syndicom magazin Nr. 32
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
syndicom
Nr. 32 November-Dezember 2022
magazin
Die Proleten
des
Algorithmus
Anzeige
Pensionierung:
Reicht das Geld auch später noch?
Wie viel kostet die Frühpensionierung? Was bedeuten Vorsorgelücken und wann soll
ich mich auf die Pensionierung vorbereiten? Als Leiter Finanzberatung der Bank Cler
kennt Rolf Blumer die Antwort auf Fragen rund um die Pensionsplanung.
Was umfasst eine Pensionsplanung?
Die Vorsorge, die Steuern, das Vermögen, der Nachlass oder Immobilien
sind einige der Themenbereiche, die dazugehören. Die
Pensionsplanung führt diese und weitere Themenbereiche zusammen
und beleuchtet deren finanziellen Auswirkungen und
Wechselwirkungen im Zeitverlauf. Mit einer Pensionsplanung
können Sie darüber hinaus verschiedene Varianten und mögliche
Szenarien einander gegenüberstellen und miteinander vergleichen
– emotional und finanziell. Rund um die Pensionierung
stehen viele Entscheide an, welche die zukünftige finanzielle
Lage enorm beeinflussen. Etwa wann jemand in Rente geht.
Wenn man beispielsweise ein Jahr früher als üblich mit dem
Arbeiten aufhört, kann das in der Gesamtbetrachtung schnell
einmal einen Jahreslohn kosten.
Wie kommen diese Kosten zustande?
Das ist deshalb so teuer, weil mehrere Teilbereiche betroffen
sind. Einerseits verzichten Frühpensionierte auf das Einkommen
und haben damit weniger Vermögen. Andererseits bezahlen sie
auch nichts mehr in die berufliche Vorsorge ein. Diese fällt damit
ebenfalls geringer aus. Hinzu kommen allenfalls auch noch Kosten,
welche man bisher nicht berücksichtigt hat. Ein typisches
Beispiel sind mögliche Nichterwerbstätigenbeiträge für die AHV,
welche man zusätzlich noch zu entrichten hat. Der Entscheid
frühzeitig in Rente zu gehen, wirkt sich also auf das Vermögen,
die Vorsorge und somit auch auf die Anlagemöglichkeiten aus.
Was gibt es vor der Pensionierung zu beachten?
Bei fast allen Berufstätigen gibt es Lücken in der Vorsorge. Das ist Vielen nicht bewusst oder wird unterschätzt. Die berufliche
Vorsorge hat als zweite Säule neben der AHV als 1. Säule die Aufgabe, die Fortsetzung ihrer bisherigen Lebenshaltung
zu ermöglichen. Sie strebt an, mit der ersten Säule zusammen ein Renteneinkommen von rund 60 % des letzten Lohnes zu
erreichen. Lücken in der Pensionierung sind deshalb besonders einschneidend. Geht man diese frühzeitig an, kann man
ihnen entgegenwirken. Beispielsweise mit einem Einkauf in die Pensionskasse. Welche Optionen in Frage kommen und ob
die eigene Pensionskasse diese zulässt, prüfen wir in einer Pensionsplanung und diskutieren diese und weitere Optimierungsmöglichkeiten
mit unseren Kundinnen und Kunden.
Wann sollte man die Pensionsplanung in Angriff nehmen?
Mit etwa 50 ist eine erste Beratung sinnvoll. Wir machen gemeinsam eine erste Auslegeordnung und besprechen, was in
den kommenden Jahren und nach der Pensionierung wichtig ist. Vielen ist gar nicht bewusst, wie finanziell einschneidend
der Austritt aus dem Berufsleben ist.
Bestimmen Sie, wie Ihre Pensionierung aussieht: Mit einer Finanzplanung erhalten Sie
ein harmonisches Gesamtkonzept und Antworten auf Ihre individuellen Fragen.
Als Mitglied von syndicom profitieren Sie zudem von attraktiven Sonderkonditionen
bei der Bank Cler. cler.ch/syndicom
Inhalt
4 Kurz und bündig
5 Gastautor
6 Dossier: Algorithmen in
der Arbeitswelt
16 Aus unseren Branchen
18 Die andere Seite
20 Die Nationalbank-
Initiative
21 Recht so!
26 Freizeit
24 Bisch im Bild
30 Aus dem Leben von ...
Liebe Leserinnen und Leser
Mit der fortschreitenden Digitalisierung, die
viele Bereiche unseres Lebens erfasst und verändert,
stellen sich auch neue Herausforderungen
für die Mitbestimmung von Gewerkschaft
und Personalvertretungen am Arbeitsplatz.
Wenn wir sie annehmen und mitgestalten,
können wir die Vorteile nutzen – und die Risiken
minimieren.
Personalentscheide wurden bisher von Vorgesetzten
und HR-Mitarbeitenden getroffen.
Entsprechend konnten wir jeweils verlangen,
dass uns der Arbeitgeber aufzeigt, auf welcher
Grundlage der Entscheid gefällt wurde und wie
er zustande kam.
Dies ändert sich nun, wenn nicht mehr Menschen
aufgrund von Protokollen, Aktennotizen
und Gesprächen entscheiden, sondern an ihrer
Stelle Algorithmen – automatisierte Entscheidungssysteme.
Sogar wenn uns die Arbeitgeberin bereitwillig
den Algorithmus offenlegen würde, der beim
Entscheid angewendet wurde – wie wissen wir,
ob dieser fair und frei von Diskriminierung ist
und mit welchen Daten er trainiert wurde?
Wir müssen deshalb die Arbeitnehmenden
und ihre Vertretungen befähigen, beim Einsatz
von algorithmischen Systemen für ihre Rechte
einzustehen, und ihnen Handlungsmöglichkeiten
aufzeigen. Genau dies bezwecken wir in
einem Projekt mit AlgorithmWatch (siehe S. 12)
– ein weiterer Schritt, um die Digitalisierung zugunsten
der Arbeitnehmenden zu gestalten.
6
18
20
Daniel Hügli
Leiter Sektor ICT bei syndicom
4 Kurz und
bündig
SGB stellt Wirtschaftsanalyse vor \ Uno-Schutz für Medienleute
verlangt \ Prinzip «Nur Ja heisst Ja» muss ins Gesetz \ Genug
kaputtgespart bei Tamedia \ Arbeitslosenkasse syndicom in den
Top 3 \ Mehr Geld im Netzbau \ Umstellung Buchungssystem
Höhere Löhne, gerechtere
Steuern
Daniel Lampart, Chefökonom SGB, hat
eine neue Analyse vorgestellt. Die ungerechte
Steuer- und Abgabenpolitik hält
demnach seit 20 Jahren die kleinen Einkommen
an der kurzen Leine, während
hohe Einkommen strukturell begünstigt
wurden. Solange die Inflation niedrig
war, gab es immerhin kleine Verbesserungen
bei den Normalverdienern und
am unteren Ende. Mit dem aktuellen
Preisschock im Energiesektor, Mieterhöhungen
und den sehr bald um 6,6 %
steigenden Krankenkassenprämien werden
schmerzhafte Verluste herauskommen.
Kein Luxus, sondern nötig,
um die Probleme der Berufstätigen in
den Griff zu bekommen, sind demnach
höhere Prämienverbilligungen einerseits
und anderseits Lohnabschlüsse von 4 %
sowie ein Mindestlohn von 4500 Franken,
so der SGB.
Uno muss Medienschaffende
besser schützen
Nach der Ermordung von zwei französischen
Journalisten in Mali am 2. November
2013 bestimmte die Uno einen
neuen Gedenktag: den «Internationalen
Tag zur Beendigung der Straflosigkeit
bei Verbrechen gegen Journalist:innen».
syndicom und die Internationale Journalisten-Föderation
rufen die Staatengemeinschaft
auf, endlich mit einer
Uno-Konvention die Sicherheit und den
Schutz von Medienleuten zu garantieren.
Mord darf kein Berufsrisiko sein.
«Nur Ja heisst Ja»
syndicom unterstützt mit Amnesty und
vielen nationalen Organisationen die
Lösung «Nur Ja heisst Ja» für das
schweizerische Sexualstrafrecht.
Würde das Gesetz nach dem Prinzip
«Nein heisst Nein» kon struiert, sähe das
auf den ersten Blick identisch aus, aber
es bedeutet, dass eine verängstigte
oder geschockte Person aktiv
Widerstand gegen unerwünschten Sex
leisten muss. Sonst kann es keine Anklage
wegen Vergewaltigung geben.
syndicom verlangt Sparstopp
bei Tamedia
So kann es nicht weitergehen: Tamedia,
der grösste und rentabelste Schweizer
Verlag, baut schleichend und lautlos
Stellen ab, ganze Bereiche werden aus
wirtschaftlichen Gründen eingespart.
Frühpensionierungen werden aufgedrängt,
freie Stellen nicht neu besetzt.
Tamedia muss seine Unternehmenspolitik
dringend korrigieren und endlich
wieder in den Journalismus und in
seine Mitarbeitenden investieren.
Arbeitslosenkasse syndicom
in den Schweizer Top 3
Das SECO hat die Arbeitslosenkassen
einer unabhängigen Evaluation unterzogen,
und unsere ALK bei syndicom
zählt zu den 3 besten der Schweiz.
Wir sind stolz auf diese Leistung der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
ALK syndicom. Danke für eure tolle
Arbeit und herzlichen Glückwunsch!
Mehr Lohn im Netzbau
Die Lohnrunde in der Netzinfrastruktur-
Branche ist erfolgreich abgeschlossen
worden. Die Mindestlöhne werden um
mindestens 220 Franken angehoben,
dazu steigen sämtliche dem allgemeinverbindlichen
GAV unterstellten Löhne
um mindestens 140 Franken. Eine Netzelektrikerin
EFZ mit 3 Jahren Berufserfahrung
erhält neu mindestens 4920
Franken in 13 Monatslöhnen.
syndicom-Mitgliederbeiträge:
Neues Datum für Abbuchung
Die Umstellung des Zahlungssystems
bei syndicom bewirkt eine Verschiebung
der Buchungsdaten bei Debit Direkt
und Lastschrift. Neu wird der Monatsbeitrag
jeweils im aktuellen Monat
belastet (ca. am 10.). Der Dezemberbeitrag
wird noch Ende Dez. gebucht,
der für Januar schon ca. am 10. 1. 23.
Wir bitten um freundliche Beachtung.
Agenda
Dezember
bis 8. 1. 23
«Climate Fiction»
Der Zürcher Strauhof, das «Museum
ohne Sammlung» für Literatur, präsentiert
eine Ausstellung literarischer
Texte, die Klima und Klimaveränderung
fassbar machen wollen. Kann die
Literatur uns helfen, zu verstehen, zu
akzeptieren, zu handeln?
bis 13. 1. 23
«Aufgeschrieben»
Neue Techniken des Aufschreibens
erobern unseren Alltag. In der Ausstellung
«Aufgeschrieben» blickt die
Nationalbibliothek in Bern zurück auf
Federkiel und Schreibmaschine und
testet eine Künstliche Intelligenz.
bis 23. 7. 23
«Planetopia»
Klimawandel, Artensterben, extremes
Wetter: Das Berner Museum für Kommunikation
stellt mit «Planetopia» die
Umwelt und verantwortungsvolles Leben
ins Zentrum. Willkommen an Bord!
bis Oktober 23
«Natur. Und wir?»
Das Stapferhaus in Lenzburg stellt die
Natur aus: Wir verehren die unberührte
Natur – und versuchen mit Technik, sie
in den Griff zu bekommen. Können wir
die Natur retten? Was ist Natur?
14. Dezember 22
Übergabe Post-Petition
Wer eine hat, geht in Uniform: Wir
übergeben der Post die Unterschriften
der Petition «Preise steigen! Löhne
rauf!». Um 11 Uhr in Bern-Wankdorf.
Januar
10. 1. 23
Tagung Sozialpolitik
Informieren, motivieren, vernetzen:
Die Pensionierten syndicom laden ein
zur Tagung mit hochkarätigen Referaten
in Bern. ig.syndicom.ch
syndicom.ch/agenda
Gastautor
Die Welt schreitet voran und mit ihr
die Technologie, die uns das Leben erleichtert.
Einer der jüngsten Fortschritte liegt im Bereich
der Künstlichen Intelligenz (KI). Viele Menschen
glauben, dass KI irgendwann die Medienschaffenden
ersetzen wird. Ich bin jedoch hier, um
Ihnen zu sagen, dass dies nicht der Fall ist.
Tatsäch lich wird es überhaupt keine Arbeitsplatzverluste
geben! Alles wird gut werden.
Die Schwarzmaler behaupten, dass die KI zu
Massenarbeitslosigkeit führen wird, weil sie
viele Arbeitsplätze automatisieren wird. Dabei
wird jedoch ausser Acht gelassen, dass die
Automati sierung schon seit Jahrhunderten
stattfindet und stets zur Schaffung neuer und
besserer Arbeitsplätze geführt hat. So führte
beispielsweise die Erfindung des Automobils zur
Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Automobilherstellung
und -reparatur.
Sicher, KI kann einige Dinge tun, die Journalisten
und Medienschaffende tun. Sie kann Daten
sammeln und Informationen zusammenstellen.
Aber das wars auch schon. KI kann das menschliche
Element im Journalismus nicht ersetzen.
Sie kann nicht die kritische Analyse und Interpretation
liefern, die nur Menschen leisten können.
Sie kann nicht mit der gleichen Klarheit und
dem gleichen Stil schreiben, wie es Menschen
können. Und sie kann sicherlich nicht die originellen
Inhalte generieren, die der Mensch kann.
Schliesslich darf man nicht vergessen,
dass es im Journalismus um mehr geht als nur
um Fakten. Es geht darum, Geschichten zu
erzählen, die die Menschen ansprechen, und
den Stimmlosen eine Stimme zu geben. Dies ist
etwas, das KI niemals ersetzen kann.
Machen Sie sich also keine Sorgen, liebe Journalisten
und Medienschaffende. Ihre Arbeitsplätze
sind sicher. Die KI wird Sie nicht ersetzen.
Alles wird gut werden.
(Der Text wurde erstellt von GPT-3.
Übersetzt aus dem Englischen von DeepL.)
Alles wird gut werden
Simon Felix ist in Klingnau AG aufgewachsen.
Nach einer Lehre
als Informatiker liess er sich zum
Informatik ingenieur ausbilden und
tüftelt seither an Algorithmen.
Der Spezialist für Künstliche Intelligenz
gründete 2016 das Software-Unternehmen
Ateleris. Unter anderem hat
er Software für die ESA-Raumsonde
«Solar Orbiter» ent wickelt, die seit
2018 die Sonne umkreist.
Felix hält Vorlesungen an der Fachhochschule
Nordwestschweiz zu
Algorithmen, Decision Intelligence,
Data Science und Computergrafik.
5
Dossier
8 Wenn künstliche Intelligenzen alles alleine steuern
11 Die Hightech-Oligopole und die Diktatur der Algorithmen
12 Öffentliche Kontrolle für die Algorithmen der Arbeitswelt
Die neuen
Götter
8
Dossier
Von künstlicher Intelligenz und
überflüssigen Menschen
Haben früher Maschinen die Körperkraft von
Menschen ersetzt und Arbeitende zu Sicherheits-
und Kontrollpersonal gemacht, steht
heute die Kontrolle selber auf dem Spiel. Was
passiert, wenn Künstliche Intelligenzen alles
alleine steuern?
Text: Oliver Fahrni
Bilder: Siehe Seite 12
Zeus, Athene, Apollon und die anderen Bewohner:innen
des Olymp waren eine streitsüchtige, inzestuöse Party-
Gang. Dabei erschufen sie die Welt. Odin, der alte Germane,
düngte sie mit dem Blut der Trolle, auf einem achtbeinigen
Pferd reitend. Und der grimmige Jahwe, Übervater
von Juden und Christen, ersäufte kurzum (fast) die gesamte
Menschheit, um sich eine bessere zu basteln (1. Buch
Moses).
Das waren noch Götter. Wir haben bloss Algorithmen.
Das Konzept ist uralt. Benannt sind die Algorithmen
nach einem persisch-arabischen Mathematiker des
8. Jahrhunderts. Schon eine einfache Wegbeschreibung
(«da vorne gehst du rechts, dann 100 Meter geradeaus,
schliesslich links») oder ein Menü-Rezept (siehe Seite
Grafiken) sind schlichte Algorithmen, also eindeutige
Vorschriften für die Lösung einer Aufgabe. Irgendwann
hat man das in Computersprache aufgeschrieben und damit
die Maschinen gefüttert.
Der Mensch, ein Anhängsel der Maschine
Richtig gefährlich wurden sie uns erst in den letzten fünfzehn
Jahren, als es gelang, exponentiell wachsende Datenmengen
in immer rasender rechnende Super-Computer
zu packen. Und daraus mit zunehmend komplexeren
Algorithmus-Programmen IT-Werkzeuge zu bauen, die
autonome Roboter programmieren, den Konsum und das
Verhalten von Milliarden Menschen steuern und Wahlen
manipulieren können.
Die Digitalisierung, das wussten wir, ist eine industrielle
Revolution. Das bedeutet, dass sie nicht nur die Wirtschaft,
sondern unser ganzes Leben auf den Kopf stellt.
Angefangen bei der Arbeit. Schon 2013 rechnete eine Studie
der Universität Oxford mit dem Verlust von 47 Prozent
aller Jobs in den USA durch Algorithmen, Roboter und
Künstliche Intelligenz. Vorab im «Tertiär», also ausgerechnet
in jenem Dienstleistungs-Sektor, der das Wachstum
der letzten Jahrzehnte getragen hatte.
Plötzlich zirkulierte das Wort vom «überflüssigen
Menschen». Solche Prognosen sind mit hohen Unsicherheiten
behaftet, und natürlich bestellten die Tech-Konzerne
Gegengutachten. Alles bestens im Kapitalismus?
Das wird sich schnell zeigen. Denn der massenweise Einsatz
der neuen Techniken hat gerade erst begonnen – und
beschleunigt sich derzeit rabiat. Beobachtet man, wie die
Datenkonzerne des Silicon Valley seit März 2022 mehr als
200 000 Stellen vernichtet haben, darf man skeptisch sein.
Bereits heute erfahren Arbeitende die tiefgreifende
Erschütterung der Arbeitswelt durch «algorithmisches
Management», auch «digitaler Taylorismus» genannt. An
den Arbeitsplätzen zieht ein, was zuerst in Callcentern erprobt
wurde: Engste Überwachung der Arbeitsrhythmen
und permanente Kontrolle des persönlichen Verhaltens
(etwa via Tastaturbewegungen, Analyse der Stimme oder
der Augen bewegungen), automatisierte Eingriffe der Maschine
in die Arbeit selbst, undurchsichtige Bewertungssysteme,
sofortige Sanktionen. Also Stress, wachsender
Kontrollverlust und Isolation.
Hier geschieht ein Epochenbruch. Wurde bei früheren
industriellen Revolutionen vorab die physische Kraft der
Arbeitenden durch Maschinenkraft ersetzt, übernehmen
heute algorithmische Systeme zunehmend die ganze Kontrolle.
Die Entscheidung wird an «ADM», automatische
Entscheidungssysteme ausgelagert.
Banal ist daran nichts. Dem Menschen kommt abhanden,
was er seit drei Jahrhunderten unter den Titeln
«Aufklärung», «Wissenschaft» und «Fortschritt» zum Kern
seines Wesens erklärt hat. Der rational denkende und
handelnde Mensch entschied in eigener Regie, götterfrei.
Übernimmt nun aber die Maschine, ist das mehr als eine
«digitale Kränkung», wie es die Philosophie nennt. Tendenziell
wird der Mensch zu einer Funktionalität, zu einem
Anhängsel der Maschine.
Was geschieht da genau? Ein Algorithmus ist ein Programm,
das erst einmal nach dem Prinzip «wenn – dann»
funktioniert. Wird in der Strasse X gebaut, dann sollen die
Ampeln so gestellt werden, dass der Verkehr über die
Stras sen Y und Z geleitet wird. Was sich dann wieder an
etlichen anderen Stellen auswirkt ... Komplex. Ein Computer-Algorithmus
kann das besser und schneller. Allerdings
nur, wenn man ihm vorher den Stadtplan und die
Tausenden von Optionen und deren Konsequenzen einprogrammiert
hat.
Schachcomputer gewinnen gegen Profis, weil man
ihre Algorithmen zuvor mit unzähligen gespielten Partien
gefüttert hat. Automatische Übersetzungssysteme greifen
auf riesige Datenbanken übersetzter Texte zurück, etwa
die Beratungstexte der EU. Algorithmen sind gefrässig. So
werden für die Gesichts erkennungssysteme, die schon für
ein paar Franken zu kaufen sind, regelmässig alle Bilder
von Facebook, TikTok, Instagram etc. illegal abgesaugt.
Dafür setzen die Konzerne ganze Heere von Klickproletariern
zu miesen Bedingungen ein.
KI in den
Callcentern
bringt Stress,
Kontrollverlust
und
Isolation
Entscheidend aber ist, dass Algorithmen heute so gebaut
sind, dass sie selber lernen. Der Computer, der die
Meister des hochkomplexen Brettspiels Go schlug, brachte
sich das Spiel selber bei, indem er in rasendem Tempo
mehrere Millionen Mal gegen sich selbst spielte. Da beginnt
Künstliche Intelligenz (KI).
Sind wir schon Avatare?
«Künstliche Intelligenz
ist eine tödliche
Bedrohung für die
Menschheit.» Elon Musk
Noch deutlicher wird dies bei Algorithmen, wie sie etwa
Google einsetzt. Tatsächlich gibt es nicht den einen Google-Algorithmus,
der Konzern benützt eine komplexe
Struktur verschränkter Algorithmen, die ständig aktualisiert
werden. Sie beobachten mich, registrieren meine
Suchabfragen, meine Internetnutzung, meine Bestellungen,
meine Lektüren, meine Social-Media-Aktivitäten,
meinen Mail-Verkehr, meine Kreditkarte und einiges
mehr. Und ziehen daraus ihre eigenen Schlüsse. Besonders
tückisch ist: Mit jeder Internetnutzung trainiere ich
selbst das algorithmische System. Ich mache die Arbeit
für Google. Kombiniert man diese Daten mit anderen Datensätzen,
etwa meiner Krankenakte oder mit Bewegungsdaten
(Handy) entsteht ein detailliertes Profil. Heute wissen
die zehn grössten IT-Konzerne über 70 Prozent der
globalen Bevölkerung mehr, als die Menschen über sich
selbst.
Dennoch gelten solche algorithmischen Systeme noch
als «schwache künstliche Intelligenz». Doch schon sie
liefern mich kommerziell aus und machen mich für politische
Manipulation anfällig, wie die Manipulation von
Abstimmungen und Wahlen, etwa durch den Konzern
Cambridge Analytica, in den vergangenen Jahren belegt
hat.
Heute steht der Durchbruch zu einer «starken KI» kurz
bevor. Und mit Programmen wie dem «Deep Coder» der
Uni Cambridge soll die KI künftig selbst neue, wirksamere
KI erfinden – ohne Zutun des Menschen.
Elon Musk, der Algorithmus-Multimilliardär, ist fest
davon überzeugt, dass er und wir alle bereits in einer virtuellen
Welt leben, als machtlose Schatten (Avatare) unserer
selbst, von intelligenten Robotern manipuliert. Künstliche
Intelligenz nennt er «die tödlichste Bedrohung für
die Menschheit». Davor will Musk auf den Mars flüchten,
für diesen Zweck hat er den SpaceX-Konzern aufgebaut.
Der Mann ist fraglos ein rechtsextremer Agitator, aber seine
Raketen bringen gerade Hunderte von Satelliten ins
All, und in Sachen KI kennt er sich aus: Der Rohstoff für
seinen Twitter-Konzern sind unsere Leben, und er beutet
sie mit besonders heimtückischen Algorithmen aus.
Im Vergleich zu Musk wirkt Dirk Helbing unaufgeregt.
Der Professor leitet an der ETH Zürich den Bereich Sozialwissenschaften
im Computerzeitalter. «Wir sind zunehmend
ferngesteuert», stellt Helbing fest: «Was wir für unseren
eigenen Willen halten, ist längst von Algorithmen
vorbestimmt.» Das hat er in jahrelanger Forschung mit
Dutzenden von Studien belegt. Jetzt macht Helbing sich
Sorgen. Denn der «digitale Faschismus» stehe vor der Tür.
Menschen seien auch nur Algorithmen, meint die
neuere «Wissenschaft vom Leben». Also können die
Menschen auch gehackt werden, folgert der bekannte
His toriker Yuval Noah Harari («Kurze Geschichte der
Mensch heit»): «Firmen und Staaten arbeiten daran. Vor
einer vergleichbaren Herausforderung stand die Menschheit
noch nie.» Die Zeit dränge, sagt Harari, denn durch
biotechnische Innovation könne bald eine neue Spezies
entstehen, die den alten Homo sapiens versklave.
10 Dossier
Warum sind Algorithmen neoliberal und rassistisch?
Heisst man Leila,
gerät man besser
nicht an einen
Algorithmus
Solche Visionen möchten wir lieber ignorieren, indem wir
sie als «dystopisch» abtun. Gewöhnlich benutzen wir dafür
einen alten Trick. Egal, ob wir von diesen Techniken
etwas verstehen oder nicht, sagen wir mit wissender Miene:
Algorithmen und Big Data, Künstliche Intelligenz und
neuronale Netze, Robotik und Profiling sind Chancen –
doch sie enthalten auch Risiken.
Das ist natürlich nicht falsch und gerade darum ein
fürchterlich dummer Satz. Denn es kommt eben darauf
an, wer über diese Techniken herrscht, was er damit anstellt
und welche gesellschaftlichen Regeln dabei gelten.
Im Kapitalismus, in Händen von Weltkonzernen wie den
GAFAM und von repressiven Regierungen sind sie wie
Massenvernichtungswaffen.
Simpel ausgedrückt: Ein Algorithmus ist nicht aus eigenem
Antrieb rassistisch. Aber er kann rassistisch programmiert
sein. Das mussten etwa Zehntausende von
hollän dischen Familien erfahren, deren Existenz durch
einen Algorithmus vernichtet wurde, indem er sie des
Sozialhilfe betrugs bezichtigte. Das war zwar in 94 Prozent
der Fälle nachweislich falsch, wie sich Jahre später herausstellte,
aber es hagelte automatische Strafbefehle und
monströse Zahlungsforderungen und führte zum sofortigen
Stopp von Kinderzulagen, Mietbeiträgen, Krankengeld,
Arbeitslosengeld, Sozialhilfe etc. Familien verloren
ihr Dach über dem Kopf, andere wurden auseinandergerissen.
Und dann zeigte sich, dass besonders Migrant:innen
und alleinerziehende Mütter mit afrikanisch oder
arabisch tönenden Namen betroffen waren. Gerät man an
einen Algorithmus, heisst man besser nicht Leila. Einsprüche
wurden harsch abgelehnt, der Algorithmus hat
immer recht, denn er ist ja Mathematik. Gnadenlos wurden
fiktive Schulden eingetrieben. Betroffene nahmen
sich das Leben. Dieser Gegner ist unsichtbar, er streitet
nicht mit Dir, er muss nichts beweisen. Kafkaesk.
Als der Skandal schliesslich ins Parlament kam, redete
sich die Regierung mit «Programmierfehlern» heraus.
Ein bedauerlicher Sonderfall also, vielleicht gar einem
böswilligen Programmierer geschuldet? Unsinn. Vielmehr
zeigt sich in Hunderten solcher Vorgänge in vielen
Ländern und allen Bereichen die gleiche Logik. Die untere
Hälfte der Gesellschaft und Migrant:innen werden bei Bewerbungen,
Kredit, Strafvollzug auf Bewährung, Zuteilung
von Studien- und Ausbildungsplätzen, präventiver
Polizeiarbeit, Sozialversicherungen durch Algorithmen
regelmässig diskriminiert. Offenbar ist die KI, wie sie derzeit
zum Einsatz kommt, ein getreuer Spiegel neoliberaler
Politik.
Soziale KI
Das beschreibt eine immense Herausforderung für die
Gesellschaft. KI kann nützlich sein. Für die medizinische
Versorgung. Für die Abwendung ökologischer Katastrophen.
Für alle Formen von Gleichstellung. Für einen effizienten
Service public. Sogar für bessere Arbeit. Dafür
aber müssten die Algorithmen transparenter und dem
alleini gen Nutzen der Konzerne entrissen werden.
Soziale Künstliche Intelligenz bei syndicom:
Dossier «Mensch vor Maschine»
Dossier
Gewerkschaft gegen Konzerne:
Lernen und mutig handeln
11
Bekommen die Gewerkschaften nicht schnell
einen Fuss in die algorithmische Revolution,
sieht es schlecht aus für unsere sozialen
Errungenschaften.
Text: Oliver Fahrni
Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Die Revolution um die
Künstliche Intelligenz (KI) hat gerade erst begonnen. Nur
rast sie bereits. Der Umsatz mit lernenden Algorithmen,
neuronalen Netzen und algorithmischem Management
schnellte 2021 um mehr als 40 Prozent nach oben. Die
Zahl der KI-Patente verdoppelt sich alle 15 Monate – 2021
wurden 30 Mal so viele angemeldet wie 2015. Sieben der
weltweit zehn grössten Konzerne machen heute ihr Geld
im IT-Business.
Bekommen die Organisationen der Arbeitenden nicht
sehr schnell einen Fuss in diese Revolution, dürfte es um
viele soziale und gesellschaftliche Errungenschaften bald
geschehen sein. Big Data, Algorithmen und KI könnten
starke Werkzeuge sein, um etwa die Verschwendung von
Ressourcen und Energie einzudämmen, Transparenz in
Ökonomie und Finanzströme zu bringen, Seuchen zu bekämpfen
oder bessere, qualifizierende Arbeit zu fördern.
Hybride Intelligenz aus Simulation und
menschlichem Erfahrungswissen
In der Technology Review hat der Wissenschaftsautor
Niels Boeing ein solch hilfreiches Tool beschrieben, den
«Zwilling»: Der Stahlkocher Tata, ein globaler Konzern,
baute mit KI ein genaues Abbild seiner Produktion und
spielte darin die Stahlproduktion im Computer eins zu
eins durch. Resultat: Zahlreiche verbesserte Vorgänge,
weniger Energiekosten – und die Erkenntnis, dass automatisierte
Systeme ohne das Erfahrungswissen der Arbeitenden
oft falsch entscheiden. Jetzt spricht man bei Tata
von «Hybrider Intelligenz», dem Zusammenspiel von
Mensch und Maschine.
Das macht aus Tata noch keinen sozialen Konzern,
und die kapitalistische Realität ist brutal. Die neuen Techniken
werden vorab eingesetzt, um die Arbeitenden und
die Gesellschaft in engste biometrische Kontrolle zu
schnüren, das Verhalten und den Konsum von Milliarden
zu steuern. Fast alle handelsüblichen Algorithmen diskriminieren
Frauen, Farbige, Minoritäten – so verschärfen
sie Chancenungleichheiten.
Erstaunlich viele Gewerkschafter:innen sind sich dieser
Gefahren bewusst, wie eine europaweite Studie der
Friedrich-Ebert-Stiftung ermittelt hat. Doch die konkreten
Angriffspunkte der Organisationen zur Zähmung der
KI-Welt sind vielfach noch unklar.
Das liegt erstens daran, dass niemand genau weiss, wo
welche Techniken eingesetzt werden. Eklatantes Beispiel
sind die automatisierten, algorithmischen Beurteilungen
im Personalmanagement. Einzelne Pharma-Konzerne
und Grossbanken räumen ein, bei Einstellungen und
Leistungskontrolle KI zu benützen. Aus den hohen Verkaufszahlen
von vorgefertigten algorithmischen Personalprogrammen
aber muss man schliessen, dass sehr viele
Unternehmen sie verwenden.
Da hilft nur Transparenz. Also die obligatorische Offenlegung.
Zuerst muss die Transparenz in die GAV eingeschrieben
werden. Neben anderen Regeln, die darauf zielen,
die Datensouveränität der Arbeitenden zu schützen,
respektive zu erzwingen. Hier müssen die Gewerkschaften
ein zweites Handicap überwinden: Künstliche Intelligenz
ist ein umfangreiches, technisches und daher
schwierig zu meisterndes Fachgebiet.
Also hilft nur ein Bündnis mit spezialisierten Organisationen
der Zivilgesellschaft. Zahlreiche Forscher:innen
und Spitzenleute haben der Industrie in den letzten Jahren
den Rücken gekehrt und sind in diesen NGO aktiv.
syndicom macht heute einen ersten Schritt durch ein gemeinsames
Projekt mit der Organisation AlgorithmWatch
(siehe Seite 12). So oder so kommen die Gewerkschaften
um eine Bildungsanstrengung nicht herum. Ein erhellender
Anfang könnten Algorithmus-Ateliers sein: Gewerkschafter:innen
schreiben selber Code. Gemäss der alten
Bauernregel: Nur wer selber eine Furche gezogen hat,
weiss, wie die Kartoffel wirklich schmeckt.
12
Dossier
Transparente Algorithmen
zum Schutz der Arbeitenden
Ein gemeinsames Projekt von syndicom und
AlgorithmWatch öffnet ein neues Kapitel der
Gewerkschaftsarbeit in der Schweiz.
Text: Mattia Lento
Einst waren es die Patrons oder die Chefs eines Unternehmens,
Menschen aus Fleisch und Blut, die bisweilen über
den Gewerkschaftskampf zur Ordnung gerufen wurden.
In der komplexeren Arbeitswelt heute sind Arbeitgeber
und Chefs zwar nicht verschwunden, aber immer häufiger
werden algorithmische Systeme eingesetzt, um die Aktivitäten
der Arbeitnehmenden zu überwachen. Dies ist auch
eine Herausforderung für die gewerkschaftliche Arbeit.
Eine mögliche Reaktion darauf wäre, sich in der Haltung
von «Maschinenstürmern» gegen Technik und Fortschritt
zur Wehr zu setzen. Aber die Geschichte der Arbeit
im Westen hat wiederholt gezeigt, dass dies falsch oder
sogar kontraproduktiv wäre. Eine weitere Möglichkeit besteht
darin, einen intelligenten Umgang mit Innovation
und Digitalisierung zu finden, das heisst mit Blick auf
Rechte und soziale Fragen.
syndicom hat deshalb beschlossen, ein gemeinsames
Projekt mit der NGO AlgorithmWatch Schweiz zu starten.
Ziel ist, die Arbeitnehmenden zu befähigen, beim Einsatz
von Algorithmen am Arbeitsplatz für ihre Rechte einzustehen
und konkrete Handlungsmöglichkeiten abzuleiten.
Für Angela Müller, Leiterin von AlgorithmWatch Schweiz,
ist die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ein wichtiger
Schritt für ihre Organisation: «AlgorithmWatch hat
Sitze in Berlin und Zürich. In unserer Schwesterorganisation
in Berlin stehen wir schon lange mit Gewerkschaften
in Austausch. Aber es ist das erste Mal, dass wir so umfassend
und langfristig mit einer Gewerkschaft in einem gemeinsamen
Projekt zusammenarbeiten. Das bringt für
beide Seiten viele Vorteile. Wir bringen unsere fachliche
Expertise ein und syndicom vermittelt uns Zugang zu Unternehmen,
Personalvertretungen und Arbeitnehmenden
und ermöglicht uns Einblicke in die betriebliche Praxis
und in die Sozialpartnerschaft. So erarbeiten wir gemeinsam
praxisorientierte Handreichungen für die Arbeitnehmenden
und ihre Vertretungen und können die Erkenntnisse
aus dem Projekt für unsere politische Arbeit nutzen.»
Um Transparenz beim Einsatz von Algorithmen herzustellen,
will die Schweizer NGO «auf öffentliche Register
setzen, in denen zentrale Informationen zu Algorithmen,
dem Zweck ihres Einsatzes und ihren Entscheidungslogiken
veröffentlicht werden». Dies ist eine grundlegende
Voraussetzung, um öffentliche Aufsicht und Kontrolle
über algorithmische Funktionen zu ermöglichen: «Nur
wenn wir wissen, wo, wozu und von wem die Systeme verwendet
werden, können wir auch prüfen, ob dies im Interesse
der Arbeitnehmenden geschieht.»
«Zweck und Logik
der Algorithmen
sollen öffentlich sein.»
Angela Müller, AlgorithmWatch Schweiz
Über diese Kontrolle ist es beispielsweise auch möglich,
abzuschätzen, «ob der Einsatz eines Systems diskriminierende
Folgen oder andere negative Auswirkungen
auf Grundrechte der Betroffenen hat». Für Angela Müller
ist es wichtig, dass «die Interessen der Arbeitnehmenden
in die Entscheidungsfindung der Algorithmen einbezogen
und in der Art und Weise, wie diese zum Einsatz kommen,
berücksichtigt werden».
Diese Zusammenarbeit wird unser Wissen über die Beziehung
zwischen Digitalisierung und Arbeitsrechten
nochmals verbessern und uns vor allem die Mittel an die
Hand geben, uns nicht gegen die Technologie, sondern
gegen den Missbrauch der Technologie durch das Kapital
zu wehren. Abschliessend sagt Angela Müller: «Es ist nicht
unser Ziel, Algorithmen zu bekämpfen, sondern ihren
Einsatz so zu gestalten, dass er uns allen wirklich nützt.»
Mehr über das gemeinsame Projekt:
https://algorithmwatch.ch/de/projekt-mit-syndicom
Die Illustrationen
Wie sieht die Arbeitswelt von morgen angesichts von Algorithmen
aus? Unsere Bilder wurden fast alle von Systemen
Künstlicher Intelligenz erstellt, denen wir diese Frage als
Anweisung vorgelegt haben. Fast – eine Illustration ist
darunter, die von einem menschlichen Künstler nach der
gleichen Vorgabe erstellt wurde. Können Sie sie erkennen?
Die Lösung finden Sie auf der Seite 27, beim Rätsel.
Auch wenn die Systeme heute sichtbar an Grenzen stossen,
besonders bei der Fähigkeit, eine abstrakte Anweisung wie
unsere sinnvoll zu interpretieren, werfen doch ihre Schnelligkeit
und Benutzerfreundlichkeit Fragen über die Zukunft
der Arbeit in der grafischen Branche auf. syndicom wird sich
deren Beantwortung weiter zur Aufgabe machen.
Unser menschlicher Illustrator Micha Dalcol stammt aus
Tremona, einem kleinen Tessiner Dorf. Er arbeitet für Bücher
und Zeitschriften, besonders im didaktischen Bereich, und
ist Koordinator für das SJW im Tessin. dalcolmicha.ch.
Was ist ein Algorithmus?
Der Begriff geht zurück auf den Namen des persischen Mathematikers al-Khwarizmi, der
um 825 die schriftlichen Rechenmethoden mit arabischen Zahlen systematisch darlegte.
Ein Algorithmus ist eine geordnete Folge einfacher, klar definierter Handlungsanweisungen.
Werden diese der Reihe nach ausgeführt, erhält man in einer endlichen Zeitspanne ein
eindeutiges Ergebnis.
Ein Algorithmus lässt sich mit einem Kochrezept vergleichen: ebenfalls eine Methode, die
entwickelt wurde, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Heute steht «Algorithmus» oft
vereinfachend für «Künstliche Intelligenz» oder selbstlernende Systeme.
Cloud-Computing im Dienste des Algorithmus
Im gleichen Takt, wie die Rechenleistung von Computern in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, haben die
Miniaturisierung der Preise für Datenspeicherung und ihre Fernverfügbarkeit über Cloud-Server die Verbreitung
algorithmischer Systeme, die (fast) alle unsere Online-Aktionen speichern und interpretieren, möglich gemacht.
1956
1 GB = 26 000 000 CHF
Die RAMAC 305 ist die erste
Festplatte. Sie hat eine Kapazität
von 5 MB und die Grösse von
zwei Kühlschränken.
1995
1 GB = 800 CHF
Festplatten überschreiten
eine Kapazität von 1 GB und
auf einer CD können 700
MB gespeichert werden.
2015
1 GB = 0,05 CHF
Festplatten können bis
zu 10 TB gross sein.
1980
1 GB = 100 000 CHF
Die erste 5¼-Zoll-Festplatte
taucht auf. Sie hat eine
Kapazität von 5 MB. Die
5¼-Zoll-Disketten haben
eine Kapazität von 1 MB.
2002
1 GB = 2 CHF
Laufwerke mit 100 GB
werden zum Standard.
Quelle: Le Monde
Spezialisierte Algorithmen sind heute im Alltag allgegenwärtig.
Sie geben in vielen Berufen den Ablauf und Takt der Tätigkeiten vor.
LOGISTIK
Der Paketzusteller wird von seinem
Scanner dirigiert.
ONLINEMEDIEN
In Onlinemedien werden die Lesegewohnheiten
ebenfalls von Algorithmen
ausgewertet und die Vorschläge darauf
abgestimmt.
POSTFINANCE
Die Bankerinnen von PostFinance nutzen
Algorithmen für die Anlageentscheide.
PRESSE
Sportnachrichten von lokaler Bedeutung
werden bereits von KI erstellt, auch im
Datenjournalismus laufen Algorithmen bei
der Auswertung von grossen Datenmengen.
BUCHHANDEL
Im Buchhandel gibt es die Algorithmen,
die einem als Kunde/Kundin neue Bücher
nach den eigenen Lesegewohnheiten
empfehlen.
SWISSCOM
Mitarbeitende von Swisscom haben die
Spracherkennung für die Fernbedienung
der Swisscom-Box trainiert
Quelle: syndicom Sektoren
Machine Learning: Maschinen, die von uns lernen
Maschinelles Lernen (Machine Learning) bezeichnet Prozesse,
bei denen Computeralgorithmen aus Daten und Handlungen
von Menschen lernen. Im Internet werden beispielsweise jede
Minute fast 6 Millionen Anfragen an Google gestellt, die von den
Algorithmen sofort interpretiert werden.
6 Millionen
Quelle: LocaliQ
14
Eine bessere
Arbeitswelt
Die Jugend macht sich Sorgen
um die Zukunft!
Das Jugendbarometer der Credit Suisse 2022 zeichnet ein düsteres
Bild. Noch nie seit Befragungsbeginn vor 10 Jahren sahen
Jugendliche und junge Erwachsene mit so wenig Zuversicht in
ihre eigene und die Zukunft der Gesellschaft wie dieses Jahr.
Jedes Jahr veröffentlicht die Credit
Suisse das Jugendbarometer. In den
USA, Singapur, Brasilien und der
Schweiz wurden jeweils 1000 junge
Leute zwischen 16 und 25 Jahren zu ihren
Nöten und Sorgen befragt.
Generation Realismus
Der Optimismus der letzten Jahre
weicht dem Realismus. Die über 1000
befragten Jugendlichen und jungen
Erwachsenen in der Schweiz sehen
weniger hoffnungsvoll in die Zukunft.
Ein Trend, der sich seit Befragungsbeginn
vor zehn Jahren abzeichnet – die
Werte sinken Jahr für Jahr. Nur 44 Prozent
aller Befragten sehen «eher zuversichtlich»
in die Zukunft. Noch pessimistischer
sind die Befragten, wenn es
um die Zukunft der Gesellschaft geht.
Junge Schweizerinnen und Schweizer
sorgen sich um die Zukunft. Stand
in den letzten zwei Jahren noch die Corona-Krise
an erster Stelle der Sorgen,
so wurde die nun von der Altersvorsorge
verdrängt.
Interessiert, aber nicht engagiert?
Auf Platz 2 steht die Sorge um den
Klima wandel, gefolgt von den Benzinund
Ölpreisen und der Energiesicherheit.
Aber auch Gleichstellungsthemen
beschäftigen die junge Bevölkerung
der Schweiz. Zustimmung zur Inklusion
und ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
zeichnen die Jugend aus, sie
spricht sich aus für Gleichstellung und
gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Dass diesen Anliegen viel
Gewicht gegeben wird, ist also nicht
erstaunlich. Umso erstaunlicher hingegen
ist, dass das Engagement fürs
Klima und für die Gleichstellung der
Geschlechter leicht gesunken ist.
Allerdings wurde die Frage falsch
gestellt – die Motivation, für diese
Anliegen auf die Strasse zu gehen, ist
gesunken. Noch immer fühlen sich
40 Prozent aller Jugendlichen der
Klimabewegung zugehörig und sind
der Meinung, dass man sich für diese
Anliegen auch einsetzen muss.
Dieser Generation, den Jugendlichen
und jungen Erwachsenen der
Schweiz, ist die Zukunft nicht egal,
und sie sind nicht zu unterschätzen.
Jane Bossard,
Jugendsekretärin syndicom
Und noch eine andere Studie:
Jugend und Politik 2022, vom EDI
Altersrenten und Klimakrise erzeugen aktuell die grösste Sorgenlast bei den Jungen, doch das Engagement scheint zurückgegangen. (© Markus Spiske / unsplash)
«Der Event unterstützt die Ausbildung und fördert die
Vernetzung – wie dies die Gewerkschaft täglich tut.» Melina Schröter
15
Ausgebuchte Journée romande
de la typographie
Nachdem die Veranstaltung 2021 pandemiebedingt abgesagt
werden musste, fand die 18. Journée romande de la typographie
(JRT) am 1. Oktober bei UNI Global in Nyon statt.
Grosses und junges Publikum an der erfolgreichen Rückkehr der JRT nach Corona. (© Virginie Zürcher)
Diese alle zwei Jahre stattfindende
Veranstaltung wird organisiert vom
Berufsverband Swiss Graphic Designers
(SGD) und von syndicom. 2022
bot sich dem Publikum wieder die Gelegenheit,
live den spannenden Vorträgen
von vier international bekannten
Referentinnen und Referenten
beizuwohnen: Félicité Landrivon (Brigade
Cynophile, F), André Baldinger
(André Baldinger-Vu-Huu, CH/F) – der
zum zweiten Mal an der JRT dabei
war –, Ian Party (newglyph, CH) und
Emilie Rigaud (A is for fonts, F).
In der traditionellen Ausstellung
waren die Schönsten Schweizer Bücher
2021 zu sehen, die im Rahmen
eines jährlich vom Bundesamt für
Kultur durchgeführten Wettbewerbs
ausgezeichnet worden sind.
Das vom Komitee der Journée de la
typographie zusammengestellte vielfältige
und qualitativ hochstehende
Programm überzeugte, denn alle 200
Eintrittskarten zur Veranstaltung wurden
verkauft. Wie in den Vorjahren bestand
ein grosser Teil der Besucher:innen
aus Studierenden der Visuellen
Kommunikation in der Romandie.
Für syndicom war dies eine Gelegenheit,
auf diese jungen Berufsleute zuzugehen
und ihnen zu zeigen, wie
wichtig unsere Gewerkschaft für ihre
künftigen Arbeitsbedingungen ist.
Alter Event – neue Website
Für die Veranstaltung 2022 wurde zudem
eine neue Website gestaltet, auf
der das diesjährige Programm und die
Beschreibung der Beiträge sowie das
Archiv aller vorangegangenen Ausgaben
zu finden sind (journeetypo.ch).
Die Journée de la typographie fand
erstmals 1990 statt – damals an der
Ecole romande des arts graphiques.
Sie fördert die Vernetzung und unterstützt
die Ausbildung, eine Arbeit, die
unsere Gewerkschaft täglich leistet –
gerade in der Branche der visuellen
Kommunikation, deren Mitglieder oft
selbständig tätig sind und solche Gelegenheiten,
sich zu treffen, schätzen.
Das Organisationskomitee, dem
die Unterzeichnende vonseiten syndicom
angehört, freut sich bereits darauf,
mit der Vorbereitung für die
19. Journée de la typographie 2024 zu
beginnen.
Melina Schröter
Hier gehts zur
JRT-Website
ILO-Übereinkommen
190 jetzt ratifizieren!
Daniel Hügli, Leiter Sektor ICT
Es ist der 21. Juni 2019 in Genf, als die
Internationale Arbeitskonferenz das
Übereinkommen 190 annimmt. Es
schützt erwerbstätige Personen vor
(auch geschlechtsspezifischer) Gewalt
und Belästigung am Arbeitsplatz,
durch Dritte und auf dem Arbeitsweg
sowie vor den Auswirkungen von häuslicher
Gewalt (z. B. im Homeoffice).
Auch die Schweiz stimmt ihm zu.
Doch erst am 19. September 2022 berät
der Ständerat die Ratifizierung:
Die arbeitgebernahen Ständeräte treten
nicht auf die Vorlage ein, da die
Folgen noch nicht abzuschätzen seien.
Was für Folgen befürchten sie?
Die Ratifizierung verpflichtet einen
Staat, das Recht aller Personen
auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und
Belästigung zu achten, zu fördern und
zu verwirklichen. Unter Beteiligung
der Arbeitenden und ihrer Vertretungen
sind Gefahren zu ermitteln, Risiken
zu bewerten und Massnahmen zu
ihrer Verhinderung und Kontrolle zu
ergreifen. Auch das Recht, sich bei Gefährdung
ohne Nachteile von einer Arbeitssituation
zu entfernen.
Gewalt und Belästigung sind somit
Aspekte der Arbeitssicherheit und des
Gesundheitsschutzes, was Mitspracherechte
nach sich zieht. Stellen sich
die Ständeräte also tatsächlich gegen
wirksame Massnahmen, die die Arbeitgeber
etwas kosten und die sie
gemeinsam mit Arbeitnehmenden
demokratisch im Betrieb ausarbeiten
müssen? Am Nationalrat wird es nun
sein, diesen Fehlentscheid des Ständerats
zu korrigieren.
16 Arbeitswelt
«Gesellschaftspolitische Veränderungen brauchen
einen langen Atem und die Macht der vielen.» Anna Stahl
Bitte einmal
fancy Arbeitsbedingungen!
Was fancy klingt, soll mehr bieten als das Existenzminimum.
Die selbständigen Grafikdesigner:innen fordern Selbstverständliches:
Altersvorsorge, Auftragslosenversicherung und Schutz.
Soziale Absicherung muss es für alle geben – auch die schicken Kreativen brauchen sie. (© Keystone-SDA)
Angefangen hat alles mit einer ebenso
simplen wie existenziellen Frage: Was
ist meine Arbeit wert? Fünf selbständigerwerbende
Grafikdesignerinnen
haben sich auf die Suche nach Antworten
gemacht. Das Ergebnis kann sich
sehen lassen: In einem flammenden
Manifest zeigen sie auf, was schiefläuft
in ihrer Branche, was sich ändern
muss und was sie bewegen wollen.
Ihre Forderungen sind für viele Angestellte
heute schon Realität: eine
Zukunft ohne Altersarmut, dafür mit
einer angemessenen Rente, die tatsächlich
zum Leben reicht. Eine Versicherung,
die in Zeiten fehlender Aufträge
ein Sicherheitsnetz bietet. Und
ein Einkommen, das es erlaubt, Reserven
aufzubauen, sich selber einen
13. Monatslohn auszuzahlen oder
auch mal Urlaub zu nehmen.
Langer Atem und viele
Mitstreiter:innen
Gesellschaftspolitische Veränderungen
brauchen einen langen Atem,
aber vor allem brauchen sie die Macht
der vielen. Mit ihrer Streitschrift
geben die Grafikdesigner:innen der
Berufsgruppe von syndicom den Startschuss
für eine langfristige und breit
aufgestellte Organisation innerhalb
ihrer Branche. Nur wenn aus der kleinen,
aber feinen Gruppe von fünf
Menschen eine ganze Bewegung entsteht,
wird echte, tiefgreifende Veränderung
möglich.
Alle allein mit den gleichen Fragen
Die Vernetzung mit Berufskolleg:innen
ist deshalb ein zentrales Anliegen
der Berufsgruppe: um zu verhindern,
dass jede:r in seinem und ihrem Atelier
mit den immer gleichen Fragen
und Problemen alleine bleibt. Und gerade
dem Nachwuchs bietet die gewerkschaftliche
Organisation nach
dem Abschluss der Ausbildung, wo
der Klassenverband den Studierenden
als Netzwerk diente, einen Anknüpfungspunkt.
Denn wer sein Diplom in
der Tasche hat, steht allzu oft von heute
auf morgen alleine da und verfügt
noch nicht über das Know-how, um
sich im verwinkelten Labyrinth der
Selbständigkeit zurechtzufinden.
Nicht zuletzt ist das Manifest deshalb
ein Appell an alle Grafikdesigner:innen,
über der Liebe zum Handwerk,
zur Kreativität und zur Freiheit
nicht blind zu werden für eine einfache
Tatsache: dass faire Arbeitsbedingungen
und soziale Absicherung für
alle möglich sind und seien müssen.
Anna Stahl
Die Grafikerinnen und Grafiker
auf Instagram
«Gesamtarbeitsvertrag»
für Selbständige
Michael Moser, Zentralsekretär Medien
Der Sektor Medien hat einen «Gesamtarbeitsvertrag»
für Selbständige verhandelt
(siehe Interview Seite 20). Dieser
sieht natürlich etwas anders aus
als bei Angestellten, trotzdem funktioniert
er gleich. Gemeinsam mit dem
Arbeitgeber verhandelten wir Minimalstandards
für die Arbeitsbedingungen,
die in den individuellen Verträgen
nicht unterschritten werden
dürfen. Konkret also in der Zusammenarbeit
zwischen dem Comic-Verlag
Edition Moderne und seinen publizierenden
Illustrator:innen. Darüber
hinaus haben wir in einer Vereinbarung
festgehalten, dass wir diesen Basisvertrag
jedes Jahr weiterverhandeln
und wenn immer möglich verbessern.
Dass sich Selbständige kollektiv
organisieren, ist nicht neu; dass wir
nun die Werkzeuge aus der bekannten
Sozialpartnerschaft zwischen Angestellten
und Arbeitgebern auch für die
Selbständigen interpretieren, erweitert
aber das Spektrum für Verbesserungen
noch einmal. So können Selbständige
von den Erfahrungen und
Errungenschaften ihrer angestellten
Kolleg:innen profitieren, gleichzeitig
gewinnen auch die Angestellten, wenn
die Arbeitsbedingungen der Selbständigen
besser werden. Mit einer immer
stärkeren Flexibilisierung der Arbeitsformen
ist es wichtiger denn je, zu verhindern,
dass «klassische» Arbeitsverhältnisse
in selbständige umgewandelt
werden, nur weil dort keine Sozialabgaben
gezahlt werden, die Absicherung
lückenhaft ist oder die Einkommen
einfach generell tiefer sind.
«Es scheint an der Zeit für eine
Verwarnung an PostNetz.» David Roth
17
Surreale Verkaufs-Ziele münden
in Führungsversagen
Verkaufsziele müssen messbar und änderbar sein. Angstmache und die blosse Weitergabe von Druck
nach unten sind kontraproduktiv. (© Keystone-SDA)
Egal, wen man fragte bei PostNetz:
Alle berichteten, dass die Verkaufsziele
bei weitem verfehlt wurden. syndicom
hatte früh gewarnt, dass die Ziele
unrealistisch seien, und wurde ignoriert.
Bereits im März 2022 war allen
klar, dass sie nicht erreicht werden
können. Und trotzdem gab es keine
Korrekturen, der Druck auf Teamleader
und Kundenberatende wurde konsequent
hochgehalten.
«Rennlisten» und öffentliche
Blossstellung
Einige Teamleader liessen sich von
dem Zielwahnsinn nicht beeindrucken
und haben einfach solide Arbeit
abgeliefert. Unerfahrene Gebiets- und
Teamleader waren verständlicherweise
heillos überfordert und gaben
dem Druck nach. Dies mündete zuerst
in absurden Messmethoden, wahren
Rennlisten, teilweise mit Blossstellung
vermeintlich weniger erfolgreicher
Kolleg:innen. syndicom hat über
hundert Beispiele von problematischen
bis schlicht schockierenden
Führungsmethoden gesammelt und
bei der nationalen Leitung protestiert.
Der Austausch hierzu hat im Mai begonnen,
aber die Wirkung ist nach wie
vor zu zaghaft.
Der Verkauf in den Poststellen ist
eine Teamleistung
Nach wie vor gibt es Teams, in denen
individuelle Ziele gesetzt, Rennlisten
präsentiert oder gar mit Akten notizen
und Verwarnungen operiert wird,
wenn Ziele nicht erreicht werden. Das
steht im kompletten Widerspruch
zum Führungs-1x1, wie es auch kleine
Manager lernen. Und dagegen müssen
wir uns wehren. Ziele müssen beeinflussbar
und messbar sein. Der
Verkauf auf Poststellen ist allerdings
eine Teamleistung. Und Verkäufe
können nur so gut wie die Produkte
sein. Die syndicom-Regionalsekretär:innen
arbeiten mit jenen Teams,
die weiterhin Beispiele melden. Aber
das Problem besteht nicht nur vor Ort,
sondern zieht sich über alle Ebenen.
Mehr Realismus, bessere Führung
Es scheint an der Zeit für eine Verwarnung
an PostNetz. 2023 braucht es realistische
Ziele und bessere Führung
auf fast allen Ebenen. Und Produkte,
die sich besser verkaufen.
David Roth
Bewegter Herbst
für private Paketboten
Urs Zbinden, Zentralsekretär Logistik
Es tut sich etwas in der Schweizer Gewerkschaftswelt
diesen Herbst: In
Genf streiken das Fahrpersonal der
Verkehrsbetriebe TPG und die Staatsangestellten
erfolgreich für mehr
Lohn, die Bauarbeiter:innen protestieren
lautstark gegen Verschlechterungen
des GAV, und am Zürcher
Flughafen werden Streiks der Arbeiter:innen
von Swissport und der Pilot:-
innen von Swiss durch bessere GAV
knapp abgewendet. Diese Schlaglichter
der Entwicklung in der Schweiz reihen
sich ein in eine internationale
Tendenz zu mehr Arbeitskämpfen.
Auch in den privaten Logistikbetrieben
der Schweiz macht sich diese
Tendenz bemerkbar. In den letzten
Monaten haben sich Arbeiter:innen
von Planzer KEP und Quickpac bei
syndicom gemeldet. Bei Planzer KEP
geht es um die Einhaltung der gesetzlichen
Vorschriften, um lange Arbeitstage,
kurzfristige Arbeitsplanung und
Arbeitssicherheit (überladene Fahrzeuge).
Hinter den im Depot Zürich
Altstetten aufgestellten Forderungen
stehen 75 Prozent der Belegschaft.
Auch beim Konkurrenten Quickpac
steht eine übergrosse Mehrheit der
Depots Winterthur und Dietikon hinter
den Forderungen nach einem
13. Monatslohn, gegen Wartetage bei
Krankheit und gegen pauschale Abzüge
bei Schäden am Fahrzeug.
Mit den Verhandlungen zum GAV
Logistik wird in der Branche der privaten
Postdienstleister eine wichtige
Grundlage für eine Regulierung gelegt.
Die zunehmenden kollektiven
Bewegungen in den Betrieben zeigen
aber, dass dieser GAV kein Endziel,
sondern ein Startpunkt für weitere
Verbesserungen sein muss.
18 Politik
Die Milliarden an alle
zurückverteilen
Rentenkrise. Die Erträge der Pensionskassen sind zusammengebrochen,
die Renten reichen nicht mehr zum Leben, der
AHV droht eine Unterfinanzierung. Bundesrat und Parlament
klammern sich an die Idee des immer höheren Rentenalters.
Es gibt eine andere Lösung: Die Schweizerische Nationalbank
häuft weiter Milliardengewinne an. Dieses Geld gehört der
Bevölkerung. Es ist fair, wenn es an uns alle zurückgeht. Eine
Stärkung der AHV mit den Gewinnen der SNB: Das fordert
die SNB-Initiative des Gewerkschaftsbundes. Wir haben mit
Sarah Wyss, SP-Nationalrätin aus Basel-Stadt und Mitglied des
Initiativkomitees, über die SNB-Initiative gesprochen.
Text und Fragen: Federico Franchini
Bilder: Keystone-SDA, Michael Waser (Porträt Sarah Wyss)
Der Franken war in den letzten zehn
Jahren eines der meist exportierten
Produkte der Schweiz und übertraf
damit sogar die Erzeugnisse der
Pharma branche! Die ganze Welt
wollte Franken kaufen – vor allem
wegen der Unsicherheiten in der
Euro zone. Die Schweizerische National
bank (SNB) emittierte enorm
viel Geld und verkaufte den Anlegern
aus aller Welt diese Franken gegen
Euro und Dollar. Und machte damit
noch Gewinne. Die Grössenordnung
dieser Frankenverkäufe ist astronomisch.
Von 2016 bis 2021 erwirtschaftete
die SNB dank dieser Politik
Gewinne von über 26 Milliarden
Franken pro Jahr.
Die heutige Ausschüttungsvereinbarung
mit der SNB (sie ist gültig
bis 2025) hält fest, dass maximal
6 Milliarden Franken an Bund und
Kantone ausgeschüttet werden
können, sofern der «Bilanzgewinn»
der SNB mindestens 40 Milliarden
Franken beträgt. Die SNB-Initiative
schlägt vor, dass bei hohen Gewinnen
und Ausschüttungsreserven ein
Teil der Gewinne an die AHV ausgeschüttet
wird. (ff)
Frau Wyss, weshalb braucht es die
SNB-Initiative?
Es ist allen klar, dass wir ein Problem
mit der Finanzierung der AHV
haben. Das stellt sich nicht heute
oder morgen, aber in etwa zehn Jahren.
Wir haben deshalb Zeit, darüber
nachzudenken, wie wir künftig
eine zusätzliche Finanzierung für
die erste Säule garantieren können.
Die Initiative ist somit nötig, weil sie
eine konkrete und effiziente Lösung
für dieses Problem bietet.
Die Finanzierungslücken der
AHV können durch die Gewinne der
SNB geschlossen werden. Und das,
ohne die Kaufkraft durch neue Abgaben
auf den Löhnen zu schmälern:
Die Gewinnausschüttung der
SNB an die AHV stärkt die Altersvorsorge,
ohne das Portemonnaie
der Arbeitnehmenden zu belasten.
Dieses Jahr aber hat die Nationalbank
hohe Verluste angekündigt
und wird wahrscheinlich keine Gewinne
machen. Das Timing scheint
für die Initiative ungünstig zu sein.
Stimmt das?
Tatsächlich ist das Timing nicht
optimal. 2022 ist für die SNB ein
ausser gewöhnliches Jahr. Aber 2021
hatte sie einen Gewinn von 21 Milliarden
Franken ausgewiesen. Die
Gewinne sind sehr stabil, und langfristig
können wir davon ausgehen,
dass die Nationalbank weiterhin
positive Ergebnisse erzielen und
folglich Geld in die Kassen des Bundes
fliessen wird. Wenn wir analysieren,
was in den letzten Jahren
passiert ist, sehen wir, dass die SNB
jährlich rund 2 Milliarden Franken
an den Bund ausgeschüttet hat –
eine schwache Quote, die nur von
der Obergrenze für die Gewinnausschüttung
vorgegeben wird.
Was geschieht heute mit diesen
Geldern von der Nationalbank?
In der Regel werden zwei Drittel den
Kantonen und ein Drittel dem Bund
zugewiesen. Die Vereinbarung sieht
eine Obergrenze von 6 Milliarden
Franken vor. Vom Geld, das an den
«Es gibt nicht viele Lösungen für
das Finanz problem der AHV.
Für uns ist der Einsatz von SNB-Gewinnen
besonders effizient – und gerecht.»
19
Sarah Wyss, Nationalrätin Basel-Stadt (SP) und aktiv im
Komitee für die Nationalbank-Initiative
Bund fliesst, sind ein Drittel für den
ordentlichen und zwei Drittel für
den ausserordentlichen Haushalt
bestimmt. Dieser Anteil dient derzeit
allein dem Schuldenabbau.
Was keine gute Idee ist! Denn
die Verschuldung der Schweiz ist
bereits sehr tief. Es macht keinen
Sinn, die Schulden mit den zusätzlichen
Erträgen der SNB abzubauen.
Viel sinnvoller wäre es, dieses Geld
in die erste Säule zu investieren, da
dies konkret der gesamten Bevölkerung
zugutekäme. Deshalb bin ich
der Meinung, dass diese Initiative
vor dem Volk bestehen könnte.
Laut Umfragen wäre tatsächlich
eine Mehrheit in der Schweiz für
eine Ausschüttung an die AHV.
Wie ist das zu erklären?
In der Diskussion um die AHV21
hat sich klar gezeigt, dass die
Schweiz bis 2035 eine neue AHV-
Reform braucht. Wir sind mit einer
ausser gewöhnlichen Situation konfrontiert,
und wir müssen uns mit
der langfristigen finanziellen Gesundheit
der AHV beschäftigen.
Dieser Gedanke wird von der
Bevölkerung heute akzeptiert: Alle
sind sich bewusst, dass eine zusätzliche
Finanzierung gefunden werden
muss. Die Parlamentsmehrheit
will aber, dass die Überschüsse der
SNB zur Reduktion der öffentlichen
Verschuldung verwendet werden.
Wie gesagt halte ich dies nicht für
eine gute Idee. Dieses Geld in die
erste Säule zu investieren, käme
hingegen der gesamten Bevölkerung
zugute.
Es werden auch andere Lösungen
vorgeschlagen, etwa die Erhöhung
des Rentenalters …
Eines ist sicher: Die Finanzierung
der AHV muss innert rund zehn Jahren
gestärkt werden. Es gibt nicht
viele Lösungen. Mit der jüngsten
Abstimmung über die AHV21 wurde
das Frauenrentenalter von 64 auf
65 Jahre angehoben. Das knappe
Ergebnis zeigt aber, dass eine weitere
Rentenaltererhöhung es vor dem
Volk nicht leicht haben wird. Eine
andere Lösung wäre die Erhöhung
der Lohnabzüge. Wichtig ist, dass
wir einen Vorschlag – in Form einer
Volksinitiative – auf dem Tisch haben,
wenn die Zeit für eine Debatte
über dieses Thema gekommen ist.
Die Jungfreisinnigen haben
eine Volksinitiative eingereicht, welche
die schrittweise Anhebung des
Rentenalters von Männern und
Frauen auf 66 Jahre verlangt. Das
wird die erste Säule schwächen. Zudem
lassen sich bereits heute viele
vorzeitig pensionieren. Die Leidtragenden
einer Rentenaltererhöhung
sind deshalb Personen mit tiefen
Einkommen, die sich keine Frühpensionierung
leisten können.
Unsere Lösung mit den SNB-Gewinnen
scheint mir geeigneter. Aus
unserer Sicht ist klar, dass wir die
Renten stärken und nicht das Rentenalter
erhöhen müssen.
Die Gegner sagen, es sei gefährlich,
die AHV mit den SNB-Gewinnen zu
verknüpfen, da die erste Säule damit
von der Schweizer Geldpolitik abhängen
würde. Was sagen Sie dazu?
Ich verstehe dieses Argument nicht
ganz. Der Initiativtext ist moderat,
er betrifft die Geldpolitik nicht –
und lässt den Kantonsanteil von vier
Milliarden jährlich unangetastet.
Es scheint mir normal, dass
der Bund entscheiden kann, was er
mit den 2 Milliarden macht, die er
von der SNB erhält. Das hat keinerlei
Zusammen hang mit der Politik
der Nationalbank. Heute dienen
diese Mittel dazu, die öffentliche
Verschuldung abzubauen. Sie könnten
genauso gut für die AHV verwendet
werden.
Sonst wäre es auch problematisch,
die Kantonshaushalte mit den
Gewinnen der SNB zu finanzieren.
Das hat aber noch nie jemanden
gekümmert.
Aus meiner Sicht besteht nur
dann ein Problem, wenn die SNB
wie in diesem Jahr keine Gewinne
ausschütten kann. Aber frühere
Durchschnittswerte und die Zukunftsaussichten
zeigen, dass dies
nur in aussergewöhnlichen Jahren
der Fall sein wird.
Wir haben von der Finanzierung
gesprochen. Ein anderes grosses
Problem sind aber die Altersrenten.
Auch hier hat die Linke bereits eine
Volksinitiative lanciert – für die
13. AHV-Rente –, die zustande gekommen
ist. Ist es wichtig, an zwei
Fronten zu handeln?
Für die Linke ist es sehr wichtig, an
zwei Fronten – Finanzierung und
Rentenerhöhung – zu handeln und
unsere Lösungen für die wichtigste
Sozialversicherung der Schweiz
einzubringen. Allen ist klar, dass
die Renten zu tief sind. Gemäss der
Verfassung müssten diese hoch genug
sein, um davon anständig leben
zu können. Das ist nicht der Fall.
Die Finanzierung ist sicher wichtig.
Da rum geht es in unserer Initiative
zu den SNB-Gewinnen.
Aber auch bei den Renten muss
gehandelt werden. Dafür haben wir
die Initia tive für eine 13. AHV-Rente
lanciert. Sie will denjenigen, die vor
allem von der ersten Säule abhängig
sind, etwas Luft verschaffen. Vor allem
den Frauen, da ein Drittel der
Rentnerinnen allein von der AHV
lebt.
Das Parlament behandelt bald auch
die zweite Säule. Wie geht es weiter?
Es braucht Lösungen für Teilzeitarbeitende
in niedrigen Pensen und
für Personen, die mehrere Jobs
haben und nicht versichert sind.
Aber ich sage nochmals, dass wir
uns immer auf die Stärkung der
ersten Säule konzentrieren müssen,
denn es handelt sich um einen
Generationen vertrag und ein Solidaritätsprojekt
zwischen hohen und
geringen Einkommen. Auch für die
Gewerkschaften ist es wichtig, vor
allem die AHV zu stärken. Darum
wollen wir auch die SNB-Initiative
durchbringen.
Die SNB-Initiative kann sofort
unterschrieben werden
20 Die andere
Seite
Ein «GAV» nach Mass
für Freischaffende
Marie-France Lombardo, Julia Marti und Claudio Barandun
leiten den Verlag Edition Moderne mit Herzblut – und seit
neuestem mit einem «Basisvertrag».
der Zeit, die die Suche nach Papieren
verschlingt, sind die Preise im
Ungleichgewicht, da die Teuerungen
nicht 1:1 weitergegeben werden
können. Dazu kommen die sinkende
Kaufkraft und der tiefe Euro -
Kurs: Wir operieren nun mal international,
unser wichtigster Markt ist
Deutschland.
Es braucht eine grundsätzliche
Diskussion darüber, was uns als
Gesellschaft eine lebendige Buchkultur
wert ist, und den politischen
Willen, diese zu unterstützen. Die
strukturelle Förderung des Bundesamtes
für Kultur für Verlage (die
2021–2024 auch die Edition Moderne
erhält) ist ein Beitrag dazu, aber
leider auch der einzige dieser Art.
Fragen: Michael Moser
Bild: Anne Morgenstern
syndicom und die Edition Moderne
haben soeben einen Basisvertrag
unterzeichnet. Worum geht es?
Mit dem Basisvertrag wollen die Gewerkschaft
syndicom und der Verlag
Edition Moderne gemeinsam die
Arbeitsbedingungen für Comicschaffende
verbessern. Beide Seiten
wollen zeigen, dass die Arbeit der
Schaffung und Publikation von Comics
entlang der Wertschöpfungskette
fair und zum Vorteil aller
Parteien gestaltet werden kann und
soll. Die Edition Moderne hat mit
dem Basisvertrag ein wichtiges Vermittlungsinstrument
gewonnen,
das künftig auch klarer macht, was
wir als Verlag leisten.
Was enthält die zum Basisvertrag
gehörende «Vereinbarung über die
weitere Zusammenarbeit»?
Diese Vereinbarung hält unsere
gemeinsamen Ziele fest und dass
Edition Moderne und syndicom den
Basisvertrag jährlich verlängern,
aufgrund unseres Geschäftsganges
neu verhandeln oder beenden können.
Als Verlag verpflichten wir uns,
die Bedingungen des verhandelten
Basisvertrages vor Verhandlungsbeginn
zu kommunizieren und in den
individuellen Verhandlungen anschliessend
nicht zu unterschreiten.
Was genau ist die Edition Moderne
eigentlich und was macht ihr?
Die Edition Moderne ist der einzige
Verlag für Comics und Graphic
Novels der Deutschschweiz und der
älteste im deutschsprachigen Raum.
Er ist inhaltlich und gestalterisch
hoch stehenden Büchern verpflichtet,
die politisch relevant sind:
Auch marginalisierte Stimmen und
The men bekommen eine Plattform.
2021 erhielt die Edition Moderne
einen Swiss Design Award für «Vermittlung»
und wurde zum Schweizer
Verlag des Jahres gekürt.
Der gesamte Buchmarkt ist aktuell
sehr angespannt. Wo seht ihr die
grössten Herausforderungen?
Die Papierknappheit, die Unterbrechung
von Lieferketten und die
Preisexplosion bedrohen auch die
Edition Moderne existenziell. Neben
Seit 2020 sind die Illustrator:innen
bei syndicom organisiert. Wie habt
ihr diesen Prozess beobachtet?
Bevor wir quer in die Verlagsbranche
eingestiegen sind, waren Julia
und Claudio als Grafiker:innen und
Illustrator:innen und Marie-France
in der Designförderung tätig – die
Lage von selbständig erwerbenden
Einzelkämpfer:innen kennen wir
gut. Wir freuen uns für die Illustrationsbranche,
dass sie sich nun bei
syndicom kollektiv organisiert und
den Diskurs um die Wertschöpfung
dieser Arbeit anregt.
Inwiefern passt das alles zu den
Werten der Edition Moderne und
zur Buchkultur, die ihr postuliert?
Die letzten zwei Jahre haben wir den
Verlag aus einer One-Man-Show zu
einer kleinen kollektiven Struktur –
uns dreien und unserem Lernenden
Manuel – umgebaut. Unser Ziel ist,
trotz bescheidenen 220 Stellenprozenten
gute Bücher und ein wertschätzendes,
inspirierendes Arbeitsklima
zu schaffen. Wir begleiten die
Bücher oft vom ersten Storyboard
bis zur Gestaltung, Herstellung und
Vermittlung. Mehr denn je sind wir
überzeugt vom Wert des Mediums
Buch: Vieles in der «Welt da
draussen» ist in Veränderung und
schafft Verunsicherungen. Die
Welten, die wir in Büchern finden,
können helfen, reflektierter, gelassener
und humorvoller durch diese
Aussenwelt zu gehen. Dafür brennen
wir.
Recht so!
21
Guten Tag miteinander
Ich war über 30 Jahre in der Druckerei.
Diese musste schliessen, und ich habe
mich bei der Arbeitslosenkasse angemeldet.
In einem Kurs habe ich ein Bewerbungsdossier
erstellt. Trotz zahlreicher
Bewerbungen erhalte ich nur Absagen.
Ich weiss, dass es in meinem Alter, 55, und
mit meinem Beruf schwierig ist. Doch habe
ich nun gelesen, dass in vielen grösseren
Firmen die Bewerbungen gar nicht mehr
angeschaut werden, sondern ein Algorithmus
das macht. Stimmt das?
Antwort des syndicom-Rechtsdienstes
Ja, Algorithmen werden in der Arbeitswelt immer häufiger
eingesetzt. Gerade im Bewerbungsprozess werden dafür
Kriterien vordefiniert (sogenannte Keywords), um die
offene Stelle optimal besetzen zu können. Erfüllt dein
Lebenslauf gewisse Kriterien nicht, so wird dein Dossier
automatisch ausgeschieden. Dies erhöht die Gefahr der
Diskriminierung bei der Stellensuche aufgrund des Alters,
des Geschlechts, der Nationalität, Familiensituation
(verheiratet, Kinder) etc.
Darauf haben sie uns im Bewerbungskurs
nicht hingewiesen. Ich weiss nicht, ob mein
Dossier von einem Algorithmus oder von
der Personalabteilung geprüft wird und
welche Kriterien bei der Auswahl gelten.
Könnte ich denn mein Dossier entsprechend
anpassen und z. B. das Alter und die
Nationalität nicht angeben?
Wenn das so ist, habe ich kaum eine
Chance, eine Stelle zu finden. So ein
Algorithmus ist doch diskriminierend.
Kann man sich nicht juristisch dagegen
zur Wehr setzen?
Grundsätzlich gibt es da keine Vorschriften. Aber diese
Angaben können für den Arbeitgeber wichtig sein. Die Algorithmen
suchen also anhand dieser Keywords. Fehlen
sie in den Unterlagen, wird die Bewerbung ausgeschieden.
Hast du zudem ein Foto im Lebenslauf, kann der
Algo rithmus bei Verwendung einer automatisierten Gesichtserkennung
Rückschlüsse auf dein Alter machen.
Diese Software wird immer häufiger eingesetzt, obschon
bekannt ist, dass sie bloss Stereotypen erkennt und daher
nicht aussagekräftig ist. Letztlich übernimmt der Algorithmus
die Vorurteile der Personen, die die Kriterien
festlegen. Und ein Algorithmus erkennt nur diejenigen
Daten, die ihm zur Verfügung stehen. Je weniger dies
sind, desto subjektiver wird das Auswahlverfahren.
Du hast die Möglichkeit, gestützt auf Art. 28 ZGB eine
Persönlichkeitsverletzung geltend zu machen. Diese muss
widerrechtlich sein und hängt somit davon ab, ob der
potenzielle Arbeitgeber überwiegende Interessen geltend
machen kann oder nicht. Selbst wenn du beweisen
kannst, dass die Absage nur wegen deines Alters erfolgt
ist, hast du keinen Anspruch auf eine Anstellung. Du
kannst nur eine Genugtuung gestützt auf Art. 28a ZGB verlangen.
Doch gibt es diesbezüglich noch keine Entscheide
des Bundesgerichts. Dies, weil der Arbeitgeber seine Absage
nicht begründen muss, und eine Diskriminierung
daher kaum beweisbar ist.
syndicom.ch/rechtso
22 Freizeit
Tipps
© diaphanes
Kurse bei Movendo: Der frühe
Vogel fängt den Wurm
Umgang mit Stress in Beruf und
Alltag, Basiswissen Schlaf, Vorbereitung
auf die Pensionierung, Word
und Excel für Einsteiger:innen,
Körper sprache lesen: Alle diese
spannenden und nützlichen Kurse
finden Anfang des Jahres bei Movendo,
dem Bildungsinstitut der
Gewerk schaften, statt. Und: Alle
diese Kurse sind bereits belegt und
höchstens noch über die Warteliste
zugänglich. Gerade jetzt, wo das
Jahres programm 2023 herausgekommen
ist, lohnt es sich, das Programm
durchzustudieren und sich
für interessante Kurse schon anzumelden.
«Der Arbeitsmarkt, mein Lebenslauf
und ich», so der Titel des Kurses
am 20. März 23. Er findet ganztägig
in Bern statt, und Movendo gibt
dazu die folgende Beschreibung:
«Der Arbeitsmarkt verändert sich
immer schneller. Viele Berufe gibt
es nicht mehr, neue kommen laufend
hinzu. Damit steigen auch die
Anforderungen an die Arbeitnehmenden.
Wir befassen uns mit der
Arbeitsmarktfähigkeit der Teilnehmenden,
mit ihren Bildungsmöglichkeiten,
und wir erarbeiten kreative
Ideen für die Suche nach einer
neuen Stelle.» Gibt es ein besseres
Gefühl, als für alle Fälle (oder auch
für einen sehr konkreten Fall) einen
aufdatierten, ansprechenden, fixfertigen
Lebenslauf in der digitalen
Schublade zu haben?
Für alle Mitglieder kostenlos
inkl. Verpflegung, für alle andern
Interessierten 410 Franken, Verpflegung
zuzügl. 50 Franken.
(Red.)
«Unrueh»
© Filmcoopi
Mit Anarchismus verbinden die
meisten Menschen vor allem eines:
Lärm, Protest, Widerstand. Nicht so
im Film von Cyril Schäublin («Dene
wos guet geit»).
Er erzählt in ruhigen Bildern die
Geschichte der jurassischen Uhrmacher:innen
Ende des 19. Jahrhun
derts, die den Anarchisten Piotr
Kropotkin entscheiden prägen sollten.
Ganz im Geiste des Anarchismus
folgt der Film einer dezentralen
Erzählweise: Es gibt keine
eigentliche Handlung und die Figuren
halten sich meist an den Bildrändern
auf. Obwohl ein Historienfilm,
ist die Thematik an Aktualität
kaum zu überbieten. Wer kann sich
nicht mit den Uhrmacher:innen
identifizieren, deren Produktivität
von ihren Vorgesetzten mit der
Stopp uhr gemessen wird?
Die leise Kapitalismuskritik in
Form von tickenden Uhren durchzieht
den gesamten Film. So geht
die Uhr in der Uhrenfabrik immer
8 Minuten vor, was als Metapher auf
das ungebremste Wirtschaftswachstum
interpretiert werden kann.
Solidarität untereinander, selbst
mit Anarchist:innen aus anderen
Weltregionen, durchbricht den eintönigen
Alltag in der Uhrenfabrik
und hält die Bewegung zusammen.
Der Film lässt durch die entschleunigte
Erzählweise den eigenen Gedanken
viel Platz. Obwohl geradezu
experimentell, fliesst alles zu einem
grossen Ganzen zusammen.
«Unrueh» ist Anarchismus in
seiner reinsten Form zu einer Zeit
des technologischen Fortschritts,
als Träume von einer besseren,
ganz anderen Welt noch möglich
schienen.
Catalina Gajardo
Eine neue Schweiz
Wir haben es vielleicht spät bemerkt,
aber die Schweiz hat sich
definitiv verändert. Die Unterscheidung
in Schweizerinnen und Ausländer
existiert nur noch für Populisten,
Traditionalisten, leider auch
für das Ausländerrecht und teilweise
den Arbeitsmarkt. Demografischen
Daten zufolge haben 40 Prozent
der Personen, die dauerhaft in
der Schweiz leben, eine Migrationsgeschichte.
Bei den Kindern sind es
über 50 Prozent.
Zweifelsohne gibt es neue Herausforderungen
zu bewältigen, auch
wenn diese Vielfalt grundsätzlich
eine Bereicherung und sicher kein
Problem ist, wie das Institut Neue
Schweiz (INES) seit längerem immer
wieder sagt. INES, dem einige der
brillantesten Köpfe der antirassistischen
und postkolonialen Schweiz
angehören, hat jetzt das Handbuch
Neue Schweiz herausgegeben – eine
Orientierungshilfe in unserer komplexen,
postmigrantischen Gesellschaft.
Migration wird hier als Prozess
gesehen, der erheblich zur Gestaltung
der Gesellschaft beiträgt. Das
Handbuch befasst sich intensiv mit
dem Diskurs und liefert historische
Schlüssel. Daneben enthält es bewegende
poetische Beiträge, starke
Stimmen der Schwarzen Schweiz
und eine Vielfalt von Bildern. Die
Aktivist:innen von INES haben
Recht: die neue Schweiz ist bereits
da. Wir müssen nur noch den systemischen
Rassismus überwinden,
der unsere Gesellschaft prägt.
Mattia Lento
Das ganze Jahresprogramm 2023:
Movendo.ch
«Unrueh» läuft jetzt in den Schweizer
Programmkinos.
INES Institut Neue Schweiz (Hg.): Handbuch
Neue Schweiz, 384 Seiten, ca. 40 Fr.
1000 Worte
Ruedi Widmer
23
24 Bisch im Bild Ein Querschnitt durch die zahlreichen externen Aktivitäten von syndicom.
Betriebsbesuche, Veranstaltungen, Schulungen, Pressekonferenzen
und sogar Ausflüge. Und die Unterschriftensammlung für die Petition
«Preise steigen! Löhne rauf!» geht weiter.
1
2
3
4
5
6
1–6 Im Rahmen der Unterschriftensammlung für die Petition «Preise steigen! Löhne rauf!» gab es zahlreiche Betriebsbesuche im Sektor Logistik. (© syndicom)
7 Medienkonferenz des Gewerkschaftsbunds, hier mit Matteo Antonini von syndicom, Pierre-Yves Maillard und Daniel Lampart (beide SGB)
zu den Lohnforderungen 2022. (© SGB)
8 Patrizia Mordini, Leiterin Gleichstellung bei syndicom, rechts, an der Konferenz der Digital Nomads Switzerland (1. Oktober, Bern). (© syndicom)
9 Die Teilnehmenden des ICT-Seminars der Sektion Zürich. (© syndicom)
10 Zürcher Velokurier:innen überbringen eine Petition an die Firma FWG. (© syndicom)
11 27. August 2022: Gruppenbild vom Ausflug der Sektion Rhätia ins Valle di Lei. (© syndicom)
12 Die Teilnehmenden am Vertrauensleute-Kurs im Tessin hatten sichtlich Spass. (© syndicom)
7
8
9
10
11
12
26
Aus dem
Leben von ...
Mensur Memedi: «Ich schlafe nur gut,
wenn ich anderen helfen konnte»
Mensur Memedi ist 39 Jahre alt und
Familienvater. Kurz nach der Jahrtausendwende
migrierte er als 19-Jähriger
aus Mazedonien in die Schweiz, wo
sein Vater schon seit einem Jahrzehnt
gearbeitet hatte. Er kam damals frisch
vom Gymnasium und schrieb sich an
der Universität Bern ein. Sein Fach:
die Politikwissenschaften. Doch nach
sechs Semestern fehlte seiner Familie
das Geld. Um seine Familie zu unterstützen,
suchte er sich einen Job –
er fand diesen beim Arbeitgeber seines
Vaters, der Schweizerischen Post. Dort
ist Memedi in verschiedenen Funktionen
bis heute tätig. Er arbeitet in der
Agglomeration Bern und wohnt im
Kanton Freiburg. Memedi ist aktives
Mitglied von syndicom.
Text: Basil Weingartner
Bild: Alexander Egger
«Ich möchte mich gern
politisch einbringen»
Ohne Gewerkschaften geht es nicht.
Denn letztlich wollen alle Unternehmen
ihrem Personal möglichst wenig
bezahlen. Überall bei der Arbeit werden
Menschen ungerecht behandelt.
Ich habe Bekannte mit einer Migrationsgeschichte,
die für dieselbe
Arbeit viel weniger verdienten als
Kolleg:innen mit Schweizer Pass.
Deshalb braucht es Institutionen,
die helfen. Bei meinen Bekannten
hat die Gewerkschaft interveniert
und Lohnerhöhungen herausgeholt.
Ich bin einer, der probiert, überall zu
helfen, wo er kann.
Ich bin nicht nur Gewerkschafter,
sondern auch Teamleiter bei der
Post. Zu meiner Stelle bin ich durch
Zufall gekommen. Als temporärer
Angestellter konnte ich meine Fähigkeiten
unter Beweis stellen.
Ich kümmerte mich zunächst um
das Verteilsystem und pflegte speziell
Kundenwünsche ein. Schon bald
war ich für die Planung der gesamten
Touren in der Region Bern verantwortlich
– und festangestellter stellvertretender
Teamleiter. Später rückte
ich zum Teamleiter nach. Nun
führe ich 18 Angestellte. Die eine
Gruppe besteht aus Frühaufstehern.
Die andere Gruppe besteht aus Paketzustellern.
Daneben leite ich auch Teamworkshops
und bin Verantwortlicher
für Lean Management. Dieses wird
auch Kaizen genannt und hat seinen
Ursprung in den Autowerken von
Toyota in Japan. Kaizen versucht das
Potenzial aller Angestellten zu nutzen,
um den Betrieb erfolgreich zu
machen. Die Leute an der Front wissen
besser, was es braucht, um Abläufe
zu optimieren. Die Philosophie
ist folgende: Verschwendung eliminieren
– aber nicht, um Personal einzusparen,
sondern um die Zeit des
Personals sinnvoller zu nutzen. Lean
Management ist wertschätzend gegenüber
den Angestellten. Diese können
sich einbringen und empfinden
Stolz, wenn die Ideen umgesetzt werden.
Auch wird so eine konstruktive
Fehlerkultur geschaffen.
Das passt auch zu meiner eignen
Lebensphilosophie und meinem
muslimischen Glauben: Abends
kann ich nur gut schlafen, wenn ich
anderen geholfen habe. Wir sollten
alle gemeinsam an einem Strang
ziehen. Jeder bringt etwas mit, von
dem du selber lernen und profitieren
kannst. Nur so entsteht eine friedliche
Welt.
Zusammen mit meiner Familie
habe ich mich vor einigen Jahren einbürgern
lassen. Dabei habe ich gesehen,
dass die Einbürgerung in der
Schweiz nicht nur teuer ist, sondern
auch von Kanton zu Kanton, von
Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich
funktioniert. Das ist willkürlich.
Ich möchte mich gerne politisch
einbringen, um das zu ändern.
Auch Einbürgerungen müssen gerecht
sein. Gerechtigkeit ist überall
entscheidend.
Die Leute gehen arbeiten, damit
sie genug Geld für sich und ihre Familie
haben. Doch viele werden einfach
nur ausgebeutet. Wenn man das
mitbekommt, muss man den Leuten
helfen, sonst macht man sich zum
Mittäter.
Impressum
Redaktion: Robin Moret und Giovanni Valerio
(Co-Leitung), Rieke Krüger, Lydia Schebesta
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Übersetzungen: Alexandrine Bieri,
Laurence Strasser, Gabriele Alleva
Porträtzeichnungen: Katja Leudolph
Layout und Druck: Stämpfli Kommunikation, Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Das Abo ist für Mitglieder kostenlos. Für Nichtmitglieder:
Fr. 35.– (Inland), Fr. 50.– (Ausland)
Abo-Bestellung: info@syndicom.ch
27
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Die Nummer 33 erscheint am 10. Februar 2023.
Das syndicom-Kreuzworträtsel
Zu gewinnen gibt es einen Einkaufsgutschein
im Wert von 40 Franken, gespendet
von Coop. Das Lösungswort wird in
der nächsten Ausgabe zusammen mit
dem Namen der Gewinnerin oder des
Gewinners veröffentlicht.
Lösungswort und Absender an:
admin@syndicom.ch oder per Postkarte
an: syndicom-Magazin, Monbijoustrasse
33, Postfach, 3001 Bern.
Einsendeschluss: 24. 12. 22 (wirklich)
Der Gewinner
Die Lösung des Rätsels aus dem syndicom-Magazin
Nr. 31 lautet: INFLATION.
Gewonnen hat Edwin Gisler aus Küsnacht.
Der Silberbarren der Bank Cler ist
unterwegs. Wir gratulieren herzlich!
Des Rätsels Lösung:
Das Bild auf Seite 6/7 stammt nicht von
einer KI, sondern vom Illustrator Micha
Dalcol. Das war einfach, gell?
Anzeige
Ein Auslandeinsatz
macht‘s möglich!
Gemeinsam bewirken wir echte Veränderungen! Im Rahmen von ein- bis
dreijährigen Entwicklungseinsätzen vermitteln wir qualifizierte Berufsleute wie
dich an unsere Partnerorganisationen in Afrika und Lateinamerika. Vor Ort hilfst
du mit Lösungen zu finden für bessere Lebensbedingungen von Kindern,
Jugendlichen und alten Menschen.
comundo.org
28 Inter-aktiv
syndicom social
Entschädigung der Zwangsarbeiter der WM 13.11.2022
Mehr als 6500 moderne Sklaven starben bei den Vorbereitungen
für die Fussballweltmeisterschaft, die jetzt
in Katar stattfindet. Tausende von Arbeitern schuften
dort immer noch unter unmenschlichen Bedingungen
für 1 Dollar pro Stunde. Die FIFA wird Milliardengewinne
erzielen, weigert sich jedoch, die Arbeiter und ihre
Familien zu entschädigen. Daher wurde eine Online-
Petition gestartet, der sich Tausende von Menschen aus
aller Welt spontan angeschlossen haben.
secure.avaaz.org/page/de/
Schockbericht über Amazon
07.11.2022
256 Bestellartikel pro Tag, das sind
32 pro Stunde, weniger als 2 Minuten
pro Artikel. Das sind Zahlen von
Amazon-Mitarbeitenden, die von der
L’Humanité veröffentlicht wurden.
Unerträgliche Stresslevel mit repetitiven,
anstrengenden Bewe gungen.
Eine:r von 5 Beschäftigten kündigt,
während Amazon zuneh mend auf
prekäre Arbeitsverhältnisse setzt:
42 % der Angestellten sind Temporäre.
Stopp für selbstfahrende Autos? 30.10.20220
Nach fast 4 Milliarden US-Dollar, die in die Entwicklung
autonomer Autos investiert wurden,
erklärten Ford und Volkswagen, das Geschäft
mit ihrem Jointventure Argo IA einzustellen.
Der Anfang vom Ende dieser Art Mobilität?
Medienfreiheit und Demokratie in Gefahr 30.10.2022
In Chile ist, wie in vielen Ländern, eine Konzentration
des Verlagsmarktes zu beobachten, die zu einem regelrechten
ideologischen Monopol führt. Die Demokratie
selbst ist in Gefahr, ebenso wie die Zeitung El Clarín,
eine der wenigen unabhängigen Stimmen. Um sie zu
unterstützen, ruft syndicom zur Unterzeichnung der
Petition auf: syndicom.ch/9slze
UN muss Sicherheit der Medien garantieren 02.11.2022
Zum Internationalen Tag zur Beendigung der Straflosigkeit
für Verbrechen gegen Journalist:innen fordern
syndicom und die Internationale Journalistenföderation
(FIJ) die internationale Gemeinschaft auf, endlich die
Sicherheit und den Schutz der Medienschaffenden
durch ein UN-Übereinkommen zu gewährleisten.
Ständeratskommission schafft Chance
für Konzernverantwortungs-Gesetz 07.09.2022
Der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungs -
Initiative soll ergänzt werden mit einer Sorgfaltsprüfungs-Pflicht
über Zwangsarbeit. Damit geht
die Tür für eine umfassende Reform auf, mit der
die Schweiz auf EU-Niveau aufschliessen kann.
@Koalition für Konzernverantwortung
syndicom ist auf Mastodon! 15.11.2022
Wir sind ab sofort auch bei Mastodon!
Vorerst findet ihr dort dieselben Inhalte wie
auf unserem Twitter, aber wer weiss, was die
Zukunft bringt. Bist du auch auf Mastodon?
Folge uns!
@gewerkschaftsyndicom@swiss.social
Neuer syndicom-Podcast 15.11.2022
Auch in der Deutschschweiz sind wir
neu mit einem Post-Podcast am
Start. Dominik Dietrich und Senol Kilic
beleuchten einmal im Monat den Arbeitsalltag
der Post-Angestellten. Zu finden auf Spotify,
hört rein!
Algorithmen bei der Arbeit:
Ressource oder Bedrohung? 18.11.2022
Algorithmen werden zunehmend bei der Personalbeschaffung
eingesetzt. Dies wurde bei RTS in einer
TV-Debatte diskutiert, an der auch Daniel Hügli, Zentralsekretär
ICT, teilnahm, kurz nach der Einigung zwischen
syndicom und AlgorithmWatch! syndicom.ch/n0fr6
Folge uns auf allen
gängigen Kanälen!