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moneyeditorial
EDITORIAL
Die Chance
für Geduldige
Ein großer Streitpunkt derzeit unter den Aktienexperten: Ist der jüngste Kursanstieg
letztlich doch wieder nur eine Bärenmarkt-Rally? Aber selbst die
allermeisten Skeptiker befinden, dass Anleger jetzt anfangen können, ausgewählte,
sehr stark nach unten geprügelte Qualitätswerte ins Depot zu nehmen
(siehe dazu auch Titel ab Seite 8).
Zwar gibt es noch Warnungen, etwa die eines Strategen des US-Research-Hauses
Stifel, Anleger stünden beim US-Leitindex S&P-500 wegen immer teurerer
Energie im Rohstoff-Bullenmarkt vor einem verlorenen Jahrzehnt. Der Stratege
räumt indessen ein, dass die Gewinne der Unternehmen weiter steigen würden,
aber wegen der hohen Energiepreise werde Aktien auch mittel- und langfristig
nur noch ein halb so hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis zugebilligt wie noch in den
guten letzten Aktienjahren.
FRANK MERTGEN
stellv. Chefredakteur
FOCUS-MONEY
Acht Prozent mit US-Aktien?
Das Lager der Optimisten hat jedoch deutlich mehr Zulauf.
Bleiben wir mal bei amerikanischen Häusern. Das Gute am 25-Prozent-Abstieg
des US-Aktienmarkts in diesem Jahr liegt darin, dass das Risiko eines verlorenen
Jahrzehnts gesunken ist, schreiben selbst die notorischen Bären der Bank
of America, die kurzfristig weiter zu den ausgesprochenen Pessimisten gehören.
Das langfristige Bewertungsmodell der US-Großbank deutet auf eine jährliche
Rendite von sechs Prozent im Lauf der nächsten Dekade hin. Das würde einen
Stand von 6500 Punkten beim S&P-500 im Jahr 2032 bedeuten.
Es kommt sogar noch besser: Eine Dividendenrendite von im Schnitt zusätzlich
zwei Prozent würde die Gesamt-Aktienrendite über die nächsten zehn Jahre
sogar auf acht Prozent hieven.
„Dax in vier Jahren bei 17 500 Zählern“
Auch die Experten von J.P. Morgan Asset Management werden beim Update der
langfristigen Renditeannahmen für den Kapitalmarkt im November über „einen
signifikanten Anstieg der langfristigen Ertragserwartungen“ berichten, wie bereits
vorab angekündigt wurde.
Zuversicht für die längere Frist findet sich auch in deutschen Prognosen.
Beispiel – der mittelfristige Ausblick der Helaba: Die Landesbank sieht
den Dax am Ende dieses Jahres bei „nur“ 13 500 Punkten, dann aber
den deutschen Leitindex bis Ende 2026 auf 17 500 Punkte weitersteigen,
immerhin ein Plus von knapp 30 Prozent gegenüber der
Prognose der Bank für Ende 2022. Der Euro-Stoxx-50 soll Ende
2026 bei 4500 Punkten notieren und der S&P-500 rund 5100
Zähler erreichen.
Ihr
Aus aktuellem Anlass!
Lesen Sie FOCUS-MONEY bequem zu Hause
Liebe Leserinnen und Leser,
die Inflation hat in Deutschland und auch im Durchschnitt der
Euro-Zonen-Länder zweistellige Werte erreicht. Bange blicken
die Börsianer auf die Notenbanken: Stürzen diese jetzt mit weiteren
verspäteten, aber besonders großen Zinsschritten die Volkswirtschaften
in eine tiefe Rezession? Oder stoppen sie die Zinserhöhungen
doch schneller als bislang angekündigt? Und was heißt das für die Märkte
und die Aktienkurse? Mein Tipp: Sie erfahren alles Wichtige in FOCUS-
MONEY. Den portofreien Kombi-Bezug (Print und Digital) für 1 Jahr erhalten
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FOCUS-MONEY 45/2022
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3
moneyinhalt
2. NOVEMBER 2022 www.money.de
8
Viele 50-Prozent-Chancen
An den Börsen haben oft noch die Pessimisten
das Sagen. Doch so manche Aktie bietet viel
Qualität zu Discountpreisen. FOCUS-
MONEY präsentiert clevere Strategien mit
Chancen von 50 Prozent und mehr
50
Stahlharte Zeiten
Männlich, markant, sportlich, elegant
– und dabei äußerst hart im Nehmen.
Moderne Chronometer mit Gehäusen
und Armbändern aus Stahl liegen voll
im Trend. Ausgesuchte Modelle, die
mit der Zeit gehen
moneykompakt
6 Economic Experts Survey: Niklas
Potrafke über Anforderungen an
die deutsche Wirtschaftspolitik
7 Das kaufe ich jetzt: Gerresheimer
bekräftigt Prognose für 2022
7 Chart der Woche: Gasspeicher in
Deutschland bereits nahezu voll
7 Hit & Shit: Puma sprintet sagenhaft,
Adidas stolpert schwer
98 Andis Börsenbarometer: Warum
Zahlen vom US-Arbeitsmarkt die
Weltbörsen immens beeinflussen
moneytitel
8 Börsenstrategie: Trotz vieler
Horror-Szenarien. Peter E. Huber
zeigt sich bei deutschen Aktien
langfristig überaus optimistisch
14 Schnäppchen: US-Papiere sind
trotz Kursrutsch noch teuer. Sechs
Top-Werte im Sonderangebot
18 Deutsche Aktien: Antizykliker mit
40 Prozent Kurschance und mehr
21 Chartsignal: Bodenbildung beim
Dax-Kurs-Index als Trading-Chance
21 Börsenwissen: Gold – Fakten, mit
denen Sie richtig glänzen können
22 Europäische Aktien: Sie wurden
bislang schwer gebeutelt. Top-
Titel mit viel Return-Fantasie
26 Telekommunikation: Technologie-Upgrade
bringt mehr Geschäft.
Deutsche Telekom profitiert
29 Kolumne: Roland Koch über den
Bundeskanzler als störrischen
Außenseiter
moneymarkets
30 Dividendenaktien: Was sie so
wertvoll macht – und wie jetzt
Investoren am besten einsteigen
34 Aus Alt mach Neu: Das Recycling
knapper Inhaltsstoffe ist ein Muss.
Die 1-a-Profiteure dieses Mantras
44 Deere & Company: Reiche Ernte
dank Hunger nach Agrarprodukten
46 Interview: Ziegert-CEO Kyrill K.
Radev und Beirat Otto Schily über
die Lage am Immobilienmarkt
50 Uhren-Special: Zeitlos schöne
Zeitmesser aus beständigem
Stahl ohne Lieferschwierigkeiten
4 Titel Composing: FOCUS-MONEY
Inhalt: Illustrationen: Shutterstock, Depositphotos Fotos: Tag Heuer, iStock, Bloomberg FOCUS-MONEY 45/2022
34
Kreislaufwirtschaft, klar doch!
Was hinten rauskommt, geht vorn wieder rein.
Angesichts knapper Rohstoffvorräte ist Recycling heute
das Gebot der Stunde, um Wirtschaftswachstum zu
garantieren – und gleichzeitig das Klima zu schützen.
Welche Unternehmen vom Recycling-Boom profitieren
55 Musterdepots: Nicole Sperch
setzt weiter auf die Deutsche Börse
56 Diabetes: Aussichtsreiche Titel im
Kampf gegen die Volkskrankheit
moneydigital
38 Highlights: Weltwirtschaft zwingt
Halbleiterproduzenten in die Knie
39 Aktienanalyse: Egal, ob Windrad
oder Akku – sie brauchen Kupfer.
Wie Aurubis bewertet ist
41 Kleingeldhelden: Hava Misimi zur
Initiative „Femance Finanzen“
42 Mission Money: Warum der Kurs
der EZB große Sorgen bereitet,
erklärt Otmar Issing im Interview
dswanlegerschutz
59 Delisting: Minderheitsaktionäre
könnten zum Spielball werden
59 Expertentipp: Interessante Hintergründe
zum Ethereum-Merge
moneyservice
60 Bonusprogramme: Top-Offerten
der Krankenkassen für Familien,
Kinder, Erwachsene und Babys
66 Baufinanzierung: Welche Banken
und Vermittler aus Kundensicht
einen fairen, guten Service liefern
72 Nachhaltigkeit: Bei welchen
Firmen aus der Finanzbranche das
Thema bestens aufgehoben ist
moneyanalyse
81 Fonds
82 Deutsche Aktien
90 Internationale Aktien
96 ETFs
97 Zertifikate
moneyrubriken
3 Editorial
80 Leserbriefe – Impressum
98 Termine
30
Schwein gehabt
Gerade wenn die Börsen Achterbahn
fahren, erweisen sich Dividendentitel
als stabiler, zuverlässiger Schutzschirm.
Worauf Anleger bei der
Auswahl der Papiere achten sollten
42
„Die EZB hat die Lage bei der Inflation
offenbar nicht unter Kontrolle“
OTMAR ISSING, EHEMALIGES DIREKTORIUMSMITGLIED DER EZB
UND PRÄSIDENT DES CENTER FOR FINANCIAL STUDIES
FOCUS-MONEY 45/2022
5
SCHLECHTE ZEIT
moneytitel
BULLE ODER BÄR: Die
Pessimisten haben derzeit
an der Börse das Sagen
BÖRSENSTRATEGIE
Der erfahrene Börsianer, Vermögensverwalter und Fondsmanager Peter E. Huber macht derzeit
bei deutschen Aktien zahlreiche langfristige Kaufchancen aus. Ein Plädoyer gegen Pessimismus
von BERND JOHANN
US-Börsenlegende Warren Buffett gab Investoren
einige Faustregeln mit auf den Weg, um ihr
Vermögen zu vermehren. Zwei davon lauten:
„Kaufe einen Dollar, aber bezahle nicht mehr
als 50 Cent.“ Und: „Sei ängstlich, wenn andere
gierig sind, und sei gierig, wenn andere
ängstlich sind.“ Peter E. Huber, Fondsmanager beim Bad
Homburger Taunus Trust, erinnert an diese zwei Aussagen,
wenn er über seinen Fonds Huber Portfolio spricht. „Als an-
tizyklischer und wertorientierter Investor“, wie er sagt. Dabei
kann er 50 Jahre Börsenerfahrung und sein Wissen als
Gründer und Vorstand der PEH Wertpapier AG sowie darauffolgend
als langjähriger Vorstand des Vermögensverwalters
StarCapital einbringen.
Die Gelegenheiten, auch an der deutschen Börse einen
Euro für 50 Cent zu kaufen, dürften in der nächsten Zeit um
einiges zunehmen. „Viele Aktien sind inzwischen überdurchschnittlich
abgestraft“, meint Huber. Und die Stimmung
8 Illustration: iStock
Composing: FOCUS-MONEY
FOCUS-MONEY 45/2022
edarf aktuell wohl kaum eines Kommentars. Sie ist so im
Keller wie seit der Finanzkrise vor 13 Jahren nicht mehr.
Nach Buffetts Regeln ist es also langsam Zeit, sich auf die
Käuferseite zu schlagen. Das meint auch der alte Börsen-
Fahrensmann Huber: „Wir befinden uns dank der vielen Krisen
in einem Umfeld, das zahlreiche langfristige Kaufchancen
für deutsche Aktien eröffnet“, stellt er klipp und klar fest.
Die dunkle Grusel-Liste. Tatsächlich kumulieren die Gründe,
die vor allem der Börse hier in Deutschland zusetzen: die
weltweit mit höchsten Strom- und Energiekosten, insbesondere
bei Gas. Unternehmen mit hohem Energieverbrauch
können in Deutschland nicht mehr international wettbewerbsfähig
produzieren. Der Anstieg der Erzeugerpreise erreichte
im August und im September mit 45,8 Prozent gegenüber
Vorjahr ein bis dahin nie gekanntes Niveau.
Konsum- und Geschäftsklima sind in freiem Fall. Millionen
private Haushalte befinden sich in einer prekären finanziellen
Lage. Konjunkturell droht eine schwere Rezession.
Gleichzeitig steht die Europäische Zentralbank (EZB) mit
dem Rücken zur Wand, kann nicht helfen, sondern muss in
dieser Situation die Zinsen erhöhen, um die Inflation nicht
noch weiter anzuheizen. Und durch eine verfehlte Sanktionspolitik
gegenüber Russland hätten wir uns endgültig den
Ast abgesägt, auf dem wir sitzen, meint Huber. „Die deutsche
Wirtschaft wird an die Wand gefahren“, befürchtet er.
Kaum besser sieht es für Europa aus. Selbst EZB-Präsidentin
und Dauer-Optimistin Christine Lagarde schwant es inzwischen,
dass die Finanzmärkte dies noch nicht alles verarbeitet
haben könnten und vielleicht zu optimistisch auf die
Konjunkturaussichten blicken. Das mache die Bewertungen
dort anfällig für eine Bandbreite an möglichen negativen
Überraschungen, sei es beim Wachstum, bei der Inflation, bei
der Geldpolitik oder den Unternehmensgewinnen, warnt
auch Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe.
In den Kursen spiegelt sich dies wider. Deutsche Aktien sind
bei den Investoren aktuell weitgehend unten durch. Das zeigt
sich vor allem in der Dollar-Rechnung. Gemessen in der US-
Währung, verlor der Dax-Index vom Jahreswechsel bis Mitte
Oktober 2022 deutliche 36 Prozent gegenüber 26 Prozent
beim europaweiten Stoxx-50 und knapp 19 Prozent beim
amerikanischen Dow Jones. Selbst der japanische Nikkei-225
schlug sich trotz Yen-Crash, gemessen in Dollar, mit
minus 29 Prozent besser als Deutschlands Parade-Index.
Die helle Kehrseite. Für Märktekenner Peter E. Huber ist
diese Horrorbilanz kein Grund, nun noch in Panik zu verfallen.
Im Gegenteil: „Jetzt fängt es für antizyklisch agierende
Anleger an, interessant zu werden“, meint er. Vor allem zwei
Gründe führt er dafür ins Feld: Die großen deutschen Konzerne
sind in der Regel international tätig und haben Produktionsstätten
in aller Welt. Sie können daher auf Widrigkeiten
gezielt reagieren und stehen deshalb keineswegs so massiv
im Feuer, wie der Blick allein auf aktuelle volkswirtschaftliche
Kennzahlen glauben machen könnte. Die Aktien seien
daher oft zu Unrecht so stark abgestraft.
Zudem profitieren exportorientierte Unternehmen in
Deutschland von dem starken Dollar bzw. schwachen Euro,
sofern sie nicht zu energieintensiv sind. Die Experten von Union
Investment, Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen
Bankengruppe, rechnen aus diesem Grund sogar bei vielen
Konzernen für 2022 mit spürbar besseren Ertragsausweisen,
als sie die Börse noch im Frühjahr erwartete. „Die Dynamik
bei den Gewinnerwartungen ist intakt“, so ihr Fazit.
Der erfahrene Börsianer Huber weist noch auf einen anderen
Fakt hin, der das Auseinanderklaffen von Marktstimmung
und tatsächlicher Lage belegt: Von Anfang 2000 bis
Ende September 2022, also über die vergangenen gut 22
, GUTE ZEIT
Historisch günstig
Gemessen sowohl am Kurs-Buchwert-
Verhältnis wie auch am Shiller-KGV –
Kurs zum durchschnittlichen Jahresgewinn
je Aktie der vergangenen Dekade,
das Ganze inflationsbereinigt –, sind
deutsche Aktien so niedrig bewertet wie
bisher nur auf dem Höhepunkt früherer
Börsencrashs. Der Markt sollte damit viel
Schlimmes bereits eingepreist haben.
Bewertung deutscher Aktien
4,0
3,0
2,0
1,0
Kurs-Buchwert-Verhältnis deutsche Aktien
80
60
40
20
Quelle: Taunus Trust
Shiller-KGV deutsche Aktien
0
1987 90 95 2000 05 10 15 2020
0
FOCUS-MONEY 45/2022
9
moneymarkets
KREISLAUFWIRTSCHAFT
Die Welt ist nicht genug
Das weltweite Rohstoffvorkommen reicht für das künftige Wachstum auf der Erde nicht aus –
Recycling ist und bleibt alternativlos. Ein Langfrist-Trend mit drei Top-Profiteuren
von JENS MASUHR
GRÜNER KREISLAUF:
Die Wiederverwertung von
Rohstoffen schützt das Klima
Billionen-Dollar-Geschäft
Bei acht Rohstoffen, darunter Zement,
Plastik und Elektroschrott,
ist die Wiederverwertung besonders
geboten. Boston Consulting
beziffert die Investitionen bis 2040
auf etwa 2,2 Billionen Dollar.
Investmentkosten für
Investmentkosten Recycling bis 2040 für
Recycling Prognose bis in 2040 Mrd. US-Dollar
Prognose in Mrd. US-Dollar
Quelle: Boston Consulting Group (BCG)
2100
2100 bis 2200
bis 2200
24 % Design
24 % Design
10 % Sammeln
10 % Sammeln
10 % Sortieren
10 % Sortieren
380 bis
420
320
380 bis
420
320 bis 330
390
230 bis bis 430
330 bis
bis 330
390 150 230 bis bis 430
330 bis
50 bis
150
240
150 bis
340
50 bis
240
150 bis
90
bis 160
340
160
60
90
bis 160
160
bis 100
60
bis 100
57 % Recycling
Zement Metalle Biomüll Holz Papier Plastik ElektroschrottBatterien
Sonstiges gesamt
Batterien Sonstiges
57 %
gesamt
Recycling
Zement Metalle Biomüll Holz Papier Plastik Elektroschrott
34 Foto: Depositphotos
FOCUS-MONEY 45/2022
Mit jedem Schluck das Klima retten: Zwei Jungunternehmer
aus Hamburg machen vor, wie Genuss und
Umweltschutz zusammengehen. Ihre Schülerfirma
„Coffeecycle“ bietet mehr als köstlichen Kaffee. Aus altem Kaffeesatz
machen die Start-up-Unternehmer Leonardt Mücke
und Liam Metzen wohlriechende Seifenstücke. „In jeder unserer
Seifen stecken ungefähr sieben Gramm Kaffeesatz. Das
ist etwa die Menge, die bei einem Espresso übrig bleibt“, sagt
Gründer Mücke. Auf die Weise könne man den Kaffee gleich
zweimal genießen – „und das mit derselben Menge an Bohnen“,
ergänzt Metzen. Das Ziel: eine Kreislaufwirtschaft.
Neuer Billionen-Dollar-Markt. Anders ausgedrückt: Was
hinten rauskommt, geht vorn wieder rein. Rohstoff-Recycling
heißt das auf Hochdeutsch. Länder wie Deutschland, die
im internationalen Vergleich eher zu den rohstoffarmen Nationen
gehören, werden bei einer Mehrfachverwendung gewissermaßen
zur Rohstoff-Hochburg. Im Optimalfall können
alle Inhaltsstoffe wiedergewonnen und zur Herstellung
neuer Produkte verwendet werden. Folge: Die Abhängigkeit
von Rohstoffimporten kann verringert, der „ökologische
Fußabdruck“ reduziert werden. Experten sprechen von einem
Multi-Milliarden-Dollar-Markt. Die Unternehmensberatung
Boston Consulting Group (BCG) schätzt die globalen
Investitionen, um die Kreislaufökonomie allein im Bereich
Umweltschutz in Schwung zu bringen, auf bis zu 2,2 Billionen
US-Dollar. Ein Megatrend ohne Umkehr-Option. „Bei
unserem derzeitigen Konsumverhalten bräuchten wir 1,8
Planeten, um all die Ressourcen, die wir verbrauchen, herzubekommen.
Im Jahr 2040 wären es schon 2,3 Planeten,
wenn die Weltbevölkerung weiterwächst wie bisher und die
Rohstoffnachfrage damit Schritt hält“, heißt es in der aktuellen
BCG-Studie.
Putin-Krieg und Corona zeigen zudem, wie schnell Ressourcenknappheit
zum Problem werden kann. Ein Riesenmarkt
für die, die die Voraussetzungen schaffen, um Rohstoffe
mehrfach zu verwerten. FOCUS-MONEY zeigt, warum das
Thema Kreislaufwirtschaft zu den sichersten Megatrends der
Zukunft gehört und wo Anleger die Top-Investments finden.
Sportschuhe aus gebrauchten Fischernetzen (Adidas), Taschen
aus alten Plastikflaschen (Vaude) oder Schmuck aus
benutzten Kaffeekapseln (Nespresso): Viele Konzerne haben
den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen für
sich entdeckt. Der große Plan, um die gesamte Wirtschaft in
Rotation zu versetzen, fehlt allerdings. Bis jetzt. BCG stößt
zusammen mit dem World Business Council For Sustainable
Development (WBCSD) genau das an und fordert, vergleichbar
mit der auf der Pariser Klimakonferenz 2015 erreichten
Absprache zur Erderwärmung um maximal zwei Grad, den
globalen Wurf in Sachen Ressourcenverbrauch ein. Acht Materialien
sind es demnach, deren Gebrauch entweder zu besonders
viel Abfall führt oder extrem verlustreich und/oder
umweltschädlich ist: Zement und Beton, Metalle, Bioabfälle,
Holz, Papier, Kunststoffe, Elektronikschrott sowie Batterien
von Elektroautos.
Bei Letzteren ist der Markt besonders eng. „Die Hersteller
von E-Autos sind von Rohstoffen und Vorprodukten abhängig,
die nur von sehr wenigen Ländern produziert werden“,
sagt Alexander Meyer zum Felde, Experte für Kreislaufwirtschaft
und Partner bei BCG. Ein Beispiel ist das Leichtmetall
Lithium, das nur in wenigen Regionen der Welt gefördert
wird. Um künftige Verteilungskämpfe um das knappe Gut zu
vermeiden, sei laut BCG eine Recycling-Quote bis 2040 von
80 bis 90 Prozent nötig. Viel Luft nach oben für die Firmen,
die passende Konzepte erstellen und implementieren, Wiederverwertungsanlagen
entwickeln, Sortieranlagen bauen
oder Produkte für den Recycling-Prozess neu designen.
Recycling senkt Preise. So alternativlos der Trend hin zur
Kreislaufökonomie ist: Anleger brauchen Geduld, bis die
Renditebäume Früchte tragen. Besonders im Bereich E-Mobilität
dürfte es Jahre dauern, bis die Branche eine ausreichende
Menge an Autobatterien einsammelt, um die Recycling-Prozesse
wirtschaftlich zu betreiben. Die Knappheit an
Materialien, die infolge der weltweiten E-Ära entsteht, wird
bis dahin zum Dauerproblem. Erst mit neuen Recycling-Verfahren
sollte es in der kommenden Dekade möglich sein, den
Rohstoffmangel samt Preisauftrieb in den Griff zu kriegen.
Ohne Alternative
Laut der Unternehmensberatung Boston Consulting
wären 2040 2,3 Erdplaneten nötig, um den Bedarf an
Rohstoffen für das erwartete Wachstum zu decken.
Konsequenz: Rohstoff-Recycling ist alternativlos.
Geschätzter Rohstoffabbau
in Milliarden Tonnen,
ab 2030 Prognose x1,8
96
durch 1 Erde
gedeckter Bedarf
Biomasse
fossile
Brennstoffe
Metalle
nichtmetallische
Mineralien
2020
Quelle: Boston Consulting Group (BCG)
FOCUS-MONEY 45/2022
109
2030
x2,3
123 120
2040
100
80
60
40
20
0
Sieben Recycling-Gewinner
Top-Gewinner des Recycling-Booms sind spezialisierte Tech-Firmen
wie Ibu-Tec oder finanzstarke Big Player der Entsorgungswirtschaft
(Waste Connections).
Unternehmen Land WKN Wertentwicklung
in %
(3 Jahre)
Quelle: Bloomberg; Stand: 19.10.2022
2022er-
KGV
aktueller Kurs
(in Euro)
Clean Harbors USA 876541 49,4 16,6 120,4
Waste Connections USA A2AKQ7 39,0 39,2 133,1
Waste Management USA 893579 37,0 28,4 163,3
Biffa Großbritannien A2ATKH 61,8 – 4,8
Veolia Environnement Frankreich 501451 –3,9 18,9 21,5
Tomra Systems Norwegen A3DHA0 44,0 43,6 16,5
Ibu-Tec Deutschland A0XYHT 31,2 162,3 21,5
35
moneymarkets
EXPERTE RADEV: „Bei 10 %
Inflation sind Wohnimmobilien eine
der sichersten Anlageklassen“
INTERVIEW
Wir sehen
tatsächlich
Korrekturen“
Doppelinterview: Ziegert-CEO Kyrill K. Radev
und sein Beiratsmitglied, Ex-Minister Otto
Schily, über die Lage am deutschen
Immobilienmarkt und die Auswirkungen
der hohen Inflation
Die private Nachfrage nach Baukrediten ist komplett eingebrochen,
niemand lässt sich mehr auf Wartelisten für Neubauten setzen. Es
brechen ungemütliche Zeiten an für Bauträger?
Radev: Die Lage hat sich gedreht, das ist richtig. Aus mehreren
Gründen. Zum einen, weil viele Käufer sich zurückhalten
wegen der Zinsen, die sich in kurzer Zeit verdreifacht
haben. Zum Zweiten sind auch für die Bauträger die eigenen
Finanzierungszinsen deutlich gestiegen. Bauträger haben
für ihre Finanzierungen typischerweise variable Zinsvon
GEORG MECK
Stehen wir vor einem Immobiliencrash?
Kyrill K. Radev: Es ist ein differenziertes Bild. In manchen
Städten, zum Beispiel in München, Frankfurt, Düsseldorf,
wo die Preise sehr hoch waren, sehen wir tatsächlich Korrekturen.
In Berlin dagegen gibt es auch dieses Jahr ein kleines
Plus, ebenso in Leipzig. Die Entwicklung hängt an der
Attraktivität der Lage, an der Energieeffizienz und der
Unterscheidung Alt- oder Neubau.
Vita
Kyrill K. Radev
2008 bis 2014 Boston Consulting Group,
2012 MBA-Abschluss London Business School
Founder EverEstate und Metatrust, zusätzlich
Erfahrung als CFO eines Start-ups
Seit 7 Jahren in der Gruppe, seit November
2020 Group CEO der Berliner Ziegert Group
In Berlin sind die Immobilienpreise seit zwölf Jahren mit zweistelligen
Raten gestiegen. Kann das ewig so weitergehen?
Radev: Die Preise haben sich deutlich mehr als verdoppelt
in den letzten Jahren, wenn sie jetzt nur noch um zwei
Prozent wachsen, ist das eine deutliche Abbremsung.
46 FOCUS-MONEY 45/2022