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stadt / land / dach<br />

Magazin für Architektur und Raum.<br />

Kommentar Heftthema<br />

Wenig Platz, viel Potenzial:<br />

Das Steildach im Zwischenraum<br />

Wann sprechen wir endlich<br />

über soziale Nachverdichtung?<br />

DACHKULT • AUSGABE 8 • SEP 2022 • LÜCKENSCHLUSS


INHALT<br />

EDITORIAL<br />

Editorial<br />

/03<br />

Liebe Architekturschaffende,<br />

HERAUSGEBER<br />

Initiative Steildach / Dachkult<br />

Tattenbachstraße 1<br />

86179 Augsburg<br />

Klaus H. Niemann (Sprecher)<br />

Mob.: 0175 / 59 11 518<br />

Mail: niemann@dachkult.de<br />

WEBSITE & SOCIAL MEDIA<br />

dachkult.de<br />

youtube.com/dachkult<br />

facebook.com/dachkult<br />

instagram.com/dachkult<br />

KONZEPT, DESIGN & REDAKTION<br />

Brandrevier GmbH, Essen<br />

www.brandrevier.com<br />

DRUCK<br />

Woeste Druck + Verlag GmbH & Co. KG<br />

Druckauflage: 11.550<br />

BILDNACHWEIS<br />

1/12 • Achim Birnbaum / Knoche Architekten<br />

4/5 • Annika Bauer (Portrait); Simone Bossi<br />

6/7 • Brigida González (1.v.l.); Simon Menges<br />

(2.v.l.); David Schreyer (r.)<br />

8/9 • Nina Röder (Portrait); Martin Dziuba<br />

10 • Uwe Ditz<br />

11 • Brigida González<br />

Steildach / Mehr als Understatement<br />

Heftthema / Wenig Platz, viel Potenzial:<br />

Das Steildach im Zwischenraum<br />

StadtPortrait / In der Mitte ein Walnussbaum<br />

Kommentar / Wann sprechen wir endlich<br />

über soziale Nachverdichtung?<br />

Ausblick<br />

/04<br />

/06<br />

/08<br />

/10<br />

/11<br />

„Mut zur Lücke“ – wieder so eine Redensart, die zumindest im architektur-<br />

und städtebaulichen Kontext ihre Gültigkeit längst verloren<br />

hat. Denn steigender Wohnraumbedarf und explodierende Grundstückspreise<br />

lassen die Lücken im Stadtbild, die oftmals noch aus<br />

dem Zweiten Weltkrieg stammen, nach und nach verschwinden. Im<br />

Zuge der innerstädtischen Nachverdichtung stellt der Lückenschluss<br />

immer wieder eine planerische Herausforderung dar, bei der viele<br />

Aspekte berücksichtigt werden müssen.<br />

In der vorliegenden, mittlerweile achten Ausgabe unseres Architekturmagazins<br />

stadt/land/dach möchten wir Ihnen einige – wie wir finden – sehr<br />

gelungene Beispiele städtischer und ländlicher Nachverdichtung zeigen<br />

und dabei wie gewohnt ein besonderes Augenmerk auf das Steildach richten.<br />

Denn gerade, wenn in eine bestehende Bebauung eingegriffen und<br />

diese ergänzt wird, ist ein sensibler Umgang mit dem Bestand auch unter<br />

baukulturellen Gesichtspunkten unerlässlich.<br />

Am Beispiel des Kunsthauses Göttingen von Atelier ST kann man sehr<br />

schön sehen, dass moderne avantgardistische Architekturkonzepte sich<br />

harmonisch in ein denkmalgeschütztes Umfeld integrieren lassen, wenn<br />

die Dachform die örtlichen Bezüge aufgreift. Gleiches gilt für das Berliner<br />

Kreativquartier Richardstraße vom Architekturbüro dreigegeneinen, bei<br />

dem ein nachhaltiges Weiterbauen historischer Strukturen in engem Austausch<br />

mit Nachbarschaft und Denkmalamt umgesetzt wurde. Wie wichtig<br />

in diesem Kontext auch die Räume für das gemeinschaftliche Miteinander<br />

sind, zeigt Studio Yonder in seinem Kommentar zur sozialen Dimension<br />

von Nachverdichtung auf.<br />

Ich wünsche Ihnen<br />

viel Spaß bei der Lektüre.<br />

Klaus H. Niemann,<br />

Sprecher von Dachkult


STEILDACH • 04<br />

Mehr als Understatement<br />

lag ist in der Straße beheimatet.<br />

Um die Nachbargebäude nicht zu<br />

ratmeter vergrößert. So gelang es,<br />

auf drei Ebenen eine Ausstellungs-<br />

pierblöcke mit ihren unterschiedlichen<br />

Schichtungen fasziniert,<br />

Göttingen fehlte ein Ort für zeitgenössische Kunst. Seit 2021 ragt nun das<br />

gefährden, entschieden sich Silvia<br />

fläche von insgesamt 534 m 2 zu<br />

so Sebastian Thaut. Der sandfar-<br />

neue Kunsthaus eingekeilt zwischen geschichtsträchtigen Fachwerkhäu-<br />

Schellenberg-Thaut und Sebastian<br />

schaffen. Im Dachgeschoss, dessen<br />

bene Kammzugputz verweist auf<br />

sern wie selbstverständlich in die Höhe. Für die gelungene Umsetzung<br />

Thaut, die Gründer des Büros, für<br />

First die umliegenden Häuser<br />

diese Papierschichten und nimmt<br />

Atelier ST<br />

Leipzig<br />

brauchte es neben der treibenden Kraft eines passionierten Verlegers kreative<br />

Köpfe, die mit der Baulücke geschickt umzugehen wussten.<br />

eine Bohrpfahlgründung. Ein positiver<br />

Nebeneffekt war, dass sie alle<br />

überragt, ohne sie zu dominieren,<br />

befindet sich ein Vortragsraum.<br />

zugleich auf die Ausstellungen im<br />

Innenraum Bezug, deren Fokus auf<br />

Räume mit Nebenfunktionen in<br />

Der auf den ersten Blick verschlos-<br />

Papierkunst liegt.<br />

Lange war das kleine Grundstück in der Düsteren Straße im ehemaligen Färber-<br />

den Keller verlagern und sich mit<br />

sen wirkende Baukörper erweist<br />

Seit seiner Eröffnung nach einer<br />

viertel Göttingens unbebaut. In enger Zusammenarbeit mit der Stadt als Auftrag-<br />

den anderen Etagen der Ausstel-<br />

sich innen als offen und großzü-<br />

zweijährigen Bauzeit erfährt das<br />

geberin und dem renommierten Verleger Gerhard Steidl, der schon seit 50 Jahren<br />

lungsfläche widmen konnten.<br />

gig. Die Stahlbetonkonstruktion<br />

Kunsthaus viel positive Reso-<br />

für ein Kunsthaus kämpfte, realisierte das Architekturbüro Atelier ST aus Leipzig<br />

ermöglicht hohe, nahezu stützlose<br />

nanz. Es schließt nicht nur eine<br />

das ersehnte Gebäude.<br />

Raumwunder mit Spitzdach<br />

Räume, die mit Kunstlicht be-<br />

Baulücke im kleinteiligen Gefüge<br />

Formal orientierte man sich an den<br />

spielt werden. Das Dachgeschoss<br />

der Altstadt stimmig und bietet<br />

Sensibler Einschub<br />

umliegenden historischen Häusern.<br />

dagegen zeigt sich mit seiner<br />

moderner Kunst einen Ort, es ist<br />

Die Aufgabe war herausfordernd. In der Altstadt der Universitätsstadt sollte ein<br />

Regionaltypische Merkmale wie<br />

raumbreiten Schiebeverglasung zur<br />

auch Impulsgeber für das neu ent-<br />

zeitgemäßes Kunsthaus von internationaler Bedeutung entstehen – modern,<br />

Steildach und vorspringende Ge-<br />

Dachterrasse lichtdurchflutet.<br />

stehende Kunstquartier „KuQua“<br />

ohne ein Fremdkörper im mittelalterlich geprägten Umfeld zu sein, charakter-<br />

schosse wurden aufgegriffen und<br />

im historischen Färberviertel, das<br />

stark, aber ohne aufzutrumpfen. Zur Verortung im historischen Kontext kamen<br />

in die Gegenwart übersetzt. Das<br />

Von Papier inspiriert<br />

zukünftig über Niedersachsen<br />

Anforderungen des Denkmalschutzes. All dies hatte das Team von Atelier ST bei<br />

Resultat ist ein fünfgeschossiges<br />

Bei der Gestaltung der Fassade ließ<br />

hinaus strahlen soll./<br />

seinem Entwurf im Blick, der die Jury beim Wettbewerb im Jahr 2016 überzeugte.<br />

sandfarbenes Gebäude mit Spitz-<br />

sich das Leipziger Architektenpaar<br />

Die beengte Parzelle befindet sich in illustrer Nachbarschaft. Das angrenzende<br />

dach, bei dem sich mit jeder Etage<br />

durch die Haptik und Struktur von<br />

Haus links hat seine Ursprünge im 16. Jahrhundert, das rechts im Jahr 1307. Steidl<br />

die Grundfläche von 239 m 2 durch<br />

Papier inspirieren. Im Steidl-Verlag<br />

hat in diesem das Günter-Grass-Archiv untergebracht, auch sein eigener Ver-<br />

Auskragungen um einige Quad-<br />

hätten vor allem die riesigen Pa-<br />

In der Düstere Straße hingen einst die Färber ihre Tücher zum Trocknen auf und verdunkelten dadurch den Straßenraum.<br />

Der tageslichtdurchflutete Raum unter dem Spitzdach bietet Platz für Veranstaltungen.


HEFTTHEMA • 06<br />

Wenig Platz, viel Potenzial:<br />

Das Steildach im Zwischenraum<br />

Grundstücksform, Abstandsflächen<br />

und Sonnenverlauf ab. Während<br />

der vollständig schwarze Solitär<br />

mit seinem geneigten Dach, aus<br />

etwa ein Gebäude, das mit seinem<br />

steil aufragenden, gut zehn Meter<br />

hohen Dach mehr Pyramide als<br />

Kubus ist. Die eigenwillige Form<br />

Von groß zu klein<br />

Das steile Dach bietet in Sachen<br />

Nachverdichtung somit nicht<br />

nur ein Experimentierfeld, auf<br />

Der Ruf nach mehr Wohnraum hallt seit Jahren durch unser Land. Die Forderung an Städte, Gemeinden<br />

der Vogelperspektive betrachtet,<br />

des Hinterhofhauses entwickelte<br />

dem sich die zunächst scheinbar<br />

und Landkreise gilt dabei meist der größeren Ausweisung von Baulandflächen. Übersehen wird häufig<br />

deutlich hervorsticht, fügt er sich<br />

das Berliner Büro Barkow Leibinger<br />

hinderlichen, bürokratischen<br />

das Potenzial der vielen Brachflächen, des ungenutzten Bestands oder der freien Grundstücke.<br />

von der Straße aus gesehen unauf-<br />

in engem Austausch mit Denkmal-<br />

Vorgaben ausloten lassen, sondern<br />

fällig in die gewachsene, dörfliche<br />

schutz und Bauaufsicht. Sein Zie-<br />

ist auch Vermittler im städtebau-<br />

Bleibt ein Gebäude oder eine<br />

zu bauen. In der sechsten Ausgabe<br />

Ressourcen schonen,<br />

Bebauung ein.<br />

gelkleid, das sich von der Fassade<br />

lichen Kontext. Dass dies auch im<br />

Baulücke über lange Zeit unge-<br />

der stadt/land/dach bezeichnete<br />

Ortskerne stärken<br />

über die Dachflächen zieht, greift<br />

größeren Maßstab funktionieren<br />

nutzt, hat dies oft bürokratische<br />

Architektin Julia Erdmann diese<br />

Hier birgt die Nachverdichtung<br />

Vorgaben kreativ nutzen<br />

die Farbigkeit der umgebenden<br />

kann, beweist das Institut für Ver-<br />

Gründe: Gesetzliche Bestim-<br />

Art von Gebäuden bzw. Quartieren<br />

erhebliche Chancen. Ob Aufsto-<br />

Konzepte dieser Art sind es, die<br />

Bebauung auf.<br />

sorgungs- und Umwelttechnik im<br />

mungen wie Abstandsflächen,<br />

als „seelenlose Investorenarchi-<br />

ckung, Umbau oder Baulücken-<br />

zeigen, dass sich örtliche und<br />

Und auch in Krakovo, einem<br />

historisch geprägten Esslingen, das<br />

Brand- oder Lärmschutz, aber auch<br />

tektur, die an betongewordene<br />

schluss – sie bietet eine Möglich-<br />

gesetzliche Vorgaben durchaus<br />

dörflich geprägten Viertel von<br />

auf dem Cover dieser Ausgabe zu<br />

städtische Satzungen und Denk-<br />

Excel-Listen erinnert“. Wollen wir<br />

keit, Flächen zu sparen und die<br />

kreativ nutzen lassen. Keine unwe-<br />

Ljubljana, gestalteten Dekleva<br />

sehen ist. Durch die variierenden<br />

malschutzvorgaben erschweren die<br />

das wirklich? Sollte Architektur<br />

bereits vorhandene Infrastruktur<br />

sentliche Rolle spielen hierbei die<br />

Gregorič Architekten ein ehemali-<br />

Höhen der aneinander gereihten<br />

Planung. Die Folge sind lange Ge-<br />

nicht den Anspruch erfüllen, wan-<br />

zu nutzen. Vor allem im ländlichen<br />

Dachformen. Denn die Identität<br />

ges Wirtschaftsgebäude zu einem<br />

Satteldächer gelingt es Knoche<br />

nehmigungsprozesse, die Planende<br />

delbare Lebens- und Arbeitsräume<br />

Kontext kann sie zudem der Zerfa-<br />

der meisten Städte und Gemeinden<br />

nur 43 m² kleinen Ferienhaus um.<br />

Architekten, die Kleinteiligkeit<br />

und Bauherren oft vor eine große<br />

zu schaffen, die den Menschen<br />

serung der Ortskerne entgegenwir-<br />

wird durch Steildächer geprägt.<br />

Der denkmalgerecht zum Himmel<br />

der denkmalgeschützten Nachbar-<br />

Geduldsprobe stellen und Zwei-<br />

und ihren sich verändernden Le-<br />

ken. So auch in einem Stadtteil von<br />

Aus diesem Grund schreiben<br />

gerichtete Lichtschacht sowie ein<br />

schaft aufzugreifen und sie in ein<br />

fel an der Wirtschaftlichkeit des<br />

bensentwürfen entsprechen? Und<br />

Tuttlingen: Für eine Restfläche in<br />

viele Bebauungspläne und Denk-<br />

wandgroßes Schiebefenster zum<br />

zeitgenössisches Bild zu transpor-<br />

Projekts säen. Einfacher erscheint<br />

ist es angesichts des Klimawandels<br />

heterogener Struktur entwickelte<br />

malschutzämter diese Dachform<br />

Atrium leiten nun Sonnenlicht in<br />

tieren./<br />

es da, neue Baulandflächen auszu-<br />

zielführend, freies Land zu bebau-<br />

Studio Yonder ein Einfamilien-<br />

bereits vor. Mit dem Wohnhaus am<br />

das nach Norden ausgerichtete<br />

weisen und auf der „grünen Wiese“<br />

en, anstatt Bestehendes zu nutzen?<br />

haus. Seine Kubatur leitet sich aus<br />

Prenzlauer Berg in Berlin entstand<br />

XXS-Haus.<br />

Die tiefschwarze Textilfassade und die ebenso dunkle Dachdeckung von Haus D, kontrastieren bewusst mit der Umgebung.<br />

Das steile Pultdach des XXS-Hauses folgt den Dimensionen des ehemaligen Nebengebäudes.


STADTPORTRAIT • 08<br />

In der Mitte<br />

ein Walnussbaum<br />

dreigegeneinen<br />

Berlin<br />

Maximilian Niggl, Nikola Savić und Bastian Sevilgen lernten sich an der<br />

Bauhaus-Universität Weimar kennen und entwickelten im Laufe ihres Studiums<br />

eine gemeinsame architektonische Haltung und Arbeitsweise.<br />

Bei aller Verbundenheit waren es aber auch ihre individuellen Stärken,<br />

die sie im Jahr 2010 dazu bewogen, sich unter dem einprägsamen Namen<br />

„dreigegeneinen“ zusammenzuschließen.<br />

„Die erfolgreiche Umgestaltung zum Kreativquartier<br />

hat einige Anwohner dazu bewegt, ebenfalls etwas an<br />

ihren Häusern zu machen.“<br />

Bastian Sevilgen, Mitbegründer von dreigegeneinen<br />

Richardstrasse<br />

Kirchgasse<br />

Mit dem Kreativquartier ist eine eigene kleine Welt entstanden.<br />

N<br />

Alle Büros werden durch eine einheitliche Materialwahl und Möblierung miteinander verbunden.<br />

Aber wer ist denn eigentlich dieser<br />

tier in Berlin-Neukölln hatten die<br />

Die Kraft des Ortes<br />

Kreativquartier mit Büroflächen<br />

dem dreigegeneinen erst durch<br />

Kein Raum gleicht dem anderen.<br />

„Eine“? Wichtig sei nicht, wer die<br />

drei allerdings nicht nur mit einer,<br />

Mit der Beauftragung für seine<br />

sowie den Abriss und Neubau von<br />

den Kontakt zur Nachbarschaft<br />

Mehrgeschossige Lufträume, zum<br />

eine Person ist, so Bastian Sevil-<br />

sondern gleich mit einer Vielzahl<br />

Wiederbelebung galt es, zunächst<br />

Hinterhaus und Remise vor. Vor<br />

erfuhren. Das dörfliche Erschei-<br />

Teil bis in den Dachraum, erzeugen<br />

gen. Das könne jemand aus dem<br />

an Gegenstimmen umzugehen.<br />

Licht ins Dunkel zu bringen. Denn<br />

allem Letzteres zog den Ärger<br />

nungsbild und der einstige Durch-<br />

verschiedenste Arbeitssituationen.<br />

eigenen, inzwischen 12-köpfigen<br />

Besagtes Gehöft ist Teil des Böhmi-<br />

die Gebäude waren nicht nur bau-<br />

der Nachbarschaft auf sich. Man<br />

gang zur Kirchgasse wurden unter<br />

Sollten sich die Anforderungen<br />

Team, der Bauherr oder andere<br />

schen Dorfes, einer 1737 gegrün-<br />

fällig geworden. Die historischen<br />

hatte, so ehrlich müsse man sein,<br />

Berücksichtigung der historischen<br />

der Nutzer*innen einmal ändern,<br />

Beteiligte sein. Vielmehr gehe es<br />

deten Gemeinde protestantischer<br />

Grundrisse von Hinterhaus und<br />

meint Sevilgen, die starke Iden-<br />

Grundrisse wiederhergestellt. Helle<br />

lassen sich die Einheiten ohne gro-<br />

um den Umgang mit dieser Gegen-<br />

Flüchtlinge. Die ein- bis zwei-<br />

Remise hatten beim Wiederaufbau<br />

tifikation der Menschen mit dem<br />

Putzfassaden und rot gedeckte<br />

ßen Aufwand zusammenschalten.<br />

stimme, die keinesfalls negativ zu<br />

geschossigen Bauernhäuser mit<br />

in den Nachkriegsjahren zudem<br />

Ort unterschätzt, sah dies aber als<br />

Satteldächer greifen die Umgebung<br />

Eine lange Nutzungsdauer sei ein<br />

werten, sondern im Sinne einer<br />

Satteldach umschließen großzügi-<br />

keine Berücksichtigung gefun-<br />

große Chance. Sie suchten darauf-<br />

auf. Ein wesentliches Gestaltungs-<br />

wesentliches Kriterium des nach-<br />

positiven Reibung zu verstehen sei.<br />

ge Freiflächen, die von der Straße<br />

den – von Aufenthaltsqualität<br />

hin das Gespräch mit den Anwoh-<br />

element, das den zeitgenössischen<br />

haltigen Bauens, meint Sevilgen.<br />

Dieses Schaffen, Hinterfragen und<br />

kaum einsehbar sind, den Ortsteil<br />

keine Spur mehr. Darüber hinaus<br />

ner*innen, tauschten sich aus und<br />

Charakter des Quartiers erken-<br />

Deshalb sei ein Gebäude niemals<br />

gegebenenfalls auch mal Verwerfen<br />

aber noch immer prägen. Während<br />

steht das gesamte Böhmische Dorf<br />

brachten neue Elemente in ihren<br />

nen lässt, sind die Dachgauben.<br />

für sich, sondern immer im Kontext<br />

gehöre zum kreativen Prozess, um<br />

viele der Gebäude bis heute von<br />

unter Ensembleschutz, was klare<br />

Entwurf ein.<br />

Variierend in Größe und Anord-<br />

zu betrachten und sollte einen<br />

für alle Beteiligten das bestmögli-<br />

den Folgegenerationen bewohnt<br />

Vorgaben des Denkmalamtes und<br />

nung, ziehen sie sich vom Neubau<br />

Mehrwert für seine Umgebung<br />

che Ergebnis zu erzielen.<br />

werden, wurde das Ensemble zwi-<br />

eine aufwändige Recherche für die<br />

Historischer Lückenschluss<br />

bis zum Bestand und verbinden<br />

bieten. Im Falle des Kreativ-<br />

schen Richardstraße und Kirch-<br />

Durchsetzung neuer Vorschläge<br />

Heute steht ein Walnussbaum auf<br />

auf diese Weise Alt und Neu. Und<br />

quartiers ist dies gelungen, die<br />

Ein Dorf in der Hauptstadt<br />

gasse im Laufe der Jahre zum Büro,<br />

mit sich brachte.<br />

dem öffentlich zugänglichen Hof<br />

spätestens im Inneren der Gebäude<br />

historische Lücke des Böhmischen<br />

Beim Um- und Ersatzneubau eines<br />

Garagen und einer KFZ-Werkstatt<br />

Auf Basis einer Studie schlug das<br />

des Kreativquartiers – ein klassi-<br />

wird klar, dass die Architekt*innen<br />

Dorfes wurde geschlossen./<br />

Doppelgehöfts zum Kreativquar-<br />

umgebaut.<br />

Büro schließlich eine Nutzung als<br />

sches Merkmal des Viertels, von<br />

auch die Zukunft im Blick hatten.


KOMMENTAR • 10<br />

Yonder – Architektur und Design<br />

Stuttgart<br />

Nachverdichtung – sei es durch Aufstockung,<br />

Lückenschluss oder Umbau – spielt<br />

im architektonischen Diskurs eine zunehmend<br />

bedeutendere Rolle. „Zum Glück!“,<br />

möchte man rufen, denn mit ihrer Hilfe<br />

lassen sich mögliche Antworten auf gleich<br />

mehrere Herausforderungen formulieren,<br />

die uns als Architekt*innen, aber auch als<br />

Gesellschaft umtreiben: Wie dämmen wir<br />

Flächenversiegelung und Ressourcenverbrauch<br />

angesichts des Klimawandels ein?<br />

Und was tun wir, um in Städten bezahlbaren<br />

Wohnraum zu schaffen?<br />

Nachverdichtung kann insofern einen<br />

ökologischen sowie einen ökonomischen<br />

Beitrag leisten. Wir halten es dabei aber<br />

für wichtig, auch die soziale Dimension zu<br />

berücksichtigen, die vor allem mit dem zu<br />

tun hat, was wir im städtebaulichen Kontext<br />

Dichte nennen. Im ländlichen Raum<br />

erleben wir regelmäßig einen Mangel an<br />

Dichte: Der berühmte Donut-Effekt sorgt<br />

nicht nur für einen steigenden Anteil<br />

bebauter Fläche bei gleichzeitigem Verfall<br />

bestehender Bausubstanz in den Ortskernen.<br />

Er führt auch dazu, dass nach und<br />

nach die Räume verloren gehen, in denen<br />

soziale Interaktion und gemeinschaftliches<br />

Miteinander stattfinden können. Architektur<br />

hat in diesem Fall vor allem die Aufgabe,<br />

Strukturen und Nutzungen zu schaffen,<br />

die Angebote zur Begegnung fördern oder<br />

diese überhaupt erst möglich machen.<br />

Auch im städtischen Kontext kann und<br />

Wann sprechen wir endlich<br />

über soziale Nachverdichtung?<br />

Prof. Katja Knaus und Prof. Benedikt Bosch, Gründer*innen<br />

von Yonder, über die Bedeutung von Lebensräumen, die das<br />

soziale Miteinander prägen.<br />

sollte immer noch nachverdichtet werden.<br />

Insbesondere im dicht gestalteten urbanen<br />

Raum muss aber auf eine ausgewogenen<br />

Gestaltung von geschützten privaten Rückzugsräumen<br />

und qualitätvoll entworfene<br />

öffentliche Räumen für die Gemeinschaft<br />

besonderes Augenmerk gelegt werden. Als<br />

Architekt*innen sollten wir nicht vergessen,<br />

dass wir soziale Probleme vielleicht<br />

nicht immer lösen, aber auf jeden Fall<br />

verursachen können. Eine gute Lösung<br />

für alle Beteiligten setzt unserer Meinung<br />

nach deshalb immer einen Mehrwert für<br />

alle voraus, zum Beispiel durch gesteigerte<br />

Qualität und Stärkung der öffentlichen Flächen<br />

als Begegnungsräume.<br />

Das steile Dach gehört aufgrund der hier<br />

oftmals vorhandenen Ausbaureserven<br />

schon fast zum Standardrepertoire, wenn<br />

es um Nachverdichtung geht. Auch hier<br />

kann es um ein Spiel mit Dichte gehen.<br />

Besondere räumliche Qualitäten unter<br />

einem Steildach, wie Gemütlichkeit oder<br />

Großzügigkeit , können sich wesentlich aus<br />

einer differenziert und abwechslungsreich<br />

gestalteten Raumorganisation ableiten<br />

lassen. So entstehen intime Bereiche zum<br />

Rückzug ebenso wie besonders luftige, die<br />

zur Interaktion motivieren. Klug geplant<br />

können hier Orte entstehen, die auch für<br />

das Zusammenleben unter einem Dach einen<br />

wesentlichen Mehrwert für das soziale<br />

Miteinander der Bewohner*innen bedeuten<br />

können./<br />

Gastkommentare in stadt/land/dach geben stets die Meinung der jeweiligen Gastautoren wieder und nicht explizit die des Herausgebers.<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

UND VORLÄUFIGE TERMINE<br />

Weiterführende Informationen finden Sie auf<br />

unserer Website www.dachkult.de/events.<br />

Rooftop Talk #17 in Frankfurt am Main<br />

19. September 2022<br />

Rooftop Talk #18 in Freiburg<br />

7. November 2022<br />

Die innere Ordnung des Einfamilienhauses von Studio Yonder<br />

wird durch zwei Betonscheiben bestimmt, die sich in der Mitte<br />

des Hauses kreuzen und so den Grundriss in vier Segmente<br />

teilen. Zwischen ihnen spannen sich die einzelnen Ebenen des<br />

Wohnraums auf.<br />

HERAUSGEBER<br />

dachkult.de<br />

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