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Schule der Bewegung

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www.grundschulverband.de · November 2022 · D9607F<br />

Grundschule aktuell<br />

Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft 160<br />

<strong>Schule</strong> <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong><br />

Zum Thema<br />

• Bundesjugendspiele:<br />

ein Schreibgespräch<br />

• Ohne Wasser kann man<br />

nicht schwimmen<br />

Forschung<br />

• Funktioniert die<br />

Jahrgangs mischung<br />

auch in <strong>der</strong> 3. und<br />

4. Jahrgangsstufe?<br />

Rundschau<br />

• Religiöse Bildung in einer<br />

pluralen Grundschule<br />

• Neue Bildungsstandards <strong>der</strong> KMK:<br />

Schreiben mit einer leserlichen Handschrift


Inhalt<br />

Tagebuch<br />

S. 2 Ich bin immer noch dabei, weil … (B. Bertling)<br />

Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

S. 3 Bildung, <strong>Bewegung</strong> und Lernen<br />

(R. Hildebrandt-Stramann)<br />

S. 8 Ressourcen schöpfen, Potenziale entfalten<br />

(H. Städtler)<br />

S. 10 Bundesjugendspiele – aus <strong>der</strong> Zeit gefallen und<br />

diskriminierend? (M. Lassek, H. Brügelmann)<br />

Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

S. 12 <strong>Bewegung</strong> und Sprache (R. Zimmer)<br />

S. 14 Wir bringen das Wasser zu den Kin<strong>der</strong>n (A. Touray)<br />

S. 16 Wer nicht ins Wasser geht, kann auch nicht<br />

schwimmen lernen (J. Endisch, V. Semmelmann)<br />

S. 18 Schreibenlernen ist <strong>Bewegung</strong>slernen –<br />

Grundschrift (A. Fruhen-Witzke)<br />

S. 20 Bewegliche Schulräume (F. Milke, T. Karaku)<br />

S. 22 Rhythmisierung von Unterricht als strukturgebendes<br />

Moment zwischen Spannung und<br />

Entspannung (T. Mayerhofer)<br />

S. 24 Grundschule Wohra – immer in <strong>Bewegung</strong><br />

(A. Zinser)<br />

S. 26 Wieso, weshalb? Wald! (A. Herkenhöner)<br />

S. 28 Kin<strong>der</strong>bücher zum Thema <strong>Bewegung</strong> und <strong>Schule</strong><br />

(M. Gutzmann)<br />

Aus <strong>der</strong> Forschung<br />

S. 30 „Funktioniert“ die Jahrgangsmischung auch in<br />

<strong>der</strong> 3. und 4. Jahrgangsstufe? (S. Martschinke,<br />

M. Munser-Kiefer, A. Hartinger, A. Lindl)<br />

Rundschau<br />

S. 34 Projekt Eine Welt in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>: Mit Spiel, Sport<br />

und Theater das Leben von Kin<strong>der</strong>n in an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n kennenlernen<br />

S. 36 Aus dem Vorstand (E. Bohn)<br />

S. 37 Mitwirkung von Kin<strong>der</strong>n beim Bürgerrat Bildung<br />

und Lernen (S. Winkler)<br />

S. 39 Kooperationspartnerin des Grundschulverbandes:<br />

Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule – Verband<br />

für <strong>Schule</strong>n des gemeinsamen Lernens e. V.<br />

(D. Zielinski)<br />

S. 40 Neue Bildungsstandards <strong>der</strong> KMK: „Die Schülerinnen<br />

und Schüler schreiben in einer leserlichen<br />

Handschrift“ (A. Fruhen-Witzke)<br />

S. 42 Religiöse Bildung in einer pluralen Grundschule:<br />

Kin<strong>der</strong> fragen nach dem Leben und <strong>der</strong> Welt<br />

(D. Knapp)<br />

Landesgruppen aktuell – unter an<strong>der</strong>em:<br />

S. 45 Baden-Württemberg: Es tut sich was im Ländle …<br />

„Gespräch mit Dr. Eva Franz, Klaus Zierer und<br />

Heike Schmoll“ nachzuhören in 45 Min. „Frust im<br />

Klassenzimmer“<br />

S. 48 Saarland: Zweites Saarländisches Grundschulforum<br />

„Digital unterwegs in <strong>der</strong> Grundschule“<br />

U III Komplett digital & frei verfügbar: GSV-Band 155<br />

Bildung, <strong>Bewegung</strong> und Lernen<br />

Diese drei Bereiche bilden in einem auf die Interessen und<br />

die Persönlichkeitsentwicklung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> ausgerichteten<br />

Grundschulunterricht eine notwendige didaktische Einheit<br />

mit dem Ziel, den pädagogischen Ansprüchen an einen<br />

mo<strong>der</strong>nen Unterricht gerecht zu werden. Allerdings bildet<br />

diese Trias nur dann einen geeigneten didaktischen Hintergrund,<br />

wenn die jeweiligen Verständnisse von Bildung,<br />

<strong>Bewegung</strong> und Lernen auch theoretisch kompatibel sind.<br />

Deshalb werden in einem ersten Teil dieser Ausführungen<br />

die Verständnishintergründe erläutert. Im zweiten Teil wird<br />

<strong>der</strong> Aspekt des Bewegten Lernens theoretisch und praktisch<br />

hervor gehoben. Seite 3–7<br />

Wir bringen das Wasser zu den Kin<strong>der</strong>n<br />

Eine repräsentative Forsa-Umfrage hat es deutlich aufgezeigt:<br />

59 Prozent <strong>der</strong> Zehnjährigen sind keine sicheren<br />

Schwimmer. Dies gab die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft<br />

(DLRG) 2017 in Hannover bekannt.<br />

„Die Schwimmfähigkeit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Grundschulalter ist<br />

weiterhin ungenügend. Im Durchschnitt besitzen nur 40<br />

Prozent <strong>der</strong> Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen.“<br />

Viele Eltern haben kein Wissen über die beson<strong>der</strong>e<br />

Bedeutung des Schwimmens, können selbst nicht<br />

schwimmen und führen ihre Kin<strong>der</strong> nicht heran. Die Mobile<br />

Schwimmschule Bremen macht hierzu ein Angebot, das<br />

Beachtung finden sollte. Lesenswert ist dazu auch <strong>der</strong> Beitrag<br />

„Wer nicht ins Wasser geht, kann auch nicht schwimmen<br />

lernen.” Seite 14–17<br />

Impressum<br />

GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes,<br />

erscheint viertel jährlich und wird allen Mitglie<strong>der</strong>n zugestellt.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />

Das einzelne Heft kostet 9,00 € (inkl. Versand innerhalb Deutschlands);<br />

für Mitglie<strong>der</strong> und ab 10 Exemplaren 5,00 €.<br />

Verlag: Grundschulverband e. V., Frankfurt am Main<br />

Frankfurter Straße 74–76, 63263 Neu-Isenburg,<br />

Tel. 06102 8821660, Fax: 06102 8821664,<br />

www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />

Redaktion: marion.gutzmann@vs-grundschulverband.de,<br />

gabriele.klenk@vs-grundschulverband.de<br />

Fotos und Grafiken: Susanne Winkler / novuprint (Titel illustration<br />

unter Verwendung von Fotos von A. Herkenhöner,<br />

R. Hildebrandt-Stramann, M. Sabelhaus, A. Zinser), A. Touray / Abb. Nr.1,<br />

M. Sabelhaus / Abb. Nr. 2 und 3, M. Reza Hosseini / Abb. Nr. 4 (S.15),<br />

Autorinnen und Autoren (soweit nicht an<strong>der</strong>s vermerkt)<br />

Herstellung: novuprint Agentur GmbH, 30175 Hannover<br />

Anzeigen: Grundschulverband e. V., Tel. 06102 8821660,<br />

info@grundschulverband.de<br />

Druck: WKS Print Partner GmbH, 34587 Felsberg<br />

ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6104<br />

Beilage: Flyer <strong>der</strong> Sedulus Vertriebs GmbH<br />

In manchen Beiträgen dieser Zeitschrift bringen Autorinnen und Autoren<br />

ihr Bemühen um eine gen<strong>der</strong>sensible Sprache durch be son <strong>der</strong>e schriftsprachliche<br />

Zeichen zum Ausdruck. Da es zurzeit keine allgemein anerkannte<br />

Lösung für das Problem „gen<strong>der</strong>sen sibler“ (Schrift-)Sprache gibt, verwendet<br />

jede Autorin und je<strong>der</strong> Autor ihre o<strong>der</strong> seine bevorzugte Form.<br />

UII<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Diesmal<br />

Bewegliche Schulräume –<br />

Rhythmisierung von Unterricht<br />

In diesen beiden Beiträgen werden Möglichkeiten aufgezeigt,<br />

wie das Bedürfnis nach <strong>Bewegung</strong> durch eine<br />

verän<strong>der</strong>te Nutzung von Möblierung erfüllt werden kann.<br />

Was bedeutet es, wenn nur für die Hälfte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

Stühle vorhanden sind o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> keine Schuhe tragen?<br />

Was bringen mehrere 5-minütige <strong>Bewegung</strong>spausen<br />

und wie können sie ohne größere Vorbereitung<br />

gestaltet werden? Hierauf wollen die beiden Beiträge<br />

eine Antwort geben. Seite 20–23<br />

Aus <strong>der</strong> Forschung: Funktioniert die Jahrgangsmischung<br />

auch in <strong>der</strong> 3. und 4. Jahrgangsstufe?<br />

In einem Problemaufriss werden sowohl Hoffnungen als<br />

auch Befürchtungen von Lehrkräften dargestellt.<br />

Folgenden Forschungsfragen wurde nachgegangen:<br />

Wie entwickelt sich die Leistung in Lesen und Mathematik<br />

in jahrgangsgemischten und jahrgangshomogenen<br />

Klassen in <strong>der</strong> 3. und 4. Jahrgangsstufe im Vergleich<br />

(und in den verschiedenen Leistungsgruppen)?<br />

Fühlen sich Dritt- und Viertklässler:innen gleichermaßen<br />

beachtet und geför<strong>der</strong>t?<br />

Welche Unterrichtsmerkmale können guten Unterricht<br />

in <strong>der</strong> Jahrgangsmischung ausmachen?<br />

Seite 30–33<br />

Flexible Mitgliedsbeiträge ab 2023<br />

Lesen Sie zu den neuen flexiblen Mitgliedsbeiträgen<br />

unter „Aus dem Vorstand“.<br />

Seite 36<br />

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und hier das Archiv <strong>der</strong> Zeitschrift:<br />

www.<br />

grundschulverband.de/archiv/<br />

Marion Gutzmann<br />

(links)<br />

und Gabriele Klenk<br />

das Redaktionsteam<br />

von Grundschule<br />

aktuell<br />

Liebe Leser:innen,<br />

ein Thema, dass alle verbindet und auch ohne Sprache auskommen<br />

kann, ist <strong>der</strong> Sport, die Freude an gemeinsamer<br />

<strong>Bewegung</strong>: „Sport ist herrlich!“. Das findet zumindest <strong>der</strong><br />

Autor und Illustrator Ole Könnecke in seinem Bil<strong>der</strong>buch,<br />

nachzulesen in den Empfehlungen zu Kin<strong>der</strong>büchern zum<br />

Thema des Heftes. In <strong>der</strong> vorliegenden Ausgabe von Grundschule<br />

aktuell werden die umfassende Bedeutung von Bildung,<br />

<strong>Bewegung</strong> und Lernen dargestellt und verschiedene<br />

Handlungsfel<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Gestaltung von <strong>Schule</strong> praxisorientiert<br />

präsentiert. Das Beispiel <strong>der</strong> „Bewegten, gesunden<br />

<strong>Schule</strong>“ in Nie<strong>der</strong>sachsen, vorgestellt von Hermann Städtler,<br />

zeigt, wie sehr sich das Lehr- und Lernklima än<strong>der</strong>n können,<br />

wenn <strong>Bewegung</strong> als Ressource erkannt und genutzt wird.<br />

Gerne können Sie im Kollegium über das Schreibgespräch<br />

von M. Lassek und H. Brügelmann diskutieren. Generell<br />

kommt es nicht nur beim Sport vor allem auf das Klima in <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong> an, auf den Umgang miteinan<strong>der</strong> und auf die Art, wie<br />

Leistungen generell gewürdigt werden: primär im Vergleich<br />

mit an<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> bezogen auf die individuellen Fortschritte,<br />

also gemessen an den jeweiligen Voraussetzungen und Lernund<br />

Lebensbedingungen. Dies findet sich im aktuell überarbeiteten<br />

Standpunkt Leistung wie<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Leistungsermittlung<br />

und -bewertung in den Fokus „Kindheit heute“ stellt.<br />

Inzwischen liegen die ersten Monate des neuen Schuljahres<br />

hinter Ihnen – bundesweit stellte <strong>der</strong> Schulstart <strong>Schule</strong>n vor viele<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen. In diese Zeit fällt auch die Veröffentlichung<br />

<strong>der</strong> Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2021. Die erzielten Testleistungen<br />

<strong>der</strong> 4. Jahrgangsstufe lassen vor allem auf einen erheblichen<br />

Investitionsbedarf in die grundlegende Bildung schließen.<br />

Deutlich wird, dass es nicht nur um „Aufholprogramme“<br />

gehen kann, son<strong>der</strong>n dass die Bedingungen, unter denen Kin<strong>der</strong><br />

lernen, verbessert werden müssen. Aus unserer Sicht sollte <strong>der</strong><br />

Blick auf die Ergebnisse vor allem dazu beitragen, die Verantwortung<br />

<strong>der</strong> Politik für die personelle und sächliche Ausstattung von<br />

Grundschulen im Vergleich zu den darauf aufbauenden weiterführenden<br />

<strong>Schule</strong>n zu prüfen und endlich die strukturelle Benachteiligung<br />

<strong>der</strong> Grundschulen aufzulösen. Gern bleiben wir<br />

als Fachverband mit Ihnen weiterhin dazu im Gespräch.<br />

Als Redaktionsteam möchten wir es nicht versäumen, Kompliment<br />

und Anerkennung allen Autorinnen und Autoren dieses<br />

Heftes auszusprechen, insbeson<strong>der</strong>e auch an die Betreuung<br />

<strong>der</strong> Rubrik „Aus <strong>der</strong> Forschung“ für das gewählte Format, mit<br />

dem das Autorenteam die Praxisbedeutung ihrer Befunde erneut<br />

deutlich macht.<br />

Herzlichst<br />

Marion Gutzmann und Gabriele Klenk<br />

sowie Maresi Lassek und Hans Brügelmann<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

1


Tagebuch<br />

Ich bin immer noch<br />

dabei, weil …<br />

Baldur Bertling<br />

Rektor a. D. Averbruch-Grundschule Dinslaken,<br />

Mitglied des Vorstands <strong>der</strong> GSV-Landesgruppe NRW<br />

Als ich vor vielen Jahren meine Ausbildung zum Grundund<br />

Hauptschullehrer mit dem Schwerpunkt Hauptschule<br />

abgeschlossen hatte, fragte mich <strong>der</strong> damals für die<br />

Lehrerzuweisung zuständige Schulrat, ob ich es mir denn<br />

vorstellen könnte, auch an einer Grundschule eingesetzt<br />

zu werden. Damals wurden in Nordrhein-Westfalen<br />

gerade die Konfessionsschulen in Gemeinschaftsschulen<br />

umgewandelt und an den vormals katholischen Grundschulen<br />

fehlten evangelische Religionslehrer. Wenn mir<br />

die Arbeit mit den kleineren Kin<strong>der</strong>n dann doch nicht<br />

läge, so versprach <strong>der</strong> Schulrat, würde ich selbstverständlich<br />

an einer Hauptschule eingesetzt.<br />

Nun brauchte ich umfassende Informationen und da<br />

lag <strong>der</strong> Gedanke nah, mich als Mitglied dem Arbeitskreis<br />

Grundschule anzuschließen. Das war damals wie heute<br />

<strong>der</strong> einzige Fachverband, <strong>der</strong> sich hauptsächlich und umfassend<br />

mit Fragen rund um die Grundschule beschäftigt.<br />

Ich las alles, was zur Verfügung stand, empfand eine gewisse<br />

geistige Nähe zu den Autoren und entdeckte, dass<br />

ich mit meiner pädagogischen Haltung doch nicht exotisch<br />

war. Von Anfang an war mir nämlich wichtig, jedes<br />

einzelne Kind mit seinen ganz beson<strong>der</strong>en Ansprüchen<br />

und Möglichkeiten als lernenden Menschen kennenzulernen<br />

und ernst zu nehmen.<br />

Viel zu oft aber ging es in den Beratungen an <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

um störungsfreien Unterricht, um Lernen im Gleichschritt<br />

und Leistung als Vorbereitung auf die richtige Einordnung<br />

in die weiterführende <strong>Schule</strong>. Selbst bei <strong>der</strong> damals allmählich<br />

in Mode kommenden inneren Differenzierung<br />

ging es häufig eben nicht um offene Angebote, son<strong>der</strong>n<br />

um eher enge Aufgaben, die <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Lehrkraft eingeschätzten<br />

Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> entsprach. Wie<br />

„Ich bin Mitglied im<br />

Grundschulverband, weil ich in<br />

40 Dienstjahren immer wie<strong>der</strong> erlebt habe,<br />

wie meine Arbeit für eine kin<strong>der</strong>freundliche Grundschule<br />

durch vielfältige Angebote des Verbandes<br />

begründet, bestärkt und beflügelt wurde. Damit das<br />

weitergehen kann, bin ich auch acht Jahre nach<br />

meiner Pensionierung immer noch gerne Mitglied<br />

im Grundschulverband und unterstütze<br />

wohltuend und ermutigend<br />

waren da die<br />

Schriften des Grundschulverbandes<br />

zum<br />

offenen Unterricht,<br />

zum ganzheitlichen<br />

Lernen, zur Leistungserziehung<br />

ohne Ziffernnoten,<br />

zum Klassenraum als kin<strong>der</strong>gerecht<br />

gestaltetem Lernort usw.<br />

Bereits nach meinem ersten Jahr in <strong>der</strong><br />

Grundschule, damals als Klassenlehrer eines neu gebildeten<br />

dritten Schuljahres, stand für mich fest, dass Grundschule<br />

mein Ding sein kann.<br />

Die große Bandbreite an Begabungen und Interessen bei<br />

den Kin<strong>der</strong>n passte sehr gut zu den Vorstellungen einer Gesamtschule,<br />

an <strong>der</strong> alle Kin<strong>der</strong> eines Stadtteiles gemeinsam<br />

lernen, wie ich sie während des Studiums kennengelernt<br />

hatte und von <strong>der</strong> viele von uns damals glaubten, dass sie in<br />

wenigen Jahren flächendeckend Wirklichkeit würde.<br />

Jetzt fünfzig Jahre später ist dieses Ziel immer noch<br />

nicht erreicht. Und auch die kin<strong>der</strong>orientierte <strong>Schule</strong> ist<br />

noch nicht überall verwirklicht. Immer noch geht es viel<br />

zu oft um optimale Vorbereitung auf den Übergang in die<br />

‚richtige‘ weiterführende <strong>Schule</strong>, um Leistungsmessung<br />

mit Zensuren zur Einordnung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> um die<br />

Bildung möglichst homogener Lerngruppen für optimal<br />

passenden Unterricht.<br />

Der GSV ist dagegen das Bollwerk für die kin<strong>der</strong>freundliche,<br />

zukunftsorientierte Grundschule. In den ‚Standpunkten‘<br />

sind seine Vorstellungen überzeugend zusammengefasst.<br />

Dabei werden auch immer die dafür notwendigen<br />

Bedingungen beschrieben und entsprechende For<strong>der</strong>ungen<br />

an die Bildungspolitik formuliert.<br />

Gleichzeitig drücken die Standpunkte eine pädagogische<br />

Haltung aus, die in die konkrete pädagogische Praxis<br />

ausstrahlt und sich auf vielfältige Weise in konkretem<br />

Handeln wi<strong>der</strong>spiegelt. Das bedeutet, auch bevor die optimalen<br />

Bedingungen erreicht sind, Unterricht so zu gestalten,<br />

dass jedes Kind mit seinen beson<strong>der</strong>en Begabungen<br />

offene Angebote für seine weitere Entwicklung finden<br />

und auf seinem Lernweg ermutigende Rückmeldungen erfahren<br />

kann.<br />

Für diese bildungspolitische Arbeit kann <strong>der</strong> Grundschulverband<br />

we<strong>der</strong> auf Sponsoren noch an<strong>der</strong>e finanzielle<br />

För<strong>der</strong>ung zurückgreifen. Die Arbeit wird allein mit den<br />

Mitgliedsbeiträgen finanziert.<br />

Da kommt es eben auch auf die Beiträge von uns Pensionären<br />

an!<br />

mit meinem Mitgliedsbeitrag die<br />

Arbeit des GSV.“<br />

Alle Statements<br />

finden Sie auf<br />

Youtube<br />

2<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Reiner Hildebrandt-Stramann<br />

Bildung, <strong>Bewegung</strong> und Lernen<br />

Bildung, <strong>Bewegung</strong> und Lernen bilden eine in einem auf die Interessen und die<br />

Persönlichkeitsentwicklung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> ausgerichteten Grundschulunterricht<br />

notwendige didaktische Einheit, mit dem Ziel, den pädagogischen Ansprüchen<br />

an einen mo<strong>der</strong>nen Unterricht gerecht zu werden. Allerdings bildet diese Trias<br />

nur dann einen geeigneten didaktischen Hintergrund, wenn die jeweiligen<br />

Verständnisse von Bildung, <strong>Bewegung</strong> und Lernen auch theoretisch kompatibel<br />

sind. Deshalb werden in einem ersten Teil dieser Ausführungen die Verständnishintergründe<br />

erläutert. Im zweiten Teil wird <strong>der</strong> Aspekt des Bewegten Lernens<br />

theoretisch und praktisch hervorgehoben.<br />

Kin<strong>der</strong> gehen in die <strong>Schule</strong>, um zu<br />

lernen. Das Verständnis von<br />

schulischem Lernen hat sich in<br />

den letzten zweihun<strong>der</strong>t Jahren immer<br />

wie<strong>der</strong> gewandelt. Dieser Wandel wird<br />

heute mit einem Paradigmenwechsel<br />

„vom Lehren zum Lernen“ gekennzeichnet.<br />

Mit einer auf „Lehre“ ausgerichteten<br />

<strong>Schule</strong> ist das Grundmuster<br />

eines überholten schulpädagogischen<br />

Denkens verbunden mit <strong>der</strong> Annahme,<br />

die ältere Generation könne <strong>der</strong> jüngeren<br />

durch die systematische Darbietung<br />

wohlgeordneten und geprüften Wissens<br />

– gleichsam durch Belehrung – einen<br />

komprimierten Wissensstand vermitteln,<br />

<strong>der</strong> Orientierung und Halt in<br />

<strong>der</strong> vorhersehbaren Zukunft bietet.<br />

„Eine solche Vorstellung passt zum<br />

Denken und Lebensgefühl von vormo<strong>der</strong>nen<br />

Kulturen, die auf langsame,<br />

vorhersehbare Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

bauen“ (Fauser u. a. 2009, 17). „Lernen“<br />

ist in diesem Bild die möglichst buchstabengetreue<br />

Übernahme dessen, was<br />

gelehrt wird.<br />

Seit <strong>der</strong> Entwicklung des mo<strong>der</strong>nen<br />

Begriffs <strong>der</strong> allgemeinen Bildung im<br />

18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>t werden Lernen<br />

und Aufwachsen von Grund auf neu gesehen.<br />

Im Kern wird Bildung dabei „als<br />

Potenzial beziehungsweise als Weg aufgefasst,<br />

<strong>der</strong> durch Lernen zur individuellen<br />

Mündigkeit führt und Wissen,<br />

Urteilsvermögen, Problembewusstsein<br />

und Handlungsfähigkeit des Einzelnen<br />

als Mitglied <strong>der</strong> Gesellschaft zum Ziel<br />

hat“ (vgl. Fauser u. a. 2009, 17). Deutlich<br />

zeigt sich <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen<br />

Bildung und Lernen. Bildung beruht auf<br />

Lernen, deshalb gehört zu den pädagogischen<br />

Grundlagen einer <strong>Schule</strong> auch<br />

ein Konzept des Lernens, das, wenn die<br />

Bildungsziele erreicht werden sollen,<br />

sich an den Kriterien <strong>der</strong> Individualität,<br />

Mündigkeit und Sozialität zu orientieren<br />

hat. „Ein solches Lernen ist nicht reproduktiv<br />

und auf die Wie<strong>der</strong>gabe isolierter<br />

Fakten angelegt, son<strong>der</strong>n aktiv-konstruktiv,<br />

auf Zusammenhänge, Sinnbezüge<br />

ausgerichtet“ (Fauser 2010, 24).<br />

Mit <strong>der</strong> Kennzeichnung von Lernen<br />

als aktiv-produktive Leistung wird ein<br />

weiteres Merkmal hervorgehoben, das<br />

den mo<strong>der</strong>nen Lernbegriff (holistisch)<br />

ganzheitlich charakterisiert und Körper<br />

und Psyche als eine Einheit auffasst. Das<br />

trifft vor allem auf das Lernen von Kin<strong>der</strong>n<br />

im Grundschulalter zu. „Das Kind<br />

erfährt (…) die Welt nicht nur durch<br />

seinen Kopf, son<strong>der</strong>n über seine <strong>Bewegung</strong><br />

und die Sinne; sein Leben geht zunächst<br />

vor allem in motorischen Formen<br />

vor sich“, schreibt Liechti (2000,<br />

247). In dieser körperlichen Verfasstheit<br />

kann <strong>Bewegung</strong> für die Kin<strong>der</strong> als „Zugang<br />

zur Welt“ (Hildebrandt-Stramann<br />

2010, 235) gesehen werden. Wenn wir<br />

von einem Bewegten Lernen sprechen,<br />

dann kommt es zunächst einmal darauf<br />

an, <strong>Bewegung</strong> und Lernen miteinan<strong>der</strong><br />

zu verbinden.<br />

Lernen mit<br />

<strong>Bewegung</strong><br />

Lernen durch<br />

<strong>Bewegung</strong><br />

lernbegleitende<br />

Funktion<br />

lernerschließende<br />

Funktion<br />

Abb. 1: Ebenen des Bewegten Lernens<br />

Prof. Dr. Prof. h. c. Reiner<br />

Hildebrandt-Stramann i. R.<br />

Bis 2020 Leiter des Instituts für Sportwissenschaft<br />

und <strong>Bewegung</strong>spädagogik<br />

<strong>der</strong> Technischen Universität Braunschweig.<br />

Arbeitsschwerpunkte: <strong>Bewegung</strong><br />

und Ganztagsschulentwicklung;<br />

<strong>Bewegung</strong> und Lernen; Pädagogik und<br />

Didaktik <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>serziehung.<br />

<strong>Bewegung</strong> und Lernen<br />

Aus den entwicklungspsychologischen<br />

Arbeiten von Piaget (1973), Bettelheim<br />

(1983) und Spitz (1969) wissen<br />

wir, dass Kin<strong>der</strong> ihre Erkenntnisse von<br />

<strong>der</strong> und über die Welt aus einer aktiven<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit ihr gewinnen.<br />

Dabei suchen sie sich die Gegenstände<br />

<strong>der</strong> Welt so zurechtzumachen,<br />

wie es ihrer körperlich-sinnlichen<br />

Erfahrung entspricht. Wie Erkenntnis<br />

in <strong>der</strong> Erfahrung ihren Anfang hat, so<br />

fängt Erfahrung mit dem Selbsttun an.<br />

Das heißt, sinnliche Erfahrung, Sinndeutung,<br />

Wertung und Handlung bilden<br />

einen Funktionszusammenhang,<br />

<strong>der</strong> erst im Nachhinein reflexiv aufgeschlossen<br />

werden kann.<br />

<strong>Bewegung</strong>spausen<br />

Bewegtes Mobiliar<br />

Wochenplan-, Freiarbeit;<br />

Laufdiktat; Stationenlernen<br />

im Fachunterricht<br />

im fächerübergreifenden<br />

Unterricht<br />

im Projektunterricht<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

3


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Konzepte des Bewegten Lernens gehen<br />

von <strong>der</strong> Grundannahme aus, dass<br />

Kin<strong>der</strong> mit umso stärkerer innerer Beteiligung<br />

und Bereitschaft lernen wollen,<br />

je intensiver die <strong>Schule</strong> als Lebens- und<br />

Lernort auf ihre körperlichen, emotionalen,<br />

materialen und sozialen Lebensbedürfnisse<br />

eingeht. Damit dies möglich<br />

wird, soll Kin<strong>der</strong>n mehr <strong>Bewegung</strong>sraum<br />

gegeben werden, und zwar<br />

im Unterricht, beim Lernen, im Schulhaus<br />

und auf dem Schulgelände. Es geht<br />

im Sinne von ganzheitlichen Lernprozessen<br />

darum, die Betätigung <strong>der</strong> Sinne,<br />

<strong>der</strong> Hände, <strong>der</strong> Beine, des Körpers nicht<br />

nur in jeweils zwei Stunden Kunst, Musik<br />

und Sport anzuregen, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong><br />

gesamten schulischen Lebenswelt. Ich<br />

beschränke mich im Folgenden auf den<br />

Aspekt des Bewegten Lernens im schulischen<br />

Unterricht.<br />

Konzepte des Bewegten Lernens<br />

Bezogen auf das Lernen im Unterricht<br />

wird zwischen zwei Ebenen des<br />

Bewegten Lernens unterschieden (Abb. 1;<br />

vgl. Hildebrandt-Stramann u. a. 2017):<br />

1. Lernen mit <strong>Bewegung</strong> und<br />

2. Lernen durch <strong>Bewegung</strong><br />

Das Lernen mit <strong>Bewegung</strong> hat eine<br />

lernbegleitende Funktion. Beispiele hierfür<br />

sind <strong>Bewegung</strong>spausen, tägliche<br />

<strong>Bewegung</strong>szeiten o<strong>der</strong> selbst initiierte<br />

<strong>Bewegung</strong>sphasen, ein bewegliches<br />

Mobiliar in einem mobilen Klassenzimmer<br />

o<strong>der</strong> auch Arbeitsformen wie<br />

Wochenplan- und Freiarbeit.<br />

Eine in fast je<strong>der</strong> <strong>Schule</strong> praktizierte<br />

Form <strong>der</strong> Integration von <strong>Bewegung</strong> in<br />

den Unterricht sind die <strong>Bewegung</strong>spause<br />

o<strong>der</strong> auch tägliche <strong>Bewegung</strong>szeiten,<br />

die den Unterricht mit gezielten <strong>Bewegung</strong>sübungen<br />

zur Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

<strong>der</strong> Konzentrationsfähigkeit unterbrechen.<br />

Im Verständnis vieler Lehrer*innen<br />

handelt es sich meist um eine „bewegte<br />

Auszeit“, zu <strong>der</strong> Entspannungspausen<br />

bzw. Entspannungsphasen (z. B.<br />

Yoga-Übungen; Phantasiereisen, Stilleübungen),<br />

<strong>Bewegung</strong>sspiele (z. B. Jonglieren),<br />

Gymnastik (auch Finger- und<br />

Kompensation von Aufmerksamkeitsdefiziten.<br />

Während es sich bei den zuvor erläuterten<br />

Formen <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>spause um<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger von <strong>der</strong> Lehrkraft verordnete<br />

Pausen handelt, sind mit selbst<br />

initiierten <strong>Bewegung</strong>sphasen solche gemeint,<br />

über die das Kind selbst entscheidet.<br />

Hierbei ist noch einmal zu unterscheiden<br />

zwischen selbst initiierten Phasen<br />

in einem mehr o<strong>der</strong> weniger stark<br />

von <strong>der</strong> Lehrkraft angeleiteten und einem<br />

eher durch offene Organisationsformen<br />

gekennzeichneten Unterricht. In einem<br />

von <strong>der</strong> Lehrkraft angeleiteten Unterricht<br />

bestehen zusätzlich zu den angeleiteten<br />

„Das Kind erfährt (…) die Welt nicht nur durch seinen<br />

Kopf, son<strong>der</strong>n über seine <strong>Bewegung</strong> und die Sinne;<br />

sein Leben geht zunächst vor allem in motorischen<br />

Formen vor sich.“ (Liechti 2000)<br />

Handgymnastik), aber auch das Spielen<br />

o<strong>der</strong> das einfache Rennen auf dem<br />

Schulhof gehören. <strong>Bewegung</strong>spausen<br />

werden eingesetzt, wenn die Lehrer*innen<br />

merken, dass die Kin<strong>der</strong> unruhig<br />

und unkonzentriert werden und somit<br />

nicht mehr aufmerksam zuhören bzw.<br />

dem Unterricht folgen können. In solchen<br />

Fällen dienen <strong>Bewegung</strong>spausen<br />

dazu, dass die Kin<strong>der</strong> danach wie<strong>der</strong><br />

stillsitzen können. <strong>Bewegung</strong>spausen<br />

haben in diesem Sinn die Funktion <strong>der</strong><br />

<strong>Bewegung</strong>spausen Möglichkeiten, eine<br />

<strong>Bewegung</strong>sphase selbst zu initiieren. Damit<br />

sind Gänge zum Holen und Wegbringen<br />

von Schulmaterial gemeint, <strong>der</strong> Gang<br />

zum Lehrerpult bei einer Stillarbeitsphase,<br />

<strong>der</strong> Toilettengang. Grundsätzlich eine<br />

an<strong>der</strong>e Qualität haben selbst initiierte<br />

<strong>Bewegung</strong>sphasen, wenn sie vom Unterrichts-<br />

und Lernkonzept gefor<strong>der</strong>t werden.<br />

Das können u. U. die gleichen <strong>Bewegung</strong>stätigkeiten<br />

sein, die aber in einem<br />

zu den zuvor beschriebenen Möglichkei-<br />

Fotos 1 bis 3:<br />

Würfel o<strong>der</strong> Halbwalzen,<br />

die entwe<strong>der</strong> aus Styropor<br />

bestehen und mit<br />

Teppichboden überzogen<br />

o<strong>der</strong> aus Holz<br />

gefertigt sind ermöglichen<br />

dynamisches Sitzen<br />

4 GS aktuell 160 • November 2022


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Foto 4: Deutschunterricht: das szenische<br />

Spiel zur Erschließung von Textaussagen<br />

Foto 5 und 6:<br />

Im naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht das<br />

Spüren von naturwissenschaftlichen<br />

Phänomenen (zum<br />

Beispiel „die Kraft<br />

von Luft und<br />

Wasser spüren“<br />

ten gegensätzlichen pädagogischen Konzept<br />

von Unterricht eingebunden sind.<br />

In einem solchen Konzept ist <strong>der</strong> Klassenraum<br />

als Lernlandschaft gestaltet, es<br />

überwiegen Organisations- bzw. Lernformen<br />

wie Stationenlernen, Gruppen-,<br />

Frei- o<strong>der</strong> Wochenplanarbeit. Hier sind<br />

die Schüler*innen auf <strong>Bewegung</strong> angewiesen,<br />

um sich Informationen über Inhalte<br />

und Themen zu besorgen und um<br />

mit den an<strong>der</strong>en Gruppenmitglie<strong>der</strong>n<br />

zu kommunizieren. Solche Lernformen<br />

sind vor allem mit dem reformpädagogischen<br />

Unterrichtskonzept eines individualisierten<br />

Unterrichts verbunden, <strong>der</strong><br />

verstärkt das jeweilige Kind in den Blick<br />

nimmt, das nicht nur einer geistig individuellen<br />

För<strong>der</strong>ung bedarf, son<strong>der</strong>n auch<br />

sozial-emotionale Bedürfnisse mitbringt<br />

und sich zudem körperlich entwickelt.<br />

Ein Wochenplan o<strong>der</strong> auch ein Plan für<br />

die Freiarbeit kann grundsätzlich <strong>Bewegung</strong>saufgaben<br />

beinhalten, die die Schüler*innen<br />

nicht nur zum Bewegen auffor<strong>der</strong>n,<br />

son<strong>der</strong>n auch zur Reflexion, indem<br />

sie den körperlichen Wirkungen solcher<br />

<strong>Bewegung</strong>stätigkeiten nachspüren und<br />

darüber auch nachdenken.. Insofern eröffnen<br />

solche offenen Lernformen den<br />

Schüler*innen eine Individualisierung<br />

ihrer <strong>Bewegung</strong>sbedürfnisse.<br />

Es ist wichtig, dass Schüler*innen gestärkt<br />

werden sollen, sich ihrer Lernumgebung<br />

in ihrem Klassenraum möglichst<br />

selbsttätig zuzuwenden. Dafür ist<br />

eine vielfältige und anregend gestaltete<br />

und räumlich strukturierte Lernumgebung<br />

notwendig. Von dieser Grundeinstellung<br />

ausgehend haben Hildebrandt-<br />

Stramann (1999, 2007) und Sobczyk und<br />

Landau (2003) mobiles Sitz- und Tischinventar<br />

entwickelt, das als Bausatz Lehrer*innen<br />

und Schüler*innen eine aktive<br />

Raumgestaltung und eine bewegte Inszenierung<br />

von Unterricht ermöglichen.<br />

Die Stühle werden durch bewegliche<br />

Sitzelemente ergänzt bzw. ersetzt. Diese<br />

Sitzelemente sind Würfel o<strong>der</strong> Halbwalzen,<br />

die entwe<strong>der</strong> aus Styropor bestehen<br />

und mit Teppichboden überzogen<br />

(Foto 1) o<strong>der</strong> aus Holz gefertigt sind<br />

(siehe Foto 2). Sie erlauben den Kin<strong>der</strong>n,<br />

unterschiedliche Arbeitshaltungen<br />

während des Unterrichts einzunehmen<br />

(dynamisches Sitzen; Foto 3) und<br />

sich an <strong>der</strong> aktiven Gestaltung und Inszenierung<br />

des Unterrichts zu beteiligen.<br />

So kann man mit diesen Sitzelementen<br />

Gruppentischsitzordnungen für arbeitsgleiche<br />

und arbeitsteilige Gruppenprozesse<br />

ohne Lärm und größeren Zeitverlust<br />

einrichten. Damit wird werkstattähnliches<br />

Arbeiten auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

interessenorientierter Differenzierung<br />

und ein Arbeiten in projektorientierten<br />

Bezügen unterstützt.<br />

Zu dieser lernbegleitenden Funktion<br />

von <strong>Bewegung</strong> liegen mittlerweile einige<br />

empirische Untersuchungsergebnisse<br />

vor, die ein uneinheitliches Bild<br />

zeigen: Einige Untersuchungen kommen<br />

zu dem Ergebnis, dass Kin<strong>der</strong>, die<br />

an einem <strong>der</strong>artig bewegten Unterricht<br />

teilnehmen, eine deutlich bessere Konzentrationsfähigkeit<br />

aufweisen als Kin<strong>der</strong><br />

ohne <strong>Bewegung</strong>sakzentuierung im<br />

Unterricht. Früauf, Ruedl, Kirschner,<br />

Schott und Kopp (2016) weisen darauf<br />

hin, dass es neurophysiologische Belege<br />

für einen Zusammenhang zwischen<br />

körperlichen und kognitiven Fähigkeiten<br />

gibt, sie erklären aber auch explizit,<br />

dass die Datenlage noch zu gering ist,<br />

um „eindeutig kausale Schlussfolgerungen<br />

ziehen zu können“ (10).<br />

Das Lernen durch <strong>Bewegung</strong> hat<br />

eine lernerschließende Funktion. Die<br />

Intention dabei ist, dass Schüler*innen<br />

sich durch <strong>Bewegung</strong>shandlungen ein<br />

Lernthema erschließen, dabei etwas erkennen,<br />

erfahren, leibhaftig spüren und<br />

eventuell auch besser verstehen. In <strong>der</strong><br />

Konzepte des Bewegten Lernens gehen von <strong>der</strong><br />

Grundannahme aus, dass Kin<strong>der</strong> mit umso stärkerer<br />

innerer Beteiligung und Bereitschaft lernen wollen,<br />

je intensiver die <strong>Schule</strong> als Lebens- und Lernort auf ihre<br />

Lebensbedürfnisse eingeht.<br />

Regel finden wir diese Ebene des Bewegten<br />

Lernens in fächerübergreifenden<br />

Lernzusammenhängen. Beispiele hierfür<br />

sind im Deutschunterricht das szenische<br />

Spiel zur Erschließung von Textaussagen<br />

(Hildebrandt-Stramann u. a.<br />

2017; Foto 4), im naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht das Spüren von naturwissenschaftlichen<br />

Phänomenen (zum<br />

Beispiel „die Kraft von Luft und Wasser<br />

spüren“, Foto 5 und 6), im Sach- und<br />

Sportunterricht das Lernen über körperinterne<br />

Vorgänge am Beispiel von Körper-<br />

und Haltungsthemen o<strong>der</strong> in Verbindung<br />

mit dem Mathematikunterricht<br />

„das Üben und Vertiefen <strong>der</strong> Zahlreihe<br />

und des Zehnersystems“ (Hildebrandt-<br />

Stramann 1999, 76-84; Foto 7) o<strong>der</strong> die<br />

Einführung in die „Symmetrieachse“<br />

(Foto 8).<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

5


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Foto 7: Zahlreihe des<br />

Zehnersystems mit<br />

großen Würfeln aufbauen<br />

Die zuvor genannte Einrichtung eines<br />

mobilen Klassenzimmers mit mobilen<br />

Sitzelementen sollte immer in Verbindung<br />

mit einer Projekt- und Erfahrungsphase<br />

passieren, in <strong>der</strong> es um<br />

Körper- und Haltungsthemen geht, die<br />

den Körper beim Lernen grundsätzlich<br />

als Verbündeten betrachten. Damit die<br />

Schüler*innen den Sinn solcher Verän<strong>der</strong>ungen<br />

verstehen, ist es notwendig,<br />

in einem ersten Projektschritt im Sinne<br />

eines forschenden Lernens ihre Aufmerksamkeit<br />

auf das Sitzen zu zentrieren.<br />

Dabei stellen sie fest, dass sie während<br />

einer Unterrichtsstunde schon auf<br />

dem Stuhl mehrere Sitzvarianten einnehmen.<br />

In <strong>der</strong> Folge kann man dann<br />

mit den Schüler*innen anhand <strong>der</strong> mobilen<br />

Sitzmöbel das „dynamische Sitzen“<br />

auch aus einer physiologischen Sicht<br />

thematisieren. Dazu gehören solche<br />

Themen wie „Meine Stuhllehne ist weg<br />

– wie halte ich mich?“, „Mein Rücken ist<br />

meine Lehne“, „Sich anspannen und entspannen“<br />

und „Sich auf einer Halbwalze<br />

im Gleichgewicht halten“. 1<br />

Allerdings liegen zu dieser lernerschließenden<br />

Funktion von <strong>Bewegung</strong> bisher<br />

wenig empirisch gesicherte Erkenntnisse<br />

vor, ob die o. g. Lernansprüche auch<br />

wirklich erreicht werden. Gleichwohl gibt<br />

es für die Verbindung von Lernen und<br />

Sich-Bewegen verschiedene lerntheoretische,<br />

leibanthropologische und neurobiologische<br />

Erklärungen, die insgesamt weniger<br />

auf Wirkungsannahmen ausgerichtet<br />

sind, son<strong>der</strong>n mehr von <strong>der</strong> Grundannahme<br />

ganzheitlichen Lernens und einer<br />

damit verbundenen För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lernbereitschaft<br />

ausgehen. 2 Durch das Sammeln<br />

von sinnlich-leibhaftigen Eindrücken<br />

werden zum Beispiel Einsichten in<br />

physikalische Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten<br />

o<strong>der</strong> literarische Aussagen so<br />

vorbereitet, dass sie später auch mit Leben<br />

gefüllt werden können.<br />

Gelingensbedingungen für einen<br />

Unterricht mit bewegtem Lernen<br />

Foto 8: In die Spiegelsymmetrie bewegt einführen<br />

Ich bezeichne die konsequente Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong> bei <strong>der</strong><br />

Gestaltung und Realisierung von Lehr-<br />

Lern-Prozessen auch als Lehrkunst. Eine<br />

wichtige Frage ist die nach den Voraussetzungen,<br />

unter denen sich die Lehrkunst<br />

so entfalten kann, dass es zu solchen<br />

eigenaktiven und bewegungsbezogen<br />

Lernprozessen kommt. Ein<br />

Lernen mit und durch <strong>Bewegung</strong><br />

gelingt, wenn körperlich bedeutsame<br />

Erfahrungen identifiziert werden, die,<br />

wie zum Beispiel das Problem des Sitzens,<br />

das Problem des Sich-Bewegens<br />

gegen Wi<strong>der</strong>stand beim Erspüren <strong>der</strong><br />

Kraft von Wind und Wasser, das Problem<br />

<strong>der</strong> Achsensymmetrie bei <strong>der</strong> genau<br />

gegengleich laufenden Spiegelung <strong>der</strong><br />

<strong>Bewegung</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitteilung beim<br />

szenischen Spiel o<strong>der</strong> dem <strong>Bewegung</strong>s-<br />

6 GS aktuell 160 • November 2022


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

theater, zum Anlass für Experimente,<br />

Untersuchungen, spielerische Aktionen<br />

und vertiefende Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

genommen werden. Ein solches Lernen<br />

gelingt, wenn Lehrkräfte Fachleute für<br />

<strong>Bewegung</strong> und Sachunterricht, Mathematik,<br />

Deutsch o<strong>der</strong> Religion o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e Fächer sind und das Thema von<br />

daher aus <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>sperspektive<br />

erfassen und strukturieren können. Es<br />

gelingt nicht, wenn die <strong>Bewegung</strong> nur<br />

als bloße Beschäftigung eingebracht<br />

wird und nicht in einer erkenntnisför<strong>der</strong>nden<br />

Weise funktioniert, son<strong>der</strong>n<br />

lediglich als Pause, Lückenbüßer,<br />

Erfrischung dient. Rituale und<br />

<strong>Bewegung</strong> im Unterricht schaffen eine<br />

gute Ausgangslage für den Unterricht<br />

durch Orientierung und Entspannung,<br />

sie haben aber einen an<strong>der</strong>en Schwerpunkt<br />

als „bewegtes Lernen“, das im leiblichen<br />

Begreifen <strong>der</strong> Welt besteht und<br />

das sich symbolisch ausdrückt in Einsichten,<br />

Erfahrungen und Begriffen.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

) Detaillierte inhaltliche Beschreibungen<br />

des Projektverlaufs vgl. Hildebrandt-Stramann<br />

(1999, 44-74).<br />

2<br />

) Entsprechende Aussagen liegen auch von<br />

Grundschullehrer*innen vor, die im Rahmen<br />

einer repräsentativen, qualitativen Studie<br />

über <strong>Bewegung</strong>, Spiel und Sport in <strong>der</strong><br />

Ganztags(grund)schule erhoben wurden<br />

(vgl. Hildebrandt-Stramann 2014, 469-486).<br />

Literatur<br />

Bettelheim, B. (1983): Die Geburt des Selbst.<br />

Frankfurt: Fischer.<br />

Fauser, P./Prenzel, M./Schratz, M. (2009):<br />

Was für <strong>Schule</strong>n! Wie gute <strong>Schule</strong> gemacht<br />

wird – Werkzeuge exzellenter Praxis.<br />

Seelze-Velber: Friedrich.<br />

Fauser, P. (2010): Was gute <strong>Schule</strong>n auszeichnet?<br />

Bildung, Lernen und Ganztagsschule aus<br />

<strong>der</strong> Sicht des Deutschen Schulpreises. In:<br />

Böcker, P./Laging, R. (Hrsg.): <strong>Bewegung</strong>,<br />

Spiel und Sport in <strong>der</strong> Ganztagsschule.<br />

Baltmannsweiler: Schnei<strong>der</strong>, 15-40.<br />

Frühauf, A./Ruedl, G./Kürschner, W./Schott,<br />

N./Kopp, M. (2016): Körperliche Aktivität<br />

und kognitive Fähigkeiten. In: <strong>Bewegung</strong><br />

und Sport, 70 Jg., H. 4, 5-11.<br />

Hildebrandt-Stramann, R. (1999): Bewegte<br />

Schulkultur. <strong>Schule</strong>ntwicklung in <strong>Bewegung</strong>.<br />

Butzbach-Griedel: Afra.<br />

Hildebrandt-Stramann, R. (Hrsg.) (2007):<br />

Bewegte <strong>Schule</strong> – <strong>Schule</strong> bewegt gestalten.<br />

Baltmannsweiler: Schnei<strong>der</strong>.<br />

Hildebrandt-Stramann, R. (2010): Mit<br />

<strong>Bewegung</strong> die Welt erschließen. In: Laging,<br />

R. (Hrsg.): <strong>Bewegung</strong> vermitteln, erfahren<br />

und lernen. Festschrift anlässlich <strong>der</strong><br />

Emeritierung von Jürgen Funke-Wieneke.<br />

Baltmannsweiler: Schnei<strong>der</strong>, 233-246.<br />

Hildebrandt-Stramann, R. (2014): <strong>Bewegung</strong><br />

und Lernen im Unterricht von Ganztagsschulen.<br />

In: Hildebrandt-Stramann, R./<br />

Laging, R./Teubner, J. (Hrsg.): <strong>Bewegung</strong><br />

und Sport in <strong>der</strong> Ganztagsschule.<br />

Baltmannsweiler: Schnei<strong>der</strong>, 464-491.<br />

Hildebrandt-Stramann, R./Beckmann, H./<br />

Neumann, D./Probst, A./Wichmann, K.<br />

(2017): Bewegtes Lernen. Theoretische<br />

Grundlagen und reflektierte Unterrichtsbeispiele.<br />

Baltmannsweiler: Schnei<strong>der</strong>.<br />

Liechti, M. (2000): Erfahrung am eigenen<br />

Leibe. Taktil-kinästhetische Sinneserfahrung<br />

als Prozess des Weltbegreifens. Heidelberg:<br />

Edition S.<br />

Piaget, J. (1973): Das Erwachen <strong>der</strong> Intelligenz<br />

beim Kinde. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

Sobczyk, B./Landau, G. (2003): Das mobile<br />

Klassenzimmer. Immenhausen bei Kassel:<br />

Prolog.<br />

Spitz, R. (1969): Vom Säugling zum<br />

Kleinkind. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

„<strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> – Lesenswertes“<br />

Grundschulverband:<br />

Beiträge zur Reform <strong>der</strong> Grundschule Band 150<br />

KINDER LERNEN ZUKUNFT Anfor<strong>der</strong>ungen und tragfähige<br />

Grundlagen<br />

– Dr. Andrea Probst, Tragfähige Grundlagen: <strong>Bewegung</strong> und<br />

Sport, S. 241<br />

– Herke Alberts, Sport und <strong>Bewegung</strong> in offenen Ganztagsschulen,<br />

S. 251<br />

– Viktoria Markmann, <strong>Bewegung</strong>serfahrungen sammeln und<br />

seinen Körper kennenlernen, S. 262<br />

Beiträge zur Reform <strong>der</strong> Grundschule Band 151<br />

KINDER LERNEN ZUKUNFT Über die Fächer hinaus<br />

Stephan Riegger, Gesunde <strong>Schule</strong>. Möglichkeiten <strong>der</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />

durch Neugestaltung <strong>der</strong> Schulhöfe, S. 47<br />

Bundesministerium für Gesundheit:<br />

Broschüre zum Herunterladen: https://t1p.de/BMfG-bewegung<br />

Links zum Thema aus <strong>der</strong> Broschüre<br />

– https://deutsches-schulportal.de/konzepte/bewegte-schulekonzentration-durch-springen-rennen-kraefte-messen/<br />

– www.thedailymile.de/schulen/<br />

– www.in-form.de/wissen/bewegung-in-kita-und-schule/<br />

– www.grundgesund.bzga.de/fuer-fachkraefte/<br />

kin<strong>der</strong>-jugendgesundheit/kin<strong>der</strong>-in-bewegung/<br />

mehr-bewegung-in-<strong>der</strong>-schule/<br />

– www.dguv-lug.de/primarstufe/bewegteschule/bewegte-pause/<br />

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung<br />

Unterricht in <strong>Bewegung</strong><br />

Materialien für die Grundschule (1.–4. Klasse) zur Unterstützung<br />

von Lehrerinnen und Lehrern, <strong>Bewegung</strong> gezielt im Unterricht<br />

einzusetzen.<br />

Die Publikation möchte Lehrerinnen und Lehrer <strong>der</strong> Grundschule<br />

dabei unterstützen, mehr <strong>Bewegung</strong> in <strong>Schule</strong> und<br />

Unterricht zu bringen.<br />

Deutsche gesetzliche Unfallversicherung DGUV<br />

… die für die Primarstufe Informationen zu Themen<br />

anbietet wie:<br />

– Bleib in Balance<br />

– <strong>Bewegung</strong>sdetektive<br />

– Ringen und Kämpfen können<br />

– Bewegte Pause<br />

GVG Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und<br />

-gestaltung e. V.<br />

Praxisdatenbank (geför<strong>der</strong>t durch das Bundesministerium<br />

für Gesundheit)<br />

Beispiele aus Regionen unterschiedlicher Bundeslän<strong>der</strong>, die sich<br />

2017 an einem Ideenwettbewerb beteiligt hatten.<br />

https://ideenwettbewerb.gvg.org/praxisdatenbankverhaeltnispraevention/<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

7


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Hermann Städtler<br />

Ressourcen schöpfen,<br />

Potenziale entfalten<br />

Wie bewegendes Lernen gelingt<br />

<strong>Bewegung</strong> ist für die physische, psychische, soziale und kognitive Entwicklung von<br />

Kin<strong>der</strong>n essenziell. Gleichwohl klebt <strong>der</strong> Unterricht weiterhin am Stuhl. Wie sehr<br />

sich das Lehr- und Lernklima än<strong>der</strong>n können, wenn <strong>Bewegung</strong> als Ressource erkannt<br />

und genutzt wird, das zeigt das Beispiel <strong>der</strong> „Bewegten, gesunden <strong>Schule</strong>“.<br />

Die jüngsten <strong>Schule</strong>ingangsuntersuchungen<br />

lassen aufschrecken:<br />

Nach nahezu drei Jahren Pandemie<br />

haben viele Kin<strong>der</strong> sprachliche,<br />

motorische und sozial-kognitive Entwicklungsverzögerungen.<br />

Auch fallen<br />

immer mehr Kin<strong>der</strong> mit Gesundheitsbeeinträchtigungen<br />

auf. Die Zahl <strong>der</strong><br />

Mädchen und Jungen mit Übergewicht,<br />

Adipositas o<strong>der</strong> seelischen Nöten und<br />

Ängsten steigt.<br />

Der Blick auf die Lehrkräfte ist nicht<br />

min<strong>der</strong> besorgniserregend. Der Berufsstand<br />

hat neben Polizist*innen und Pflegekräften<br />

die höchste Burn-out-Quote<br />

überhaupt. Nur ein kleiner Teil <strong>der</strong> Lehrerschaft<br />

fühlt sich rundum gesund. Zu<br />

den häufigsten Erkrankungen unter Lehrer*innen<br />

zählen Depressionen, Burn-out<br />

und Anpassungsstörungen. Viele erleben<br />

nicht mehr ausreichend Selbstwirksamkeit.<br />

Sie haben das Gefühl, sich schützen<br />

zu müssen, um gesund zu bleiben.<br />

<strong>Bewegung</strong>sverführungen für<br />

spontanes Tun<br />

Eine gute <strong>Schule</strong> braucht Lehrende,<br />

die sich gesund fühlen. Nur wenn Erwachsene<br />

stark sind, werden Heranwachsende<br />

stark. Auch möchte niemand<br />

eine <strong>Schule</strong>, die zentrale Ressourcen von<br />

Kin<strong>der</strong>n und Lehrkräften außer Acht<br />

lässt. Und doch wird das Gesundheits-,<br />

Entwicklungs- und Lernpotenzial, das in<br />

<strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong> steckt, bis heute an vielen<br />

Bildungseinrichtungen nicht annähernd<br />

genutzt. So lernen Kin<strong>der</strong> während ihrer<br />

Grundschulzeit rund 6800 Stunden im<br />

Sitzen. In weiterführenden <strong>Schule</strong>n liegt<br />

die bewegungsfeindliche Zeitspanne<br />

noch höher. Selbst die Ganztagsschulen<br />

erhöhen nicht selten das <strong>Bewegung</strong>sdefizit,<br />

indem <strong>der</strong> „sitzende Lebensstil“<br />

<strong>der</strong> Heranwachsenden unbedacht in den<br />

Nachmittag verlängert wird.<br />

Mit Blick auf die eingangs genannten<br />

Befunde müssen wir heute mehr denn<br />

je die gesundheitliche Perspektive ernst<br />

nehmen. Es gilt, <strong>Schule</strong> so zu gestalten,<br />

dass Gesundheit entstehen kann. Dabei<br />

hilft das Konzept <strong>der</strong> Bewegten <strong>Schule</strong>.<br />

Ausgehend von <strong>der</strong> WHO-Definition,<br />

wonach Gesundheit ein Zustand des<br />

vollständigen körperlichen, geistigen<br />

und sozialen Wohlbefindens ist, wird<br />

solch ein Wohlbefinden auch als wichtige<br />

Voraussetzung für angstfreies und effektives<br />

Lernen verstanden. Selbst wenn<br />

zur Entwicklung des Wohlbefindens in<br />

Wir brauchen heute den Mut, Routinen in Frage zu<br />

stellen und stärker out of the box zu denken.<br />

Die Kin<strong>der</strong> von heute haben womöglich mehr körperliche<br />

Nachteile als je zuvor. Doch sie sind lernoffen und<br />

begeisterungsfähig wie eh und je.<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong> weitere kognitive und emotionale<br />

Einflussfaktoren zählen, wie<br />

positive Beziehungen zu Lehrpersonen,<br />

Mitschüler*innen, eine gute Unterrichtsqualität<br />

und <strong>Schule</strong>rfolg, sind <strong>Bewegung</strong>saktivitäten<br />

als natürliche Ressource<br />

beson<strong>der</strong>s wirkungsvoll.<br />

Hier mag ein kurzer persönlicher<br />

Rückblick einen Eindruck vermitteln,<br />

was durch <strong>Bewegung</strong> erreicht werden<br />

kann: In meiner Zeit als Schulleiter kamen<br />

Kin<strong>der</strong> aus 28 Nationen in unsere<br />

<strong>Schule</strong>, die nicht immer ausreichend<br />

Deutsch sprachen. Über <strong>Bewegung</strong><br />

konnte unser Kollegium die Schüler*innen<br />

sofort beteiligen – und zwar alle.<br />

Auch ließen sich „Unterrichts-Störungen“<br />

mit <strong>Bewegung</strong> gut abfangen. Selbst<br />

hartnäckige Konflikte bekamen wir mit<br />

einer <strong>Bewegung</strong>saufgabe in den Griff –<br />

an einer Kletterwand, an <strong>der</strong> die Konfliktparteien<br />

gemeinsam eine Aufgabe<br />

lösten. <strong>Bewegung</strong> war zentrales Element<br />

bis hin ins Lehrerzimmer, wo ein Trampolin<br />

stand. Die Lehrerzufriedenheit lag<br />

bei 97 Prozent.<br />

<strong>Bewegung</strong> ermöglichen,<br />

nicht machen<br />

<strong>Bewegung</strong> als Ressource im Schulalltag<br />

zu begreifen, heißt weniger „<strong>Bewegung</strong><br />

machen“ als vielmehr „<strong>Bewegung</strong><br />

ermöglichen“. Lei<strong>der</strong> wird das Konzept<br />

<strong>der</strong> „Bewegten, gesunden <strong>Schule</strong>“ oft<br />

missverstanden als kompensatorisches<br />

sportives Rezept gegen die Folgen des<br />

Sitzens. In solchen Fällen führt es die<br />

8 GS aktuell 160 • November 2022


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Hermann Städtler<br />

leitete 26 Jahre lang die Fridtjof-Nansen-<strong>Schule</strong><br />

in Hannover. Die „Brennpunkt-Grundschule“<br />

gewann unter<br />

an<strong>der</strong>em den Deutschen Präventionspreis<br />

und den Integrationspreis des<br />

DFB. Bis heute leitet <strong>der</strong> Sportpädagoge<br />

im Auftrag des nie<strong>der</strong>sächsischen<br />

Kultusministeriums das Programm <strong>der</strong><br />

„Bewegten, gesunden <strong>Schule</strong>“.<br />

ermüdenden verkündungsorientierten<br />

Unterrichtsformen unbeabsichtigt<br />

weiter. Immer, wenn die Schüler den<br />

Sitz-Unterricht nicht mehr aushalten,<br />

werden belebende <strong>Bewegung</strong>shäppchen<br />

eingesetzt. Selbst wenn solche<br />

<strong>Bewegung</strong>seinheiten kurzfristig entlasten<br />

können, so ist doch entscheidend,<br />

<strong>Bewegung</strong> nicht nur auf den kompensatorischen<br />

Effekt zu reduzieren.<br />

Denn ein <strong>der</strong>art funktioneller Einsatz<br />

von <strong>Bewegung</strong> entspricht nicht den<br />

Aneignungsmechanismen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>:<br />

Sie brauchen <strong>Bewegung</strong> weniger<br />

als Ausgleich, son<strong>der</strong>n eher als Lernressource.<br />

Wie kommt man nun also zu einer bewegten<br />

<strong>Schule</strong>, die <strong>Bewegung</strong> als Entwicklungs-<br />

und Lernpotenzial nutzt? Die<br />

gute Nachricht: Man muss sich nicht<br />

vollkommen neu erfinden. <strong>Schule</strong>ntwicklung<br />

darf gerade in diesen<br />

Drei Handlungsfel<strong>der</strong><br />

greifen<br />

ineinan<strong>der</strong> und<br />

bewegen das<br />

Ganze.<br />

Zeiten nicht zu einer weiteren Belastung<br />

des Kollegiums werden. Es reicht aus,<br />

sich zunächst <strong>der</strong> eigenen Stärken zu vergewissern.<br />

Dabei definiert das Konzept<br />

<strong>der</strong> „Bewegten, gesunden <strong>Schule</strong>“ drei<br />

Handlungsfel<strong>der</strong>, in die alle Aktivitäten<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong> eingeordnet werden können<br />

und die wechselseitig aufeinan<strong>der</strong> wirken.<br />

● „Lern- und Lebensraum <strong>Schule</strong>“<br />

(Wie können die Rahmenbedingungen<br />

einer <strong>Schule</strong> – Innen- und Außenräume<br />

– dazu beitragen, <strong>Bewegung</strong> zuzulassen,<br />

zu for<strong>der</strong>n und zu för<strong>der</strong>n?)<br />

● „Lehren und Lernen“ (Wie können<br />

Lernprozesse durch bewegende Impulse<br />

motivieren<strong>der</strong> und wirkungsvoller<br />

gelingen?)<br />

● „<strong>Schule</strong> steuern und organisieren“<br />

(Wie lassen sich för<strong>der</strong>liche Bedingungen<br />

für eine bewegte <strong>Schule</strong> in die<br />

Schulorganisation einbinden?)<br />

Da diese drei Handlungsfel<strong>der</strong> wie<br />

Zahnrä<strong>der</strong> ineinan<strong>der</strong>greifen, können<br />

schon Verän<strong>der</strong>ungen an einem<br />

„Zahn“ das Ganze mitbewegen. So<br />

kann man beispielsweise zunächst die<br />

Innen- und Außenräume unter die<br />

Lupe nehmen und sich fragen: Ist es<br />

eine Umgebung, die die natürliche, im<br />

Menschen angelegte <strong>Bewegung</strong>sfreude<br />

unterstützt? Gibt es beispielsweise in<br />

Klassenräumen auch Stehtische und ergonomische<br />

Sitzgelegenheiten und dürfen<br />

Kin<strong>der</strong>, die auf ihren Stühlen herumrutschen,<br />

eine Weile still durchs Zimmer<br />

wandeln? Wie sieht es im Flur aus? Ist es<br />

ein Gang mit Klei<strong>der</strong>haken o<strong>der</strong> gibt es<br />

dort auch <strong>Bewegung</strong>sverführungen wie<br />

Hangelgelegenheiten o<strong>der</strong> eine Boul<strong>der</strong>wand?<br />

Und nicht zuletzt <strong>der</strong> Pausenhof:<br />

Ist er eine Erkundungsfläche mit <strong>Bewegung</strong>sanreizen<br />

o<strong>der</strong> erinnert er an<br />

den Parkplatz eines Supermarkts?<br />

Innerer Raum für<br />

<strong>Bewegung</strong><br />

Raum für <strong>Bewegung</strong> wird<br />

sich an einer bewegten<br />

<strong>Schule</strong> auch in <strong>der</strong> inneren<br />

Haltung <strong>der</strong> Lehrenden wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />

Statt „Unterrichten<br />

müssen“ und „Betreuen müssen“<br />

geht es vielmehr um Lernbegleitung,<br />

Wertschätzung und<br />

soziale Nähe. Eine von solchen<br />

Werten getragene Kultur lässt sich<br />

nicht planen, sie ist das Ergebnis<br />

einer Haltung. Und solch eine aus <strong>der</strong><br />

Haltung erwachsende Schulkultur wirkt<br />

wie<strong>der</strong>um entscheidend aufs Lernklima<br />

ein. Die Hirnforschung hat gezeigt, wie<br />

sehr wir Menschen immer das Ganze<br />

abspeichern. Lernen, Gedächtnis und<br />

Emotionen sind im limbischen System<br />

eng verknüpft. Jede*r, die o<strong>der</strong> <strong>der</strong> an<br />

einer <strong>Schule</strong> unglücklich war, erinnert<br />

noch als Erwachsener ihren Geruch.<br />

Ein ganz wesentlicher Punkt für bewegendes<br />

Lernen ist schließlich <strong>der</strong><br />

Faktor Zeit: Noch folgen viele <strong>Schule</strong>n<br />

linearen Zeitkonzepten, in denen Schüler<br />

zum Empfänger und Lehrkräfte zum<br />

Verkün<strong>der</strong> von Informationen werden.<br />

<strong>Schule</strong>n mit verän<strong>der</strong>ten Zeitstrukturen<br />

gehen indes von den Ressourcen <strong>der</strong><br />

Schüler und ihrer Lehrkräfte aus. Sie akzeptieren<br />

die „Eigenzeit“ als Lern- und<br />

Aneignungstakt <strong>der</strong> Individuen und geben<br />

damit Lernprozessen den notwendigen<br />

Raum. Erste Schritte auf dem Weg<br />

zu einer guten Rhythmisierung ist die<br />

Abschaffung des Beschleunigungsdrucks<br />

von Lernprozessen im 45/50-Minuten-<br />

Takt. Stattdessen wird Stoffvermittlung<br />

und -aneignung in längeren Lernzeiten<br />

handlungsbezogen und spannend organisiert.<br />

Dabei gilt es, auch Anspannung<br />

und Entspannung in ein ausgewogenes<br />

Verhältnis zu bringen. Pausen<br />

beispielsweise sind länger als 20 Minuten<br />

und werden nicht mehr als „Erholung<br />

vom Unterricht“, son<strong>der</strong>n als erstklassige<br />

Selbstlernzeiten verstanden. In<br />

solch einem Setting führen Erwachsene<br />

dann nicht „Aufsicht“, son<strong>der</strong>n eher<br />

„Mitsicht“. Sie erleben ihre Schüler*innen<br />

und haben Anknüpfungspunkte für<br />

Beziehung. Warum erlauben wir den Pädagog*innen<br />

dabei nicht, mit einer Tasse<br />

Kaffee über den Hof zu gehen, damit<br />

auch sie sich wohlfühlen?<br />

Wir brauchen heute den Mut, Routinen<br />

in Frage zu stellen und stärker out of<br />

the box zu denken. Die Zeit, zu handeln,<br />

ist gekommen. Die Kin<strong>der</strong> von heute haben<br />

womöglich mehr körperliche Nachteile<br />

als je zuvor. Doch sie sind lernoffen<br />

und begeisterungsfähig wie eh und<br />

je. Nutzen wir also die elementare Sprache<br />

und Ressource, die dem Menschen<br />

gegeben ist: die <strong>Bewegung</strong>.<br />

Noch mehr Infos finden Sie unter<br />

www.bewegteschule.de<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

9


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Maresi Lassek, Hans Brügelmann<br />

Bundesjugendspiele – aus <strong>der</strong> Zeit<br />

gefallen und diskriminierend?<br />

Hans Brügelmann (HB): Maresi, als<br />

wir kürzlich mit einigen Kolleg*innen<br />

über Sport und <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

diskutiert haben, plädierte eine von<br />

ihnen dafür, die Bundesjugendspiele<br />

abzuschaffen. Du hast da zu meiner<br />

Überraschung sehr entschieden wi<strong>der</strong>sprochen.<br />

Warum?<br />

Maresi Lassek (ML): Weil für mich<br />

in dem Zusammenhang viele Hintergrundfragen<br />

o<strong>der</strong> Drittfaktoren eine<br />

Rolle spielen. Sport kann als Wettkampf,<br />

Leistungsmessen und in den Kategorien<br />

Gewinner und Verlierer gesehen werden.<br />

Zu (hinter)fragen wäre z. B.: Wird<br />

<strong>der</strong> Wettbewerb als solcher abgelehnt<br />

o<strong>der</strong> sind es die klassischen Disziplinen<br />

o<strong>der</strong> vielleicht die Tatsache, dass<br />

die Übungsmöglichkeiten in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

begrenzt o<strong>der</strong> ungeliebt sind und auf<br />

das Talent o<strong>der</strong> das im Freizeitbereich<br />

Geübte zurückgegriffen werden muss?<br />

HB: Für mich gibt es noch ein weiteres<br />

Problem, dass nämlich –wie<br />

bei Deutsch und Mathematik – für<br />

alle Kin<strong>der</strong> gleiche Ziele zur gleichen<br />

Zeit gesetzt werden. Unabhängig von<br />

den Voraussetzungen und den Lernmöglichkeiten.<br />

Das ist unfair, was die<br />

Leistungsbewertung angeht – und es<br />

schwächt auch die Motivation, sich auf<br />

die Anfor<strong>der</strong>ung, durch Übung besser<br />

zu werden, überhaupt einzulassen.<br />

ML: Richtig, wie in den an<strong>der</strong>en<br />

Fächern – und da ist <strong>der</strong> ästhetische<br />

Bereich keineswegs ausgenommen –<br />

können niemals alle die gleichen Ziele<br />

und schon gar nicht zur gleichen Zeit<br />

erreichen. Unbedingt muss man sich<br />

über grundlegende Ziele verständigen,<br />

aber mit <strong>der</strong> Klarheit: Kin<strong>der</strong> bringen<br />

unterschiedliche Vorerfahrungen mit,<br />

unterschiedliche Talente bzw. Stärken<br />

und Schwächen und unterschiedliche<br />

Arbeitsweisen, die wie<strong>der</strong>um auch von<br />

ihrem jeweiligen Interesse und ihrer<br />

Motivation abhängen. Vertrauen in<br />

sich selbst und in das soziale Umfeld<br />

sind weitere Faktoren, über die nachzudenken<br />

wäre. Was bedeutet das für den<br />

Schulsport, die Leistungsmessung dort<br />

und vor allem für Veranstaltungen in<br />

diesem Lernbereich? Und, warum empfinden<br />

manche die Bundesjugendspiele<br />

als beson<strong>der</strong>s ungerecht?<br />

HB: Ich denke, das direkte gegeneinan<strong>der</strong><br />

Laufen und Werfen verschärft<br />

die Konkurrenzerfahrung. Es ist ja nicht<br />

nur das Messen an gleichen Zielen zur<br />

gleichen Zeit, son<strong>der</strong>n die sinnlich<br />

spürbare Erfahrung des „Besser“- o<strong>der</strong><br />

„Schlechter“-Seins. Wie wenn die Lehrerin<br />

die Hefte nach <strong>der</strong> Klassenarbeit<br />

vor allen verteilt und dabei die Noten<br />

laut bekannt gibt.<br />

ML: Konkurrenzerfahrung, Messen,<br />

sinnlich spürbare Erfahrung, ja, das alles<br />

ist beson<strong>der</strong>s sichtbar im sportlichen<br />

Sich-Messen. Der Wettbewerb beim<br />

Sportfest ist frustrierend, wenn nur<br />

<strong>der</strong> Einzelsieg zählt. Bei den Bundesjugendspielen<br />

werden Gesamtpunkte<br />

aus drei Disziplinen errechnet, ein Sieg<br />

in einem Lauf ist nicht das En<strong>der</strong>gebnis.<br />

Das muss für die Kin<strong>der</strong> transparent<br />

gemacht werden. Das Erleben hängt<br />

von Information und von Einstellungen<br />

sowie dem Sozialgefüge ab. Und mal<br />

ehrlich, geschehen diese Erfahrungen<br />

nicht ständig und beson<strong>der</strong>s in pädagogisch<br />

nicht gesteuerten Situationen?<br />

Müssen wir uns nicht genau aus dem<br />

Grund explizit damit auseinan<strong>der</strong>setzen,<br />

was in Pausen, auf Schulwegen<br />

und ausgeprägt im Freizeitbereich im<br />

sozialen Miteinan<strong>der</strong> und in Konfliktsituationen,<br />

aber auch in an<strong>der</strong>en<br />

Fächern abläuft?<br />

Maresi Lassek<br />

ehemalige Schulleiterin in Bremen,<br />

Bundesvorsitzende des Grundschulverbands<br />

bis 2020<br />

Prof. i. R. Dr. Hans Brügelmann<br />

Mitglied im Vorstand <strong>der</strong><br />

GSV-Landesgruppe Bremen<br />

HB: Das sind in <strong>der</strong> Tat wichtige Fragen.<br />

Deine Beispiele zeigen, wie stark<br />

die Wirkung pädagogischer o<strong>der</strong> didaktischer<br />

Konzepte von ihrer Umsetzung<br />

abhängt. Ganz wesentlich ist auch hier<br />

wie<strong>der</strong>, wie solche Wettbewerbe durchgeführt<br />

werden. Vor allem kommt es<br />

auf das Klima in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> an, auf den<br />

Umgang miteinan<strong>der</strong> und auf die Art,<br />

wie Leistungen generell gewürdigt werden:<br />

primär im Vergleich mit an<strong>der</strong>en<br />

o<strong>der</strong> bezogen auf die individuellen Fortschritte,<br />

also gemessen an den jeweiligen<br />

Voraussetzungen und Lern- und<br />

Lebensbedingungen. Wird honoriert,<br />

dass ich schneller gelaufen bin als im<br />

Training („persönliche Bestzeit“), o<strong>der</strong><br />

nehmen Lehrerin und Mitschüler*innen<br />

nur den Platz in <strong>der</strong> Rangliste wahr<br />

(„ferner liefen“)?<br />

ML: Wie Kin<strong>der</strong> lernen können, mit<br />

Konkurrenz ohne Verletzungen für sich<br />

und im Miteinan<strong>der</strong> umzugehen, das ist<br />

die Herausfor<strong>der</strong>ung. Sind Konkurrenzerfahrung<br />

und Gemessenwerden<br />

unbedingt zu vermeiden o<strong>der</strong> sind sie<br />

Teil von Stationen in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

von Selbstbewusstsein und Toleranz?<br />

HB: Wie du sagst, gibt es im Unterricht<br />

und im Alltag schon so viel Konkurrenz,<br />

da wäre es für die Entwicklung <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> hilfreich, wenn die <strong>Schule</strong> auch<br />

Räume anbieten bzw. sichern könnte,<br />

in denen es nicht darauf ankommt,<br />

besser zu sein als an<strong>der</strong>e, son<strong>der</strong>n wo<br />

10 GS aktuell 160 • November 2022


Thema: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Kin<strong>der</strong> ihre Möglichkeiten in <strong>der</strong> Breite<br />

ohne Versagensangst erproben und<br />

entwickeln können. Wer beson<strong>der</strong>e<br />

Talente hat, kann sich dann auf eigenen<br />

Wunsch mit an<strong>der</strong>en im Wettkampf<br />

messen. In an<strong>der</strong>en Fächern ist die Teilnahme<br />

an Wettbewerben ja auch freiwillig.<br />

An Lese-, Mathe- o<strong>der</strong> Musik-<br />

Wettbewerben nehmen ja auch nur die<br />

teil, die sich in diesen Bereichen als<br />

beson<strong>der</strong>s leistungsstark erleben. Vielleicht<br />

könnte man trennen zwischen <strong>der</strong><br />

Anfor<strong>der</strong>ung, in einer vorgegebenen<br />

Breite verschiedener Sportarten Grun<strong>der</strong>fahrungen<br />

zu machen, die nicht vergleichend<br />

bewertet werden, und sich in<br />

selbst gewählten Bereichen Leistungsprüfungen<br />

zu stellen.<br />

ML: Mit Grun<strong>der</strong>fahrungen sprichst<br />

du einen wichtigen Punkt an. Wir müssen<br />

uns vergegenwärtigen, dass die vielfältigen<br />

Aktivitäten des Sports in <strong>der</strong><br />

Grundschule nur in einer kleinen Auswahl<br />

vermittelt werden (können). Es<br />

geht um Elemente von <strong>Bewegung</strong>sabläufen,<br />

die überall umsetzbar und altersgemäß<br />

sind. Dabei haben Ausbildung<br />

und Stärken <strong>der</strong> Sportlehrkraft Einfluss,<br />

genau wie ein häufig fachfremd erteilter<br />

Unterricht. Die sportlichen Aktivitäten<br />

in <strong>der</strong> Familie prägen die Vorliebe<br />

zu einzelnen Sportarten mehr als <strong>der</strong><br />

Unterricht.<br />

Die Geschichte <strong>der</strong> Bundesjugendspiele<br />

beginnt 1951 und geht auf die<br />

Reichsjugendwettkämpfe <strong>der</strong> Weimarer<br />

Republik zurück. In <strong>der</strong> DDR hieß die<br />

entsprechende Veranstaltung Kin<strong>der</strong>und<br />

Jugendspartakiade.<br />

Die Teilnahme <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />

Schüler ist laut Kultusministerkonferenz<br />

(Beschluss von 1997) verpflichtend.<br />

Die erzielten Leistungen werden mit<br />

Punkten bewertet, bei entsprechenden<br />

Punktezahlen erhalten die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer eine Siegerurkunde,<br />

eine Ehrenurkunde o<strong>der</strong> eine Teilnehmerurkunde.<br />

Schülerinnen und Schülern mit und<br />

ohne Behin<strong>der</strong>ung wird ein auf sie zugeschnittenes<br />

Angebot zur gleichberechtigten<br />

Teilnahme an den Bundesjugendspielen<br />

unterbreitet.<br />

HB: Für die „Grun<strong>der</strong>fahrungen“ finde<br />

ich die Idee des „Führerscheins“ hilfreich,<br />

die ja auch in Deutsch und Mathe<br />

zunehmend für das Zertifizieren von<br />

Basiskompetenzen genutzt wird: Es werden<br />

grundlegende Lernziele verbindlich<br />

benannt – z. B. das kleine und das große<br />

Einmaleins o<strong>der</strong> ein Grundwortschatz<br />

an häufigen Funktionswörtern in <strong>der</strong><br />

Rechtschreibung –, aber die Kin<strong>der</strong> melden<br />

sich erst zur Prüfung, wenn sie sich<br />

die Bewältigung dieser Anfor<strong>der</strong>ung<br />

zutrauen. So flexibel wird es ja auch<br />

beim Schwimmen mit „Seepferdchen“<br />

usw. gehandhabt.<br />

ML: Ja, aber neben dieser Grundbildung<br />

hat <strong>der</strong> Lernbereich Sport noch<br />

einen zweiten Auftrag, <strong>der</strong> elementar<br />

für die Gesundheit und Entwicklung<br />

aller Kin<strong>der</strong> ist. Es geht um <strong>Bewegung</strong>,<br />

<strong>Bewegung</strong>sfreude und Ausgleich von<br />

<strong>Bewegung</strong>sdefiziten. Die <strong>Schule</strong> hat<br />

hier – insbeson<strong>der</strong>e mit Blick auf den<br />

Ganztag und auf die sehr geringe Quote<br />

von Kin<strong>der</strong>n aus ärmeren Familien, die<br />

einem Verein angehören – eine verantwortungsvolle<br />

Aufgabe weit über<br />

den Sportunterricht hinaus: Motivation<br />

schaffen, <strong>Bewegung</strong>sfreude auslösen<br />

und Anstrengungsbereitschaft<br />

entwickeln.<br />

Ein Sich-Messen zulassen, um darüber<br />

zu erfahren, dass es unterschiedliche<br />

individuelle Stärken gibt und diese anzuerkennen<br />

sind, wäre dabei ein sozialför<strong>der</strong>liches<br />

Ziel.<br />

Kann mit diesem Ansatz ein Sportfest<br />

nicht ein <strong>Schule</strong>reignis sein, das zur<br />

In Übereinstimmung mit den Rahmenplänen<br />

<strong>der</strong> Primarstufe 1 bis 4 <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

soll bei den Bundesjugendspielen<br />

eine sportliche Frühspezialisierung vermieden<br />

werden. Zugleich werden die<br />

Kin<strong>der</strong> systematisch an die drei Grundsportarten<br />

Leichtathletik, Gerätturnen<br />

und Schwimmen herangeführt.<br />

Am bekanntesten ist die Leichtathletikvariante:<br />

– schnell laufen<br />

– weit o<strong>der</strong> hoch springen<br />

– weit werfen<br />

– ausdauernd laufen<br />

Seit 2015 wird über den Sinn und die<br />

Durchführung <strong>der</strong> Bundesjugendspiele<br />

auch in <strong>der</strong> Öffentlichkeit kontrovers<br />

diskutiert.<br />

Was meinen Sie?<br />

Schreiben Sie uns<br />

gerne zu Ihren<br />

Erfahrungen und<br />

Überlegungen an<br />

maresi.lassek@web.de und/o<strong>der</strong><br />

hans.bruegelmann@gmx.de<br />

Gemeinschaftsför<strong>der</strong>ung beiträgt und<br />

<strong>der</strong> Persönlichkeitsentwicklung zuträglich<br />

ist? Wo gerade auch Kin<strong>der</strong>, die in<br />

Deutsch und Mathe Schwierigkeiten haben,<br />

Anerkennung erfahren und auch<br />

mal die Nase vorn haben gegenüber den<br />

sonst immer Leistungsstärkeren. Bundesjugendspiele<br />

als für Kin<strong>der</strong> beschämend<br />

und einen für die Grundschule<br />

ungeeigneten Konkurrenzkampf grundsätzlich<br />

abzulehnen ist mir zu kurz gegriffen.<br />

Der Leistungsvergleich ist ja auch<br />

nicht weg, wenn Qualifizierungsschritte<br />

zu unterschiedlichen Zeiten geprüft werden.<br />

Kin<strong>der</strong> merken, wenn die Freundin<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Freund ein Zertifikat früher<br />

erhält als sie selbst. Lernerfahrungen<br />

dann zu prüfen, wenn sie gemacht sind,<br />

ist unbestritten <strong>der</strong> bessere Weg. Trotzdem<br />

entbindet das nicht davon, dass wir<br />

die tragfähigen Grundlagen für soziales<br />

Miteinan<strong>der</strong>auskommen vermitteln<br />

und stärken müssen: Erfahrungen von<br />

Selbstwirksamkeit, Beteiligung, Verantwortung,<br />

Wertschätzung, Diskursfähigkeit<br />

und Autonomie. Was bietet <strong>Schule</strong><br />

an, damit Kin<strong>der</strong> diese grundlegenden<br />

Erfahrungen entwickeln können – auch<br />

im Sportunterricht? <br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

11


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Renate Zimmer<br />

<strong>Bewegung</strong> und Sprache<br />

Über <strong>Bewegung</strong> Sprachanlässe schaffen<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, die beim Eintritt in die Grundschule nicht über ausreichende<br />

Deutschkenntnisse verfügen, nimmt zu. Vor allem Kin<strong>der</strong> mit Migrations-<br />

bzw. Fluchthintergrund bedürfen einerseits <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Aufmerksamkeit<br />

hinsichtlich ihrer Integration in die Klasse, sie benötigen an<strong>der</strong>erseits aber<br />

auch beson<strong>der</strong>e Maßnahmen beim Erwerb <strong>der</strong> deutschen Sprache.<br />

Kin<strong>der</strong> entfalten ihr Sprachpotenzial<br />

im sozialen Kontext,<br />

im Austausch mit an<strong>der</strong>en – mit<br />

Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Erwachsenen. Sie entwickeln<br />

es aber auch in Handlungszusammenhängen,<br />

die ihnen wichtig<br />

erscheinen, die ihre eigenen Interessen<br />

berühren. Situative, aber auch bewusst<br />

inszenierte <strong>Bewegung</strong>sangebote stellen<br />

solche individuell bedeutsamen Handlungszusammenhänge<br />

dar. Sie bieten<br />

Kin<strong>der</strong>n Anlässe zum Sprechen, zum<br />

Erweitern und Differenzieren ihres<br />

Wortschatzes, zum Hören und Einprägen<br />

von Satzmustern. Eine Spielidee<br />

liefert den Anlass für <strong>Bewegung</strong>shandlungen<br />

wie auch für Sprachhandlungen.<br />

Spiel- und <strong>Bewegung</strong>ssituationen werden<br />

„versprachlicht“. Damit können<br />

Spielhandlungen<br />

Ich werfe<br />

den Ball!<br />

zugleich zu komplexen Sprachlernsituationen<br />

werden.<br />

Durch das Handeln gewonnene Erfahrungen<br />

werden in Verbindung mit<br />

<strong>der</strong> Sprache zu Begriffen. Zeitliche Begriffe<br />

wie „langsam“ und „schnell“,<br />

räumliche Begriffe wie „hoch“ und „tief “<br />

erfahren Kin<strong>der</strong> z. B. in einfachen und<br />

komplexen <strong>Bewegung</strong>shandlungen, die<br />

sie in Raum und Zeit variieren. So erwerben<br />

sie auf <strong>der</strong> semantisch-lexikalischen<br />

Ebene eine Erweiterung des Wortschatzes<br />

und die Voraussetzung für das<br />

Verständnis sprachlicher Klassifizierungen.<br />

Wortschatz und Wortbedeutung<br />

Ich fange<br />

den Ball!<br />

<strong>Bewegung</strong>sspielsituationen bieten ideale<br />

Gelegenheiten für den Aufbau eines<br />

aktiven und passiven Wortschatzes und<br />

auch für das Verständnis von Wortbedeutungen.<br />

Objekten werden<br />

Wörter zugeordnet, im Umgang<br />

mit Objekten und Materialien<br />

können Begriffe erfahren werden,<br />

in <strong>Bewegung</strong>sspielsituationen werden<br />

Begriffskategorien gebildet. Sinnliche<br />

Erfahrungen erweitern den Wortschatz:<br />

Was ist rund, was ist eckig, hart, weich?<br />

Wie viele unterschiedliche Varianten<br />

des Gehens gibt es? Beim Schleichen,<br />

Schlurfen und Stampfen lernen die Kin<strong>der</strong><br />

nicht nur die <strong>Bewegung</strong>squalitäten,<br />

son<strong>der</strong>n auch die dazugehörigen Begriffe<br />

kennen. Sie benennen die Gegenstände,<br />

mit denen sie sich bewegen (Reifen,<br />

Kreisel, Balancierbrett) und ordnen sie<br />

in ein Kategoriensystem ein (zu den<br />

Bällen gehören sowohl Tischtennisbälle,<br />

Wasserbälle als auch Schaumstoffbälle<br />

– obwohl sie ganz unterschiedlich<br />

groß und aus unterschiedlichem Material<br />

sind) und erfinden neue Namen für<br />

<strong>Bewegung</strong>sgeräte (Hüpfball, Sprungball,<br />

Flugball, Riesenball).<br />

In <strong>Bewegung</strong> zu den Regeln<br />

<strong>der</strong> Sprache finden<br />

Auch grammatikalische Regeln können<br />

über <strong>Bewegung</strong> bewusst gemacht und<br />

geübt werden. In Spielsituationen gibt<br />

es Gelegenheiten, in denen die Kin<strong>der</strong><br />

den Plural bilden (Gib mir die Bälle),<br />

die Wortstellung beachten (Ich baue<br />

ein Haus. Ich brauche den Kasten) und<br />

Kausalsätze formulieren: Ich brauche<br />

den Kasten, weil ich ein Haus bauen<br />

will. Die Kin<strong>der</strong> erleben sich als Subjekt<br />

o<strong>der</strong> Objekt, d. h., es wird auf <strong>der</strong><br />

sprachlichen Ebene die Unterscheidung<br />

in aktive und passive Modi vorge nommen:<br />

Im <strong>Bewegung</strong>sspiel fangen sie<br />

die an<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> werden gefangen,<br />

sie schieben das Rollbrett o<strong>der</strong> werden<br />

geschoben. <strong>Bewegung</strong> ermöglicht ihnen,<br />

mit Zeit und Geschwindigkeit zu experimentieren,<br />

dabei erleben sie auf sensomotorischer<br />

Ebene die Bildung und<br />

Bedeutung des Komparativs (schnell –<br />

schneller laufen, hoch – höher klettern).<br />

Es gibt Gelegenheiten für den Artikelgebrauch<br />

und für Flexionen <strong>der</strong> Verben<br />

(Ich habe das Haus gebaut). Auch hier<br />

können <strong>Bewegung</strong>sanlässe zu Sprach-<br />

12<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Prof. Dr. Renate Zimmer<br />

Erziehungswissenschaftlerin mit dem<br />

Schwerpunkt Frühe Kindheit und<br />

Professorin für Sportwissenschaft (i. R.)<br />

an <strong>der</strong> Universität Osnabrück. Grün<strong>der</strong>in<br />

und Leiterin des Instituts Bewegte<br />

Kindheit. Autorin von mehr als 70 Fachbüchern<br />

zu den Themen <strong>Bewegung</strong><br />

und Sprache, Psychomotorik, <strong>Bewegung</strong>serziehung,<br />

Bewegtes Lernen,<br />

Sinneswahrnehmung etc.<br />

www.renatezimmer.de<br />

anlässen werden, die auf <strong>der</strong> morphologisch-syntaktischen<br />

Ebene den<br />

Spracherwerb des Kindes unterstützen<br />

(Zimmer 2019).<br />

Die kommunikative<br />

Funktion <strong>der</strong> Sprache<br />

Sprache wird nicht <strong>der</strong> Sprache wegen<br />

erlernt, son<strong>der</strong>n aus einer kommunikativen<br />

Absicht heraus. Sich mit jemandem<br />

verständigen zu können, seine<br />

Wünsche zu entziffern, die eigenen Botschaften<br />

zu übermitteln, mit ihm zu<br />

verhandeln, etwas zu erreichen – das<br />

benötigt ein gemeinsames System. Hier<br />

geht es zunächst einmal nicht um die<br />

grammatikalische Richtigkeit, die Vielfalt<br />

<strong>der</strong> Wörter, es geht vielmehr darum,<br />

dass man sich über Sprache mitteilen,<br />

mit an<strong>der</strong>en kommunizieren kann.<br />

<strong>Bewegung</strong>sspiele erfor<strong>der</strong>n die Absprache<br />

von Regeln, das Verteilen von<br />

Rollen, die Festlegung <strong>der</strong> Spielhandlung.<br />

Fragen und Antworten, Zuhören<br />

und Erklären werden in <strong>der</strong> Spielsituation<br />

geübt.<br />

<strong>Bewegung</strong>s- und<br />

Sprechanlässe schaffen<br />

Ebenso können umgekehrt Sprachhandlungen<br />

zu <strong>Bewegung</strong>sanlässen werden:<br />

Die Beschreibung einer Situation wird<br />

durch Gestik begleitet, ein Rollenspiel<br />

lebt zwar durch die sprachliche Kommunikation<br />

<strong>der</strong> am Spiel Beteiligten, es<br />

wird gleichzeitig aber auch körperlich<br />

inszeniert. So können Spielhandlungen<br />

als komplexe Sprachlernsituationen aufgefasst<br />

werden. Sie schaffen <strong>Bewegung</strong>sund<br />

Sprechanlässe, die dazu beitragen,<br />

das sprachliche und körpersprachliche<br />

Handlungsrepertoire ebenso zu<br />

erweitern wie das <strong>Bewegung</strong>srepertoire.<br />

Zugang zum Kind finden<br />

Bei Kin<strong>der</strong>n, die nicht die deutsche<br />

Sprache sprechen, ist es für die Lehrkraft<br />

beson<strong>der</strong>s wichtig, zunächst einmal<br />

einen Zugang zum Kind zu erhalten.<br />

Oft wirken nonverbale Spielanlässe,<br />

Spiele mit Material und interessanten<br />

Objekten als „Eisbrecher“. Der Ball<br />

ist viel mehr als eine Abbildung in <strong>der</strong><br />

Sprachfibel o<strong>der</strong> auf einem Sprachkärtchen.<br />

Er for<strong>der</strong>t zunächst einmal zum<br />

Handeln auf, erst dann zum Sprechen:<br />

Man kann ihn rollen, werfen, fangen –<br />

<strong>Bewegung</strong>sverben werden im Handeln<br />

erfahren, gleichzeitig werden nicht nur<br />

<strong>der</strong> Wortschatz, son<strong>der</strong>n auch die Wortbedeutung<br />

geübt. Grammatikalische<br />

Regeln werden nebenbei aufgenommen<br />

und prägen sich ein: Ich werfe den Ball,<br />

du wirfst den Ball zurück, <strong>der</strong> Ball wird<br />

gerollt – aktive und passive Formen,<br />

Verbflexionen und Artikelgebrauch –;<br />

so schwierig die deutsche Grammatik<br />

auch scheint, beim Spiel mit dem Ball<br />

wird sie fast „nebenbei“ erfahren. Vor<br />

allem aber ist <strong>der</strong> Ball ein Medium <strong>der</strong><br />

Kommunikation, <strong>der</strong> Beziehungsaufnahme.<br />

Er gibt Anlässe zum Sprechen,<br />

die gemeinsame Aktivität kommt aber<br />

gleichermaßen auch ohne aktive Sprache<br />

aus (Zimmer 2021). Dies ist vor<br />

allem für Kin<strong>der</strong> wichtig, die bisher nur<br />

wenig Kontakt mit <strong>der</strong> deutschen Sprache<br />

hatten, die sich in <strong>der</strong> Gruppe noch<br />

nicht angenommen fühlen, zu denen<br />

erst einmal eine Beziehung aufgebaut<br />

werden muss.<br />

Die korrekte Aussprache, die richtige<br />

Artikelbildung o<strong>der</strong> die Erweiterung<br />

des Wortschatzes sind zunächst einmal<br />

nebensächlich. Je<strong>der</strong> Spracherwerb beginnt<br />

über Vereinfachungen. Und es<br />

gilt, einen Zugang zum Kind zu finden,<br />

und dies gelingt über <strong>Bewegung</strong>sspiele<br />

beson<strong>der</strong>s gut, da sich die Kommunikation<br />

hier erst einmal auf <strong>der</strong> Handlungsebene<br />

ergibt.<br />

Den Blick auf die Ressourcen lenken<br />

<strong>Bewegung</strong>saktivitäten stellen für Kin<strong>der</strong><br />

einen kontextuellen Rahmen dar,<br />

in dem Sprechanlässe geschaffen, Dialoge<br />

angebahnt und Interaktionen aufgebaut<br />

werden können. Dies gelingt<br />

auf <strong>der</strong> nonverbalen Ebene, in <strong>der</strong> aktiven<br />

Spiel- und <strong>Bewegung</strong>ssituation, im<br />

Umgang mit Geräten und Materialien<br />

einfacher als in <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>gründig verbal<br />

bestimmten Situation. Die Lehrkraft<br />

kann auf die Fähigkeiten <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

eingehen, ihre individuellen Stärken<br />

hervorheben, sie den Kin<strong>der</strong>n bewusst<br />

machen. Durch das eigene sprachför<strong>der</strong>liche<br />

Verhalten trägt sie dazu bei,<br />

die Sprechfreude zu unterstützen und sie<br />

zur Kommunikation anzuregen.<br />

Eine Sprachbildung, die die körperund<br />

bewegungsorientierte Ebene einbezieht,<br />

bietet die Chance, an den Kompetenzen<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> anzusetzen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

Kin<strong>der</strong>n mit geringen Deutschkenntnissen<br />

fällt es oft leichter, sich über<br />

Gestik und Mimik, Gebärden und ihren<br />

Körper zu verständigen. So können sie<br />

mit an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n kommunizieren,<br />

fühlen sich anerkannt und wahrgenommen.<br />

Die Teilnahme am verbalen<br />

Austausch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> trägt<br />

zu ihrem Sprachverständnis bei und gibt<br />

ihnen die Gelegenheit, auch in <strong>der</strong> verbalen<br />

Kommunikation zunehmend aktiv<br />

zu werden.<br />

<strong>Bewegung</strong>ssituationen haben sich<br />

hier als motivieren<strong>der</strong> Kontext für die<br />

Unterstützung des Spracherwerbs erwiesen.<br />

Gerade Kin<strong>der</strong> mit Deutsch als<br />

Zweitsprache können auf ihren bereits<br />

vorhandenen sprachunabhängigen <strong>Bewegung</strong>skompetenzen<br />

aufbauen und<br />

durch diese einen leichteren Zugang zur<br />

deutschen Sprache erlangen. <strong>Bewegung</strong><br />

schafft vielfältige Möglichkeiten <strong>der</strong> Begegnung<br />

und bietet eine ganzheitliche,<br />

ressourcenorientierte Alternative zu additiven<br />

Sprachför<strong>der</strong>programmen, bei<br />

denen es um die funktionale Vermittlung<br />

von sprachlichen Kompetenzen geht. <br />

Literatur<br />

Zimmer, R. (2019). Handbuch Sprache und<br />

<strong>Bewegung</strong>. Freiburg: Her<strong>der</strong><br />

Zimmer, R. (2021). Eine kleine Ballgrammatik.<br />

Spielerische Zugänge zur Sprache. Freiburg:<br />

Her<strong>der</strong><br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

13


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Astrid Touray<br />

Wir bringen das Wasser zu den Kin<strong>der</strong>n<br />

Menschen ertrinken, weil sie nicht o<strong>der</strong> nicht sicher schwimmen können. Kin<strong>der</strong><br />

und Jugendliche können mit ihren Freunden nicht ins Freibad, weil sie nicht<br />

sicher schwimmen können. Eltern können ihren Kin<strong>der</strong>n das Schwimmen nicht<br />

beibringen, weil sie es nie gelernt haben.<br />

Eine repräsentative Forsa-Umfrage<br />

hat es deutlich aufgezeigt. 59 Prozent<br />

<strong>der</strong> Zehnjährigen sind keine<br />

sicheren Schwimmer. Dies gab die<br />

Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft<br />

(DLRG) 2017 in Hannover bekannt.<br />

„Die Schwimmfähigkeit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im<br />

Grundschulalter ist weiterhin ungenügend.<br />

Im Durchschnitt besitzen nur 40<br />

Prozent <strong>der</strong> Sechs- bis Zehnjährigen ein<br />

Jugendschwimmabzeichen.“<br />

Der 2020 gegründete Verein<br />

SCHWIMM MIT e. V. hat für seine<br />

Arbeit folgende drei Problemfel<strong>der</strong> ausgemacht:<br />

● Eltern haben kein Wissen über die<br />

beson<strong>der</strong>e Bedeutung des Schwimmens,<br />

können selbst nicht schwimmen<br />

und führen Ihre Kin<strong>der</strong> nicht heran.<br />

● Den Familien stehen zu wenig finanzielle<br />

Mittel zur Verfügung, um<br />

an einem Schwimmangebot teilzunehmen,<br />

zu hohe Kursgebühren, zu hohe<br />

Eintrittspreise.<br />

● Es gibt zu wenige Angebote. Dies u. a.<br />

auch deshalb, da zu wenig Wasserflächen<br />

vorhanden sind und das nächste<br />

Schwimmbad zu weit weg ist.<br />

Die Mobile Schwimmschule<br />

Die Mobile Schwimmschule umfasst<br />

einen überdachten mobilen Schwimmpool<br />

<strong>der</strong> Größe 4,00 m x 7,80 m mit<br />

etwa 0,95 m Wassertiefe. Das Wasser<br />

fließt durch eine mobile Wärmepumpen-<br />

Filteranlage, hat immer eine Temperatur<br />

von mindestens 27 °C und wird gepflegt,<br />

wie in einem kleinen Schwimmbad.<br />

Kin<strong>der</strong> können hier zeitgleich in<br />

Gruppen zu fünft o<strong>der</strong> sechst spielerisch<br />

die Wasserwelt erfahren, die Wassergewöhnung<br />

abschließen und erste Techniken<br />

<strong>der</strong> Wasserbewältigung erlernen.<br />

Die Kursteilnahme eines jeden Kindes<br />

über 10 Termine ist sinnvoll. Die Kin<strong>der</strong><br />

werden von zwei Trainer*innen bzw.<br />

Übungsleiter*innen über 30 Minuten im<br />

Wasser angeleitet und darüber hinaus<br />

mit Ba<strong>der</strong>egeln vertraut gemacht. Wichtig<br />

ist allen Beteiligten, dass die Kin<strong>der</strong><br />

sich dem Element Wasser stressfrei und<br />

mit Freude nähern. Einigen Kin<strong>der</strong>n<br />

wird das schnell gelingen. An<strong>der</strong>e brauchen<br />

Zeit, Zuspruch und kleine Schritte.<br />

Die Kin<strong>der</strong>tagesstätten organisieren<br />

die Kursbelegung und begleiten die Kin<strong>der</strong><br />

mit einer pädagogischen Kraft aus<br />

<strong>der</strong> Gruppe. Sie sind fürs Duschen und<br />

Umziehen verantwortlich und verbleiben<br />

während <strong>der</strong> Kurse als vertraute Person<br />

am Becken. Die Angebote sind inklusiv,<br />

mögliche Assistenzen werden mit einbezogen.<br />

Vier Wochen steht die Mobile<br />

Schwimmschule an einem Standort und<br />

ermöglicht so 60 bis 70 Kin<strong>der</strong>n im Vorschulalter<br />

die Teilnahme. Das Angebot<br />

ermöglicht effektiven Schwimmunterricht<br />

auch unabhängig von Schwimmbä<strong>der</strong>n<br />

auf dem Kin<strong>der</strong>gartengelände in<br />

vertrauter Umgebung. Es ist ein kreativer<br />

Weg, die Quote <strong>der</strong> Nichtschwimmer*innen<br />

bei Kin<strong>der</strong>n im Grundschulalter<br />

zu verringern und aufzuzeigen, dass<br />

sich frühzeitige Wassergewöhnungsangebote<br />

im Vorschulalter auf die Erlangung<br />

sicherer Schwimmkenntnisse im späteren<br />

Kindesalter positiv auswirken. Darüber<br />

hinaus haben Erzieher*innen aller<br />

beteiligten Einrichtungen bestätigt, dass<br />

die Teilnahme an den Kursen die Kin<strong>der</strong><br />

enorm in ihrem Resilienzverhalten stärkt<br />

und positive gruppendynamische Prozesse<br />

anschiebt. Die Kin<strong>der</strong> motivieren und<br />

unterstützen sich in den Kursen gegenseitig.<br />

Sie sind zurecht stolz auf ihre in den<br />

Kursen erbrachten Lernleistungen.<br />

Wassergewöhnung<br />

Der Lernprozess zum sicheren Umgang<br />

mit Wasser glie<strong>der</strong>t sich in 3 Phasen:<br />

● die Wassergewöhnung<br />

● die Wasserbewältigung<br />

● die Aneignung <strong>der</strong> Schwimmbewegung<br />

Astrid Touray<br />

Dipl. Sozialpädagogin, 1. Vorsitzende<br />

SCHWIMM MIT e. V., arbeitet beim<br />

Landessportbund Bremen e. V. im<br />

Bereich Integration, Mutter von zwei<br />

erwachsenen Kin<strong>der</strong>n<br />

„Alle Kin<strong>der</strong> müssen ein Recht auf<br />

<strong>Bewegung</strong> im Wasser haben.“<br />

Wichtig ist, den Kin<strong>der</strong>n Zeit zu lassen.<br />

Das kann auch bedeuten, dass einzelne<br />

Kin<strong>der</strong> 2 bis 3 Tage von außen zuschauen,<br />

bevor sie sich entschließen, im<br />

Wasser dabei zu sein. Spielerisch und<br />

auch durch das vorgeschaltete Duschen<br />

zum Reinigen sowie das Abduschen<br />

mit einer Gießkanne vor dem Einstieg<br />

in das Becken lernen die Kin<strong>der</strong>, Wasser<br />

im Gesicht zu haben und den Lidschutzreflex.<br />

Die Kin<strong>der</strong> erleben die spezifischen<br />

Eigenschaften und Wirkungen des Wassers.<br />

Dazu gehören zum Beispiel Auftrieb<br />

und Wasserwi<strong>der</strong>stand, die Augen<br />

unter Wasser zu öffnen und das Blubbern,<br />

mit dem ganzen Kopf unterzutauchen<br />

und das Gleiten auf dem Wasser.<br />

Je mehr Zeit in die ersten beiden Phasen,<br />

Wassergewöhnung und Wasserbewältigung,<br />

investiert wird, desto problemloser<br />

und schneller lernen die Kin<strong>der</strong><br />

schwimmen.<br />

Ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> Wassergewöhnung<br />

sollten Verhaltensregeln im<br />

und am Wasser sein. Sie geben den Kin<strong>der</strong>n<br />

Orientierung und helfen Panik in<br />

gefährlichen Situationen zu vermeiden.<br />

Zum Konzept <strong>der</strong> Mobilen Schwimmschule<br />

gehört es, täglich vor Kursbeginn<br />

mit den Kin<strong>der</strong>n über Bade- und Verhaltensregeln<br />

im Schwimmbad und am<br />

offenen Gewässer zu sprechen. Darüber<br />

hinaus werden Ba<strong>der</strong>egeln, auch in an-<br />

14<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

<strong>der</strong>en Muttersprachen, mit nach Hause<br />

gegeben. Die Ba<strong>der</strong>egeln sollen Einzug<br />

in die Familien halten und die Familien<br />

für das Thema Schwimmenlernen sensibilisieren.<br />

Chancengleichheit<br />

Der Verein baut seine Mobile Schwimmschule<br />

nur in Stadtteilen auf, die in die<br />

För<strong>der</strong>richtlinien <strong>der</strong> sozialen Stadtentwicklung<br />

des Landes Bremen passen.<br />

So werden Kin<strong>der</strong> erreicht, die<br />

noch nie in einem Schwimmbad waren,<br />

weil die Eintrittspreise und Kosten für<br />

Schwimmlernkurse für die Familien zu<br />

hoch sind o<strong>der</strong> das nächste Schwimmbad<br />

zu weit und <strong>der</strong> Weg dorthin mit<br />

erheblichen Fahrkosten verbunden<br />

ist. Das Projekt soll insbeson<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong>n<br />

aus von Armut bedrohten o<strong>der</strong><br />

betroffenen Familien zugutekommen.<br />

Dem Verein gelingt es gut, Drittmittel<br />

zu akquirieren und die Kurse kostenfrei<br />

anzubieten. Seit 2021 werden öffentliche<br />

Gel<strong>der</strong> für eine Personalstelle in Teilzeit<br />

zur Verfügung gestellt, um das Projekt<br />

zu koordinieren und gegebenenfalls<br />

auszubauen. Teilnehmen können<br />

alle Jungen und Mädchen im Vorschulalter.<br />

Dahinter steht auch <strong>der</strong> Gedanke,<br />

dass im Bundesland Bremen ab 2022<br />

das Schulschwimmen von <strong>der</strong> 3. in die<br />

2. Grundschulklasse gelegt wird und die<br />

Kin<strong>der</strong> so eine gute Chance haben, beim<br />

Schulschwimmen auf die in <strong>der</strong> Mobilen<br />

Schwimmschule erworbenen Fertigkeiten<br />

zurückzugreifen. Seit 2020 haben<br />

mehr als 500 Bremer Kin<strong>der</strong> von dem<br />

Projekt partizipiert, trotz <strong>der</strong> Auflagen<br />

durch die Corona-Pandemie.<br />

Elternarbeit<br />

Mit Unterstützung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tageseinrichtung<br />

wird vor Beginn des Projektes<br />

und nach Abschluss <strong>der</strong> Kurse ein<br />

Elternabend veranstaltet. Dort stellen<br />

sich die Organisatoren*innen und Trainer*innen<br />

vor. Ziel ist, die Eltern für<br />

das Thema Schwimmen zu sensibilisieren,<br />

Vertrauen und ihre Unterstützung<br />

für das Projekt zu gewinnen. Die Ba<strong>der</strong>egeln<br />

sind Thema und werden auch<br />

auf dem Elternabend in Form eines<br />

bunten kindgerechten DIN-A4-Plakats<br />

in verschiedenen Sprachen verteilt.<br />

Der Elternabend nach Beendigung<br />

<strong>der</strong> Kurse dient dazu, den Eltern eine<br />

Abb. 1: Das mobile Becken muss mit<br />

31 m³ Wasser gefüllt werden<br />

Rückmeldung zu den Erfolgen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

zu geben und sie darauf aufmerksam<br />

zu machen, dass die Kin<strong>der</strong> für den<br />

Erwerb sicherer Schwimmkenntnisse<br />

dabeibleiben müssen. Erst das Bronzeabzeichen<br />

macht die Kin<strong>der</strong> zu sicheren<br />

Schwimmern. Im Idealfall sollten konkrete<br />

Vereinsangebote vorliegen o<strong>der</strong><br />

Kursangebote <strong>der</strong> Bremer Bä<strong>der</strong> GmbH.<br />

Derzeit ist dies eine Illusion. Überall<br />

sind die Wartelisten lang. Die meisten<br />

Kin<strong>der</strong> aus den Kursen haben erst im<br />

Schulschwimmen die Möglichkeit, ihre<br />

Schwimmkenntnisse zu erweitern. Die<br />

Elternabende konnten in den Zeiten <strong>der</strong><br />

Corona-Pandemie ebenfalls nicht stattfinden.<br />

Ehrenamt<br />

Die Säulen des Vereins sind die vielen<br />

Ehrenamtlichen. Das Projekt wird<br />

getragen von Übungsleiter*innen und<br />

Trainer*innen, die selbst sehr schwimmaffin<br />

sind und um die Bedeutung des<br />

“Sicher Schwimmen Könnens“ wissen.<br />

Viele von ihnen schwimmen aktiv,<br />

geben auch in an<strong>der</strong>en Schwimmsportvereinen<br />

Kurse o<strong>der</strong> sind im DLRG-<br />

Landesverband Bremen engagiert. Die<br />

Arbeit mit den Kin<strong>der</strong>n ist ihnen eine<br />

Herzensangelegenheit. Des Weiteren<br />

haben wir Spieler einer Bremer Fußballmannschaft<br />

als Auf- und Abbauhelfer<br />

an unserer Seite. Die Materialien sind<br />

schwer und <strong>der</strong> Aufbau erfolgt bei je<strong>der</strong><br />

Wetterlage. Mit Beginn des Projektes in<br />

2019 leisteten junge Männer mit Fluchterfahrung<br />

diese Arbeit. Und last but not<br />

least muss das Becken mit 31 m³ Wasser<br />

gefüllt werden. Hier sind die ehrenamtlichen<br />

Helfer <strong>der</strong> Freiwilligen Feuerwehr<br />

aus den unterschiedlichen Stadtteilen<br />

ein wichtiger verbindlicher Partner<br />

für den Verein.<br />

Abb. 2: Übungsleiterinnen mit Kin<strong>der</strong>n<br />

Abb. 3: Mit dem ganzen Kopf unterzutauchen<br />

üben<br />

2022 SCHWIMM MIT e. V. Fazit<br />

Erfahrungen aus <strong>der</strong> Praxis zeigen, dass<br />

es nicht ausreicht, Familien mehr finanzielle<br />

Mittel in die Hand zu geben, um<br />

langfristige Folgen von Armut bei Kin<strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen zu beseitigen. Es<br />

bedarf <strong>der</strong> gemeinsamen Übernahme<br />

von Verantwortung durch Akteure vor<br />

Ort wie z. B. Familienzentren, <strong>Schule</strong>n,<br />

Sportvereine und an<strong>der</strong>e soziale Einrichtungen.<br />

Unser Projekt setzt sich dafür<br />

ein, dass alle Kin<strong>der</strong>, unabhängig von den<br />

finanziellen Ressourcen, <strong>der</strong> Herkunft<br />

und <strong>der</strong> Schwimmfähigkeit <strong>der</strong> Eltern,<br />

gleichberechtigt und mit Freude an den<br />

Aktionen und Veranstaltungen rund um<br />

das nasse Element teilhaben können.<br />

Jedes Kind hat ein Recht auf <strong>Bewegung</strong><br />

im Wasser. (Foto 3)<br />

Die Mobile Schwimmschule steht exemplarisch<br />

für einen innovativen Lösungsansatz<br />

für ein akutes gesellschaftliches<br />

Problem. Darüber hinaus steht<br />

<strong>der</strong> Verein SCHWIMM MIT e. V. für<br />

die Bedeutung ehrenamtlichen Engagements<br />

bei <strong>der</strong> Bewältigung aktueller<br />

gesellschaftlicher Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

SCHWIMM MIT e. V. ist ein Verein mit<br />

enormen Entwicklungspotenzial. Die<br />

Idee <strong>der</strong> Mobilen Schwimmschule hat<br />

inzwischen Nachahmer in an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

gefunden.<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

15


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Judith Endisch, Vivien Semmelmann<br />

Wer nicht ins Wasser geht, kann<br />

auch nicht schwimmen lernen<br />

Schwimmen macht den meisten Kin<strong>der</strong>n Spaß. Dieser Sport för<strong>der</strong>t jedoch<br />

nicht nur die Freude an <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>, son<strong>der</strong>n wer das Schwimmen wirklich<br />

beherrscht, kann im Ernstfall sogar Leben retten. Deshalb sollten <strong>Schule</strong>n jede<br />

Möglichkeit nutzen, um den Kin<strong>der</strong>n Wege zum sicheren Schwimmer, zur sicheren<br />

Schwimmerin zu ermöglichen.<br />

Abb. links: Ausdauertraining mit<br />

Schwimmhilfen, z. B. Schwimmnudeln,<br />

im Freibad. Abb. unten: Projektwoche<br />

Schwimmen im Freibad<br />

Lei<strong>der</strong> ist das Ertrinken immer<br />

noch eine <strong>der</strong> häufigsten Todesursachen<br />

bei Kin<strong>der</strong>n, weshalb für<br />

Nichtschwimmer je<strong>der</strong> Urlaub am Meer<br />

zur Gefahr werden kann. Dadurch wird<br />

deutlich, dass Schwimmen eine Sportart<br />

ist, die letztendlich Leben rettet.<br />

Dem Schwimmunterricht in <strong>der</strong><br />

Grundschule muss aus unterschiedlichen<br />

Gründen mehr Bedeutung zukommen.<br />

Er darf we<strong>der</strong> Energiesparmaßnahmen<br />

noch Personalmangel zum<br />

Opfer fallen.<br />

Gesellschaftliche Verän<strong>der</strong>ungen führen<br />

bei Kin<strong>der</strong>n zu einem deutlichen<br />

<strong>Bewegung</strong>smangel. Das Element Wasser<br />

ermöglicht gesundheitsorientierte<br />

<strong>Bewegung</strong>serfahrungen. Die vielfältigen<br />

Wahrnehmungen beim Schwimmen<br />

sind für die körperliche und motorische<br />

sowie – damit eng verknüpft<br />

– die psychische und soziale Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> essenziell. Schülerinnen<br />

und Schüler mit Beeinträchtigungen<br />

können im Wasser oftmals stärker<br />

an <strong>Bewegung</strong>saktivitäten teilhaben. Im<br />

Schwimmunterricht kann sich je<strong>der</strong><br />

Schüler, jede Schülerin mit dem eigenen<br />

Körper neu auseinan<strong>der</strong>setzen. Da <strong>der</strong><br />

gesamte Organismus beansprucht wird,<br />

eignet sich das Schwimmen zum einen<br />

beson<strong>der</strong>s zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> konditionellen<br />

Fähigkeiten, denn Aquafitness<br />

o<strong>der</strong> Ausdauerschwimmen haben einen<br />

positiven Einfluss auf die Gesundheit<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Zum an<strong>der</strong>en führt das Erlernen<br />

unterschiedlicher Schwimmarten<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> koordinativen Fähigkeiten.<br />

Nicht zu unterschätzen ist die Aufklärung<br />

über Sicherheits-, Bade- und Hygieneregeln<br />

im Schwimmunterricht, um<br />

mögliche Gefahren im Schwimmbad sowie<br />

am offenen Gewässer richtig einzuschätzen.<br />

Mit dem erworbenen Wissen<br />

sollen die Kin<strong>der</strong> zu einem verantwortungsvollen<br />

Handeln in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> und<br />

in ihrer Freizeit herangeführt werden.<br />

Mit dem Üben von Rettungsmaßnahmen<br />

beim Schwimmen werden die Kin<strong>der</strong><br />

auf eine Notsituation <strong>der</strong> Fremdrettung<br />

angemessen vorbereitet.<br />

Schwimmunterricht in den<br />

Rahmenlehrplänen<br />

Die Rahmenlehrpläne schreiben dem<br />

„Sich im Wasser bewegen/Schwimmen“<br />

im Sportunterricht große Bedeutung zu,<br />

weshalb <strong>der</strong> Schwimmunterricht von <strong>der</strong><br />

Jahrgangsstufe eins bis vier darin verankert<br />

ist. Während in den Jahrgangsstufen<br />

eins und zwei das Lernen von<br />

Bade-, Hygiene- und Sicherheitsregeln,<br />

die Wassergewöhnung und <strong>der</strong> Erwerb<br />

von Grundfertigkeiten wie gleiten, atmen,<br />

tauchen, springen, rollen und fortbewegen<br />

im Vor<strong>der</strong>grund stehen, geht es<br />

in den Jahrgangsstufen drei und vier, auf<br />

die Eingangsstufe aufbauend, zunehmend<br />

um das freudvolle, ausdauernde und<br />

leistungsorientierte Schwimmen in einer<br />

Schwimmart (z. B. Brustschwimmen).<br />

Die Schülerinnen und Schüler trainieren<br />

Fähigkeiten, die den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

eines Schwimmabzeichens entsprechen,<br />

und üben darüber hinaus Rettungsmaßnahmen<br />

und Verhaltensregeln für Notfälle.<br />

Dieser stufenweise Aufbau von<br />

Kompetenzen unterstreicht die Notwendigkeit,<br />

dem Schwimmunterricht in<br />

allen Jahrgangsstufen <strong>der</strong> Grundschule<br />

Zeit einzuräumen.<br />

Trotz Hürden Kin<strong>der</strong> zum<br />

sicheren Schwimmen führen<br />

Im Schulalltag gibt es zahlreiche Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die die Umsetzung von<br />

Schwimmunterricht über die gesamte<br />

Grundschulzeit erschweren und in <strong>der</strong><br />

Praxis kaum möglich machen. Im folgenden<br />

Abschnitt werden hierzu Ideen vorgestellt,<br />

wie Kin<strong>der</strong> regelmäßig Möglich-<br />

16<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

keiten erhalten, um ein sicherer und<br />

kompetenter Schwimmer zu werden.<br />

■ Herausfor<strong>der</strong>ung: Da in vielen Kommunen<br />

zu wenige Wasserflächen zur<br />

Verfügung stehen o<strong>der</strong> diese sehr weit<br />

von den <strong>Schule</strong>n entfernt sind, findet<br />

<strong>der</strong> Schwimmunterricht oft nur epochal<br />

statt o<strong>der</strong> ist auf eine Jahrgangsstufe<br />

beschränkt.<br />

Möglichkeiten: Für die Wassergewöhnung<br />

und das Erlangen <strong>der</strong><br />

schwimmerischen Grundfertigkeiten<br />

eignen sich insbeson<strong>der</strong>e die Jahrgangsstufe<br />

eins und zwei, da dies das beste<br />

Lernalter für motorische Fähigkeiten<br />

ist. Darauf aufbauend werden in den<br />

Jahrgangsstufen drei und vier Aktionstage<br />

und Projektwochen zum Schwimmen<br />

angeboten. Diese können möglicherweise<br />

im Sommer in Freibä<strong>der</strong>n<br />

(siehe Foto1) stattfinden. Sowohl schulinterne<br />

Arbeitsgemeinschaften als auch<br />

solche im Rahmen von „Sport nach 1“,<br />

einer Zusammenarbeit von <strong>Schule</strong>n<br />

mit ortsansässigen Vereinen, ergänzen<br />

das Angebot für alle Schülerinnen und<br />

Schüler.<br />

■ Herausfor<strong>der</strong>ung: Der Mangel an<br />

Lehrkräften führt zu weiteren Engpässen<br />

bei <strong>der</strong> Gestaltung des Schwimmunterrichts.<br />

Möglichkeiten: Als zusätzliche Unterstützung<br />

eignen sich externe Personen,<br />

die ehrenamtlich arbeiten o<strong>der</strong> vom<br />

Sachaufwandsträger eine finanzielle Entschädigung<br />

erhalten. Außerdem können<br />

Studierende (mit Haupt- o<strong>der</strong> Didaktikfach<br />

Sport) beispielsweise im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Sportwoche die Schwimmlehrkräfte<br />

fachlich und organisatorisch unterstützen.<br />

Darüber hinaus können örtliche<br />

Wasserrettungsgesellschaften zur Unterstützung<br />

bei Schwimmaktionen angefragt<br />

werden.<br />

■ Herausfor<strong>der</strong>ung: Durch steigende<br />

Schülerzahlen werden Klassen sowie<br />

Schwimmlerngruppen immer größer.<br />

Der Platzmangel im Schwimmbad stellt<br />

Lehrkräfte vor zusätzliche Probleme.<br />

Möglichkeiten: Durch ein Trainer-Sportler-Prinzip<br />

können Schülerinnen<br />

und Schüler im Wechsel ihre<br />

<strong>Bewegung</strong>saufgabe im Wasser (Sportler)<br />

durchführen und erhalten eine direkte<br />

Rückmeldung von ihrem Partner/ihrer<br />

Partnerin (Trainer).<br />

■ Herausfor<strong>der</strong>ung: Lehrkräfte sind<br />

aufgrund <strong>der</strong> hohen Verantwortung im<br />

Schwimmunterricht oftmals verunsichert.<br />

Möglichkeiten: In einigen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

bestehen hierfür Fortbildungsangebote,<br />

wie „Schwimmen in <strong>der</strong><br />

Grundschule“ und die „Weiterbildung<br />

Schwimmen <strong>der</strong> Phase I und II“ <strong>der</strong><br />

staatlichen Lehrerfortbildung. Zusätzlich<br />

besteht häufig die Möglichkeit, die<br />

eigene Rettungsfähigkeit jährlich zum<br />

Schuljahresbeginn in dem Schwimmbad<br />

aufzufrischen, in dem <strong>der</strong> Schwimmunterricht<br />

erteilt wird.<br />

■ Herausfor<strong>der</strong>ung: Auch zu große<br />

Klassenstärken erschweren einen am<br />

Kind orientierten Schwimmunterricht.<br />

Möglichkeiten: Im Nichtschwimmerbecken<br />

lassen sich zahlreiche Spiele und<br />

Übungen zur Wassergewöhnung sowie<br />

zum Erwerb <strong>der</strong> Grundfertigkeiten im<br />

Klassenverband durchführen (siehe Foto<br />

2). Nichtschwimmer:innen können diese<br />

gehend und Schwimmer:innen schwimmend<br />

durchführen. Hierfür bieten die<br />

„Wasserfesten Übungskarten für den<br />

Schwimmunterricht “ (Herausgeber:<br />

LASPO mit AUER Verlag) zahlreiche<br />

Ideen <strong>der</strong> Umsetzung.<br />

■ Herausfor<strong>der</strong>ung: Die unterschiedlichen<br />

Leistungsniveaus <strong>der</strong> sicheren<br />

Schwimmer:innen verlangen Umgang<br />

mit Heterogenität.<br />

Möglichkeiten: Hierbei sollten<br />

nicht nur das Techniktraining, son<strong>der</strong>n<br />

auch das Ausdauertraining und verschiedene<br />

Spielformen mit Hilfsmitteln<br />

(z. B. Schwimmnudeln o<strong>der</strong> Schwimmbrettern)<br />

in den Fokus gerückt werden<br />

(siehe Foto 3 und 4).<br />

■ Herausfor<strong>der</strong>ung: Einige Eltern<br />

muslimischer Mädchen erlauben diesen<br />

nicht die Teilnahme am Schwimmunterricht<br />

und melden sie lieber krank.<br />

Möglichkeiten: Hier ist sensible<br />

Kommunikation zwischen <strong>Schule</strong> und<br />

Eltern gefor<strong>der</strong>t. Folgende Angebote<br />

könnten gemacht werden: Das Tragen<br />

eines Burkinis, die Möglichkeit für<br />

das Mädchen, sich nicht gemeinsam<br />

mit Jungen umkleiden zu müssen, und<br />

die Möglichkeit, dass während des<br />

Schwimmunterrichts das Bad nicht<br />

gleichzeitig für an<strong>der</strong>e Besucher geöffnet<br />

ist. Lei<strong>der</strong> führt dieses nicht immer zum<br />

Erfolg.<br />

Judith Endisch (links)<br />

Grundschullehrerin und Sportreferentin<br />

<strong>der</strong> Regierung Mittelfranken<br />

Vivien Semmelmann (rechts)<br />

Lehrerin an <strong>der</strong> Grundschule Stein,<br />

Jahrgangsmischung 1/2<br />

■ Herausfor<strong>der</strong>ung: Kin<strong>der</strong> mit<br />

körperlichen Beeinträchtigungen können<br />

nur bedingt am Schwimmunterricht<br />

teilnehmen. Eltern haben Angst um die<br />

Gesundheit ihres Kindes.<br />

Möglichkeiten: Zusätzliches Personal<br />

wie Schulbegleitung, Schulassistenz<br />

o<strong>der</strong> externe Unterstützer, Eltern des<br />

Kindes könnten hinzugezogen werden.<br />

Auch wenn einige Kin<strong>der</strong> das Schwimmen<br />

nicht erlernen können, haben sie<br />

das Recht, positive Erfahrungen mit<br />

dem Element Wasser zu machen. <br />

Anmerkung<br />

* siehe Artikel A.Touray: Wir bringen das<br />

Wasser zu den Kin<strong>der</strong>n<br />

Literatur<br />

Beck, C. (2007). Schwimmen unterrichten:<br />

Grundwissen und Praxisbausteine. Deutschland:<br />

Auer, 7-10<br />

Schwimmen Lehren und Lernen in <strong>der</strong><br />

Grundschule: <strong>Bewegung</strong>serlebnisse und<br />

Sicherheit am und im Wasser: DGUV<br />

Information 202-107: komm mit Mensch,<br />

sicher, gesund, miteinan<strong>der</strong>. (2019). Deutschland:<br />

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung<br />

e. V. (DGUV), 9-11<br />

Schmitt, P., Weiß, N., Steger, D., Kraus, M.,<br />

Beck, C. (2019). Wasserfeste Übungskarten für<br />

den Schwimmunterricht: Wassergewöhnung<br />

& Schwimmen lernen, Schwimmtechniken,<br />

Spiele im Wasser, Rettungsschwimmen,<br />

Kondition & Koordination; speziell für das<br />

Schwimmbad. Deutschland: Auer.<br />

https://www.km.bayern.de/pressemitteilung/11783/kultusstaatssekretaerin-annastolz-besucht-auftaktveranstaltung-zur-initiative-schwimmen-in-<strong>der</strong>-grundschuleschwimmfaehigkeit-als-gesamtgesellschaftliche-aufgabe.html<br />

(zugegriffen am 28.9.2022)<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

17


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Anna Fruhen-Witzke<br />

Schreibenlernen ist <strong>Bewegung</strong>slernen<br />

– Grundschrift<br />

Die Entwicklung von Schreibfertigkeiten ist ein motorischer Lernprozess, <strong>der</strong><br />

im Anfangsunterricht <strong>der</strong> Grundschule beginnt und sich im weiterführenden<br />

Schreiben fortsetzt. Die Grundschrift nutzt Prinzipien des schreibmotorischen<br />

Handschriftlernens für die Handschriftentwicklung vom Anfangsunterricht bis<br />

über die Grundschulzeit hinaus.<br />

Die Grundzüge des Grundschriftkonzepts<br />

zum <strong>Bewegung</strong>slernen<br />

werden im Folgenden<br />

kurz zusammengefasst. Interessierte<br />

Leser*innen können ausführlich im<br />

Mitglie<strong>der</strong>band des Grundschulverbandes<br />

zur Grundschrift von 2016<br />

nachlesen (vgl. Bartnitzky u. a. 2016).<br />

Handgeschriebene Buchstaben<br />

und Wendebögen<br />

Die Grundschrift ist als handgeschriebene<br />

Druckschrift eine Schrift in<br />

flüssiger <strong>Bewegung</strong>. Die Buchstaben sind<br />

grafisch so gestaltet, dass sie flüssig und<br />

schwungvoll geschrieben werden können<br />

(bspw. das kleine e). Die Vorlagen<br />

sind bewusst handgeschrieben und nicht<br />

gedruckte Buchstabenformen. Alle Buchstaben,<br />

die mit einem Abstrich auf <strong>der</strong><br />

Grundlinie enden, schwingen in einem<br />

Wendebogen nach oben aus, um flüssige<br />

Verbindungsmöglichkeiten anzubieten<br />

(Abb. 1, vgl. Bartnitzky 2016).<br />

<strong>Bewegung</strong>sablauf und<br />

<strong>Bewegung</strong>sgruppen<br />

Unsere Schrift hat die Lese- und<br />

Schreibrichtung von links nach rechts.<br />

Für die Grundschrift ergibt sich daraus<br />

folgendes Prinzip für günstige<br />

<strong>Bewegung</strong>sabläufe:<br />

- von links nach rechts,<br />

- von oben nach unten.<br />

Kin<strong>der</strong> sollten angehalten werden, den<br />

schreibökonomischen Weg zu probieren.<br />

Haben sie bereits ein an<strong>der</strong>es<br />

<strong>Bewegung</strong>smuster automatisiert und<br />

kehren dahin zurück, kann man es dabei<br />

belassen – unter <strong>der</strong> Voraussetzung <strong>der</strong><br />

Formklarheit und Flüssigkeit <strong>der</strong> Schrift<br />

(vgl. Bartnitzky 2016).<br />

Verschiedene Buchstaben mit <strong>der</strong> gleichen<br />

<strong>Bewegung</strong>sstruktur sind in <strong>Bewegung</strong>sgruppen<br />

sortiert (s. Abb. 3). Die<br />

Sortierung ermöglicht das Üben bewegungsgleicher<br />

Buchstaben, sodass <strong>Bewegung</strong>smuster<br />

leichter automatisiert werden<br />

können (vgl. Bartnitzky 2016). Bei<br />

<strong>der</strong> Vermittlung <strong>der</strong> Buchstaben im Anfangsunterricht<br />

ist ein Bewusstmachen<br />

<strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>sgruppen för<strong>der</strong>lich. Die<br />

Kin<strong>der</strong> schreiben formklarer, wenn ihnen<br />

die unterschiedlichen Schreibbewegungen<br />

<strong>der</strong> Gruppe bewusst sind. In <strong>der</strong><br />

Praxis fällt das beson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong> grünen<br />

(Abstrich mit nachfolgen<strong>der</strong> Arkadenbewegung<br />

– bspw. n und r) und<br />

<strong>der</strong> hellblauen (Linksoval – bspw. a und<br />

d) Gruppe auf. Macht man Kin<strong>der</strong> dar-<br />

Anna Fruhen-<br />

Witzke<br />

ist Grundschullehrerin<br />

und<br />

arbeitet in <strong>der</strong><br />

Projektgruppe<br />

Grundschrift des<br />

Grundschulverbands<br />

mit.<br />

auf aufmerksam, dass sie das r wie ein<br />

v schreiben und weist auf die <strong>Bewegung</strong>sgruppe<br />

hin, fällt es ihnen leicht,<br />

den Buchstaben formklarer zu schreiben.<br />

Kin<strong>der</strong> können mit den <strong>Bewegung</strong>sgruppen<br />

auch im späteren Schriftunterricht<br />

individuell geför<strong>der</strong>t werden,<br />

indem sie einzelne Gruppen gezielt<br />

üben bzw. wie<strong>der</strong>holen. Dazu können<br />

die Rückseiten <strong>der</strong> Karteikarten <strong>der</strong><br />

Grundschriftkartei genutzt werden (vgl.<br />

Grundschulverband 2011) .<br />

Schreiben mit Schwung<br />

– flüssiges Schreiben<br />

Beim Erlernen <strong>der</strong> Druckbuchstaben<br />

sowie beim weiterführenden Schreiben<br />

wird das Schreiben mit Schwung, also<br />

die flüssige <strong>Bewegung</strong>sausführung als<br />

<strong>Bewegung</strong>svorstellung, von den Kin<strong>der</strong>n<br />

gefor<strong>der</strong>t. Dadurch werden die<br />

Sie ist eine handgeschriebene Druckschrift,<br />

aber nicht geschrieben „wie gedruckt“,<br />

son<strong>der</strong>n<br />

in flüssiger <strong>Bewegung</strong>:<br />

Abb. 1: Grundschrift –<br />

handgeschriebene Druckschrift<br />

als Ausgangsschrift<br />

(© Horst Bartnitzky 2012)<br />

Druckschrift<br />

Grundschrift<br />

H. Bartnitzky Grundschrift 2012<br />

21<br />

Abb. 2: Vielfältiges Üben –<br />

Schreiben mit Schwung<br />

18<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

<strong>Bewegung</strong>sabläufe <strong>der</strong> einzelnen Buchstaben<br />

automatisierter und es wird<br />

leichter möglich, schreibgünstige Verbindungen<br />

aus <strong>der</strong> Druckschrift heraus<br />

zu erlernen.<br />

Die Teilverbundenheit <strong>der</strong> Grundschrift,<br />

die den Kin<strong>der</strong>n reflektiert vermittelt<br />

wird, ermöglicht eine bewegungsgünstige<br />

Schrift. Luftsprünge anstatt<br />

Verbindungen auf dem Papier führen<br />

zu erhöhter Schreibgeschwindigkeit<br />

und lockerem Schreiben. Dadurch kann<br />

auch die Schreibausdauer erhöht werden<br />

(vgl. Marquardt 2016, 53).<br />

Buchstabenverbindungen<br />

und Buchstabenvarianten<br />

Die Kin<strong>der</strong> lernen die Buchstabenverbindungen<br />

kennen, die sich gut schreiben<br />

lassen – die gut in einer <strong>Bewegung</strong><br />

zu schreiben sind. In <strong>der</strong> Grundschriftkartei<br />

werden einige Verbindungen vorgestellt<br />

und Kin<strong>der</strong> finden bei <strong>der</strong> Automatisierung<br />

<strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>sverläufe <strong>der</strong><br />

Buchstaben eigenständig günstige Verbindungen.<br />

„Es gibt auch Buchstaben,<br />

die nicht verbunden werden können,<br />

ohne das Kriterium Formklarheit zu verletzen:<br />

die meisten Großbuchstaben, das<br />

kleine s und z. Bei einigen Großbuchstaben<br />

könnte ein ergänzter Wendebogen<br />

Verbindungen möglich machen:<br />

M, R, K“ (Bartnitzky 2016). Kin<strong>der</strong><br />

erproben die Schreibbewegungen<br />

und vergleichen ihre Versuche untereinan<strong>der</strong>.<br />

Absurde Verbindungen o<strong>der</strong><br />

Verschnörkelungen fallen bei <strong>der</strong> Prüfung<br />

auf Formklarheit durch.<br />

Buchstabenvarianten werden angeboten,<br />

wenn sie die flüssige Schreibbewegung<br />

unterstützen können. Eckige Buchstaben<br />

werden gerundet, wie beim großen<br />

E, o<strong>der</strong> Schleifen werden eingefügt,<br />

die Verbindungen ermöglichen.<br />

Variantenreiches Üben und<br />

Erproben zur Automatisierung<br />

<strong>der</strong> Schreibbewegung<br />

Ohne Linien o<strong>der</strong> nur auf einer Grundlinie<br />

werden vor allem die ersten<br />

Schreibübungen im Anfangsunterricht<br />

angeboten. Dadurch können die Kin<strong>der</strong><br />

die Buchstaben flüssig schreiben lernen,<br />

ohne durch die klassische Lineatur in<br />

ihrer <strong>Bewegung</strong>sausführung gehemmt<br />

zu werden. Dreierbandlineaturen provozieren<br />

stark kontrollierte <strong>Bewegung</strong>en,<br />

Abb. 3: <strong>Bewegung</strong>sgruppen<br />

sodass kaum flüssig geschrieben werden<br />

kann (vgl. Marquardt 2016).<br />

„Je mehr die Kin<strong>der</strong> während des<br />

Übens verschiedene Erfahrungen sammeln<br />

können, desto mehr wird <strong>der</strong><br />

Transfer aus <strong>der</strong> Übungssituation dann<br />

auf den tatsächlichen Kompetenzerwerb<br />

geför<strong>der</strong>t. Die Phase <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>sautomation<br />

erfolgt dann als letzter<br />

Schritt in den Lernprozess, wenn sich<br />

geeignete motorische Ausführungsformen<br />

etabliert haben“ (Marquardt 2016,<br />

51). Die Grundschrift ermöglicht den<br />

Kin<strong>der</strong>n eine vielfältige und nachhaltige<br />

Übung <strong>der</strong> Schriftbewegung. Die Kin<strong>der</strong><br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, die Buchstaben<br />

groß, klein, mit viel Druck und mit wenig<br />

Druck o<strong>der</strong> mit verschiedenen Stiften<br />

zu schreiben. Bei allen Aufgaben ist<br />

das Ziel die flüssige Schreibbewegung<br />

und die leserliche, formklare 75Schrift.<br />

In den Praxisartikeln zum Grundschriftkonzept<br />

werden ausführliche Beispiele<br />

dargestellt. (vgl. Fruhen-Witzke/Kindler<br />

2014). Die Kleeblatthefte<br />

des Grundschulverbands bündeln viele<br />

Übungen in Heftform (Grundschulverband<br />

2014).<br />

Trainingsaufgaben beim<br />

weiterführenden Schreiben<br />

Die Aufgaben, die im roten Kleeblattheft<br />

zur Grundschrift als Trainingsaufgaben<br />

dargestellt sind, können dazu beitragen,<br />

die Schreibbewegungskompetenz<br />

beim weiterführenden Schreiben auszubauen<br />

und systematisch zu för<strong>der</strong>n<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

19


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

(vgl. Grundschulverband 2014). Indem<br />

gefor<strong>der</strong>t wird, dass Geschwindigkeit,<br />

Druck, Größe und Schreibgeräte<br />

variiert werden, kann die Schreibbewegung<br />

geläufiger und flüssiger werden.<br />

<strong>Bewegung</strong>skompetenz wird weiter<br />

aufgebaut. Alle Aufgaben können auch<br />

unabhängig vom Heft mit an<strong>der</strong>en kurzen<br />

Texten im Unterricht durchgeführt<br />

werden.<br />

Schreibmotorik för<strong>der</strong>n –<br />

Praxishilfen und Impulskarten<br />

In <strong>der</strong> Kartei „Schreibmotorik för<strong>der</strong>n“<br />

werden die Elemente <strong>der</strong> Buchstaben<br />

und die <strong>Bewegung</strong>sgrundformen<br />

einzeln thematisiert. Damit bietet<br />

sie eine Möglichkeit zur För<strong>der</strong>ung<br />

bei feinmotorischen Schwierigkeiten,<br />

die die Schreibmotorik behin<strong>der</strong>n. Es<br />

werden För<strong>der</strong>möglichkeiten zu den<br />

<strong>Bewegung</strong>sgrundformen und zum<br />

Schreiben mit Schwung angeboten. Lehrerinnen<br />

und Lehrer können die Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Schreibmotorik-Kartei für<br />

individuelle För<strong>der</strong>impulse nutzen (vgl.<br />

Grundschulverband 2019). <br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/GSa160-Lit<br />

Franziska Milke, Timuçin Karaku<br />

Bewegliche Schulräume<br />

O<strong>der</strong> warum man nicht nur an einem Tisch lernen kann<br />

Wir wissen, dass es für Kin<strong>der</strong> nicht gesund ist, den ganzen Schultag zu sitzen.<br />

Sie brauchen <strong>Bewegung</strong>, Pausen und Freiraum. Es ist ein Bedürfnis <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>,<br />

auch mal zu rennen, sich zu bewegen, genauso wie sie Hunger und Durst verspüren.<br />

Wir finden deshalb, es wird Zeit, noch mehr darüber nachzudenken,<br />

dass es auch an<strong>der</strong>s gehen kann, und wollen mit diesem Artikel für eine grundsätzliche<br />

Umgestaltung von Schulräumen plädieren.<br />

Eine unnatürliche und unbewegliche<br />

Sitzhaltung auf Stühlen<br />

belastet unsere Muskeln, Sehnen,<br />

Bän<strong>der</strong> und Bandscheiben einseitig. Daraus<br />

resultieren körperliche Beeinträchtigungen<br />

und Fehlhaltungen. Schauen<br />

wir genau hin, dann zeigen uns Kin<strong>der</strong><br />

auf ihre Weise, welche (Sitz-)Positionen<br />

für unseren Körper wohltuend sind. Dass<br />

beispielsweise die tiefe Hocke (<strong>der</strong><br />

Hocksitz) eine natürliche und gesunde<br />

Position für uns ist, war vor einiger Zeit<br />

eindrucksvoll an einem Schüler zu<br />

beobachten, <strong>der</strong> scheinbar mühelos in<br />

den Arbeits-, Kreisgesprächs- und Eintauchphasen<br />

in <strong>der</strong> Position „Hocksitz“<br />

lange verweilen konnte. Dieser Wunsch<br />

nach alternativen (Sitz-)Positionen im<br />

Lerngruppenraum ist begründet und<br />

muss bei <strong>der</strong> Gestaltung pädagogischer<br />

Räume mitbedacht werden.<br />

Wenn wir beweglicher im Denken<br />

werden wollen, warum soll es dann nicht<br />

auch körperlich sein? Das schaffen wir<br />

nicht mit einer starren Sitzordnung. Eine<br />

radikale Verän<strong>der</strong>ung wäre es, die Hälfte<br />

<strong>der</strong> Stühle und Tische einfach dauerhaft<br />

aus dem Raum zu verbannen! Das gibt<br />

es bereits und wir haben damit gute Erfahrungen.<br />

An <strong>der</strong> Montessori-<strong>Schule</strong> in Potsdam<br />

stehen seit einigen Jahren in den<br />

Räumen nur Sitzgelegenheiten für etwa<br />

die Hälfte <strong>der</strong> Gruppe. Meist sind es gut<br />

stapelbare Hocker. Jedes Kind kann sie<br />

überall hintragen. Man kann sich natürlich<br />

darauf setzen o<strong>der</strong> knien, um mit<br />

an<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> allein an einem Tisch zu<br />

arbeiten. Man kann sich vor den Hocker<br />

knien und sein Heft o<strong>der</strong> Buch auf den<br />

Hocker legen und so arbeiten.<br />

Die Räume für die jahrgangsgemischten<br />

Gruppen <strong>der</strong> Grundschule sind ca.<br />

48 qm groß. Etwa 24 bis 26 Kin<strong>der</strong> lernen<br />

in einer Gruppe. Der Lerngruppenraum<br />

enthält Montessori-Materialien<br />

zum Rechnen, Schreiben und Lesen, die<br />

nach einer Darbietung zur selbsttätigen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung einladen. Durch<br />

die geschickte Material- und Raumgestaltung<br />

werden die Kin<strong>der</strong> fast beiläufig<br />

beim Lernen zum Sich-selbst-Bewegen<br />

angeregt, indem sie das Material ihrer<br />

Wahl aus dem Regalfach holen und zurückräumen,<br />

ggf. den Arbeitsteppich<br />

aus- sowie einrollen. Der handlungsorientierte<br />

Unterricht bei <strong>der</strong> Materialarbeit<br />

spricht zusätzlich unterschiedliche<br />

Sinne an, z. B. beim Schreiben mit den<br />

Fingern von Buchstaben in das Sandta-<br />

Franziska Milke (links)<br />

Grundschullehrerin und Montessoripädagogin<br />

Timuçin Karakuş (rechts)<br />

Grundschullehrer und Lerngruppenleiter<br />

einer jahrgangsgemischten<br />

Lerngruppe 1-2-3 an <strong>der</strong><br />

Montessori-Oberschule in Potsdam<br />

blett o<strong>der</strong> beim Zählen von Perlen o<strong>der</strong><br />

Marken bei den verschiedensten Rechenoperationen.<br />

Das Muskelgedächtnis<br />

wird aktiviert. Begriffe und Prozesse<br />

prägen sich den Kin<strong>der</strong>n ganz an<strong>der</strong>s<br />

ein und werden eher im Langzeitgedächtnis<br />

gespeichert. Auch das Denken<br />

und Arbeiten in den drei Ebenen auf<br />

dem Fußboden, am Tisch und im Stehen<br />

unterstützt das Muskelgedächtnis.<br />

Ulrike Kegler, die über die Umgestaltung<br />

<strong>der</strong> Potsdamer Montessori-Oberschule<br />

bereits 2009 das Buch „In Zukunft<br />

lernen wir an<strong>der</strong>s“ veröffentlicht<br />

hat, und in dem man u. a. weitere Gründe<br />

für eine Umgestaltung <strong>der</strong> Lernräume<br />

findet, legt beson<strong>der</strong>en Wert auf den<br />

20<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Perspektivwechsel, <strong>der</strong> durch die verän<strong>der</strong>te<br />

Raumgestaltung überhaupt erst<br />

möglich wird. Nicht nur jeden Tag, son<strong>der</strong>n<br />

auch im Laufe eines Tages arbeitet,<br />

spricht, lernt und denkt jedes Kind<br />

mehrfach an unterschiedlichen Plätzen,<br />

mit unterschiedlichen Kin<strong>der</strong>n. Es<br />

ist nicht nur physisch in <strong>Bewegung</strong> und<br />

hat jedes Mal eine an<strong>der</strong>e Perspektive auf<br />

den Raum, auf das Material und auf die<br />

Mitschüler:innen. Eigeninitiative, Empathie<br />

und Kontaktfreudigkeit werden<br />

so ganz an<strong>der</strong>s unterstützt und eingefor<strong>der</strong>t.<br />

Nur für die Hälfte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> Stühle<br />

im Raum zu haben bedeutet: Die Kin<strong>der</strong><br />

haben nicht ihren EIGENEN Sitzplatz.<br />

Stattdessen haben die Kin<strong>der</strong> freie<br />

Platzwahl zum Arbeiten. Wenn die Tische<br />

nur noch für die Arbeiten genutzt<br />

werden, wofür man einen Tisch braucht,<br />

z. B. für Schreibübungen, fallen auch alle<br />

„Revierkämpfe“ weg. Die Machtdemonstration<br />

„MEIN Tisch“, die an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong><br />

ausschließt und vom Wesentlichen,<br />

nämlich vom Lernen und Arbeiten ablenkt,<br />

fällt durch die neue bewegliche<br />

Raumnutzung weg. Ein quadratischer<br />

Tisch, an dem sich vier Kin<strong>der</strong> zusammensetzen<br />

können, sich gegenübersitzen,<br />

sich anschauen, schafft Gesprächsatmosphäre<br />

und för<strong>der</strong>t gemeinsames<br />

Arbeiten.<br />

Wenn weniger Möbel im Raum sind,<br />

hat man auf einmal Platz! An <strong>der</strong> Montessori-Oberschule<br />

wird <strong>der</strong> Platz genutzt,<br />

um sich im Kreis zu treffen. Wir<br />

versammeln uns um den Teppich, auf<br />

dem etwas dargeboten wird. Wir sehen<br />

uns alle an. Dafür einen Stuhl zu verwenden,<br />

ist nicht notwendig und nachweislich<br />

ungesund. Im Kreis sitzen, knien<br />

o<strong>der</strong> hocken alle auf dem Fußboden.<br />

Die verschiedenen Möglichkeiten zu<br />

„sitzen“ unterstützen die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Haltung bei den Kin<strong>der</strong>n, die noch<br />

im Wachstum sind. Alle haben die Möglichkeit,<br />

sich in den Fersensitz zu setzen,<br />

auf den Po mit ausgestreckten Beinen<br />

o<strong>der</strong> im Schnei<strong>der</strong>sitz, Hocksitz o<strong>der</strong><br />

Mischformen, gerade wie es angenehm<br />

ist. Es bietet den Kin<strong>der</strong>n mehr die Möglichkeit,<br />

sich ihrer <strong>Bewegung</strong>sbedürfnisse<br />

entsprechend zu verhalten. Und die<br />

Kin<strong>der</strong> schaffen es gut, in dieser Zeit ruhig<br />

zu bleiben und zuzuhören. Der Kreis<br />

ist dann auch ein Ort, an dem jetzt echte<br />

Gespräche stattfinden können, an dem<br />

sich nicht nur alle Gespräche auf den<br />

Lehrer o<strong>der</strong> die Lehrerin konzentrieren<br />

und fokussieren. Die Kin<strong>der</strong> können aufeinan<strong>der</strong><br />

reagieren, da sie sich nicht nur<br />

mit dem Rücken sehen, son<strong>der</strong>n Blickkontakt<br />

aufnehmen können.<br />

Arbeitet man auf dem Boden, ist es<br />

notwendig, dass man sich in den Klassenräumen<br />

nur mit Hausschuhen aufhält.<br />

Hausschuhe för<strong>der</strong>n das bewusste<br />

Eintreten in den Lerngruppenraum, hal-<br />

ten den Raum und die Teppiche sauber<br />

und för<strong>der</strong>n eine achtsamere Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> Umgebung. Es ist gemütlicher,<br />

man fühlt sich wohl, deshalb lernt man<br />

auch besser. Dieser Aspekt wird noch<br />

mal bedeutsamer für <strong>Schule</strong>n mit Ganztagsangeboten,<br />

in denen sich die Kin<strong>der</strong><br />

sonst den ganzen Tag in Straßenschuhen<br />

bewegen. Vom <strong>Bewegung</strong>saspekt<br />

her verhin<strong>der</strong>n die mo<strong>der</strong>nen Straßenschuhe<br />

das natürliche Laufbedürfnis und<br />

Abrollverhalten über den vor<strong>der</strong>en Fußballen.<br />

Eine dicke Sohle hemmt den Bodenkontakt<br />

und das Gefühl <strong>der</strong> Bodenverbundenheit.<br />

Die Zehen werden zusammengedrückt,<br />

was <strong>der</strong> natürlichen<br />

Zehenspreizung entgegenwirkt. Von <strong>der</strong><br />

Veranlagung her sind die Füße ähnlich<br />

einsetzbar wie die Hände.<br />

Ruhe und Ausgeglichenheit im Klassenraum<br />

entsteht eben nicht unbedingt,<br />

wenn Kin<strong>der</strong> stillsitzen, son<strong>der</strong>n dann,<br />

wenn sie ihrem eigenen Bedürfnis nach<br />

<strong>Bewegung</strong> nachkommen können. Wir<br />

wollen Mut machen, <strong>Schule</strong> als Lernort<br />

neu zu denken und zu gestalten. Dazu<br />

gehört guter Unterricht in einer gut vorbereiteten<br />

Umgebung. Und wir können<br />

den Kin<strong>der</strong>n zutrauen, dass sie ihr eigenes<br />

Bedürfnis nach <strong>Bewegung</strong> wie<strong>der</strong><br />

mehr wahrnehmen. <br />

Lerngruppenraum einer jahrgangsgemischten Lerngruppe <strong>der</strong> Jahrgänge 1-2-3 an <strong>der</strong> Montessori-Oberschule in Potsdam<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

21


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Thekla Mayerhofer<br />

Rhythmisierung von Unterricht als<br />

strukturgebendes Moment<br />

zwischen Spannung und Entspannung<br />

Um Grundschulkin<strong>der</strong>n bedürfnisgerechtes Lernen zu ermöglichen, muss<br />

Unterricht rhythmisiert werden. Auf Phasen <strong>der</strong> Anstrengung, Konzentration<br />

und Verausgabung müssen entsprechend solche folgen, die den Körper zur Ruhe<br />

kommen lassen o<strong>der</strong> aber aktiv bewegen. Im Zuge dessen können <strong>Bewegung</strong>sund<br />

Entspannungspausen Meilensteine rhythmisierten Lernens werden. Herausgearbeitet<br />

werden im Folgenden Faktoren, die darauf wesentlichen Einfluss<br />

haben. Zudem wird eine Ideenkartei angekündigt, welche die Erfüllung dieses<br />

Ziels unterstützt.<br />

Rhythmisierung ist<br />

lebensnotwendig<br />

Takt<br />

Einteilung des Schultages in<br />

Stunden und Blöcke<br />

Rhythmisierung meint die „zeitliche<br />

Glie<strong>der</strong>ung von Ereignissen im Sinne<br />

von harmonischen Wechseln und regelmäßiger<br />

Wie<strong>der</strong>kehr“ (Petersen 2005,<br />

zitiert nach Appel 2005). Dies impliziert<br />

„Intensitätsvorgänge“ und „Wechselbeziehungen“<br />

als spezifische Komponenten<br />

(vgl. ebd.) <strong>der</strong>selben. Somit bietet<br />

Rhythmisierung natürlichen Gegensätzlichkeiten<br />

des Lebens Raum. Auch im<br />

schulischen Kontext ist die Beachtung<br />

einer rhythmischen Struktur des Unterrichts<br />

zentral, da so die affektiven<br />

Bedürfnisse <strong>der</strong> Schüler*innen berücksichtigt<br />

werden. Des Weiteren kann sie<br />

zu Verlässlichkeit, Sicherheit, Geborgenheit,<br />

Ordnung und Übersichtlichkeit <strong>der</strong><br />

Geschehnisse führen.<br />

Je<strong>der</strong> Mensch unterliegt Rhythmen,<br />

ist jedoch imstande, sich auf sie einzustellen.<br />

Das Leben stellt eine Art Wellenbewegung<br />

dar und wir verorten uns<br />

beispielsweise zwischen wachen und<br />

schlafen, wachsen und vergehen, ruhen<br />

und bewegen, anstrengen und erholen<br />

o<strong>der</strong> auch kollektivem Wirken<br />

und selbstständigem Tun. Dabei hat je<strong>der</strong><br />

Mensch einen individuellen Rhythmus.<br />

Wenn dieser fremdbestimmt o<strong>der</strong><br />

ihm aufgezwungen wird, verfügt er nicht<br />

über seine optimale Leistungsfähigkeit.<br />

Die Übernahme frem<strong>der</strong> Rhythmen<br />

kann sogar krank machen.<br />

Rhythmen im Schulalltag<br />

Der schulische Alltag unterliegt selbstverständlich<br />

Rhythmen. Teils sind<br />

diese aus unterrichtsorganisatorischer<br />

Sicht erwirkt, teils sind sie vom einzelnen<br />

Kind ausgehend. Folgende Unterglie<strong>der</strong>ung<br />

kann vorgenommen werden<br />

(siehe Tabelle 1):<br />

Rhythmisierung <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> darf nicht<br />

mit den natürlichen Rhythmen <strong>der</strong><br />

Schüler*innen und <strong>der</strong> Pädagog*innen<br />

kollidieren. Obgleich eine geordnete Abstimmung<br />

von Lernprozessen in <strong>Schule</strong><br />

zwingend notwendig ist, sollten ausreichend<br />

Freiräume gelassen werden,<br />

um dieser Maxime gerecht zu werden.<br />

Die größte Herausfor<strong>der</strong>ung im Grundschulbereich<br />

ist dabei, dass ein Bewusstsein<br />

für den eigenen Rhythmus bei vielen<br />

Schüler*innen noch nicht ausgeprägt<br />

ist. Entsprechend sollten die Schüler*innen<br />

kontinuierlich dazu angeleitet wer-<br />

schulübergreifend<br />

Äußere Rhythmisierung Wechsel <strong>der</strong> Lernformen durch pädagogisches Team<br />

Innere Rhythmisierung<br />

den individuell-persönlichen<br />

Rhythmus finden<br />

durch das Kind selbst,<br />

unterstützt durch Angebote<br />

den, bewusst auf ihren eigenen Rhythmus<br />

zu achten, so ihre Leistungskurve zu<br />

berücksichtigen und zunehmend Lernprozesse<br />

selbst zu steuern.<br />

Fremdgesteuerte Rhythmisierung<br />

in <strong>Schule</strong>n vermeiden<br />

Als Zeichen von fremdgesteuerter<br />

Rhythmisierung im Unterricht können<br />

Konzentrationsprobleme, Unruhe sowie<br />

Unterrichtsstörungen gesehen werden.<br />

Der Wunsch und Drang, sich des fremden<br />

Rhythmus zu entziehen, verhin<strong>der</strong>t<br />

überdies konzentrierte Mitarbeit im<br />

Unterricht. Die Aufmerksamkeit und<br />

Konzentrationsfähigkeit sind elementar<br />

für erfolgreiches Lernen, wobei die<br />

Konzentrationsspannen bei Kin<strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen im Grundschulalter<br />

maximal 20 bis 25 Minuten ausmachen.<br />

Da Kognitionen und seelisches Wohlbefinden<br />

entscheidend von körperlichen<br />

Prozessen abhängen, sind merklich<br />

unruhig werdende Schüler*innen nicht<br />

zum Lernen und zur Informationsaufnahme<br />

bereit (vgl. Wamser/Leyk 2002).<br />

Bedürfnisgerecht rhythmisieren<br />

– Chancen nutzen<br />

Um benannten Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

Rechnung zu tragen und den Schüler*innen<br />

ein nachhaltiges Bewusstsein<br />

für ihre Bedürfnisse zu geben, birgt es<br />

große Chancen, <strong>Bewegung</strong>s- und Entspannungspausen<br />

in den Unterricht zu<br />

integrieren.<br />

Chancen von <strong>Bewegung</strong>spausen (BP)<br />

im Unterricht<br />

Kin<strong>der</strong> haben natürlicherweise eine<br />

hohe Lernbereitschaft UND einen<br />

hohen <strong>Bewegung</strong>sdrang.<br />

Dieser <strong>Bewegung</strong>sdrang staut sich<br />

in <strong>der</strong> Unterrichtstunde an und kann<br />

durch 10-minütige Pausen nicht kompensiert<br />

werden. Fehlende ausgleichen-<br />

22<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

de <strong>Bewegung</strong>, aber auch Nervosität, Aufregung<br />

und Angstgefühle sowie langes,<br />

statisches Sitzen können zu schmerzenden<br />

Muskelverspannungen führen. Aus<br />

neurophysiologischer Sicht können<br />

BP die Skelettmuskulatur entlasten bzw.<br />

kräftigen und so die Stärkung des Haltungs-<br />

und <strong>Bewegung</strong>sapparates unterstützen.<br />

Auch för<strong>der</strong>n sie die Durchblutung,<br />

wodurch Konzentrations- und<br />

Merkfähigkeit erhöht werden können.<br />

Zudem kann <strong>der</strong> Wechsel von kognitiv<br />

und körperlich ausgerichteten Phasen<br />

das Wohlbefinden steigern. Auch aus<br />

psychologischer Sicht ergibt sich eine<br />

Vielzahl an Chancen. Durch <strong>Bewegung</strong><br />

werden Stresshormone abgebaut und<br />

das Gefühl des Wohlbefindens<br />

sowie eine positive<br />

Lerneinstellung stellen<br />

sich ein. Ein gestärktes<br />

Gemeinschaftsgefühl<br />

kann sich durch gemeinsam<br />

erlebten Spaß an <strong>Bewegung</strong>sübungen<br />

entwickeln.<br />

Dieses kann das Lernklima sowie<br />

die Lernatmosphäre positiv beeinflussen<br />

und das soziale Miteinan<strong>der</strong> stärken. Des<br />

Weiteren kann die bewusste Wahrnehmung<br />

von Reaktionen des Körpers auf<br />

<strong>Bewegung</strong> als för<strong>der</strong>lich für Lebensqualität<br />

erlebt werden und so langfristig Einfluss<br />

auf <strong>Bewegung</strong>sverhalten in Pausen<br />

und Freizeit haben. Zusätzlich kann eine<br />

positive Grundeinstellung zu <strong>Bewegung</strong><br />

und Sport sowie <strong>der</strong>en Bedeutung für<br />

eine gesunde Lebensweise vermittelt werden<br />

(vgl. Oppolzer 2004; Greiner 2011).<br />

Chancen von Entspannungspausen<br />

(EP) im Unterricht<br />

An<strong>der</strong>s als BP sind die Schüler*innen<br />

in EP weniger körperlich aktiv, dennoch<br />

bieten diese Pausen eine große<br />

Chance, da sie helfen „loszulassen“<br />

und damit bereit zu werden für neue<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen. Permanenter (Leistungs-)Druck<br />

führt über längere Zeit zu<br />

Unausgeglichenheit, Unwohlsein, Lustlosigkeit,<br />

Aggressionen, auch zu Ängsten.<br />

Frühzeitig zu lernen, dass Pausen,<br />

auch solche <strong>der</strong> Entspannung, zum Alltag<br />

gehören, ist ein wichtiger Aspekt<br />

für gesundes, ausgeglichenes Lernen<br />

und Wachsen. Aus neurophysiologischer<br />

Sicht können sich Muskelverkrampfungen<br />

durch Entlastung und<br />

Ruhe lösen. Schmerzprävention bzw.<br />

-lin<strong>der</strong>ung wird daher durch gezielte<br />

„Leben ist<br />

zutiefst rhythmisch,<br />

nicht mechanisch<br />

linear konstituiert“<br />

(Burk 2006)<br />

Entspannung geleistet. Während Phasen<br />

<strong>der</strong> Entspannung weiten sich Blutkapillaren,<br />

wodurch ein angenehmes<br />

Gefühl von Wärme und Wohlsein im<br />

Körper wahrgenommen werden kann.<br />

Durch tiefes Ein- und Ausatmen wird<br />

<strong>der</strong> Atemrhythmus ruhig und gleichmäßig,<br />

was zum Lösen von Anspannung<br />

beitragen kann. Ebenso sind die Chancen<br />

aus psychologischer Sicht nicht zu<br />

unterschätzen. Durch erlebte Ruhe breiten<br />

sich Gefühle mentaler Frische, des<br />

Wohlbefindens, <strong>der</strong> Ruhe und Gelassenheit<br />

aus. Dies ist wohltuend für Körper<br />

und Geist. Durch das Empfinden des<br />

Loslassen-Könnens kann <strong>der</strong> Abbau von<br />

Ängsten und unangenehmen Gefühlen<br />

gelingen und die Konzentration<br />

auf Wesentliches<br />

sowie aktives Verfolgen<br />

des Unterrichts<br />

werden wie<strong>der</strong> möglich.<br />

Durch EP verbessern<br />

sich Informationsverarbeitungs-<br />

und Merkprozesse,<br />

auch weil durch das „Loslassen“<br />

von Anstrengungen die selektive<br />

Aufmerksamkeit erhöht wird (vgl.<br />

Oppolzer 2004; Greiner 2011).<br />

Zusammenfassend lässt sich daher<br />

festhalten, dass <strong>Bewegung</strong>s- und Entspannungspausen<br />

unersetzliche Erholungsformen<br />

darstellen und große Potenziale<br />

bieten. Dabei ist bei aller Gebundenheit<br />

an innerschulische Rhythmen<br />

zu beachten, dass mehrere kleine Pausen<br />

zur richtigen Zeit effektiver sind als eine<br />

lange. Es bedarf dabei nur ca. fünfminütiger<br />

Pausen, welche in den Unterricht<br />

eingebunden werden sollten. Diese sind<br />

ausreichend zur Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong><br />

ursprünglichen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit(vgl.<br />

Mettig 2004).<br />

<strong>Bewegung</strong>s- und Entspannungspausen<br />

dürfen nicht „nur“ Mittel zum Zweck<br />

sein. Es sollte vielmehr immer wie<strong>der</strong><br />

hinterfragt werden, wie <strong>der</strong> Lern- und<br />

Lebensrhythmus <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Schulalltag<br />

aufgenommen werden kann, um<br />

so einen Beitrag zur ganzheitlichen Entwicklung<br />

und Erziehung zu leisten. Dabei<br />

muss auf die individuellen Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Schüler*innen geachtet werden,<br />

wobei mit zunehmendem Alter<br />

<strong>der</strong> Fokus des einzelnen Kindes auf seine<br />

ureigenen Bedürfnisse wachsen sollte<br />

und damit verbunden auch das Selbstbewusstsein,<br />

mit dem es sich eine Pause<br />

nimmt.<br />

Thekla Mayerhofer<br />

ist seit 2012 Lehrerin in Sachsen-Anhalt.<br />

Sie unterrichtet die Fächer Mathematik,<br />

Deutsch, Sport und Englisch und<br />

verbindet letztere unter an<strong>der</strong>em im<br />

Bilingualen Sportunterricht. Ihr Schwerpunkt<br />

liegt auf <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>ingangsphase.<br />

Wie beginnen? Mit <strong>der</strong> Ideenkartei<br />

Bekanntlich ist aller Anfang schwer.<br />

Doch mit Hilfe einer Ideenkartei, welche<br />

im Klassen- o<strong>der</strong> Lehrerzimmer stehen<br />

kann, ist <strong>der</strong> Weg geebnet. Sie bietet,<br />

in verschiedene Kategorien unterglie<strong>der</strong>t,<br />

eine Vielzahl an Impulsen<br />

für gelingende <strong>Bewegung</strong>s- und Entspannungspausen.<br />

Dabei werden<br />

Handlungsanweisungen, teils bebil<strong>der</strong>t,<br />

erklärt und Effekte, welche die jeweiligen<br />

Übungen haben können, aufgezeigt.<br />

Durch ihre unkomplizierte Handhabe<br />

ist sie je<strong>der</strong>zeit schnell einsatzbereit und<br />

bedarf – außer die Ideen mit Material –<br />

keiner Vorbereitung. So kann ein kurzer<br />

Griff in die Kartei abwechslungsreiche<br />

<strong>Bewegung</strong>s- und Entspannungspausen<br />

bieten und damit große Wirkung zeigen.<br />

Weitere Informationen sowie die<br />

umfassende Vorstellung <strong>der</strong> Ideenkartei<br />

gibt es im neuen Band des Grundschulverbandes,<br />

welcher im kommenden<br />

Frühjahr erscheint. Vielleicht werden<br />

<strong>Bewegung</strong>s- und Entspannungspausen<br />

in Ihrem Unterricht dann schneller als<br />

gedacht zu einer wohltuenden Selbstverständlichkeit<br />

– für die Schüler*innen<br />

und Pädagog*innen. <br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/GSa160-Lit<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

23


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Anette Zinser<br />

Grundschule Wohra –<br />

immer in <strong>Bewegung</strong><br />

Eine Gedankenwan<strong>der</strong>ung<br />

Sich frei fühlen, lebendig sein, den ganzen Körper spüren und sich mit ihm ausdrücken<br />

sind kindliche Grundbedürfnisse. Wie können diese im Schulalltag mehr<br />

berücksichtigt werden? Wie können Räume aussehen, die zum Bewegen einladen?<br />

Wie sollte Unterricht gestaltet sein, <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>smöglichkeiten eröffnet?<br />

Die gesundheitswissenschaftliche<br />

Forschung stellt langes Sitzen als<br />

Gesundheitsrisiko für Kin<strong>der</strong><br />

und Jugendliche heraus (Bucksch/Dreger<br />

2014). Eine Analyse von Sitzzeiten<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendlicher ergab eine<br />

mittlere Sitzzeit von 10,6 Stunden an<br />

Schultagen (Huber/Köppel 2017). Je<br />

höher die Klassenstufe, desto mehr Sitzzeit.<br />

Der Gestaltung von Räumen und Lernumgebungen<br />

für Unterricht und Pausen<br />

scheint also große Bedeutung für eine gesunde<br />

kindliche Entwicklung zuzukommen.<br />

In <strong>der</strong> Literatur wird <strong>der</strong> (Klassen-)<br />

Raum auch, nach Loris Malaguzzi, als<br />

„dritter Pädagoge“ bezeichnet.<br />

Das Team <strong>der</strong> ländlich gelegenen<br />

Grundschule Wohra versucht, im Schulgebäude<br />

und im Freien Raum für <strong>Bewegung</strong><br />

zu geben und, wann immer möglich,<br />

den Unterricht diesen Räumen zu<br />

öffnen.<br />

Bewegt und flexibel im Unterricht<br />

Im Klassenraum braucht es weniger<br />

„hinten“ und „vorne“, stattdessen Schulmobiliar<br />

für einen bewegungsfreundlichen<br />

Unterricht: Stehtisch, Wackelhocker,<br />

Sitzbänke, Sitzkissen, Arbeitsteppich<br />

und möglichst viel Raum, beispielsweise<br />

durch Tische an <strong>der</strong> Wand.<br />

So ist das gemeinsame Lernen individuell,<br />

mit Partner, in <strong>der</strong> Gruppe o<strong>der</strong> auch<br />

im Plenum je<strong>der</strong>zeit realisierbar. Ein Sitzkreis<br />

entsteht durch einfaches Umdrehen<br />

des Stuhls, mit einem Sitzkissen können<br />

sich Kin<strong>der</strong> für Partner- o<strong>der</strong> Gruppenarbeiten<br />

schnell ein gemütliches Plätzchen<br />

suchen und für eine frontale Phase<br />

kann schnell ein Kinositz gebildet werden.<br />

Grünes Klassenzimmer<br />

Im Schulgarten befindet sich ein „grünes<br />

Klassenzimmer“ im Schutz einiger<br />

Bäume (Abb. 1). So kann <strong>der</strong> Unterricht<br />

problemlos an die frische Luft verlegt<br />

werden und für Partnerarbeiten,<br />

Explorationen und <strong>Bewegung</strong> zwischendurch<br />

ist viel Platz vorhanden.<br />

Freiräume<br />

Für mehr <strong>Bewegung</strong> im Schulalltag sorgen<br />

„Freiräume“. Die Klassenzimmertür wird<br />

geöffnet und Lernräume außerhalb des<br />

Klassenzimmers können genutzt werden.<br />

Im „Lichtflur“ steht eine alte Schulbank,<br />

<strong>der</strong> Gruppenarbeitsraum ist mit einem<br />

runden Tisch ausgestattet und die „Biberburg“<br />

ermöglicht, im Sitzen, Liegen und an<br />

einem Rückzugsort zu arbeiten (Abb. 2).<br />

(v. l. n. r.)<br />

Abb. 1:<br />

Ein „grünes<br />

Klassenzimmer“<br />

im Schutz einiger<br />

Bäume , Abb. 2:<br />

Der Rückzugsort<br />

die „Biberburg“,<br />

Abb. 3: Kids auf<br />

einem Ezy-Roller,<br />

Abb. 4: Versammlungsplatz<br />

im Kin<strong>der</strong>wald,<br />

Abb. 5:<br />

Kletteranlage<br />

24<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Auch zwei Sitzsofas im Flur laden zu<br />

Partnerarbeiten ein. Bei trockenem Wetter<br />

bietet auch <strong>der</strong> Schulgarten viele Rückzugsorte<br />

zum ungestörten Arbeiten. So<br />

entstehen natürliche <strong>Bewegung</strong>smöglichkeiten<br />

innerhalb des Unterrichts und es<br />

können beim Miteinan<strong>der</strong>-Lernen, wie im<br />

Hessischen Kerncurriculum gefor<strong>der</strong>t, aus<br />

dem Bereich <strong>der</strong> Sprachkompetenz erfolgreich<br />

Kommunikation und Interaktion<br />

geübt werden.<br />

WOHRA – Regeln und Starter-<br />

Profi-System regeln das „Wie?“<br />

Den Umgang miteinan<strong>der</strong> und das Verhalten<br />

in den „Freiräumen“ regelt ein<br />

System, das an das <strong>der</strong> Alemannenschule<br />

Wutöschingen angelehnt ist. Die<br />

Kin<strong>der</strong> nutzen am Anfang des Schuljahrs<br />

eine Starter-Medaille und, wenn sie<br />

sich bewährt haben, eine Profi-Medaille,<br />

wenn sie den Klassenraum ohne Aufsicht<br />

verlassen. Ein Akrostichon des<br />

Dorfnamens erinnert immer daran, wie<br />

wir uns sehen und wie wir miteinan<strong>der</strong><br />

umgehen wollen.<br />

WERTVOLL<br />

ORGANISIERT<br />

HILFSBEREIT<br />

RESPEKTVOLL<br />

ACHTSAM<br />

FLOW-Zeit<br />

Freitags ab dem zweiten Unterrichtsblock<br />

beginnt die FLOW–Zeit. In <strong>der</strong><br />

pädagogisch selbstständigen <strong>Schule</strong> können<br />

Schüler/innen in dieser Zeit fächerund<br />

jahrgangübergreifend lernen. An geboten<br />

wird organisierter Wahlunterricht<br />

mit Einwahlmöglichkeiten für Spiel-,<br />

Sport-, Wald- und Musikangebote, die<br />

Lernen in <strong>Bewegung</strong> ermöglichen. Die<br />

FLOW-Zeit ist Teil des Stundenplans<br />

und erfüllt die Kriterien <strong>der</strong> Stundentafel.<br />

Kin<strong>der</strong>wald<br />

Zusätzlich zur Möglichkeit, den Kin<strong>der</strong>wald<br />

im FLOW zu wählen, darf jede<br />

Klasse einmal in je<strong>der</strong> Jahreszeit den<br />

Kin<strong>der</strong>wald besuchen, ein naturbelassenes<br />

Waldstück in etwa einem<br />

Kilometer Entfernung. In <strong>der</strong> Waldfreizeit<br />

können die Schüler/innen sich frei<br />

und lebendig fühlen, ihre Entdeckungen<br />

und Initiativen stehen im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

In selbst gebildeten Kleingruppen werden<br />

Hütten und Verstecke gebaut, große<br />

Äste bewegt, <strong>der</strong> Waldboden gefegt o<strong>der</strong><br />

auch Löcher gegraben. Auf die Waldfreizeit<br />

folgt das gemeinsame Singen am<br />

Versammlungsplatz (Abb. 3) am Lagerfeuer<br />

und das Mitteilen <strong>der</strong> Erlebnisse<br />

und Erkenntnisse. Zu verschiedenen<br />

Jahreszeiten können hier elementare<br />

<strong>Bewegung</strong>serfahrungen gesammelt<br />

werden. Rutschige Stämme, nasses<br />

Laub und matschiger Boden im Herbst<br />

erfor<strong>der</strong>n hohe Konzentration auf die<br />

eigenen <strong>Bewegung</strong>en und bieten an<strong>der</strong>e<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen als ein trockener<br />

Sommerwald. Die eigenen Erfahrungen<br />

und das freie Spiel sind ebenso för<strong>der</strong>lich<br />

für die Sprachentwicklung und die<br />

individuelle Entwicklung personaler<br />

Kompetenzen, da <strong>der</strong> Wald Neugierde<br />

und Kreativität weckt, differenzierte<br />

Wahrnehmungsfähigkeit erfor<strong>der</strong>t und<br />

so Anlässe zu vernetztem Denken bietet.<br />

Ebenso stärkt das Lernen in ihm die<br />

Sozialkompetenz im Sinne einer Teamund<br />

Kooperationsfähigkeit, denn die<br />

meisten Ideen lassen sich nicht allein<br />

umsetzen.<br />

<strong>Bewegung</strong>s(t)räume für Pausenund<br />

Betreuungszeiten<br />

Auf dem Hof können in den Pausen<br />

Fahrzeuge vom Einrad bis zum Ezyroller<br />

ausgeliehen werden, im Schulgarten<br />

bieten Wiese, Kletterwand, Burg, Bühne,<br />

Nestschaukel und ein aus Stämmen<br />

bestehendes Kletterarrangement variable<br />

Spiel- und <strong>Bewegung</strong>smöglichkeiten<br />

(Abb. 4). Bäume und Büsche laden zum<br />

Verstecken ein.<br />

Beobachtete Effekte auf<br />

die Schüler/innen<br />

Anette Zinser<br />

ist Schulleiterin <strong>der</strong> Grundschule<br />

Wohra, im Vorstand des Hessischen<br />

Grundschulverbandes, ehemalige pädagogische<br />

Mitarbeiterin <strong>der</strong> Universität<br />

Kassel und Fortbildnerin für kooperatives<br />

Lernen.<br />

● größere Anstrengungsbereitschaft<br />

● mehr körperliche Fitness<br />

● erhöhte Aufmerksamkeit im Unterricht<br />

durch <strong>Bewegung</strong> und Abwechslung<br />

● mehr Kooperation unter den Schüler/<br />

innen in freien Spielzeiten<br />

● Motivation zum Lernen durch größere<br />

Selbstständigkeit<br />

● in <strong>der</strong> Natur wird die Sprachentwicklung<br />

stimuliert, es bieten sich zahlreiche<br />

Sprachgelegenheiten in explorativen<br />

Phasen, vor allem jedoch auch im Anschluss<br />

an diese (Kin<strong>der</strong>, die im Klassenraum<br />

sehr still sind, sprechen häufig<br />

im Naturraum frei und ungehemmt)<br />

● die Vorstellungskraft wird geför<strong>der</strong>t<br />

(Kin<strong>der</strong>wald)<br />

Die beobachteten Effekte lassen sich<br />

belegen, beispielsweise durch den Hessischen<br />

Bildungs- und Erziehungsplan, <strong>der</strong><br />

<strong>Bewegung</strong> und Sport nicht nur positive<br />

Effekte auf die Motorik zuschreibt, son<strong>der</strong>n<br />

auch positive Effekte auf das Selbstkonzept,<br />

die Motivation, soziale Beziehungen<br />

und die Kognition beschreibt (s.<br />

BEP, S. 62-63)<br />

Grundschule Wohra –<br />

immer in <strong>Bewegung</strong>?<br />

Das gesamtübergreifende <strong>Bewegung</strong>skonzept<br />

trägt zu einem friedlichen<br />

Schulklima bei. <strong>Bewegung</strong> auch im<br />

übergeordneten Sinne hat eine zentrale<br />

Bedeutung im Schulalltag. Denn nicht<br />

nur die <strong>Bewegung</strong>sfreiheiten <strong>der</strong> Schüler<br />

und Schülerinnen, son<strong>der</strong>n auch des<br />

gesamten Teams sind an unserer <strong>Schule</strong><br />

wichtig. <strong>Schule</strong> als lernendes System zu<br />

sehen, beweglich für <strong>Schule</strong>ntwicklungsprozesse<br />

zu sein, sich begeistern können<br />

und selbst in <strong>Bewegung</strong> zu bleiben, sind<br />

unsere Antreiber.<br />

Weitere Einblicke in die Grundschule<br />

Wohra ermöglicht die Homepage: www.<br />

grundschule-wohra.de <br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/GSa160-Lit<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

25


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Andrea Herkenhöner<br />

Wieso, weshalb? Wald!<br />

Waldcoaching – ein kurzer Erlebnisbericht<br />

Es war Mitte September, als in <strong>der</strong> Nacht endlich <strong>der</strong> langersehnte Regen fiel.<br />

Dass <strong>der</strong> Wald diesen dringend brauchte, war den Schülerinnen und Schülern<br />

<strong>der</strong> Kölner Heinzelmännchenschule bewusst. Auch dass <strong>der</strong> Wald wichtig ist,<br />

denn „Bäume machen saubere Luft“ und „da wohnen viele Tiere“. Aber einige<br />

Kin<strong>der</strong> waren bis dahin noch nie im Wald.<br />

Steigen wir gleich in den Bus?“ Das<br />

mussten wir nicht, denn <strong>der</strong> kleine<br />

Wald in Köln kann zu Fuß erreicht<br />

werden. Die <strong>Bewegung</strong> und die frische,<br />

schon herbstlich-kühle Luft machen uns<br />

wach, und nun kommt auch die Sonne<br />

zwischen den Wolken hervor. Am Waldrand<br />

angekommen, sammelt jedes Kind<br />

ein Laubblatt auf dem Boden, das ihm gut<br />

gefällt. Als persönliche Eintrittskarte –<br />

denn <strong>der</strong> Wald ist etwas ganz Beson<strong>der</strong>es.<br />

Am besten über den Wald<br />

lernt man … IM Wald!<br />

Im Wald verschlucken die Bäume den<br />

Verkehrslärm von drumherum ein<br />

wenig. „Man hört Vögel“, stellt ein Kind<br />

fest. Wir suchen nach Tierspuren: kreisrunde<br />

Löcher in einem stehenden Totholzstamm<br />

fallen auf. „Die sind von<br />

einem Specht.“ Da liegt, obwohl es erst<br />

Mitte September ist, bereits viel Laub<br />

auf dem Waldboden. „Bestimmt, weil es<br />

so trocken war, sind schon viele runtergefallen.“<br />

Die Kin<strong>der</strong> beobachten und<br />

deuten Dinge, die sie sehen.<br />

Im Wald liegt reichlich Totholz – das<br />

voller Leben ist! Wir finden kleinste<br />

Waldbewohner, die mithilfe eines Pinsels<br />

vorsichtig in eine Becherlupe beför<strong>der</strong>t<br />

werden. Dort können wir sie betrachten<br />

und anschließend unbeschadet wie<strong>der</strong><br />

freilassen. Einen Totholzstamm testen<br />

Andrea Herkenhöner<br />

Projektleitung „Waldcoaching inklusive“,<br />

Schutzgemeinschaft Deutscher<br />

Wald Bundesverband e. V. (SDW)<br />

wir als „Baumtelefon“: ein Kind horcht<br />

mit dem Ohr direkt am Holz. Am hinteren<br />

Ende des Baumstammes erzeugt jemand<br />

an<strong>der</strong>es leise Klopf- und Kratzgeräusche.<br />

Die Schallübertragung im Baum<br />

funktioniert! Ohne das Baumtelefon hätte<br />

man nichts gehört.<br />

„Ein Specht frisst diese kleinen Tiere,<br />

z. B. Käfer.“ Zum Thema Fressen-undgefressen-Werden<br />

passt ein Fangenspiel,<br />

das die Räuber-Beute-Beziehung simuliert.<br />

Alle flitzen umher, die <strong>Bewegung</strong><br />

macht sichtlich Spaß. Nun hüpft auch<br />

noch eine Kröte davon und irgendetwas<br />

schlängelt sich ins Laub … wohl eine<br />

Blindschleiche. Für einen kleinen Wald<br />

mitten in einer Großstadt ist hier einiges<br />

los!<br />

Auf dem Waldboden finden die Kin<strong>der</strong><br />

zu den anfangs gesammelten Blatt-Eintrittskarten<br />

Eicheln und kleine Propeller,<br />

die den Laubblättern von Eiche und<br />

Ahorn zugeordnet werden. Was passiert<br />

denn mit Früchten, die nicht von Tieren<br />

verzehrt werden, son<strong>der</strong>n am Boden liegen<br />

bleiben? „Wenn da Wasser kommt,<br />

dann wächst da ein neuer Baum draus.“<br />

Wer ist älter – <strong>der</strong> Baum o<strong>der</strong> ich?<br />

Abb. links: Fangspiel Fle<strong>der</strong>maus und Motte, Abb. rechts oben: Becherlupe,<br />

Abb. rechts unten: Baumtelefon<br />

Es dauert aber lange, bis ein Baum richtig<br />

groß ist. Das wird den Kin<strong>der</strong>n klar,<br />

als sie selbst Bäumchen in ihrem Alter<br />

suchen. Der Wald ist voll von sehr kleinen,<br />

jungen Eichen und Ahornen. Die<br />

26<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

„Waldcoaching inklusive“<br />

ist ein Verbundprojekt zwischen Bundesverband und Landesverband Hamburg<br />

<strong>der</strong> Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) e. V. Es unterstützt<br />

Grundschullehrkräfte darin, Waldthemen und Waldprojekte umzusetzen.<br />

Aktuell findet eine bundesweite Studie in Form einer Online-Befragung von<br />

Grundschullehrkräften statt. Wenn Sie teilnehmen o<strong>der</strong> mehr über den Lernort<br />

Wald erfahren möchten, melden Sie sich unter: waldcoaching@sdw.de<br />

o<strong>der</strong> info@sdw.de.<br />

Kontakt Bundesverband: Andrea Herkenhöner, andrea.herkenhoener@sdw.de;<br />

Kontakt Landesverband Hamburg: Marvin Gutdeutsch, gutdeutsch@wald.de<br />

großen Bäume stehen viel weiter auseinan<strong>der</strong><br />

und es sind insgesamt weniger.<br />

Durch das Messen des Stammumfangs<br />

lässt sich das Alter eines Baumes recht<br />

genau einschätzen (Anleitung dazu siehe<br />

www.baumportal.de). Die Kin<strong>der</strong> finden<br />

heraus, dass <strong>der</strong> älteste Baum hier im<br />

Wald eine dicke, große Eiche ist – über<br />

200 Jahre alt!<br />

Mit einem Abschlussspiel lassen wir<br />

den Vormittag Revue passieren. Auf<br />

dem Rückweg kreuzt ein Eichhörnchen<br />

mit einer Nuss in seiner kurzen Schnauze<br />

eilig unseren Weg. Schnell klettert es<br />

auf einen Baum und wartet, bis wir alle<br />

vorbeigezogen sind.<br />

Es gibt gute Gründe, mit<br />

<strong>der</strong> Klasse rauszugehen<br />

Das bestätigt Katja Teichert, Sachunterrichtslehrerin<br />

<strong>der</strong> Klasse: „Die Kin<strong>der</strong><br />

hatten heute eine echte, unmittelbare<br />

Begegnung mit <strong>der</strong> Natur. Mit allen Sinnen<br />

und viel Freude konnten sie neue<br />

Erfahrungen machen und etwas über den<br />

˛Lebensraum Wald‘ lernen. Nur so schaffen<br />

wir es, dass junge Menschen Achtung<br />

und Verantwortungsbewusstsein für die<br />

Natur entwickeln.“ Dass <strong>der</strong> Wald von<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong> aus zu Fuß leicht erreichbar<br />

ist, hat beide Lehrerinnen für den nächsten<br />

Waldbesuch motiviert.<br />

Der Wald ist ein vielfältiger, spannen<strong>der</strong><br />

Lernort und Erlebnisraum. Er bietet<br />

sowohl Vertrautes als auch Neues.<br />

Mit seinen vielfältigen ökologischen, sozialen,<br />

kulturellen und wirtschaftlichen<br />

Funktionen ist <strong>der</strong> Wald für Mensch<br />

und Umwelt immens wichtig. Am Thema<br />

Wald und vor allem im Wald lassen<br />

sich Kompetenzen für eine Bildung für<br />

nachhaltige Entwicklung (BNE) bestens<br />

för<strong>der</strong>n. <br />

Abb. oben links: Forschungsobjekt "Baumwurzel", Abb. oben rechts: Alterseinschätzung<br />

einer Eiche anhand des Baumumfangs, Abb. unten: Reflexionsrunde im Kreis<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

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Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Marion Gutzmann<br />

Kin<strong>der</strong>bücher zum Thema<br />

<strong>Bewegung</strong> und <strong>Schule</strong><br />

Ein Thema, das alle verbindet und auch ohne Sprache auskommen kann, ist <strong>der</strong><br />

Sport, die Freude an gemeinsamer <strong>Bewegung</strong>: „Sport ist herrlich!“. Das findet<br />

zumindest <strong>der</strong> Autor und Illustrator Ole Könnecke in seinem Bil<strong>der</strong>buch. Lust am<br />

Sport findet sich aber auch in den stimmungsvollen Comiczeichnungen von Philip<br />

Wächter o<strong>der</strong> Tipps zum alles verbindenden Fußball, in Kin<strong>der</strong>romanen, die sich<br />

dem Schwimmen widmen und letztendlich in <strong>der</strong> nachdenkenswerten Geschichte<br />

„Juhu, letzter!“. Kommen Sie bewegt durch eine bewegende Lesezeit!<br />

Martina Wildner verwebt in ihrem Kin<strong>der</strong>roman<br />

mehrere thematische Stränge –<br />

neben Freundschaften und Familie geht<br />

es zentral um das Thema Fußball und die<br />

Erfahrungen, die Jolanda, genannt Jo,<br />

als Mädchen in einer Jungenmannschaft<br />

macht. Jolanda hat einen Traum – sie will<br />

die beste Fußballerin aller Zeiten werden<br />

und wechselt dafür zur Jungenmannschaft<br />

Blau-Weiß. Die Geschichte zeigt, wie sehr<br />

ein Mädchen gefor<strong>der</strong>t wird, wenn es in<br />

einer traditionellen Männersportart Karriere<br />

machen möchte und sich dabei auch mit Vorurteilen und Mobbing<br />

auseinan<strong>der</strong>setzen muss. An vielen Stellen im Roman geht es<br />

vor allem um Aspekte <strong>der</strong> Sportart Fußball, um Training und Taktik,<br />

Freundschafts- und Ligaspiele, um Spiele und Turniere <strong>der</strong> Fußballgeschichte,<br />

um Eltern am Spielfeldrand, Freizeit- und Leistungssport.<br />

Selbst <strong>der</strong> Fußballgott spielt mit … Dabei schil<strong>der</strong>t Martina Wildner<br />

die Atmosphäre auf dem Fußballplatz realitätsnah. Sicherlich finden<br />

sich Mädchen, die gern Fußball spielen, in dieser Geschichte wie<strong>der</strong>.<br />

Einfach sie selbst zu sein, darin werden sowohl Mädchen als<br />

auch Jungen durch die Lektüre<br />

bestärkt. Auch wenn das Buch<br />

umfangreich erscheint, bieten<br />

zahlreiche Dialoge eine überschaubare<br />

und gut zu bewältigende<br />

Textmenge.<br />

Martina Wildner (2021):<br />

Der Himmel über<br />

dem Platz<br />

Beltz & Gelberg<br />

218 Seiten, € 13,95<br />

Philip Waechter lässt uns aus <strong>der</strong> Perspektive<br />

von Toni an seiner Leidenschaft für<br />

das Fußballleben teilhaben. Mit feinem<br />

Strich hat er Tonis Turnschuh-Abenteuer<br />

als Comic gezeichnet und erzählt mit Witz<br />

und Ironie von Toni und dessen großem<br />

Wunsch, mit den „Renato-Flash-Fußballschuhen<br />

<strong>der</strong> neuen Generation“ ein unwi<strong>der</strong>stehliches<br />

Spiel machen zu können.<br />

Den einzelnen Kapiteln gibt Philip Waechter<br />

je einen eigenen Farbton und zeichnet<br />

ein Bild von Kindheit heute und vielfältigem Leben in <strong>der</strong> Familie. Gern<br />

erschließt man sich lesend die witzigen Dialoge und taucht ein in die<br />

lustigen Details und die stimmungsvolle Farbigkeit <strong>der</strong> Comicseiten.<br />

Man erfährt von Tonis Versuchen, selbst Geld zu verdienen, um sich<br />

die heiß ersehnten Renato-Flash -Fußballschuhe mit Blinkerfunktion<br />

kaufen zu können. Dabei erleben wir, wie Toni Flyer austragen, Straßenmusik<br />

machen, einen Hund ausführen, einen Flohmarktstand<br />

machen o<strong>der</strong> als Model arbeiten möchte, um das nötige Geld für den<br />

Kauf <strong>der</strong> Schuhe zu verdienen. Und dann kommt Weihnachten … Das<br />

mit verschiedenen Preisen ausgezeichnete Buch war 2019 für den<br />

Leipziger Lesekompass nominiert<br />

und ist nicht nur für Fußball-Kicker<br />

empfehlenswert.<br />

Philip Waechter (2018):<br />

Toni. Und alles nur<br />

wegen Renato Flash.<br />

Beltz & Gelberg<br />

67 Seiten, € 14,95<br />

Den Duft von nassem Gras, Sonnenmilch, Chlorwasser und Pommes mit Ketchup und Mayo ... – wer kennt ihn nicht?<br />

Solche Assoziationen und worin die Faszination von Schwimmbä<strong>der</strong>n für Kin<strong>der</strong> besteht, vermittelt <strong>der</strong> Roman „Freibad“<br />

von Will Gmehling. Ein Roman, in dem das Schwimmbad für den 10-jährigen Alf Bukowski als Ich-Erzähler und<br />

seine jüngeren Geschwister Katinka und Robbie einen Sommer lang eine kleine Lebensschule ist, in <strong>der</strong> sie viel Spaß<br />

haben, unterschiedlichste Erfahrungen machen und an<strong>der</strong>e Menschen kennenlernen, z. B. den brummeligen Bademeister,<br />

<strong>der</strong> das Walross genannt wird, o<strong>der</strong> den Flaschensammler Konrad. Täglich sind die drei im Freibad – und<br />

das, weil sie im Bad ein kleines Kind vor dem Ertrinken gerettet und als Belohnung für die ganze Sommersaison eine<br />

Freikarte für das Freibad geschenkt bekommen haben. Alf hat sich für diese Zeit vorgenommen, es auf den 10-Meter-Turm<br />

zu schaffen, Katie will 20 Bahnen am Stück kraulen können und Robbie<br />

überhaupt erst schwimmen lernen. Es geht auch um die kleinen täglichen Dinge,<br />

z. B. ob das Geld <strong>der</strong> Bukowski-Geschwister noch für Eis o<strong>der</strong> Pommes reicht. O<strong>der</strong><br />

wie zufrieden sie mit Kleinigkeiten sind und sich daran erfreuen können. Inspirierend dazu ist die Liste am<br />

Ende des Buches über alles, was toll im Freibad ist. „Freibad“ wurde 2020 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis<br />

ausgezeichnet.<br />

Will Gmehling (2019):<br />

Freibad – Ein ganzer<br />

Sommer unter dem Himmel<br />

Peter Hammer Verlag<br />

156 Seiten, € 15,00<br />

28<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

„Die beste Bahn meines Lebens“ ist die<br />

erste Buchveröffentlichung von Anne Becker<br />

und wurde bereits 2017 als Manuskript<br />

für den Oldenburger Kin<strong>der</strong>- und<br />

Jugendpreis und 2020 für den Jugendliteraturpreis<br />

nominiert. Schwimmtalent,<br />

Mathe-Genie o<strong>der</strong> LRS-Kind – Anne Becker<br />

erzählt warmherzig und einfühlsam<br />

aus <strong>der</strong> Perspektive von Jan über kleine<br />

Schwächen und große Stärken, erste Liebesgefühle,<br />

tiefe Verunsicherungen und<br />

Rivalitäten. In die Geschichte von Jan,<br />

dem Schwimmtalent, <strong>der</strong> nicht gut lesen und schreiben kann, sind<br />

Tagebuchseiten in Form von Tabellen, Schaubil<strong>der</strong>n und Diagrammen<br />

eingeflochten, die das mathematisch hochbegabte Nachbarmädchen<br />

Florentine, genannt Flo, angefertigt hat und die ihre Erzählweise<br />

witzig darstellen. Im Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Geschichte stehen dabei<br />

nicht die Ängste und Nöte von Jan und seine Gefühle <strong>der</strong> Scham und<br />

Verunsicherung, weil er seine LRS verbergen möchte, son<strong>der</strong>n die<br />

Kraft und die Stabilität, die ihm<br />

<strong>der</strong> Sport und sein Können als<br />

Schwimmer geben, seine Freundschaft<br />

zu Flo und die erste Liebe.<br />

Anne Becker (2019):<br />

Die beste Bahn<br />

meines Lebens<br />

Beltz & Gelberg<br />

176 Seiten, € 12,95<br />

Immer gewinnen die Gleichen – wer kennt<br />

nicht diese weit verbreitete Meinung, bei<br />

<strong>der</strong> die Sieger von Anfang an feststehen,<br />

egal bei welchem Wettkampf o<strong>der</strong> wenn<br />

es um das Thema Erfolg und Misserfolg<br />

geht. Immer gewinnen dieselben Tiere –<br />

ist auch das Nachdenkthema des Bil<strong>der</strong>buches<br />

„Juhu, LetzteR“, das bereits mit<br />

seinem Titel auf an<strong>der</strong>e kreative und witzige<br />

Lösungen neugierig macht. Auch den<br />

Tieren sind die Wettkämpfe inzwischen so<br />

langweilig, dass das Publikum einschläft. Als auch <strong>der</strong> Elefant einnickt<br />

und die Tribüne hinunterkugelt, ist klar, dass sich etwas grundlegend<br />

än<strong>der</strong>n muss! Da haben Hamster, Regenwurm und Zwergmaus eine<br />

Idee: Ab jetzt sollen diejenigen die Sieger sein, die als Letzte ins Ziel<br />

gehen, das geringste Gewicht stemmen und am wenigsten weit springen<br />

können. So entsteht eine skurrile Olympiade <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Art, turbulent und witzig von Jens Rassmus erzählt und interessant<br />

in Bil<strong>der</strong> gesetzt. Der Mix aus farbenfrohen,<br />

großformatigen Bil<strong>der</strong>n<br />

und Strichzeichnungen und vielen<br />

Dialogen macht Lust aufs Lesen<br />

und Vorlesen.<br />

Jens Rassmus (2020):<br />

Juhu, LetzteR! Die neue<br />

Olympiade <strong>der</strong> Tiere<br />

G & G Verlagsgesellschaft<br />

mbH Wien<br />

64 Seiten, € 18,00<br />

Ausgezeichnet mit dem Leipziger Lesekompass<br />

2018 macht das liebevoll gestaltete<br />

und umfangreiche großformatige<br />

Bil<strong>der</strong>buch kleinen und großen Sportbegeisterten<br />

originell und witzig Lust aufs<br />

Sportmachen. Wie in einem Bil<strong>der</strong>bogen<br />

werden die verschiedensten Sportarten<br />

vorgestellt, mit ihren ganz eigenen Vorzügen<br />

und Beson<strong>der</strong>heiten – von Fußball<br />

über Leichtathletik, Eishockey, Pferdesport, Boxen o<strong>der</strong> Windsurfen<br />

bis hin zum Slacklining, Einradfahren o<strong>der</strong> dem Ball-hin-und-her-Werfen.<br />

Fröhlich illustriert können auf je<strong>der</strong> Seite die Tiersportler*innen<br />

betrachtet werden – warum ist wohl die Giraffe für den Hochsprung<br />

ausgewählt o<strong>der</strong> warum belegt die Schildkröte beim Hun<strong>der</strong>tmeterlauf<br />

den dritten Platz? In kurzen Texten mit überschaubarer Zeilenlänge<br />

werden die wichtigsten Regeln <strong>der</strong> Sportarten beschrieben<br />

und Begriffe wie z. B. Jockey erklärt. Der Humor kommt dabei nicht zu<br />

kurz, sind doch manchmal nicht alle sportlichen Betätigungen erfolgreich<br />

– o<strong>der</strong> warum muss <strong>der</strong> eine Skispringer wohl noch üben? Sport<br />

sollte nicht nur anstrengend sein,<br />

son<strong>der</strong>n vor allem Spaß machen.<br />

Diese Botschaft scheint gelungen<br />

– selbst Sportmuffel sollten<br />

nach <strong>der</strong> Lektüre Lust auf Sport<br />

bekommen!<br />

Ole Könnecke (2017):<br />

Sport ist herrlich!<br />

Carl Hanser Verlag<br />

München<br />

52 Seiten, € 16,00<br />

Fußball ist eine Lieblings-Sportart, die als<br />

Thema sowohl im Bereich <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>romane<br />

als auch in Sachbüchern häufig vertreten<br />

ist und z. B. im Zusammenhang mit<br />

Weltmeisterschaften viele Neuauflagen<br />

erfährt. Dazu gehört auch das im Sommer<br />

erschienene Sachbuch „Fußball verrückt“.<br />

Seitenweise Fakten, Rekorde und Fußballwissen<br />

mit eindrucksvollen Bil<strong>der</strong>n und<br />

Grafiken und je<strong>der</strong> Menge Expertenwissen<br />

sind das perfekte Geschenk für jeden Fußballfan<br />

– auch außerhalb einer Fußball-WM. Vom Fallrückzieher bis<br />

zum Freistoß wird jedes Manöver <strong>der</strong> großen Idole anhand anschaulicher<br />

Infografiken einprägsam<br />

erklärt. All diese Tipps und Tricks<br />

lassen sich nach <strong>der</strong> Lektüre gleich<br />

auf dem Fußballplatz ausprobieren.<br />

Und – es geht auch in diesem Buch<br />

um den perfekten Fußballschuh.<br />

Michael Schmidt<br />

(Übersetzer), (2022):<br />

Fußball verrückt.<br />

Aus dem Englischen<br />

Dorling Kin<strong>der</strong>sley Verlag<br />

144 Seiten, € 14,95<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

29


Aus Praxis: <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong> Forschungin <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Sabine Martschinke, Meike Munser-Kiefer, Andreas Hartinger und Alfred Lindl<br />

„Funktioniert“ die Jahrgangsmischung<br />

auch in <strong>der</strong> 3. und 4. Jahrgangsstufe?<br />

Leistungsentwicklung und adaptive Unterstützung im Unterricht<br />

In einer bayernweiten Kooperationsstudie <strong>der</strong> Universitäten Regensburg, Erlangen-Nürnberg<br />

und Augsburg wird danach gefragt, ob sich die (kleinen) positiven<br />

Effekte auf die Leistungsentwicklung jahrgangsgemischt unterrichteter Schüler:innen<br />

<strong>der</strong> 1. und 2. Jahrgangsstufe auch in höheren jahrgangsgemischt unterrichteten<br />

Klassenstufen <strong>der</strong> Grundschule (3. und 4. Jahrgangsstufe) finden lassen.<br />

Tatsächlich zeigen sich positive<br />

Effekte, allerdings ausschließlich<br />

für die Drittklässler:innen. Dieses<br />

Ergebnis passt zur Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> Schüler:innen: Die meisten Kin<strong>der</strong><br />

geben zwar an, dass beide Jahrgänge<br />

gleichermaßen unterstützt werden – die<br />

Kin<strong>der</strong>, die das nicht so einschätzen,<br />

nehmen aber weitgehend eine bessere<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> jüngeren Kin<strong>der</strong> wahr.<br />

Unsere Befunde ergaben auch, dass<br />

Lehrkräfte in jahrgangsgemischten<br />

Klassen adaptiver unterrichten als Lehrkräfte<br />

jahrgangshomogener Klassen.<br />

Die Daten zeigen jedoch auch, dass es<br />

hier noch „etwas Luft nach oben“ gibt:<br />

Generell und beson<strong>der</strong>s für die Viertklässler:innen<br />

ist nicht genutztes Potenzial<br />

für mehr Adaptivität und individuelle<br />

Unterstützung vorhanden.<br />

Dieser Beitrag möchte Lehrkräften<br />

und an<strong>der</strong>en Interessierten ausgewählte<br />

Informationen zu einer aktuellen Studie<br />

zur Jahrgangsmischung in <strong>der</strong> 3. und<br />

4. Jahrgangsstufe liefern und damit Mut<br />

machen, dass Jahrgangsmischung in <strong>der</strong><br />

3. und 4. Jahrgangsstufe „funktioniert“.<br />

Gleichzeitig liefert <strong>der</strong> Beitrag Hinweise,<br />

wie jahrgangsgemischter Unterricht<br />

weiterentwickelt werden kann.<br />

Problemaufriss: Hoffnungen<br />

und Befürchtungen<br />

Das jahrgangsgemischte Lernen liegt in<br />

<strong>der</strong> Grundschule seit ca. 20 Jahren im<br />

Trend (Carle 2014). Lehrkräfte, Studierende,<br />

Eltern und zuweilen auch Kin<strong>der</strong><br />

begegnen <strong>der</strong> Jahrgangsmischung zum<br />

Teil mit großen Hoffnungen, aber auch<br />

immer noch mit einer gewissen Skepsis,<br />

insbeson<strong>der</strong>e für die Jahrgangsstufen<br />

3 und 4 als Schlüsselstelle in unserem<br />

Bildungssystem (s. Abb. 1).<br />

In Interviews mit Lehrkräften jahrgangsgemischter<br />

Klassen (Feuchtenberger/Martschinke/Munser-Kiefer/Hartinger<br />

2019) überwiegen die Hoffnungen,<br />

Abb. 1: Hoffnungen für Drittklässler:innen und Befürchtungen für Viertklässler:innen<br />

aus Lehrer:innenperspektive (aus Feuchtenberger u. a. 2019)<br />

dass zum einen durch diese Organisationsform<br />

auch kleine <strong>Schule</strong>n erhalten<br />

bleiben können, zum an<strong>der</strong>en aber auch<br />

pädagogisch-didaktische Vorteile durch<br />

das jahrgangsgemischte Peerlernen genutzt<br />

werden können. Das Lernen am<br />

Modell und die Unterstützung durch die<br />

meist auch älteren Viertklässler:innen in<br />

kürzer o<strong>der</strong> länger angelegten Lernpatenschaften<br />

lassen Leistungseffekte zumindest<br />

für die Drittklässler:innen erwarten.<br />

Aber auch Befürchtungen sind mit<br />

dem jahrgangsgemischten Lernen verbunden.<br />

Diese beziehen sich eher auf<br />

die jeweils älteren Kin<strong>der</strong>: Diese könnten<br />

in ihrer Helfer:innenrolle Wissen<br />

zwar durch Wie<strong>der</strong>holung festigen, aber<br />

zu wenig neue Anregung durch neuen<br />

Stoff bekommen. Diese Befürchtung<br />

wird vor dem Hintergrund des „Übergangs<br />

nach oben“ verstärkt, denn in <strong>der</strong><br />

4. Klasse werden relevante Bildungsentscheidungen<br />

getroffen.<br />

Der Artikel berichtet von unserer großen<br />

bayerischen Kooperationsstudie, die<br />

diese Hoffnungen und Befürchtungen<br />

für die 3. und 4. Klasse aus verschiedenen<br />

Perspektiven – Schüler:innen, Lehrer:innen,<br />

Unterrichtsbeobachtung – auf<br />

den Prüfstand stellt.<br />

Ergebnisse zur Jahrgangsmischung<br />

in <strong>der</strong> ersten und zweiten Jahrgangsstufe<br />

im deutschsprachigen Raum zeigen<br />

zumeist kleine Leistungsvorteile<br />

für die jahrgangsgemischt unterrichteten<br />

Kin<strong>der</strong> – zumindest in Modellversuchen<br />

– (Carle 2014, Hattie/Zierer<br />

2020, Hartinger/Grittner/Rehle 2011).<br />

Diese Befunde wecken Erwartungen für<br />

Leistungsvorteile in <strong>der</strong> 3. und 4. Klasse.<br />

Lehrkräfte erhoffen sich dabei vorrangig<br />

für die Drittklässler:innen durch<br />

mögliche Lernpatenschaften mit Älteren<br />

(Feuchtenberger/Martschinke/Munser-<br />

Kiefer/Hartinger 2019) entsprechende<br />

Effekte. Viertklässler:innen könnten<br />

sich dagegen weniger unterstützt und<br />

geför<strong>der</strong>t fühlen. Der Auslöser dieser<br />

30<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> Aus <strong>der</strong> in Forschung<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Effekte wird damit eher auf <strong>der</strong> Ebene<br />

<strong>der</strong> Tiefenstruktur und <strong>der</strong> Qualität<br />

des jahrgangsgemischten Unterrichts<br />

vermutet, <strong>der</strong> die entscheidende Stellschraube<br />

sein könnte.<br />

Für den vorliegenden Beitrag ergeben<br />

sich damit folgende Forschungsfragen:<br />

1. Wie entwickelt sich die Leistung in<br />

Lesen und Mathematik in jahrgangsgemischten<br />

und jahrgangshomogenen<br />

Klassen in <strong>der</strong> 3. und 4. Jahrgangsstufe<br />

im Vergleich (und in den verschiedenen<br />

Leistungsgruppen)?<br />

2. Fühlen sich Dritt- und Viertklässler:innen<br />

gleichermaßen beachtet und<br />

geför<strong>der</strong>t?<br />

3. Welche Unterrichtsmerkmale können<br />

guten Unterricht in <strong>der</strong> Jahrgangsmischung<br />

ausmachen?<br />

1. Wie entwickelt sich die<br />

Leistung in jahrgangsgemischten<br />

und jahrgangshomogenen<br />

dritten und vierten Klassen?<br />

Für Lehrkräfte, Eltern, aber auch<br />

für Schulleitungen und an<strong>der</strong>e Entscheidungsträger<br />

ist es zunächst bedeutsam,<br />

ob die Kin<strong>der</strong> im jahrgangsgemischten<br />

Unterricht die gleichen<br />

fachlichen Leistungen erreichen können<br />

wie in den klassischen Jahrgangsklassen.<br />

Dieser Frage wurde mit großer<br />

Stichprobe und statistisch-methodisch<br />

anspruchsvoll nachgegangen.<br />

Prof. Dr. Sabine Martschinke (links)<br />

ist Lehrstuhlinhaberin für Grundschulpädagogik mit dem Schwerpunkt Umgang mit<br />

Heterogenität an <strong>der</strong> Friedrich-Alexan<strong>der</strong>-Universität Erlangen-Nürnberg.<br />

Prof. Dr. Meike Munser-Kiefer (2. v. links)<br />

ist Professorin für Pädagogik (Grundschulpädagogik) an <strong>der</strong> Universität Regensburg.<br />

Prof. Dr. Andreas Hartinger (3. v. links)<br />

ist Lehrstuhlinhaber für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik an <strong>der</strong> Universität<br />

Augsburg.<br />

Dr. Alfred Lindl (rechts)<br />

leitet an <strong>der</strong> Universität Regensburg eine interdisziplinäre Nachwuchsforschungsgruppe<br />

(„FALKO-PV“) zum Professionswissen von Lehrkräften und zu Qualitätsmerkmalen<br />

von Fachunterricht.<br />

1.1 Wer wurde befragt und welche<br />

Leistungen wurden erfasst?<br />

An <strong>der</strong> Studie waren 1644 Schüler:innen<br />

beteiligt, die von Beginn <strong>der</strong> 3. Klasse bis<br />

zum Ende <strong>der</strong> 4. Klasse wissenschaftlich<br />

begleitet wurden. Die Klassen (davon 68<br />

jahrgangsgemischt) stammten aus dem<br />

ländlichen und städtischen Bereich und<br />

wurden von insgesamt 125 Lehrkräften<br />

(92 % weiblich; mittleres Dienstalter 16<br />

Jahre) unterrichtet.<br />

Für diese Fragestellung wurden immer<br />

je zwei Kin<strong>der</strong> aus jedem Setting<br />

„gematcht“, die zum ersten Zeitpunkt<br />

vergleichbare Ausgangswerte in Lesen<br />

und Mathematik, aber auch in <strong>der</strong> Erstsprache,<br />

Bildungsnähe des Elternhauses,<br />

im Selbstkonzept, in <strong>der</strong> Motivation und<br />

den Einstellungen gegenüber <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

aufwiesen. Außerdem wurden vier Leistungsgruppen<br />

nach den Ausgangswerten<br />

in Mathematik und Lesen gebildet, um<br />

differenzielle Effekte für leistungsstärkere<br />

(oberste 25 Prozent) und weniger<br />

leistungsstarke Kin<strong>der</strong> (unterste 25 Prozent)<br />

berechnen zu können.<br />

Die Leistungen im Lesen und in Mathematik<br />

wurden im Längsschnitt zu<br />

drei Erhebungspunkten untersucht – zu<br />

Anfang und am Ende <strong>der</strong> 3. Klasse bzw.<br />

am Ende <strong>der</strong> 4. Klasse (VERA für Lesen<br />

bzw. lehrplankonforme und an ILEA<br />

angelehnte Aufgaben sowie Vergleichsarbeiten<br />

für Mathematik).<br />

1.2 Ergebnisse und Konsequenzen<br />

für die Praxis<br />

Die Ergebnisse zum Lesen und in<br />

Mathematik zeigen, dass es am Ende<br />

<strong>der</strong> 4. Jahrgangsstufe keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen den jahrgangsgemischt<br />

und jahrgangshomogen<br />

unterrichteten Kin<strong>der</strong>n gibt. Das ist<br />

grundsätzlich eine Pattsituation, auch<br />

wenn es tendenziell kleine Effekte am<br />

Ende <strong>der</strong> Grundschulzeit zugunsten<br />

<strong>der</strong> jahrgangsgemischt unterrichteten<br />

Schüler:innen des untersten Leistungsspektrums<br />

gibt. Ein wenig an<strong>der</strong>s sieht<br />

es am Ende <strong>der</strong> 3. Klasse aus. Hier zeichnet<br />

sich ein kleiner bis mittlerer Effekt<br />

zugunsten <strong>der</strong> jahrgangsgemischt unterrichteten<br />

Drittklässler:innen ab, beson<strong>der</strong>s<br />

– wie erwartet – zugunsten <strong>der</strong> leistungsstärkeren<br />

Gruppen. Entsprechend<br />

ergibt sich <strong>der</strong> Unterschied nicht in <strong>der</strong><br />

generellen Gegenüberstellung „Jahrgangsmischung“<br />

versus „Jahrgangshomogenisierung“,<br />

son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> differenzierten<br />

Betrachtung von Jahrgangsstufe<br />

und Leistungsgruppe.<br />

Der beson<strong>der</strong>e Profit für die Drittklässler:innen<br />

(und auch für schwächere<br />

Schüler:innen) insgesamt lässt sich<br />

gut erklären durch zusätzliche und kognitiv<br />

aktivierende Inhalte im gemeinsamen<br />

Unterricht, durch die Unterstützung<br />

von Viertklässler:innen beim Lernen<br />

und durch kleinere Gruppen beim<br />

getrennten Lernen.<br />

Schwieriger ist <strong>der</strong> Verlust dieses „Vorsprungs“<br />

im Laufe <strong>der</strong> 4. Jahrgangsstufe<br />

zu deuten. Es könnte sein, dass die Helfer:innenrolle<br />

zwar gut geeignet ist, erworbenes<br />

Wissen zu festigen, aber auch<br />

einen gewissen Bremseffekt für neue Inhalte<br />

darstellt. Angenommen werden<br />

kann aber auch eine Art „Deckelung“<br />

durch den Lehrplan am Ende <strong>der</strong> vierten<br />

Jahrgangsstufe, <strong>der</strong> nur bestimmte<br />

Lernziele für zwei Jahre vorsieht.<br />

Erkenntnisse und Konsequenzen für die<br />

Praxis: Jahrgangsgemischter Unterricht<br />

erreicht am Ende <strong>der</strong> Grundschulzeit<br />

die Ziele im fachlichen Leistungsbereich<br />

gleich gut und kann damit in dieser Hinsicht<br />

ohne Befürchtungen eingesetzt werden.<br />

Da die Drittklässler:innen und auch<br />

leistungsschwächere Schüler:innen sich<br />

günstiger im jahrgangsgemischten Unterricht<br />

entwickeln, heißt es, dieses Potenzial<br />

auszuschöpfen, aber unter Umständen<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

31


Aus Praxis: <strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong> Forschungin <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

ein beson<strong>der</strong>es Augenmerk auf die Viertklässler:innen<br />

und dort beson<strong>der</strong>s auf<br />

die leistungsstärkeren Schüler:innen und<br />

ihre För<strong>der</strong>ung zu legen.<br />

2. Fühlen sich Dritt- und<br />

Viertklässler:innen gleichermaßen<br />

beachtet und geför<strong>der</strong>t?<br />

Um die Vermutung zu stützen o<strong>der</strong> zu<br />

entkräften, ob tatsächlich Viertklässler:innen<br />

unter Umständen weniger<br />

Beachtung und För<strong>der</strong>ung erfahren,<br />

wurden die Kin<strong>der</strong> selbst befragt.<br />

2.1 Wer wurde befragt<br />

und wie wurde erhoben?<br />

Wir haben hierzu die Antworten von 604<br />

Kin<strong>der</strong>n aus den jahrgangsgemischten<br />

Klassen ausgewertet: Diese antworteten<br />

zunächst als Drittklässler:innen und<br />

ein Jahr später als Viertklässler:innen –<br />

jeweils in <strong>der</strong> Mitte des Schuljahrs. Zur<br />

Frage <strong>der</strong> Unterstützung bekamen die<br />

Kin<strong>der</strong> vier Satzanfänge vorgelegt (s.<br />

Abb. 2). Als Antwortmöglichkeiten hatten<br />

sie die Wahl zwischen Dritt- o<strong>der</strong><br />

Viertklässler:innen bzw. „beide gleich“.<br />

2.2 Ergebnisse und Konsequenzen<br />

für die Praxis<br />

Die Antworten <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> zeigen, dass<br />

bei allen vier Items immer mindestens<br />

75 % bis hin zu 90 % angegeben haben,<br />

dass die Kin<strong>der</strong> aus beiden Schulbesuchsjahren<br />

gleich behandelt (gleichermaßen<br />

unterstützt) werden. Die Antworten<br />

<strong>der</strong> beiden Jahrgänge sind dabei<br />

mit durchschnittlich 80 % bzw. 81 %<br />

Abb. 2: Items für die Erfassung <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> (bei männlichen Lehrkräften<br />

wurde entsprechend Lehrer verwendet)<br />

sehr ähnlich. Wie sieht das aber aus<br />

für die Kin<strong>der</strong>, die hier keine „Gleichbehandlung“<br />

wahrnehmen (s. Abb. 3)?<br />

Sie nehmen zu einem deutlich größeren<br />

Anteil (15 % bzw.16 %) die Unterstützung<br />

durch die Lehrkraft für die Drittklässler:innen<br />

wahr. Nur ein sehr geringer<br />

Prozentsatz (jeweils 4 %) sieht Vorteile<br />

auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Viertklässler:innen.<br />

Abbildung 3 veranschaulicht dies gemittelt<br />

über die Skala „Unterstützung durch<br />

die Lehrkraft“ (Items, s. Abb. 2).<br />

Diese Einschätzung ist relativ unabhängig<br />

davon, ob die Kin<strong>der</strong> selbst gerade<br />

in <strong>der</strong> 3. o<strong>der</strong> 4. Jahrgangsstufe<br />

sind. Sie sehen also – wenn überhaupt<br />

und unabhängig von <strong>der</strong> Klassenstufe –,<br />

dass die Lehrkraft eher den Drittklässler:innen<br />

etwas erklärt, ihnen mehr bei<br />

Schwierigkeiten hilft, mehr auf sie achtet<br />

und sich eher mehr um sie kümmert.<br />

Erkenntnisse und Konsequenzen für<br />

die Praxis: Einerseits ist <strong>der</strong> hohe Prozentsatz<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, die die För<strong>der</strong>und<br />

Unterstützungskapazitäten <strong>der</strong><br />

Lehrkraft gleichermaßen bei Drittund<br />

Viertklässler:innen sehen, einer<br />

enormen Leistung <strong>der</strong> Lehrkräfte<br />

zuzurechnen, die eine hohe adaptive<br />

Anpassung an die unterschiedlichen<br />

Leistungsstände erfor<strong>der</strong>t. An<strong>der</strong>erseits<br />

liegt aber für die restlichen Kin<strong>der</strong><br />

die Vermutung nahe, dass tatsächlich<br />

die För<strong>der</strong>ung und die Aufmerksamkeit<br />

im Zweifelsfalle o<strong>der</strong> bei zu hoher<br />

Belastung durch die große Heterogenität<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in einer Klasse eher bei<br />

den Drittklässler:innen liegen und<br />

möglicherweise hier auch mehr Zeitanteile<br />

hinfließen. Das Ergebnis passt<br />

gut zu den Leistungsergebnissen <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> bzw. hat Erklärungspotenzial,<br />

ohne dass hier eine Prüfung unserer<br />

Annahme stattfinden kann.<br />

3. Gibt es in jahrgangsgemischten<br />

Klassen mehr individuelle und<br />

adaptive Unterstützung?<br />

Abb. 3: Unterstützung durch die Lehrkraft in <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> Dritt- und Viertklässler:innen<br />

(gemittelt über die Skala „Unterstützung durch die Lehrkraft“<br />

Sowohl die Leistungsergebnisse <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> als auch ihre Wahrnehmung<br />

berühren die Frage, inwieweit es Lehrkräften<br />

in jahrgangsgemischten Klassen<br />

gelingt, individueller und eventuell auch<br />

adaptiver zu unterrichten als Lehrkräfte<br />

in jahrgangshomogenen Klassen (Munser-Kiefer/Martschinke/Hartinger<br />

2017).<br />

32<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> Aus <strong>der</strong> in Forschung<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

3.1 Wer wurde befragt<br />

und wie wurde erhoben?<br />

Über 100 Lehrer:innen (52 aus jahrgangshomogenen<br />

und 60 aus jahrgangsgemischten<br />

Klassen) füllten einen<br />

Fragebogen zur Gestaltung des Unterrichts<br />

aus. Die Fragen zur adaptiven<br />

Unterrichtsgestaltung bezogen sich auf<br />

Lernstandsdiagnosen, Differenzierungsmaßnahmen<br />

und auf individuelle För<strong>der</strong>ung<br />

sowie Rückmeldung (z. B. „Ich<br />

verwende verschieden schwere Aufgaben<br />

für unterschiedliche Kin<strong>der</strong>“; „Ich<br />

führe ausführlichere[Lern-]Gesprä che<br />

zum aktuellen Lernstand mit konkreten<br />

Tipps“). Als Antwortmöglichkeiten<br />

standen den Lehrkräften „selten o<strong>der</strong><br />

nie“, „mindestens einmal pro Monat“,<br />

„mindestens einmal pro Woche“, „täglich“<br />

(Likertskala von 0 bis 3) zur Verfügung.<br />

3.2 Ergebnisse und Konsequenzen<br />

für die Praxis<br />

Lehrkräfte jahrgangsgemischter Klassen<br />

geben durchschnittlich mehr und signifikant<br />

häufiger an, adaptive Elemente<br />

in ihrem Unterricht einzusetzen (siehe<br />

Munser-Kiefer/Martschinke/Hartinger<br />

2017). Die Abbildung 3 veranschaulicht<br />

das Ausmaß <strong>der</strong> Unterschiede:<br />

Allerdings deutet <strong>der</strong> Mittelwert von<br />

1,71 auf einer Skala von 0 bis 3 darauf<br />

hin, dass Elemente adaptiver Unterrichtsgestaltung<br />

zwar vorkommen, aber<br />

nur knapp über dem theoretisch angenommenen<br />

Mittelwert von 1,5. Inhaltlich<br />

bedeutet das, dass die Lehrkräfte im<br />

Durchschnitt zwischen einmal im Monat<br />

und einmal in <strong>der</strong> Woche diese adaptiven<br />

Elemente nutzen und damit weit<br />

entfernt von einer täglichen Umsetzung<br />

sind.<br />

Ausblick<br />

„Das Gelbe vom Ei ist we<strong>der</strong> das Eine<br />

noch das An<strong>der</strong>e“, bewertet eine Lehrerin<br />

aus <strong>der</strong> Interviewstudie jahrgangsgemischten<br />

und jahrgangshomogenen<br />

Unterricht (Feuchtenberger/Martschinke/Munser-Kiefer/Hartinger<br />

2019). Vereinfacht<br />

betrachtet spiegelt sich dies in<br />

den Ergebnissen unserer Studie wi<strong>der</strong>, die<br />

zumindest zum Ende <strong>der</strong> vierten Jahrgangsstufe<br />

eine Pattsituation zwischen<br />

den beiden Organisationsformen im<br />

Leistungsbereich in Lesen und Mathematik<br />

bestätigt. Auch wenn die Aussage <strong>der</strong><br />

Lehrerin wenig optimistisch klingt, ergibt<br />

sich daraus für die Praxis zumindest folügende<br />

beruhigende Nachricht: Es gelingt<br />

auch in <strong>der</strong> Jahrgangsmischung <strong>der</strong><br />

dritten und vierten Jahrgangsstufe,<br />

Schüler:innen gleichermaßen zu för<strong>der</strong>n<br />

– und dies an einer neuralgischen<br />

Stelle in <strong>der</strong> Bildungslaufbahn bei einer<br />

erhöhten Heterogenität durch die Jahrgangsmischung.<br />

Das ist eine wichtige<br />

Botschaft: Jahrgangsgemischte Klassen<br />

können in sogenannten kleinen <strong>Schule</strong>n<br />

ohne Bedenken eingesetzt werden.<br />

Vorteile für die jahrgangsgemischt<br />

unterrichteten Schüler:innen betreffen<br />

zum einen die Drittklässler:innen und<br />

zum an<strong>der</strong>en die weniger leistungsstarken<br />

Schüler:innen am Ende <strong>der</strong> vierten<br />

Klasse. Dies erklärt sich zum Teil<br />

dadurch, dass Lehrkräfte <strong>der</strong> jahrgangsgemischten<br />

Klassen adaptiver unterrichten.<br />

Sie differenzieren mehr, z. B. durch<br />

verschieden schwere Aufgabenformen;<br />

Aufgaben, die unterschiedlich bearbeitet<br />

o<strong>der</strong> nach Interesse ausgewählt werden<br />

können. Sie informieren sich genauer<br />

über den Lernstand vor und nach einem<br />

Unterrichtsthema durch verschiedene<br />

Diagnoseformen und geben ausführlicheres<br />

individuelles Feedback o<strong>der</strong> gestalten<br />

häufiger gemeinsame Feedbackrunden.<br />

Solche Unterrichtsmerkmale<br />

verlangen aber auch nach Qualität: So<br />

entfalten Lernentwicklungsgespräche als<br />

Kombination aus Diagnose und Feedback<br />

erst ihre Wirkung, wenn sie den<br />

Kriterien eines formativen Assessments<br />

folgen (Ertl/Kücherer/Hartinger 2022).<br />

Beim adaptiven Unterrichten findet<br />

sich aber auch in <strong>der</strong> Jahrgangsmischung<br />

noch „Luft nach oben“ (s. Abb. 4: 1,71<br />

von max. 3): Dies lässt vermuten, dass<br />

häufigere Lernstandsdiagnosen, Differenzierungsmaßnahmen<br />

und mehr<br />

individuelle Rückmeldung und För<strong>der</strong>ung<br />

in hoher Qualität ein Ansatzpunkt<br />

zur Optimierung sein könnten.<br />

Ein weiterer Ansatzpunkt könnte die<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Viertklässler:innen<br />

sein. Hier könnte ein beson<strong>der</strong>es Augenmerk<br />

auf unterstützende Maßnahmen<br />

durch die Lehrkraft und an<strong>der</strong>e Viertklässler:innen<br />

(z. B. Helfer:innensystem<br />

unter den Viertklässler:innen, Lernberatung,<br />

kognitiv aktivierende Zusatzangebote)<br />

die Qualität jahrgangsgemischten<br />

Unterrichts noch steigern. Damit hätte<br />

die Jahrgangsmischung eine gute Chance,<br />

doch noch „das Gelbe vom Ei“ zu<br />

werden. Dafür spricht auch, dass jahrgangsgemischter<br />

Unterricht mittel- und<br />

langfristig die subjektive Arbeitsbelastung<br />

sinken lässt (Munser-Kiefer/Martschinke/Hartinger<br />

2018).<br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/GSa160-Lit<br />

Erkenntnisse und Konsequenzen für<br />

die Praxis: Die Befunde weisen darauf<br />

hin, dass Lehrkräfte jahrgangsgemischter<br />

Klassen im Vergleich zu<br />

jahrgangshomogenen Klassen verstärkt<br />

adaptive Lernformen berücksichtigen<br />

– unter Umständen sogar<br />

berücksichtigen müssen, da die zusätzliche<br />

Heterogenität durch jahrgangsübergreifenden<br />

Unterricht dies for<strong>der</strong>t<br />

und die Lehrkräfte indirekt zu mehr<br />

Adaptivität „zwingt“. Darin besteht<br />

eine Chance, die aber noch deutlich<br />

ausgebaut werden könnte.<br />

Abb. 4: Mittelwertsunterschiede in den Elementen adaptiver Unterrichtsgestaltung<br />

(JHK = Lehrkräfte jahrgangshomogener Klassen, JGM = Lehrkräfte jahrgangsgemischter<br />

Klassen)<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

33


Praxis: Rundschau <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Eine <strong>Schule</strong> voller Kin<strong>der</strong> kann nur in <strong>Bewegung</strong> sein<br />

Mit Spiel, Sport und Theater das Leben von Kin<strong>der</strong>n<br />

in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n kennenlernen<br />

Wenn ich mir ein Kind vor<br />

mein inneres Auge rufe,<br />

dann will es einfach nicht<br />

stillstehen. Hüpfend, Ball kickend, tanzend,<br />

zappelnd steht es vor mir – bereit,<br />

seine <strong>Bewegung</strong> innerhalb von Sekunden<br />

zu verän<strong>der</strong>n. Natürlich gibt es auch<br />

die Momente <strong>der</strong> Ruhe, aber wie lange<br />

halten die vor?<br />

Kin<strong>der</strong> sind ständig in <strong>Bewegung</strong><br />

und oft verbunden/eingebunden in ein<br />

Spiel mit an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n, so bekommt<br />

<strong>der</strong> <strong>Bewegung</strong>sdrang mehrerer Kin<strong>der</strong><br />

eine gemeinsame Richtung. Vielleicht<br />

eine idealtypische Darstellung, aber <strong>der</strong><br />

Klang des Satzes „Spielst Du mit mir?“<br />

hat in meinen Ohren immer eine Kin<strong>der</strong>stimme.<br />

Spielend zu lernen ist nicht nur ein<br />

Wunschtraum vieler Erwachsener, son<strong>der</strong>n<br />

auch Realität von Kin<strong>der</strong>welten. Im<br />

Spiel mit an<strong>der</strong>en werden Strategien entwickelt,<br />

Bündnisse geschmiedet, Konflikte<br />

ausgetragen, Emotionen geschürt<br />

und Kreativität ausgelebt, um nur einige<br />

wenige Punkte zu nennen. Im Spiel<br />

lernen wir und treten in Kommunikation<br />

mit an<strong>der</strong>en. Kin<strong>der</strong> sind Meister<br />

des Spiels und den Wunsch, zu spielen,<br />

findet man bei allen Kin<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong><br />

Welt. Laut <strong>der</strong> UN-Kin<strong>der</strong>rechtskonvention<br />

haben wir Erwachsenen ihnen<br />

das Recht auf Spielen in Artikel 31 sogar<br />

festgeschrieben.<br />

Wenn man den <strong>Bewegung</strong>sdrang von<br />

Kin<strong>der</strong>n und die Begeisterung für das<br />

Spielen zusammenführt, dann reicht die<br />

Zeit <strong>der</strong> Pausen während <strong>der</strong> täglichen<br />

Schulzeit nicht aus, um beidem ausreichend<br />

Raum zu geben. Wenn dann noch<br />

mit einbezogen wird, welches Potenzial<br />

Spielen in sich birgt bzw. welche<br />

Kompetenzen im Spiel geschult<br />

werden, wird <strong>Schule</strong><br />

als Ort des Lernens verspielter.<br />

Gespielt wird überall<br />

auf <strong>der</strong> Welt<br />

In Berichten zu Kin<strong>der</strong>spielen<br />

aus <strong>der</strong> ganzen<br />

Welt fällt auf, dass es<br />

immer wie<strong>der</strong> Spiele gibt, die sowohl<br />

hier als auch an<strong>der</strong>swo gespielt werden.<br />

So sind Kin<strong>der</strong> aus allen Län<strong>der</strong>n<br />

über das Spiel miteinan<strong>der</strong> verbunden.<br />

Die SOS-Kin<strong>der</strong>dörfer haben schon<br />

vor einigen Jahren die Reihe „Spiele<br />

aus aller Welt“ herausgebracht und<br />

neben <strong>der</strong> Beschreibung einzelner Spiele<br />

auch gleich Bezüge zu einem Land<br />

hergestellt, in denen das jeweilige Spiel<br />

auch beliebt ist. So wird Gummitwist<br />

auch in Kenia gespielt und heißt dort<br />

Blada. O<strong>der</strong> die hier bekannten Hüpfspiele,<br />

zu denen Kreide, eine Straße und<br />

Spielsteine gehören, sind in Rumänien<br />

unter dem Namen Para bekannt.<br />

In Veröffentlichungen wie z. B. „Die<br />

schönsten Kin<strong>der</strong>spiele aus <strong>der</strong> ganzen<br />

Welt“ von Brigitte vom Wege und<br />

Mechthild Wessel sind Spielideen aus<br />

mehreren Län<strong>der</strong>n zusammengetragen,<br />

z.T. mit den dazugehörigen Reimen in<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Sprache. Über die Frage<br />

„Was spielen Kin<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n?“<br />

lassen sich neue Spiele entdecken<br />

und Neugier wecken, mehr über<br />

das Land und das Leben <strong>der</strong> Menschen<br />

dort zu erfahren. Einige <strong>der</strong> Spiele sind<br />

in verschiedenen Varianten in mehreren<br />

Län<strong>der</strong>n bekannt, manchmal auch<br />

einfach unter einem an<strong>der</strong>en Namen. So<br />

spielen Kin<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> ganzen Welt mit<br />

Bällen in unendlichen Varianten.<br />

In <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

„Ein Schubidu geht um<br />

die Welt“ aus dem Her<strong>der</strong>-Verlag<br />

werden Kin<strong>der</strong>lie<strong>der</strong><br />

und <strong>Bewegung</strong>sspiele<br />

in einem Multikuli-<br />

Mitmach-Lie<strong>der</strong>buch zusammengefügt.<br />

Komplexe Themen erspielen<br />

Eine spielerische Herangehensweise,<br />

sich Themen bzw. Zusammenhänge zu<br />

erschließen, ist seit jeher in <strong>der</strong> Pädagogik<br />

vertreten. Der Einsatz von z. B.<br />

Rollenspielen und Planspielen, um komplexe<br />

Sachverhalte zu durchdringen, findet<br />

sich sowohl in <strong>der</strong> schulischen als<br />

auch außerschulischen Bildungsarbeit.<br />

Im November 2022 stellt das Welthaus<br />

Bielefeld im Rahmen <strong>der</strong> Online-Lernsnackreihe<br />

Methoden aus <strong>der</strong> „Nachhaltigen<br />

Spielkiste“ für Schüler*innen<br />

<strong>der</strong> Grundschule vor. Im Mittelpunkt<br />

stehen <strong>Bewegung</strong>sspiele zu Themen<br />

wie Nachhaltigkeit und Klimawandel.<br />

Und auch Südwind aus Österreich legte<br />

in dieser Reihe einen Schwerpunkt<br />

auf kooperative Spielformen/-ansätze,<br />

die sich mit Themen wie <strong>der</strong> Klimakrise,<br />

globaler Ungerechtigkeit und<br />

Geschlechtergerechtigkeit befassen. Die<br />

Materialien von Südwind sind im Rahmen<br />

des Projektes „Transformative Educational<br />

Methods for Social Inclusion<br />

and Global Citizenship“ entstanden.<br />

Auch das Methodenhandbuch „17<br />

Ziele – Wir für eine bessere Welt“ des<br />

Projektes Eine Welt in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>, welches<br />

in Kooperation mit zwei weiteren<br />

Partnern entstanden ist, greift den Ansatz<br />

auf, sich Inhalte durch <strong>Bewegung</strong><br />

zu erschließen. Die fünf Kernziele <strong>der</strong><br />

SDGs werden an fünf Stationen anhand<br />

von <strong>Bewegung</strong>sspielen thematisiert,<br />

und die Geschichte <strong>der</strong> Bremer Stadtmusikanten<br />

führt durch die Stationen.<br />

Das Handbuch ist in Grundschule aktuell<br />

Nr. 152 ausführlich vorgestellt wor-<br />

34<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in Rundschau<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Rundschau<br />

den und kann auf <strong>der</strong> Seite des Projektes<br />

Eine Welt in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> heruntergeladen<br />

werden. Zusätzlich können über<br />

den Ausleihservice Materialien des Projektes<br />

ausgeliehen werden, um die einzelnen<br />

Stationen umzusetzen.<br />

Mehr als nur Fußball spielen<br />

Sport und Spiel zu nutzen, um noch<br />

Themen darüber hinaus zu transportieren<br />

und Schüler*innen näherzubringen,<br />

wird jedes Jahr z. B. beim<br />

Bremer Global Championship (BGC)<br />

umgesetzt. Dieser wird von mehreren<br />

Bremer NGOs organisiert, die in <strong>der</strong><br />

außerschulischen Bildungsarbeit aktiv<br />

sind. Beim BGC treffen Schulklassen<br />

aus ganz Bremen in einem Fußballturnier<br />

aufeinan<strong>der</strong>. Jedoch steht hierbei<br />

nicht nur <strong>der</strong> sportliche Aspekt im<br />

Mittelpunkt, son<strong>der</strong>n auch ein umfangreiches<br />

Rahmenprogramm, das schon<br />

zwei Monate vor dem Fußballturnier<br />

beginnt und dieses begleitet. Bei einer<br />

gemeinsamen Eröffnung wird je<strong>der</strong> teilnehmenden<br />

Klasse ein Land zugeteilt,<br />

auf das die Schüler*innen das jährliche<br />

Motto beziehen. Ergebnisse und Inhalte<br />

können auf <strong>der</strong> Seite des Projektes<br />

hochgeladen werden und fließen am<br />

Ende mit in die Turnierwertung ein.<br />

Das Motto für 2022 hieß „Klimaküche<br />

– Was liegt auf deinem Teller?“. Ergebnisse<br />

aus den Klassen wurden z. B. in<br />

Videos, über einen Hörbeitrag sowie auf<br />

dem Instagram-Account zusammengetragen.<br />

Zusätzlich sind am Turniertag<br />

außerschulische Bildungseinrichtungen<br />

Weitere Informationen zu den erwähnten Projekten finden Sie<br />

unter folgenden Links:<br />

● Lernsnack-Reihe im November 2022 auf dem Portal Globales Lernen unter<br />

www.globaleslernen.de/de<br />

● <strong>der</strong> Bremer Global Championship unter www.bremen-global.de/<br />

● <strong>der</strong> Blog <strong>der</strong> Fairtrade <strong>Schule</strong>n unter https://blog.fairtrade-schools.de/<br />

● Preisträger des Schulwettbewerbs „alle für EINE WELT für alle“<br />

unter www.eineweltfueralle.de/<br />

Materialien im Verleih beim Projekt „Eine Welt in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“ unter<br />

www.weltin<strong>der</strong>schule.uni-bremen.de/<br />

mit spielerischen Angeboten zu Themen<br />

mit globalen Bezügen vor Ort.<br />

Auch wenn dieses Angebot für 7. und<br />

8. Klassen konzipiert ist, lässt sich die<br />

Idee grundsätzlich für jüngere Klassen<br />

anpassen.<br />

Bei sportlichen Events nicht nur die<br />

sportliche Seite zu bedienen, ist auch das<br />

Konzept des Fairtrade-Fußballturniers<br />

aus Hamm. Mehrere <strong>Schule</strong>n aus Nordrhein-Westfalen<br />

sind in dem Netzwerk<br />

<strong>der</strong> Fairtrade-<strong>Schule</strong>n engagiert und<br />

haben sich für dieses Turnier zusammengetan.<br />

Die Verpflegung während<br />

des Turniers bestand aus gesunden und<br />

nachhaltigen Nahrungsmitteln, und fair<br />

produzierte Fußbälle kommen zum Einsatz.<br />

So wird das Engagement als Fairtrade-<strong>Schule</strong><br />

in einzelnen Aktivitäten in<br />

den <strong>Schule</strong>n verankert.<br />

Gemeinsam Geschichten erzählen<br />

auf <strong>der</strong> Bühne<br />

Einen beson<strong>der</strong>en Mehrwert erreichen<br />

sportliche, aber auch künstlerische<br />

Aktivitäten, wenn sie über Län<strong>der</strong>grenzen<br />

hinweg<br />

geschehen. Partnerschaften<br />

zu an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Schule</strong>n o<strong>der</strong><br />

Bildungseinrichtungen können auf- und<br />

ausgebaut werden. Zum Beispiel haben<br />

Schüler*innen <strong>der</strong> Ruanda-AG des<br />

Gymnasium Netphen in Kooperation<br />

mit <strong>der</strong> Root Foundation aus Ruanda<br />

ein gemeinsames Theaterstück zum<br />

Thema Glück auf die Beine gestellt. Die<br />

beiden Corona-Jahre haben das Projekt<br />

und die Zusammenarbeit über die<br />

Län<strong>der</strong>grenzen hinweg dabei immer<br />

wie<strong>der</strong> vor neue Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

gestellt. Aber die bereits länger währende<br />

Partnerschaft und das Engagement<br />

<strong>der</strong> Schüler*innen und <strong>der</strong> Lehrerin<br />

Frau Wussow hat das Projekt bis<br />

zum Ende durch die turbulente Zeit<br />

geführt. In <strong>der</strong> November-Ausgabe <strong>der</strong><br />

Zeitschrift „Eine Welt in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“<br />

wird das Projekt von Frau Wussow ausführlich<br />

beschrieben. Einen Einblick in<br />

Form eines Kurzvideos gibt es auch über<br />

die Seite des Schulwettbewerbs „alle für<br />

EINE WELT für alle“, da das Projekt<br />

unter den diesjährigen Preisträgern zu<br />

finden ist.<br />

Diese Beispiele sind nur ein kleiner<br />

Ausschnitt von vielen Aktivitäten, die<br />

bereits in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> umgesetzt werden<br />

und bieten vielleicht Inspiration, innerhalb<br />

<strong>der</strong> Schulgemeinschaft und darüber<br />

hinaus gemeinsam in <strong>Bewegung</strong> zu<br />

kommen.<br />

Ulrike Oltmanns,<br />

Projekt „Eine Welt in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“<br />

Die abgebildeten Bücher und Spiele sowie<br />

viele weitere Materialien können über das<br />

Projekt "Eine Welt in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>"" bundesweit<br />

ausgeliehen werden.<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

35


Praxis: Rundschau <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Aus dem Vorstand<br />

Grundschulverband in <strong>Bewegung</strong><br />

Aus <strong>der</strong> Delegiertenversammlung<br />

hatten wir eine Reihe von Aufträgen<br />

und Aufgaben erhalten,<br />

an denen wir weiter arbeiten:<br />

● Die geän<strong>der</strong>te Satzung wurde dem<br />

Amtsgericht vorgelegt, <strong>der</strong> Eintrag in<br />

das Vereinsregister ist erfolgt. Damit<br />

können wir künftig Wahlen auch online<br />

durchführen. Dies wird zum ersten<br />

Mal in <strong>der</strong> Delegiertenversammlung<br />

vom November <strong>der</strong> Fall sein, wenn<br />

Ursula Carle ihr Stellvertreteramt zur<br />

Verfügung stellt und wir eine neue<br />

Stellvertretung wählen.<br />

● Das neue Redaktionsteam von<br />

Grundschule aktuell hat sich inzwischen<br />

bestens etabliert und auch neue<br />

Akzente gesetzt. Wir freuen uns, dass<br />

es immer besser gelingt, Beiträge aus<br />

den Landesgruppen zu gewinnen. Wir<br />

geben damit unseren Mitglie<strong>der</strong>n weitere<br />

Möglichkeiten, sich einzubringen,<br />

und diese werden auch gut genutzt.<br />

● Wir alle sind gespannt, wie unser<br />

erster Mitgliedsband „Digitalitätsbildung<br />

in <strong>der</strong> Grundschule – Grundlagen,<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen, Konzepte“<br />

aus <strong>der</strong> Reihe ‚„Beiträge zur Reform <strong>der</strong><br />

Grundschule“ als Digitalband aufgenommen<br />

wird und welche Rückschlüsse<br />

wir daraus für künftige Bände ziehen<br />

können.<br />

Flexible Mitgliedsbeiträge ab 2023<br />

● Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich<br />

mit <strong>der</strong> Aufgabe, die Mitglieds-Beitragsstruktur<br />

zu reformieren und vor<br />

allem auch überschaubarer zu gestalten.<br />

● In diesem Zusammenhang mussten<br />

auch wir erkennen, dass unsere Mitgliedsbeiträge<br />

mit den deutlich gestiegenen<br />

Ausgaben abgestimmt werden<br />

müssen. Dies war bereits Thema in<br />

unserer Delegiertenversammlung vom<br />

Mai und veranlasste uns, den bisherigen<br />

Mitgliedsbeitrag für Einzelmitglie<strong>der</strong><br />

ab dem 1. Januar 2023 von bislang<br />

€ 75,00 auf dann € 89,00 zu erhöhen.<br />

Diese Korrektur schien uns nach 8 Jahren<br />

<strong>der</strong> Beitragsstabilität unausweichlich<br />

und zeigt sich angesichts aktueller<br />

Preisentwicklungen als durchaus angebracht.<br />

Wir hoffen sehr, dass unsere<br />

Mitglie<strong>der</strong> diese Steigerung mittragen<br />

und uns treu bleiben werden. Jede<br />

Stimme zählt!<br />

● Zur überschaubareren Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Beitragsstruktur gehört, dass ab<br />

2023 je nach Bedarf aus drei Angeboten<br />

gewählt werden kann: dem Premium-<br />

Angebot, dem Aktiv-Angebot o<strong>der</strong><br />

dem Unterstützer:innen-Angebot. Das<br />

Premium-Angebot entspricht dem <strong>der</strong>zeitigen<br />

Regelmitgliedsbeitrag. In <strong>der</strong><br />

nachfolgenden Übersicht können Sie<br />

zu den genannten Angeboten jeweils<br />

die Beitragshöhe entnehmen sowie das<br />

„Paket“, das damit verbunden ist.<br />

Potenzielle Mitglie<strong>der</strong> können sich<br />

über die Kennenlernmitgliedschaft ein<br />

Jahr zum günstigen Beitrag mit dem<br />

Grundschulverband vertraut machen<br />

● Wir hoffen, mit diesem differenzierten<br />

Angebot, auch im Zuge <strong>der</strong> Kostensteigerung<br />

und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />

Beitragserhöhung, Ihren Erwartungen<br />

und Bedarfen entsprechen zu können.<br />

Vielen Dank für Ihr Verständnis! Sollten<br />

Sie ein an<strong>der</strong>es Paket als Ihr bisheriges<br />

wünschen (siehe Jahresrechnung<br />

2022), bitten wir Sie um eine Rückmeldung<br />

bis zum 15.12.2022 an info@<br />

grundschulverband.de. Teilen Sie dann<br />

bitte mit, welches Angebot Sie wählen<br />

möchten, damit die Jahresrechnung<br />

entsprechend erstellt werden kann. Falls<br />

Sie keine Än<strong>der</strong>ung Ihres Pakets wünschen,<br />

brauchen Sie nichts zu tun. Herzlichen<br />

Dank!<br />

● Eine weitere Arbeitsgruppe beschäftigt<br />

sich mit <strong>der</strong> Überarbeitung <strong>der</strong><br />

Website des Verbands einschließlich<br />

<strong>der</strong> Anbindung unserer Landesgruppen.<br />

Ziel ist, dass wir im Frühjahr 2023<br />

mit konkreten Vorstellungen entsprechende<br />

Angebote zur Umsetzung einholen<br />

können.<br />

In <strong>der</strong> Klausurtagung des Vorstands<br />

Ende September wurden alle diese Themen<br />

intensiv diskutiert und vorangetrieben.<br />

Hier wurde auch die Auswertung<br />

<strong>der</strong> bundesweiten Kampagne „KINDER<br />

LERNEN ZUKUNFT – Jetzt!“ besprochen.<br />

Die konzertierte Aktion in den<br />

sozialen Medien (Facebook, Instagram<br />

und Twitter) hat sich als durchaus lohnenswert<br />

erwiesen. Wir konnten rund<br />

18.000 Personen erreichen und dabei einige<br />

neue Follower auf den Kanälen und<br />

für unseren Newsletter interessieren sowie<br />

im Umfeld <strong>der</strong> Kampagne neue Mitglie<strong>der</strong><br />

gewinnen.<br />

Die Rückmeldungen, die wir erhielten,<br />

waren durchweg positiv mit detaillierten<br />

Verbesserungsvorschlägen, die<br />

wir künftig bei <strong>der</strong> Planung weiterer<br />

Veranstaltungen einbeziehen werden.<br />

Mein Fazit: Der Grundschulverband<br />

ist in <strong>Bewegung</strong>, wir alle werden daran<br />

arbeiten, dass <strong>der</strong> Schwung weiter anhält.<br />

Angebot Mitgliedsgruppen / Mitglie<strong>der</strong>struktur Paket<br />

Einzelmitglie<strong>der</strong><br />

Studierende/<br />

LAAs/ Doktorand:innen<br />

<strong>Schule</strong>n/<br />

Institutionen<br />

Beitrag Premium 89,00 € 39,00 € 109,00 € 2 Bände<br />

4 Zeitschriften Grundschule<br />

aktuell<br />

Beitrag Aktiv 59,00 € 25,00 € 89,00 € 4 Zeitschriften Grundschule<br />

aktuell<br />

Beitrag Unterstützer:innen 30,00 € 10,00 € 59,00 € ohne Publikationen<br />

Kennenlern-Mitgliedschaft (1 Kalen<strong>der</strong>jahr) 45,00 € 25,00 € 55,00 € 2 Bände<br />

4 Zeitschriften Grundschule aktuell<br />

36<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in Rundschau<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Rundschau<br />

Zur Wahrheit <strong>der</strong> aktuellen Situation<br />

<strong>der</strong> Grundschulen gehört auch: Die Bedingungen<br />

<strong>der</strong> Arbeit in den Grundschulen<br />

sind weiter nicht gerade rosig.<br />

Zu wenig ausgebildete und kompetente<br />

Lehrkräfte inzwischen in allen Bundeslän<strong>der</strong>n,<br />

eine große Anzahl von Flüchtlingskin<strong>der</strong>n<br />

neu in den <strong>Schule</strong>n, ein<br />

weiterer Corona-Winter vor <strong>der</strong> Tür und<br />

immer lauter zu hörende öffentliche Äußerungen<br />

zur vermeintlich leistungsvermeidenden<br />

Kuschelpädagogik in unseren<br />

Grundschulen kennzeichnen ein weiteres<br />

Schuljahr. Dass es dennoch vielen Grundschulen<br />

und ihren Lehrkräften gelingt,<br />

auch in diesen schwierigen Situationen<br />

gute Arbeit zu leisten, verdient größten<br />

Respekt und höchste Anerkennung. Wir<br />

sehen es als unsere Aufgabe als Grundschulverband,<br />

einerseits den Finger in die<br />

Wunden zu legen und bessere Rahmenbedingungen<br />

einzufor<strong>der</strong>n und an<strong>der</strong>erseits<br />

aufzuzeigen, dass auch in schwierigen<br />

Zeiten gute Arbeit geleistet werden<br />

kann. Mehr denn je wird aktuell ein starker<br />

Grundschulverband als Vertretung<br />

<strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Grundschulen<br />

benötigt. DARUM: Werben auch<br />

Sie um Mitgliedschaft im Grundschulverband<br />

und gewinnen Sie neue Mitglie<strong>der</strong>.<br />

Jede Stimme zählt!.<br />

Edgar Bohn<br />

Die Schulwerkstätten aus <strong>der</strong> Sicht einer Beobachterin*<br />

Mitwirkung von Kin<strong>der</strong>n<br />

beim Bürgerrat Bildung und Lernen<br />

Die Kin<strong>der</strong>- und Jugendbeteiligung<br />

des Bürgerrats Bildung<br />

und Lernen (BRBL) zu<br />

begleiten war ein sehr spannen<strong>der</strong> Prozess,<br />

denn <strong>der</strong> BRBL ist aktuell <strong>der</strong> einzige<br />

Bürgerrat, <strong>der</strong> auf Bundesebene im<br />

Einsatz ist und die Perspektiven von<br />

Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen aktiv einbezieht.<br />

Das ist schon erstaunlich, denn<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendliche sind nicht nur<br />

von diesem Thema direkt betroffen, sie<br />

haben auch zu weiteren Fragestellungen<br />

in <strong>der</strong> Gesellschaft durchaus eine Meinung,<br />

man muss ihnen nur die Chance<br />

und den Raum geben, diese zu äußern,<br />

und dann zuhören. Nicht nur für Matilda<br />

und Luna, son<strong>der</strong>n auch für die<br />

an<strong>der</strong>en acht Kin<strong>der</strong>botschafter*innen<br />

und für die Schüler*innen <strong>der</strong> fünf<br />

Werkstätten war diese Situation<br />

ungewohnt und neu: „Ich werde jetzt<br />

nach meiner Meinung gefragt?“ Einerseits<br />

war es schön zu beobachten, mit<br />

welcher Freude, mit welchem unglaublichen<br />

und ernsthaften Engagement die<br />

Schüler*innen sich mit den Fragestellungen<br />

in <strong>der</strong> Werkstatt und mit<br />

ihren Vorstellungen vom Lernen auseinan<strong>der</strong>gesetzt<br />

haben. An<strong>der</strong>erseits<br />

stimmt es einen auch nachdenklich,<br />

dass dies als eine solch große Beson<strong>der</strong>heit<br />

wahrgenommen wurde. Betrachtet<br />

man die Ergebnisse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen und vergleicht diese mit<br />

dem Sofortprogramm <strong>der</strong> Erwachsenen,<br />

wird man schnell feststellen, dass diese<br />

nicht weit auseinan<strong>der</strong>gehen. Es wird<br />

Sarah Winkler<br />

ist Consultant bei <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong> Sense<br />

GmbH, Wi<strong>der</strong> Sense ist ein Beratungsunternehmen<br />

für Stiftungen, Unternehmen<br />

und die öffentliche Hand mit<br />

Sitz in Berlin. Rolle im Projekt Bürgerrat<br />

BBRBL: Beratung, Prozessbegleitung,<br />

kritische Reflexion, Befragungen.<br />

Link: https://wi<strong>der</strong>sense.org/<br />

ueber-uns/unser-team/sarah-winkler<br />

nur eine an<strong>der</strong>e Sprache für die For<strong>der</strong>ungen<br />

verwendet, es wird konkreter<br />

am Schul- und Lernalltag beschrieben,<br />

was sich verän<strong>der</strong>n soll, und nicht mit<br />

hehren Begriffen wie bspw. Chancengerechtigkeit<br />

o<strong>der</strong> Lebenslanges Lernen<br />

hantiert.<br />

Kin<strong>der</strong> äußern sich auch fantasievoller,<br />

und wenn man sie danach fragt, wie<br />

ihre <strong>Schule</strong> am besten aussehen solle,<br />

ja, dann werden auch Ideen von einem<br />

Schulboot entwickelt o<strong>der</strong> die <strong>Schule</strong> im<br />

Zoo beschrieben. Geht man dann mit<br />

den Kin<strong>der</strong>n ins Gespräch, stellt Rückfragen,<br />

dann kommt man dem Kern <strong>der</strong><br />

geäußerten Träume näher und fragt sich,<br />

warum man nicht selbst auf diese gute<br />

Idee gekommen ist. Darüber hinaus war<br />

ich wirklich überrascht, mit welcher Argumentationstiefe<br />

die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen<br />

bspw. darüber diskutiert haben,<br />

dass sie nicht gegen das Erlernen<br />

fachlicher Inhalte sind, dass diese aber<br />

viel häufiger und vor allem selbstverständlicher<br />

mit <strong>der</strong> Praxis und so auch<br />

mit ihren Lebensrealitäten in Verbindung<br />

gesetzt werden müssen. In <strong>der</strong> Diskussion<br />

in Berlin, beim ersten Zusammentreffen<br />

aller Kin<strong>der</strong>botschafter*innen,<br />

erfuhren die Kin<strong>der</strong>, dass die Wünsche<br />

und Vorstellungen von den einen<br />

bei an<strong>der</strong>en in ihrer <strong>Schule</strong> bereits Realität<br />

sind. Sie fingen an, sich über die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Umsetzung auszutauschen,<br />

unterschiedliche Rahmenbedingungen<br />

und Voraussetzungen, die je<br />

nach Bundesland und <strong>Schule</strong> vorherrschen,<br />

zu identifizieren. Die Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen haben teilweise zum ersten<br />

Mal erfahren, wie es in einer an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Schule</strong>, in einer an<strong>der</strong>en Region<br />

Deutschlands aussieht. Diesen Perspektivwechsel<br />

und Austausch sollte man<br />

Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen viel öfter ermöglichen.<br />

Trotz <strong>der</strong> Altersunterschiede<br />

und unterschiedlicher Fokusthemen<br />

haben alle Kin<strong>der</strong>botschafter*innen sehr<br />

gut zusammengearbeitet, sich gegenseitig<br />

zugehört und sich auch von an<strong>der</strong>en<br />

For<strong>der</strong>ungen überzeugen lassen (s.<br />

Luna in H. 159, S. 10, Mitte). Eine Diskussionskultur,<br />

die man bei Erwachsenen<br />

oft vermisst.<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

37


Praxis: Rundschau <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Aber wie überzeugt man dann die Politik<br />

von den aufgestellten For<strong>der</strong>ungen?<br />

Und wer ist die Politik eigentlich? Zum<br />

Einstieg beim ersten großen Bürgerratstreffen<br />

in Berlin im Herbst 2021 wurden<br />

die Kin<strong>der</strong>botschafter*innen gefragt,<br />

wem sie denn gerne ihre For<strong>der</strong>ungen<br />

übergeben möchten. Es war die Zeit des<br />

Bundestagswahlkampfes und neben Angela<br />

Merkel konnten die Kin<strong>der</strong> auch<br />

etwas mit Namen wie Olaf Scholz o<strong>der</strong><br />

Annalena Baerbock anfangen. Im Laufe<br />

des Prozesses erfahren sie, wie lang die<br />

politischen Wege sein können, dass nicht<br />

jede*r Politiker*in, die*den sie im Fernsehen<br />

sehen, die richtige Ansprechperson<br />

für ihr Anliegen ist, und auch, dass<br />

nicht alles in Sachen Bildung in Berlin<br />

bzw. vor allem in den Landeshauptstädten<br />

entschieden wird. Manche For<strong>der</strong>ungen<br />

könnten sie auch direkt an ihre<br />

Schulleitung adressieren. Hier hat man<br />

einige Aha-Momente wie auch Enttäuschungen<br />

bei den Kin<strong>der</strong>n erleben können.<br />

Politische Arbeit und Kommunikation<br />

sind ganz schön komplex, dabei<br />

wollen sie, die Kin<strong>der</strong>, doch einfach nur<br />

gut lernen und vorbereitet werden auf<br />

das Leben nach <strong>der</strong> Schulzeit.<br />

Und damit genau dies keine Illusion<br />

bleibt, wird <strong>der</strong> Bürgerrat Bildung und<br />

Lernen auch weitergehen (s. zu den Perspektiven<br />

Barth/Lohest in Grundschule<br />

aktuell H. 159, 7ff.). Ich bin sehr gespannt,<br />

welche Erkenntnisse am Ende<br />

des Projekts entstanden sein werden und<br />

freue mich auf die weitere Begleitung.<br />

Zudem bin ich dankbar für den Perspektivwechsel,<br />

den mir, uns die Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen ermöglicht haben.<br />

Inzwischen hat am 16. September in<br />

Berlin <strong>der</strong> „Bildungsgipfel“ stattgefunden,<br />

auf dem die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen<br />

sich mit Politiker*innen ausgetauscht<br />

und deutlich gemacht haben:<br />

„Wir wollen mitreden und mitentscheiden“.<br />

Es geht ihnen vor allem um zwei<br />

Dinge: ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe<br />

im Alltag und Mitsprache bei<br />

Themen, die sie, wie im Bereich Bildung,<br />

direkt betreffen. Die 18 Kin<strong>der</strong>- und Jugendbotschafter*innen<br />

2021/22 haben<br />

dies in <strong>der</strong> KiKa-Nachrichtensendung<br />

LOGO und in Ihrem eigenen Videobeitrag<br />

sehr deutlich gemacht (s. https://<br />

www.buergerrat-bildung-lernen.de/buergerrat/buergergipfel-2022/<br />

und https://<br />

www.kika.de/logo/sendungen/logo-146.<br />

html). In einem nächsten Schritt werden<br />

die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen ihre For<strong>der</strong>ungen<br />

in einem offenen Brief an die<br />

breite Politik und Einflussträger*innen<br />

im Bildungssystem adressieren, denn<br />

sie wollen dranbleiben und sehen, wie<br />

ernst es die Politik meint, wenn sie versprechen:<br />

„Ihr habt Recht, das nehmen<br />

wir mit in unsere Diskussionsrunden“.<br />

Sarah Winkler<br />

* Dieser Kommentar bezieht sich<br />

auf die Beiträge in H. 159 von<br />

„Grundschule aktuell“, 7–10<br />

Neu: Praxisnahes Grundlagenwerk<br />

zum Anfangsunterricht<br />

Der Band Anfangsunterricht richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer<br />

in <strong>der</strong> Schulanfangsphase. Themen sind u. a.<br />

l Schriftspracherwerb,<br />

l Mathematiklernen in <strong>der</strong> Schulanfangsphase,<br />

l Sachunterricht im ersten und zweiten Schuljahr.<br />

Er bietet, untermauert mit einem Fundus an praktischen Beispielen,<br />

Einblick in die aktuelle pädagogische und fachdidaktische Forschung<br />

für den Schulanfang.<br />

Damit stellt <strong>der</strong> Band vielfältige pädagogische, fachdidaktische und<br />

diagnostisch relevante Anregungen zur Verfügung. Alle Beispiele<br />

sind praxiserprobt. Gleichzeitig setzt <strong>der</strong> Band Maßstäbe für lebendigen<br />

und anspruchsvollen Anfangsunterricht, <strong>der</strong> allen Kin<strong>der</strong>n<br />

gerecht wird. Als praxisnahes Grundlagenwerk eignet sich <strong>der</strong> Band<br />

auch für Studierende und Referendar:innen.<br />

Marion Gutzmann / Ursula Carle (Hrsg.) (2022):<br />

Anfangsunterricht – Willkommen in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>!<br />

Band 154, Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

ISBN 978-3-941649-33-0 , Best. -Nr. 1118, 304 Seiten, 19,50,– €<br />

„Blick in das Buch“ – zum kostenlosen Download in<br />

unserem Shop: Inhaltsverzeichnis sowie die Einleitung<br />

„Anfangsunterricht für alle Kin<strong>der</strong> – Willkommen in <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong>!“ von Marion Gutzmann und Ursula Carle.<br />

38<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in Rundschau<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Rundschau<br />

Kooperationspartnerin des Grundschulverbandes<br />

Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule – Verband für<br />

<strong>Schule</strong>n des gemeinsamen Lernens e. V. (GGG)<br />

Die Herstellung von mehr<br />

Bildungsgerechtigkeit gehört zu<br />

den zentralen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

für unsere Gesellschaft und ist damit<br />

eine wesentliche Aufgabe unseres<br />

Bildungssystems. Bildungsgerechtigkeit<br />

ist Grundlage für die Beseitigung von<br />

Armut, den Zusammenhalt unserer<br />

Gesellschaft, die Funktionsfähigkeit<br />

unserer Demokratie, für ein selbsterfülltes<br />

Leben und die Teilhabe aller am<br />

gesellschaftlichen Leben.<br />

Seit mehr als 50 Jahren<br />

setzt sich die GGG für dieses<br />

Ziel ein. Ausgangspunkt<br />

waren die Empfehlungen des<br />

Deutschen Bildungsrates <strong>der</strong> 1960erund<br />

1970er-Jahre, nach denen die Verwirklichung<br />

von Chancengleichheit zu<br />

den maßgeblichen bildungspolitischen<br />

Zielen gehören sollte. Zur Annäherung<br />

an diese Zielsetzung wurde Ende <strong>der</strong><br />

1960er-Jahre ein bundesweiter Schulversuch<br />

mit ca. 50 Gesamtschulen ins<br />

Leben gerufen. Parallel dazu kam es zur<br />

Gründung <strong>der</strong> GGG, mit <strong>der</strong> Aufgabe,<br />

die neuen <strong>Schule</strong>n bei ihrer Entwicklung<br />

zu unterstützen und die Politik zu beraten.<br />

Damit wurde ein schon 1920 mit<br />

<strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Grundschulen verfolgtes,<br />

aber damals nicht zu verwirklichendes<br />

Ziel einer gemeinsamen <strong>Schule</strong><br />

für alle Kin<strong>der</strong> bis zum Ende <strong>der</strong> Schulpflicht<br />

wie<strong>der</strong> aufgegriffen.<br />

Zielsetzungen <strong>der</strong> GGG<br />

Konsequenterweise hat die GGG in<br />

ihrer Satzung folgende Zielsetzungen<br />

formuliert:<br />

Sie setzt sich ein<br />

● für eine <strong>Schule</strong> für alle (eine <strong>Schule</strong><br />

<strong>der</strong> Inklusion),<br />

● für eine <strong>Schule</strong> <strong>der</strong> Menschenrechte,<br />

● für eine <strong>Schule</strong> <strong>der</strong> Chancengleichheit,<br />

● für eine <strong>Schule</strong> <strong>der</strong> optimalen individuellen<br />

Persönlichkeits- und Leistungsentwicklung<br />

sowie<br />

● für eine <strong>Schule</strong> <strong>der</strong> Demokratie.<br />

Mitwirken können alle, die sich für<br />

diese Zielsetzungen einsetzen wollen.<br />

Neben Einzelpersonen haben sich in <strong>der</strong><br />

GGG auch viele <strong>Schule</strong>n als korporative<br />

Mitglie<strong>der</strong> organisiert. Hier gibt es<br />

eine Überschneidung mit dem Grundschulverband,<br />

da zahlreiche <strong>Schule</strong>n<br />

des gemeinsamen Lernens nicht allein<br />

Sekundarstufenschulen, son<strong>der</strong>n Langformschulen<br />

mit Grundschulteil sind.<br />

Heute vertritt und unterstützt die GGG<br />

alle <strong>Schule</strong>n des gemeinsamen Lernens<br />

unabhängig von ihrer Bezeichnung,<br />

ob sie nun Gesamt-, Gemeinschafts-,<br />

Stadtteil- o<strong>der</strong> wie in Bremen<br />

Oberschule heißen.<br />

Gemeinsam ist all diesen<br />

<strong>Schule</strong>n, dass sie alle Schulabschlüsse<br />

ermöglichen.<br />

Die Aktivitäten <strong>der</strong> GGG entfalten<br />

sich sowohl auf Bundesebene als auch<br />

in <strong>der</strong> Arbeit von Landesverbänden und<br />

können hier wegen ihrer Vielfältigkeit<br />

nur ausschnittsweise dargestellt werden.<br />

Höhepunkte sind Kongresse, auf denen<br />

in Foren und Arbeitsgruppen pädagogische<br />

Neuerungen vorgestellt, Erfahrungen<br />

ausgetauscht, gemeinsam weiterentwickelt<br />

und <strong>der</strong> Diskurs mit <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

gesucht werden.<br />

Schon von Beginn an hat es zu den<br />

Aufgaben <strong>der</strong> GGG gehört, Initiativen<br />

vor Ort zur Einrichtung von <strong>Schule</strong>n<br />

des gemeinsamen Lernens zu beraten<br />

und zu unterstützen. Entsprechendes gilt<br />

auch für neu gegründete <strong>Schule</strong>n.<br />

Ferner nutzen Gruppierungen, wie<br />

z. B. Schulleiter*innen o<strong>der</strong> <strong>Schule</strong>n in<br />

beson<strong>der</strong>s schwierigen Lagen, die GGG<br />

als Basis für die Vertretung ihrer Interessen<br />

nach außen.<br />

Anknüpfend an ihren ursprünglichen<br />

Auftrag, die Politik zu beraten, hat sich<br />

die GGG zu einer politischen Interessenvertretung<br />

für die <strong>Schule</strong>n des gemeinsamen<br />

Lernens entwickelt. Neben <strong>der</strong><br />

Beteiligung an Entscheidungsprozessen<br />

durch Anhörungen für Verordnungen<br />

und Gesetze beteiligt sie sich auch an aktuellen<br />

bildungspolitischen Diskussionen.<br />

So führt sie z. B. Gespräche mit Politiker*innen<br />

und Gremien wie die KMK sowohl<br />

auf Bundesebene als auch auf Landesebenen<br />

und veröffentlicht bundesweit<br />

wie regional Presseinforma tionen.<br />

Dieter Zielinski<br />

Lehrer und Schulleitungsmitglied an<br />

Gesamt- und Gemeinschaftsschulen in<br />

Schleswig-Holstein, Tätigkeiten in <strong>der</strong><br />

Curriculumentwicklung und Lehrkräftefortbildung,<br />

seit 2013 im Ruhestand,<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> GGG seit 2020.<br />

Nach den Erfahrungen in <strong>der</strong> Corona-Pandemie,<br />

in <strong>der</strong> die Schwachpunkte<br />

unseres Schulsystems erneut deutlich<br />

geworden sind, hat die GGG zu einer<br />

grundlegenden Bildungsreform aufgerufen.<br />

Der Aufruf wurde mit 10 Impulsen<br />

ausgestaltet. Dieses Ziel wird jetzt nachdrücklich<br />

auch im Zusammenwirken<br />

mit uns nahestehenden Verbänden, wie<br />

z. B. dem GSV und <strong>der</strong> Gewerkschaft Erziehung<br />

und Wissenschaft verfolgt. Mit<br />

diesen und weiteren Verbänden arbeitet<br />

die GGG im Bündnis „Eine für alle<br />

– Die inklusive <strong>Schule</strong> für die Demokratie“<br />

zusammen. Insbeson<strong>der</strong>e setzt sie<br />

sich für die Einrichtung eines Bildungsrates<br />

für Bildungsgerechtigkeit ein, an<br />

dem alle gesellschaftlichen Gruppierungen<br />

beteiligt werden sollen.<br />

Eine wesentliche Gemeinsamkeit mit<br />

dem Grundschulverband besteht im Bekenntnis<br />

zu einer heterogenen Schülerschaft:<br />

Kein Kind wird abgelehnt, kein<br />

Kind soll beschämt und alle sollen zu<br />

einem größtmöglichen Bildungserfolg<br />

geführt werden. <br />

Dieter Zielinski<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

39


Praxis: Rundschau <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Neue Bildungsstandards <strong>der</strong> KMK für die Grundschule<br />

„Die Schülerinnen und Schüler schreiben<br />

in einer leserlichen Handschrift“<br />

Die KMK-Bildungsstandards<br />

sind die Grundlage für die<br />

Arbeit an den Lehrplänen in<br />

den Bundeslän<strong>der</strong>n und wurden kürzlich<br />

überarbeitet bzw. weiterentwickelt.<br />

Die überarbeitete Fassung bietet eine<br />

gute Grundlage für die Umsetzung des<br />

Konzepts Grundschrift. Auch wenn eine<br />

an<strong>der</strong>e Schrift als Ausgangsschrift verwendet<br />

wird, kann man Elemente des<br />

Grundschriftkonzepts gut nutzen, um<br />

einen zeitgemäßen Handschriftunterricht<br />

zu gestalten und damit das Ziel zu<br />

erreichen, eine leserliche, flüssige und<br />

persönliche Handschrift zu entwickeln.<br />

Überarbeitung <strong>der</strong> KMK-Standards<br />

von 2004 in <strong>der</strong> Fassung vom<br />

23.6.2022<br />

Zum Bereich Schrift und Handschrift werden<br />

folgende Vereinbarungen im Bereich<br />

„Über Schreibfertigkeiten verfügen“ festgehalten:<br />

„Die Schülerinnen und Schüler<br />

schreiben kurze Sätze flüssig. Sie schreiben<br />

in einer leserlichen Handschrift. Die<br />

Schülerinnen und Schüler schreiben<br />

auch mithilfe digitaler Schreibwerkzeuge.<br />

Sie gestalten ihre Texte zweckmäßig<br />

und übersichtlich.<br />

Die Schülerinnen und Schüler<br />

● schreiben Buchstaben ,Wörter, Wortgruppen<br />

und kurze Sätze flüssig, d. h.,<br />

zügig, sicher und korrekt (automatisiert),<br />

● schreiben Texte in leserlicher Handschrift<br />

und mithilfe digitaler Schreibwerkzeuge,<br />

● gestalten Texte (handschriftlich und<br />

mithilfe digitaler Schreibwerkzeuge)<br />

zielorientiert und übersichtlich, z. B. hinsichtlich<br />

Schriftgröße, Blattaufteilung,<br />

Seitenrän<strong>der</strong>, Absätze.“ (KMK 2022)<br />

● <strong>der</strong> Grundsatz, dass die Handschrift<br />

am Ende leserlich sein soll,<br />

● leserliches Schreiben,<br />

● Texte gestalten.<br />

Das Konzept Grundschrift erfüllt die<br />

Ansprüche <strong>der</strong> KMK-Standards aus<br />

folgenden Gründen am besten:<br />

Die Grundschrift bietet ein in <strong>der</strong> Praxis<br />

erprobtes Konzept für die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Handschrift vom Anfangsunterricht<br />

bis zum weiterführenden Schreiben. Das<br />

Grundschriftkonzept ermöglicht für alle<br />

genannten KMK-Standards didaktische<br />

Lösungen. Dabei erarbeiten sich Kin<strong>der</strong><br />

Schreibfertigkeiten in ihrer persönlichen<br />

Handschrift ohne den Umweg<br />

einer vollständig verbundenen Normschrift.<br />

Aus <strong>der</strong> handgeschriebenen<br />

Druckschrift wird <strong>der</strong> Übergang zur<br />

persönlichen Handschrift fließend vermittelt,<br />

indem gezielt motorisch günstige<br />

Buchstabenverbindungen durch<br />

Ausprobieren und Trainieren erarbeitet<br />

werden. Durch Rückmeldungen und<br />

Kritik wird mit Hilfe des dialogischen<br />

Lernprinzips ein reflektierter Umgang<br />

mit <strong>der</strong> eigenen und <strong>der</strong> Handschrift<br />

an<strong>der</strong>er erlernt.<br />

Dem Konzept für die Grundschrift<br />

liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die<br />

Schriftentwicklung ein motorischer Prozess<br />

ist. Deshalb wird die Schreibmotorik<br />

bei <strong>der</strong> Grundschrift z. B. durch die<br />

Sortierung in <strong>Bewegung</strong>sgruppen explizit<br />

in den Blick genommen.<br />

Die Handschrift und ihre Entwicklung<br />

werden durch die Anwendung des<br />

Grundschriftkonzepts zu Unterrichtsinhalten,<br />

die sich wie ein roter Faden<br />

durch die gesamte Grundschulzeit und<br />

auch durch alle Fächer, in denen geschrieben<br />

wird, ziehen. Die drei Kriterien<br />

zur Handschrift gehen über die Leserlichkeit<br />

sogar noch hinaus und for<strong>der</strong>n<br />

von den Kin<strong>der</strong>n außerdem noch<br />

Flüssigkeit und Formklarheit.<br />

Drei Kriterien zur Grundschrift<br />

Die Schrift soll:<br />

– formklar,<br />

– leserlich,<br />

– flüssig<br />

geschrieben sein.<br />

Eine Kollegin nannte das Grundschriftkonzept<br />

bezogen auf die übliche Schriftdidaktik<br />

<strong>der</strong> Grundschule „eine Offenbarung“.<br />

Es ist ein Konzept aus <strong>der</strong> Praxis<br />

für die Praxis, das von Wissenschaftler*innen<br />

und Grundschulleh rer*in nen<br />

gemeinsam entwickelt worden ist.<br />

Potenzial des Grundschriftkonzepts<br />

ausschöpfen – auch mit an<strong>der</strong>en<br />

Ausgangsschriften<br />

Aktuell ist es in einigen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

noch schwierig o<strong>der</strong> sogar verboten, mit<br />

<strong>der</strong> Grundschrift zu arbeiten. Hier sind<br />

Lehrerinnen und Lehrer in ihrer pädagogischen<br />

Arbeit gefor<strong>der</strong>t, Kompromisse<br />

zwischen Vorgaben und ihrem eigenen<br />

pädagogischen Anspruch zu finden.<br />

Die wesentlichen Elemente des<br />

Grundschriftkonzeptes können in jeden<br />

Schreibunterricht integriert werden.<br />

Dadurch kann man die Arbeit auch<br />

mit den verbundenen Normschriften wie<br />

Schulausgangsschrift, Vereinfachter Ausgangsschrift<br />

und Lateinischer Ausgangs-<br />

Was bedeuten diese neuen<br />

Bildungsstandards für das<br />

Grundschriftkonzept?<br />

Mit diesen Vorgaben ist es möglich, die<br />

Grundschrift und das Grundschriftkonzept<br />

in alle Lehrpläne <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />

aufzunehmen. Hauptelemente<br />

des Grundschriftkonzepts spiegeln sich<br />

in den folgenden Formulierungen zu<br />

den Standards wi<strong>der</strong>:<br />

Abb. 1: Leserlich, formklar und flüssig – vielfältig und reflektiert mit <strong>der</strong> Grundschrift<br />

schreiben üben<br />

40<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Praxis: <strong>Bewegung</strong> in Rundschau<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Rundschau<br />

schrift pädagogisch und didaktisch aufwerten.<br />

Der Weg <strong>der</strong> Schriftvermittlung<br />

wird dadurch nicht so geradlinig wie mit<br />

<strong>der</strong> Grundschrift von Anfang an. Aber<br />

das Ziel einer formklaren, leserlichen<br />

und flüssigen Handschrift kann trotzdem<br />

erreicht und die Unterrichtsqualität<br />

gesteigert werden.<br />

Elemente des Grundschriftkonzepts,<br />

die generell auf den Handschriftunterricht<br />

übertragbar sind, werden in <strong>der</strong><br />

folgenden Grafik gesammelt dargestellt.<br />

Die Ideen sind sortiert nach den Kategorien<br />

Anfangsunterricht, weiterführendes<br />

Schreiben und dem übergreifenden Bereich<br />

Reflexion.<br />

Für alle, die mehr wissen wollen: Das<br />

Grundschriftkonzept wurde bereits<br />

in vielen Veröffentlichungen ausführlich<br />

erklärt und anschaulich dargestellt.<br />

(nachzulesen: Bartnitzky u. a. 2016 und<br />

www.die-grundschrift.de)<br />

Anna Fruhen-Witzke für die<br />

Projektgruppe Grundschrift<br />

im Grundschulverband<br />

Die Projektgruppe Grundschrift im Grundschulverband<br />

engagiert sich seit über zehn<br />

Jahren für ein zeit- und kindgemäßes Handschriftkonzept,<br />

das eine flüssige, leserliche<br />

und formklare Handschrift aus <strong>der</strong> handgeschriebenen<br />

Druckschrift ermöglicht.<br />

Literatur<br />

Bartnitzky, H., Brinkmann, E., Fruhen-Witzke,<br />

A., Hecker, U., Kindler, L., van <strong>der</strong> Donk,<br />

B. (Hrsg.) (2016): Grundschrift. Kin<strong>der</strong><br />

entwickeln ihre Schrift. Frankfurt am Main:<br />

Grundschulverband.<br />

Kultusministerkonferenz (2022): Beschluss<br />

<strong>der</strong> Kultusministerkonferenz vom 15.10.2004,<br />

i.d.F. vom 23.06.2022. https://www.kmk.org/<br />

fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2022/2022_06_23-Bista-Primarbereich-Deutsch.pdf.<br />

Projekt Grundschrift<br />

(2019): Schreibmotorik för<strong>der</strong>n. Praxishilfen<br />

und Impulskarten. Grundschulverband e. V.,<br />

Frankfurt a. M.<br />

Projekt Grundschrift (2011): Grundschrift.<br />

Kartei zum Lernen und Üben. Grundschulverband<br />

e. V., Frankfurt a. M.<br />

Handschriftför<strong>der</strong>ung – mit Grundschriftideen<br />

Anfangsunterricht<br />

● Als Grundsatz des Lehrer*innenhandelns:<br />

Schriftlernen ist <strong>Bewegung</strong>slernen<br />

● <strong>Bewegung</strong>srichtung von Anfang an,<br />

schon bei den Druckbuchstaben üben<br />

● Druckbuchstaben in <strong>Bewegung</strong>sgruppen<br />

sortieren und in diesen<br />

Gruppen üben und den Kin<strong>der</strong>n die<br />

<strong>Bewegung</strong>sverwandtschaften bewusst<br />

machen<br />

● Großformatige, bewegte erste<br />

Übungen zu jedem Buchstaben anbieten:<br />

Schreiben mit Schwung – flüssiges<br />

Schreiben<br />

● Vermittlung <strong>der</strong> Druckbuchstaben,<br />

die auf <strong>der</strong> Mittellinie enden, mit Wendebogen<br />

● Als erste Lineatur Blankoblätter o<strong>der</strong><br />

die Grundlinie nutzen<br />

● Zur individuellen För<strong>der</strong>ung verschiedene<br />

Lineaturen anbieten<br />

● Erprobung mit verschiedenen Stiften<br />

● Kartei Schreibmotorik för<strong>der</strong>n als<br />

För<strong>der</strong>ung für Kin<strong>der</strong> mit feinmotorischen<br />

Schwierigkeiten nutzen (vgl.<br />

Projekt Grundschrift 2019)<br />

Weiterführendes Schreiben<br />

● Bewusstheit schaffen, dass Schrifttraining<br />

bis zum Ende <strong>der</strong> Grundschulzeit<br />

ein wichtiges Unterrichtselement ist.<br />

● Schriftlehrgang mit <strong>der</strong> Schneidemaschine<br />

zerschneiden und als<br />

Arbeitsblätter nutzen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s<br />

zusammen heften. Motorisch ungünstige<br />

Verbindungen (z. B. Linksovale nd, o) o<strong>der</strong><br />

unklare Formen (b) aussortieren.<br />

● Die Grundschriftverbindungen im<br />

Unterricht beson<strong>der</strong>s üben, da sie die<br />

bewegungsgünstigen sind. An<strong>der</strong>e<br />

Verbindungen wie Linksovale weglassen<br />

(z. B. na). Wenig formklare Buchstaben<br />

(z. B. kleines b in <strong>der</strong> Schulausgangsschrift)<br />

als Druckbuchstaben schreiben.<br />

● Kin<strong>der</strong> ermutigen, mit Schwung zu<br />

schreiben, Verbindungen zu erproben und<br />

auch unverbunden zu schreiben, wo es<br />

sinnvoll ist.<br />

● Lineaturen individuell nutzen.<br />

Lineatur 4 (Grundlinie) grundsätzlich<br />

nutzen und nur zur individuellen För<strong>der</strong>ung<br />

an<strong>der</strong>e Lineaturen einsetzen.<br />

● Grundschriftkartei als För<strong>der</strong>kartei<br />

nutzen (bspw. Rückseiten mit <strong>Bewegung</strong>sgruppen<br />

zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Formklarheit<br />

und Verbindungskarten aus <strong>der</strong> Kartei 2 als<br />

Anregung)<br />

● Mit Schrift gestalten und Texte gestalten.<br />

(Texte, Schriftbil<strong>der</strong>, Schmuckschriften)<br />

● Schrift erkunden als Unterrichtsthema:<br />

historisch, an<strong>der</strong>swo, Handschriften,<br />

Computerschriften, Schreibanlässe,<br />

Schriften ausprobieren.<br />

● Trainingsaufgaben zur geläufigeren<br />

Schrift nutzen:<br />

– Tempo,<br />

– Schriftgröße,<br />

– Schreibgeräte,<br />

– Schreibdruck<br />

variieren.<br />

Reflexion<br />

● Drei Kriterien als Reflexionsanlass: formklar, leserlich, flüssig,<br />

bereits bei <strong>der</strong> handgeschriebenen Druckschrift anwenden.<br />

● Schriftgespräche führen als<br />

– Einzelgespräch mit <strong>der</strong> Lehrerin,<br />

– Selbstreflexion,<br />

– mit <strong>der</strong> Klasse o<strong>der</strong> einer Gruppe im Plenum,<br />

– mit Kin<strong>der</strong>n in einer kleinen Gruppe o<strong>der</strong> als Partnerarbeit.<br />

● Schrift immer als Punkt zu den Rückmeldungen und Partnergesprächen<br />

zu den Texten <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> aufnehmen. Auch bspw. bei<br />

Geschichten, Lernwörterübungen o<strong>der</strong> Plakaten.<br />

● Reflexionsimpulse aus <strong>der</strong> Schreibmotorik-Kartei nutzen:<br />

– Proportionen,<br />

– Schriftgröße,<br />

– Stiftwahl,<br />

– Stifthaltung,<br />

– Linien,<br />

– Schreibdruck,<br />

– Schreibtempo<br />

– Habe ich mit Schwung geschrieben?<br />

● Motorisch ungünstige Verbindung mit den Kin<strong>der</strong>n herausfinden<br />

und reflektieren.<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

41


Praxis: Rundschau <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Religiöse Bildung in einer pluralen Grundschule<br />

Kin<strong>der</strong> fragen nach dem Leben und <strong>der</strong> Welt<br />

Dieser Beitrag stellt die Kin<strong>der</strong><br />

mit ihren Lebensfragen ins<br />

Zentrum und möchte einen<br />

zeitgemäßen Religionsunterricht in <strong>der</strong><br />

Grundschule fokussieren, mit Impulsen<br />

zum Weiterdenken anregen sowie zur<br />

Diskussion einladen. Dazu wird an einschlägigen<br />

religionspädagogischen Konzepten<br />

und dem aktuell erschienen<br />

Orientierungsrahmen <strong>der</strong> Evangelischen<br />

Kirche Deutschland (EKD) für<br />

die Grundschule angeknüpft.<br />

Aufwachsen von Kin<strong>der</strong>n heute<br />

Kin<strong>der</strong> wachsen in einer pluralen Gesellschaft<br />

auf, in <strong>der</strong> Religion(en), religiöse<br />

Einstellungen und Vollzüge unterschiedlich<br />

bedeutsam sind. Menschen haben<br />

vielfältige „religiöse[r] Vorstellungen und<br />

leben eine je eigene Religiosität“ (EKD<br />

2022, 22) 1 . Gleichzeitig „bezeichnen<br />

sich viele Menschen als religionslos o<strong>der</strong><br />

atheistisch, für <strong>der</strong>en Lebensführung und<br />

-deutung Religion weitgehend nebensächlich<br />

ist“ (ebd., 22). Hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Konfessions- bzw. Religionszugehörigkeit<br />

gibt es bundesweit große regionale<br />

Unterschiede. „In den Grundschulen<br />

kommen Kin<strong>der</strong> aus unterschiedlich<br />

religiös und kulturell geprägten Familien,<br />

mit unterschiedlichen religiösen<br />

Wissensbeständen, Fähigkeiten, Fertigkeiten,<br />

Haltungen und Einstellungen<br />

zusammen“ (ebd., 22).<br />

Nach <strong>der</strong> vierten World Vision Studie<br />

(2018) wachsen rund zwei Drittel <strong>der</strong><br />

Grundschulkin<strong>der</strong> in einem Elternhaus<br />

„Warum hängt<br />

Jesus am Kreuz,<br />

er war doch ein<br />

Prophet?“…<br />

„Warum<br />

isst Merve kein<br />

Schweinefleisch<br />

und keine<br />

Gummibärchen?<br />

auf, in dem mindestens ein Elternteil<br />

einer christlichen Religion angehört, wobei<br />

es deutliche Unterschiede zwischen<br />

Ost- und Westdeutschland gibt. Bei 13<br />

% <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Grundschulalter gehört<br />

mindestens ein Elternteil dem Islam an,<br />

bei Kin<strong>der</strong>n mit Migrationshintergrund<br />

sind es sogar 36 %. 20 % <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> leben<br />

hingegen in Familien, in denen beide<br />

Elternteile keine Religionszugehörigkeit<br />

aufweisen (Pupeter & Schneekloth 2018,<br />

60 f.). We<strong>der</strong> die Zugehörigkeit noch die<br />

Nichtzugehörigkeit lassen Aussagen darüber<br />

zu, wie Religion in <strong>der</strong> Familie gelebt<br />

und wie darüber gesprochen wird,<br />

denn „Familienreligiosität ist eine hochindividualisierte<br />

Form gelebter Religion“<br />

(Edelbrock 2018, 159). Es ist anzunehmen,<br />

dass „aufgrund von Migration in<br />

Deutschland die Pluralität gelebter Familienreligiosität<br />

quer durch alle Religionen<br />

weiterhin zunehmen wird“ (ebd.).<br />

Religion als Teil des Erlebens<br />

von Kin<strong>der</strong>n<br />

In ihren Familien und ihrem näheren<br />

Umfeld begegnen Kin<strong>der</strong> ganz selbstverständlich<br />

verschiedenen Kulturen,<br />

Religionen und Weltanschauungen.<br />

Sie erleben Feste wie Weihnachten,<br />

Ostern o<strong>der</strong> Ramadan und entdecken,<br />

dass Schulferien nach christlichen Festen<br />

bezeichnet werden, manche aufgrund<br />

ihrer Religionszugehörigkeit kein<br />

Schweinefleisch essen, Versammlungshäuser,<br />

Kirchen, Moscheen und Synagogen<br />

ins Auge stechen, Innenstädte<br />

in <strong>der</strong> Advents- und Weihnachtszeit<br />

geschmückt sind o<strong>der</strong> während des<br />

Ramadan manche Kin<strong>der</strong> vom Fasten in<br />

<strong>der</strong> Familie erzählen. Wenn ein geliebtes<br />

Tier o<strong>der</strong> ein nahestehen<strong>der</strong> Mensch<br />

stirbt o<strong>der</strong> sich Eltern trennen, kommen<br />

die Sicherheit und das, was Kin<strong>der</strong>n<br />

Halt gibt, ins Wanken.<br />

In solchen Situationen<br />

stellen Kin<strong>der</strong> viele Fragen<br />

nach dem Wohin<br />

und Wozu. Im Austausch<br />

mit Gleichaltrigen,<br />

Eltern o<strong>der</strong><br />

beim Besuch in an<strong>der</strong>en<br />

Familien nehmen<br />

sie wahr, dass und wie<br />

Dr. Damaris Knapp<br />

arbeitet als Akad. Rätin für Grundschulpädagogik<br />

an <strong>der</strong> PH Freiburg. Als<br />

ehemalige Grundschullehrerin, Fachleiterin<br />

und Dozentin für Evangelische<br />

Religion verbindet sie in ihrer Arbeit<br />

und in Fortbildungen Grundschulpädagogik<br />

mit Religionspädagogik.<br />

vielfältig Familienreligiosität gestaltet,<br />

gelebt sowie Begründungen und Argumente<br />

formuliert werden. Daneben zeigen<br />

sich Religionen, ihre Praxen und Vorstellungen<br />

durch Medien vermittelt. Kin<strong>der</strong><br />

begegnen Unterschieden meist offen<br />

und interessiert, manches wirkt reizvoll,<br />

an<strong>der</strong>es auch befremdlich. Schließlich<br />

brechen auch in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>, in Pausen,<br />

im Unterricht, im Ganztag o<strong>der</strong> Hort<br />

Gedanken und Fragen aus ihrem Erleben<br />

auf, die Religion(en) berühren. Lehrende<br />

und pädagogische Fachkräfte werden<br />

dann zu wichtigen Gesprächspartner:innen<br />

und Ko-Konstrukteur:innen<br />

und sind herausgefor<strong>der</strong>t, eine religionssensible<br />

Schul- und Unterrichtskultur zu<br />

gestalten (EKD 2022).<br />

Wenn sich Kin<strong>der</strong> ernst genommen<br />

fühlen und Vertrauen haben, erzählen<br />

sie und stellen viele Fragen. Sie wollen<br />

die Welt und das, was sie wahrnehmen<br />

und erleben, verstehen. Und manches<br />

wollen Erwachsene Kin<strong>der</strong>n auch zeigen,<br />

ihren Blick darauf lenken, damit sie<br />

es einordnen und zunehmend verstehen<br />

lernen. Beides ist relevant.<br />

Das Recht des Kindes auf religiöse<br />

Bildung 2<br />

Neben dem Aufwachsen in einer transkulturellen<br />

3 , religiös und weltanschaulich<br />

pluralen Gesellschaft ist das<br />

Fragen von Kin<strong>der</strong>n bedeutsam für<br />

<strong>der</strong>en Weltverstehen und -aneignung.<br />

42<br />

GS aktuell 160 • November 2022


Sie beobachten, was um sie herum<br />

geschieht, und fragen danach, „woher<br />

<strong>der</strong> Mensch kommt, wohin er geht, was<br />

er tun und was er aus sich machen soll,<br />

bzw. was dem Leben einen Sinn gibt“<br />

(EKD 2022, 41). Sie haben ein Recht<br />

darauf, dass diesen existenziellen und<br />

religiösen Fragen auch in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

als einem bedeutsamen Ort des Lernens<br />

und des Lebens nachgegangen<br />

wird. Gleichzeitig ist Religion in Kunst,<br />

Musik, Literatur o<strong>der</strong> Geschichte verwoben.<br />

Um diese verstehen und deuten<br />

zu lernen, brauchen Kin<strong>der</strong> religiöses<br />

Grundwissen.<br />

Neben dem unumstrittenen Recht auf<br />

Bildung, wie es in den Menschenrechten<br />

von 1948 (Artikel 26) festgeschrieben ist,<br />

haben Kin<strong>der</strong> ein Recht auf religiöse Bildung<br />

(Naurath 2017; Schweitzer 2013).<br />

Diese ist Teil allgemeiner Bildung, die<br />

religiöse Dimension ein Modus <strong>der</strong><br />

Weltbegegnung (Baumert 2002, 107).<br />

Neben <strong>der</strong> ästhetischen, künstlerischen,<br />

musischen o<strong>der</strong> ethischen Dimension<br />

trägt sie zur Ausbildung und Entfaltung<br />

<strong>der</strong> Persönlichkeit von Kin<strong>der</strong>n bei. In<br />

den Bildungsgrundsätzen für Kin<strong>der</strong>betreuung<br />

und Grundschule<br />

von NRW heißt es hierzu<br />

daher: „Ein ganzheitliches<br />

Bildungsverständnis<br />

schließt<br />

religiöse Bildung<br />

und ethische Orientierung<br />

mit ein. Sie<br />

sind wesentliche Aspekte<br />

von Bildung und<br />

ermöglichen es, Sinnzusammenhänge<br />

zu erfassen, die das ‚Ganze‘<br />

<strong>der</strong> Welt erschließen“ (MFKJKS-<br />

NRW 2016, 108).<br />

Religiöse Bildung im öffentlichen<br />

Raum <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> unterscheidet sich damit<br />

von religiösem Lernen in <strong>der</strong> Gemeinde<br />

bzw. einer Religionsgemeinschaft<br />

und von religiöser Erziehung im Elternhaus.<br />

Sie kann nicht vom Staat übernommen<br />

werden, weil sich dieser nicht positionieren<br />

kann. Deshalb ist <strong>der</strong> Religionsunterricht<br />

im Grundgesetz als Grundrecht<br />

verankert (GG Art. 7, Abs. 3) und<br />

soll in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften<br />

erfolgen (res mixta),<br />

wobei positive und negative Religionsfreiheit<br />

selbstverständlich gewährleistet<br />

werden. Der Religionsunterricht<br />

setzt keinen persönlichen Glauben voraus<br />

und hat diesen auch nicht als Ziel.<br />

„Warum<br />

glauben manche<br />

an Gott und<br />

an<strong>der</strong>e nicht?“<br />

Was religiöse Bildung<br />

leisten kann<br />

Wenn über Religion in <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong> nachgedacht wird,<br />

ist zunächst einmal begrifflich<br />

zu unterscheiden zwischen<br />

gelebter Religion und<br />

religiöser Bildung. Glaube<br />

kann in <strong>der</strong> Familie und/o<strong>der</strong><br />

Gemeinde gelebt werden,<br />

während religiöse Bildung<br />

– also eine kritische Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit Religion,<br />

Religionen, Religiosität, Spiritualität<br />

und Wertvorstellungen – Teil einer<br />

ganzheitlichen Bildung ist. Eine kritische<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung erfor<strong>der</strong>t,<br />

dass Kin<strong>der</strong> religiöse bzw. religionsbezogene<br />

Erfahrungen mitbringen o<strong>der</strong><br />

auch in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> machen können.<br />

Selbstverständlich gilt dabei das Prinzip<br />

<strong>der</strong> Freiwilligkeit: Kin<strong>der</strong> dürfen in<br />

Rollen schlüpfen, Haltungen erproben<br />

o<strong>der</strong> sie können zuschauen, wie an<strong>der</strong>e<br />

etwas tun. Dies reflektieren sie dann im<br />

Religionsunterricht aus <strong>der</strong> Distanz und<br />

aus unterschiedlichen Perspektiven.<br />

Religiöse Bildung ist relevant für alle<br />

Kin<strong>der</strong>, nicht nur für konfessionell<br />

bzw. religiös gebundene<br />

Schüler:innen. Unabhängig<br />

von <strong>der</strong> religiösen<br />

Herkunft von<br />

Kin<strong>der</strong>n bietet religiöse<br />

Bildung Raum<br />

und Anlässe, sich<br />

mit Religion, Religionen,<br />

Weltanschauungen<br />

und moralischen Fragestellungen<br />

auseinan<strong>der</strong>zusetzen. Dies<br />

gelingt im Religionsunterricht, indem<br />

Kin<strong>der</strong> grundlegendes Wissen erwerben,<br />

unterschiedliche Deutungshorizonte<br />

religiöser und an<strong>der</strong>er Texte ergründen,<br />

vielfältige Perspektiven kennenlernen<br />

und unterschiedliche Positionierungen<br />

und Erfahrungen erproben. Dazu<br />

gehört auch eine Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit Wertvorstellungen und moralischen<br />

Urteilen, denn Kin<strong>der</strong> fragen danach,<br />

was gutes bzw. „richtiges“ Handeln ausmacht.<br />

So können Kin<strong>der</strong> im Laufe <strong>der</strong><br />

Grundschulzeit ein Bewusstsein dafür<br />

entwickeln, dass religiöse und kulturelle<br />

Glaubens- und Wertvorstellungen auch<br />

an<strong>der</strong>e als die eigenen sein können. „Religiöse<br />

Bildung unterstützt Kin<strong>der</strong> darin,<br />

Religion – ihre wie die an<strong>der</strong>er Kin<strong>der</strong> –<br />

verstehen zu lernen“ (EKD 2022, 66). Sie<br />

Praxis: <strong>Bewegung</strong> in Rundschau<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Rundschau<br />

„Warum<br />

feiern wir<br />

eigentlich<br />

Ostern?“<br />

„Wohnt<br />

Gott hier in<br />

<strong>der</strong> Kirche?“<br />

„Warum hat<br />

<strong>der</strong> Nikolaus so<br />

einen komischen<br />

Hut?“<br />

bietet ihnen Deutungen<br />

für viele ihrer Beobachtungen<br />

und Erfahrungen<br />

und unterstützt sie im Suchen eigener,<br />

tragfähiger Antworten. Gleichzeitig<br />

haben Kin<strong>der</strong> ein Recht auf authentische<br />

Begegnungen mit religiösen Expert:innnen,<br />

die ihnen einen Einblick in<br />

ihre je eigene Religion geben und offen<br />

und konstruktiv mit unterschiedlichen<br />

Wahrheitsverständnissen umgehen.<br />

Religiöse Bildung im Schulalltag<br />

und im Unterricht<br />

„Nicht trotz, son<strong>der</strong>n gerade wegen <strong>der</strong><br />

religiösen Diversität ist religiöse Bildung<br />

ein ebenso selbstverständlicher<br />

wie unverzichtbarer Bestandteil schulischer<br />

Bildung“ (EKD 2022, 22 f.). Fragen,<br />

die Religion(en) bzw. Religiosität<br />

betreffen, aber auch <strong>der</strong> Umgang mit<br />

Krisensituationen o<strong>der</strong> Situationen des<br />

Übergangs sind existenziell bedeutsam<br />

und bedürfen <strong>der</strong> Berücksichtigung aus<br />

religiöser Perspektive im Schulalltag.<br />

Angesichts einer kulturell und religiös<br />

pluralen Gesellschaft kann religiöse Bildung<br />

„entscheidend zur Dialog- und Toleranzfähigkeit<br />

jedes Kindes beitragen“<br />

(EKD 2022, 23). Denn durch religiöse<br />

Bildung lernen Kin<strong>der</strong>, religiöse Pluralität<br />

wahrzunehmen und sich in ihr zu<br />

orientieren (EKD 2022). Ebenso för<strong>der</strong>t<br />

sie Kin<strong>der</strong> „in ihrem Interesse, Unterschiede<br />

und Gemeinsamkeiten zwischen<br />

ihren Überzeugungen und Verhaltensweisen<br />

sowie denen an<strong>der</strong>s- o<strong>der</strong> nichtgläubiger<br />

Menschen besser verstehen zu<br />

können“ (ebd., 23). Kin<strong>der</strong> benötigen<br />

keine religiöse Vorbildung, auch die Zugehörigkeit<br />

zu einer Religionsgemeinschaft<br />

ist nicht bedeutsam. Die Innenperspektive<br />

von Religion wird hingegen<br />

durch die Lehrperson und <strong>der</strong>en Glaube<br />

immer wie<strong>der</strong> sichtbar und diskutierbar.<br />

In <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Wahrnehmungen,<br />

Gedanken, Interessen und<br />

Fragen sind für Grundschulkin<strong>der</strong> eige-<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

43


Praxis: Rundschau <strong>Bewegung</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

nes Tun und Erleben entwicklungspsychologisch<br />

erfor<strong>der</strong>lich, um Zusammenhänge<br />

kognitiv, sprachlich und reflexiv<br />

verarbeiten und Erkenntnisse gewinnen<br />

zu können (Knapp 2022). In vielfältigen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungs- und Aneignungsprozessen,<br />

die kreative, gestalterische und<br />

darstellende Elemente ebenso berücksichtigen<br />

wie emotionale und erfahrungsorientierte<br />

Zugänge, setzen sich Kin<strong>der</strong><br />

mit relevanten Fragen und Themen<br />

auseinan<strong>der</strong>. Dabei werden sie beim gemeinsamen<br />

Nachdenken und Reflektieren<br />

zu eigenen Konstruktionen angeregt.<br />

Kin<strong>der</strong> wollen keine schnellen Antworten,<br />

son<strong>der</strong>n Erwachsene, die verstehen<br />

und ernstnehmen, was Kin<strong>der</strong> bewegt.<br />

Im Nachdenken kann eine Tiefendimension<br />

des Lebens eröffnet werden. Religiöse<br />

Themen ergeben sich aus den lebensweltlichen<br />

Erfahrungen, Fragen und Interessen<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> (EKD 2022).<br />

Zur Zukunft des<br />

Religionsunterrichts<br />

Wie kann und soll ein Religionsunterricht<br />

<strong>der</strong> Zukunft aussehen, <strong>der</strong> aktuelle<br />

Bedürfnisse von Kin<strong>der</strong>n und<br />

gesellschaftliche Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

ernst nimmt, konsensfähig ist und Kin<strong>der</strong><br />

in ihrer Weltaneignung und Persönlichkeitsentwicklung<br />

unterstützt, för<strong>der</strong>t<br />

und begleitet? Aktuell gibt es hierzu<br />

bereits erste Versuche mit dem RUfa<br />

2.0 4 in Hamburg, dem neu aufgestellten<br />

Religionsunterricht in Bremen o<strong>der</strong><br />

dem Christlichen Religionsunterricht<br />

(CRU) in Nie<strong>der</strong>sachsen. Ausgehend<br />

von obiger Frage werden abschließend<br />

stichpunktartig Gedanken und Impulse<br />

zusammengetragen, die die Diskussion<br />

um die Zukunft des Religionsunterrichts<br />

anregen sollen. Diese Auflistung<br />

ist we<strong>der</strong> hierarchisch zu verstehen<br />

noch als abgeschlossen.<br />

● Von Anfang an ist das Beson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

Grundschule das gemeinsame Lernen<br />

aller Kin<strong>der</strong>. Dieses Anliegen<br />

wird aktuell durch die Diskussion<br />

um Inklusion, gerade im Kontext<br />

eines weiten Inklusionsbegriffs, noch<br />

einmal verstärkt. Von daher sollte<br />

darüber nachgedacht werden, wie <strong>der</strong><br />

Religionsunterricht so gestaltet werden<br />

kann, dass ein gemeinsames Lernen<br />

möglichst aller Kin<strong>der</strong> – auch im<br />

Religionsunterricht – selbstverständlich<br />

wird. Denn in <strong>der</strong> Grundschule<br />

zeigt sich die Heterogenität <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

und Bildungsprozesse finden<br />

in natürlichen Gruppen statt, die<br />

die Vielfalt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />

● Wir leben in einer pluralen Gesellschaft,<br />

in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> lernen sollen,<br />

mit Pluralität – auch von Wahrheitsvorstellungen<br />

– umzugehen. Dazu<br />

gehört es, an<strong>der</strong>e religiöse Perspektiven<br />

kennen, wertschätzen und verstehen<br />

zu lernen und sich mit diesen<br />

sowie religiösen Bezugstexten aus Bibel,<br />

Koran etc. auseinan<strong>der</strong>zusetzen,<br />

unterschiedliche Wahrheiten wahrzunehmen<br />

und <strong>der</strong>en Gültigkeit zu<br />

diskutieren sowie immer wie<strong>der</strong> neu<br />

plausible und tragfähige Antworten<br />

zu finden.<br />

● Religiöse Bildung bietet Raum, um<br />

offen und angstfrei über Religion(en)<br />

und das, was Menschen trägt, ihnen<br />

Hoffnung und Zuversicht gibt, nachzudenken<br />

und ins Gespräch zu kommen.<br />

● Religiöse Kompetenzen sind angesichts<br />

von Pluralität und zunehmen<strong>der</strong><br />

Diversität neu zu fassen. Für eine<br />

Neuausrichtung wäre es wünschenswert,<br />

diese in einem Verständigungsprozess<br />

mit den verschiedenen Konfessionen<br />

und Religionen zu erarbeiten.<br />

● Religion braucht eine Innensicht.<br />

Damit Kin<strong>der</strong> Glaube und religiöses<br />

Deuten authentisch erleben können,<br />

braucht es Lehrende, die auf einen<br />

persönlichen Glauben zurückgreifen<br />

können. Gleichzeitig braucht die<br />

Lehrperson eine große Offenheit<br />

unterschiedlichen Religionen und<br />

vielfältiger religiöser Stile gegenüber.<br />

In <strong>der</strong> Folge gilt es, auch die Ausbildung<br />

stärker zwischen den Konfessionen<br />

und Religionen zu vernetzen<br />

und gemeinsam weiterzudenken.<br />

● Religion und Religiosität haben viele<br />

Facetten. Kin<strong>der</strong> ernst zu nehmen bedeutet<br />

auch, sie in ihren religiösen<br />

Prägungen und Nicht-Prägungen sowie<br />

ihren Erfahrungen mit <strong>der</strong> je<br />

eigenen Familienreligion wahrzunehmen,<br />

ihnen zuzuhören und ihnen<br />

Angebote zum Nach- und Weiterdenken<br />

über eigene religiöse und existenzielle<br />

Fragestellungen zu machen.<br />

● Es gibt deutliche regionale Unterschiede<br />

bezüglich <strong>der</strong> religiösen Herkunft<br />

und familialen Prägungen, was<br />

unterschiedliche Zusammensetzungen<br />

von Lerngruppen zur Folge hat.<br />

Ausgehend davon gilt es Konzepte zu<br />

entwickeln, die regionale Gegebenheiten<br />

aufnehmen und vor Ort konsensfähig<br />

sind. Das hat zur Folge,<br />

dass „Religionsunterricht“ unterschiedlich<br />

organisiert und gestaltet<br />

werden kann.<br />

● Zu Religion, Kirche und Religionsunterricht<br />

gibt es konträre Ansichten<br />

und mehr o<strong>der</strong> weniger Zustimmung.<br />

Soll sich dieser neu ausrichten,<br />

lohnt es sich, kreativ über eine konsensfähige<br />

Bezeichnung des Faches<br />

nachzudenken.<br />

● Um zukunftsfähige Konzepte entwickeln<br />

zu können, braucht es Experimentierräume<br />

vonseiten <strong>der</strong> Religionsgemeinschaften.<br />

Neues muss<br />

erprobt, wissenschaftlich begleitet<br />

und evaluiert werden.<br />

● Ausgehend vom Recht des Kindes auf<br />

religiöse Bildung ist ein Neu-Denken<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Entscheidend ist, was<br />

dem Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung<br />

dient und was ihm hilft,<br />

religiös sprachfähig und sicher im<br />

Umgang mit Pluralität zu werden.<br />

Kin<strong>der</strong> in ihrem Fragen nach dem<br />

Leben und <strong>der</strong> Welt zu unterstützen<br />

und zu begleiten, ist <strong>der</strong> Kern religiöser<br />

Bildung. Dabei gilt es, individuelle<br />

Lernwege mit grundlegenden Kompetenzen<br />

religiöser Bildung zu verknüpfen<br />

und so zur För<strong>der</strong>ung und Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Persönlichkeit beizutragen. Dazu<br />

braucht es Ideen, Mut und Vertrauen!<br />

Damaris Knapp<br />

Anmerkungen<br />

1) Der Orientierungsrahmen für den Religionsunterricht<br />

in <strong>der</strong> Grundschule <strong>der</strong> EKD<br />

erscheint in Kürze.<br />

2) Vgl. Naurath 2017, 84; Schweitzer (2003;<br />

2013) formuliert „Das Recht des Kindes auf<br />

Religion“.<br />

3) Der Begriff <strong>der</strong> Transkulturalität geht davon<br />

aus, dass Kulturen nicht homogene, klar<br />

voneinan<strong>der</strong> abgrenzbare Einheiten sind,<br />

son<strong>der</strong>n, im Kontext einer Globalisierung,<br />

zunehmend vernetzt und vermischt werden.<br />

4) RUfa ist die Abkürzung für „Religionsunterricht<br />

für alle“. RUfa 2.0 steht für die<br />

Neukonzeption des bisherigen Religionsunterrichts<br />

für alle in evangelischer Verantwortung.<br />

Bei RUfa 2.0 sind die Religionsgemeinschaften<br />

nun gleichwertig beteiligt.<br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/GSa160-Lit<br />

44<br />

GS aktuell 160 • November 2022


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Baden-Württemberg<br />

Vorsitzen<strong>der</strong>: Edgar Bohn<br />

edgar-bohn@gsv-bw.de, https://gsv-bw.de<br />

Es tut sich was im Ländle …<br />

In Baden-Württemberg war in<br />

den letzten Monaten viel los.<br />

Unser Format Couchsurfing<br />

findet nun in Kooperation mit<br />

<strong>der</strong> Landesgruppe Rheinland-<br />

Pfalz statt. Am 7. Juli diskutierte<br />

Susanne Breitweg mit<br />

Susanne Doll und Eva Franz<br />

über Strategien zum Umgang<br />

mit Belastungssituationen in<br />

Studium und Vorbereitungsdienst.<br />

Erstmals waren nicht<br />

nur Anwärter*innen und<br />

Studierende aus Baden-<br />

Württemberg, son<strong>der</strong>n auch<br />

aus <strong>der</strong> benachbarten Pfalz<br />

dabei.<br />

Die Pressemitteilung des<br />

Philologenverbands zur<br />

Grundschule in <strong>der</strong> Krise hat<br />

uns nicht nur untereinan<strong>der</strong><br />

beschäftigt, son<strong>der</strong>n die<br />

Landesgruppe auch ins Radio<br />

gebracht. Am 3. August war<br />

Eva Franz deshalb im Studio<br />

des SWR in Mannheim, um<br />

mit Michael Risel, Klaus Zierer<br />

und Heike Schmoll über die<br />

aktuelle Situation an Grundschulen<br />

zu diskutieren.<br />

Hier geht’s zur Sendung:<br />

https://t1p.de/s4340.<br />

Große Aufmerksamkeit<br />

erlangte unser gemeinsamer<br />

Brief mit dem Verein <strong>der</strong><br />

Gemeinschaftschulen, in<br />

dem wir darauf aufmerksam<br />

gemacht haben, dass <strong>der</strong><br />

Wunsch nach einer grundlegenden<br />

Bildung für alle<br />

Kin<strong>der</strong> nicht auf <strong>der</strong> Selbstausbeutung<br />

engagierter Lehrer*innen<br />

realisiert werden<br />

kann. Dieser Brief und die<br />

dazu veröffentlichte Pressemitteilung<br />

hat uns weitere<br />

hilfreiche Gesprächstermine<br />

mit Bildungspolitik und<br />

Schulverwaltung ermöglicht<br />

sowie eine größere Aufmerksamkeit<br />

in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

beschert. Hier geht’s zu Brief<br />

und Pressemitteilung:<br />

https://gsv-bw.de/es-reicht/<br />

https://gsv-bw.de/es-reichtdie-pressemeldung-zum-offenen-brief/<br />

Diesen Landesbericht abschließen<br />

möchten wir mit<br />

einer herzlichen Einladung:<br />

Am 23. November<br />

findet unser Grundschultag<br />

mit anschließen<strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

statt.Ab 16:30 Uhr werden<br />

wir mit Frau Boser, Staatssekretärin<br />

im Kultusministerium,<br />

und den bildungspolitischen<br />

Sprecher:innen <strong>der</strong><br />

GRÜNEN, <strong>der</strong> CDU, <strong>der</strong> FDP<br />

und <strong>der</strong> SDP über die Gestaltung<br />

qualitätsvoller Arbeit an<br />

baden-württembergischen<br />

Grundschulen diskutieren.<br />

Wir freuen uns sehr, wenn Sie<br />

teilnehmen!<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Edgar Bohn und Eva Franz<br />

Bremen<br />

Kontakt: grundschulverband-landesgruppe-bremen@email.de<br />

www.grundschulverband-bremen.de<br />

In unserem letzten Bericht<br />

haben wir kurz das Ferienprojekt<br />

„Spiel mit uns“ erwähnt,<br />

das in diesem Sommer zum<br />

zweiten Mal mit Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Bremer Bürgerstiftung<br />

durchgeführt werden<br />

konnte. Ein ausführlicher<br />

Bericht von Maresi Lassek<br />

über die Erfahrungen an drei<br />

Grundschulen in schwieriger<br />

Lage ist zugänglich auf <strong>der</strong><br />

Website <strong>der</strong> Landesgruppe<br />

https://grundschulverbandbremen.de.<br />

Ebenfalls unterstützt von<br />

<strong>der</strong> Landesgruppe hat <strong>der</strong><br />

Bremer Verein „Potztausendschön“<br />

im Juli sein Naturtheaterprojekt<br />

durchgeführt,<br />

das wegen seines Erfolgs<br />

im kommenden Sommer<br />

wie<strong>der</strong>holt werden soll (vgl.<br />

https://grundschulverbandbremen.de/naturtheatertageim-lichtluftbad).<br />

Erinnern möchten wir an<br />

die Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />

bei <strong>der</strong> dieses Mal auch <strong>der</strong><br />

Vorstand <strong>der</strong> Landesgruppe<br />

(wie<strong>der</strong>-)gewählt wird.<br />

Das Treffen findet am<br />

17. November ab<br />

18 Uhr (Beginn<br />

des Vortrags, s. unten)<br />

wegen <strong>der</strong> unklaren<br />

Corona-Situation wie<strong>der</strong><br />

online statt (über WebEx).<br />

Der Link wird auf Anfrage<br />

an Vorstand.Bremen@<br />

grundschulverband.de<br />

kurzfristig zugesendet und<br />

zusätzlich am Ende des<br />

vorangestellten Vortrags<br />

eingeblendet. Der Naturpädagoge<br />

Johannes Plotzki<br />

referiert in seinem Vortrag<br />

zum Thema „Draußenschule<br />

– Fächerverbindend an realen<br />

Orten (im Freien) lernen“.<br />

Plotzki hat mit seinem Team<br />

bereits über 1.000 Klassen in<br />

Schleswig Holstein, Hamburg<br />

und Nie<strong>der</strong>sachsen in<br />

Projekten zum regelmäßigen<br />

Lernen außerhalb <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

begleitet (Vortragslink – ohne<br />

weitere Anmeldung – über:<br />

https://goto.schule.bremen.<br />

de/draussenschule).<br />

Mit Roller und Fahrrad unterwegs auf dem Schulhof – die Aktion<br />

„Spiel mit uns” macht es möglich<br />

An <strong>der</strong> Universität Bremen<br />

hat unser Vorstandsmitglied<br />

Heike Hegemann-Fonger<br />

ein inklusives Projekt<br />

„Draußenschule für alle“<br />

initiiert, über das Studierende<br />

erste Erfahrungen im Bereich<br />

Draußenschule sammeln,<br />

inhaltliche Module entwickeln<br />

und erproben wie auch<br />

empirische Erkundungen<br />

durchführen können. Kooperationsschule<br />

ist die größte<br />

Bremer Grundschule, die<br />

Grundschule an <strong>der</strong> Delfter<br />

Straße in Bremen-Huchting.<br />

Kontakt: hege@uni-bremen.<br />

de. Weiterführende Informationen<br />

zum Projekt <strong>der</strong><br />

Landesgruppe finden sich<br />

hier: www.grundschulverband-bremen.de/draussenschule.<br />

Für den Landesgruppe:<br />

Hans Brügelmann und<br />

Heike Hegemann-Fonger<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

45


Praxis: aktuell <strong>Bewegung</strong> … aus den in Landesgruppen<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Gabriele Klenk<br />

https://grundschulverband-bayern.de<br />

Vorstandssitzung <strong>der</strong><br />

Landesgruppe Bayern<br />

Viele Vorstandssitzungen<br />

<strong>der</strong> Landesgruppe finden<br />

inzwischen online statt, aber<br />

zumindest ein Mal im Jahr<br />

treffen wir uns persönlich zu<br />

einem längeren Austausch.<br />

Dieser fand Anfang August<br />

im Nürnberger Raum statt.<br />

Folgende Themen wurden<br />

besprochen:<br />

● Online-Grundschultage:<br />

Der erste Online-Grundschultag<br />

<strong>der</strong> Landesgruppe<br />

Bayern fand im April 2022 mit<br />

einer Keynote von Prof. Jörg<br />

Ramseger und drei Sessions zu<br />

je einer Anfor<strong>der</strong>ung an eine<br />

zukunftsfähige Grundschule<br />

statt. Der Ablauf wurde auch<br />

für den zweiten Online-Grundschultag<br />

am 15. Oktober 2022<br />

beibehalten. Die Keynote<br />

durch Herrn Dr. Richard Sigel<br />

sowie weitere drei Sessions zu<br />

je einer Anfor<strong>der</strong>ung an eine<br />

zukunftsfähige Grundschule<br />

wurden geplant.<br />

● Offener Brief an Herrn<br />

Ministerpräsidenten Sö<strong>der</strong><br />

und Herrn Staatsminister Piazolo:<br />

Angesichts des akuten<br />

Lehrermangels und <strong>der</strong><br />

großen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

für <strong>Schule</strong>n haben wir beim<br />

Vorstandstreffen beschlossen,<br />

einen offenen Brief zu verfassen:<br />

https://grundschulverband-bayern.de<br />

● Happy hour <strong>der</strong> Landesgruppe<br />

Bayern: Nach <strong>der</strong><br />

ersten Happy hour (online)<br />

im Juli 2022 wurden für 9.<br />

November 2022 und 14.<br />

Dezember 2022 weitere Happy<br />

hours in <strong>der</strong> Zeit von 17 bis 18<br />

Uhr vorgesehen. Hier tauschen<br />

wir uns in lockerer Atmosphäre<br />

jeweils über einen Artikel aus<br />

dem jeweils neuen Heft von<br />

Grundschule aktuell aus.<br />

Die Anmeldung erfolgt per<br />

E-Mail an gabriele.klenk@<br />

grundschulverband-bayern.de<br />

Im Anschluss an die Anmeldung<br />

wird ein Teilnahmelink<br />

verschickt.<br />

Weitere Informationen und<br />

unser Padlet zu den Happy<br />

hours sind auf <strong>der</strong> Website<br />

<strong>der</strong> Landesgruppe Bayern zu<br />

finden: https://grundschulverband-bayern.de/<br />

● Gespräch mit <strong>der</strong> Grundschulreferentin<br />

am Kultusministerium,<br />

Frau Maria<br />

Wilhelm: Die Anliegen und<br />

Vorhaben <strong>der</strong> Landesgruppe<br />

Bayern im Grundschulverband<br />

sollen auch beim jährlich<br />

stattfindenden Gespräch mit<br />

Frau Wilhelm Eingang finden:<br />

Demokratieerziehung im<br />

Schulversuch MIT, <strong>Schule</strong>ntwicklung<br />

trotz aller <strong>der</strong>zeitigen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen, Happy<br />

hour und Grundschultag <strong>der</strong><br />

Landesgruppe Bayern u.v.m.<br />

● Gespräch mit Vertretern<br />

<strong>der</strong> bayerischen Universitäten:<br />

Für den Herbst wurde ein<br />

Onlinegespräch mit Mitarbeitenden<br />

an Grundschul-<br />

Lehrstühlen <strong>der</strong> bayerischen<br />

Universitäten geplant. Der Austausch<br />

zwischen Theorie und<br />

Praxis ist uns stets ein Anliegen,<br />

auch <strong>der</strong> Kontakt zu Studierenden<br />

durch die Landesgruppe<br />

soll geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Aktuelle Informationen zu den<br />

genannten Veranstaltungen<br />

finden Sie im Newsletter des<br />

Grundschulverbands. Anmeldung<br />

unter https://grundschulverband.de/newsletter<br />

und auf <strong>der</strong> Website <strong>der</strong><br />

Landesgruppe Bayern<br />

https://grundschulverbandbayern.de<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Konstanze v. Unold<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Kontakt: Thekla Mayerhofer, Hafenstr. 44, 06108 Halle (Saale)<br />

May_The@web.de, www.gsv-lsa.de<br />

SprachNetz<br />

Wir waren eingeladen, das<br />

Projekt „SprachNetz“, das<br />

digitale Netzwerk Sprache,<br />

Bildung, För<strong>der</strong>ung kennenzulernen.<br />

„SprachNetz“ ist<br />

ein vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) geför<strong>der</strong>tes Projekt,<br />

das in Kooperation mit<br />

verschiedenen Praxis- und<br />

Kooperationspartner*innen<br />

an <strong>der</strong> Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

mit einer Laufzeit von 2021<br />

bis 2026 durchgeführt wird.<br />

Gemeinsam mit Akteur*innen<br />

des Projektes konnten wir<br />

uns über den Ist-Stand sowie<br />

die Visionen des Projektes<br />

informieren, Schnittstellen<br />

und Unterstützungsideen zwischen<br />

Grundschulverbandsarbeit<br />

und SprachNetz-Anliegen<br />

herausstellen und eine<br />

Zusammenarbeit anbahnen.<br />

Wir sind gespannt auf die Dinge,<br />

die da kommen werden,<br />

und den Mehrwert, welches<br />

dieses Projekt zur Sprachför<strong>der</strong>ung<br />

für die Grundschulen<br />

im Land haben wird.<br />

Jährliches Sommergrillen<br />

Nun schon fast traditionell<br />

fand auch in diesem Jahr<br />

unser Vorstandssommergrillen<br />

statt. Zum Abschluss des<br />

Schuljahres wurde im großen<br />

Garten bei Grohmanns in<br />

Bennstedt gegrillt, getobt<br />

und sich vernetzt. In lockerer<br />

Atmosphäre wurde dabei<br />

das vergangene Schuljahr<br />

reflektiert und kommentiert.<br />

Doch nicht nur fachliche Themen<br />

standen im Fokus des<br />

Austausches, auch die bevorstehenden<br />

Sommerferien,<br />

Urlaube und an<strong>der</strong>e schöne<br />

Dinge wurden thematisiert.<br />

Auch in diesem Jahr konnten<br />

wir neue Gesichter unserer<br />

Landesgruppe begrüßen und<br />

diese etwas näher zusammenrücken<br />

lassen.<br />

A13 auch in Sachsen-Anhalt<br />

In vielen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

werden Lehrkräfte im Grundschuldienst<br />

bereits nach<br />

A13 bezahlt. Auch in allen<br />

Nachbarbundeslän<strong>der</strong>n von<br />

Sachsen-Anhalt ist dies <strong>der</strong><br />

Fall. Lei<strong>der</strong> gibt es hierzulande<br />

noch immer nicht genügend<br />

politischen Willen, um diese<br />

Anpassung vorzunehmen,<br />

sodass sich Ungerechtigkeiten<br />

ergeben. Obgleich jüngst<br />

auch unsere Bildungsministerin,<br />

Eva Feußner, signalisiert<br />

hat, den Wunsch nach einer<br />

A13-Besoldung zu unterstützen,<br />

stellt sich bislang <strong>der</strong><br />

Finanzausschuss quer. In einer<br />

Sitzung desselben durften wir<br />

Stellung nehmen und haben<br />

deutlich gemacht, dass auch<br />

die Erhöhung <strong>der</strong> Bezüge ein<br />

Schritt hin zur Attraktivitätssteigerung<br />

des Grundschullehrer*innenberufs<br />

ist und<br />

dass die Anfor<strong>der</strong>ungen, welche<br />

selbiger mit sich bringt,<br />

<strong>der</strong> höheren Besoldung<br />

absolut würdig sind. Gleichsam<br />

haben wir jedoch auch<br />

betont, dass dieser Schritt<br />

nicht <strong>der</strong> einzige bleiben darf<br />

und dass auch die Arbeitsbedingungen<br />

insgesamt, bspw.<br />

die (digitale) Ausstattung <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong>n, dringend verbessert<br />

werden müssen.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.gsv-lsa.de<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Thekla Mayerhofer<br />

46<br />

GS aktuell 160 • November 2022


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Hessen<br />

Vorsitzen<strong>der</strong>: Mario Michel<br />

mario.michel@gsvhessen.de, www.gsvhessen.de<br />

Ich kann – ich will –<br />

ich strenge mich an<br />

Am 15. Oktober fand überaus<br />

erfolgreich <strong>der</strong> erste<br />

Hessische Grundschultag in<br />

Kooperation <strong>der</strong> Verbände<br />

Grundschulverband Hessen,<br />

Interessensgemeinschaft<br />

Hessischer Schulleitungen<br />

und Verband <strong>der</strong> Lehrkräfte<br />

Hessen unter dem Motto<br />

„Kleine Schritte – große<br />

Visionen“ statt.<br />

Für 230 Menschen steckte<br />

dieser Tag an <strong>der</strong> Kopernikusschule<br />

in Freigericht/<br />

Osthessen voller Anregungen<br />

und Impulse. Neben einer<br />

Vielzahl von Ausstellern und<br />

einem qualitativ hochwertigen<br />

Angebot an Workshops<br />

(Programm unter www.<br />

grundschultag.com) waren<br />

es vor allem auch die Vorträge,<br />

die die Teilnehmenden<br />

begeisterten.<br />

Der Tag startete inhaltlich mit<br />

einem leidenschaftlichen Vortrag<br />

von Michael Fritz, Haus<br />

<strong>der</strong> kleinen Forscher, zum<br />

Thema „Kin<strong>der</strong> stark machen<br />

für den konstruktiven Umgang<br />

mit Verän<strong>der</strong>ungen“<br />

– notwendig wie nie in einer<br />

Zeit wie dieser.<br />

Seine Botschaft an die Anwesenden<br />

lautete: Jedes Kind<br />

braucht vielfach die Erfahrung<br />

„Ich kann etwas“ – denn<br />

auf „ich kann“ folgt „ich will“<br />

und aus „ich will“ erwächst<br />

„ich strenge mich an“. Die<br />

Basis für Wollen und Anstrengungsbereitschaft<br />

ist immer<br />

die Erfahrung von Selbstwirksamkeit<br />

und Gelingen. In<br />

fehlerfreundlicher Begleitung<br />

muss <strong>Schule</strong> Kin<strong>der</strong>n vielfältige<br />

Könnenserfahrungen<br />

ermöglichen, um sie resilient,<br />

stark und initiativ zu machen.<br />

Mit dieser starken Botschaft<br />

startete die erste Workshoprunde<br />

mit einer Vielzahl von<br />

Angeboten.<br />

„Locker vom Hocker“ holte<br />

Jimmy Little, Bildungsreferent<br />

mehrerer Landesinstitute<br />

und Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong> „move to<br />

change“-<strong>Bewegung</strong>, die Anwesenden<br />

nach <strong>der</strong> Mittagspause<br />

bewegt und freudvoll<br />

zurück in die Aufnahmebereitschaft,<br />

bevor Professor Dr.<br />

i. R. Norbert Kruse (Universität<br />

Kassel) mit seinem Vortrag<br />

„Vom Umgang mit Fehlern –<br />

o<strong>der</strong> Wie lernen Kin<strong>der</strong> gute<br />

Texte zu schreiben?“ startete.<br />

Sein Plädoyer für die individuelle<br />

Betrachtung von<br />

Kin<strong>der</strong>texten, sein Augenmerk<br />

auf die inhaltliche<br />

Aussage dieser Texte, sein<br />

Verständnis vom Umgang<br />

mit (Rechtschreib-) Fehlern<br />

sprach den anwesenden<br />

Lehrkräften aus den Herzen<br />

und bestätigte die vielfach<br />

formulierte Kritik an <strong>der</strong><br />

Handreichung zum Hessischen<br />

Grundwortschatz<br />

Vorstand <strong>der</strong> Landesgruppe Hessen, von links nach rechts:<br />

Mario Michel, Pia Hölzel, Steffi Jurkscheit, Heidi Fischer, Ellen Löher,<br />

Rosa Heussner-Kahnt, Annette Zinser<br />

(siehe Bericht <strong>der</strong> Landesgruppe<br />

Hessen in Grundschule<br />

aktuell Heft 159).<br />

Aus <strong>der</strong> abschließenden<br />

Ansprache des Hessischen<br />

Kultusministers Prof. Dr.<br />

Alexan<strong>der</strong> Lorz bleibt festzuhalten,<br />

dass er <strong>der</strong> vielfältig<br />

präsenten For<strong>der</strong>ung nach<br />

A13 für die hessischen<br />

Grundschullehrkräfte<br />

keine Absage erteilte, die<br />

For<strong>der</strong>ung als begründetes<br />

Anliegen versteht und sie in<br />

naher Zukunft als umgesetzt<br />

sieht – das wär doch mal was!<br />

Das Fazit aller, die diesen<br />

Tag vorbereitet, organisiert<br />

und durchgeführt haben,<br />

lautet „Wir können was“ (eine<br />

solche Mammutaufgabe im<br />

konkurrenzlosen Zusammenwirken<br />

dreier Verbände<br />

stemmen), „Wir wollen was“<br />

(einen solchen Tag in regelmäßigem<br />

Rhythmus wie<strong>der</strong>holen)<br />

und „Wir strengen uns<br />

an“, damit eine Folgeveranstaltung<br />

für und mit unseren<br />

hessischen Grundschullehrkräften<br />

genauso bereichernd,<br />

motivierend und qualitativ<br />

hochwertig besetzt stattfinden<br />

kann.<br />

SAVE THE DATE<br />

Am 24. November<br />

2022 findet das<br />

zweite „Grundschulgebabbel“<br />

unserer Landesgruppe statt.<br />

Uhrzeit und Einwahlmöglichkeit<br />

sind auf <strong>der</strong> Homepage,<br />

<strong>der</strong> Instagram-Seite und über<br />

die Einladung per Mail zu<br />

finden.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Pia Hölzel<br />

Schleswig-Holstein<br />

Geschäftsführen<strong>der</strong> Vorstand: Maren Barck, Sabine Jesumann, Aenne Thurau<br />

Kontakt: Maren Barck, grundschulverbandSH@gmx.de<br />

Auf <strong>der</strong> Suche<br />

Der Vorstand ist auf <strong>der</strong><br />

Suche. Was wünschen sich<br />

Mitglie<strong>der</strong> vom Verband?<br />

Nachdem die Herbsttagung<br />

zum Thema „Lernräume“ mit<br />

Dr. Michel Kirch am 20.9.22<br />

wegen zu geringer Anmeldezahlen<br />

nicht stattgefunden<br />

hat, steht diese Frage erneut<br />

im Raum.<br />

Trifft <strong>der</strong> Vorstand mit seinen<br />

Themen das Interesse <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> nicht? O<strong>der</strong> fehlt<br />

Lehrkräften aufgrund von<br />

Überlastung die Kraft zur Teilnahme<br />

an Fortbildungen?<br />

Sollten Veranstaltungen noch<br />

auf an<strong>der</strong>en Wegen angekündigt<br />

werden?<br />

Viele Fragen, auf die wir<br />

auf dem Vorstandstreffen<br />

Antworten suchen.<br />

Alle Mitglie<strong>der</strong> sind herzlich<br />

eingeladen, am Vorstandstreffen<br />

mit ihren Wünschen<br />

und Beiträgen teilzunehmen.<br />

Das Treffen findet<br />

online statt am<br />

23. November 2022<br />

von 17 bis 19 Uhr.<br />

Nach Anmeldung per E-Mail<br />

wird <strong>der</strong> Link zum Konferenzraum<br />

zugesendet.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Sabine Jesumann<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

47


Praxis: aktuell <strong>Bewegung</strong> … aus den in Landesgruppen<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Saarland<br />

Vorsitzende: Anke Jungmann<br />

anke.weber@grundschulverband.saarland, www.grundschulverband.saarland<br />

Nach mehreren Jahren Pause<br />

fand am 29. September 2022<br />

endlich unser 2. Saarländisches<br />

Grundschulforum in den<br />

Räumlichkeiten des Erlebnisort<br />

Reden statt. Mit dem<br />

Titel „Digital unterwegs in <strong>der</strong><br />

Grundschule“ lud die Landesgruppe<br />

zum Austausch in<br />

fachdidaktischen Workshops<br />

und am Kaffeetisch ein.<br />

Zu Beginn <strong>der</strong> Veranstaltung<br />

drehte sich eine Diskussionsrunde<br />

um Fragen wie<br />

„Warum sind die Grundschulen<br />

des Landes so ungleich<br />

ausgestattet?“ o<strong>der</strong> „Was sind<br />

Bausteine eines gelingenden<br />

medienpädagogischen<br />

Konzepts?“. Diese und weitere<br />

Fragen zur Digitalisierung<br />

von <strong>Schule</strong>n und Unterricht<br />

und den dazu notwendigen<br />

didaktischen und pädagogischen<br />

Konzepten wurden uns<br />

im Vorfeld von den Teilnehmer*innen<br />

zugeschickt.<br />

Neben einer Schulleiterin, die<br />

eindrucksvoll den Umgang<br />

mit Digitalisierung an ihrer<br />

<strong>Schule</strong> vorstellte, und einer<br />

Grundschullehrerin, die sich<br />

in ihrem Unterricht ebenfalls<br />

auf diesen Weg gemacht hat,<br />

stand die saarländische Ministerin<br />

für Bildung und Kultur,<br />

Christine Streichert-Clivot, auf<br />

dem Podium. Die Mo<strong>der</strong>ation<br />

übernahm unser Schriftführer,<br />

Pascal Kihm. Neben<br />

Vertreter*innen aus <strong>der</strong> GEW<br />

und dem saarländischen Lehrerinnen-<br />

und Lehrerverband<br />

waren außerdem universitäre<br />

Akteur*innen (1. Phase <strong>der</strong><br />

Lehramtsausbildung) sowie<br />

das Studienseminar (2. Phase<br />

<strong>der</strong> Lehramtsausbildung)<br />

vertreten und beteiligten<br />

sich durch Kommentare und<br />

Publikumsfragen an dem<br />

Podiumsgespräch.<br />

Dabei ging es in <strong>der</strong> Diskussionsrunde<br />

– und vor allem<br />

in den Kaffeepausen danach<br />

– um die Verknüpfung <strong>der</strong><br />

Phasen untereinan<strong>der</strong> und um<br />

Chancen <strong>der</strong> Zusammenarbeit.<br />

Zu den Pausenzeiten präsentierten<br />

sich verschiedene<br />

Projekte, u. a. <strong>der</strong> Universität<br />

des Saarlandes, die Einblicke<br />

in spannende Forschungsprojekte<br />

zu Augmented<br />

Reality gaben.<br />

In <strong>der</strong> anschließenden<br />

Workshop-Phase konnten die<br />

52 Teilnehmer*innen zu den<br />

Fächern Deutsch, Mathematik<br />

o<strong>der</strong> Sachunterricht praxisnahe<br />

Impulse zur Arbeit mit<br />

Apps, Tablets etc. ausprobieren,<br />

um digital unterwegs in<br />

<strong>der</strong> Grundschule zu sein.<br />

Wir bedanken uns bei allen<br />

Beteiligten und freuen uns<br />

bereits auf das nächste<br />

Grundschulforum! Weitere<br />

Infos und Termine findet<br />

ihr auf Instagram unter @<br />

didaktik_des_sachunterrichts.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Marie Fischer<br />

Von links nach rechts: Christine Streichert-Clivot (Bildungsministerin), Jacqueline Huppert<br />

(Schulleiterin einer Grundschule), Christina Surges (Grundschullehrerin)<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Vorsitzende: Christiane Mika, Ruhrbogen 30,<br />

45529 Hattingen; www.grundschulverband-nrw.de<br />

Pascal Kihm, Schriftführer <strong>der</strong><br />

Landesgruppe Saarland und<br />

Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong> Diskussionsrunde<br />

A 13 für alle Lehrkräfte und<br />

Herbsttagung in NRW!<br />

Noch in den Sommerferien<br />

fand ein erstes persönliches<br />

Gespräch mit <strong>der</strong> neuen<br />

Ministerin für <strong>Schule</strong> und<br />

Bildung Dorothee Feller<br />

und ihrem Staatssekretär<br />

Dr. Urban Mauer statt. Mitglie<strong>der</strong><br />

des Vorstands unserer<br />

Landesgruppe konnten<br />

ausführlich persönlich über<br />

die Arbeit des Grundschulverbands<br />

informieren. Das<br />

Gespräch im Büro <strong>der</strong> Ministerin<br />

war geprägt von großer<br />

Wertschätzung und echtem<br />

Interesse an unserer Expertise<br />

in wichtigen Grundschulfragen.<br />

Die Ankündigung <strong>der</strong><br />

Ministerin, den Stufenplan<br />

zur Umsetzung von A 13 für<br />

alle Lehrkräfte in NRW noch<br />

vor den Herbstferien vorzustellen,<br />

wurde inzwischen<br />

in die Tat umgesetzt. Die<br />

Verhandlungen mit dem<br />

Finanzministerium haben<br />

zum Ziel geführt und eine<br />

jahrzehntelange For<strong>der</strong>ung<br />

des GSV steht kurz vor <strong>der</strong><br />

Umsetzung. Wir begrüßen<br />

den Stufenplan und die<br />

Berücksichtigung aller im<br />

Dienst befindlichen und neu<br />

einzustellenden Lehrkräfte<br />

<strong>der</strong> Grundschulen ausdrücklich<br />

und freuen uns sehr, dass<br />

die Einladung zum 2. Treffen<br />

im Ministerium bereits<br />

terminiert wurde!<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Maxi Brautmeier-Ulrich<br />

48<br />

GS aktuell 160 • November 2022


KOMPLETT DIGITAL &<br />

FREI VERFÜGBAR - GSV-BAND 155<br />

Twitter, Instagram, Facebook, Zoom, Padlet, Podcast,<br />

Newsletter: Der Grundschulverband ist digital aktiv<br />

und erreicht dadurch immer mehr Menschen.<br />

Nun folgt <strong>der</strong> nächste große Schritt:<br />

Der Vorstand hat sich in Abstimmung mit <strong>der</strong> Landesdelegiertenversammlung<br />

entschieden, den nächsten<br />

Band komplett digital zu veröffentlichen.<br />

Band 155 „Grundschule in <strong>der</strong> Digitalität“ wird für<br />

Mitglie<strong>der</strong> & Nichtmitglie<strong>der</strong> online frei zugänglich sein:<br />

■ Der Downloadlink wird per Post (o<strong>der</strong> auf<br />

Wunsch per Mail) versendet.<br />

■ Die ersten Artikel werden bereits<br />

ab Dezember 2022 verfügbar sein.<br />

■ Die Qualität <strong>der</strong> Inhalte und <strong>der</strong>en<br />

redaktionelle Aufbereitung bleiben gleich.<br />

■ Durch diese neue Form <strong>der</strong> Verbreitung<br />

wollen wir mehr Menschen erreichen und<br />

für den Grundschulverband begeistern.<br />

Fragen &<br />

Ideen an:<br />

info@grundschulverband.de | grundschulverband.de<br />

Facebook: Grundschulverband<br />

Instagram: @grundschulverband<br />

Twitter: @GSV_eV<br />

GS aktuell 160 • November 2022<br />

U III


Grundschule aktuell<br />

Grundschulverband e. V.<br />

Frankfurter Straße 74–76 · 63263 Neu-Isenburg<br />

Tel. 06102 / 88 21 660 · Fax 06102 / 88 21 664<br />

info@grundschulverband.de<br />

www.grundschulverband.de<br />

Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />

D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />

Versandadresse<br />

Ausblick Grundschule aktuell 161<br />

Frieden gestalten – miteinan<strong>der</strong> leben und lernen<br />

In <strong>der</strong> kommenden Ausgabe von Grundschule aktuell steht das Thema<br />

„Frieden gestalten – miteinan<strong>der</strong> leben und lernen“ im Mittelpunkt. Diesem Thema,<br />

dem Frieden im Kleinen und im Großen, wollen wir uns aus drei Perspektiven<br />

nähern. Dabei finden folgende Schwerpunkte Berücksichtigung:<br />

● „Frieden mit sich selbst“, z. B. eigene Sicherheit durch verlässliche Strategien erlangen<br />

● „Frieden mit an<strong>der</strong>en“, z. B. Vielfalt akzeptieren, Vorurteile abbauen, Konflikte bewältigen<br />

● „Frieden in <strong>der</strong> Welt“, z. B. Ängste im Zusammenhang mit Krieg wahrnehmen,<br />

thematisieren und Zuversicht in menschliche Möglichkeiten stärken<br />

Sowohl in den Leitartikeln als auch in den Praxisbeiträgen gehen wir folgenden Fragen<br />

nach: Was meinen wir mit „Friedenserziehung“? Was bedeutet das Thema Friedenserziehung<br />

für Grundschule und was diese leisten sollte? Wie kann das Thema für den<br />

Bereich <strong>der</strong> Persönlichkeitsentwicklung aufbereitet werden und weit über einen Projektcharakter<br />

hinausgehen? An welcher Stelle benötigt <strong>Schule</strong> zusätzliche Hilfe?<br />

Die nächsten<br />

Themen<br />

Februar 2022<br />

Mai 2022<br />

September 2022<br />

Heft 161 | Februar 2023<br />

Frieden gestalten –<br />

miteinan<strong>der</strong> leben und lernen<br />

Heft 162 | Mai 2023<br />

Ganztagsanspruch<br />

Heft 163 | September 2023<br />

Pausenkulturen<br />

www.<br />

grundschule-aktuell.info

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