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One Day Magazin Ausgabe 2

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GERMAN<br />

DOCTORS<br />

Beitrag zum<br />

Anti-FGM-Projekt<br />

in Sierra Leone<br />

Die Zusammenarbeit mit den German<br />

Doctors ist über viele Jahre gewachsen.<br />

Ihren Anfang nahm sie für uns sogar in<br />

Sierra Leone 2016.<br />

Wir sind so stolz darauf mit einem so<br />

starken Partner an unserem Standort in<br />

Makeni zusammen zu arbeiten.<br />

Wir teilen uns Kosten für die Infrastruktur<br />

des Schutzhauses, arbeiten in<br />

unterschiedlichen Projekten, aber an einem<br />

großen gemeinsamen Ziel.<br />

Die Welt für Mädchen besser zu machen.<br />

L<br />

uba* trägt ihre Haare neuerdings ganz offen. Die 13-<br />

jährige setzt damit ein Zeichen, will sich auch nach<br />

außen erkennbar von den meisten Frauen und Mädchen<br />

im westafrikanischen Sierra Leone unterscheiden. Denn:<br />

Luba bricht mit einer tief in der sierra-leonischen<br />

Gesellschaft verankerten Praxis. Sie ist nicht beschnitten.<br />

„Ich bin stolz darauf, ein<br />

unbeschnittenes Madchen zu sein,<br />

mit all meinen intakten<br />

Korperteilen.“<br />

Ich fühle mich gut so und habe die Kontrolle über<br />

meinen Körper“, sagt sie selbstbewusst. 59 junge<br />

Mädchen aus der Gegend von Bumbuna, einem kleinen<br />

Ort im Norden des Landes, hat Luba inspiriert, es ihr<br />

gleichzutun. Vorbilder wollen sie sein und mehr<br />

Mädchen ermutigen, sich dieser Praxis zu widersetzen.<br />

Eine mutige Entscheidung in einem Land, in dem laut<br />

UNICEF nach wie vor rund 86 Prozent der Frauen und<br />

Mädchen beschnitten sind.<br />

Noch immer gilt diese Praxis in der breiten Bevölkerung<br />

Sierra Leones als Aufnahmeritual in die bestehende<br />

gesellschaftliche Ordnung. Durchgeführt wird der<br />

Eingriff fast immervon Beschneiderinnen, die damit auch<br />

ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie entfernen den<br />

Mädchen ganz oder teilweise die äußeren<br />

Geschlechtsorgane, also Klitoris und Schamlippen –<br />

meist ohne Betäubung mit Messern, Rasierklingen oder<br />

Glasscherben. Die Folgen dieses gewalttätigen Eingriffs<br />

sind vielfältig. Sie reichen von starken Schmerzen und<br />

Schock über schwere Blutungen – im schlimmsten Fall<br />

mit Todesfolge – Infektionen, Zysten und<br />

Unfruchtbarkeit bis hin zu Komplikationen bei späteren<br />

Entbindungen und psychologischen Problemen.<br />

German Doctors-Einsatzärzte behandeln die Folgen der<br />

schädlichen Praxis<br />

Die schlimmen Folgen der weiblichen<br />

Genitalverstümmelung (auch FGM genannt, von eng.:<br />

„female genitale mutilation“) sehen die lokalen<br />

Mitarbeitenden und die ehrenamtlichen Einsatzärzte der<br />

Hilfsorganisation German Doctors e.V. im „Serabu<br />

Community Hospital“ jeden Tag. Das von der<br />

Nichtregierungsorganisation betriebene Hospital im<br />

ländlichen Bezirk Bumpeh Ngao hat einen Schwerpunkt<br />

im Bereich Mutter-Kind-Gesundheit sowie Geburtshilfe.<br />

Viele der dort durchgeführten Behandlungen wären<br />

nicht nötig, wären die Patientinnen nicht verstümmelt. Dr.<br />

Christine Winkelmann, Vorständin des German Doctors<br />

e.V. erklärt, warum sich der Verein seit Ende 2020 im<br />

Rahmen des Partnerprojekts „My Body My Right“ gegen<br />

die weibliche Genitalverstümmelung engagiert: „Wir<br />

wollten uns nicht mehr nur kurativ um die betroffenen<br />

Frauen und Mädchen kümmern, sondern auch<br />

vorbeugende Maßnahmen unterstützen, damit diese<br />

menschenrechtsverletzende Praxis irgendwann der<br />

Vergangenheit angehört. Wir sind froh, mit der ‚Commit<br />

and Act Foundation Sierra Leone‘ einen Partner<br />

gefunden zu haben, der sich seit vielen Jahren<br />

erfolgreich in diesem Bereich engagiert.“<br />

Luba und ihre Freundinnen sind Teilnehmerinnen des<br />

Projekts „My Body My Right“ – so wie aktuell weitere 340<br />

Mädchen aus vier Gemeinden. Und es könnten noch<br />

mehr sein. Die Nachfrage nach einer Aufnahme in das<br />

Programm steigt! Das mag fast ein wenig überraschen,<br />

wenn man davon ausgeht, dass diese Praxis tief in der<br />

sierra-leonischen Gesellschaft verwurzelt ist.<br />

Zwangsläufig stellt sich die Frage nach dem<br />

Erfolgsrezept des Projekts der „Commit and Act<br />

Foundation Sierra Leone“ (CAF-SL)<br />

und der German Doctors. „Das<br />

Geheimnis der breiten Akzeptanz<br />

liegt wohl in seinem<br />

Mehrebenenansatz“, erklärt<br />

Winkelmann. „Die Initiative setzt bei<br />

allen wichtigen Zielgruppen an: bei<br />

den Mädchen selbst, ihren Eltern<br />

und anderen Bezugspersonen, in<br />

den Schulen, Gemeinden<br />

und mittels Lobbyarbeit auch<br />

auf staatlicher Ebene. Wir<br />

klären auf, setzen uns für<br />

Bildung ein und eröffnen<br />

sowohl den Eltern kurzfristig<br />

als auch den Mädchen<br />

langfristig berufliche<br />

Perspektiven. Nur so können<br />

wir einen grundlegenden<br />

Wertewandel in der sierraleonischen<br />

Gesellschaft<br />

unterstützen sowie Mädchen<br />

und Frauen ermöglichen,<br />

selbstbestimmt zu leben.“<br />

Bildung ermöglicht den<br />

Mädchen ein selbstbestimmtes<br />

Leben<br />

Praktisch gestaltet sich das wie<br />

folgt: In Lubas Heimatort Bumbuna<br />

führten Projektmitarbeitende<br />

zunächst eine Reihe von<br />

Aufklärungsveranstaltungen durch<br />

– unter Einhaltung der geltenden<br />

Covid-19<br />

Hygieneregeln,<br />

selbstverständlich. Sie machten<br />

den Einwohnern die vielfältigen<br />

schädlichen Auswirkungen der<br />

Beschneidungspraktiken bewusst.<br />

Immerwieder betonten sie auch die<br />

Wichtigkeit von Schulbildung für<br />

die Mädchen. Untermauert haben<br />

sie diesen Appell durch die<br />

Bereitstellung von Schulmaterialien<br />

und finanzieller Unterstützung der<br />

Bildungseinrichtungen. Zusätzlich<br />

richteten sie sogenannte „Clubs“ in<br />

den Schulen ein, die von den<br />

Projektteilnehmerinnen selbst<br />

geleitet und von Lehrerinnen und<br />

Lehrern mitbetreut werden. Die<br />

Botschaft: „Wir unbeschnittenen<br />

Mädchen sind etwas Besonderes.<br />

Wir sind selbstbewusst, modern,<br />

und wir bestimmen über unseren<br />

Körper.“ Die Lehrerinnen und Lehrer<br />

berichten, dass sich die schulischen<br />

Leistungen der Mädchen mit ihrem<br />

wachsenden Selbstbewusstsein<br />

gesteigert haben. Und sie werden<br />

nicht mehr von den anderen<br />

Mädchen stigmatisiert, sondern<br />

bewundert und als Vorbilder<br />

angesehen. „Ein Wertewandel und<br />

die Veränderung einer<br />

gesellschaftlichen Praxis braucht<br />

natürlich Zeit. Aber das große<br />

Interesse an dem Projekt zeigt<br />

auch, dass die Zeit für den Wandel<br />

reif ist und dass wir hier zum<br />

richtigen Zeitpunkt die<br />

Partnerinnen vor Ort<br />

unterstützen.“, so die<br />

Vorständin der German<br />

Doctors.<br />

Mitverantwortlich für das<br />

Gelingen des Projekts sind<br />

auch die sogenannten<br />

„Change Agents“,<br />

Lehrerinnen und Lehrer<br />

sowie andere Akteurinnen<br />

und Akteure, die besonders<br />

sorgsam rund um das<br />

Thema weibliche<br />

Genitalverstümmelung<br />

aufgeklärt wurden, jetzt als<br />

Multiplikatoren ihr Wissen<br />

weitergeben und ihrerseits neue<br />

„Change Agents“ gewinnen. Auch<br />

über das Radio klären die<br />

Projektmitarbeitenden die sierraleonische<br />

Öffentlichkeit über die<br />

Folgen der weiblichen<br />

Genitalverstümmelung auf Körper<br />

und Seele auf. Dieser Kanal ist<br />

besonders effektiv, da das Radio ein<br />

weitverbreitetes Medium<br />

besonders in ländlichen Gebieten<br />

ist.<br />

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