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NewHealthGuide Magazin 01 2022

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newhealth.guide #1

Rasanter Fortschritt

Innerhalb weniger

Wochen hatten sich

Rettungsdienste und

Klinik auf die neuen

Prozesse eingestellt

wertet werden. Und um sie an allen

Stellen der Klinik zur Verfügung zu

stellen, mussten sie eingescannt

werden. Das ist bei der Masse an

Patienten zeitnah nicht möglich.“

EKG-Aufzeichnungen wurden per

Fax übermittelt und eingescannt

– all das verzögerte die dringend

notwendige Behandlung. Auch

machen Sanitäter mitunter Bilder

vom Unfall als Information für den

Unfallchirurgen oder fotografieren

Medikamentenpläne. „Die Bilder

nutzen nichts, wenn sie nicht ins

klinikeigene System übertragen

werden“, sagt der Mediziner. „Im

heutigen digitalen Zeitalter ist dieses

Vorgehen völlig unangemessen.“

Beim Hersteller seines Klinik-

Informationssystems (KIS) stieß er

mit seiner Kritik auf offene Ohren.

Der Weg zu einer digitalen Lösung

war geebnet.

Stringent vorangetrieben

Mit Erfolg: Innerhalb von knapp drei

Jahren schaffte es das Schwarzwald-Baar

Klinikum so, diese Prozesse

komplett zu digitalisieren.

„Ohne Corona wäre es vermutlich

sogar noch schneller gegangen“,

sagt Patrick Eder, der die Einführung

als Innovationsmanager des

Zentrums für Telemedizin Bad Kissingen

(ZTM) koordinierte. „Die

Herausforderung dabei war, dass

wir mehrere Partner an einen Tisch

bekommen mussten, sektorenübergreifend

oder sogar mit unterschiedlichen

Interessen“, betont er

und lobt: „Das hat hervorragend

funktioniert. Das Klinikum mit Herrn

Professor Kumle hat den Transformationsprozess

stringent vorangetrieben.“

Eingebunden waren der

Hersteller des KIS sowie mehrere

Rettungsdienste mit zwei verschiedenen

digitalen Anbietern, deren

Systeme nahtlos zusammengeführt

werden mussten.

„Die

Digitalisierung

ist für uns von

unschätzbarem

Vorteil“

Prof. Dr. Bernhard Kumle

Stufenweise vorgegangen

„Wichtig war, nicht alles auf einmal

umzustellen, sondern stufenweise

vorzugehen. So konnten

sich die Beteiligten in die neuen

Prozesse einarbeiten, Fehler wurden

vermieden“, erklärt Eder.

Der erste Schritt war die Anschaffung

von Tablet-Computern für

die Rettungswagen. Hier werden

Daten wie Vitalparameter direkt

eingegeben. Mit dem Gerät kann

man ein EKG übermitteln und Fotos

machen. „Anfangs haben wir

die Protokolle noch im Rettungswagen

ausgedruckt“, berichtet

Ralf Hirt, Rettungsdienstleiter beim

Deutschen Roten Kreuz in Villingen-Schwenningen.

Im Klinikum

wurden sie dann eingescannt.

Seit Februar 2021 ist dieser Zwischenschritt

nicht mehr nötig:

Dank einer neuen Schnittstelle

kommuniziert das Tablet jetzt direkt

mit der Notaufnahme-Software;

die Patientendaten und die

medizinischen Daten landen ohne

Umwege automatisiert im KIS. Damit

war das Schwarzwald-Baar

Klinikum eines der ersten Krankenhäuser

in Deutschland, in

denen der Rettungswagen herstellerunabhängig

digital mit der

Klinik-Software vernetzt ist. Informationen

wie die Verdachtsdiagnose,

Vitaldaten, Umstände des

Unfalls und EKG-Ergebnisse sind

mit einem Knopfdruck abrufbar

und erscheinen auf einem Computer

sowie einem anonymisierten

Bildschirm in der Notaufnahme.

Den Patienten wird eine Dringlichkeitsstufe

in den Ampelfarben

zugeordnet, diensthabende Ärzte

und Ärztinnen werden automatisch

telefonisch informiert. Sie

erhalten bereits Angaben über

den Allgemeinzustand des oder

der Betroffenen und erfahren minutengenau

die voraussichtliche

Ankunftszeit des Rettungswagens.

„Die Krankenhausakten können

im KIS schon angelegt, Barcodes

ausgedruckt werden, während

der Patient, die Patientin noch unterwegs

ist“, fügt Kumle hinzu. „Das

spart fünf bis zehn wertvolle Minuten.

Wenn der Rettungswagen

eintrifft, ist alles vorbereitet.“ Und er

betont: „Das ist vor allem bei kritischen

Fällen, wo es auf die Zeit ankommt,

ein deutlicher Erfolg!“ Ein

weiteres Plus sei die hohe Qualität

der Dokumentation, zudem seien

Informationsverluste praktisch

FOTOS: SCHWARZWALD BAAR-KLINIKUM, STOCKSY/NEMANJA GLUMAC

ausgeschlossen. „Die Digitalisierung

ist für uns von unschätzbarem

Vorteil“, so sein Resümee.

Kein Hexenwerk

Der Zeitaufwand für die Einarbeitung

hielt sich in Grenzen: Das

ZTM schulte ausgesuchte Mitarbeitende

in der Klinik, die das Wissen

intern weitergaben. Die Schulungen

dauerten anderthalb bis

zwei Stunden. „Das System ist kein

Hexenwerk, und vieles lernt man

dann in der Routine“, berichtet

Eder. Innerhalb weniger Wochen

hatten sich Rettungsdienste und

Klinik auf die neuen Prozesse eingestellt.

Wertvoll war für Eder der

enge Kontakt zu den Anwendern,

denn im Alltag zeigte sich, wo man

nachbessern musste. So informiert

der Rettungswagen beispielsweise

das Klinikum, ob der Patient oder

die Patientin eine infektiöse Krank­

heit hat. „Im KIS wurde aber nicht

‚ja‘ oder ‚nein‘ angezeigt, sondern

‚true‘ oder ‚false‘. Um das zu korrigieren,

haben wir eng mit unseren

Technologiepartnern zusammengearbeitet“,

erzählt Eder.

„Wenn die Übertragung nicht

funktionierte, mussten wir herausfinden,

warum die Daten nicht ankommen“,

schildert Kumle. „Liegt

das Problem am Server oder an

der Schnittstelle? Blockiert die

Fire wall die Übertragung?“ Beide

loben, dass alle Beteiligten bereit

waren, sich zeitnah zusammenzusetzen.

„Innerhalb einer Woche

waren die Fehler ausgebügelt“,

konstatiert Kumle.

Datenschutz ist keine Hürde

Der Datenschutz ist bei der digitalen

Umstellung stets gewährleistet;

die Datenschutzbeauftragten der

beteiligten Institutionen und oft

auch die Landesdatenschützer

sind im Boot. „In der Notfallsituation

selbst ist keine explizite Datenschutzerklärung

notwendig“,

erklärt Eder. „Der oder die Betroffene

würde ja Schaden nehmen,

wenn er oder sie erst ausführlich

aufgeklärt werden oder gar eine

Datenschutzerklärung unterschreiben

müsste und dadurch Zeit verloren

ginge.“ In der Notaufnahme

ruft das Personal den jeweiligen

Patienten, die jeweilige Patientin

am Computer auf und bestätigt

per Knopfdruck, dass die richtigen

Daten in die Krankenhaus-Fallakte

übernommen wurden. Die eigentliche

Datenschutzvereinbarung

muss das Klinikum im Nachgang

unterschreiben lassen.

Neue Optionen am Horizont

Die Schnittstelle zwischen Rettungswagen

und KIS lässt sich problemlos

in andere Häuser implementieren

und ist laut Eder inzwischen bei

zwei Dritteln der Notaufnahmen in

Deutschland etabliert. „Wenn die

Rettungsdienste bereits mit Tablets

arbeiten, reichen wenige Wochen,

um die Klinik damit zu vernetzen“,

betont er. „Die Kosten sind überschaubar.

Außerdem bietet das

Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG)

die einmalige Chance, die Digitalisierung

und Vernetzung fördern

zu lassen.“

Die Entwicklung schreitet ständig

weiter voran: In ausgewählten

Pilotregionen wird erprobt, wie sich

Daten von Hausärzten und Kardiologen,

die Patienten in die Notaufnahme

geschickt haben, ins

KIS einspeisen lassen. „Und derzeit

arbeiten wir daran, dass Daten zu

den Patientinnen und Patienten,

wie der letzte Entlassungsbrief, am

Einsatzort von der Klinik abgefragt

werden können“, skizziert Eder die

nächste Innovation.

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