise
das Beschriften von
Röhrchen oder die Vorbereitung
von Proben, ist er zur Stelle.
KEVIN übernimmt zeitaufwendige
Tätigkeiten, häufig über
Nacht, und soll so die Laboranten
Robotik
Helfer im Labor
bei ihrer täglichen Arbeit entlasten.
In die Laborum gebung wird
er über ein intuitives Teaching
Interface eingeführt, Arbeitsanweisungen
erhält er über ein
Electronic Lab Notebook. Bei
der Entwicklung des Roboters
spielten Usability, Akzeptanz
und User Experience eine große
Rolle, um eine gute Zusammenarbeit
mit den Laboranten zu
gewährleisten.
www.fraunhofer-innovisions.de/
usability/kevin-im-labor/
FOTOS: FRAUNHOFER IPA, SPECTROPLAST
3D-Druck
Maßgefertigt
Individuelle Hörgeräte, maßgefertigte
Prothesen oder anatomische
Modelle menschlicher Organe
in gesundem oder erkranktem
Zustand: Das Schweizer Unternehmen
Spectroplast hat mit dem
Silicone Additive Manufacturing
(SAM) ein patentiertes Verfahren
entwickelt, das spezielle Silikonprodukte
für medizinische Anwendungen
produziert – mithilfe eines
3D-Druckers. Vorteil der additiven
Technologie: Sie benötigt keine
Formen und Werkzeuge, die
Produktion ist schneller als Spritzgieß-Techniken
und spart Kosten.
www.spectroplast.com
Pflege
Intelligente
Matte
Das Projektteam Soma Care
hat an der TH Köln
eine Anti-Dekubitus-Matte
entwickelt, die erkennt,
wenn Patienten umgelagert
werden müssen. Ein
integriertes Sensornetz
misst die Druckverteilung
auf der Liegefläche und
alarmiert das Pflegepersonal
über eine mobile App.
www.th-koeln.de
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newhealth.guide #1
newhealth.guide #1
News + Trends + Future
Technische Infrastruktur
5G im OP
Wie können Kliniken von einem
eigenen 5G-Campusnetz
profitieren? Das erprobt
das deutsch-französische
Gemeinschaftsprojekt „5G-
OR“: In OP-Sälen der drei Kliniken
IHU Strasbourg, Uniklinik
Mannheim und Charité
Berlin wurde ein 5G-Mobilfunknetz
installiert. Durch die
drahtlose Technologie werden
Vorgänge digital unterstützt
oder laufen so automatisiert
ab, dass Personal
entlastet wird. Zum Beispiel
analysiert eine künstliche Intelligenz
(KI) lebenswichtige
Vitalparameter der Patienten
in einem Zentralrechner.
Sie wertet zudem Bilder aus
dem OP aus und meldet
potenzielle Komplikationen.
Ärzte sollen sogar mithilfe
eines Roboters Operationen
aus einer anderen Stadt
oder einem anderen Land
durchführen können, indem
sie Daten der Patienten in
Echtzeit übermittelt bekommen.
Das Projekt „5G-OR“ ist
auf drei Jahre angelegt.
www.ipa.fraunhofer.de
Medizintechnik
Telemonitoring
Das Münchner
Medizintechnik-Start-up
cosinuss hat sich auf
das „Remote Patient
Monitoring (RPM)“ spezialisiert
und In-Ear-Wearables
(In-Ohr-Sensoren)
patentieren lassen, die
wichtige physiologische
Vitaldaten der Patienten
mobil und in Echtzeit
überwachen. Über
eine Plattform werden
sie mit dem medizinischen
Personal verbunden,
sodass dieses
Wertabweichungen von
der Norm erkennen und
sofort handeln kann.
www.cosinuss.com
Pflege
Vorhersage epileptischer Anfälle
Forscher des Projekts „EPItect“ haben ein mobiles Sensorsystem entwickelt,
das epileptische Anfälle frühzeitig und automatisch erkennt.
Dafür müssen die Betroffenen lediglich einen Sensor am Ohr tragen.
Die In-Ohr-Sensorik misst Vitalwerte, identifiziert relevante Biosignalmuster
und warnt vor Anfällen. www.epitect.de
FOTOS: FRAUNHOFER IPA/VANESSA STACHEL, COSINUSS GMBH, ZANADIO, SCHWARZWALD-BAAR KLINIKUM/HS ANALYSIS, NMI/HS ANALYSIS
Digitale Medizinprodukte
DiGA
Neuzugang: zanadio
Vor Kurzem wurde die digitale
Adipositas-Therapie
zanadio dauerhaft vom
Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte
(BfArM) in das DiGA-Verzeichnis
aufgenommen.
Das dreimonatige Abnehmprogramm
per App
verfolgt eine langfristige
Verhaltensänderung in der
Ernährung und Bewegung.
Mit Rezept oder Arztbrief
werden die Kosten von
allen gesetzlichen Krankenkassen
übernommen.
Etwa alle drei Monate
veröffentlicht das BfArM
die DiGAs, die dauerhaft
gelistet sind (bislang 13),
und jene, die sich noch in
der Erprobung befinden.
DiGAs in der Erprobung:
Vitadio soll Menschen mit
Typ-2-Diabetes helfen,
ihr Leben gesünder zu
g estalten. U. a. mithilfe
der KI „Alfred“: Man lädt
ein Foto seiner Mahlzeit
in der App hoch, Alfred
analysiert diese und
macht Vorschläge.
PINK! Coach ist eine therapiebegleitende
digitale
Lösung für Brustkrebspatientinnen
vom Zeitpunkt
der Diagnose an mit
vielen Informationen und
Übungen in den Bereichen
Bewegung, Ernährung und
mentale Gesundheit.
diga.bfarm.de
Analysesoftware:
Zu sehen ist eine
Mikroskopaufnahme
einer Lungenkrebs-Zelllinie
Gewebequerschnitt:
normales
Lungenparenchym
und Anteile eines
Adenokarzinoms
der Lunge
Diagnostik
KI bei Lungenkrebs
Laut Statistischem Bundesamt
wurde von den 230.000 Krebstodesfällen
im Jahr 2020 jeder
fünfte durch Lungenkrebs verursacht.
Häufig wird dieser erst
im fortgeschrittenen Krankheitsstadium
diagnostiziert – in einer
Phase, in der eine hohe Resistenz
gegenüber Chemotherapeutika
besteht. Damit Ärzte
eine personalisierte Therapieentscheidung
treffen können,
entwickelt das Förderprojekt
„IDOL“ einen innovativen Test zur
quantitativen Bestimmung der
Arzneimittelresistenz. Im Zentrum
steht dabei ein neu artiges Bildund
auf künstlicher Intelligenz
(KI) basierendes Nachweisverfahren.
KI ist in der Lage, große
und komplexe Datenmengen
verständlich auszuwerten.
Das Forschungsprojekt „IDOL“
ist eine Zusammenarbeit des
Naturwissenschaftlichen und
Medizinischen Instituts in Reutlingen,
des Schwarzwald-Baar
Klinikums und des Karlsruher
Unternehmens HS Analysis und
wird vom Bund für zwei Jahre mit
400.000 Euro gefördert.
Infos unter www.nmi.de
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newhealth.guide #1
newhealth.guide #1
„Das Smartphone
ist das
Stethoskop des
21. Jahrhunderts“
Text
Fotos
Gudrun Westermann
Evelyn Dragan
Seit mehr als zehn Jahren leitet Prof. Dr. med. Sebastian Kuhn Projekte im
Bereich der Digitalen Medizin. Vor allem die Qualifizierung der
Ärzteschaft und neuer Gesundheitsberufe steht im Fokus seiner Arbeit. Ein
Gespräch über die vielfältigen Chancen der Digitalisierung
Herr Professor Kuhn, Sie forschen
zur Digitalisierung in der Medizin
– dies nicht nur theoretisch,
sondern in der Praxis, in den
Kliniken und in der Ausbildung
von Medizinern und Medizinerinnen
an Universitäten. Welche
Bereiche untersuchen Sie dabei
schwerpunktmäßig?
Im Endeffekt gibt es vier Schwerpunkte,
die wir bearbeiten: Der
erste ist Innovation, wo wir in interdisziplinären
Teams im Sinne von
Co-Design digitale Innovationen
wirklich mitgestalten. Der zweite
Bereich ist die Evaluation. Hier ist
unglaublich viel noch nicht festgeschrieben,
und das ist ein Schwerpunkt
meines wissenschaftlichen
Arbeitens – zu überlegen, wie Studiendesigns
zur Evaluation digitaler
Gesundheitsanwendungen
aussehen müssen.
Im dritten Bereich geht es um konkrete
Projekte zur Implementierung,
wo wir digitale Technologien
in Diagnostik und Therapie einführen
und dies auch mit klinischen
Studien begleiten.
Und der vierte und letzte Punkt: die
Qualifizierung. Wie qualifizieren wir
die nächste Generation Studierender,
aber auch die existierende
Generation von Mitarbeitenden in
Gesundheitsberufen?
Welche Chancen bietet die Digitalisierung
für die Patientinnen
und Patienten?
Die zentrale Chance ist, dass Patientinnen
und Patienten dann
Hilfe bekommen, wenn sie sie
brauchen. Egal, an welchem Ort,
egal, zu welchem Zeitpunkt. Hier
haben wir durch Digitalisierung
eine riesengroße Chance, mit verschiedenen
Projekten den Zugang
und die Behandlung zu ermöglichen.
Gerade haben wir eine
Univ.-Prof. Dr. med.
Sebastian Kuhn
ist Facharzt für
Orthopädie und
Unfallchirurgie mit
dem Schwerpunkt
Schwerverletztenversorgung
– und
Digitalmediziner der
ersten Stunde
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newhealth.guide #1
newhealth.guide #1
Arbeit publiziert, in der mit einem
Anamnese-Check Beschwerden
eingeordnet werden, dann aber
auch darauf reagiert und der Zugang
zur Behandlung gesichert
wird – und das mit einer diagnostischen
Treffsicherheit, die der von
Fachärzten gleichwertig ist.
Der andere Einsatzbereich sind
chronische Erkrankungen, z. B.
Herzinsuffizienz oder chronische
Lungen erkrankungen. Hier müssen
wir wegkommen von der Quartalslogik,
die in fast allen Fällen jeglicher
medizinischen Logik entbehrt.
Mit Dingen wie zum Beispiel Tele-Monitoring
können wir aber ex -
trem gut bestimmen, wann jemand
wiederkommen muss, und sicherstellen,
dass Menschen Hilfe bekommen,
wenn sie Hilfe benötigen.
Das ist das zentrale Versprechen.
Welche Möglichkeiten gibt es,
an die wir vielleicht noch gar
nicht denken, die deshalb auch
nicht eingesetzt werden, die
aber den Patienten ebenso nützen
können, wie Sie es gerade
beschrieben haben?
Was manchmal zu wenig diskutiert
wird, ist, dass wir eine große Möglichkeit
für mehr Patientensicherheit
in der Behandlung haben. Negative
Dinge passieren, weil Menschen
nicht rechtzeitig in die Behandlung
kommen, weil Verschlechterungen
nicht rechtzeitig erkannt werden,
weil Entscheidungs- oder Kommunikationsfehler
entstehen. Polypharmazie
ist ein riesengroßes Problem
in diesem Zusammenhang – dass
Menschen von verschiedenen Ärzten
unterschiedliche Medikamente
bekommen. Das sind Patientengefährdungen,
die wir vermeiden
können.
Was haben andererseits die Ärzte
und das Pflegepersonal davon,
wenn sie digital unterstützt
werden?
Und der Patient?
„Die Leute wollen
nicht digitale
Medizin, sie wollen
eine bessere
Behandlung“, sagt
Sebastian Kuhn
Mehrwert für alle
Für Pflegepersonal
und Ärzte steht mit
der Digitalisierung
ein neuer „Werkzeugkoffer“
bereit
Wir haben einen neuen „Werkzeugkoffer“
bekommen, den wir
verstehen müssen und den wir
sinnvoll für unsere Patientinnen und
Patienten einsetzen müssen. Durch
ein die Anamnese unterstützendes
KI-Tool und eine strukturierte Anamnese-Form
haben wir die Chance,
sicherzustellen, dass die Anamnese
vollständig ist, dass auch an verschiedene
seltene Erkrankungen
gedacht wird, an Dinge, die man
typischerweise übersieht. Dabei
bin ich nicht dafür, dass ein Algorithmus
allein entscheidet. Aber wir
können Fähigkeiten augmentieren
und bei jemandem, der in dem Bereich
nicht Experte oder Expertin
ist, das diagnostische Niveau deutlich
anheben. Ein Algorithmus mit
Bildanalyse hat z. B. beim malignen
Melanom schon 90–95 Prozent Treffsicherheit
– mehr als ein Facharzt.
Wo verändert sich die medizinische
Landschaft gerade am
stärksten?
Wo aus meiner Sicht in den kommenden
zwei bis drei Jahren eine
Revolution ausbrechen wird, das
ist im Rahmen der chronischen Erkrankungen.
Da wird die Behandlung
in Praxis und Klinik mit Unterstützung
durch digitale Tools das
Versorgungskontinuum sicherstellen.
Das wird erstmalig so richtig in
der Versorgungsqualität ankommen
und auch zu einem spürbaren
Mehrwert für alle Akteure führen,
der absolut entscheidend ist. Die
Leute wollen nicht digitale Medizin,
sondern sie wollen eine bessere
Behandlung. Die Herzinsuffizienz
ist da ein Paradebeispiel. Durch
eine App können wir auf einfache,
smarte Weise eine relevante Verschlechterung
erkennen, bevor
sie zu einer Dekompensation führt,
und zwar etwa sieben Tage vor einer
State-of-the-Art-Behandlung.
Das ergibt eine Reduktion von
etwa 30 Prozent bei der Sterblichkeit,
eine deutliche Reduktion von
stationären Aufnahmen, eine deutlich
höhere Lebensqualität der Patientinnen
und Patienten und eine
Reduktion der Behandlungskosten.
Sie haben eine Studie veröffentlicht
zu „Neuen Gesundheitsberufen
für das digitale Zeitalter“.
Welche Berufe sind das?
Dabei gibt es zwei Aspekte. Das
eine ist die Qualifizierung oder
Weiterqualifizierung von existierenden
Berufen – Ärzten, Pflegenden,
„Der Algorithmus
soll nicht
allein entscheiden,
aber
er kann die
Diagnose vervollständigen“
Physio- oder Ergotherapeuten.
Zum anderen gibt es aber auch
die Überlegung, ob der digitale
Wandel an einigen Stellen nicht so
grundlegend ist, dass sogar neue
Berufsbilder entstehen.
Wir haben dort exemplarisch drei
skizziert. Die erste haben wir „Fachkraft
für digitale Gesundheit oder
Digital Health Carer“ genannt. Das
sind Menschen mit sehr hoher Gesundheitskompetenz,
ähnlich klassischen
Gesundheitsberufen, aber
mit digitaler Expertise. Die stehen
auch weiterhin in unmittelbarem
Patientenkontakt und stellen sicher,
dass die Möglichkeiten auch
wirklich bei den Patientinnen und
Patienten ankommen.
Den zweiten nennen wir „Prozessmanager
für digitale Gesundheit“.
Das sind Personen, die ein
Grundverständnis für Gesundheit
brauchen, auch Digitalexpertise,
zusätzlich aber auch Prozesse und
Management beherrschen. Es ist
eine riesengroße Aufgabe, in den
Institutionen für die verschiedenen
Krankheitsbilder Behandlungsabläufe
zu überdenken, neu zu gestalten,
zu implementieren und die
Qualität zu sichern.
Den dritten nennen wir „Systemarchitekt
für digitale Gesundheit“,
manchmal als Chief Information
Officer bezeichnet. Das sind häufig
Personen mit Doppelqualifikationen
(z. B. Medizin und Health-
IT-Management), die dann übergeordnet
dafür Sorge tragen,
dass die verschiedenen entstehenden
Prozesse in ein Versorgungskonzept
münden, damit
Synergien auch genutzt werden.
Ist es sinnvoll, mit der Einführung
der Digitalisierung im Studium zu
starten?
Wir haben mehrere Jahre gekämpft,
dass „digital“ jetzt essenzieller
Bestandteil des Medizinstudiums
ist. Es gehört zum frühen Zeitpunkt
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newhealth.guide #1
newhealth.guide #1
hinein, weil es nicht nur um spezifisches
Wissen geht, sondern auch
um eine Einstellung, ein Interesse,
einen Teil der Rolle als Arzt oder Ärztin,
die beinhaltet, dass man sowohl
in Präsenz als auch aus der Ferne
für Patienten da sein kann und sollte.
Bei den Jüngeren sind Offenheit
und Interesse überhaupt kein Problem.
Aber das heißt nicht, dass
diese Menschen digital kompetent
sind im professionellen Kontext. Es
ist aber auch ein ganz zentraler
Auftrag, über 500.000 approbierte
Ärztinnen und Ärzte für die neuen
Möglichkeiten zu qualifizieren.
Welche tiefgreifenden Veränderungen
erwarten Sie in den
nächsten Jahren im Gesundheitswesen?
Ich glaube, dass eine zunehmende
Orientierung hin zu Gesundheit
anstatt zu Krankheit erfolgen
wird, dass wir also weniger dieser
klassische Reparaturbetrieb sind.
Wir werden uns viel stärker hin zu
Outcome-orientierten Behandlungskonzepten
entwickeln. Auch
die Lebensqualität und die durch
Patienten berichteten Behandlungsergebnisse
werden viel stärker
berücksichtigt werden. Und da
werden digitale Tools eine Rolle
spielen im Rahmen von Diagnostik
und Behandlung.
Trotz Corona und vielen Innovationen
geht die Digitalisierung im
Gesundheitswesen in Deutschland
schleppend voran – langsamer
als in anderen Ländern.
Woran liegt das?
Ein Problem war vielleicht, dass in
Deutschland versucht wurde, Innovation
über sehr, sehr große Projekte
voranzutreiben. Die elektronische
Gesundheitskarte, die umfassende
Einführung einer Telematik-Infrastruktur.
Es wurde auch immer wieder
verpasst, einfach mal zu sagen,
wir setzen einen Standard – der
muss natürlich sinnvoll und gut und
Zentrale Aufgabe
Standards
müssen etabliert
werden sowie
Instanzen,
die Leitlinien
festlegen, so Kuhn
etabliert sein, aber dann müssen
sich verschiedene Akteurinnen und
Akteure, Medizinprodukte-Hersteller
etc. danach richten. Stattdessen
wurde immer versucht, irgendwie
Kompatibilität mit allem zu erzeugen,
noch dazu in einer Landschaft,
wo ganz viele Akteure Interoperabilität
nicht wünschen.
Wo machen es die rechtlichen
Hürden Medizinerinnen und Medizinern
besonders schwer?
Es besteht unglaublich viel Unsicherheit.
Was ist erlaubt, was kann
ich machen? Im Endeffekt gibt es
dabei immer vier Komponenten:
eine medizinische, eine technische,
eine rechtliche und eine ethische.
Insbesondere bei der rechtlichen
Komponente gibt es viele Unklarheiten
– nicht nur den Datenschutz.
Es existiert aber in vielen Institutionen
keine Instanz, die wirklich
gestaltend agiert, wie das Ganze
erfolgen sollte. Ich glaube, das
ist eine zentrale Aufgabe für die
Fachgesellschaften, im Dialog mit
unterschiedlichen Expertinnen und
Experten die rechtliche, die technische
und ebenso die ethische Seite
einzubinden und dann auch entsprechende
Leitlinien herauszugeben.
In dieser Art und Weise kann
ich das rechtssicher, technisch
kompetent, medizinisch adäquat
und ethisch vertretbar abbilden.
Und ganz konkret: Was fehlt
den Ärztinnen und Ärzten in den
Krankenhäusern, um digital zu
arbeiten?
Die Technologie ist nicht das zentrale
Problem, sie ist in vielen Bereichen
eigentlich vorhanden. Das
Smartphone und die angeschlossene
Sensorik – das ist für mich das
Stethoskop des 21. Jahrhunderts.
Ich kann Dinge erkennen über
Sensorik, die wir bisher nicht wahrnehmen
konnten. Und Distanzen
überbrücken, egal, wo Patienten
sind. Das Problem ist die Implementierung,
sind die Prozesse und
die Qualifizierung von Menschen.
Eines Ihrer Spezialgebiete ist die
Integration von künstlicher Intelligenz
in die ärztliche Behandlung.
Warum ist sie für den Fortschritt
so wichtig?
Ich glaube wirklich, dass die Integration
von künstlicher Intelligenz
in die ärztliche Behandlung die
wahrscheinlich größte Chance ist,
die wir im Rahmen des digitalen
Wandels haben. Wir haben die Herausforderung,
dass jeder Patient
eine unglaubliche Informationsund
Datenmenge hat, die wir nicht
überblicken können. Zum anderen
haben wir das kollektive medizinische
Wissen, das in der Fachliteratur
publiziert ist und ein enorm rapides
Wachstum erfahren hat.
Unsere Chance und auch das Potenzial
ist, diese Integration von
menschlicher Expertise zu stärken,
Kommunikation, Interaktion und
Vertrauen in Kombination mit großen
Datenanalysen, mit Nutzung
von kollektivem Wissen. In Bereichen,
in denen wir Defizite haben
und die wir so wirklich im Sinne unserer
Patientinnen und Patienten
nutzbar machen können. Da werden
dann die einzelnen Aspekte
wie Verfügbarkeit von Daten über
elektronische Patientenakten wirklich
zum Tragen kommen.
Viele Patientinnen und Patienten
haben Vorbehalte gegenüber
einer digitalen Patientenakte
oder einem direkten
Datenaustausch ihrer Krankengeschichte.
Wie könnte man ihnen
die Angst nehmen?
Vor allem von rechtlicher Seite her
müssen wir sicherstellen, dass Patientinnen
und Patienten wirklich
Hoheit über ihre Daten haben und
grundlegend entscheiden können,
was damit passiert. Zeitgleich
müssen wir dafür werben und
auch ein Verständnis erzeugen,
dass eine vollständige Krankengeschichte,
ein vollständiger Medikationsplan,
in einigen Situationen
essenziell notwendig ist.
Wie verändert sich die Beziehung
zwischen Arzt und Patient?
Vielleicht gar nicht so sehr. Die
ärztlichen Aufgaben und dieses
Vertrauensverhältnis zwischen
Arzt und Patient sollten weiterhin
bestehen bleiben. Auch die ärztlichen
Aufgaben sind und bleiben
die gleichen: Krankheiten
zu diagnostizieren und zu heilen,
Leid zu lindern und Sterbende zu
begleiten. Was sich ändert, sind
die Werkzeuge, um diese Ziele zu
erreichen.
Was ist für Sie persönlich die
fantastischste digitale Erfindung
der letzten Jahrzehnte?
Ich glaube wirklich, dass die Integration
von künstlicher Intelligenz
und maschinellem Lernen zur Bewältigung
von großen Datenmengen
die zentrale Entdeckung ist,
wo das Potenzial richtig zum Tragen
kommt. Diese zentrale Erfindung
basiert auch darauf, dass wir
digitale Biomarker haben, wo wir
Vitalwerte physiologischer Prozesse
einfach noch schärfer verstehen.
So wie uns das Mikroskop die
optische Wahrnehmung geschärft
hat, so können wir im Endeffekt
über die künstliche Intelligenz, maschinelles
Lernen, die Signale besser
verstehen.
Auch wir als Gesellschaft sind
gefordert, uns neu aufzustellen
und auszurichten – neue Wege
zu denken. Was sind für Sie die
wesentlichsten Wandlungen, auf
die wir uns einstellen müssen?
Neben Chancen, die die digitale
Transformation bietet, haben wir
auch eine relevante Gefahr: Der
digitale Wandel kann zu neuen
Ungleichheiten führen – gerade
bei Menschen, die in der Vergangenheit
auch schon vulnerable
Gruppen waren: ältere, multimorbide
Menschen, Menschen mit
Sprachbarrieren oder niedrigem
Bildungsniveau und Menschen
mit psychischen Erkrankungen. Sie
benötigen ganz besonders unsere
Versorgung, aber es besteht die
Gefahr, dass sie sie nicht erhalten.
Daher, glaube ich, wird es eine
ganz zentrale Aufgabe sein, dort
Unterstützungsangebote, Kümmerer
wie die schon erwähnten neuen
Gesundheitsberufe zu haben,
um sicherzustellen, dass der digitale
Wandel nicht zu neuen Ungleichheiten
führt.
Univ.-Prof. Dr. med. Sebastian Kuhn
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit dem Schwerpunkt Schwerverletztenversorgung, Universitätsmedizin
Mainz. 2017 etablierte er das erste Curriculum „Medizin im Digitalen Zeitalter“ für Medizinstudierende an der Universitätsmedizin
Mainz, dann an weiteren Kliniken. Gemeinsam mit der Bundesärztekammer entwickelte er 2019 ein
Fortbildungscurriculum zum digitalen Wandel. Zum 1. Oktober 2020 trat er die W3-Professur für Digitale Medizin an der
medizinischen Fakultät OWL, Universität Bielefeld, an. Seit 1. Oktober 2022 ist er W3-Professor für Digitale Medizin an der
Philipps-Universität Marburg und Leiter des Instituts für Digitale Medizin, Universitätsklinikum Gießen-Marburg. Er ist zudem
Gründer und Geschäftsführer der MED.digital GmbH und Mitglied in mehreren Reformkommissionen und Gremien.
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Fortschritt auf
allen Ebenen
Das Gesundheitswesen
befindet sich im digitalen
Umbruch. Krankenhäuser
müssen die Patientenversorgung,
Technik und
Arbeitsprozesse völlig neu
denken, oft mit gegebenen
Ressourcen. Was kommt
auf sie zu? Ein Überblick
newhealth.guide #1
Infografik
Pia Bublies
Robotik
Die Robotik hat in der Medizin
zahlreiche Einsatzfelder:
In der Pflege können
humanoide Roboter mit
Patienten interagieren, aber
auch das Pflegepersonal körperlich
und zeitlich entlasten.
So untersuchen Studien etwa
die Effizienz von Robotern,
die Blut abnehmen. In der
Chirurgie und Orthopädie,
bei minimalinvasiven OP-
Eingriffen und im Labor helfen
robotische Assistenzsysteme,
Fehlerraten zu reduzieren.
Dass Ärzte einen OP-Roboter
aus der Ferne steuern, ist
längst kein Science-Fiction-
Szenario mehr, sondern wird
in einer innovativen Klinikstruktur
mitgedacht.
Telemedizin
Die Telemedizin umfasst weit
mehr als Videosprechstunden
zwischen Arzt und Patient
(s. a. Seite 20). In Telekonsilen
können sich Ärzte verschiedener
Fachrichtungen zur
Befundbeurteilung digital
austauschen. Dank Telemonitoring
lassen sich
Vitalparameter der Patienten
(Blutdruck, Blutzuckerspiegel,
Temperatur etc.) ortsversetzt
überwachen. Sogenannte
Telenotärzte teilen ihre
Expertise mit Rettungsteams,
indem sie am Einsatzort
zugeschaltet werden. Von
Notfallsanitätern getragene
Bodycams können zudem
bei der Beratung helfen. Bei
der Telepflege oder Telecare
werden Betreuungstätigkeiten
für pflegebedürftige
Menschen digital erbracht,
etwa: Beratung von Patient
und Angehörigen oder Anleitungen
bei Übungen.
Digitalisierung
Das Schlagwort der Stunde! Zum
einen geht es bei der Digitalisierung
um das Erfassen und Vernetzen
von Informationen mithilfe neuer
Kommunikationstechnologien. Immer
häufiger steht Digitalisierung zum
anderen aber auch für die massiven
Transformationsprozesse, die sie
nach sich zieht. Darunter fallen die
Umwandlung bestehender Diagnoseverfahren
und die Zunahme neuer
Handlungsfelder. Im ärztlichen Dienst
erfordert die Digitalisierung nicht nur
neue Skills (z. B. IT-Kompetenzen) und
Berufsbilder, sondern sie ruft auch
neue Akteure auf den Plan, z. B.
Start-ups, die Gesundheitsapps oder
OP-Roboter entwickeln.
DiGA
Unter einer Digitalen Gesundheitsanwendung
(DiGA)
versteht man eine App oder
Webanwendung, die vom
Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte (BfArM)
geprüft und als Medizinprodukt
zertifiziert wurde.
Sie kann dabei unterstützen,
Krankheiten zu überwachen,
zu behandeln und zu lindern.
Wurde die DiGA von einem
Arzt verschrieben, übernehmen
die Krankenkassen
die Kosten.
Big Data
Elektronische Patientenakte,
elektronische Dokumentation
von Pflege- und Behandlungsleistungen,
digitales
Medikamentenmanagement
etc.: Im Krankenhaus der
Zukunft sollte ein schneller und
sicherer Datenaustausch
gewährleistet sein – über
die Klinik- und Landesgrenzen
hinweg. Auch für Forschungsdatenbanken
können
pseudonymisierte Versichertendaten
der Krankenkassen
von großem Nutzen sein.
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) nimmt bei der Digitalisierung im
Gesundheitswesen eine Schlüsselrolle ein. Durch das schnelle
Nutzbarmachen großer Datenmengen und das maschinelle
Lernen können Prozesse in Kliniken optimiert, Therapien individueller
auf Patienten ausgerichtet und Diagnosen präziser gestellt
werden. Beispielsweise helfen automatisierte Analysen von Bilddaten
in der Radiologie oder Dermatologie dabei, dass Algorithmen
Hautveränderungen schneller diagnostizieren als ein Arzt,
Wundliegegeschwüren vorgebeugt oder die Dokumentation im
Schockraum erleichtert wird. Und doch: Lediglich 30 Prozent der
medizinischen Führungskräfte in Deutschland setzen laut einem
Bericht der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft
PwC aus dem Jahr 2021 künstliche Intelligenz ein, um Patienten
effektiver zu behandeln und Personal zu entlasten.
15
newhealth.guide #1
Krankenhauszukunftsgesetz
Digitalisierung
mit Deadline
Text
Christian Heinrich
Das Krankenhauszukunftsgesetz
(KHZG) setzt die Kliniken unter
Druck, die Modernisierung
voranzutreiben. Erfahren Sie,
wie das Investitionspaket den
Kliniken helfen soll, digital fit
zu werden, und wo es mit der
Umsetzung noch hapert
Manchmal hat der Fortschritt wortwörtlich
seinen Preis. Damit er Einzug hält,
bedarf es häufig eines gewissen Anstoßes.
Genau dies geschieht gerade
mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen
und dem Krankenhauszukunftsgesetz. Dass
die Digitalisierung grundsätzlich ein Vorteil ist, für Patienten
und auch Kliniken, daran besteht kein Zweifel.
Schon allein deshalb, weil Daten schneller von einem
Ort und Arzt zum anderen geschickt werden können
und damit bei jeder Behandlung verfügbar sind.
Aber die Digitalisierung erfordert anfangs auch einen
gewissen Aufwand sowie Investitionen. Und Geld ist in
den Kliniken nicht erst seit der Pandemie knapp.
Das Ende Oktober 2020 in Kraft getretene Krankenhauszukunftsgesetz,
kurz KHZG, soll hier den entscheidenden
Anschub leisten und die Krankenhäuser dazu
bewegen, zügig und wirkungsvoll in die Digitalisierung
zu investieren. Dazu bietet es den Kliniken Geld –
und in einigen Feldern Strafen, wenn sie bis Ende 2024
noch nichts vorzuweisen haben. Wenn man so will, ist
das KHZG Zuckerbrot und Peitsche in einem.
Da sind einerseits die Fördergelder, die den Klinken die
Einführung digitaler Tools in den Kranke nhausalltag
erleichtern können. Für insgesamt elf Bereiche, Fördertatbestände
genannt, kann eine Förderung beantragt
werden, darunter etwa das digitale Management der
Notaufnahme, eine digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation
oder die Einrichtung krankenhausin-
terner digitaler Lernprozesse. Die Antragstellung selbst
verläuft in einem zweistufigen Verfahren: Die Kliniken
versorgen die Länder mit allen Informationen und Kalkulationen,
die Länder wiederum reichen dann formelle
Anträge beim Bundesamt für Soziale Sicherung
(BAS) ein, das über die Bewilligung entscheidet. Drei
Milliarden Euro stellt allein der Bund im Rahmen des
KHZG zur Verfügung, hinzu kommen noch einmal 1,3
Milliarden Euro von den Ländern. Das Zuckerbrot.
Und dann ist da andererseits noch die Deadline – und
die Strafe, wenn sie nicht eingehalten wird. So gibt es
eine Reihe von digitalen Prozessen (siehe S. 18), die bis
Ende 2024 eingeführt sein sollten – ansonsten droht
ein Abschlag von bis zu zwei Prozent auf den Umsatz
für jeden Patienten. Die Peitsche.
Entsprechend haben fast alle Krankenhäuser Fördergelder
beantragt und die Digitalisierung in ihren
Häusern angeschoben. „Insbesondere diejenigen
Fördertatbestände, bei deren Nichteinhaltung es zu
den Abschlägen kommt, genießen eine hohe Priorität
bei den Krankenhäusern“, sagt Alexander Beyer, stellvertretender
Geschäftsbereichsleiter Digitalisierung
und eHealth bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft
(DKG). Anfangs wurde das KHZG noch vielerorts
gelobt, heute gibt es längst auch eine Reihe von
Kritikpunkten. Darunter zum Beispiel den, dass die damit
verbundene Bürokratie überbordend sei, dass die
steigenden Kosten nicht finanziert würden und dass
die strikten Vorgaben und Deadlines hinderlich seien
für ein solch dynamisches Feld wie die Digitalisierung.
Deshalb kommt es im KHZG womöglich in absehbarer
Zeit teilweise noch zu Anpassungen und weiteren
Angeboten. Doch eine grundlegende Änderung der
Idee und des Hebels ist nicht zu erwarten: „Das KHZG
beschleunigt die Digitalisierung in den Krankenhäusern
heute schon, und an diesem Hebel dürfte sich auch
durch eventuelle Nachbesserungen nichts Wesentliches
ändern“, sagt Beyer. Die Krankenhäuser sollten
sich also dem Thema weiter widmen.
Wir beantworten auf den folgenden Seiten die wichtigsten
Fragen zur Umsetzung des KHZG und erklären,
worauf es dabei für die Kliniken ankommt.
FOTO: SCIENCE PHOTO LIBRARY/MCS
16
newhealth.guide #1
01
Können die Kliniken noch Förderanträge
stellen? Nein, die Fristen sind
abgelaufen, die Länder mussten bereits
bis 31. Dezember 2021 den Bedarf
ihrer Kliniken beim Bundesamt für Soziale
Sicherung (BAS) beantragen. Fast
alle Kliniken in Deutschland haben
den Ländern rechtzeitig die nötigen
Informationen und den Bedarf für die
Förderanträge mitgeteilt. Diejenigen
vereinzelten Kliniken, die diese Frist
versäumt haben, erhalten zunächst
keine Förderung. Angesichts der zu
erwartenden Abschläge für alle Kliniken,
die 2025 gewisse Anforderungen
nicht erfüllen, sollten aber auch die
Kliniken ohne För derung den Ausbau
der Digitalisierung vorantreiben. Die
Kosten dafür müssen sie allerdings erst
einmal allein stemmen.
02
Wann werden die Anträge der
Kliniken bewilligt? Wie die Antragstellung
erfolgt auch die Zulassung
zweistufig: Das BAS prüft die Anträge
und teilt seinen Entscheid über
die Förderung den Ländern mit –
die Länder wiederum bewilligen in
einem zweiten Schritt den entsprechenden
Kliniken die Förderung.
Das BAS hat bereits – Stand September
2022 – über rund 80 Prozent der
Wo stehen
wir heute?
Die wichtigsten Fragen
und Antworten zum
Krankenhauszukunftsgesetz
Fördergelder entschieden, aktuell
arbeiten die Länder die Bescheide
des BAS ab. „Einige Krankenhäuser
haben bereits die Bewilligung, die
meisten übrigen Kliniken dürften sie
in den nächsten Wochen und Monaten
erhalten“, erklärt Alexander
Beyer, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter
Digitalisierung und
eHealth bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft
(DKG).
03
Warum ist es wichtig, sich bereits
heute vorzubereiten und nach der
Bewilligung schnell aktiv zu werden?
Die Digitalisierung ist nicht erst
seit dem KHZG ein Thema im Gesundheitswesen,
die IT-Dienstleister
in diesem Feld sind bereits seit Jahren
recht ausgelastet. „Durch das
KHZG wird die Nachfrage bis Ende
2024 noch einmal deutlich gesteigert,
praktisch alle Krankenhäuser
widmen sich dem Thema nun gezwungenermaßen
zur gleichen Zeit.
Hier wird die eigentliche Engstelle
bei der Umsetzung des KHZG sein“,
sagt Fabian Pritzel, Managing
Director Technology & Innovation
bei der Paracelsus-Klinikgruppe.
„Je eher man als Klinik eine Ausschreibung
macht, desto größer
sind die Chancen, dass man noch
einen guten Dienstleister findet.“
Zwar darf die Ausschreibung in der
Regel erst erfolgen, wenn die Klinik
die Bewilligung der Förderung vom
Land erhalten hat. Bis dahin kann
sie aber schon vorbereitet werden.
„Gerade die Projektteams, die sich
vor einigen Monaten in vielen Kliniken
wegen der Anträge formten,
sollten weiter regelmäßig zusammenkommen
und die Umsetzung
planen“, empfiehlt Alexander Beyer
von der DKG. Im Idealfall wird die
Ausschreibung so weit vorbereitet,
dass sie direkt nach der Bewilligung
der Förderung erfolgen kann.
04
Was ist zu tun, wenn sich seit der
Antragstellung die Vorhaben und
die Tools, mit denen man arbeiten
möchte, geändert haben? Nicht
selten vergehen mehr als anderthalb
Jahre zwischen Antragstellung auf
Förderung und Bewilligung derselben.
In der sich schnell entwickelnden
IT-Branche ist das eine lange
Zeit – das ist auch dem BAS bewusst:
„Bestimmte Änderungen sind in der
Regel kein Problem, etwa wenn lediglich
der Anbieter gewechselt
wird und ein anderes Produkt für
den gleichen Zweck gewählt wird“,
sagt Leonard Herbst, Leiter des für
das KHZG zuständigen Referats beim
BAS. Wenn man aber zum Beispiel
FOTO: MURAT TUEREMIS/LAIF
eine Software für Bettenmanagement
beantragt hat und dann mit
dem bewilligten Geld ein Triage-System
einführen will, kann das zum Problem
werden. „Bei solchen größeren
inhaltlichen Unterschieden sollte
seitens des Landes unbedingt mit
uns Rücksprache gehalten werden“,
sagt Herbst. Dazu stellt das BAS den
Ländern ein Meldeformular bereit, in
dem die Änderungen eingetragen
werden können. Heißt: Die Kliniken
sollten die Länder über größere Änderungen
informieren! Diese kleine
bürokratische Hürde sollte jedoch
kein Grund sein, starr am im Antrag
angegebenen Vorgehen festzuhalten.
Letztlich gehe es dem BAS vor
allem darum, dass die bewilligten
Fördertatbestände umgesetzt werden,
so Beyer. Er empfiehlt daher,
das Vorgehen danach auszurichten:
„Der Weg kann vom Antrag abweichen
– solange das Ziel gleich
bleibt.“
05
Nach welchen Kriterien sollte
man seinen Dienstleister aus
den Angeboten auswählen, die
auf die Ausschreibung hin eingehen?
Auf den ersten Blick nimmt
der finanzielle Aspekt des Angebots
eine zentrale Rolle ein – gerade
angesichts der gestiegenen
Kosten und der unsicheren Finanzierung
(siehe unten). Alexander Beyer
von der DKG empfiehlt aber auch,
auf die Qualität und den Grad der
Integration der digitalen Tools in bestehende
Prozesse zu achten. Wenn
etwa erst eine Bestandsaufnahme
des aktuellen Systems erfolgen
soll, ist das schon einmal ein gutes
Zeichen. „Entscheidend ist auch
der Umgang mit den Change-Prozessen:
Am besten sind bereits im
Angebot entsprechende Mitarbeiterschulungen
für die Einführung
des digitalen Tools enthalten“, sagt
Beyer. Auch wenn das Tool installiert
und eingerichtet ist, brauche
es häufig noch eine gewisse Betreuung,
um die Prozesse zügig rundlaufen
zu lassen. Geht ein Anbieter von
vornherein von einer solchen ersten
Betreuungsphase aus und kalkuliert
sie mit ein, sei das sicher nicht verkehrt,
so Beyer.
06
In welchem Zeitraum muss eine
bewilligte Förderung umgesetzt
werden? Es gibt im KHZG zwar keine
ausdrückliche Frist, bis wann ein
Vorhaben nach der Bewilligung umgesetzt
sein muss. Aber weil ab 2025
Abschläge drohen (siehe unten), ist
es eine indirekte Frist. „Zwar kann es
gut sein, dass diese Frist noch einmal
nach hinten verschoben wird. Trotzdem
sollte man dranbleiben, denn
wenn man bedenkt, dass die Deadline
für alle Kliniken gilt, ist selbst eine
Frist bis 2026 oder 2027 immer noch
sehr knapp bemessen“, sagt Fabian
Pritzel von den Paracelsus-Kliniken.
Hinzu kommt: „Einmal im Jahr sollen
die Länder einen Bericht abgeben,
wie der Stand der Dinge ist. Es geht
unter anderem auch darum, dass
die Dienstleister bestätigen, dass
unsere Förderrichtlinien eingehalten
werden“, sagt Leonard Herbst vom
BAS. Diese Bestätigung ist ein weiteres
Argument für eine zeitnahe Umsetzung
des geförderten Vorhabens:
Je früher das Vorhaben inhaltlich
geprüft wird, desto eher lassen sich
Probleme identifizieren und lösen.
07
Was, wenn die Kosten seit Antragstellung
gestiegen sind? Allein die
Inflation sorgt in vielen Fällen dafür,
dass die Kosten seit Antragstellung
gestiegen sind, hinzu kommt die erhöhte
Nachfrage nach IT-Dienstleistern.
„In manchen Bundesländern
wird bereits diskutiert, ob den Kliniken
eine Art Inflationsausgleich erstattet
wird. Bis feststeht, wo man wie viel
Geld zusätzlich bekommt, tragen
die Mehrkosten allerdings bedauerlicherweise
die Kliniken“, sagt Beyer.
Womöglich legt auch der Bund bei
der Fördersumme nach – allerdings
dürfte dies, wenn überhaupt, erst mit
deutlicher Verzögerung erfolgen.
08
Welche Vorgaben müssen bis
Ende 2024 zwingend erfüllt werden
– und womit ist zu rechnen,
wenn dies nicht geschehen ist? Bis
Ende 2024 sollen laut KHZG folgende
digitale Werkzeuge eingeführt sein:
• Patientenportale, bei denen Patienten
die Anamnese digital von zu
Hause aus durchführen und Termine
für eine Behandlung vereinbaren
können
• eine Einrichtung von teil- oder vollautomatisierten
klinischen Entscheidungsunterstützungssystemen
• eine digitale Behandlungsdokumentation,
in der alle Patientendaten
zusammengeführt werden
• ein digitales Medikationsmanagement,
das die arzneimittelbezogenen
Informationen jedes Patienten
bündelt
• ein digitales Leistungsmanagement,
in dem unter anderem der Therapieerfolg
bei den Patientinnen und Patienten
dokumentiert wird.
Sind diese Dienste Anfang 2025
nicht vorhanden, kann eine Strafzahlung
von ein bis zwei Prozent
des Rechnungsbetrags für jeden
voll- und teilstationären Fall verhängt
werden.
09
Was ist mit weiteren Folgekosten
aus den digitalen Angeboten? Für
die Fördertatbestände konnte man
in vielen Fällen auch eine Förderung
für drei Jahre Wartungs- und
Betriebskosten beantragen. „Damit
könnte ein großer Teil der ersten laufenden
Kosten gedeckt werden“,
sagt Herbst. Wer eine solche Förderung
nicht beantragt hat, dem
bleibt zunächst nichts anderes übrig,
als zu hoffen, dass sich für die
Folgekosten neue Möglichkeiten
der Förderung ergeben. Das ist allerdings
nichts, mit dem man fest
rechnen sollte.
„In der Regel empfiehlt es sich, nach
der Einführung digitaler Prozesse für
deren Betreuung und Weiterentwicklung
auch die Kapazitäten eigener
Mitarbeiter einzusetzen“, sagt
Alexander Beyer von der DKG. Das
erfordert zwar interne Ressourcen, ist
aber mittelfristig meist kostengünstiger
als eine umfassende Betreuung
durch einen Dienstleister. Auch hier
gilt: Ein Dienstleister, der die Mitarbeitenden
anfangs gut einarbeitet
(siehe oben), kann es am ehesten
ermöglichen, dass künftig ein großer
Teil des Engagements klinikintern abgewickelt
wird.
18
19
newhealth.guide #1
newhealth.guide #1
Eine Operation bedeutet
oft Stress. Vielen Patienten
bereitet der chirurgische
Eingriff Sorgen, besonders
beim Stichwort Narkose:
Sind die Anästhetika gefährlich?
Was passiert bei frühzeitigem
Erwachen? Ein Vorgespräch im
Vorfeld jeder Operation klärt diese
Fragen. Und um das so angenehm
wie möglich zu gestalten, bietet
das Helios Klinikum Berlin-Buch
seit Februar 2021 eine telemedizinische
Lösung: Dank Anästhesie-Videosprechstunde
müssen
Patienten und Patientinnen nicht
extra ins Krankenhaus – das spart
Zeit und verhindert, dass ihnen die
ungewohnte Umgebung Krankenhaus
zusätzlich zu schaffen macht.
Rechtliche Hürden
Mirjam Stolzenburg ist Oberärztin
und verantwortlich für die Implementierung
des Aufklärungsgesprächs
per Videotelefonie. „Das
Neue an der Anästhesie-Sprechstunde
ist, dass sie im Vorfeld einer
ambulanten oder stationären
Aufnahme in ein Krankenhaus der
Maximalversorgung wie hier in Berlin-Buch
stattfindet“, sagt Stolzenburg.
Das bringe spezielle Hürden
mit sich: „Es gibt Rechtliches zu
Telemedizin auf dem Vormarsch
Aufklärung per
Videosprechstunde
Digitalisierung, wo es sinnvoll ist: Das ist das Motto
von Oberärztin Mirjam Stolzenburg. Am Helios Klinikum Berlin-Buch
entwickelte sie ein Konzept für die Umsetzung einer
telemedizinischen Anästhesie-Sprechstunde. Diese entlastet die
Klinik und ist ein besonderer Service für Patienten
Text
Martin Haase
ILLUSTRATION: GOLDEN COSMOS/2 AGENTEN;
FOTO: THOMAS OBERLÄNDER/HELIOS KLINIKEN
beachten, auch die Anbindung in
den sehr inhomogenen Ablauf vor
einer Operation ist eine Herausforderung.“
Daher hat die Oberärztin
eng mit der Rechtsabteilung zusammengearbeitet.
„Es ist wichtig, dass die Patienten
aufgeklärt sind und das auch nachvollzogen
werden kann. Die Unterlagen
müssen sauber geführt, die
Dokumente unterschrieben sein“,
erklärt Stolzenburg. Außerdem darf
es nach dem Aufklärungsgespräch
keine weiteren Untersuchungen
geben: „Deswegen kommt das Angebot
auch nur für junge Patienten
und Patientinnen ohne Vorerkrankungen
infrage.“ Diese Pilotgruppe
findet sich hauptsächlich in vier
Fachbereichen: Patienten aus der
Kinderchirurgie, Unfallchirurgie und
Orthopädie, die zum Beispiel nach
einem Sportunfall operiert werden
müssen, und Schwangere. Das
Angebot noch breiter zu streuen,
ist nicht geplant. Laut Stolzenburg
wäre das auch nicht im Sinne der
Patienten, denn: „Wenn Untersuchungen
notwendig werden, müssen
sie ins Krankenhaus oder zu
niedergelassenen Ärzten. Das verlängert
den Prozess.“
Positive Resonanz
Die Rückmeldung ihrer Kollegen
und Kolleginnen sei „überraschend
gut“, sagt Stolzenburg. Neue Ideen
führen oft zu neuen Anforderungen,
an welche Ärzte und Pflegekräfte
denken müssen: „Eine Änderung
im Prozess wird eigentlich nicht beklatscht.
Deshalb hat es mich überrascht,
von Anfang an auf diese
Bereitschaft zu stoßen.“ Für die Mitarbeitenden
im Krankenhaus ändere
sich nicht viel: „Wir haben den
Terminplan nun in digitaler Form,
die Zeiten für die Vorgespräche
müssen wir sowieso einräumen.“ In
Berlin-Buch wird für die Anästhesie-Videosprechstunden
ein Spätdienst
beauftragt, der auch für
andere Tätigkeiten zwischen den
Terminen zur Verfügung steht. „Das
entlastet die Ambulanz an mehreren
Stellen“, sagt Stolzenburg, „es
ist ein Service, den wir anbieten.“
Sie betont: „Den größten Vorteil haben
die Patienten.“ Auch sie nehmen
die Videosprechstunde positiv
wahr: „Die Patienten finden das
spannend. Sie haben ihren Spaß
und sind immer sehr entspannt.“
Teure Ausrüstung braucht es nicht.
Ein digitales Endgerät mit Webcam
und Mikrofon, ein Smartphone also,
reicht: „Man muss nur die Unterlagen
auf dem kleinen Bildschirm lesen
können.“ Und diese bekommen
die Patienten vorher zugeschickt.
Technische Probleme können auch
auftreten: „Dafür gibt es eine Rückfallversicherung“,
sagt Stolzenburg:
„Dann werden die Patienten direkt
vor der OP aufgeklärt.“
Sinnhaftigkeit von IT-Projekten
Für die Zukunft gibt es noch mehr
Ideen. „Wir haben noch einiges
vor“, erklärt Stolzenburg, die Teil einer
Digitalisierungs-Arbeitsgruppe
ist. Dort laufen Erfahrungen aus anderen
Helios-Häusern zusammen.
Die Arbeitsgruppe bewertet IT-Projekte
und diskutiert deren Sinnhaftigkeit.
Denn: „Grundsätzlich ist die
Haltung bei uns: Digitalisierung?
Ja! Aber nur, wenn sie sinnvoll ist,
Prozesse strafft und optimiert.“ Die
Anästhesie-Videosprechstunde
hat sich dahingehend schon mal
bewährt – für alle Beteiligten.
Mirjam Stolzenburg
ist Oberärztin im Fachbereich
Anästhesie und
perioperative Medizin am
Helios Klinikum Berlin-Buch
20
21
newhealth.guide #1
Die digitale Notaufnahme
„Wir gewinnen
wertvolle Zeit“
Text
Anja Rech
Unfall, Herzinfarkt, Aortenriss – im Notfall zählt jede Minute. Wenn man
jetzt im Krankenhaus erst handgeschriebene Protokolle des Rettungsteams
entziffern muss, geht lebensrettende Zeit verloren. Anders im
Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen: Hier landen die
Daten aus dem Rettungswagen direkt im Klinik-Informationssystem
FOTO: SCHWARZWALD BAAR-KLINIKUM/CAROLIN JACKLIN
Zeitgewinn
50.000 Notfälle
werden pro Jahr
im Schwarzwald-
Baar Klinikum
ein geliefert. Vorab
erhalten Prof. Dr.
Bernhard Kumle
und sein Team
bereits wichtige
Patientendaten
Der Rettungswagen rast
mit dem Patienten in
die Notaufnahme des
nächsten Krankenhauses.
Im Idealfall ist das
diensthabende Personal dort bereits
über den Zustand des oder der
Betroffenen informiert und hat alles
Notwendige vorbereitet, um sofort
aktiv zu werden. Doch leider ist es
nicht immer so. Vieles geht heute
noch telefonisch: Sanitäter rufen
in der Klinik an, dort werden die
Informationen in die Notaufnahme
und an Ärzte und Ärztinnen weitergeleitet,
mit dem Risiko, dass in
der Eile nicht alles übermittelt oder
manches sogar falsch verstanden
wird. „Dazu haben wir früher einen
Durchschlag vom handgeschriebenen
Protokoll des Notarztes oder
der Notärztin erhalten, zum Teil in
schwer lesbarer Handschrift“, ergänzt
Prof. Dr. Bernhard Kumle, Direktor
der Klinik für Akut- und Notfallmedizin
im Schwarzwald-Baar
Klinikum, dem fünftgrößten Krankenhaus
in Baden-Württemberg
mit jährlich 50.000 Notfällen. „Waren
trotz mündlicher Übergabe
noch Informationen nötig, konnten
sie aus dem Protokoll kaum ausge
22
23
newhealth.guide #1
Rasanter Fortschritt
Innerhalb weniger
Wochen hatten sich
Rettungsdienste und
Klinik auf die neuen
Prozesse eingestellt
wertet werden. Und um sie an allen
Stellen der Klinik zur Verfügung zu
stellen, mussten sie eingescannt
werden. Das ist bei der Masse an
Patienten zeitnah nicht möglich.“
EKG-Aufzeichnungen wurden per
Fax übermittelt und eingescannt
– all das verzögerte die dringend
notwendige Behandlung. Auch
machen Sanitäter mitunter Bilder
vom Unfall als Information für den
Unfallchirurgen oder fotografieren
Medikamentenpläne. „Die Bilder
nutzen nichts, wenn sie nicht ins
klinikeigene System übertragen
werden“, sagt der Mediziner. „Im
heutigen digitalen Zeitalter ist dieses
Vorgehen völlig unangemessen.“
Beim Hersteller seines Klinik-
Informationssystems (KIS) stieß er
mit seiner Kritik auf offene Ohren.
Der Weg zu einer digitalen Lösung
war geebnet.
Stringent vorangetrieben
Mit Erfolg: Innerhalb von knapp drei
Jahren schaffte es das Schwarzwald-Baar
Klinikum so, diese Prozesse
komplett zu digitalisieren.
„Ohne Corona wäre es vermutlich
sogar noch schneller gegangen“,
sagt Patrick Eder, der die Einführung
als Innovationsmanager des
Zentrums für Telemedizin Bad Kissingen
(ZTM) koordinierte. „Die
Herausforderung dabei war, dass
wir mehrere Partner an einen Tisch
bekommen mussten, sektorenübergreifend
oder sogar mit unterschiedlichen
Interessen“, betont er
und lobt: „Das hat hervorragend
funktioniert. Das Klinikum mit Herrn
Professor Kumle hat den Transformationsprozess
stringent vorangetrieben.“
Eingebunden waren der
Hersteller des KIS sowie mehrere
Rettungsdienste mit zwei verschiedenen
digitalen Anbietern, deren
Systeme nahtlos zusammengeführt
werden mussten.
„Die
Digitalisierung
ist für uns von
unschätzbarem
Vorteil“
Prof. Dr. Bernhard Kumle
Stufenweise vorgegangen
„Wichtig war, nicht alles auf einmal
umzustellen, sondern stufenweise
vorzugehen. So konnten
sich die Beteiligten in die neuen
Prozesse einarbeiten, Fehler wurden
vermieden“, erklärt Eder.
Der erste Schritt war die Anschaffung
von Tablet-Computern für
die Rettungswagen. Hier werden
Daten wie Vitalparameter direkt
eingegeben. Mit dem Gerät kann
man ein EKG übermitteln und Fotos
machen. „Anfangs haben wir
die Protokolle noch im Rettungswagen
ausgedruckt“, berichtet
Ralf Hirt, Rettungsdienstleiter beim
Deutschen Roten Kreuz in Villingen-Schwenningen.
Im Klinikum
wurden sie dann eingescannt.
Seit Februar 2021 ist dieser Zwischenschritt
nicht mehr nötig:
Dank einer neuen Schnittstelle
kommuniziert das Tablet jetzt direkt
mit der Notaufnahme-Software;
die Patientendaten und die
medizinischen Daten landen ohne
Umwege automatisiert im KIS. Damit
war das Schwarzwald-Baar
Klinikum eines der ersten Krankenhäuser
in Deutschland, in
denen der Rettungswagen herstellerunabhängig
digital mit der
Klinik-Software vernetzt ist. Informationen
wie die Verdachtsdiagnose,
Vitaldaten, Umstände des
Unfalls und EKG-Ergebnisse sind
mit einem Knopfdruck abrufbar
und erscheinen auf einem Computer
sowie einem anonymisierten
Bildschirm in der Notaufnahme.
Den Patienten wird eine Dringlichkeitsstufe
in den Ampelfarben
zugeordnet, diensthabende Ärzte
und Ärztinnen werden automatisch
telefonisch informiert. Sie
erhalten bereits Angaben über
den Allgemeinzustand des oder
der Betroffenen und erfahren minutengenau
die voraussichtliche
Ankunftszeit des Rettungswagens.
„Die Krankenhausakten können
im KIS schon angelegt, Barcodes
ausgedruckt werden, während
der Patient, die Patientin noch unterwegs
ist“, fügt Kumle hinzu. „Das
spart fünf bis zehn wertvolle Minuten.
Wenn der Rettungswagen
eintrifft, ist alles vorbereitet.“ Und er
betont: „Das ist vor allem bei kritischen
Fällen, wo es auf die Zeit ankommt,
ein deutlicher Erfolg!“ Ein
weiteres Plus sei die hohe Qualität
der Dokumentation, zudem seien
Informationsverluste praktisch
FOTOS: SCHWARZWALD BAAR-KLINIKUM, STOCKSY/NEMANJA GLUMAC
ausgeschlossen. „Die Digitalisierung
ist für uns von unschätzbarem
Vorteil“, so sein Resümee.
Kein Hexenwerk
Der Zeitaufwand für die Einarbeitung
hielt sich in Grenzen: Das
ZTM schulte ausgesuchte Mitarbeitende
in der Klinik, die das Wissen
intern weitergaben. Die Schulungen
dauerten anderthalb bis
zwei Stunden. „Das System ist kein
Hexenwerk, und vieles lernt man
dann in der Routine“, berichtet
Eder. Innerhalb weniger Wochen
hatten sich Rettungsdienste und
Klinik auf die neuen Prozesse eingestellt.
Wertvoll war für Eder der
enge Kontakt zu den Anwendern,
denn im Alltag zeigte sich, wo man
nachbessern musste. So informiert
der Rettungswagen beispielsweise
das Klinikum, ob der Patient oder
die Patientin eine infektiöse Krank
heit hat. „Im KIS wurde aber nicht
‚ja‘ oder ‚nein‘ angezeigt, sondern
‚true‘ oder ‚false‘. Um das zu korrigieren,
haben wir eng mit unseren
Technologiepartnern zusammengearbeitet“,
erzählt Eder.
„Wenn die Übertragung nicht
funktionierte, mussten wir herausfinden,
warum die Daten nicht ankommen“,
schildert Kumle. „Liegt
das Problem am Server oder an
der Schnittstelle? Blockiert die
Fire wall die Übertragung?“ Beide
loben, dass alle Beteiligten bereit
waren, sich zeitnah zusammenzusetzen.
„Innerhalb einer Woche
waren die Fehler ausgebügelt“,
konstatiert Kumle.
Datenschutz ist keine Hürde
Der Datenschutz ist bei der digitalen
Umstellung stets gewährleistet;
die Datenschutzbeauftragten der
beteiligten Institutionen und oft
auch die Landesdatenschützer
sind im Boot. „In der Notfallsituation
selbst ist keine explizite Datenschutzerklärung
notwendig“,
erklärt Eder. „Der oder die Betroffene
würde ja Schaden nehmen,
wenn er oder sie erst ausführlich
aufgeklärt werden oder gar eine
Datenschutzerklärung unterschreiben
müsste und dadurch Zeit verloren
ginge.“ In der Notaufnahme
ruft das Personal den jeweiligen
Patienten, die jeweilige Patientin
am Computer auf und bestätigt
per Knopfdruck, dass die richtigen
Daten in die Krankenhaus-Fallakte
übernommen wurden. Die eigentliche
Datenschutzvereinbarung
muss das Klinikum im Nachgang
unterschreiben lassen.
Neue Optionen am Horizont
Die Schnittstelle zwischen Rettungswagen
und KIS lässt sich problemlos
in andere Häuser implementieren
und ist laut Eder inzwischen bei
zwei Dritteln der Notaufnahmen in
Deutschland etabliert. „Wenn die
Rettungsdienste bereits mit Tablets
arbeiten, reichen wenige Wochen,
um die Klinik damit zu vernetzen“,
betont er. „Die Kosten sind überschaubar.
Außerdem bietet das
Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG)
die einmalige Chance, die Digitalisierung
und Vernetzung fördern
zu lassen.“
Die Entwicklung schreitet ständig
weiter voran: In ausgewählten
Pilotregionen wird erprobt, wie sich
Daten von Hausärzten und Kardiologen,
die Patienten in die Notaufnahme
geschickt haben, ins
KIS einspeisen lassen. „Und derzeit
arbeiten wir daran, dass Daten zu
den Patientinnen und Patienten,
wie der letzte Entlassungsbrief, am
Einsatzort von der Klinik abgefragt
werden können“, skizziert Eder die
nächste Innovation.
24
25
newhealth.guide #1
Schon gehört,
gelesen, gewusst?
Händehygiene
neu erfahren
Ob Sie für den Weg zur Arbeit einen Podcast brauchen oder sich
intensiver in aktuelle Themen einarbeiten möchten: Hier ist eine Auswahl
an spannenden Formaten und neuer Fachliteratur
PODCASTS
Visionäre der Gesundheit
Inga Bergen, ehemalige
CEO von mehreren Digital-
Health-Start-ups, interviewt
in ihrem knapp einstündigen
Podcast spannende
Persönlichkeiten, die im
Gesundheitswesen inspirierende
Impulse setzen.
Digitalisierung
der Medizin
In dieser Podcastreihe
werden innovative Konzepte
und Projekte an der
Schnittstelle von Medizin
und Informatik vorgestellt –
die beiden Hosts arbeiten
am Datenintegrationszentrum
des Universitätsklinikums
Jena. Alle zwei Monate
gibt es eine neue Folge.
Faces of Digital Health
Der wöchentlich erscheinende,
englischsprachige
Podcast lotet aus, wie
Gesundheitssysteme in
verschiedenen Ländern
neue Technologien einsetzen,
darunter auch die
DiGA-App in Deutschland.
A. Jorzig,
D. Matusiewicz (Hrsg.):
Digitale Gesundheitsanwendungen
(DiGA)
Damit die „App auf
Rezept“ als Medizinprodukt
selbstverständlich
in der deutschen Regelversorgung
verankert
wird, klärt dieses Fachbuch
umfassend über
die rechtlichen Rahmenbedingungen
sowie den
Forschungs- und Anwendungsstand
auf.
medhochzwei
A. Jorzig, F. Sarangi:
Digitalisierung im
Gesundheitswesen
Von der App über die elektronische
Patientenakte bis zur Videosprech -
stunde: Dieses Buch behandelt wichtige
Bereiche im Gesundheitssektor,
die von der Digitalisierung profitieren,
blendet Problemfälle aber nicht aus.
Springer VS
Die nächste Ausgabe des NewHealth.Guide erscheint am 29. November 2022.
26
BÜCHER
S.C. Semler, K. Buckow (Hrsg.):
Big Data im deutschen
Gesundheitswesen
Der Untertitel kündigt es bereits
an: Hier geht es um die „Bewertung
aktueller Möglichkeiten
und Herausforderungen“. Mehrere
Impulsvorträge von Experten
aus Kliniken, Krankenhäusern
und der Versorgungsforschung
legen dar, wo Potenziale von
Big Data im deutschen Gesundheitswesen
besser genutzt
werden könnten.
Medizinisch Wissenschaftliche
Verlagsgesellschaft
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FOTOS: KATJA HENSCHEL, MHH, FACES OF DIGITAL HEALTH, MEDHOCHZWEI VERLAG 2021, MWV, SPRINGER
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Lena Kaeß
In der Gesundheitsbranche entwickeln sich neue Technologien
rasant weiter. Die Anwendung digitaler Tools und das Wissen darüber
werden im klinischen Alltag immer wichtiger. Wo sich Gesundheitsfachkräfte
weiterbilden können und welche Angebote es gibt, finden Sie hier!
Online-Lehrveranstaltung
Sectio chirurgica
Live und interaktiv: Das sind die Online-Lehrveranstaltungen
der Universität Tübingen. Einmal
wöchentlich kann man renommierten Chirurgen
beim Live-Stream über die Schulter schauen,
während sie an Körperspendern Eingriffe
demonstrieren. Die OP wird von Fachärzten moderiert,
ein Live-Chat ermöglicht einen interdisziplinären
Dialog. Die Sectio chirurgica gewährt
damit digitalen Zugang zu didaktisch aufbereiteten
Anatomie- und Operationsdarstellu n-
gen, fernab der herkömmlichen Medizinbücher.
Außer für praktizierende Ärzte ist dieses Angebot
vor allem für Studierende der Medizin sowie der
Gesundheitsberufe interessant.
Infos unter: www.sectio.digital
Berufsbegleitend
Fernstudium
Digital Health Management
Die Universität Bielefeld bietet seit April 2021 ein
einjähriges Fernstudium zum Thema E-Health an.
Das Angebot in der Fakultät für Gesundheitswissenschaften
richtet sich berufsbegleitend
an Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialwesen
und in Pflegeeinrichtungen, die Kosten betragen
insgesamt 2.200 Euro. Im Rahmen des Studiengangs
werden vertiefende Kenntnisse zu
E-Health, dem Prozess der Digitalisierung und den
Einsatzmöglichkeiten im Gesundheitswesen vermittelt.
Nach Abschluss können die Fac hkräfte
Chancen und Risiken von E-Health-Anwendungen
für das eigene Arbeitsfeld identifizieren und
bewältigen sowie Potenziale für eine bessere
Gesundheitsversorgung einschätzen. Darüber
hinaus sind die erlernten Inhalte auch für eine
bessere Zusammenarbeit, Arbeitsorganisation
und Kommunikation von Nutzen. Bei erfolgreichem
Abschluss des Studiums wird das Universitätszertifikat
als Digital Health Manager überreicht.
Voraussetzung für die Weiterbildung zum
Digital Health Manager ist entweder eine abgeschlossene
Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes
Hochschulstudium sowie einschlägige
Berufserfahrung. Nächster Studiumsstart ist
der 1. April 2023.
Infos unter: www.uni-bielefeld.de
FOTOS: SECTIO-CHIRURGICA, KI-CAMPUS/STIFTERVERBAND
In Zeiten des Wandels entstehen
neue Gesundheitsberufe. Diesmal
im Job-Porträt: IT-Experten
mit Schwerpunkt Medizin
Was sind die Aufgaben?
Medizininformatiker sind Experten für komplexe
IT-Systeme in der Medizin. Ihre konkreten Einsatzmöglichkeiten
sind dabei vielseitig. Unter anderem
betreuen sie Dokumentations- und Informationssysteme,
programmieren medizintechnische
Geräte, konzipieren Datenbanken und entwickeln
Programme für medizinische Anwendungen.
Durch die Arbeit der Medizininformatiker
werden Arbeitsabläufe im Gesundheitswesen
nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch
ständig analysiert und optimiert.
Wie sieht die Ausbildung aus?
Das Studium der Medizininformatik dauert in der
Regel 3 bis 4 Jahre. Inhalte des Studiums sind
unter anderem: medizinische Dokumentation,
E- Health, Biometrie oder bildgebende Verfahren
wie die Computertomographie. Medizininformatik
kann als eigenständiger Studiengang studiert
oder als Schwerpunkt gewählt werden, und zwar
im Informatik-, Mikrotechnik- oder Wirtschaftsinformatikstudium.
Welche Beschäftigungsbereiche gibt es?
Medizininformatiker arbeiten in Kliniken, Arztpraxen,
Krankenkassen, Medizinischen Versorgungszentren,
bei Herstellern medizintechnischer
Geräte, in Forschung und Entwicklung oder bei
IT-Dienstleistern. Als hoch qualifizierte IT-Spezialisten
mit dem Schwerpunkt Medizin in einer immer
digitaler werdenden Welt sind sie derzeit besonders
gefragt.
Online-Kurse
Dr. med. KI
Künstliche Intelligenz (KI) ist längst kein Begriff
mehr aus Science-Fiction-Romanen. Über die
vergangenen Jahrzehnte sind KI-Systeme immer
leistungsfähiger und ausgefeilter geworden,
auch in der Medizin. Die Plattform KI-Campus
setzt genau dort an und bietet hochwertige
Lehrangebote rund ums Thema. Gefördert wird
das Pilotprojekt vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF), es existiert in dieser
Form seit Mitte 2020.
Die Vision ist, eine KI-kompetente Gesellschaft zu
etablieren. Alle Lehrangebote sind kostenlos und
umfassen Grundlagenkurse sowie Vertiefungen
einzelner KI-Bereiche – auch für das Gesundheitswesen.
Ärztinnen und Ärzte können sich
im „Dr. med. KI – Grundlagen“-Kurs (7 Wochen
à 3 Stunden) intensiv mit künstlicher Intelligenz
auseinandersetzen. Wo liegen die Potenziale?
Wo die Risiken? Nach Abschluss verstehen die
Teilnehmenden die Bedeutung von Daten und
Dat astandards in der Medizin besser und können
zwischen verschiedenen Systemen in der KI-Diagnostik
unterscheiden. Darauf aufbauend, wird
das Seminar „Dr. med. KI – Anwendungen für
Ärztinnen und Ärzte“ angeboten. Dort berichten
Experten aus der Medizin, wo KI bereits im Einsatz
ist und wo sie in Zukunft Vorteile bringt.
Infos unter: www.ki-campus.org
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newhealth.guide #1
eHealth
Die jederzeit nachvollziehbare Identifizierung von Patienten
und allen Leistungserbringern ist ein Muss
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Impressum
Herausgeber:
DHD Digital Health Development AG, Stolkgasse 25–45,
D-50667 Köln, mail@dhd.ag, Tel. +49 0221 466 884-0
Vorstand:
Detlef Koenig, detlef.koenig@dhd.ag
Chefredakteurin:
Dr. Gudrun Westermann,
gudrun.westermann@newhealth.guide
Redaktion und Gestaltung:
Storyboard GmbH, Wiltrudenstraße 5,
D-80805 München
Anzeigen:
Thomas Müller, thomas.mueller@newhealth.guide
Druck:
Druckerei Laub GmbH & Co KG, Brühlweg 28,
D-74834 Elztal-Dallau
PROTECTING
WHAT MATTERS.
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WHAT MATTERS.
Copyright:
© DHD Digital Health Development AG 2022;
alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher
Genehmigung des Herausgebers.
Handelsnamen:
Die Wiedergabe von Handelsnamen, Warenbezeichnungen
usw. auch ohne besondere Kennzeichnung berechtigt nicht
zu der Annahme, dass solche Namen frei und von jedermann
benutzt werden dürften. Für den Inhalt außerhalb des
redaktionellen Teiles (insbes. Anzeigen, Industrieinformationen
usw.) übernehmen Redaktion und Herausgeber keine
Gewähr. Autoren, die mit vollem Namen genannt werden
und nicht Mitglied der Redaktion sind, veröffentlichen ihren
Beitrag in alleiniger Verantwortung.
Weitere Informationen:
www.newhealth.guide
Digitalisierung im
Gesundheitswesen
ist kein Trend,
sondern unverzichtbarer
Wettbewerbsvorteil.
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Digitalisierung im Gesundheitswesen ist kein Trend
Traditionsreiche Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, die bis anhin ihre Dienste lokal vor Ort erbringen
konnten, werden immer häufiger mit zu 100% vernetzten, digitalen Lösungen konfrontiert. Eine funktionierende digitale
Interaktion mit Patienten und allen Leistungserbringern (Ärzte, Pflegekräfte, Labore, Hersteller usw.) wird damit
zum zentralen Wettbewerbsargument. Beflügelt durch alle pandemiebedingten Optimierungsmassnahmen wurde
auch die «digitale Agenda» des IT-Verantwortlichen grosszügig mit Anforderungen befüllt. Vor allem die durchgängig
schnelle und gleichzeitig hochsichere Verarbeitung von Daten steht dabei im Investitionsfokus. Damit soll sowohl
den stetig steigenden Kosten Herr geworden als auch die bestmögliche Effizienz ermöglicht werden.
Warum müssen wir darüber sprechen?
Mit dieser Ausgangslage geht die durchgängige Digitalisierung aller Prozesse einher. Dies ist, insbesondere mit Blick
auf die generellen und regulatorischen Sicherheitsvorgaben, eine grosse Herausforderung. Die Entwicklung einer
ganzheitlichen Sicht und die anschliessende Aufteilung in vertretbar grosse Zwischenresultate stellt den zentralen
Erfolgsfaktor dar. Dabei gilt es zusätzlich, Risiken wie Wettbewerbsverlust oder Reputation im Griff zu halten und
allen Anforderungen bzgl. Datenschutz und Datensicherheit, etwa der Europäischen Datenschutz Grundverordnung
(DSGVO), nachzukommen.
Was bedeutet das für Ihre Organisation konkret?
Konkret möchten wir kurz ein Beispiel eines
Anwendungsfalls aufzeigen, das Ihnen mit Sicherheit
begegnen wird. Die Digitalisierung beschäftigt
sich u. a. mit Benutzerdaten (von Patienten
und Leistungserbringern), beispielsweise
bei der Implementierung eines neuen Portals.
Die Benutzerdaten müssen digital erfasst, gepflegt
und einfach verwaltet werden können.
Bereits vorab ist hier auf die Nutzerfreundlichkeit
und auf eine höchstmögliche Automatisierung
(z.B. Auslagerung der Verwaltung an die
Nutzer via Self-Service, Konsolidierung der vorhandenen
Nutzerverzeichnisse) zu achten. Diese
Herausforderungen können durch eine einfache
Benutzerverwaltung (Identity- & Access
Management) mit ergänzenden Sicherheitssystemen
sowie mit einer Mehrfaktor-Authentisierung zuverlässig gelöst werden. Ein solches Vorhaben kann aufwändig
und kostenintensiv sein. Genau darum ist es wichtig, mit einem erfahrenen Partner, einen soliden wie pragmatischen
Umsetzungsplan zu erarbeiten, um zügig und kosteneffizient zum Ziel zu kommen.
Was muss ich auf meine Agenda schreiben?
Den aktuellen «Nicht-Trend» annehmen und sich mit Lösungswegen vertieft auseinandersetzen.
Mögliche Lösungsansätze gross denken und innerhalb von etappierten Phasen dem Ziel annähern.
Die gewünschten Kostenreduktionen durch gezielte und moderate Investitionen realisieren.
Einen pragmatisch agierenden und nicht ideologisch geprägten Partner auswählen.
Alle formellen und regulatorischen Vorgaben beachten.
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