Inside_3_2022
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AKTUELL<br />
BUNDESHEER INSIDE<br />
Im Osten (nichts) Neues<br />
BUNDESHEER<br />
Die Kämpfe in der<br />
Ukraine werden zu<br />
großen Teilen auch mit<br />
Kampfpanzern geführt.<br />
Wir haben daher<br />
Oberstleutnant Jörg<br />
Loidolt, Kommandant<br />
des Panzerbataillons 14,<br />
um eine Ableitung der<br />
dort sichtbaren Gefechtstechniken<br />
und Taktiken<br />
für die rot-weiß-roten<br />
Panzerkräfte gebeten.<br />
Der Text ist zuerst im Hessenspiegel<br />
erschienen.<br />
Die Kämpfe in der Ukraine zeigen<br />
eines ganz klar: Der Kampfpanzer<br />
ist trotz aller Unkenrufe<br />
nicht obsolet, sondern im Gegenteil<br />
weder im Angriff noch in<br />
der Verteidigung am heutigen<br />
Gefechtsfeld wegzudenken.<br />
Natürlich machen Wirkmittel<br />
wie Drohnen, Präzisionsmunition<br />
und reichweitengesteigerte<br />
Panzerabwehrlenkwaffen den<br />
erfolgreichen Einsatz nicht<br />
leichter. Allerdings gibt es keine<br />
Maßnahme, die nicht durch<br />
innovative Gegenmaßnahmen<br />
abgeschwächt werden kann.<br />
Was ebenfalls nicht neu ist, ist,<br />
dass der Kampfpanzer nicht allein<br />
Gefechte entscheidet oder<br />
nur durch seine Präsenz Kriege<br />
gewinnt. Der Kampfpanzer ist<br />
und bleibt ein integraler Bestandteil<br />
des Kampfes der verbundenen<br />
Waffen und kann nur<br />
gemeinsam mit anderen Waffengattungen<br />
das taktische Ziel<br />
erreichen. Fehlt er aber einer<br />
Konfliktpartei, so ist diese erheblich<br />
im Nachteil gegenüber<br />
jener, die über das System<br />
Kampfpanzer verfügt.<br />
Die Wirkung des Kampfpanzers<br />
zeigte sich 2014, als im ersten<br />
russisch-ukrainischen Krieg die<br />
russische Bataillonstaktische<br />
Gruppe erstmals das Gefechtsfeld<br />
betrat. Mit diesen relativ<br />
kleinen gemischten mechanisierten<br />
Verbänden, die über eigene<br />
Steilfeuerelemente auch<br />
mit Raketenartillerie verfügten,<br />
gelang es den russischen Streitkräften,<br />
große Erfolge zu erzielen<br />
und die Ausgangslage für<br />
den Krieg <strong>2022</strong> zu schaffen.<br />
Nur nebenbei sei erwähnt, dass<br />
eine solche Bataillonstaktische<br />
Gruppe ohne Kampfpanzer<br />
dabei nie eine Überlegung war.<br />
Vielmehr geht es bei dieser taktischen<br />
Formation darum, alle<br />
Mittel, die sonst erst ab Ebene<br />
großer Verband (Brigade) zur<br />
Verfügung stehen und eine<br />
operative Planung erfordern,<br />
eben bereits auf der taktischen<br />
Ebene zum Zusammenwirken<br />
zu bringen. Weiters sollte die<br />
Kommunikation durch kurze<br />
Wege und verbesserter Technik<br />
schneller werden. Die kurzen<br />
PANZER HABEN ZUKUNFT Das Bundesheer betreibt mit dem Leopard 2 ein schweres Panzersystem, das in der öffentlichen Diskussion immer wieder als zu teuer und taktisch<br />
sowie gefechtstechnisch veraltet kritisiert wird. Richtig eingesetzt können derartige Systeme aber auch auf modernen Gefechtsfeldern wichtige Rollen übernehmen.<br />
Wege erhöhen darüber hinaus<br />
die Resilienz gegen elektronische<br />
Kampfführung und erleichtern<br />
die Verschleierung und<br />
Abschirmung eigener Informationsflüsse.<br />
Dies ermöglicht der<br />
Bataillonstaktischen Gruppe<br />
schnelle und tiefe Vorstöße und<br />
diese wurden 2014 auch sehr<br />
erfolgreich geführt. Nach dem<br />
Verlust des halben Donbass<br />
und der Krim hat die Ukraine<br />
diese Niederlage allerdings<br />
sehr genau aufgearbeitet. Auch<br />
hier war die Abschaffung der<br />
Kampfpanzer keine Option.<br />
Allerdings galt es, die Panzerabwehrfähigkeit<br />
durch Eigenproduktionen<br />
im Bereich der<br />
Panzerabwehrlenkwaffen und<br />
Präzisionsmunition für die Artillerie<br />
sowie der Militarisierung<br />
von Kleinst- und Kleindrohnen<br />
zur Aufklärung und Bekämpfung<br />
erheblich zu verbessern.<br />
Die durchschlagenden Erfolge<br />
ab Kriegsbeginn <strong>2022</strong> wurden<br />
auch sehr geschickt mit einer<br />
bemerkenswerten Informationsoperation<br />
verbreitet und ausgenutzt.<br />
Hier zeigte sich, dass<br />
besonders handelsübliche oder<br />
aus handelsüblichen Teilen gebaute<br />
Drohnen sehr erfolgreich<br />
sind. Eine Gruppe, die sich<br />
Aerorozvidka nennt, hat seit<br />
2014 ein erhebliches Knowhow<br />
im Betrieb von Drohnen<br />
aufgebaut. Durch die Modifizierung<br />
veralteter Hohlladungshandgranaten<br />
vom Typ RKG3<br />
durch Finnen zur Stabilisierung<br />
in der Abwurfphase wurden<br />
die Drohnen zu fliegenden<br />
und präzise wirkenden Panzerabwehrwaffen.<br />
Aufseiten Russlands dürfte man<br />
durch die Erfolge von 2014<br />
eher weniger innovativ gewesen<br />
sein, da die taktische und<br />
operative Überlegenheit ja eindrucksvoll<br />
unter Beweis gestellt<br />
worden ist. Auch die Einführung<br />
neuer Waffensysteme wie<br />
die Armata-Fahrzeuge als T-14-<br />
Kampfpanzer oder T-15-Schützenpanzer<br />
wurden nicht mit<br />
Nachdruck verfolgt. Der Armenien-Aserbaidschan-Konflikt<br />
2020 wurde dann oft als Beginn<br />
des Drohnenzeitalters in<br />
der Kriegführung beschrieben<br />
und brachte die türkische Bayraktar<br />
TB2 ins Rampenlicht der<br />
interessierten Öffentlichkeit.<br />
Diesem System wurde die<br />
Fähigkeit zugeschrieben, das<br />
Zeitalter des Kampfpanzers<br />
endgültig zu beenden. Die Anfangserfolge<br />
der ukrainischen<br />
TB2 konnten das Narrativ noch<br />
verlängern, vor allem auch, weil<br />
die russische Flugabwehr und<br />
die elektronische Kampfführung<br />
anfänglich schwere Verluste<br />
erlitten. Inzwischen dürften die<br />
Russen aber zumindest in diesem<br />
Bereich erheblich besser<br />
aufgestellt sein. Dadurch zeichnet<br />
sich das Bild, dass Drohnen<br />
gefährlich sind, aber bei Weitem<br />
nicht das Ende des Kampfpanzers<br />
bedeuten.<br />
Zutreffend ist allerdings, dass<br />
Drohnen am Gefechtsfeld allgegenwärtig<br />
sind. Ein Negieren<br />
dieser Tatsache ist entweder<br />
realitätsfern oder unverantwortlich<br />
oder im schlimmsten Fall<br />
beides. „Drohnen sind immer<br />
und überall“ ist als erste Lehre<br />
auf der taktischen und gefechtstechnischen<br />
Ebene unbedingt<br />
festzuhalten. Neben dieser Erweiterung<br />
zeigt sich aber auch,<br />
dass alte militärische Grundsätze<br />
durch das Drohnenzeital-<br />
ter nicht aufgehoben wurden.<br />
Hier sei als Erstes die Logistik<br />
angesprochen. Der Versuch,<br />
Kiew einzunehmen, scheiterte<br />
nicht nur an der überheblich<br />
geplanten Luftlandung in Hostomel,<br />
sondern noch viel mehr<br />
an der fehlenden Treibstoffversorgung<br />
und dem Abschub von<br />
Schadgerät, sodass die Ukraine<br />
in der Lage war, seine Panzerbestände<br />
durch Beutefahrzeuge<br />
erheblich zu erhöhen. Manche<br />
Quellen gehen davon aus, dass<br />
die Ukraine trotz nicht unerheblicher<br />
Verluste heute über mehr<br />
Panzer verfügt als vor dem<br />
Krieg. Dies ist aber natürlich<br />
auch den Waffenlieferungen<br />
aus dem Westen zu verdanken.<br />
Weiters ist zu beobachten, dass<br />
Instandsetzungseinrichtungen<br />
200 bis 300 Kilometer hinter<br />
der Front arbeiten. Der Grund<br />
dafür ist der Schutz des hoch<br />
qualifizierten Instandsetzungspersonals,<br />
das auf beiden Seiten<br />
rar ist. Ohne eine operative,<br />
gut geplante und durchgeführte<br />
Logistik sind taktische<br />
Ziele nicht zu erreichen oder<br />
gewonnenes Gelände nicht zu<br />
halten. Daher hat der alte<br />
Grundsatz „Versorgung ist nicht<br />
alles, aber alles ist nichts ohne<br />
Versorgung“ weiter ungebrochen<br />
Gültigkeit. Nicht umsonst<br />
ist dies auch der Wahlspruch<br />
der Stabskompanie des Panzerbataillons<br />
14 und ziert den Kompaniewimpel.<br />
Augenscheinlich beim Angriff<br />
auf Kiew war auch das völlige<br />
Fehlen der Tarnung auf Kampfpanzern<br />
und anderen Gefechtsfahrzeugen<br />
sowie die extensive<br />
Nutzung von befestigten Straßen.<br />
Dies ist aber der falsche<br />
Schluss aus der Lehre „Drohnen<br />
sind immer und überall“. Jede<br />
Möglichkeit, sich feindlicher Beobachtung<br />
zu entziehen, ist zu<br />
nutzen. Auflockerung, Tarnung<br />
und Täuschung müssen geübt<br />
und Tarnmaßnahmen mit eigenen<br />
Drohnen überprüft werden,<br />
um Ableitungen für zukünftige<br />
Tarnsysteme treffen zu können.<br />
Damit ist neben der Gültigkeit<br />
über die Bedeutung der Versorgung<br />
ein zweiter alter Grundsatz<br />
weiter gültig: „Schweiß<br />
spart Blut“. Gerade die Erfahrungen<br />
der westlichen Armeen<br />
in friedenserhaltenden und<br />
stabilisierenden Einsätzen sind<br />
hier oft das erste Hindernis,<br />
das es zu überwinden gilt. Die<br />
Stellungswahl, das Tarnen und<br />
das Schanzen müssen wieder<br />
selbstverständlich sein, um<br />
den Drohnen die Aufklärung<br />
und Wirkung zu erschweren,<br />
sozu sagen als passive Drohnenabwehr.<br />
Durch den „Drohnenhype“ ist<br />
eine schon lange reale Bedrohung<br />
medial in den Hintergrund<br />
getreten: Die PAL<br />
(Panzerabwehrlenkwaffe) oder<br />
ATGM (Anti-Tank Guided Missile).<br />
Die rohrverschießbaren Varianten<br />
der Russen haben eine<br />
Reichweite von 4 bis 4,5 Kilometern<br />
und die ukrainische<br />
STUGNA erzielt sogar Treffer bis<br />
zu 5,5 Kilometer. Die STUGNA<br />
kann abgesetzt eingesetzt werden.<br />
Oft verfügen PAL-Truppen<br />
und -Gruppen auch über eigene<br />
Kleinstdrohnen zur Aufklärung.<br />
Dies macht sie noch<br />
gefährlicher. Eine Ebene darüber<br />
ist die Artillerie, die durch<br />
Präzisionsmunition einzelne<br />
Fahrzeuge effektiv bekämpfen<br />
kann. Die Ukraine ist hier sehr<br />
Foto: Panzerbataillon 14<br />
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