möbel kultur 10/22
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ZKZ 4937
10 I 2022
MAGAZIN FÜR DAS MÖBEL-BUSINESS
Mit neuem
Wohlgefühl
Leichtes Trading-up: So
reagieren die Discounter auf
die Preissteigerungen
Foto: Solitaire – eine Marke der BSH
Besser
als gedacht
Möbel- und Küchenmessen
machen der Branche Mut
KÜCHEN-TRENDS
VON LIVING
BIS OUTDOOR
Paidi: „Keine Zeit für Krise“
Porta: Das Beste aus zwei Welten
Graef: Nachhaltig in Arnsberg
Küchen Aktuell: Nr. 16 steht in Brühl
IFA: Impulse für den Urban Lifestyle
Oberfranken: Regionale Vorteile
TOP-THEMA/HERBSTMESSEN OWL
Viel besser
als erwartet
Nachhaltigkeit stand
bei Scapa im Fokus. Der
Hersteller aus Schweden
war zum ersten Mal auf der
M.O.W. und präsentierte
Polstermöbel und Betten.
Überraschend gut war die
Stimmung auf den diesjährigen
Herbstmessen in
Ostwestfalen. Denn trotz
der aktuellen Konsumzurückhaltung
der Verbraucher:innen
sowie der
Herausforderungen, die
explodierende Kosten mit
sich bringen, waren auf
den Ständen und in den
Showrooms überwiegend
zufriedene Hersteller anzutreffen.
Was die Branche im
diesjährigen Messeherbst
am meisten beschäftigt
und welche Veränderungen
anstehen, fasst die „möbel
kultur“ auf den folgenden
Seiten zusammen.
Fotos: M.O.W., möbel kultur
Eines ist klar: Auch wenn man
zum Start der Möbelmessen in
Ostwestfalen nicht wusste, wie
diese im Inflations- und Konsumrückgangsherbst
laufen würden,
können die Hersteller sicherlich
mehrheitlich ein positives Fazit
ziehen – so wie die M.O.W.. Im Vorfeld
bereits ausgebucht – es waren
510 Unternehmen aus 41 Nationen
auf der 85.000 qm großen Ausstellungsfläche
vor Ort – freuten sich
die Messemacher dann auch über
ein erfreuliches Besucherplus, Einkäufer:innen
aus so vielen Nationen
wie nie zuvor, eine hohe Besucherqualität
und gute Stimmung. Die
Gäste kamen aus 66 Nationen. Nach
Deutschland reisten die meisten
Besucher:innen aus den Niederlanden,
Belgien, Frankreich, Öster-
24 möbel kultur 10/2022
MCA Furniture-
Geschäftsführer Benjamin
Dobrott stellte das neue
Sortiment „Arc“ vor:
Die Tische und Stühle
werden in der
Türkei produziert.
Trotz der Kriegswirren im eigenen Land waren
einige ukrainische Hersteller nach Bad Salzuflen
gereist, um ihre Produkte vorzustellen.
reich, Italien, Dänemark und der
Schweiz an. Im vergangenen Jahr
verzeichnete die M.O.W. ein Fachpublikum
aus 54 Ländern.
Die Stammaussteller sowie die
europäischen Neuzugänge zeigten
sich mit ihrer Messeteilnahme sehr
zufrieden. Schließlich konnten sie
mit ihren Produkten und Sortimenten
Engpässe ausgleichen und Alternativen
zu problematischen Preislagen
und/oder Lieferausfällen bieten.
„Mit dieser M.O.W. haben wir
weitreichende Geschäftsgrundlagen
für 2023 bereitgestellt. Wir freuen
uns, wenn es der Branche gelingt,
die aktuellen Problematiken mithilfe
dieser Angebote und Kontakte,
wenn schon nicht aufzulösen, so
doch zumindest weitreichend zu
lindern, an die bisherigen Erfolge
anzuknüpfen und die Verbraucher
trotz Krisen stimmung weiterhin
fürs Wohnen & Einrichten zu
begeistern“, betonte dann auch
M.O.W.-Chef Bernd Schäfermeier.
Ähnlich gut war die Stimmung
auch an den übrigen Messe-Destinationen
der Region. Die Hersteller
hatten sich aber auch bestens vorbereitet,
präsentierten jede Menge
Neuheiten und auch echte Innovationen.
Händler und Verbände waren
trotz der enormen Herausforderungen,
die derzeit alle belasten,
in Orderlaune. Alle spürten, dass
der persönliche Austausch zwischen
Handel und Industrie gerade in diesen
Zeiten enorm wichtig ist. Thorsten
Hochscherf, Product Manager
bei Cotta betonte, dass die Branche
nach den Corona-Einschränkungen
Lust auf Messe habe. Und auch wenn
die aktuellen Unsicherheiten Sorge
bereiten, sei es ein posi tiver Aspekt,
„dass man miteinander spricht
und partnerschaftlich miteinander
umgeht.“ Paul Rom, der mit
seinem Unternehmen erstmals im
Informa-Zentrum ausstellte, sagte,
dass man in anspruchsvollen Zeiten
die Dynamik hochhalten müsse. Das
ist ganz bestimmt richtig. Wobei das
im mittleren gehobenen Segment
sicherlich leichter fiel, als beispielsweise
bei den Discountspezialisten,
die am stärksten unter den steigenden
Preisen leiden.
Welche Themen die Branche im
diesjährigen Messeherbst besonders
bewegten und prägten, zeigt die
„möbel kultur“ im Folgenden auf.
International wie nie
Besonders auffällig war 2022 die
hohe Internationalität: Wer hätte
gedacht, dass sich die Möbel messen
rund um Bad Salzuflen, Rietberg und
Co. immer mehr auch zu einer globalen
Drehscheibe entwickeln? Bei
der M.O.W. kamen über 60 Prozent
der Aussteller aus dem Ausland. Vor
einem Jahr waren es noch knapp
50 Prozent. Vorn dabei: Polen, die
MCA
Neue Beschaffungsmärkte
Möbel in Asien fertigen zu lassen, ist schwieriger
geworden angesichts steigender Transportkosten. Lange
Lieferzeiten und explodierende Containerpreise sorgen dafür,
dass viele Unternehmen inzwischen nach neuen Beschaffungsmärkten
in Europa Ausschau halten. So auch MCA
Furniture. Fündig geworden ist das Unternehmen in der
Türkei und präsentierte in Bad Salzuflen unter der neuen
Vermarktungsschiene „Arc“ erstmals Möbel von dort. Zwar
räumte Geschäftsführer Benjamin Dobrott ein, dass an der
Formensprache, an den Sitzqualitäten und Bezugstoffen
noch gefeilt werden müsse, doch grundsätzlich wurde die
Initiative vom Handel gelobt. Mit zwei Tisch- und einem Stuhllieferanten
soll nun konsequent weiterentwickelt werden.
Nächste Ergebnisse gibt es dann zu den Partnertage im März.
Lieferzeiten von drei bis vier Wochen machen das Engagement
höchst attraktiv. Gute Erfahrungen mit Lieferanten
aus Rumänien und Bosnien machte MCA Direkt bereits. Die
Branche wird sich also künftig an neue Herkunftsländer für
Möbel gewöhnen müssen. www.mca-furniture.de
10/2022 möbel kultur 25
TOP-THEMA/DISCOUNT
Bereits vor fünf Jahren hat Poco damit
angefangen, mehr in die Präsentation zu
investieren. In Hanau (Foto) wurde das Erscheinungsbild
sowohl indoor mit schicken
Wohnbildern als auch outdoor im schlichten
Anthrazit mit bordeauxroten Elementen statt
Rot- Gelb weiterentwickelt.
Discount mit
neuem Wohlgefühl
Eines der am meisten diskutierten Themen auf den vergangenen Herbstmessen
war, wie der Discountbereich auf die exorbitanten Preissteigerungen reagiert und
wie der Handel damit umgeht. Die „möbel kultur“ fragte in der Branche nach und
schaute sich neue SB-Konzepte an – mit aufschlussreichen Ergebnissen.
30 möbel kultur 10/2022
Dr. Johannes
Berentzen,
Geschäftsführer
der
BBE-Handelsberatung.
Foto: BBE
Interview mit BBE-Geschäftsführer Dr. Johannes Berentzen
SB kann jetzt profitieren
Gehören Discounter zu den Gewinnern oder Verlierern der Krise? Die „möbel kultur“ fragte
nach bei Dr. Johannes Berentzen von der BBE Handelsberatung. Der Experte sieht durchaus
Parallelen zwischen der Entwicklung der LEH-Discounter und den SB-Märkten der Möbelbranche.
Seiner Meinung nach wird der Discount konsequenterweise ein Trading-up vollziehen.
Foto: Poco
Natürlich leidet die gesamte
Branche unter den enormen
Kostensteigerungen aufgrund
explodierender Materialpreise,
Lo gistikkosten und der Energiekrise.
Doch das Discountsegment
ist von dieser Ausnahmesituation
sicherlich besonders hart getroffen.
„Die Industrie hat exorbitant
hohe Preissteigerungen und muss
diese letztendlich auch weitergeben,
mit der Konsequenz, dass sich Eckpreislagen
verändern werden und
müssen“, bringt es Thomas Stolletz,
Vorstandsvorsitzender von Poco, auf
den Punkt.
Doch diese logische Konsequenz
wird nicht von allen in der Branche
als zwangsläufige Folge gesehen.
Bernd Spilger, Geschäftsführer
des Wohncenters Spilger und des
möbel kultur: Herr Berentzen, wir waren gerade auf den
Herbstmessen unterwegs. Dort zeichnete sich ab, dass der
Discountbereich massiv unter Druck steht. Was kann der
SB-Handel jetzt tun, um Kauflaune zu wecken?
Dr. Johannes Berentzen: Diese Entwicklung war schon
in den vergangenen Corona-Jahren zu beobachten.
Denn im Schnitt wurde eher hochwertig eingekauft,
weniger im Discountbereich. Während der Pandemie
haben viele ihre Urlaubsbudgets stattdessen in
Garten und Haus bzw. Wohnung gesteckt. Profiteure
dieser Sonderkonjunktur waren vor allem der Fachhandel
und die großen
Wohnkaufhäuser. Das
hat den Druck auf den
Discountbereich in der
Vergangenheit tatsächlich
erhöht.
Nun hat sich das
Blatt gewendet: Inflation
und steigende Energiekosten
schmälern das
Budget vieler Verbraucher.
Wenn der SB-Handel
stärker auf seine Preispositionierung setzt und
mit einem günstigen Fachsortiment lockt, kann
er von den aktuellen Entwicklungen profitieren.
Analog dazu sind im LEH bereits Tendenzen zum
verstärkten Discounteinkauf zu beobachten. Das gilt
für den SB-Handel genauso wie für die Preiseinstiegssortimente
der Vollsortimenter.
möbel kultur: Wird es ähnlich wie im Lebensmittelhandel
ein Trading-up auch im SB-Möbelhandel geben?
Dr. Johannes Berentzen: Im LEH-Discount ist das
Trading-up schon von Beginn an immanent. Aus den
ursprünglichen Hart-Discountern sind inzwischen
Convenience-Discounter geworden, die sich durch
hohen Frischeanteil, hochwertige Ladenmöbel und
kundenorientierte Sortimente auszeichnen. Für
den SB-Möbelhandel nehme ich eine ähnliche Entwicklung
an – erste Tendenzen sind schon erkennbar:
Poco setzt beispielsweise mit seinem neuen
Markt in Hanau auf ein deutlich hochwertigeres
und moderneres Erscheinungsbild. Und auch Jysk
hat mit der Umfirmierung an vielen Stellen ein
Upgrade vollzogen.
möbel kultur: Wie müssen sich die Präsentation und die
Kundenansprache dann verändern? Welche Probleme
kommen speziell auf die Filialisten zu?
Dr. Johannes Berentzen: Die Kundenansprache darf weiter
stark auf Preisangebote setzen und auch die Präsentation
sollte einer Discountpositionierung nicht
widersprechen. Insgesamt ist sowohl in Ansprache
als auch Präsentation eine deutlich stärkere Vernetzung
mit der
digitalen Welt
empfehlenswert.
Insgesamt ist eine
deutlich stärkere Vernetzung
mit der digitalen Welt
empfehlenswert. Dr. Johannes Berentzen
Denn SB-Händler
haben im
Online-Geschäft
deutliche Vorteile
gegenüber so
manchem Großflächenanbieter:
Das Sortiment ist
begrenzt, es gibt
kaum beratungsintensive Artikel, Flatpack-Möbel
erleichtern den Transport und mit einem dichten
Netz an Filialen gibt es zahlreiche Ausliefer- bzw.
Abholpunkte. Das kann der SB-Handel stärker noch
nach außen transportieren.
möbel kultur: Welche Auswirkungen hat das auf den
gesamten Möbelhandel?
Dr. Johannes Berentzen: Der Online-Umsatz wächst
dynamisch weiter. Insgesamt sind dabei aber nicht
etwa die Pure-Onliner Wachstumstreiber, sondern
die etablierten stationären Händler. Bei kleineren
Mitnahmeartikeln und den margenstarken Fachsortimenten
gibt es jedoch teils deutliche Verschiebungen
zu Gunsten der Pure-Onliner. Insofern erhöht
sich der Druck für alle Filialisten: Die Flächenproduktivität
sinkt. Entsprechend versuchen Händler
die Konvertierungsrate zu erhöhen, ihre Produktpalette
zu erweitern und den Online-Kanal stärker
einzubinden.
RITA BREER
10/2022 möbel kultur 31
PERSÖNLICHANNE-LAURE BIGOT
Paidi-Geschäftsführerin Anne-Laure Bigot
„Keine Zeit für Krise“
Seit Mitte des Jahres steht die gebürtige Französin Anne-Laure Bigot als Vorsitzende der Geschäftsführung
an der Spitze von Paidi. Die „möbel kultur“ wollte von ihr wissen, was sie an Kindermöbeln reizt, wie der
Hersteller durch diese turbulenten Zeiten kommt und an welchen Stellschrauben sie jetzt drehen will,
um die traditionsreiche Marke fit für die Zukunft zu machen.
Frau Bigot, mit Produkten für Kinder
1 sind Sie bereits durch Ihre früheren
Tätigkeiten bei Geuther Kindermöbel
und Cybex in Berührung gekommen. Was
gefällt Ihnen an dieser Branche?
Anne-Laure Bigot: Zuvor war ich
zudem lange in der Sport branche
tätig. Und beides verbindet eine
sehr hohe Emotionalität. Bei einer
Fußball-Weltmeisterschaft sind
hierzulande plötzlich 80 Mio.
Deutsche Trainer, die jubeln, feiern
oder traurig sind. Und wenn ich an
Kindermöbel denke, dann weiß ich,
dass wir die Konsument:innen in
einem sehr emotionalen Moment
begleiten dürfen. Das finde ich
sehr spannend. Wenn das Babybett
gekauft wird, dann ist das Kind
meistens noch gar nicht geboren.
Jahre später, wenn das Kind in die
Schule kommt, fühlt es sich schon
sehr groß. Und das ist auch wieder
ein sehr berührender Moment
für die Eltern. Der nächste große
Schritt ist die Teenagerzeit. Und in
all diesen Phasen kann Paidi eine
Rolle spielen.
2
Was reizt Sie speziell an Paidi?
Anne-Laure Bigot: Zum einen habe
ich mein Leben lang für Marken
gearbeitet. Das hat mich schon
immer gereizt. Denn bei Marken
geht es nicht nur um ein Produkt
oder einen gewissen Service. Hier
wird eine Geschichte erzählt, es geht
um Identifikation und damit auch
wieder um Emotionen. Ich möchte
mit dem, was ich tue, einen Impact
auf die Menschen haben. Paidi ist
dafür prädestiniert, den Alltag von
Familien schöner zu machen. Zum
anderen bietet das Unternehmen
sehr viel Potenzial, insbesondere
im Hinblick auf die Internationalisierung
und die zielgerichtete
Ansprache unserer Zielgruppen.
Und Potenzial macht Spaß.
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Wofür steht die Marke Paidi heute?
Anne-Laure Bigot: Unsere hohe
und ziemlich einzigartige Expertise
macht uns so stark. Wir sind in
der Lage, Kinder von der Geburt an
bis sie von Zuhause ausziehen zu
begleiten. Und das in den beiden
Bereichen Schlafen und Kinderzimmer
sowie Schreibtische. Wir
wissen ganz genau, wie ein Babybett
funktionieren muss, wie nötiger
Stauraum geschaffen werden kann,
wie man Liegen für Jugendliche
fertigt und was Kinder brauchen,
um ergonomisch sitzen und lernen
zu können. Das ist eine geballte
Kompetenz, die es so nur selten
gibt. Darauf wollen wir uns künftig
noch mehr fokussieren. So lautet
auch unser Versprechen, bei dem
die Konsument:innen stets auf uns
zählen können.
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Wie wollen Sie die Stärken von Paidi
zu den Endkund:innen transportieren?
Anne-Laure Bigot: Als Paidi-Team ist
unsere Rolle und Verantwortung,
den Fokus auf unsere Endkund:innen
zu richten und all unsere Mühe
dafür zu verwenden, Eltern und Kindern
durch unsere Möbel das beste
Erlebnis zu bieten und Vertrauen
zu schaffen. Das beginnt mit der
Produktentwicklung und zieht sich
über den gesamten Lebens zyklus
der Produkte. Für das Babybett
„Felie“ haben wir beispielsweise
den optimierten Schlupfsprossen-
Mechanismus entwickelt, der im
Alltag das Einsetzten und Entfernen
der Gitter stäbe noch komfortabler
macht. Und neben den besten Ideen
bei der Produktentwicklung schauen
wir dann im zweiten Schritt, wo
und wie wir unsere Qualität und
unser Markenversprechen an unsere
Zielgruppe kommunizieren können.
Die Käufer:innen unserer Produkte
sollen wissen, dass sie sich auf
unseren Service viele Jahre lang verlassen
können, falls beispielsweise
nach einem Umzug die Beschläge
nicht mehr auffindbar sein sollten.
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In welchen Bereichen sehen Sie konkret
Entwicklungspotenzial?
Anne-Laure Bigot: Paidi ist in Deutschland
eine sehr starke Marke mit
einer großartigen Tradition. Auch
in der DACH-Region sind wir
bekannt und auf einem guten Weg.
Aber in weiteren Auslandsmärkten
sind wir nur weniger stark vertreten.
Beispielsweise in Frankreich
oder Großbritannien ist Paidi kein
Begriff. Das wollen wir ändern. Aber
auch z. B. in Asien sehen wir großes
Potenzial. Dort hat die Qualität deutscher
Produkte einen sehr hohen
Stellenwert.
Ein weiterer wichtiger Punkt
ist der, dass sich bei Produkten für
Kinder die Kundschaft immer wieder
erneuert. Wir müssen also immer
wieder sicherstellen, dass wir uns dort
präsentieren, wo uns die Eltern auch
suchen. Das heißt, wir müssen viel
digitaler werden und besser die Social
Media-Kanäle für uns nutzen. Auf den
Verkaufsflächen im Handel sind wir
heute sehr stark. Wir sind allerdings
nicht auf diesem hohen Level, wenn
es um die digitale Präsenz geht.
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Sind die Produkte denn für den Export
geeignet?
Anne-Laure Bigot: Im Grunde schon,
aber es gibt natürlich Unterschiede
in den einzelnen Märkten, allein
schon, wenn es um Maße geht. In
Deutschland ist ein Kinderbett in
der Regel 70 x 140 cm groß, in
Frankreich 60 x 120 cm. In China
wiederum müssen wir kleinere
Schränke anbieten, da in den Großstädten
Wohnfläche sehr viel teurer
ist als hierzulande. Ich nenne das
eine kulturelle Sensibilität, die wir
leisten müssen. Gleichwohl müssen
wir immer darauf achten, dass sich
Paidi überall auch wie Paidi anfühlt.
7
Wie kommt das Unternehmen durch
diese turbulenten Zeiten?
Anne-Laure Bigot: Zu Beginn der Pandemie,
als die Möbelhäuser schließen
mussten, haben wir, so wie alle
anderen, natürlich Probleme gehabt.
Gemeinsam mit den Handelspartnern
konnten wir aber sehr schnell
in puncto E-Commerce dazulernen.
Und es ist einfach so, dass sich die
Welt seit bald drei Jahren in einem
Krisenmodus befindet. Es gibt keine
Planungssicherheit, weshalb wir
permanent gefordert sind, sehr agil
mit den Umständen umzugehen.
Ich bin sehr stolz auf unser Team,
dass seine Energie trotzdem nicht
verloren hat. Erst letzte Woche sagte
ein Mitarbeiter zu mir: „Wir haben
keine Zeit für Krise“. Das hat mich
sehr beeindruckt. Den Satz finde
ich super. Das heißt, wir bleiben
innovativ und sind für Konsumenten
ebenso wie für die Fachhändler da.
8
Gleichwohl müssen Sie zum Beispiel
mit Preissteigerungen umgehen, die
im Grunde nicht zu kalkulieren sind.
Anne-Laure Bigot: Ja, das ist eine große
Herausforderung. Es ist uns enorm
wichtig, ein zuverlässiger Partner zu
bleiben. Wir wollen pünktlich liefern
ohne Abstriche bei der Qualität zu
machen. Das können wir uns als
starke Marke auch gar nicht leisten.
Dazu kommt, dass es bei Babymöbeln
wirklich ein Worst Case ist,
wenn diese nicht pünktlich geliefert
werden. Doch es bleibt schwierig.
Aktuell gehen wieder die Preise
für Schäume und Energie extrem
nach oben. Doch die Verkaufspreise
können nicht so stark steigen, denn
es bleibt immer noch ein Kinderbett,
dass wir verkaufen wollen.
22 möbel kultur 10/2022
Foto: Paidi
9
Wie gestaltet sich in Bezug auf Preiserhöhungen
derzeit der Austausch mit
den Handelspartnern?
Anne-Laure Bigot: Als sehr intensiv
(Lacht). Doch am Ende müssen
wir gemeinsam eine Lösung und
Preise finden, bei denen die Endkund:innen
noch mitspielen
können. Der Handel hat Verständnis
für unsere Situation, aber der
Druck ist hoch.
Welchen Stellenwert hat in dieser
10 ganzen Gemengelage jetzt noch
das ebenfalls sehr wichtige Thema
Nachhaltigkeit?
Anne-Laure Bigot: Bei uns einen
sehr großen. Allein schon, weil
wir Produkte herstellen, die sehr
langlebig sind. Dadurch, dass die
Produkte mitwachsen ist der Konsumentenzyklus
wirklich sehr lang.
Zudem fertigen wir bereits seit
Jahren klimaneutral.
Sie sind erst seit ein paar Mona-
bei Paidi. Was fällt Ihnen an
11ten
der Möbelbranche auf? Wie haben Sie
reingefunden?
Anne-Laure Bigot: Es ist eine sehr
spannende Branche mit großen
Playern. Interessant ist aber, dass
ich oft die einzige Frau am Tisch
bin. Das ist ein neues Erlebnis
für mich. Ich denke, das ist auch
für viele Gesprächspartner ungewohnt.
Es ist meine tiefe Überzeugung,
dass ein diverses Team
viel mehr Ideen kreiert und eine
höhere Dynamik aufweist, als ein
Team, dass aus Leuten besteht, die
die gleiche Geschichte, die gleiche
Kultur haben. Man braucht verschiedene
Talente und unterschiedliches
Know-how, um erfolgreich zu sein.
EVELYNE BECKMANN,
RITA BREER
www.paidi.de
10/2022 möbel kultur 23
VERBÄNDE
gegründet. Bis in die 1980er Jahre
hinein war es eine Polsterei, dann
hat mein Vater das Unternehmen als
Handelsgeschäft ausgerichtet. Ich
bin deshalb schon als Kind über die
Möbelmesse in Köln gerannt.
Mein Bruder ist Künstler und er
hat früh klargestellt, dass er kein
Interesse am Möbel-Business hat.
Mit meinem Studium in Bielefeld
und Hamburg habe ich mich darauf
sukzessive auf die Online-Kanäle
um, im kommenden Jahr werden
das etwa 30 Prozent der Spendings
sein. Bei unserer Digitalstrategie,
die wir mit unserem Berater Martin
Tappe verfolgen, schaffen wir es
auch als kleineres Haus mit Facebook,
Instagram, unserer Website
und dem Sales-Manager auf verschiedenen
Online-Kanälen präsent
zu sein.
Möbel Holtmann: Interview nach Umbau und Verbandswechsel
Sechs Richtige in
Obernkirchen
Oben: Julia Holtmann und Stefan
Kaiser leiten das Familienunternehmen
in vierter Generation. Unten:
Uwe Müller, Unternehmensberater
beim EMV, betreut Möbel Holtmann
und ist auch mit dem sechsköpfigen
Verkaufs-Team in Obernkirchen
bestens vernetzt – auf dem Bild ganz
unten ist er im Gespräch mit einem Teil
der Mannschaft (v.l.): Fred Eisenbach,
Martin Hölzer, Beate Kahre und
Uwe Müller.
Alles neu: 2021 war für Möbel Holtmann ein Jahr, in dem alles zusammenkam –
Umbau, Verbandswechsel und die anhaltende Pandemie. Doch das Familienunternehmen
hat es gestemmt und ist nun für die Zukunft als Local Hero an der Grenze
zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bestens aufgestellt.
möbel kultur: Frau Holtmann, Herr Kaiser,
Sie haben Ihr Möbelhaus Mitte letzten
Jahres komplett erneuert. Was waren
die Gründe?
Julia Holtmann: Es war ganz einfach in
die Jahre gekommen und wir wollten
es dann auch richtig machen. Da
die Paul Home Company, ein Wettbewerber
in unmittelbarer Nähe von
uns, das Geschäft aufgegeben hatte,
haben wir die Gunst der Stunde
genutzt und das Haus grundlegend
erneuert.
möbel kultur: Über welches Einzugsgebiet
sprechen wir bei Möbel Holtmann?
Stefan Kaiser: Wir profitieren von
unserer Lage direkt an der B65,
einer Durchgangsstraße zwischen
Minden und Hannover. Die Kreise
Schaumburg und Minden-Lübbecke
sind unsere Hauptwerbegebiete, wir
haben aber auch Ausreißer bis nach
Hannover oder Bielefeld und sogar
bis ins Sauerland, das liegt dann aber
an unserem privaten Netzwerk und
nicht weil wir dort werben.
möbel kultur: Möbel Holtmann ist ein
echtes Traditionsunternehmen.
Julia Holtmann: Ja, wir sind in der
Region verwurzelt, denn mein
Urgroßvater hat die Firma 1903
vorbereitet, die Nachfolge anzutreten.
Die Übergabe an mich war
ein fließender Prozess. Erst einmal
habe ich im JuWo-Bereich die
Verantwortung übernommen, um
mich zu beweisen. Mein Vater war
ein Unternehmer alter Schule und
eine Respektsperson. Wir haben die
Nachfolge aber zusammen sehr gut
hinbekommen, wie ich finde.
Stefan Kaiser: 2007 bin ich dann ins
Unternehmen gestoßen. Vorher habe
ich bei Bertelsmann gearbeitet. Seit
diesem Zeitpunkt führen wir Möbel
Holtmann als Doppelspitze.
möbel kultur: Wie ist die Aufgabenteilung?
Julia Holtmann: Ich verantworte den
Einkauf und den Verkauf und mein
Mann kümmert sich um das Marketing
und die Administration sowie
die kaufmännischen Aufgaben. Aktuell
haben wir 16 Mitarbeitende und
eine Verkaufsfläche von 5.800 qm.
möbel kultur: Wie werben Sie?
Stefan Kaiser: Für mich ist die beste
Werbung der persönliche Kontakt.
Ich kann gar nicht anders, als die
Leute, mit denen ich spreche, in
unser Haus einzuladen. Das wirkt.
Ansonsten bedienen wir das
ganze Spektrum und stellen auch
möbel kultur: Warum haben Sie 2021 auch
den Verband gewechselt?
Stefan Kaiser: Es kam vieles zusammen.
Die Paul Home Company hat nach 94
Jahren sehr überraschend zugemacht,
weil die Brandschutzauflagen nicht
mehr zu erfüllen waren. Wir haben in
dem Moment beim EMV angerufen,
weil wir das Sortiment schon immer
attraktiv fanden.
möbel kultur: Kannten Sie die Kollektionen
denn so genau?
Name: Nein, das nicht, aber wir
haben immer wieder von Kunden
gehört, wie schön die Möbel bei
der Konkurrenz gewesen sind. Erst
in den Gesprächen mit dem EMV
haben wir verstanden, dass es sich
um Konzeptionen handelt, die mit
vollständigen Vermarktungspaketen
auf die Fläche kommen. Das waren
für uns sechs Richtige im Lotto.
Die nächsten EMV-Häuser liegen
weiter entfernt: Möbel Hesse in
Hannover, Krause Home Company
in Hildesheim und die Berkemeier
Home Company in Beckum. Wir
haben hier viel Platz für die Vermarktung
der Kollektionen.
möbel kultur: Können Sie jetzt schon ein
Fazit ziehen?
38 möbel kultur 10/2022
Julia Holtmann: Die Vergleichbarkeit
ist angesichts der außerordentlichen
Umstände in den letzten drei Jahren
natürlich schwierig. 2021 war unser
Rekordjahr, aber auch jetzt haben
wir noch ein kleines Plus – und das
ohne Küchen. Was wir jetzt schon
sagen können ist, dass die Rentabilität
sich deutlich verbessert hat
und das ist natürlich die wesentliche
Kennzahl für einen Händler.
Stefan Kaiser: Die Familie hat seinerzeit
das Küchenhaus verpachtet und
im letzten Jahr schließlich verkauft.
Das Team nebenan macht einen
super Job. Das kommt unserem
Standort natürlich auch zugute,
denn die Verbraucher nehmen nicht
immer genau wahr, dass es sich um
zwei Unternehmen handelt.
möbel kultur: Welche Kollektionen laufen
hier am besten?
Julia Holtmann: Natura, dann Global
Family und dann kommt auch schon
Styles United. Nach Warengruppen
sind definitiv Polstermöbel unsere
stärkste Kategorie. Tisch und Stuhl
ist durch die EMV-Kollektionen stärker
geworden. Die Schlafen-Fläche
haben wir um ein Drittel verkleinert
und den Umsatz trotzdem gehalten.
Fachsortimente sind für uns nur Frequenzbringer,
jetzt bekommen wir
noch die Deko-Artikel aus den Kollektionen
hinzu, was wir begrüßen.
möbel kultur: Wie haben Sie die Pandemie
erlebt?
Stefan Kaiser: Es gibt Dinge, die wir
selbst nicht beeinflussen können.
Wir können unser Haus bestmöglich
aufstellen, Verkäufer schulen und das
Marketing optimieren, aber Pandemien
oder Kriege liegen außerhalb
unserer Handlungsfelder. Deshalb
bin ich bei all der gesellschaftlichen
Unruhe während der Pandemie relativ
ruhig geblieben, weil die Dinge
nicht in unserer Macht lagen. Das
fällt zugegebenermaßen einfacher,
wenn die Zahlen am Ende stimmen.
Julia Holtmann: Ganz so stressfrei war
es angesichts des Abverkaufs-Drucks
nicht. Wir hatten nicht viel Zeit, weil
wir uns dafür die Monate März und
April vorgenommen hatten – und
zu dieser Zeit war hier ein Lockdown
angeordnet. So mussten wir
uns dann die Bereiche nacheinander
vornehmen. Erfreulicherweise war
die Nachfrage nach Möbeln auch
im Frühsommer letzten Jahres sehr
hoch, sodass die Ware dann auch
ohne Probleme abfloss, auch weil wir
mit der Firma Chaar in diesem Punkt
sehr gut unterstützt worden sind.
Die Umgestaltung in Etappen
funktionierte aber auch nur deshalb
so gut, weil wir mit Nikola Soltwedel
eine Planerin an unserer Seite
hatten, die hier Top-Arbeit geleistet
hat. Das gilt für die Verbandsbetreuung
durch Vertriebs leiter Michael
Klessinger und unseren EMV-Unternehmensberater
Uwe Müller natürlich
erst recht.
möbel kultur: Und die Neueröffnung?
Stefan Kaiser: Als wir endlich öffnen
konnten, waren die Reaktionen sehr
positiv. Wir haben das tolle Feedback
bekommen, dass wir nun ein echtes
Erlebnis-Wohnkaufhaus geworden
sind. Und damit spreche ich nicht
von Bällebädern, Restaurants oder
sonstigen Dingen, die die Großfläche
zelebriert. Wir machen das, was der
Mittelstand leisten kann: Wir bieten
stimmige Wohn-Inspirationen und
eine kompetente Beratung.
möbel kultur: Was bleibt nun noch
anzupacken?
Stefan Kaiser: Das neue Image müssen
wir weiter schärfen und nach außen
tragen. Viele Kunden haben uns
schon neu kennengelernt, aber
längst nicht alle. Es ist auch noch
nicht alles stimmig. Die Fassade
muss ebenfalls neu gestaltet werden
und es gibt ein paar Flächen, die wir
noch optimieren müssen. Und auch
das alte Logo spiegelt nicht mehr
wieder, wofür wir stehen.
möbel kultur: Holtmann Home Company –
das würde ja gar nicht schlecht klingen.
Stefan Kaiser: Alles ist möglich. Das
haben wir doch wohl deutlich unter
Beweis gestellt. (Lacht.)
SASCHA TAPKEN
10/2022 möbel kultur 39
KÜCHE
Küchen Aktuell: Haus Nr. 16 ist in Brühl am Netz
Mit Sympathie im großen
Maßstab gewinnen
Südlich von Mannheim im Gewerbegebiet Brühl steht seit 7. September der 16. Küchen Aktuell-Fachmarkt.
4.500 qm groß und nach bewährtem Ladenbaukonzept gestaltet, setzt der Filialist weiterhin auf die Riesenauswahl
von 120 Küchen und bekannte Marken bis zum Erlebnis im 3D-Kino, um „Europas schönsten Küchenfachmarkt“
gegenüber dem Wettbewerb zu profilieren. Zugleich vollziehen sich hinter der Glasfassade Transformationsprozesse,
vom Mitarbeiter-Recruiting bis zur digitalen Organisation. Die „möbel kultur“ war vor Ort.
„Der schönste Küchenfachmarkt Europas steht ab jetzt in Brühl“,
behauptet Küchen Aktuell selbstbewusst. Nach der Eröffnung
in Hanau 2021 hat sich das Filialnetz weiter in Richtung Süden
ausgedehnt. Das Ladenbaukonzept ist fast identisch.
42 möbel kultur 10/2022
festhält. Ja, ein Wagnis sei das 16.
Haus schon mit Blick auf die Konsumschwäche,
die sich allgemein
abzeichnet, gibt Geschäftsführer
Claus Küpers im „möbel kultur“-
Gespräch zu. Aber die lange, teure
Planungsphase ließ sich auch nicht
so einfach stoppen. Gleichzeitig
glaubt er: „In schwierigen Zeiten
werden die Abstände zum Wettbewerb
am deutlichsten.“ Vorteile
rechnet er sich insbesondere bei
der Mitarbeiterbindung aus. Denn in
diesem Bereich hat das Management
in den letzten Jahren viel getan.
1.400 Beschäftigte hat das Unternehmen
(inklusive der Logistik-
center). 20 Verkäufer:innen und
40 eigene Monteure sind in Brühl
dazugekommen.
Künftig entscheiden die Mitarbeiter:innen
über Erfolg und Misserfolg,
so hat es Küpers schon vor
längerer Zeit erkannt und deshalb
wurde in den letzten Jahren viel in
ihre Qualifikation investiert. Wichtigster
Punkt ist die eigene Akademie
in Braunschweig. 140 Nachwuchskräfte
werden hier ausgebildet und
sichern zugleich die Zukunft des
Unternehmens. In der Erkenntnis,
dass sich der Fachkräftemangel so
am besten beheben lässt. Neben
einem neuen Entlohnungssystem
Groß und prächtig steht er da –
ein Palast wie ein Fels in der
Brandung, der allen Krisen
mit seinen gewachsenen Stärken
trotzt. Beim Redaktionsbesuch in
Mannheim-Brühl scheint die Sonne
und lässt das gerade fertiggestellte
Gebäude mit seinem Glasportal
besonders strahlen. Der Standort
im Gewerbegebiet – autobahnnah,
nicht weit entfernt vom nächsten
Küchenstudio und Möbel Höffner –
ist aus Frequenzsicht gut gewählt. Es
ist der bislang südlichste Pflock, den
Küchen Aktuell eingeschlagen hat.
Das 16. Haus nach der Gründung
in Braunschweig vor über 25 Jahren.
„Wir müssen hier vor allem
erst einmal Vertrauen aufbauen,“
erklärt Marketing-Geschäftsleiter
Marcus Wech, „weil den Namen
Küchen Aktuell hier noch keiner
kennt und wir zeigen müssen,
was in uns steckt.“ Darauf wurde
auch die Eröffnungswerbung ausgerichtet:
Neben den bundesweiten
Radiospots, die mit einer Persiflage
des Rabattwahns Aufmerksamkeit
provoziert, sowie den Anzeigen
in der Tagespresse wurden eigens
eine neue Image-Broschüre erstellt
sowie ein Video gedreht, das von der
Homepage aus schon einen ersten
Eindruck von Küchen Aktuell vermittelt
und virtuell durch das Haus
führt. Animiert durch einen Rundgang
einer Familie mit zwei Kindern,
die alle Besonderheiten jeweils
aus ihrer Sicht entdecken, und auch
vom Personal bekommt man schon
etwas zu sehen. Dem Zuschauer
begegnen die Marken „next125“,
Nolte bzw. erstmals „nolte neo“,
Team 7, Musterring und eine attraktive
Bora-Präsentation. Unter den
Themenwelten, die den 4.500 qm
Ausstellungsfläche Struktur geben,
sticht vor allem der „Loft“-Bereich
hervor, der für kreative bzw. ausgefallene,
aber bezahlbare Ideen
(u.a. von Bauformat/Burger) steht.
Dazu kommen spezielle Lösungen
wie zum Beispiel für den Hauswirtschaftsraum
mit unsichtbarem
Zugang und das große Center für
Stein, Keramik und Co. – denn nur
noch jede dritte Kommission hat bei
Küchen Aktuell eine Arbeitsplatte
aus einem anderen Material als HPL.
Im Ladenbau ist das Haus in Brühl
ein Ebenbild vom 2021 eröffneten
Hanauer Standort und auch in vielen
anderen Punkten stellt sich das
Déjà-vu von bestehenden Standorten
ein: das große Entree mit breitem,
zweiflügeligem Treppenaufgang zur
zweiten Etage, die Kaffeeinsel auf
dem Plateau und die offene Galerie
rundherum. Auch die gelbe Maxiküche
als Hin- und Hochgucker
darf nicht fehlen. Ein CI-Merkmal,
das zudem für die Blickachse über
die Länge des großen Foyers einen
Fixpunkt darstellt, so heißt es. Der
Empfangstresen vis-à-vis der Abteilung
für Küchenaccessoires wurde
moderner gestaltet. Lange bewährt
ist dagegen das 3D-Kino, das mit
der DiaCad-Technik im Vergleich zu
modernen VR-Brillen immer noch
mehr Qualität bei der Simulation
der Traumküche versprechen soll.
Drei Jahre hat es gedauert, bis
das Haus durch die Genehmigungsverfahren
und Projektierungs- und
Bauphasen durch war. Eine typische
Erfahrung. Bleibt dennoch die Frage,
warum Küchen Aktuell ausgerechnet
jetzt, allen Krisen und Unsicherheiten
zum Trotz, am Expansionskurs
Warum gerade in
diesen unsicheren
Zeiten ein neues Haus
eröffnet wurde? „Es
ist sicher der mutigere
oder sogar riskantere
Weg,“ gibt Gründer und
Mitgesellschafter Claus
Küpers (o.) zu. „Aber
wir folgen keinen wilden
Expansionsgelüsten.“
Links: Der Klientel
ebenso wie möglichen
Arbeitskräften in Mannheim
und Umgebung
stellt sich Küchen
Aktuell mit einem
neuen Imageprospekt
plus Vor-Ort-Video
vor – um zu zeigen, was
den „sympathischen
Küchengiganten“ von
anderen Anbietern
unterscheidet.
10/2022 möbel kultur 43
KÜCHENHERBST 2022
Alltagsnah und herzlich: Bei Neff gab‘s
Kräutersträußchen zur Begrüßung. Die Marke
zelebrierte anlässlich des 20. Geburtstags von
„Slide&Hide“ ihre Offenheit und zeigte, dass
die Küche heute wirklich mitten im Leben ist.
Noch mehr
Wohn-
Gefühl
46 möbel kultur 10/2022
Von der Kuschelküche bis zu nachhaltigen Innovationen:
Eine fast normale Messe lieferte rund um die ostwestfälische
Küchenmeile wieder jede Menge Input fürs Geschäft. Gerade
weil die Rahmenbedingungen aktuell nicht „normal“ sind,
war die Woche vom 17. bis 23. September ein wichtiges Event
für die gesamte Branche, das entsprechend gut besucht
war. Nicht nur um Produkttrends, Lieferzeiten und Preise zu
checken, sondern um Kontinuität und Orientierung in einer
undurchsichtigen Zeit zu erleben.
Endlich wieder Austausch – live und entspannt. So wie bei Häcker nahmen sich
viele Besucher:innen Zeit, die Trends und Kompetenzen der Hersteller zu erleben.
Viel Neues rund um Geräte, Ausstattung und Dienstleistung war wieder in der Area30 zu sehen
– angeheizt durch Stars wie Alexander Herrmann bei Haier, Sebastian Lege bei Oranier und
Tim Raue bei Samsung oder Bloggerin Yvonne Zahn. Für Zugpferd Bora (o.) war es der letzte
Auftritt vor dem Umzug in die eigene Location in Herford im kommenden Jahr.
Ein wertiges Ambiente strahlte das IDF34 mit seinen ganzjährigen Showrooms aus.
Mit dabei sind Aussteller wie u.a. Gutmann, Neolith, Swiss Krono und Technistone.
Neben den etablierten Hausmessen
an der Küchenmeile
A30 wetteifern inzwischen
sieben Messezentren um die Besucher:innen.
Umso bemerkenswerter,
dass sich im Großen und Ganzen
alle Beteiligten mit der Frequenz
zufrieden zeigten. Zuwächse gegenüber
den beiden letzten Jahren
erklären sich nicht zuletzt durch
mehr Aussteller in einzelnen Locations,
wie sie Architekturwerkstatt,
Gut Böckel oder IDF34 zusammenbrachten.
Auch die Area30 in Löhne
zog eine positive Bilanz, obwohl das
Niveau von 2019 nicht ganz erreicht
wurde. Auf 12.000 qm (über 80
Stände) und insgesamt 140 Aussteller
bzw. Marken gewachsen, konnten
hier immerhin über 12.000 Fachbesucher:innen
das durch die Pandemie
beeinträchtigte Vorjahr toppen.
„Von der guten Stimmung und
der starken Frequenz der Veranstaltung
gehen positive Impulse in
einen herausfordernden Markt“, so
betonte VdDK-Geschäftsführer Jan
Kurth die Bedeutung der Messe im
Küchen-Mekka Ostwestfalen vor dem
Hintergrund erschwerter Rahmenbedingungen
und der sich anbahnenden
Rezession. Denn gerade jetzt
darf eben eins nicht passieren: dass
die Unternehmen der Branche in
Lethargie verfallen.
Je nach Blickwinkel ergibt sich
auch aus den neuen Küchenkollektionen
ein Bild gemischter Gefühle.
Nach dem Motto „Schwarz ist das
neue Weiß“ verdunkelten sich
nun in fast jeder Ausstellung die
Fronten mitsamt der Ausstattung
bis aufs letzte i-Tüpfelchen. Eine
moderne Eleganz, die angestrahlt
durch Lichtakzente und aufgewertet
durch diverse Holz-, Stein-Kombinationen
oder Gold-Accessoires den
Look in jeder Preisklasse bestimmt
– bereit für die Homing-Gala. Aber
auch neue Naturtöne – Pastellfarben
wie Taupe oder Grün – kommen ins
Spiel und sorgen für eine behagliche
Wohn-Stimmung. Mit Pilastern und
Kränzen findet sogar der klassische
Countrylook – Inbegriff der Gemütlichkeit
– zu alter Form zurück.
Schick aber nicht übertrieben
gestylt lieferte die Branche also zur
Herbstmesse beste Voraussetzungen
für das Wellbeing in der Küche. Wie
viel Symbolik tatsächlich in den Farbund
Stilwelten steckt, sei dahingestellt.
Aber dass die Küche immer
mehr vom Understatement abrückt
und mal glamouröser oder mal auf
eher sanfte Art Charakter zeigt, ist
offensichtlich. Dazu passt auch die
Vielzahl der Regalsysteme und Vitrinen,
in denen präsentiert wird, was
man hat. Alles wird wohnlich perfektioniert,
bestimmt fürs Tradingup.
Interessant zu beobachten, wie
dabei Küchenhersteller immer mehr
zum Bad- und Wohnmöbelanbieter
werden. Auch dies mag zum Krisenausgleich
gehören.
Nach den unterjährigen Teuerungszuschlägen
stehen für 2023
nun weitere Preis-Anpassungen an,
die im Kern um 5 bis 8 Prozent
(aber auch schon mal mehr oder
weniger) ausmachen. Hierbei sind
nun vor allem die Energiekosten die
Treiber, während Materialengpässe
kaum noch eine Rolle spielen.
Trotz allem: Von Krisenstimmung
war auch diesmal rund um die
Küchenmeile nicht viel zu spüren.
Weil die inflationsbedingte Flaute
bis dato auch noch nicht richtig am
POS angekommen war. Nachfragerückgänge
gibt es zwar mittlerweile,
aber der Auftragsstau sorgt dafür, dass
gerade viele Küchenstudios noch alle
Hände voll zu tun haben. Und die
Industrie setzt durch den Nachfrageboom
teils schon jetzt ihre Liefertermine
bis ins nächste Jahr hinein.
SILJA BERNARD, SUSANNE KRAFT,
HEIKE LORENZ, KRISTINA TAPKEN
10/2022 möbel kultur 47
KÜCHENHERBST 2022
Das erste Mal im
„Marta“ Herford
kamen die 300 Gäste
des traditionellen
MHK Branchenabends
zusammen. Zusätzlichen
Gesprächsstoff
bot der Ex-Wirtschaftsweise
Prof.
Dr. Peter Bofinger (r.),
der anhand harter
Fakten erklärte, wie
ernst die Energiekrise
und die systemisch
gewordene Inflation
sind – aber auch
Chancen zur Bewältigung
beinhalten.
Wollen beide die Marke Haier pushen: CCO
Christian Burghardt (l.) und Starkoch Alexander
Herrmann (r.), der am Wochenende live bei
der Premiere in der Area30 auftrat.
Störmer lieferte im Forum26 einen Überblick über sämtliche Marken und die Weiterentwicklung von
Architecto. Christoph Fughe, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Störmer AG, Thorben Wiedemann,
Head of Sales, Aileen Wehmeyer, Leitung Systemkunden, und Vertriebsleiter Stephan Nolte waren mit
dem Echo sehr zufrieden.
Nicht nur Markus Schüller
erhofft sich durch die
automatische technische
Auftragskontrolle (TAK)
weniger Planungsfehler.
Schnittstellen zum Produktionssystem
gibt es mit
Carat, KPS und Winner.
Nach dem Geschäftsführerwechsel geht
es bei Carat dynamisch weiter. Die beiden
Chefs Andreas Joost und Andreas Günther
(v.l.) werden dabei durch die erfolgreiche
Frauenpower von Anita Kirchdorfer (M.)
in der Produktentwicklung unterstützt.
Wichtiges Thema auf Gut Böckel: der
Cloud-Service, der mit „CaratOne“ als
überall verfügbares Planungstool startet
und sukzessive ausgebaut werden soll.
„Nachhaltig ist für mich, wenn der Holzwerkstoffhersteller
für neue Dekore eine
Mindestlaufzeit angibt“, so Christian Reupke,
Geschäftsführer RWK Kuhlmann.
48 möbel kultur 10/2022
Das Vertrauen der Kund:innen
zurückzugewinnen, ist das oberste
Ziel von Michael Niem, seit September
Verkaufsleiter bei Gutmann.
Mit der CNA Group als Investor
und Premiumhauben wie das über
das Kochfeld per TFT-Display zu
bedienende Deckenmodell (o.) und
der „Umami“- Muldenlüftung (auch
mit Plasmafilter erhältlich) will er
hierzulande den Neustart schaffen.
talking
heads
„Es ist die Kombination aus dem, was man sieht
und fühlt plus das Wissen, es ist ein reines
Naturprodukt“, erklärt Elko Beeg, CEO von
Sachsenküchen, das durchweg positive Feedback
auf die Linoleumfronten.
Seinen letzten Auftritt bei Beko/Grundig hatte Mario Vogl auf Gut Böckel, hier mit Jessica
Schnabel (Public Relations) bei der Vorstellung des neuen „Split&Cook“-Backofens.
Start zur Deutschland-Offensive:
Dekker, Arbeitsplatten-Champion aus
den Niederlanden, hat mit Vertriebsleiter
Patrick Peters und Area Sales
Manager Timo Stiegler (v.l.) fachkundiges
Personal dafür.
„Nach der Restrukturierungsphase
geht es für uns jetzt nur noch nach
vorne“, versichert Andreas Beyerle,
Küppersbusch-Geschäftsführer für
Zentraleuropa (r.).
„Wir sind mehr als ein Leadportal,
sondern bieten eine ganz andere
Qualität, um Verkaufsprozesse anzubahnen,“
betonte KüchenAtlas-Chef
Sebastian Kiefer (ganz r.) angesichts
wachsender Konkurrenz.
„Die einzige Konstante ist der Wandel“:
Marta Botey, seit März Head Category
Management & Marketing DACH, stellte
neben zahlreichen Produktnews die
frische Franke-Markenidentität vor.
Souverän geht Melanie Thomann-Bopp (l.) nun als hauptverantwortliche Geschäftsführerin für
Nolte Küchen in die Zukunft. Andere Branchen haben ganz andere, strukturelle Probleme, gab sie
zu bedenken, und sieht in der Krise vor allem die Herausforderung für neue Ansätze. Bei Express
waren Heiko Maibach (r.) als neuer CEO und Nachfolger von Eckhard Wefing sowie Maren Schmitt-
Nolte aus der Familien-Holding (ganz r.) zu sehen.
10/2022 möbel kultur 49
KÜCHENHERBST 2022
trend
LIVING
WIRD
COSY
Wohnlichkeit auf Top-Niveau bieten Küchen der Premiummarke I-luminate, die Pronorm
in Lizenz produziert – 60 Partner gibt es bereits. Das Beleuchtungskonzept lässt die
hochwertige Rillenfront und die großen Vitrinenschränke einladend wirken.
Nobilia vermarktet Living-Möbel jetzt auch losgelöst von Küchen in acht
Linien und mit Furnplan einfach zu gestalten. Ganz neu im Portfolio sind
Couchtische, jeweils in zwei Größen. Bei denen mit Stauraum handelt es
sich im Prinzip um „umgedrehte Regale“. Der Fokus liegt auf Medienmöbeln
und Vitrinen.
Wohnlichkeit total! Bereits seit Jahren Top-Trend,
gewinnt die Verschmelzung von Küche und Living
noch stärker an Bedeutung – ob mit offenen
Wandregalen, indirekter Beleuchtung, goldschimmernden
Accessoires oder dem Country-Style.
Im Zuge dessen rückt Holz in den Fokus. Nach
dem Erfolg von Leichts „Bossa“-Front sind dabei
verstärkt vertikale Strukturen im Spiel: Die Rillen
im Holzfurnier schaffen einen besonders ästhetischen,
schlanken Look. Bei Häcker feierten sie
Premiere und werden – ebenso wie bei Ballerina
– in fünf Furnierschichten mittels eines präzisen
Pressvorgangs geprägt, Pronorm kombinierte versuchsweise
Längs- mit Querrillen, und Rotpunkt
verkleidet so nun auch die Nische. Sachsenküchen
zeigte eine „optische Rille“. Gleichzeitig
erweitern die Hersteller immer stärker ihr Leistungsspektrum.
So stellte Rotpunkt ein Ankleidezimmer
vor, Häcker ging mit einem Sideboard an
den Start und Nobilia bietet Couchtische, Vitrinen
und ganze Wohnsets. Abgerundet wird das
Angebot durch versteckte Hauswirtschafts- oder
Vorratsräume (u.a. bei Schüller und Leicht).
Seinen Country Style hat Schüller
kontinuierlich ausgebaut. Neu im
Programm sind u.a. ein Oberschrank-Abschlussregal
(r.), ein
luftiges Ansatz-Tischgestell und eine
Nischenreling. Ganz rechts: Häckers
Frontprogramm „AV 6023 GL“ wartet
mit einer edlen Rillenfront in den
Ausführungen Eiche- und Nussbaumelegant
sowie Eiche-Schwarz auf. In
dem Herstellungsprozess wird die
Holzwerkstoffplatte beidseitig mit
fünf Schichten Furnier belegt.
50 möbel kultur 10/2022
Es ist die Front in Loft Black
Oak, die die „Zeros VER SY“-
Küche von Rotpunkt so schick
aussehen lässt. Passend dazu
sind nicht nur Griffleiste oder
Stangengriffe in Schwarz
konzipiert, sondern auch
Handyhalter, Haken und weiteres
Zubehör des Nischenrückwandsystems.
Für extra viel
Stauraum hinter der dunklen
Holzoptik sorgen die „New
Dimensions“-Unterschränke.
trend
black to
normal
Schwarz zu sehen hat Hochkonjunktur! Nahezu
jeder Hersteller hat schwarze Modelle im Programm.
Bei Ballerina ist es schon die am meisten nachgefragte
Farbfamilie – neu hinzu kamen Jalousien
für Hochschränke. Bei Nobilia gibt es eine „Black
Edition“, die ebenso Jalousieschränke mit Mattglasfronten,
E-Geräte, Spülen, Armaturen und viele
Accessoires umfasst. Denn Schwarz für die Möbel
oder für die Armatur als Akzent reicht nicht mehr
aus. Auch die Kamine bei Dunstabzugshauben sowie
Zubehör von der Schrankausstattung bis zur Ablaufgarnitur
– gesehen bei Vogt – können gar nicht
dunkel genug ein. Vor allem durch unterschiedliche
Materialitäten in Kombination mit matten und
hochglänzenden Oberflächen – gekonnt inszeniert
von Lechner mit dem Naturstein „Nero Aracruz“ mal
poliert, mal mit markanter Strukturierung aus dem
„Day2night“-Programm – wird die Faszination für die
„unbunte Farbe“ noch lange andauern.
Um den Look zu
komplettieren, bietet
Gaggenau die Knebel
zum Kochfeld „CV
492“ nun auch in
Schwarz an. Ab 2023
kommt dies für die
gesamte Kochfeldserie
„Vario 400“.
Unten: Für seine „Urban“-Becken, die schon in Gold, Copper und Gun Metal zum Topseller wurden,
bietet Dekker neu die keramische PVD-Oberfläche „Sturdy Black“ an – die mit mattem Schimmer
besticht und besonders kratzunempfindlich und pflegeleicht ist, weil sie Wasser abperlen lässt.
Unten rechts: Schwarz und platzsparend hat der „LHOV“ von Elica Potenzial, die „Küchen-Gerätewelt“
zu verändern. Denn er verbindet Kochfeld, Backofen und Dunstabzug in einem einzigen Gerät.
10/2022 möbel kultur 51
KÜCHE/IFA-REPORT
Nach drei Jahren Pause hat sich die IFA
als weltweites Top-Ereignis der Consumer
und Home Electronics-Branche zurückgemeldet,
erklärte der neue CEO Martin
Ecknig auf seiner ersten Pressekonferenz.
Rund 161.000 Menschen
besuchten die Messe an den
fünf IFA-Tagen. Im Vor-Pandemie-Vergleich
war der Anteil der
Fachbesucher höher, aber insgesamt
war der Zulauf ebenso wie die Zahl
der Aussteller sehr viel schwächer
(2019: 1.900 Aussteller, 245.000
Besucher:innen). Zugleich sei
diesmal die Anzahl von Geschäftsabschlüssen
ungewöhnlich hoch
gewesen, so analysiert die Messe
das Feedback 2022. Für den neuen
CEO Martin Ecknig ebenso wie für
Dr. Sara Warneke, seit zwei Jahren
Geschäftsführerin beim Veranstalter
GfU, steht zumindest fest: Die
IFA hat sich nach drei Jahren Pause
als weltweites Top-Ereignis für die
Consumer und Home Electronics-
Branche zurückgemeldet. Zumal
die zum Teil immer noch geltenden
Pandemie-Beschränkungen (z. B.
zehn Tage Quarantäne für Chinesen
nach der Rückkehr) die Erwartungen
ohnehin gedämpft hatten.
Vor diesem Hintergrund sei
auch die Medienresonanz bei
mehr als 2.500 Journalist:innen
stark gewesen, die ihrerseits die
News rund um die Innovationen im
Smart Home von
Berlin in über 100
Länder verbreiteten.
Digitale Kanäle
wie IFA Virtual, die
neue IFA-App und die
Social-Media-Plattformen
stießen ebenso auf ein
großes Echo und erzielten mehr
als 1,6 Millionen Aufrufe. Die über
die IFA-Kanäle sowie durch Aussteller
und Keynote-Partner gestreamten
Videos erreichten mehr als 11,8
Millionen Aufrufe.
Auch Berlins Regierende Bürgermeisterin
Franziska Giffey zeigte
sich vom Erfolg der Messe als „eine
Art Leuchtturm“ überzeugt: „Die
Leitmesse mit ihren smarten Innovationen
und energieeffizienten
Technologien ist ein Motor für die
Wirtschaft und die Märkte weltweit.
Sie ist eines der Aushängeschilder
Berlins, nicht nur als Messe und
Kongress, sondern auch als führende
europäische Drehscheibe für
Innovation und Technologie.“
Positive Signale, die sowohl die
Veranstaltung an sich angesichts der
öffentlich gewordenen Divergenzen
über die Erwartungen von GfU und
Messethema mit viel Zukunftspotenzial: Sustainability. Wie sich Miele
darauf einstellt, erklärte der Nachhaltigkeitsparcours im Detail. Dass
auch die Zucht von Kräuter und Salaten in der eigenen Küche den CO2-
Abdruck senkt, war die Botschaft zu „Smart Grow“ von Bosch (l.).
74 möbel kultur 10/2022
Impulse für
den Urban
Lifestyle
Auch wenn es diesmal weniger Aussteller und Besucher waren: Aus Sicht der
Hausgerätebranche hat sich die IFA als Leistungsschau der Innovationen bestätigt.
Immerhin trafen die Topthemen Energiesparen, Nachhaltigkeit und smarter Komfort
den aktuellen Zeitgeist wie die Faust aufs Auge. Schillernd wie eh und je durch ihre
Showeffekte sowie angeheizt durch den Wettbewerb der großen Player europäischer
und asiatischer Herkunft lieferte die Berliner Messe vielseitige Impulse, um Lust auf
neue Technik auch in schwierigen Zeiten zu wecken.
Auch Connectivity bleibt Topthema. Highlight bei
Siemens war der smarte Backofen der „iQ700“-Linie
mit Bräunungssensor (o.). Das „Smart Kitchen Dock“
verbindet HomeConnect mit Alexa und Internet (r.).
Messegesellschaft stützt als auch die
Unternehmen der jeweiligen Branchen.
Wobei das Messe-Bild insgesamt
immer bunter wird, indem
die angestammte „braune Ware“
rund um Fernseher und Co. zugunsten
einer smarten Welt weicht, in
der alle Sparten der Technik von
Fitness trackern über Entertainment,
Gaming Equipment bis hin zu Hausgeräten
zusammenwachsen. Diese
Annäherung gilt letztlich sogar für
die beiden Megatrends im Bereich
der weißen Ware: Connectivity und
Nachhaltigkeit.
Besonders offensichtlich wird
dies beim Energiemanagement, um
das sich einige Marken nun verstärkt
bemühen: Während die Anschaffung
von Photovoltaik-Anlagen boomt,
kommt es erst recht darauf an, den
selbst produzierten Strom auch
zur besten Zeit zu nutzen. Bislang
gilt dies für Waschmaschine oder
Geschirrspüler. Über Dashboards
lässt sich der eigene Verbrauch kontrollieren
und optimieren. Wenn
nicht via Handy und Tablet, dann
eventuell über eigene Küchenterminals,
wie sie demnächst Bosch und
Siemens anbieten.
Daneben gewinnen KI und smarte
Vernetzung immer mehr Raum:
beim Starten der Geräte bis zu
Push-Nachrichten nach Programmabschluss,
bei sprachgesteuerter Türöffnung
oder der Überwachung mit
Kamera und Sensoren, um die Nutzer:innen
durch intelligente Assistenten
zu beraten oder gar völlig zu
entlasten. Auto-Dosierung optimiert
den Reinigungsmittelverbrauch,
die Kamera im Backofen misst den
Bräunungsgrad, im Geschirrspüler
erzieht sie zur perfekten Beladung
und im Kühlschrank kontrolliert sie
die richtige Lebensmittellagerung.
Künstliche Intelligenz, zunächst für
den Komfort gedacht, entwickelt
eine Art missionarische Sinngebung
– für die Umwelt und modernen
Lifestyle. Indes werden die TFT-Displays
immer größer, zeigen über
Icons und Fotos, was zur Auswahl
steht oder gerade aktiv ist, verkleiden
sogar die ganze Backofentür.
Knöpfe sind out, allenfalls erinnert
noch ein eingefräster Bedienring
an die traditionelle Herdbedienung.
Denn neben den smarten Funktionen
zählt auch die elegante Optik.
Dem gestiegenen Gesundheitsund
Ernährungsbewusstsein entspricht
das Thema Dampfgaren, das
meist in Kombigeräten von allen
Herstellern ausgebaut wird. Dampf
wird zudem in der Kühltechnik und
auch beim Geschirrspülen eingesetzt.
Selbstredend dass nun alle Geräte
leiser und sparsamer beim Stromund
Wasserverbrauch werden. Dazu
kommen immer mehr Recyclingansätze:
„Grüner Stahl“, biobasierte
Schäume und Kunststoffe sorgen nun
für einen möglichst geringen CO2-
Fußabruck und sind vor allem der
Anfang für den „grünen Kreislauf“.
HEIKE LORENZ
www.ifa-berlin.de
10/2022 möbel kultur 75
POLSTER
Hausmessen Oberfranken: Nachhaltigkeit im Fokus
Regionale Vorteile
Zufrieden zeigten sich die Aussteller der Hausmessen Oberfranken mit
der diesjährigen Veranstaltung. Vom 26. bis 28. September hatten sie
ihre Showrooms geöffnet, um dem Handel frische Inspirationen für
die kommende Saison zu liefern und mit neuen Entwicklungen der
Konsumflaute entgegenzuwirken. Die Verbände waren wie üblich vor
Ort. Die Zahl der Einzelhändler dagegen schwankte bei den einzelnen
Herstellern, was angesichts der Bemühungen sehr bedauerlich ist.
Die „Upper House Collection“ von
Rohleder wird in Partnerschaft mit
Saum & Viebahn vertrieben.
Signet hatte einen Querschnitt
durch sein Portfolio
in der Schuhfabrik in
Burgkunstadt inszeniert.
Für die Besucher:innen der
Hausmessen Oberfranken gab
es in diesem Herbst wieder
einiges zu entdecken. Denn neben
neuen Produkten und Erweiterungen
hatten die Hersteller ihre
Polstermöbel wieder emotional in
Szene gesetzt und auch das wichtige
Thema der Nachhaltigkeit in
den Fokus gestellt. Obwohl die
Unternehmen schon seit Jahren
umweltbewusst produzieren und
Nachhaltigkeit für sie eine Selbstverständlichkeit
darstellt, griffen sie
das Thema angesichts der aktuellen
politischen Entwicklungen erneut
auf. So hatten sich beispielsweise
Ponsel und Signet im Vorfeld der
Messen als „Klimaneutraler Möbelhersteller“
von der Deutschen
Gütegemeinschaft Möbel (DGM)
zertifizieren lassen. Koinor schloss
sich ebenfalls dem „Klimapakt für
die Möbelindustrie“ an. Aber auch
die übrigen Unternehmen produzieren
seit Jahren umweltbewusst
– und setzen auf regionale Partnerschaften.
So kommen viele Materialien,
die zur Fertigung eines Sofas
benötigt werden, aus der Region,
wie beispielsweise Bezugsstoffe von
Rohleder aus Konradsreuth. Dank
kurzer Transportwege ist das gut
für die Umwelt und sorgt vor dem
Hintergrund von Störungen in den
Lieferketten für Verlässlichkeit. Dieses
Engagement der Produzenten
stellt für den Handel einen großen
Vorteil dar. Schließlich kann dieser
mit Umwelt-, Emmissions- und
Starker Sedda-
Vertrieb vor Ort:
Silvano Unali,
Lutz Rodewald
und Vetriebsleiter
Herbert Strassl.
Changierende
und weiche
Stoffe sowie
Gelb- und Blautöne
waren
bei Ponsel ein
großes Thema.
Herkunftslabeln
die Qualität der
Möbel am PoS
wirkungsvoll darstellen
und erhält
gleichzeitig überzeugende
Argumente für die
Verkaufsgespräche. Denn auch wenn
das Konsumverhalten der Verbraucher:innen
aktuell eingetrübt ist,
legen sie doch zunehmend Wert auf
unbedenkliche Produkte, die keine
langen Wege hinter sich haben.
Welche hochwertigen Produkte
erfolgreiche Partnerschaften hervorbringen,
stellte u.a. Rohleder unter
Beweis. Die Weberei aus Konradsreuth
war in der Schuhfabrik bei
Signet zu Gast und präsentierte dort
die „Upper House Collection“ seiner
„Home Collection“, die in Zusammenarbeit
mit Saum & Viebahn vertrieben
wird. Bei der Linie treffen
Damast, Jacquard, Cordvelours und
Samt auf attraktive Farbwelten und
werden durch einen besonderen
Digitaldruck veredelt. Das Konzept ist
sehr gut angelaufen und wird mittlerweile
bei knapp 50 Exklusivpartnern
vertrieben. Um die Kollektion
auch auf den Verkaufsflächen optimal
in Szene zu setzen, wurden jetzt zwei
emotionale Dekopakete geschnürt.
Eine ganz besonderes Paket war
auch bei W. Schillig zu entdecken:
das „Polstersofa in a Box“. Dabei
handelt es sich um ein modulares
Sofaprogramm, das sich immer wieder
neu zusammenstellen lässt und
besonders schnell bei den Verbraucher:innen
ist. Denn der Versand
erfolgt in besonders auslieferungsfreundlichen
Paketen direkt ab Werk.
Mit Konsumentenfreundlichkeit
punktete auch Sedda. Im Mittelpunkt
seiner Ausstellung stand das
„Easy“-Konzept. In fünf Sekunden
verwandeln sich die Sofas der Kollektion
in ein vollwertiges Bett.
Gleichzeitig verfügen die Möbel
über einen hohen Sitz- sowie
Liege komfort und sind besonders
langlebig. „Wir fertigen bereits seit
20 Jahren nachhaltig – und das zu
100 Prozent in Österreich“, betonte
Verkaufsleiter Herbert Strassl.
Sabine Faber, Geschäftsführerin
von Ponsel, stellte ebenfalls die
Nachhaltigkeit in den Fokus. So
erhielt der Produzent im Rahmen
der Hausmessen seine Auszeichnung
als „Klimaneutraler Möbelhersteller“.
den Neuheiten
standen
Funktionen
sowie neue Stoffe
im Mittelpunkt.
Dynamisches Sitzen
war bei Koinor ein
Thema. Die im vergangenen Jahr
gelaunchte Serie „Yoko“ erhielt dabei
Zuwachs um ein weiteres Modell.
Seitlich angebrachte Touch-Sensoren
ermög lichen eine motorische Relaxfunktion.
Mitlaufende Armlehnen
gewährleisten dabei eine angenehme
Sitz- und Liegeposition, während die
separate Kopfteilverstellung einen
hohen Komfort darstellt.
Signet hatte seine Kollektion in
der Schuhfabrik in Burgkunstadt
vorgestellt und freute sich über jede
Menge Gäste. „Die Messe ist bei uns
sehr erfolgreich verlaufen. Auffällig
waren zahlreiche Besucher, die
wir bisher nicht begrüßen durften.
Nicht zuletzt auch ein Ergebnis
der gemeinsamen Messeeinladung
mit Bullfrog und Tommy M unter
der Überschrift ,Kurze Wege zum
Design‘“, resümierte Geschäftsführer
Thomas Schlosser. Neben
eigener Neuheiten rundeten die
Produkte weiterer fränkischer Produzenten
wie Kissen und Plaids von
Rohleder Home Collection, Leuchten
von „Licht Raum Funktion“
und Teppiche von MTM die Ausstellung
ab.
Auf einer Fläche von mehr als
4.000 qm und unter dem Motto
„Der Frühling belebt – der Herbst
inspiriert“ hatte Gutmann Factory
wieder zahlreiche inspirierende
Wohnwelten inszeniert. Dabei präsentierten
sich u.a. die drei loftigen
Themenwelten „Fabuloso“, „Crash“
und „Evolution“ mit besonderen
Stoffen und abwechslungsreicher
sowie moderner Formensprache.
Auf positive Resonanz stieß zudem
das „Trendhouse“, in dessen Rahmen
die Einrichtungsspezialisten
dem Handel zeigten, wie er emotionale
Inszenierungen auf 30, 60
oder 90 qm 1:1 umsetzen kann.
Alles in allem hatten sich die
Oberfranken damit wieder einmal
kräftig ins Zeug gelegt, um
dem Handel wichtige Werkzeuge
für ein abwechslungsreiches und
nachhaltiges Angebot sowie eine
inspirierende PoS-Gestaltung bieten
zu können.
„Unsere Vorlieferan-
ten befinden sich im Umkreis von
DORIS SCHMIDT
30 Kilometern“, fügte sie hinzu. Bei www.hausmessen-oberfranken.de
Gutmann Factory zeigte
auf seiner Hausmesse,
dass man auch auf
kleiner Fläche besondere
Inszenierungen
verwirklichen kann.
Eine rasante Lieferung ab Werk und ein komfortables Handling bei
der Zustellung garantiert „Sofa in a Box“ von W. Schillig.
„Yoko“ von Koinor verfügt
über eine motorische
Relaxfunktion. Bei der
Gestaltung lassen sich
zwei Bezüge kombinieren.
10/2022 möbel kultur 85
OUTDOOR
Die Lounge „Madeira“ von
Musterring verfügt über eine
umfangreiche Stoffauswahl.
Gardiente: Findet 2023 wieder im Juli statt
Selbstbewusster Zusammenhalt
Über 50 Marken präsentierten ihre neuesten Designs zur achten Ausgabe der Gardiente vom 4. bis 6. September im Messecenter
Rhein-Main in Hofheim-Wallau und zeigten dem Fachhandel zum Saisonende Produktneuheiten für das kommende
Jahr. Aufgrund von rückläufigen Besucherzahlen war bereits am zweiten Messetag die Termindiskussion für 2023 eröffnet.
Auch wenn die Gardiente wieder
ein hochwertiges Markenportfolio
bot, verzeichnete die
Messe einen Besucherrückgang im
Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. „Die
Anzahl der Fachhandelskontakte war
zwar rückläufig, das haben wir aber
angesichts der derzeitigen Umstände
im Fachhandel erwartet. Dennoch
haben uns die Aussteller bestätigt,
dass die Qualität der Einkäufer überzeugend
gewesen sei“, resümierte
Verena Westphal, Projektleiterin der
Gardiente.
Zukünftig will die Gardiente
ihren eigentlichen Terminslot im
Orderrhythmus der Branche wie
der in gewohnter Manier bespielen
und rückt im nächsten Jahr
selbstbewusst mit ihrem Termin
auf Anfang Juli vor. Mit angepasster
Tagfolge (montags bis mittwochs),
neuen Arealen und einem noch
zielgruppen gerechterem Markenportfolio
bietet die Gardiente vom 1.
bis 3. Juli 2023 ein bedarfsgerechtes
Orderformat mit Eventcharakter
für die Branche. Damit findet die
Messe nur zwei Wochen nach der
„spoga+gafa“ in Köln statt, die vom
18. bis 20. Juni über die Bühne geht.
Die klare Fokussierung der
Gardiente wird unterstrichen
durch einen Schulterschluss in der
Branche. Im kommenden Jahr planen
u.a. die Marken Musola, Musterring,
Outdoor Label, Schaffner,
Sieger, Solpuri, Stern und W.Schillig
im Outdoor-Living-Bereich ausschließlich
eine Messeteilnahme
auf der Gardiente.
Trotz der angespannten Marktsituation
zeigten die Aussteller eine
breite Angebotsrange. Neu auf der
Messe war unter anderem Musola,
die Outdoor-Marke des spanischen
Möbelherstellers Mobliberica. Die
hochwertigen Produkte reichen von
modularen Sofas über verschiedene
Tische mit Keramikplatte (bis 350
cm Länge) bis hin zu verschiedenen
100 möbel kultur 10/2022
Oben: Stern feiert in diesem Jahr sein
75-jähriges Bestehen und brachte zur Gardiente
Modelle in Kordelbespannung mit. So
wie die neue Bank der Linie „Odea“. Links:
Ausgesprochen wohnlich sieht die Outdoor-
Kollektion von W.Schillig aus. Bei den Stoffen
arbeitet der Hersteller aus Oberfranken mit
Rohleder zusammen. Rechts: Newcomer Big
Green Egg brachte seinen größten Kamado-
Grill mit. Sein Gewicht: 170 Kilogramm.
Stuhlgestellen mit einer großen
Farbpalette. Auch Musterring präsentierte
seine Outdoor-Linie zum
ersten Mal in Hofheim-Wallau. Erst
seit zwei Jahren mit Gartenmöbeln
am Markt, steht eine großzügige
Produktvielfalt zur Verfügung. Der
Clou: Während die Indoor-Modelle
bekanntermaßen nur Nummern als
Namen tragen, wurden die Outdoor-
Produkte nach Städten und Ländern
benannt. So wie beispielsweise die
Lounge „Madeira“. Das Gestell ist
in HPL oder in Robinie erhältlich,
massiv und punktet durch flexible,
umsteckbare Rückenlehnen. Dazu
hält Musterring eine große Auswahl
an Stoffen bereit. Das Thema
Loungemöbel ist weiterhin auf der
Messe weit verbreitet. Fast alle Aussteller
zeigten große Sofa- und Esslandschaften,
die das Wohnzimmer
ins Freie bringen. Aber auch Kordelbespannungen
liegen weiterhin im
Trend. So stellte Stern – feiert in
diesem Jahr 75-jähriges Bestehen -
in dem Bereich unter anderem eine
Erweiterung seiner „Odea“-Linie
mit Schaukelstühlen und Diningsofas
vor, die zur Liege umfunktioniert
werden können. Im Accessoire-
Bereich zeigte Rohleder mit seinen
Q2-Stoffen zum ersten Mal auf der
Gardiente Flagge. Blomus brachte
seine neue Outdoor-Leuchte „Rope“
mit, die durch eine Kordelspannung
sowie drei Lichtstufen überzeugte.
Heiß ging es auf dem Außengelände
her. Verschiedene Grill- und
Outdoor-Küchenhersteller zeigten
die unterschiedlichsten Raffinessen
ihrer Produkte live für das Publikum
– natürlich mit Kostprobe. Unter
anderem mit von der Partie waren
Big Green Egg, Outdoorchef und
Napoléon. KRISTINA TAPKEN
https://gardientewp.muveo.de
Unten links: Premiere feierte Musola
in Hofheim-Wallau. Der spanische
Hersteller ist seit fünf Jahren am
Markt. Daneben: Schaffner hatte
eine neue Farbe für seine Klassiker
im Gepäck: Bordeaux.
10/2022 möbel kultur 101
Lifestyle
Graef startete einen
Feldversuch zum Thema
Nachhaltigkeit. Danach
reduziert das frische Aufschneiden
von Lebensmitteln
am Stück den
Plastikmüll und auch die
Lebensmittelabfälle.
Interview: Mit Franziska Graef und Lukas Hense
Nachhaltig
weiter wachsen
Graef gehört eindeutig zu den Gewinnern der Pandemie. Das Unternehmen
aus dem sauerländischen Arnsberg nutzte die Zeit, um in
Sachen Nachhaltigkeit einen neuen Weg einzuschlagen. Darüber
und über die erste Küchenmaschine der Marke , die auf der IFA vorgestellt
wurde, sprach die „LifeStyle“ mit Marketingleiterin Franziska
Graef und ihrem Teamkollegen Lukas Hense.
Marketingleiterin Franziska Graef und ihr
Team kollege Lukas Hense im Restaurant „bei
Graefs“ an der Firmenzentrale in Arnsberg.
LifeStyle: Wie sind die zwei letzten Pandemiejahre
für Graef gelaufen?
Franziska Graef: Wir waren vorher schon auf
einem recht guten Wachstumskurs, der sich durch
die Pandemie, in der sich die Menschen auf ihr
Zuhause fokussiert haben, noch einmal extrem
beschleunigt hat. Wir hatten somit 2020 und
2021 eher Probleme, die Ware zu beschaffen. In
diesem Jahr befinden sich die Menschen im Krisenmodus,
weil niemand weiß, was noch auf uns
alle zukommt. Sowohl die schwierige Liefersituation,
als auch die geringere Nachfrage der Kunden
macht die Planungen schwierig. Wir glauben aber,
dass wir weiter auf Wachstumskurs bleiben, weil
unsere Zielgruppe für hochwertige Geräte weiter
Investitionen tätigen wird. Wie sich die Branche
allerdings entwickeln wird, ist völlig offen.
Lukas Hense: Wir haben auf jeden Fall festgestellt,
dass der Fertigungsstandort Deutschland
in diesen Zeiten von Vorteil ist.
LifeStyle: Was produzieren Sie hierzulande?
Lukas Hense: Bis auf eine Ausnahme fertigen
wir hier am Standort Arnsberg alle Allesschneider,
die das Umsatzgros ausmachen.
LifeStyle: Und die anderen Produkte kommen
aus Asien?
Lukas Hense: Genau. Wir arbeiten dort
mit vier Partnerfirmen, mit denen Graef
seit vielen Jahren sehr intensiven Kontakt
pflegt. Das Produktmanagement ist in
diesen Zeiten natürlich besonders gefordert.
Franziska Graef: Im Kaffeebereich beispielsweise
ist unsere Partnerfirma in Asien ebenso
ein Familienunternehmen. Uns kommt es darauf
an, dass unsere Partner auch zu unserer Marke
passen. Gleichwohl überlegen wir, ob wir künftig
noch mehr in Deutschland fertigen können, was
uns die Qualität unserer Marke erlauben würde,
immer vorausgesetzt, dass der Mehrwert auch
bezahlt wird. Hier versuchen wir, uns strategisch
neu aufzustellen.
LifeStyle: Während der IFA hatte Ihre erste
Küchenmaschine aus dem Hause Graef
P remiere. Warum gerade jetzt eine Küchenmaschine
aus Ihrer Feder und wie ist die
„MYestro“ angekommen?
Franziska Graef: Wir beschäftigen uns tatsächlich
bereits seit Längerem mit diesem Produktbereich
und haben nun anlässlich der IFA den
passenden Zeitpunkt zur erstmaligen Produktvorstellung
genutzt, da die neue Küchenmaschine
„MYestro“ im absatzstärksten, vierten Quartal und
somit passend zum Weihnachtsgeschäft im Handel
erhältlich sein wird. Eine Küchenmaschine
mit dem Fokus auf Brotteigzubereitung ist im Übrigen
für uns die perfekte Ergänzung zu unserem
Allesschneider-Sortiment. Das Feedback zur Maschine
auf der Messe war von Handel, Presse und
Verbrauchern durchweg mehr als positiv. Design,
Leistungsfähigkeit, Funktion und Ergebnis konnten
vollends überzeugen.
LifeStyle: Wo wird das Produkt produziert?
Lukas Hense: Die Maschine wird von einem
unserer, auf diesen Bereich spezialisierten, Produktionspartner
in Fernost gefertigt. Das Graef-
Produktmanagement hat den Entwicklungsprozess
engmaschig und intensiv begleitet.
LifeStyle: Der Markt für Küchenmaschinen
ist bereits gut besetzt. Was macht Sie so
sicher, dass das Produkt erfolgreich sein wird?
Franziska Graef: Wenn der Markt für
Küchenmaschinen auch gut besetzt ist, so passt
diese Kategorie doch sehr gut in den Graef-
Markenkern der Lebensmittelverarbeitung. Unsere
„MYestro“ besticht insbesondere durch ihre drei
Kernfeatures Laufruhe, Leistungsstärke und Langlebigkeit
– drei Argumente die seit jeher auch für
die Marke Graef stehen. Motortechnik und Antrieb
der „MYestro“ sowie die verarbeitbaren Teigmengen
sind für ihren Preisbereich einzigartig. Das
ausbalancierte Vollmetallgehäuse und das solide
110 möbel kultur 10/2022
Produktgewicht von 18 Kilogramm schaffen eine
einzigartige Standfestigkeit, die verhindert, dass
sich die Maschine vor lauter Arbeitseifer selbst von
der Küchenplatte knetet. In der Kommunikation
fokussieren wir uns auf das Thema Brotbacken
und die damit für Küchenmaschinen verbundene,
anspruchsvolle Teigzubereitung. Unsere „MYestro“
ist auch unter Volllast mit schweren Hefe teigen
und langen Knetzeiten bis zu 30 Minuten
jeder Aufgabe meisterlich gewachsen.
LifeStyle: Wird es künftig noch mehr Küchenprodukte
jenseits Ihres angestammten Terrains
geben?
Franziska Graef: Ja, wird es. Sie dürfen gespannt
sein.
LifeStyle: Mit Ihrer Aktion „Green Family“
haben Sie auf originelle Art auf das Thema
Nachhaltigkeit aufmerksam gemacht. Ist das
Ihr neuer Weg in Sachen Marketing?
Franziska Graef: Uns geht es gar nicht darum,
in erster Linie Produktmarketing zu machen,
sondern wir wollen als Familienunternehmen
gesellschaftliche Themen erörtern. Dass man mit
dem Allesschneider Wurst oder Käse schneidet,
war schon immer nachhaltig. Wir hatten im Vorfeld
schon analysiert, wie viel länger Lebensmittel
haltbarer sind, wenn man sie am Stück kauft.
Mit der Aktion wollten wir unsere Ergebnisse
transparent machen. Und dann kam die Idee,
Familien ausprobieren zu lassen und darüber
hinaus das Thema Genuss mit zu berücksichtigen.
Lukas Hense: Die Aktion kam extrem gut im
Handel an, so das Feedback unserer Vertriebsmannschaft.
Denn der Handel ist auf der Suche
nach uniquen, emotionalen Themen, die den
Endverbraucher am POS aufmerksam machen
und zum Kauf des Produktes überzeugen.
LifeStyle: Wie allumfassend ist Ihre Nachhaltigkeitsstrategie?
Franziska Graef: In vielen Bereichen
waren wir schon nachhaltig, ohne das wir das
selbst bewusst wahrgenommen haben, aber es
gibt auch Dinge, die man hinterfragen muss,
z. B. wie wir uns zukünftig aufstellen wollen, wenn
wir das Thema wirklich ernst nehmen. Das funktioniert
nur, wenn alle in einem Unternehmen an
einem Strang ziehen. Und so haben alle Mitarbeitenden
im ersten Schritt über 115 Maßnahmen
formuliert, die wir dann priorisiert haben. So hat
jetzt jede Abteilung ihre Aufgaben. Man merkt,
dass da eine ganz andere Motivation herrscht,
wenn die Mitarbeitenden selbst Ideen beisteuern.
Unser neuer Claim „Für heute. Für morgen. Für
dich“ soll unsere Strategie sowohl nach innen, als
auch nach außen transportieren. Es geht im Kern
darum, wie wir die Zukunft nachhaltig gestalten
und wie wir strategisch das Sortiment so anpassen,
können, dass es nachhaltig, aber auch individuell
ist. Daraus ergeben sich einfach schon so
viele Ideen, fast schon zu viele, um sie alle umzusetzen.
Wir holen uns in diesem Zusammenhang
auch viel Expertise von außen ins Unternehmen.
Lukas Hense: Mein Bruder ist Professor für
Umwelttechnik, insbesondere Kreislaufwirtschaft
und Ressourcenmanagement an der Hochschule
Bochum und berät uns in einigen Maßnahmen,
die wir angegangen sind und ausrollen wollen.
Er kann vertiefendes Feedback geben, was die
Kreisläufe dahinter angeht, egal ob es sich um
das Thema Recycling handelt, oder die Kommunikation
nach außen. Nur ein Beispiel: Wir haben
dem Transportweg zwischen Asien und Europa in
Bezug auf Nachhaltigkeit immer eine sehr hohe
negative Bedeutung beigemessen, obwohl der
Warenverkehr in der gesamten Kreislauf-Bilanz
nur einen kleinen Bruchteil ausmacht. Es ist ja
nicht nur der CO2-Ausstoß, der berücksichtigt
werden muss, sondern auch die komplette Wertschöpfungskette.
LifeStyle: Worum geht es konkret?
Lukas Hense: Beispielsweise um Materialien.
Wie können gerade im Kunststoffbereich
Recyclate verwendet werden? Oder kann man
vielleicht bei der Verpackung Styropor durch
Kartonage ersetzen? Es ist für jeden eine Herausforderung,
Konsum und Nachhaltigkeit in
Einklang zu bringen. Das Unternehmen muss
wachsen, weil wir eine Verantwortung gegenüber
den Mitarbeitenden hier im Sauerland haben,
gleichwohl soll auch dies nachhaltig passieren.
Franziska Graef: Langlebigkeit und Reparierfähigkeit
von Geräten sind ebenso wichtige
Aspekte in Sachen Nachhaltigkeit. Was kann man
z. B. mit Altgeräten tun? Könnte man eine neue
Serie daraus konstruieren? Reparierfähigkeit und
Langlebigkeit haben einen hohen Impact bei den
Endkund:innen.
LifeStyle Der Knackpunkt ist dabei, dass der
Service auch bezahlt werden muss, sonst kann
es nicht funktionieren.
Franziska Graef: Es ist Fluch und Segen zugleich,
langlebige Produkte herzustellen. Unser
Weg geht ganz klar über Innovationen, nach dem
Motto, ich kaufe mir eine neue Küche und möchte
mir dann ein neues, passendes Gerät zulegen,
gebe dann das alte Gerät in den Kreislauf zurück,
und so könnte ebenso etwas Neues entstehen.
Lukas Hense: Ein kleines Projekt ist z. B., den
Lebenszyklus eines Produktes zu verlängern, indem
wir Wartungspauschalen anbieten. Kund:innen
haben damit die Möglichkeit, ein Gerät auch
nach der Gewährleistung innerhalb von vier bis
fünf Tagen reparieren oder warten zu lassen.
LifeStyle: Was sind Ihre nächsten Pläne?
Franziska Graef: Wir wollen im nächsten Jahr
ein Nachhaltigkeitsforum einrichten, das jährlich
stattfinden soll. Dort wollen wir zeigen, was wir
schon erreicht haben und vor allem Experten
einladen, um das Thema Nachhaltigkeit weiter
nach vorne zu entwickeln. Nur zu sagen, wir sind
CO2-neutral, wir sind nachhaltig, wir nutzen den
und den Strom, damit ist es ja nicht getan. Unser
Ziel ist es, eine jährliche Expertise auch für die
Branche zu schaffen.
RITA BREER
Oben: die neue Küchenmaschine
„Myestro“,
die zur IFA in Berlin neu
vorgestellt wurde. Die
Allesschneider (Foto darunter)
werden in Arnsberg
gefertigt.
FACTS + FIGURES
Unternehmen
Gebr. Graef GmbH & Co. KG,
Donnerfeld 6, Industriegebiet Bergheim,
59757 Arnsberg
Geschäftsführung Hermann Graef und
Andreas Schmidt.
Vertriebsleitung: Johanna Graef-Krengel,
Marketingleitung: Franziska Graef
gegründet 1920
Mitarbeitende 160
Produkte über 200
Genusswelten Sliced Kitchen,
Coffee Kitchen, Deli Kitchen,
Professional Kitchen
Claim Für heute. Für morgen. Für dich.
www.graef.de
10/2022 möbel kultur 111
1
360°-Vermarktung
für die exklusive
Handelsmarke Interliving
Viele wollen’s
Zum Faktencheck