09.11.2022 Aufrufe

Mitteilungsblatt Thüringer Pfarrverein Jahresheft 2022

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Denn gerade in den Zeiten „großen

Sterbens“ kann es gut sein, dass nicht

genügend Priester oder Kapläne da sind

die zu allen Kranken kommen können

„und einem jeglichen überhaupt erst

alle Dinge sagen und ihn lehren können,

was ein Christenmensch in Sterbensnöten

wissen soll.“

Die Menschen dürfen nicht damit rechnen,

dass an ihrem Sterbebett täglich

eine „Kanzel“ oder „Altar“ aufgerichtet

werden würde, „weil sie die allgemeine

Kanzel und den Altar so verachtet haben,

wozu sie Gott (doch) berufen und

gefordert hat.“

Zum Dritten – wiederum sehr praktisch

– rät er den Seelsorger rechtzeitig zu

rufen und die „Kranken beizeiten und

am Anfang anmelden, ehe die Krankheit

überhandnimmt, und (so lange) noch

Sinn und Vernunft da ist. Das sage ich

deshalb: denn es sind etliche so saumselig,

dass sie nicht eher (den Pfarrer)

fordern oder sich ihm anmelden lassen,

bis die Seele auf der Zunge sitzt und

sie nicht mehr reden können und wenig

Vernunft mehr da ist. Da bitten sie

denn: Lieber Herr, sagt ihm das Beste

vor usw. Aber vorher, als die Krankheit

anfing, wünschten sie nicht, dass man

zu ihnen käme; sondern sagten: Ei, es

hat nicht Not, ich hoffe, es soll besser

werden.“

Hier greift Luther seine Kritik am sogenannten

„Sterbesakrament“ der römisch

– katholischen Kirche auf, die er

schon sehr massiv in der 1520 erschienen

Schrift:

„ Von der baylonischen Gefangenschaft

der Kirche dargelegt hatte.2 Der apostolische

Ratschlag zur Krankensalbung3 sei

verfälscht worden zur „Letzten Ölung“

bzw. zum Sterbesakrament. Luther:

„Diesem Brauch, die Kranken zu ölen,

haben unsere Theologen zwei ihrer würdige

Zusätze angefügt: Einen, daß sie das

ein Sakrament nennen, den andern, daß

sie es zu einer »letzten« (Ölung) machen.

So soll es jetzt das »Sakrament der letzten

Ölung« sein, welches niemandem gegeben

werden darf, er liege denn in den

letzten Zügen.“ 4

Schon 1524 hatte Luther die mittelalterliche

Antiphon „Media Vita in morte

sumus“ in dem bekannten Lutherlied

„Mitten wir im Leben sind mit dem Tod

umfangen.“ aufgenommen. 5

Also auch: Mitten im Leben sollst du

Dein Sterben bedanken. Aber dann

wenn es wirklich an Sterben geht, sollst

Du gar nicht mehr daran denken, sondern

sollst es umkehren: Mitten im Sterben

sind wir vom Leben umfangen. 6

2 Martin Luther: Von der babylonischen

Gefangenschaft der Kirche (1520), [WA 6, 497-573]

(vgl. Anm.1), Seiten 1348-1465. Text „Vom

Sakrament der letzten Ölung“: Seite 1444ff.

3 Der Brief des Jakobus 5,13-16: „Ist jemand

unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der

Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben

mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet

des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der

Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden

getan hat, wird ihm vergeben werden.“

4 Ebd., Seite 1444.

5 Evangelisches Gesangbuch Nr. 518

6 Dazu ausführlich: Horst Hirschler: Wie ein Tod

den andern fraß - Luthers Bereitung zum Sterben,

in: Ders.: Luther ist uns weit voraus, Hannover

1996, Seite 173-234.

18

Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!