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Lasst die Kinder träumen<br />

von Corinna Raupach<br />

TRÄUMEND FÜR DAS LEBEN<br />

LERNEN<br />

Jan-Uwe Rogge plädiert für mehr Raum für Phantasie im Kinderleben –<br />

Märchen, Spiel, Sport und Basteln helfen Kindern auf dem Weg zu sich selbst<br />

4<br />

Wenn Kinder im Sandkasten Kuchen backen,<br />

werden Eicheln zu Kirschen, feiner<br />

Sand zu Zuckerguss und Blätter zu Tellern.<br />

Wenn Paul im Bach steht und Legoschiffe<br />

mit Plastikpiraten darauf dirigiert, pfeifen<br />

ihm Kanonenkugeln um die Ohren, Säbel<br />

klirren und der Wind heult. In Klaras Händen<br />

wird der Massageball zum Igel, der auf<br />

Reisen geht und auf dem Rücken der<br />

Freundin ein riesiger Berg. Hanna verlässt<br />

das Haus nur in verschieden geringelten<br />

Strümpfen und Zöpfen – sie ist Pippi Langstrumpf,<br />

stark, mutig und lustig.<br />

Für Kinder, gerade für die jüngeren unter<br />

fünf Jahren, ist die Welt eine magische,<br />

sagt Jan-Uwe Rogge. Er ist einer der erfolgreichsten<br />

Autoren zum Thema Kinder und<br />

Erziehung in Deutschland, hat an der Uni<br />

Tübingen zu Familie, Kindheit und Medien<br />

geforscht und ist als Familien- und Kommunikationsberater<br />

tätig. Zusammen mit<br />

der Schauspielerin, Regisseurin und Autorin<br />

Angelika Bartram hat er das Buch „Lasst<br />

die Kinder träumen – Warum Phantasie<br />

wichtiger ist als Wissen“ geschrieben. Ihre<br />

These: In Phantasie und Träumen entwickeln<br />

Kinder Intelligenz, Selbstbewusstsein und<br />

Kreativität.<br />

Das Buch sei ihm eine Herzensangelegenheit,<br />

sagt Rogge: „Kinder werden ganz<br />

schnell auf kleine Erwachsene und auf<br />

kognitives Lernen reduziert. Alles, was mit<br />

Emotion, mit Spiritualität zu tun hat, spielt<br />

in der Bildungsdiskussion eine untergeordnete<br />

Rolle. Kinder haben eine ganz eigene<br />

Art der Welterfahrung, die über das, was<br />

wir Erwachsene wahrnehmen, hinausgeht.<br />

Kinder sind im weitesten Sinne des Wortes<br />

spirituelle Wesen, die mit allem und jedem<br />

in Kontakt treten.“<br />

Das magische Denken<br />

Pädagogen und Kindheitsforscher haben<br />

diese Welterfahrung als „magisches Denken“<br />

bezeichnet. Selma Fraiberg war eine amerikanische<br />

Kinderpsychoanlalytikerin, Sozialarbeiterin<br />

und Pionierin in der Therapie<br />

von Säuglingen und Kleinkindern. In ihrem<br />

Buch „The magic years“ verortet sie die<br />

„magisch-phantastische Phase“ vom Säuglingsalter<br />

bis etwa in das sechste Lebensjahr.<br />

Sie beschreibt, dass Magie für kleinere<br />

Kinder zum täglichen Leben gehört: Für<br />

ein Baby scheinen Gegenstände wie Flasche<br />

oder Spielzeug und Menschen wie Mutter<br />

oder Vater plötzlich aus dem Nichts aufzutauchen<br />

und zu verschwinden. Eltern sind<br />

mächtige Wesen, die geheime Wünsche<br />

erraten, tiefe Sehnsüchte erfüllen und wunderbare<br />

Taten tun wie etwa einen Tisch mit<br />

Köstlichkeiten herbeizaubern. Später lernt<br />

das Baby, dass es ihr Auftauchen durch<br />

„Zauberwörter“ wie „Mama“ oder „Papa“<br />

beeinflussen kann. Die logischen Zusammenhänge,<br />

das Prinzip von Ursache und<br />

Wirkung können Babys und jüngere Kinder<br />

noch nicht begreifen. Auch bei Pubertierenden<br />

finden sich Elemente magischen<br />

Denkens und selbst Erwachsene geben sich<br />

manchmal Tagträumen hin oder tauchen<br />

in Fernsehserien und Abenteuerfilmen in<br />

andere Welten ein.<br />

In der magisch-phantastischen Phase sprechen<br />

Kinder mit Stofftieren, Tieren und<br />

Pflanzen, erwecken Spielfiguren zum Leben,<br />

denken in Bildern und glauben an die<br />

Macht von Zaubersprüchen. Die Gesetze<br />

von Raum und Zeit gelten nicht unbedingt,<br />

es ist viel mehr möglich. Kinder springen<br />

ohne Mühe zwischen Imagination und<br />

Wirklichkeit hin und her. Es ist ihnen ein<br />

Leichtes, Kartons in Schiffe oder Flugzeuge<br />

zu verzaubern, auf dem Bett liegend Weltreisen<br />

zu unternehmen oder Kraft bei einem<br />

unsichtbaren Freund zu tanken. Mit den<br />

Jahren verändert sich das Weltbild. In dem<br />

Maß, in dem das Verständnis für Zusammenhänge<br />

wächst, nimmt das magische<br />

Denken ab.<br />

Mit magischem Denken erhalten sich<br />

Kinder die Offenheit für Unerwartetes,<br />

entwickeln phantastische Lösungen für

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