Hundertpfund_TirolerKripobeamter_Leseprobe
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Christoph<br />
<strong>Hundertpfund</strong><br />
Christoph <strong>Hundertpfund</strong><br />
Ein Tiroler Kripobeamter<br />
weltweit im Einsatz<br />
Von Kapitalverbrechen gegen Leib und Leben,<br />
Identifizierung von Katastrophenopfern,<br />
Sprengstoffhunden in Österreich und anderem<br />
Ein<br />
Tiroler<br />
Kripobeamter<br />
weltweit im Einsatz<br />
1
Alle Rechte vorbehalten<br />
Copyright © Berenkamp Wattens<br />
www.berenkamp.at<br />
ISBN 978-3-85093-425-1<br />
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung<br />
Land Tirol, Kulturabteilung<br />
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische<br />
Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar<br />
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Christoph <strong>Hundertpfund</strong><br />
Ein Tiroler Kripobeamter<br />
weltweit im Einsatz<br />
Von Kapitalverbrechen gegen Leib und Leben,<br />
Identifizierung von Katastrophenopfern,<br />
Sprengstoffhunden in Österreich und anderem<br />
3
5<br />
Vorwort<br />
7<br />
I – Faszination Kriminalpolizei<br />
15<br />
II – Kapitalverbrechen gegen Leib und Leben<br />
1. Abscheulicher Mord im Freibad<br />
22<br />
2. Die Kidnapperin<br />
33<br />
3. Leichenfund an der Brennerstraße<br />
60<br />
4. Ein heimtückischer Mörder<br />
84<br />
III – Identifizierung von Katastrophenopfern<br />
95<br />
1. Die Lawinenkatastrophe von Galtür und Valzur<br />
104<br />
2. Der Tod aus dem Meer<br />
130<br />
3. „Tante Ju‘s“ letzter Flug<br />
137<br />
4. Flugzeugabsturz in Äthiopien<br />
150<br />
IV – Der erste Sprengstoffhund in Österreich<br />
4
Vorwort<br />
Der Beruf eines Kriminalbeamten hat mich schon als Bub fasziniert, nachdem<br />
ich beim Stöbern auf dem elterlichen Dachboden zufällig auf das alte<br />
Fachbuch mit dem Titel „Die Kriminalpolizei“ gestoßen war. Ich möchte<br />
nicht verhehlen, dass mich die Lektüre des mehr als 700 Seiten umfassenden<br />
Handbuchs bei meiner Berufswahl maßgeblich beeinflusst hat.<br />
Den lang gehegten Kindheitstraum verwirklichte ich 1986, als ich auf die<br />
Planstelle eines leitenden Beamten im Kriminaldienst der österreichischen<br />
Bundesgendarmerie ernannt wurde. Bis zu meiner Pensionierung im Jahr<br />
2020 war ich über 34 Jahre als Kriminalbeamter in Oberösterreich und Tirol<br />
tätig, zuletzt 15 Jahre als stellvertretender LKA-Leiter in Innsbruck.<br />
Rückblickend erachte ich es als Privileg, dass ich mit den unterschiedlichsten<br />
dienstlichen Aufträgen im Gepäck um die halbe Welt reisen durfte.<br />
Wie professionelle Kriminalisten wirklich ermitteln, erfahren Sie in diesem<br />
Buch am Beispiel von vier spektakulären Mordfällen aus Oberösterreich<br />
und Tirol: Der abscheuliche Mord an einem kleinen Mädchen im Freibad,<br />
der tragische Fall eines entführten Buben, der sterben musste, weil die Kidnapperin<br />
ihren kriminellen Plan nicht zu Ende gedacht hatte, der Fund einer<br />
Frauenleiche neben der Brennerstraße, der zu den unglaublichsten und skurrilsten<br />
Kriminalgeschichten Tirols zählt, bei dem der Mörder vor der Tat die<br />
Identität eines Toten angenommen hatte sowie eine tote Bankerin in ihrem<br />
angezündete Auto und acht verschwundene Goldbarren geben Gelegenheit,<br />
hinter die Kulissen der kriminalpolizeilichen Arbeit zu blicken.<br />
Unbekannte Tote nach Naturkatastrophen oder Flugzeugabstürzen zu<br />
identifizieren, stellt eine besondere Herausforderung kaum allgemein bekannter<br />
polizeilicher Ermittlungsarbeit dar, die ich der interessierten Leserschaft<br />
gern näherbringen will. Mein berührender Erlebnisbericht über die<br />
Lawinenkatastrophe Galtür, den polizeilichen Tsunami-Einsatz in Thailand<br />
und zwei Flugzeugabstürze (Schweiz, Äthiopien), bei denen ich als Identifizierungsexperte<br />
vor Ort war, bietet einen ersten Einblick in diese heikle<br />
Polizeiarbeit.<br />
Die von mir initiierte, aber nicht mit der vorgesetzten Zentralstelle in der<br />
Bundeshauptstadt akkordierte, weil von ihr abgelehnte Ausbildung des ersten<br />
Sprengstoffspürhunds in (Ober-)Österreich führt Ihnen vor Augen, wie<br />
ein erfolgreiches Projekt mit all seinen Facetten ohne Not abgewürgt wurde,<br />
weil es den verantwortlichen Entscheidungsträgern in Wien damals nicht in<br />
den Kram passte. Erst zehn Jahre später wurde der erste offizielle Sprengstoffhund<br />
der österreichischen Exekutive in den Dienst gestellt.<br />
5
Um Persönlichkeitsrechte betroffener Personen zu schützen und das<br />
Amtsgeheimnis zu wahren, habe ich die Namen der handelnden Personen<br />
und vieler Örtlichkeiten, mitunter auch einige Details der geschilderten<br />
Straftaten, frei erfunden, falls diese nicht ohnehin Gegenstand der medialen<br />
Berichterstattung oder öffentlichen Erörterungen bei Gerichtsverhandlungen<br />
waren.<br />
Für Ihr Interesse an meinem Buch „Als Tiroler Kripobeamter weltweit im<br />
Einsatz“ bedanke ich mich herzlich und wünsche Ihnen eine kurzweilige<br />
und spannende Lektüre, bei der unerwartete Überraschungen wohl nicht zu<br />
kurz kommen werden.<br />
Ihr<br />
Christoph <strong>Hundertpfund</strong><br />
Herbst 2022<br />
6
I<br />
Faszination Kriminalpolizei<br />
Als ich im Alter von ungefähr zehn Jahren beschloss, Kriminalbeamter zu<br />
werden, wollte mir das niemand ernsthaft glauben, am wenigsten meine Eltern.<br />
Es war und ist auch heute durchaus nicht ungewöhnlich, dass Buben während<br />
des Heranwachsens aus unterschiedlichsten Beweggründen bestimmte Berufsbilder<br />
vor Augen haben und davon träumen, Pilot, Lokführer oder Feuerwehrmann<br />
zu werden. Nur in den seltensten Fällen werden diese Träume im Erwachsenenalter<br />
in die Realität umgesetzt. Bei mir war es jedoch anders.<br />
Auslöser für meinen frühen Berufswunsch war „Die Kriminalpolizei – Handbuch<br />
für den kriminellen Polizeidienst“ von Arnold Lichem, Gendarmerieoberst<br />
und Landesgendarmeriekommandant für Niederösterreich. Den knapp<br />
zwei Kilo schweren und 748 Seiten zählenden Wälzer entdeckte ich, als ich<br />
wieder einmal mit der Taschenlampe in der Hand den finstersten Ort des elterlichen<br />
Wohnhauses, den Dachboden, erkunden wollte. Im Lichtkegel der<br />
Lampe fiel mir das Buch sogleich auf; es war das unterste und zugleich dickste<br />
in einem Stapel von mehreren Büchern, über den sich im Lauf der Jahre<br />
eine dünne Staubschicht gelegt hatte. Ich zog es heraus, wischte den Staub ab<br />
und begann darin zu blättern. Das Kompendium weckte sofort meine kindliche<br />
Neugierde, nicht zuletzt deshalb, weil das Druckwerk aufgrund seines<br />
Erscheinungsbilds und Titels für mich den Anschein einer „verbotenen Lektüre“<br />
erweckte. Mir war sofort klar, dass das Werk aus dem Besitz meines Vaters<br />
stammen musste, der allerdings zum Zeitpunkt dieses Fundes schon jahrelang<br />
als frühpensionierter Gendarmeriebeamter seinen Lebensabend genoss. Meine<br />
bohrenden Fragen, wie es ihm als Ordnungshüter und schließlich als Angehöriger<br />
der deutschen Polizei während des Zweiten Weltkriegs ergangen war,<br />
beantwortete mein Vater zu meinem Missfallen meist nur sehr oberflächlich.<br />
Der erste vorsichtige Blick in das geheimnisumwitterte Buch mit zahlreichen<br />
Abbildungen zog mich zusehends in seinen Bann. Dabei störte mich auch<br />
nicht sonderlich, dass das in altdeutscher Druckschrift verfasste Werk „schrifttechnisch“<br />
für mich nur sehr schwer zu lesen war. Unzählige Stunden verbrachte<br />
ich damit, mich durch die Seiten zu mühen oder – besser gesagt – diese<br />
7
zu „entziffern“ und die vielen Illustrationen zu bestaunen. Texte über Polizeihund,<br />
kriminalistische Fotografie, Tatbestandslehre, gerichtliche Medizin und<br />
Grundformen polizeilicher Tätigkeit im Kriminaldienst stachen mir besonders<br />
ins Auge. Dazu kamen noch unzählige fotografische Abbildungen, unter denen<br />
sich auch etliche abstoßende Leichenfotos befanden. Ein Kapitel im Buch<br />
war sogar der Aufnahmeprüfung für Kriminalbeamte gewidmet.<br />
Meinen Eltern gegenüber verschwieg ich den Buchfund vom Dachboden<br />
lange Zeit. Ich musste ja befürchten, dass mir das „Polizeibuch“ wegen seines<br />
teilweise nicht jugendfreien Inhalts sogleich abgenommen würde. Das wollte<br />
ich auf jeden Fall verhindern<br />
Während der Gymnasialzeit machte ich mir bei verschiedensten Gelegenheiten<br />
immer wieder einen Spaß daraus, andere Menschen unbemerkt zu beobachten<br />
und meine Schlüsse aus deren Verhalten zu ziehen. Auch der Deutschprofessorin<br />
blieb mein besonderes Interesse füras „kriminalpolizeiliche Genre“<br />
nicht verborgen. Sie gab mir bei der mündlichen Deutschmatura als Prüfungsfrage<br />
sinnigerweise den literarischen Kriminalroman „Der Richter und sein Henker“<br />
von Friedrich Dürrenmatt zur Erörterung, der aus meiner Sicht auf meine<br />
damalige persönliche Interessenslage besonders zugeschnitten war. Bei der<br />
Hauptfigur des Romans handelt es sich um den Kriminalbeamten Bärlach, der<br />
alle Register zieht, um seinen Dienstkollegen trotz komplizierter Verstrickungen<br />
und ungeahnter Entwicklungen letztlich des Mordes an einem Polizisten zu<br />
überführen. Nachdem ich die Matura abgelegt hatte, war mein später über die<br />
Jahre zunehmend gefestigter Berufswunsch, Kriminalbeamter zu werden, etwas<br />
verblasst. Es war das Reisen, das mich damals immer mehr faszinierte.<br />
Ich sah mich daher nach einer Möglichkeit um, um den Traum, fremde Länder<br />
zu bereisen, eventuell beruflich zu verwirklichen, etwa durch einen Job bei<br />
einer Fluggesellschaft. Gemeinsam mit einem Freund bewarb ich mich als Steward<br />
bei der deutschen Lufthansa AG. Das Glück war mir hold, und ich wurde<br />
zum Aufnahmegespräch nach Frankfurt eingeladen, was mir zu meinem ersten<br />
(und noch dazu kostenlosen) Linienflug verhalf. Er sollte mir aufgrund von<br />
während des Flugs fallweise auftretenden heftigen Turbulenzen jedoch nicht<br />
besonders gut bekommen.<br />
Noch unter dem Eindruck des unruhigen Flugs stehend, gab ich kurze Zeit<br />
später mein Bewerbungsschreiben beim Landesgendarmeriekommando für<br />
Tirol ab. Nach der bestandenen Aufnahmeprüfung entschloss ich mich doch<br />
für die bodenständiger scheinende Karriere bei der Gendarmerie, freilich wieder<br />
mit dem klaren Ziel vor Augen, eines Tages Kriminalbeamter zu werden.<br />
Für mich hat es keine Rolle gespielt, dass das Berufsbild des Gendarmen<br />
oder Polizisten damals in der Öffentlichkeit nicht besonders positiv besetzt<br />
war. Das einst verbreitete Vorurteil, dass Polizisten die Menschen ständig überwachen,<br />
häufig Strafmandate ausstellen oder Personen bei jeder sich bietenden<br />
Gelegenheit zurechtweisen, beeinflusste mich bei meiner Berufswahl in keiner<br />
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Weise negativ. Freilich verhehle ich nicht, dass ich damals als junger Mann eine<br />
lebensfremde Idealvorstellung vom Beruf eines Polizisten hatte. Für mich war<br />
ein Polizist jemand, der nicht in erster Linie Strafmandate ausstellte und Menschen<br />
tadelte, sondern sich für eine gerechtere Welt einsetzte, indem er Straftaten<br />
aufklärte und Verbrecher hinter Schloss und Riegel brachte.<br />
Nach der Gendarmerie-Grundausbildung trat ich im Dezember 1979 meinen<br />
ersten Dienst auf dem Gendarmerieposten Zirl an. Dessen geografische<br />
Lage bot für einen an Fremdsprachen Interessierten wie mich die Gelegenheit,<br />
das breite Bildungsangebot der nahen Landeshauptstadt zu nutzen.<br />
Rasch wurde mir klar, dass der Beruf eines Gendarmeriebeamten genau<br />
das Richtige für mich war. Die Bearbeitung kleinerer Kriminalfälle ließ auch<br />
nicht lange auf sich warten. Sobald jedoch der eine oder andere Fall etwas größer<br />
und spannender zu werden schien, wie zum Beispiel der Brand eines gestohlenen<br />
Pkw in der Nähe der Martinswand bei Zirl, zog zu meiner großen<br />
Enttäuschung die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos die<br />
weiteren Ermittlungen an sich. In diesen Momenten hätte ich viel lieber dort<br />
als auf einer Dienststelle mit zehn Beamten gearbeitet, was aufgrund meiner<br />
fehlenden Diensterfahrung natürlich ausgeschlossen war.<br />
Dennoch gelang es mir einmal während meiner vierjährigen Dienstverrichtung<br />
auf dem Gendarmerieposten Zirl, mehrere Tage mit den Kollegen der Kriminalabteilung<br />
enger zusammenzuarbeiten. Meine Französischkenntnisse kamen<br />
mir dabei zugute. Die Kriminalisten ermittelten gegen den Inhaber eines<br />
als Privatsauna getarnten Bordells mit offenbar fremdländischen Prostituierten<br />
und suchten einen Gendarmeriekollegen, der Französisch sprach, um nicht<br />
gleich einen Dolmetscher beiziehen zu müssen. Französisch deshalb, weil über<br />
den überwachten Anschluss des Saunabetriebs häufig Gespräche in französischer<br />
Sprache geführt worden waren. Meine Aufgabe bestand kurzgesagt darin,<br />
die Telefongespräche der dort illegal beschäftigten Damen, die allesamt aus<br />
dem französischen Überseegebiet Guadeloupe stammten, zumindest in groben<br />
Zügen zu übersetzen. Ich war dann auch richtig stolz, dass ich als „kleiner<br />
Inspektor“ später beim Zugriff, also bei der Festnahme der Tatverdächtigen,<br />
dabei sein durfte.<br />
Die Ausforschung eines „unbekannten Täters“ aus den eigenen Reihen, der<br />
sich auf dem Gendarmerieposten Zirl mehrmals heimlich und unerlaubt an<br />
einer gemeinschaftlichen Cognac-Flasche „vergriff“, verursachte naturgemäß<br />
nicht bei allen Kollegen ein breites Grinsen. Das Corpus delicti war eine Flasche<br />
mit hochprozentigem Inhalt, das Weihnachtsgeschenk einer Zirler Bürgerin an<br />
die gesamte Postenbelegschaft. Die Flasche war vorerst für einen besonderen<br />
Anlass im obersten Fach eines Schranks in meinem Büro aufbewahrt worden.<br />
Aber einen Grund zum Feiern gab es zunächst (noch) nicht. Nichtsdestotrotz<br />
nahm der Füllstand der Cognac-Flasche wie von Zauberhand stetig ab. Da niemand<br />
von uns jüngeren Gendarmen auch nur eine leise Ahnung hatte, wer<br />
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wohl der durstige Kollege sein könnte, wollte ich der Sache diskret auf den<br />
Grund gehen. Natürlich nach allen Regeln kriminalistischer Kunst.<br />
Es bestand ein vager Anfangsverdacht, der sich später jedoch als falsch herausstellte.<br />
Zur Lösung dieses „internen Falls“ besorgte ich mir bei der Kriminalabteilung<br />
eine sogenannte „Diebesfalle“, auch „Fangmittel“ genannt, die<br />
hier aus Vaseline als Trägermaterial und einem ungefährlichen, leicht ätzenden<br />
Silbernitratpulver bestand. Mit diesen „Ingredienzien“ ausgestattet, präparierte<br />
ich – für das freie Auge unsichtbar – den Verschluss der Cognac-Flasche<br />
mit dem Fangmittel. Ein Hautkontakt mit dem chemischen Pulver würde nach<br />
kurzer Zeit zu einer harmlosen, aber auffälligen und kaum zu verbergenden<br />
Schwarzfärbung der Hautoberfläche führen.<br />
Schon wenige Tage später lieferte sich der unbekannte, nicht mehr ganz<br />
junge „Cognac-Liebhaber“, der noch dazu im Obergeschoss des Gendarmeriepostens<br />
eine Dienstwohnung besaß, nach einem erneuten Griff zur Flasche<br />
unfreiwillig ans Messer. Der vorgesetzte Beamte zeigte uns schimpfend seine<br />
geschwärzten Finger; nichts ahnend beschwerte er sich lautstark darüber, dass<br />
offenbar jemand aus seiner Postenmannschaft irgendwo auf der Dienststelle<br />
unfachmännisch mit einer Diebesfalle hantiert hätte und er der Leidtragende<br />
dieser „dummen Spielerei“ sei. Er hegte offenbar nicht im Entferntesten den<br />
Verdacht, dass die schwarzen Finger mit seinem heimlichen Schluck aus der<br />
Cognac-Flasche zu tun haben könnten.<br />
Nach dem Abschluss der Offiziersakademie der Sicherheitsexekutive in<br />
Mödling (Dezember 1985) hatte ich das Glück, die damals österreichweit einzige<br />
freie Planstelle für einen leitenden Beamten im Kriminaldienst der Bundesgendarmerie<br />
zu ergattern. Aus diesem Grund nahm ich gern in Kauf, von Tirol<br />
zum Landesgendarmeriekommando nach Oberösterreich versetzt zu werden.<br />
Ganze vier Jahre – sozusagen meine Lehrjahre als Kripobeamter – verbrachte<br />
ich bei der Kriminalabteilung in Linz, die kriminalpolizeilich für 15 Bezirke<br />
Oberösterreichs, nicht jedoch für die Statutarstädte Linz, Wels und Steyr zuständig<br />
war. In Oberösterreich erlebte ich dienstlich sehr viel, sammelte eine<br />
Menge beruflicher Erfahrung und eignete mir fachspezifisches Wissen an.<br />
Dass ausgerechnet mein allererster Fall im Kriminaldienst, auf den ich später<br />
näher eingehen werde, ein abscheulicher Mord sein würde, der am helllichten<br />
Tag im geöffneten Freibad von Marchtrenk (OÖ) entdeckt wurde, hatte ich natürlich<br />
nicht vorausahnen können.<br />
Besonders interessant fand ich meine weitere Aufgabe als Diensthundereferent<br />
des Landesgendarmeriekommandos, die ich im Jänner 1987 neben meiner<br />
Funktion als leitender Kriminalbeamter übernommen hatte. Dazu ist anzumerken,<br />
dass das Diensthundewesen der Österreichischen Bundesgendarmerie<br />
damals eng mit der Kriminalabteilung im jeweiligen Bundesland verknüpft<br />
war und von dort aus organisiert und geleitet wurde. Diese spannende Aufgabe<br />
führte mich in viele Bezirke Oberösterreichs, wo alle zwei Monate Dienst-<br />
10
hundeübungen abgehalten wurden, an denen fast 30 Hundeführer mit ihren<br />
Diensthunden teilnahmen.<br />
Große Aufregung herrschte im Jahr 1988, als im Innenministerium bekannt<br />
wurde, dass wir in Oberösterreich nicht ganz ohne Grund eigenmächtig einen<br />
Sprengstoffspürhund ausgebildet hatten, ohne jedoch die Zentralstelle in Wien<br />
darüber informiert zu haben. Die Wiener hatten nämlich seit Jahren eine solche<br />
Ausbildung strikt abgelehnt. Die Weisung aus dem Zentralkommando führte<br />
daraufhin zum sofortigen Stopp des erfolgreichen Projekts. Erstaunlicherweise<br />
waren wir mit dem „Sprengstoffspüren“ unserer Zeit weit voraus, letztlich<br />
dauerte es weitere zehn Jahre, bis schließlich der erste offizielle Sprengstoffspürhund<br />
der Exekutive in Österreich einsatzbereit war (1998), diesmal jedoch<br />
von Wien initiiert.<br />
Meine bittere Erkenntnis aus dem gescheiterten Vorhaben war, dass innovative<br />
Ideen im Ministerium nicht immer wohlwollend aufgenommen oder<br />
umgesetzt wurden, schon gar nicht dann, wenn sie nicht von dort ausgegangen<br />
waren. Oder anders ausgedrückt: Im bürokratischen Getriebe brauchte gut<br />
Ding mitunter Weile oder wurde einfach abgedreht, falls die Sache den einflussreichen<br />
Herren nicht in den Kram passte.<br />
Meinem Ersuchen, nach Tirol zurückversetzt und dort bei der Kriminalabteilung<br />
des Landesgendarmeriekommandos für Tirol eingeteilt zu werden,<br />
wurde am 01.01.1990 entsprochen. Obwohl mich meine Dienstverwendung<br />
in Oberösterreich beruflich sehr erfüllte, war ich froh, wieder in die Heimat<br />
zurückzukehren. Der wochenlange Hochnebel während der Wintermonate in<br />
Linz hatte mir doch einigermaßen zu schaffen gemacht, wie ich mit einem kleinen<br />
Augenzwinkern anmerken darf. Das nebenberufliche Studium der Rechtswissenschaften<br />
in Innsbruck schloss ich 1995 mit dem Doktorat ab.<br />
In Anbetracht der weltweit vermehrt auftretenden Katastrophen – wie etwa<br />
Flugzeugabstürze, schwere Zugunglücke, aber ebenso Naturkatastrophen mit<br />
zahlreichen Todesopfern, bei denen hin und wieder auch österreichische Opfer<br />
zu beklagen waren – interessierte mich neben der Routinearbeit im Kriminaldienst<br />
zunehmend eine sehr spezifische polizeiliche Aufgabe, nämlich die Identifizierung<br />
von Opfern von Großschadensereignissen. Mir war dabei bewusst,<br />
dass diese Zusatzaufgabe eine besondere Spezialisierung meinerseits erfordern<br />
und eine enorme psychische Belastung mit sich bringen würde, von der ich<br />
damals noch nicht wissen konnte, ob ich ihr überhaupt gewachsen sein würde.<br />
Im Anschluss an die Leitung des Leichen-Identifizierungseinsatzes nach den<br />
Lawinenabgängen in Galtür und Valzur (Februar 1999) mit 38 Toten sowie aufgrund<br />
meiner maßgeblichen Mitwirkung am Aufbau des Österreichischen DVI-<br />
Teams (DVI: Disaster Victim Identification = Identifizierung von Opfern von<br />
Großschadensereignissen) wurde ich nach meiner DVI-Sonderausbildung auch<br />
auf internationaler Ebene immer wieder als Experte zur Identifizierung von<br />
Katastrophenopfern beigezogen. Daraus ergab sich mein zweites dienstliches<br />
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Standbein, das neben den routinemäßig übertragenen Regelaufgaben im Kriminaldienst<br />
eine weitere spannende Herausforderung mit sich brachte.<br />
Nach dem Tsunami am 26. Dezember 2004 in Südostasien, der binnen weniger<br />
Minuten ein beliebtes Urlauberparadies in ein Katastrophengebiet verwandelte,<br />
war ich insgesamt sechs Monate als Leiter des österreichischen<br />
DVI-Teams in den Leichen-Identifizierungsprozess in Thailand eingebunden.<br />
Es folgten weitere DVI-Einsätze und zahlreiche internationale DVI-Übungen,<br />
unter anderem in London, Brüssel und Madrid, an denen ich mitwirken durfte.<br />
Hervorzuheben sind auch der Absturz des Oldtimer-Flugzeugs Junkers 52 im<br />
August 2018 in den Schweizer Alpen und zuletzt der Flugzeugabsturz (Boeing<br />
737 MAX) im März 2019 in der Nähe von Addis Abeba (Äthiopien) mit jeweils<br />
drei österreichischen Opfern. Über meine Einsatzerfahrungen nach den beiden<br />
genannten Flugzeugabstürzen sowie bei den Identifizierungseinsätzen in Galtür<br />
(Tirol) und Phuket (Thailand) werde ich im Kapitel „Opferidentifizierung<br />
unter schwierigen Bedingungen“ ausführlich berichten.<br />
Die mehrwöchigen dienstlichen Hospitationen in Helsinki (Finnland, 2000)<br />
und Rom (Italien, 2001) sowie der elfwöchige Studienaufenthalt an der FBI National<br />
Academy (FBINA) in Quantico, Virginia, USA (2004), halfen mir, den<br />
kriminalpolizeilichen Horizont auf internationaler Ebene zu erweitern und<br />
nützliche polizeiliche Netzwerke zu knüpfen. Für mich zeigte sich im Lauf<br />
der Jahre wiederholt, dass globale kriminalpolizeiliche Kontakte für die grenzüberschreitende<br />
Verbrechensbekämpfung von großer Bedeutung sind. Als österreichischer<br />
Vertreter durfte ich 2016 am vierwöchigen „Top Senior Police<br />
Officers Course (TOPSPOC)“ teilnehmen, einem vom Europäischen Polizei<br />
College (CEPOL) organisierten Fortbildungskurs für Spitzenpolizisten aus den<br />
EU-Mitgliedsländern. Darüber hinaus war ich von 2002 bis 2012 regelmäßig als<br />
österreichisches Mitglied des beim Europäischen Rat in Brüssel eingerichteten<br />
Schengen-Evaluierungsteams mit Schwerpunkt „internationale Polizeikooperation“<br />
tätig. Im Rahmen der mehrtägigen Prüfbesuche, die für jedes Schengen-Mitglied<br />
und für die Schengen-assoziierten Staaten wie Island, Schweiz,<br />
Liechtenstein, Norwegen sowie Großbritannien (Letzteres bis 31.01.2020) im<br />
Fünf-Jahres-Rhythmus stattfanden, bereiste ich fast alle EU-Länder sowie<br />
Schengen-assoziierten Staaten. Dabei gewann ich einen tieferen Einblick in die<br />
Polizeistrukturen der besuchten Länder und erweiterte mein internationales<br />
kriminalpolizeiliches Netzwerk Schritt für Schritt.<br />
Es war dem guten Betriebsklima geschuldet, dass meine wiederholten Abwesenheiten<br />
von der Dienststelle wegen der mir übertragenen, über Österreich<br />
hinausgehenden Verpflichtungen nur selten zu Spannungen und Kritik führten.<br />
Im Großen und Ganzen wurden meine Auslandsdienstreisen von den Vorgesetzten<br />
meist „duldend“ zur Kenntnis genommen. Ich empfinde aber auch<br />
tiefe Dankbarkeit gegenüber meinem Dienstgeber, der mir alle diese vielfältigen<br />
Einsätze und Erfahrungen erst ermöglichte.<br />
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Mich hinzusetzen und ausgewählte Begebenheiten aus meiner mehr als<br />
42-jährigen Dienstzeit zu Papier zu bringen, war nach meiner Pensionierung<br />
kein vordringliches Ziel. Als dann einige Kollegen und Bekannte an mich herantraten<br />
und mich fragten, ob ich nicht meine dienstlichen Erlebnisse in einem<br />
Buch wiedergeben möchte, zumal ich sicher Spannendes zu erzählen hätte,<br />
entschloss ich mich schließlich doch zu diesem Projekt.<br />
Als Kriminalbeamter hatte ich wiederholt die Gelegenheit, mit unterschiedlichen<br />
dienstlichen Aufträgen im Gepäck fast um die halbe Welt zu reisen und<br />
auch viele interessante Eindrücke über Menschen und Kulturen zu sammeln,<br />
die es durchaus wert sind, erzählt zu werden. Eines ist mir jedoch noch wichtig<br />
zu betonen: Kriminalpolizeiliche Ermittlungserfolge sind nie die Leistung eines<br />
Einzelnen, sondern immer das Produkt engagierter Teamarbeit, an der sich alle<br />
Teammitglieder beteiligen und ihre Ideen einbringen können. Fast sämtliche Einzelkämpfer<br />
auf dem „kriminalpolizeilichen Parkett“ mussten früher oder später<br />
erkennen, dass Alleingänge geradewegs in die sprichwörtliche Sackgasse führen,<br />
weil man ohne den wichtigen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen<br />
das Ziel leicht aus den Augen verlieren und sich leicht verrennen kann.<br />
Anmerkung zum Datenschutz<br />
Zur Wahrung und zum Schutz der Würde und der Persönlichkeitsrechte<br />
von Opfern, Tätern und deren Angehörigen wurden sämtliche Namen der in<br />
die Tathandlungen involvierten Personen und auch fast alle Namen meiner<br />
Kollegen sowie meist auch die Bezeichnung der betroffenen Örtlichkeiten derart<br />
verändert, dass Rückschlüsse auf konkrete Menschen – nicht zuletzt wegen<br />
der inzwischen verstrichenen Zeit – in den meisten Fällen nur mit einem<br />
unverhältnismäßig großen Aufwand möglich sind. Die mitunter sehr detaillierten<br />
Zeitungsberichte über die hier geschilderten Kriminalfälle dienten mir<br />
zudem als Gedächtnisstütze beim Schreiben. Zudem zog ich die öffentliche Erörterung<br />
der hier erzählten Kriminalfälle bei den Gerichtsverhandlungen zur<br />
Textverfassung heran. Die Schilderung der Tathandlungen und Erhebungen<br />
entspricht fast immer der Realität. Im Bedarfsfall wurden von mir Ergänzungen<br />
oder Abänderungen vorgenommen, nicht zuletzt dann, wenn es besondere<br />
Umstände wie die Würde der Betroffenen oder die Wahrung des Amtsgeheimnisses<br />
geboten haben.<br />
Gender-Hinweis<br />
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und<br />
personenbezogenen Hauptwörtern nur die männliche Form verwendet, wenn im<br />
Text nicht ausdrücklich auf Frauen oder Männer Bezug genommen wird. Männliche<br />
Begriffe gelten im Sinn der Gleichberechtigung gleichermaßen für alle Geschlechter.<br />
Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und enthält<br />
keine Wertung.<br />
13
II<br />
Kapitalverbrechen gegen leib und leben<br />
1. Abscheulicher Mord im Freibad<br />
Samstag, 5. Juli 1986 – ein heißer Sommertag, der über 3.000 Badelustige in<br />
das Freibad von Marchtrenk (OÖ) lockte. Die Sonne brannte unbarmherzig<br />
vom Himmel. Viele Menschen wollten der Hitze entfliehen und begaben sich ins<br />
kühle Nass. Auch zahlreiche Kinder suchten Abkühlung und Spaß im Schwimmbad,<br />
tollten über die Liegewiesen, vergnügten sich beim Fangen- und Ballspielen<br />
und genossen sichtlich die gerade beginnenden Schulferien. Niemand konnte<br />
ahnen, dass sich an diesem wunderschönen Tag quasi vor den Augen von<br />
tausenden Badebesuchern ein bestialisches Sexualverbrechen ereignen würde.<br />
Ich hatte an diesem Sommerwochenende Rufbereitschaft und suchte mir<br />
am Samstagnachmittag in der Nähe meiner Wohnung in der Karl-Wieser-Straße<br />
in Linz ein schattiges Plätzchen, wo ich in Ruhe ein Buch lesen und mich<br />
entspannen konnte. Heim nach Tirol zu fahren, kam für mich an diesem Wochenende<br />
wegen meiner dienstlichen Verpflichtungen nicht infrage.<br />
Mein damaliger Chef und sein unmittelbarer Stellvertreter nutzten den Umstand,<br />
dass ich seit wenigen Wochen das Führungsteam der Kriminalabteilung<br />
(KA) Oberösterreich verstärkte, für einen längst geplanten Ausflug. Die Wochenendreise<br />
führte die beiden gemeinsam mit einigen Kollegen ins ehemalige<br />
Jugoslawien. Ihr Ziel war das einzigartige Naturwunder der Plitvicer Seen, das<br />
als Filmkulisse für den Western „Der Schatz im Silbersee“ über die Landesgrenzen<br />
hinaus Berühmtheit erlangt hatte.<br />
Es war am frühen Nachmittag, als mein Pager (Personenrufempfänger) anschlug<br />
und zu vibrieren begann. Damals gab es noch keine Handys und daher<br />
musste ich während meiner Rufbereitschaft einen Pager mitführen, um jederzeit<br />
erreichbar zu sein. Weil mich der Journaldienst der Kriminalabteilung an<br />
meinem freien Tag „anpiepste“, lag es auf der Hand, dass etwas Wichtiges passiert<br />
sein musste. Ich begab mich sofort zu einer nahe gelegenen Telefonzelle<br />
und rief auf meiner Dienststelle an. Der diensthabende Beamte, der den Hörer<br />
abnahm, sagte zu mir in leicht nervösem Ton: „Gut, dass du so schnell zurückgerufen<br />
hast! Wir haben einen Mord im Freibad von Marchtrenk.“ Der Kollege<br />
hielt kurz inne. Ich hatte den Eindruck, dass er meine Reaktion auf diese Nachricht<br />
abwarten wollte.<br />
„Am helllichten Tag?“, fragte ich erstaunt.<br />
14
„Ja. Gegen 15:00 Uhr ist in der Herrentoilette ein Mädchen tot aufgefunden<br />
worden. Die Spurensicherung und die Mordgruppe sind bereits verständigt.“<br />
„Okay“, sagte ich auffallend zögerlich und mit angespannter Stimme.<br />
„Kommst du zur KA oder sollen wir dich irgendwo abholen?“, fragte der<br />
Journaldienstbeamte, dem meine leichte Unsicherheit am Telefon bestimmt<br />
nicht entgangen war.<br />
„Ja, bitte holt mich in zehn Minuten in der Karl-Wieser-Straße ab. Ich bin<br />
in der Stadt und muss noch auf mein Zimmer zurück, um mir ein paar Sachen<br />
zu holen“, entgegnete ich, legte auf, nahm das Buch von der Ablage der Telefonzelle<br />
und eilte in meine Unterkunft. Auf dem Weg dorthin ging mir vieles<br />
durch den Kopf. Mir war in der Sekunde klar gewesen, dass ich in wenigen<br />
Minuten zu meinem allerersten Mordfall ausrücken musste – und das noch<br />
dazu mit wenig kriminalpolizeilicher Erfahrung im Gepäck. Schließlich war<br />
ich erst seit Kurzem bei der Kriminalabteilung. Freilich war mir von Anfang<br />
an klar, dass mein erster Einsatz bei einem Mordfall wie das Amen im Gebet<br />
früher oder später kommen würde. Aber dass es jetzt schon so weit war,<br />
kam für mich dennoch überraschend. Früher, als mir lieb war, denn ich hätte<br />
gern zuvor noch mehr kriminalpolizeiliche Erfahrung gesammelt. Allein der<br />
Gedanke, zum ersten Mal die Ermittlungen bei einem Tötungsdelikt leiten zu<br />
müssen, verursachte mir ein flaues Gefühl in der Magengegend, das sich nicht<br />
gleich wieder legte. Ähnliche Empfindungen hatte ich früher hin und wieder<br />
bei großer Anspannung und Aufregung verspürt.<br />
„Was wird mich in Marchtrenk erwarten?“, fragte ich mich. „Werde ich die<br />
Feuertaufe bestehen? Wird es gelingen, den Fall aufzuklären? Wie werden wir<br />
die Sache angehen, um den Täter rasch zu fassen?“ – Alles bohrende Fragen,<br />
die mich als Neuling ohne praktische Erfahrung bei Mordermittlungen beschäftigten<br />
und für die es jetzt natürlich noch keine Antworten gab.<br />
Mir kam es wie eine kleine Ewigkeit vor, bis der erlösende Ton der Wohnungsglocke<br />
ertönte. Sogleich eilte ich die Stufen hinab und trat auf die Straße.<br />
Die Kollegen warteten vor dem Wohnblock im Dienstwagen auf mich. Ich<br />
öffnete den Wagenschlag, grüßte kurz und setzte mich auf die Rückbank. Die<br />
beiden erwiderten meinen Gruß, und der Fahrzeuglenker startete den Motor.<br />
„Bist du bereit für deinen ersten Fall?“, fragte der altgediente Chef der<br />
Mordgruppe, der auf dem Beifahrersitz des Dienstautos saß und sich ein leises<br />
Schmunzeln nicht verkneifen konnte.<br />
„Natürlich!“, verkündete ich mit gespielter Überzeugung und war gleichzeitig<br />
bemüht, die aufkeimende Nervosität vor den beiden Kollegen zu verbergen.<br />
Während der Fahrt sprachen wir kaum miteinander. Eine gewisse Anspannung<br />
lag in der Luft. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich glaubte zu<br />
spüren, dass der bevorstehende Einsatz auch meine Kollegen im Auto gedanklich<br />
intensiv beschäftigte. Schließlich ging es um die Tötung eines Mädchens,<br />
ein schreckliches Verbrechen, das wohl niemanden unberührt lassen konnte.<br />
15
Unser Ziel war der Gendarmerieposten in Marchtrenk, wo wir gegen 16:30<br />
Uhr eintrafen. In einem unbesetzten Büro bauten wir die Einsatzleitung auf.<br />
Die kleine Einsatzzentrale wurde vom Chef der Mordgruppe und mir besetzt.<br />
Der spärlich eingerichtete Raum war mit einer elektronischen Schreibmaschine,<br />
einem Festnetztelefon, einer Funkstation mit Ladegerät, zwei Bürotischen,<br />
einem Flipchart und mehreren Sesseln ausgestattet.<br />
Die Tatortbeamten, die schon etwas früher losgefahren waren, befanden sich<br />
ebenfalls schon vor Ort. Sie hatten in der Badeanlage unverzüglich mit Tatbestandsaufnahme<br />
und Beweismittelsicherung begonnen. Mein Kollege und ich<br />
ließen uns von den örtlichen Gendarmen über den aktuellen Stand der bisher<br />
durchgeführten Erhebungen informieren, die sie sogleich nach Bekanntwerden<br />
der Tat eingeleitet hatten. „Leider haben wir bis jetzt weder Hinweise zum Tathergang<br />
noch zu einem möglichen Tatverdächtigen in Erfahrung bringen können.<br />
Bei 3.000 Badegästen kein leichtes Unterfangen“, berichtete ein sichtlich<br />
enttäuschter Postenkommandant. „Keine Sorge, wir werden uns darum kümmern.<br />
Das wird jetzt unsere zentrale Aufgabe sein“, warf ich mit einem leichten<br />
Augenzwinkern ein, ohne jedoch den Ernst der Lage herunterzuspielen.<br />
„Bei der Toten dürfte es sich um die sechsjährige Lisa Arnreiter handeln.<br />
Das Mädchen hat sich mit seinen Geschwistern und Freunden schon seit dem<br />
späteren Vormittag im Freibad Marchtrenk aufgehalten“, verschaffte uns der<br />
Dienststellenleiter einen ersten Überblick über die aktuelle Lage.<br />
„Entdeckt wurde der leblose Körper des Kindes gegen 15:00 Uhr vom Bademeister,<br />
und zwar in einer offenbar von innen versperrten Kabine der Herrentoilette“,<br />
ergänzte ein anderer Gendarmeriebeamter auf meine Nachfrage. Der<br />
Gendarm war von der abscheulichen Tat sichtlich betroffen. Der Beamte erzählte<br />
uns auch, dass es aufmerksame Badegäste waren, die auf dem Fliesenboden<br />
vor der Herrentoilette eine grausige Entdeckung gemacht haben. „Eine dünne<br />
Blutspur führte aus der versperrten Toilettenkabine heraus“, ergänzte er.<br />
„Daraufhin ist der Bademeister verständigt worden, um Nachschau zu halten.<br />
Er hat die Kabine nachgesperrt und ein lebloses Mädchen vorgefunden,<br />
das in einer Blutlache lag. Der sofort herbeigerufene Arzt hat bis zum Eintreffen<br />
der Rettung Wiederbelebungsversuche durchgeführt, die offenbar erfolglos<br />
geblieben sind“, schloss der Gendarm seine Schilderung.<br />
Wir erfuhren noch, dass das Kind von der Rettung ins Krankenhaus nach<br />
Wels gebracht worden war, wo der bereits eingetretene Tod festgestellt werden<br />
musste. Aufgrund der Auffindungssituation der Leiche und der weiteren<br />
Umstände am Tatort war klar, dass wir von einem Tötungsdelikt ausgehen<br />
mussten. Freilich stellte sich sofort die Frage, wer derart gefühlskalt und grausam<br />
sein konnte, ein kleines Mädchen, noch dazu in Gegenwart von tausenden<br />
Badegästen, in die Herrentoilette zu locken, um es dort umzubringen? Nicht<br />
nur für mich stand außer Zweifel, dass wir alles daransetzen mussten, diese<br />
abscheuliche Tat möglichst rasch aufzuklären.<br />
16
Nach dem kurzen Briefing durch die örtliche Gendarmerie bildete ich drei<br />
Fahndungs- und Ermittlungsteams, bestehend aus je zwei Kriminalbeamten.<br />
Ihr Auftrag war, jene Personen auszuforschen und zu befragen, die auf dem<br />
Badegelände oder in der näheren Umgebung des Freibads eventuell zweckdienliche<br />
Wahrnehmungen gemacht hatten, die uns bei der Klärung des Mordfalls<br />
weiterhelfen könnten. Die Streifen rückten unverzüglich aus. Unser vordringliches<br />
Ziel war, den Mörder – eine Frau kam für mich eher nicht in Betracht<br />
– schnell zu finden und ihn seiner Tat zu überführen.<br />
Es waren kaum eineinhalb Stunden vergangen, als das erste Ermittlungsteam<br />
einen etwa 40-jährigen Mann, der nur mit Badehose und Badeschlappen<br />
bekleidet war, auf die Dienststelle brachte. Der ca. 175 cm große, braungebrannte,<br />
leicht untersetzte Mann mit schütteren braunen Haaren und einem schmalen,<br />
über die Mundwinkel hinabreichenden Schnurrbart, war offensichtlich erheblich<br />
alkoholisiert. Er sprach lallend, wankte und konnte sich, wenngleich<br />
gestützt von meinen Kollegen, nur schwer auf den wackeligen Beinen halten.<br />
Während der Mann von einem Kriminalbeamten sogleich in den Nebenraum<br />
geführt wurde, kam sein Streifenpartner ins Einsatzleitungsbüro, um uns über<br />
die Hintergründe der vorläufigen Festnahme des betrunkenen Badegasts zu<br />
informieren: „Den müssen wir uns genauer ansehen. Wahrscheinlich hat er etwas<br />
mit der Tat zu tun. Eine Frau hat ihn anscheinend beobachtet, wie er ein<br />
kleines Mädchen auf der Liegewiese mit Sonnenschutz eingecremt und ihm<br />
dabei auf unflätige Weise unter das Bikini-Höschen gegriffen habe“, erzählte<br />
uns der Kriminalbeamte. Anschließend begab er sich in den angrenzenden Vernehmungsraum<br />
des Gendarmeriepostens, wo sein Teamkollege schon auf ihn<br />
wartete. Wie sich bald herausstellte, handelte es sich bei dem vorläufig Festgenommenen<br />
um den 37-jährigen Eberhard Steiner aus Oberneukirchen.<br />
Der Reihe nach kamen die beiden anderen Ermittlungsteams und schließlich<br />
auch ein Kollege der Tatortgruppe zurück in die Einsatzzentrale und berichteten<br />
ausführlich über die bisher getätigten Erhebungen und gewonnenen<br />
Erkenntnisse. Unter Berücksichtigung der inzwischen vorliegenden Erhebungsergebnisse<br />
und der Aussagen einiger Zeugen ergab sich für mich zusammengefasst<br />
folgender Sachverhalt: Die sechsjährige Lisa Arnreiter begab<br />
sich am Vormittag des 5. Juli 1986 gemeinsam mit ihrem Bruder Jan und den<br />
beiden Nachbarskindern Lea und Frederic ins Freibad Marchtrenk. Dort suchten<br />
sich die unbegleiteten Kinder inmitten einer großen Schar von Badelustigen<br />
ein schattiges Plätzchen in der Nähe des großen Schwimmbeckens. Die<br />
vier Kinder vergnügten sich an diesem wunderschönen Tag beim Schwimmen<br />
und Plantschen im Wasser und spielten auf dem Schwimmbadrasen Fangen.<br />
Das Herumtollen der aufgeweckten Kinder blieb offenbar auch dem 37-jährigen<br />
Eberhard Steiner nicht verborgen und erregte seine Aufmerksamkeit. Der<br />
Mann, der offenbar allein ins Schwimmbad gekommen war, beobachtete das<br />
Treiben der vier Kinder genau. Das sechsjährige Mädchen dürfte ihm dabei so-<br />
17
fort aufgefallen sein. Schließlich machte er sich an die Kindergruppe heran und<br />
dürfte sich auf überaus perfide Art und Weise Schritt für Schritt das Vertrauen<br />
des kleinen Mädchens erschlichen haben. Eine Zeugin berichtete, bemerkt zu<br />
haben, wie ein Mann ein kleines Mädchen in Begleitung mehrerer Kinder mit<br />
Sonnenöl eingecremt hatte. Erst später sollte sich herausstellen, dass es sich bei<br />
dem Mann um den vorläufig festgenommenen Eberhard Steiner handelte. Die<br />
Zeugin empörte sich, dass der Mann beim Eincremen seine Finger immer wieder<br />
ungeniert unter das Badehöschen des Mädchens gleiten hatte lassen und<br />
dabei absichtlich den Intimbereich des Kindes berührt hatte. Dennoch hätte die<br />
Frau nicht den Mut gehabt, diese verstörende Beobachtung dem Bademeister<br />
zu melden oder gar den Mann persönlich aufzufordern, mit dem grob anstößigen<br />
Verhalten sofort aufzuhören.<br />
Freilich wäre es viel zu einfach gewesen, der Frau aufgrund ihrer Zurückhaltung<br />
eine Teilschuld an dem Verbrechen zu geben, weil sie weder den Mann<br />
auf sein Fehlverhalten angesprochen noch den Badeaufseher alarmiert hatte.<br />
Schließlich muss niemand nach einer solchen Beobachtung mit einem nachfolgenden<br />
Mord an dem Kind rechnen, wenngleich das Verhalten des männlichen<br />
Badegasts zweifellos moralisch äußerst verwerflich und anzeigewürdig war.<br />
Die Zeugin musste sich später allerdings gefallen lassen, dass ihr von der<br />
Öffentlichkeit mangelnde Zivilcourage vorgeworfen wurde, weil sie sich mit<br />
ihrer Wahrnehmung nicht sogleich an die Badeaufsicht gewandt hatte. Sogar<br />
die Oberösterreichischen Nachrichten verfassten in ihrer Ausgabe vom 7. Juli<br />
1986 einen darauf Bezug nehmenden kritischen Kommentar und betitelten ihn<br />
mit den Worten „Lieber nichts sehen …“<br />
Gleich nachdem die Zeugin vom Mord an dem Mädchen erfahren hatte,<br />
der vielleicht durch ein beherztes Einschreiten ihrerseits zumindest theoretisch<br />
hätte verhindert werden können, machte sie sich selbst schwere Vorwürfe.<br />
Doch die selbstkritischen Gedanken kamen zu spät. Das Kind war tot, und der<br />
Mord konnte nicht mehr ungeschehen gemacht werden.<br />
Wie aber kam es zur Festnahme des Tatverdächtigen? Die Nachricht vom<br />
Tod des kleinen Mädchens verbreitete sich rasch unter den Badegästen und<br />
bald auch unter den Einwohnern der Ortschaft Marchtrenk. Vor dem inzwischen<br />
mit Flatterleinen großräumig abgesperrten Tatort im Bereich der Herrentoilette<br />
bildete sich eine Menschentraube aus Schaulustigen, die neugierig die<br />
Arbeit der Spurensicherungsbeamten verfolgten. Zur Ehrenrettung der oben<br />
erwähnten Zeugin muss ich aber auch hervorheben, dass sie es war, die uns auf<br />
den verdächtigen Mann in der Menschenmenge aufmerksam gemacht hatte. Er<br />
stand nämlich ganz in ihrer Nähe, als sich die Kriminalbeamten unter den Badegästen<br />
auf die Suche nach Zeugen machten. Die Frau erinnerte sich sofort an<br />
den Mann, der ganz in ihrer Nähe stand und zuvor das sechsjährige Opfer eingecremt<br />
hatte. „Er war’s!“, sagte die Badebesucherin mit aufgeregter Stimme<br />
zu den anwesenden Kriminalbeamten und zeigte auf einen ca. 40 Jahre alten,<br />
18
nur mit einer Badehose bekleideten Mann in der Menge. „Er hat das Kind eingecremt,<br />
ich habe es genau gesehen“, setzte sie nach.<br />
Der Tatverdächtige wurde daraufhin von unserem Ermittlungsteam vorläufig<br />
festgenommen und zur näheren Überprüfung zum Gendarmerieposten<br />
Marchtrenk gebracht. Anna Rieder, die Eisverkäuferin im Freibad, erinnerte<br />
sich, dass der verhaftete Mann mit der sechsjährigen Lisa, ihrem Bruder Jan<br />
und den Nachbarskindern Lea und Frederic am Eisstand war und für die Kinder<br />
Eiscreme um 70 Schilling gekauft hatte.<br />
Im Lauf des Nachmittags meldete sich ein weiterer, für uns sehr wichtiger<br />
Zeuge. Er gab an, einen nur mit Badehose bekleideten Mann mittleren Alters<br />
dabei beobachtet zu haben, wie er über die Trennwand einer Toilettenkabine<br />
in die danebenliegende geklettert war. Der Augenzeuge dachte noch, dass sich<br />
der Badegast wohl versehentlich eingesperrt haben dürfte und sich nun nicht<br />
mehr selbst befreien habe können. Deshalb habe er wohl diese ungewöhnliche<br />
„Kletterpartie“ unternommen, mutmaßte der Zeuge. Die Gegenüberstellung<br />
des Zeugen mit dem Festgenommenen verlief positiv.<br />
Für uns war diese Beobachtung ein gewichtiges Indiz dafür, dass der inzwischen<br />
verhaftete Tatverdächtige Eberhard Steiner am Tatort war und die Herrentoilette<br />
von innen versperrt hatte. Offenbar hatte er so verhindern wollen,<br />
dass seine schreckliche Tat rasch entdeckt wird.<br />
Schließlich erschien auch der zweite diensthabende Bademeister auf dem<br />
Gendarmerieposten Marchtrenk und gab zu Protokoll, dass ihm das kleine<br />
Mädchen aufgefallen sei, wie es mit letzter Kraft versucht habe, sich schwimmend<br />
an der Wasseroberfläche zu halten. Der Bademeister wollte Lisa schon<br />
aus dem Becken ziehen, weil er befürchtete, dass das Mädchen in Lebensgefahr<br />
sei. Ein am Beckenrand sitzender untersetzter Mann, etwa 40 Jahre alt,<br />
habe ihm aber zu verstehen gegeben, dass er der Vater des Mädchens sei und<br />
schon dafür sorgen werde, dass es nicht untergehe. Gleich darauf habe der<br />
vermeintliche Vater das Kind aus dem Wasser geholt, am Rand des Schwimmbeckens<br />
auf seine Oberschenkel gesetzt und ungewöhnlich heftig geküsst. Der<br />
Bademeister hatte nicht die geringsten Zweifel, dass der Mann der Vater des<br />
Mädchens war.<br />
Inzwischen waren die Spurensicherungsbeamten mit ihrer Arbeit fertig und<br />
meldeten sich bei uns in der Einsatzleitung.<br />
„Ganz schön heftig, was Eberhard Steiner mit dem Mädchen in der Herrentoilette<br />
gemacht hat“, sagte der soeben eingetroffene Kollege, dem die Betroffenheit<br />
deutlich anzumerken war. „Er hat dem Kind kurz zuvor vermutlich<br />
noch ein Eis gekauft, es anschließend unbemerkt in die Herrentoilette gelockt<br />
und sich dann dort mit ihm eingeschlossen. Wir haben Erbrochenes und Reste<br />
einer Eistüte auf dem Fliesenboden der WC-Kabine gefunden. Das Mädchen<br />
lag in einer Blutlache. Das Blut stammt von einer massiven Verletzung des<br />
Unterleibs, vermutlich verursacht mit der Klobürste, an deren Stil deutliche<br />
19
Blutanhaftungen sichtbar waren“, führte der Spurensicherer weiter aus, senkte<br />
langsam seinen Blick und hielt mit seiner Schilderung einen kurzen Moment<br />
inne – zu sehr ging ihm das Ganze unter die Haut.<br />
„Aufgrund der Spurensituation gehen wir davon aus, dass Steiner nach der<br />
Tat über den WC-Spülkasten in die danebenliegende Toilettenkabine kletterte“,<br />
erklärte der Kollege. Diese Vermutung deckte sich auch mit der Zeugenaussage<br />
des oben erwähnten Badebesuchers. „Beim Hinüberklettern in die Nachbarkabine<br />
dürfte die weiße Keramikabdeckung des Spülkastens unter dem Gewicht<br />
des Täters zerbrochen sein. Wir müssen uns daher Steiners Badeschlappen näher<br />
ansehen“, kündigte der Spurensicherer an, „vielleicht finden wir da noch etwas.“<br />
Wenige Stunden später lag das Ergebnis der gerichtlichen Obduktion vor:<br />
Als Todesursache stellte der Gerichtsmediziner „Erwürgen mit terminaler Aspiration“<br />
fest. ‚Aspiration‘ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Kind<br />
während des Würgevorgangs letztlich am Erbrochenen erstickt war. Der Mageninhalt<br />
war beim Angriff auf den Hals reflexartig in die Speiseröhre hochgedrückt<br />
worden.<br />
Bei der genauen Untersuchung der Badeschuhe des Täters entdeckten die<br />
Spurensicherungsbeamten tatsächlich einen in der rechten Sohle steckenden,<br />
nur wenige Millimeter großen, weißen Keramiksplitter. Das Bruchstück<br />
stammte offenbar von der zerbrochenen Abdeckung des WC-Spülkastens.<br />
(Anm.: In der Kriminaltechnik wird diese Art von Spur als sogenannte „Pass-<br />
Spur“ bezeichnet, weil sie durch Bruch, Riss oder Schnitt von einem ursprünglich<br />
unbeschädigten Gegenstand – hier Keramikabdeckung des Spülkastens –<br />
abgetrennt worden war. Die Prüfung auf Übereinstimmung der Pass-Spur mit<br />
jenem Gegenstand, von dem sie sich abgelöst hatte, erfolgt mit Hilfe eines Mikroskops.<br />
Der Nachweis, dass das Pass-Stück vom ursprünglichen Gegenstand<br />
stammt, gilt als erbracht, wenn die Bruch- oder Riss-Linien genau zusammenpassen<br />
und sich der separierte Teil zum ursprünglich Ganzen hinzufügen lässt.<br />
Sollte jedoch die Pass-Spur bei der Beweisführung für einen eindeutigen Nachweis<br />
nicht genügen, müsste noch die Materialzusammensetzung des Pass-<br />
Stücks auf Übereinstimmung mit dem Hauptgegenstand untersucht werden.)<br />
In unserem Fall konnte später im Labor anhand der Bruchlinien eindeutig<br />
nachgewiesen werden, dass der am Badeschuh des Tatverdächtigen gesicherte<br />
Keramiksplitter ohne vernünftigen Zweifel von der WC-Spülkastenabdeckung<br />
des Tatorts stammte, was als wichtiger Sachbeweis im nachfolgenden Strafverfahren<br />
anzusehen war.<br />
Der des Mordes verdächtige Eberhard Steiner wurde die ganze Nacht hindurch<br />
bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags einvernommen. Trotz<br />
erdrückender Indizienlast stritt Steiner beharrlich jeden Zusammenhang mit<br />
der Tötung des Mädchens ab. Anfangs stand der Beschuldigte noch unter Alkoholeinfluss<br />
und nickte daher während seiner Befragung immer wieder kurz<br />
ein. Auch wenn Steiner von Stunde zu Stunde mehr und mehr ausnüchterte,<br />
20
war er vorerst nicht bereit, sich zum Tatgeschehen zu äußern. Gebetsmühlenartig<br />
wiederholte er immer wieder, dass er sich an nichts erinnern könne, und<br />
redete sich laufend auf seine Alkoholisierung aus.<br />
Obwohl die beiden erfahrenen Vernehmungsbeamten bei der Befragung<br />
alle Register zogen und sich sehr bemühten, gelang es ihnen erst am Nachmittag<br />
des folgenden Tags, den Mann zu einem Geständnis zu bewegen. Ohne<br />
jede Gefühlsregung gestand Steiner schließlich die Tat. Über Anordnung der<br />
Staatsanwaltschaft wurde Eberhard Steiner noch vor Ablauf der 48-stündigen<br />
Frist nach seiner Festnahme in die Justizanstalt Wels eingeliefert. Er wurde Monate<br />
später vom Schwurgericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt<br />
und erhängte sich in weiterer Folge in seiner Gefängniszelle.<br />
2. Die Kidnapperin<br />
(Anm.: Mit 1. Jänner 1990 wurde ich nach vierjähriger Dienstzeit beim Landesgendarmeriekommando<br />
für Oberösterreich zur Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos<br />
für Tirol versetzt und dort vorerst als weiterer leitender<br />
Beamter eingeteilt.)<br />
Es war Donnerstag, 16. März 1995, gegen 19:30 Uhr. Ein ruhiger Arbeitstag<br />
ging langsam zur Neige. Obwohl ich schon dienstfrei hatte, befand ich mich<br />
an diesem Tag – wie fast immer während der Arbeitswoche – in meinem Büro<br />
in der Kriminalabteilung, das mir nach Dienstende auch als Aufenthaltsraum<br />
und Schlafstätte diente. Ein kastenförmiges, amtliches Seitenklapp-Bett, das<br />
sich hinter einem hässlich-grünen Vorhang verbarg, gehörte ebenso zu meiner<br />
Büroausstattung wie der große Schreibtisch, zwei Kästen, ein ovaler Wandspiegel<br />
sowie eine winzige Sitzgruppe mit rundem Tisch und drei Sesseln. Selbst<br />
wenn meine „Wohnsituation“ während der Arbeitswoche ziemlich spartanisch<br />
anmutete, war ich dennoch froh, nicht täglich zwischen meinem damaligen<br />
Wohnort Ehrwald und meiner Arbeitsstelle pendeln zu müssen. Die Entfernung<br />
in eine Richtung betrug immerhin 80 Kilometer. Erfreulicherweise verfügte<br />
die Dienststelle auch über einen Sanitärbereich mit Dusche sowie über<br />
eine Kaffeeküche samt Kochgelegenheit, sodass ich es dort auch nach dem<br />
Dienst ohne Weiteres aushalten konnte. Zudem ersparte ich mir die hohen<br />
Mietkosten für eine Garçonnière in der Landeshauptstadt.<br />
Es klopfte kurz; ein Kollege vom Journaldienst streckte den Kopf zur Tür<br />
herein, ohne mein „Herein!“ abgewartet zu haben. Offenbar hatte er es besonders<br />
eilig. „Wir haben eine Kindesentführung im Unterland. Ein achtjähriger<br />
Bub ist entführt worden. Der Gendarmerieposten Kundl hat uns dies soeben<br />
telefonisch mitgeteilt. Offenbar hat sich bereits eine Erpresserin bei der betroffenen<br />
Familie Muglach telefonisch gemeldet. Näheres ist noch nicht bekannt“,<br />
21
sagte der Kollege mit fast schon stoisch anmutender Ruhe. Er wartete nicht auf<br />
meine Antwort, sondern setzte gleich nach: „Unseren Chef habe ich bereits verständigt.<br />
Er kommt zur Dienststelle.“<br />
„Okay, danke für die Information“, erwiderte ich, „dann machen wir uns<br />
bereit, um nach Kundl auszurücken.“ – „Ach, noch etwas …“, fügte ich hinzu,<br />
bevor der Kollege den Raum verließ. „Wir werden bestimmt eine Telefonüberwachung<br />
benötigen. Vielleicht könnt ihr das schon vorbereiten und mit dem<br />
Staatsanwalt und dem Untersuchungsrichter Kontakt aufnehmen.“ (Anm.: Die<br />
Institution des Untersuchungsrichters, abgekürzt U-Richter, wurde erst mit<br />
der Strafprozessreform 2008 abgeschafft. Die Staatsanwaltschaft übernahm ab<br />
diesem Zeitpunkt die Ermittlungsaufgaben des U-Richters und wurde ex lege<br />
Leiterin des bisher von der Polizei dominierten Ermittlungsverfahrens. Da aber<br />
ein Ermittlungsverfahren ohne richterliche Instanz undenkbar wäre, wurde im<br />
Zuge der Reform als Ersatz für den U-Richter der Haft- und Rechtsschutzrichter<br />
eingeführt. Dieser entschied nun über die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen<br />
wie Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen, Festnahme-Anordnungen,<br />
Bankkonto-Öffnungen usw.)<br />
Nachdem einige weitere organisatorische Vorkehrungen getroffen und die<br />
Staatsanwaltschaft sowie der Untersuchungsrichter von der Straftat in Kenntnis<br />
gesetzt worden waren, fuhr ein siebzehnköpfiges Team der Kriminalabteilung,<br />
das sich aus zwei leitenden Beamten (mein Chef und ich als sein Stellvertreter),<br />
13 Ermittlungs- und zwei Spurensicherungsbeamten zusammensetzte,<br />
zum Gendarmerieposten Kundl. Dort trafen wir gegen 20:30 Uhr ein. Ein Gendarmerie-Diensthundeführer<br />
war ebenfalls nach Kundl beordert worden und<br />
stand auf Abruf für einen möglichen Sucheinsatz bereit. Die von uns sogleich<br />
eingeleiteten Erhebungen ergaben in chronologischer Reihenfolge vorerst folgenden<br />
Sachverhalt:<br />
Donnerstag, 16. März 1995, 15:00 Uhr: Eine Dame ruft bei der Familie Muglach<br />
in Kundl an und stellt sich als Frau Vergeiner vor. Der Anruf wird von<br />
Leonore Muglach, der Mutter des einige Stunden später entführten 8-jährigen<br />
Ralph Muglach, entgegengenommen. Die Anruferin erklärt, dass Ralph heute<br />
um 18:55 Uhr zur Pfarrkirche Kundl kommen soll, weil eine weitere Probe für<br />
die demnächst stattfindende Erstkommunion anberaumt sei. Ralph soll einfach<br />
in die Kirche hineingehen und dort warten. Es würden insgesamt sieben<br />
oder acht Kinder dabei sein, fügte die Anruferin noch hinzu und nannte die<br />
Namen dreier Mitschüler von Ralph. Eleonore fragte noch, ob auch die Eltern<br />
mitkommen sollten. Die angebliche Frau Vergeiner verneinte und betonte, es<br />
mögen nur die Kinder kommen – ohne Begleitpersonen. „Wenn die Probe vorbei<br />
ist“, so die Anruferin, „werden die Kinder vom Pfarrer und von Vergeiner<br />
nach Hause gebracht.“ Auffallend war, dass die Anruferin beim Gespräch nicht<br />
sagte, dass „die Kinder vom Pfarrer und mir heimgebracht werden“, sondern<br />
den Namen Vergeiner verwendete. Für uns entstand der Eindruck, dass die<br />
22
Frau über eine dritte Person und nicht über sich selbst gesprochen hatte, wohl<br />
ein erster Hinweis, dass sie vermutlich nicht „Frau Vergeiner“ war.<br />
Von Eleonore Muglach erfuhren wir dazu später, dass ihr eine Frau Vergeiner,<br />
die mit Unterländer Dialekt spreche und am Telefon nervös wirke, nicht<br />
bekannt sei. Absolut unüblich sei auch der Treffpunkt „Kirche“ gewesen, wie<br />
sie hinzufügte. Ihr Sohn werde gemeinsam mit sechs weiteren Kindern normalerweise<br />
von der Tischmutter Christine Hausberger im Pfarrwidum unterrichtet<br />
und auf die Erstkommunion vorbereitet. Außerdem habe die letzte Probe<br />
erst vor zwei Tagen stattgefunden. Trotz dieser Ungereimtheiten schöpfte Eleonore<br />
Muglach keinerlei Verdacht, dass hier möglicherweise nicht alles mit rechten<br />
Dingen zuging. Peter Muglach, der Vater von Ralph, brachte seinen Sohn,<br />
wie zuvor mit der Anruferin vereinbart, kurz vor 19.00 Uhr mit dem Auto zur<br />
Kundler Kirche. „Bis später, mein Schatz“, verabschiedete sich Peter Muglach<br />
von seinem Sprössling. Der Bub stieg aus und ging zur Kirche. Der Vater wunderte<br />
sich noch, dass das Gotteshaus unbeleuchtet war, und fand es eigenartig,<br />
dass sich auf dem Kirchplatz noch keine anderen Kinder für die Erstkommunion-Probe<br />
eingefunden hatten, obwohl es schon fast 19.00 Uhr war. Dennoch<br />
hing Peter Muglach nicht länger diesen Gedanken nach, sondern fuhr mit seinem<br />
Wagen sogleich nach Jenbach weiter, wo er noch einen dringenden Termin<br />
wahrzunehmen hatte.<br />
16. März 1995, 19:15 Uhr: Eine unbekannte Frau ruft bei der Familie Muglach<br />
an und sagt in gebrochenem Deutsch, möglicherweise mit serbokroatischem<br />
Akzent: „Wenn Sie Ihr Kind lebend wiedersehen wollen, richten Sie 500.000<br />
Schilling her! Keine Polizei!“ Die Frau legte sofort auf, noch ehe Eleonore Muglach<br />
der Erpresserin auch nur eine einzige Frage stellen konnte.<br />
Es dauerte mehrere Minuten, bis sich Frau Muglach nach dem befremdenden<br />
Anruf einigermaßen gefasst hatte. Dann rief sie völlig aufgelöst den<br />
Gendarmerieposten Kundl an und erzählte den Beamten von dem soeben<br />
eingelangten Erpresseranruf. Der Gendarmerieposten verständigte daraufhin<br />
unverzüglich die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos<br />
und schickte sogleich einen Gendarmen mit Diktiergerät zur Familie Muglach,<br />
damit eventuell nachfolgende Erpresseranrufe bis zur Aufschaltung einer Telefonüberwachung<br />
manuell aufgezeichnet werden konnten. Nach der Verständigung<br />
der Kriminalabteilung durch den Gendarmerieposten Kundl begann der<br />
umfangreiche kriminalpolizeiliche Einsatz anzulaufen.<br />
16. März 1995, 20:00 Uhr: Wieder läutet das Telefon bei Familie Muglach.<br />
Die unbekannte Frau ruft abermals an und erkundigt sich, ob das geforderte<br />
Geld schon bereitgestellt sei. Dies wird von den Muglachs unter Hinweis auf<br />
die kurze, bisher verstrichene Zeit verneint.<br />
16. März 1995, 20:30 Uhr: Die unbekannte Anruferin meldet sich wieder und<br />
spricht in gebrochenem Deutsch: „Du kein Wort sagen, sonst ich legen auf. Ist<br />
möglich, Geld in einer Stunde zu besorgen, da wir noch müssen […]<br />
23
Christoph <strong>Hundertpfund</strong>, 1956 als Sohn eines Gendarmen<br />
in Innsbruck geboren, träumte schon als Kind davon,<br />
Kriminalbeamter zu werden. Nach Matura und Grundausbildung<br />
bei der österreichischen Bundesgendarmerie versah<br />
er vier Jahre Dienst in Zirl bei Innsbruck. 1986 wurde er als<br />
Oberleutnant zur Gendarmerie-Kriminalabteilung nach Linz<br />
(OÖ) versetzt, wo seine Karriere als Kriminalbeamter begann.<br />
1990 kehrte <strong>Hundertpfund</strong> nach Tirol zurück und wurde<br />
leitender Beamter in der Landes-Kriminalabteilung. Von 1990<br />
bis 1995 absolvierte der Chefermittler in Innsbruck berufsbegleitend<br />
das Studium der Rechtswissenschaften, das er mit<br />
dem Doktorat abschloss. Nach der Zusammenlegung von<br />
Gendarmerie und Polizei im Jahr 2005 wurde <strong>Hundertpfund</strong><br />
zum stellvertretenden Leiter des neu geschaffenen Landeskriminalamts<br />
Tirol ernannt. Bei seiner Ruhestandsversetzung<br />
im April 2020 konnte er auf eine 34-jährige Dienstzeit als<br />
Chefermittler im Kriminaldienst zurückblicken.<br />
Er war auch maßgeblich am Aufbau des österreichischen<br />
Opfer-Identifizierungs-Teams (DVI-Team) beteiligt und fungierte<br />
nach der Tsunami-Katastrophe in Südostasien (Dezember<br />
2004) als operativer Leiter des österreichischen<br />
Teams. In seiner Funktion als Opfer-Identifizierungsspezialist<br />
war er unter anderem beim Lawinenunglück in Galtür sowie<br />
nach Flugzeugbstürzen in der Schweiz (2018) und Äthiopien<br />
(2019) im Einsatz.<br />
Nach einer Ausbildung an der FBI National Academy (FBI-<br />
NA) in Quantico, Virginia, USA, graduierte <strong>Hundertpfund</strong><br />
2004 an dieser US-Kaderschmiede für polizeiliche Führungskräfte.<br />
Darüber hinaus war <strong>Hundertpfund</strong>, der mehrere<br />
Fremdsprachen spricht, über zehn Jahre regelmäßig als<br />
österreichischer Experte des internationalen Schengen-Evaluierungsteams<br />
„Internationale Polizeikooperation“ bei Prüfbesuchen<br />
in fast allen Schengen-Staaten eingebunden.<br />
Von Kapitalverbrechen gegen Leib und Leben,<br />
Identifizierung von Katastrophenopfern,<br />
Sprengstoffhunden in Österreich und anderem<br />
Wie professionelle Kriminalisten wirklich ermitteln, erfährt<br />
der Leser am Beispiel von vier spektakulären Mordfällen: der<br />
abscheuliche Mord an einem kleinen Mädchen im Freibad,<br />
der tragische Fall eines entführten Buben, der sterben musste,<br />
weil die Kidnapperin ihren kriminellen Plan nicht zu Ende<br />
gedacht hatte, der Fund einer Frauenleiche neben der Brennerstraße,<br />
der zu den unglaublichsten und skurrilsten Kriminalgeschichten<br />
Tirols gehört, sowie eine tote Bankerin und<br />
acht verschwundene Goldbarren bieten Gelegenheit, hinter<br />
die Kulissen der kriminalpolizeilichen Arbeit zu blicken.<br />
Unbekannten Toten nach Naturkatastrophen oder Flugzeugabstürzen<br />
ihren Namen zurückzugeben, stellt eine besondere<br />
Herausforderung an die polizeilichen Ermittlungen dar, wie<br />
der Autor in dem unter die Haut gehenden Bericht über die<br />
Lawinenkatastrophe Galtür, den polizeilichen Tsunami-Einsatz<br />
in Thailand und zwei Flugzeugabstürze unterstreicht.<br />
Der Autor geriet in eine dienstliche Notlage, aus der er nur<br />
durch eine glückliche Fügung des Schicksals ungeschoren<br />
herauskam, als er heimlich die erfolgreiche Ausbildung eines<br />
Sprengstoffspürhunds (1988) initiierte, die damals wider jede<br />
Vernunft vom Gendarmerie-Zentralkommando strikt abgelehnt<br />
worden war. Weitere zehn Jahre verstrichen, bis der<br />
erste offizielle Sprengstoffspürhund der österreichischen Sicherheitsexekutive<br />
schließlich in Dienst gestellt wurde.<br />
ISBN: 978-3-85093-425-1<br />
www.berenkamp-verlag.at<br />
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www.kraftplatzl.com