Militaer_4_2022
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WELTGESCHEHEN
Aktuelle Konflikte,
Krisen und
Analysen — S. 8
TRUPPENBESUCH
Bei der Führungsunterstützungsschule
zu Gast — S. 20
militär
MISSION POSSIBLE
In der Wildnis
überleben mit dem
Jägerbataillon 25 — S. 40
DAS NEUE
ÖSTERREICHISCHE
MILITÄRMAGAZIN
AUSGABE 4|22
EURO 5,80
AKTUELL
VERTEIDIGUNGSMINISTERIN
KLAUDIA TANNER:
„Wir verdoppeln das
Heeresbudget in den
nächsten vier Jahren!“ — S. 24
Im großen Doppelinterview:
Ressortchefin Klaudia Tanner
und Generalstabschef
Rudolf Striedinger über
Beschaffungen, den
europäischen Schutzschirm
Sky Shield und die Lehren
aus dem Ukraine-Krieg.
ÖSTERREICH RÜSTET AUF
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beim Bundesheer
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0 0 3
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enn der wöchentliche Familieneinkauf
W
ansteht, ist die Einkaufsliste meist lang.
Da stehen Grundnahrungsmittel wie
Brot, Butter, Eier und Milch drauf. Zutaten
für die Kochvorhaben der nächsten
Tage. Natürlich Obst und Gemüse.
Fleisch, Käse, Süßigkeiten. Manches Mal sogar ein wenig
Luxus: Frisch aufgeschnittener Prosciutto, Räucherlachs, Kapern,
Wein, Pistazien oder in Olivenöl eingelegte Antipasti.
Wenn das Bundesheer in den vergangenen Jahren shoppen
ging, dann fand sich auf den Einkaufszetteln hingegen meist
nur das Notwendigste. Mal ging es um Pandur-Radpanzer.
Ein anderes Mal um Transportfahrzeuge, ein paar Hägglunds
oder neue Helme. Überfordert waren die für den Einkauf
verantwortlichen Dienststellen mit den konkreten Vorhaben
jedenfalls selten.
Das dürfte sich nun ändern, denn mit der vor einigen Wochen
präsentierten Budgetaufstockung für die kommenden
Jahre kann das Heer in Zukunft vergleichsweise aus dem Vollen
schöpfen. Plötzlich steht Geld für Nachtsichtgeräte und
eine moderne Ausrüstung der rot-weiß-roten Soldatinnen
und Soldaten zur Verfügung. Es sollen weitere Pandur, Dingo
und Husar beschafft werden. Geschützte und ungeschützte
Fahrzeuge. Die Cyberabwehr wird aufgestockt, die Drohnenund
Luftabwehr von Grund auf neu konzipiert. Es kommen
weitere neue Hubschrauber, die Eurofighter-Flotte wird
modernisiert und sogar neue Panzer und ein später Ersatz
für die 2020 abgestellten Saab-105Ö-Trainingsjets sind
denkbar, wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und
Generalstabschef Rudolf Striedinger im Militär Aktuell-
Doppelinterview (ab Seite 24) erklären: „Wir können nun
viele Investitionen tätigen, die jahrelang auf der Strecke
geblieben sind“, betont die Ressortchefin. „Das Bundesheer
soll damit als moderne Armee in Zukunft so gut ausgestattet
sein, dass es den Szenarien und Bedrohungen des 21. Jahrhunderts
effektiv begegnen und seine Aufgaben zum Schutz
und zur Sicherheit der Bevölkerung erfüllen kann.“
Das klingt ambitioniert und ist es auch. Im Unterschied zu
vielen Versprechungen der vergangenen Jahrzehnte ist die
geplante Aufrüstung dieses Mal aber mit konkreten Budgetzahlen
hinterlegt – und das sogar langfristig und über den
üblichen Planungshorizont der nächsten ein bis zwei Jahre
hinaus. Es scheint so, als wäre es der Regierung mit der
Modernisierung des Bundesheeres nun also tatsächlich
ernst. Denn angesichts der seit dem 24. Februar veränderten
Sicherheitslage in Europa wäre alles andere unseren Soldatinnen
und Soldaten gegenüber auch nicht argumentierbar.
IMPRESSUM
COVERFOTO: BUNDESHEER/GIESSAUF
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Feichtinger, Moritz Kolar, Georg Mader,
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0 0 4 I N H A L T
INHALT
038
Alpinsoldat
im Porträt: Stabswachtmeister Marco Schmid (rechts)
ist Kommandant eines Erkundungstrupps beim Jägerbataillon 23.
Gemeinsam mit seinen Kameraden sorgt er mitten im Gebirge für
eine funktionierende Nachschub- und Rückzugslinie.
024
Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif: Verteidigungsministerin
Klaudia Tanner und Generalstabschef Rudolf Striedinger
sprechen im großen Militär Aktuell-Doppelinterview
über geplante Rüstungsinvestitionen des Bundesheeres.
003 EDITORIAL, IMPRESSUM
006 MOMENTUM
Ukraine: Zehn Monate Krieg zehren
an den Nerven der Verteidiger.
008 WELTGESCHEHEN
Aktuelle Kurzmeldungen
aus aller Welt.
010 PROTESTE IM IRAN
Seit Wochen wird im Land für
Frauenrechte demonstriert – und
gegen das herrschende Regime.
014 BLACKOUT-BOMBE
Die unterschätzte Gefahr elektromagnetischer
Impulswaffen.
016 NATO-HILFE FÜR SLOWAKEI
Tschechien und Polen sichern
den slowakischen Luftraum.
018 NEUES AUS DEM HEER
Aktuelle Kurzmeldungen aus
dem Bundesheer.
020 LOKALAUGENSCHEIN
Militär Aktuell zu Besuch bei der
Führungsunterstützungsschule.
024 DOPPEL-INTERVIEW
Verteidigungsministerin Klaudia
Tanner und Generalstabschef
Rudolf Striedinger im Gespräch.
030 NEUE LUFTTRANSPORTER
Das Bundesheer plant die
Nachfolge seiner C-130 Hercules.
037 5 FRAGEN AN
Oberstarzt Andreas Kaltenbacher
im Militär Aktuell-Talk.
038 EIN TAG MIT
Stabswachtmeister Marco
Schmid vom Jägerbataillon 23.
040 SURVIVAL GUIDE
Damit unterwegs nichts schiefgeht:
Überlebensserie mit dem
Jägerbataillon 25.
044 BLICK HINTER DIE KULISSEN
Die Militärluftfahrzeugtechniker-
Ausbildung beim Bundesheer.
046 RÜSTUNGSNEWS
Neuheiten aus der Welt der
Rüstungs- und Sicherheitstechnik.
050 SCHLUSSPUNKT
Wie Waffen aus dem Westen
den Ukraine-Krieg beeinflussen:
Ein Kommentar von Experte
Brigadier a. D. Walter Feichtinger.
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M I L I T Ä R A K T U E L L
MOMENTUM
Voll angespannt
Der deutsche (Foto-)Journalist Till
Mayer berichtet seit vielen Jahren auch
für Militär Aktuell über die Entwicklungen
und den Krieg in der Ukraine. In
seinem kürzlich erschienenen Buch
Ukraine – Europas Krieg (Erich Weiß
Verlag, 25 Euro) zeigt er in einfühlsamen
Porträts die Gesichter hinter den
Schlagzeilen. Etwa das von Elena,
die in Odessa mit fliegenden Haaren
im Tangoschritt gegen das Trauma antanzt.
Oder wie in diesem Fall den Alltag
zweier namenloser Soldaten, die
angesichts der um sie herum tobenden
Kämpfe an der Front in der Region
Saporischschja ihre Nerven mit
Zigaretten zu beruhigen versuchen.
FOTOS: TILL MAYER, ERICH WEISS VERLAG
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E
AKTUELLE STUDIE: DAS MILITÄR
ALS MEGA-KLIMASÜNDER
Es gibt viele Treiber der globalen Erwärmung – laut einer aktuellen
Studie von „Scientists for Global Responsibility“ (SGR) und
„Conflict and Environment Observatory“ (CEOBS) gehören dazu
auch militärische Aktivitäten. Demnach sind alle Streitkräfte
zusammengenommen für rund 5,5 Prozent der weltweiten Emissionen
verantwortlich, wobei der tatsächliche Ausstoß sogar
noch höher liegen dürfte. Die Berechnungen
beziehen sich nämlich nur auf „Friedenszeiten“,
laufende Konflikte und Kriege
mit allen ihren Zerstörungen wurden
in der Studie ausgespart. Wäre das
globale Militär ein Land, hätte
es übrigens den viertgrößten
CO 2 -Fußabdruck der Welt –
größer als der von Russland.
Zahlreiche europäische
Staaten planen gemeinsam
den Aufbau eines neuen
Luftverteidigungssystems.
Die „European Sky Shield
Initiative“ soll Lücken im
aktuellen Schutzschirm
schließen – und stellt
auch für Österreich und
das Bundesheer eine
interessante Option dar.
„COMEBACK FÜR AMERIKA“
Also doch: Vor wenigen Wochen verkündete Donald Trump seine
Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahlen 2024 und übte
dabei – einmal mehr – scharfe Kritik am aktuellen Präsidenten
Joe Biden. Dieser schlafe „auf internationalen Konferenzen ein“
und führe „Amerika an den Rand eines Atomkrieges“. Die USA
würden „gedemütigt“ so Trump weiter. Zudem sei Biden am
Ukrainekrieg mitschuldig. Wäre er selbst noch Präsident, so
Trump, dann wäre es nie zu einer derartigen Eskalation in Osteuropa
gekommen. Anders als Biden habe er keinen Krieg begonnen
– er habe vielmehr einen beendet. In seiner Rede heftet er
sich den Sieg über die Terorrorganisation IS auf seine Fahnen.
In den vergangenen Jahren diskutierten viele
europäische Länder eine verstärkte Zusammenarbeit
auf Sicherheits- und Militärebene,
tatsächlich haben sie dann aber meist weiter
eigene Süppchen gekocht. Infolge von Russlands
Angriffskrieg in der Ukraine scheint die
Bereitschaft zur Kooperation aber deutlich gestiegen
zu sein. Auf Initiative von Deutschland
hin hat jedenfalls vor einigen Wochen mehr
als ein Dutzend EU-Staaten eine Absichtserklärung
zum Aufbau eines gemeinsamen europäischen
Luftverteidigungssystems beschlossen.
FOTOS: BUNDESWEHR/PETER MUELLER, GETTY IMAGES, BEIGESTELLT
„Russland hat den Krieg
bereits verloren.“
Der deutsche Militärökonom Marcus
Keupp hält eine Niederlage Russlands
im mittlerweile fast ein Jahr andauernden
Angriffskrieg in der Ukraine für
‘unvermeidlich. „Es gibt keine militärischen
Reserven mehr, mit denen der
Kreml den Kriegsverlauf noch ändern
kann. Ein Sieg der ukrainischen Streitkräfte
ist nur noch eine Frage der Zeit“, sagte
der Experte der Militärakademie der ETH Zürich
kürzlich in einem Interview mit Zeit Online. Laut Keupp sei die
„Spezialoperation“ schon nach der russischen Niederlage vor
Kiew Ende März zum Scheitern verurteilt gewesen. Die ursprüngliche
russische Invasionsarmee, die im Februar einmarschiert ist
und aus professionellen Soldaten bestand, sei „weitgehend aufgerieben“.
Die endgültige Niederlage erwartet Keupp für den Frühherbst
des kommenden Jahres. Voraussetzung dafür sei allerdings
ein „vollständiger Abzug aller russischen Truppen aus
der Ukraine – auch von der bereits 2014 annektierten Krim“.
Im Rahmen dieser „European Sky Shield Initiative“
(kurz ESSI) gehe es laut der deutschen
Verteidigungsministerin Christina Lambrecht
darum, „politische, finanzielle und auch technologische
Synergieeffekte zu erzielen“. Kon-
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WELTGESCHEHEN
EUROPÄISCHE
LÖSUNG
kret sollen dabei gemeinsam neue Waffensysteme
gekauft und aktuell bestehende Lücken
im europäischen Schutzschirm geschlossen
werden. Defizite gäbe es dabei aktuell vor
allem bei der Abwehr von Drohnen und
Marschflugkörpern sowie Luftangriffen im
Nahbereich, insbesondere aber auch im
Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer
Flugbahn große Höhen erreichen. Zudem
soll der Fokus verstärkt auf Bedrohungen
aus Russland ausgerichtet werden. Bis jetzt
wurde bei der Raketenabwehr in Europa
vor allem in Richtung Iran geblickt.
Für Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz
könnte die Initiative – bei Realisierung – ein
„Sicherheitsgewinn für ganz Europa“ sein.
Und das „kostengünstiger und leistungsfähiger“,
als wenn jedes Land seine eigene Luftverteidigung
aufbaue. Neben Deutschland,
Großbritannien, Belgien, Norwegen, Tschechien,
Finnland, Ungarn, Bulgarien, Estland,
Lettland, Litauen, den Niederlanden, der Slowakei,
Rumänien und Slowenien könnte Sky
Shield auch für weitere Länder interessant
sein – darunter auch Österreich. Laut Verteidigungsministerin
Klaudia Tanner (siehe auch Interview
ab Seite 24) prüfe man jedenfalls eine
Beteiligung. Die Neutralität würde laut Experten
einem potenziellen Engagement nicht
im Wege stehen. Der Moment für eine Beteiligung
scheint jedenfalls günstig, plant das Bundesheer
aktuell doch ohnehin die Beschaffung
eines neuen Mittelstrecken-Flug- und Raketenabwehrsystems.
Deutschland und die anderen „Sky-Shield-Länder“
denken vor dem Hintergrund einer möglichst
großen Interoperabilität vor allem an den
Ankauf des israelischen Systems Arrow 3 sowie
von Patriot- (Bild) und Iris-T SLM-Systemen.
Erste Ergebnisse und konkrete Umsetzungsstrategien
sollen „zeitnah“ präsentiert werden.
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E
M I L I T Ä R A K T U E L L
IRAN:
IFK-ANALYSE
MEHR ALS NUR EIN
FOTO: PICTUREDESK
S
eit Mitte September
kommt es in der Islamischen
Republik
Iran beinahe täglich
zu Unruhen. Auslöser
war der Tod der
Studentin Mahsa Jina Amini in Polizeigewahrsam.
Die Proteste gehen über
den Anlassfall hinaus, indem sie sich
nicht nur gegen die notorische Polizeibrutalität
wenden, sondern auch gegen
die systemimmanente Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts, der
Konfession und der Volksgruppe –
Mahsa Jina Amini vereinte alle drei
Aspekte, sie war sunnitische Kurdin.
Damit sind die Proteste politischer
Natur und keine bloßen Brotunruhen,
auch wenn die durch internationale
Sanktionen und nationale Misswirtschaft
verursachte Wirtschaftskrise
die Wut der Bevölkerung stärkt.
Im Vergleich zu den großen Demonstrationen
von 2009 protestieren heute
viel weniger Menschen, weil die Schrecken
jenes Jahres eine ganze Generation
politisch mundtot gemacht haben.
Außerdem fehlen den Protesten Strategie,
Organisation und Steuerung
sowie eine klare Zielvorstellung, die
über den Sturz des Regimes hinausgeht.
Exiliranische Kreise übertreiben
also, wenn sie von einer Revolution im
Lande sprechen. Und dennoch handelt
es sich aus mehreren Gründen um
die größte Krise des Regimes seit
Jahrzehnten.
KOPF
TUCH
Seit Wochen rollt eine Welle der Gewalt durch
die Islamische Republik Iran. Ihr Auslöser: Der
Tod der Studentin Mahsa Jina Amini. Ihre Folgen
für das Mullah-Regime: Noch nicht absehbar.
Eine Analyse von IFK-Experte Walter Posch.
So fordern die Kopftuchproteste die
Ideologie und somit die Legitimation
der Machthaber auf zwei Ebenen heraus.
Erstens protestieren viele Iranerinnen
trotz systematischer Vergewaltigungen
und Morde weiter, wodurch
ein wichtiges Element der Einschüchterung
wegfällt und nutzlos wird.
Zweitens ist der Kopftuchzwang für
Islamisten zentral, weil sie ihn mit der
ideologischen Unterwerfung der Gesellschaft
unter ihre Herrschaft gleichsetzen.
Hier hat sich nun die Gesellschaft
verändert, denn selbst Islamistinnen
lehnen den Zwang zum Kopftuch
ab und sprechen sich für das
Recht der Frauen aus, selbst zu entscheiden,
wie sie zum Kopftuch stehen.
Der sicherheitspolizeiliche Preis
für die zwanghafte Aufrechterhaltung
der islamischen Bekleidungsvorschriften
übersteigt daher den ideologischen
Nutzen dieser Maßnahme bei Weitem.
Das ist vor allem deshalb der Fall, weil
die Frauen nicht alleine sind, sondern
als Gleichberichtigte für Bürgerrechte
im Iran kämpfen.
Unterstützung bekommen sie unter
anderem von sunnitischen Schriftgelehrten
aus Balutschistan und Kurdistan.
Unmittelbar nach ihrem Tod kondolierte
der sunnitische Religionsführer
aus Zahedan im Ostiran, Moulana
Abdulhamid Esmailzahi den Hinterbliebenen
Aminis. Die Sunniten aus
Balutschistan unterhalten jahrhundertelange
Beziehungen zu ihren Konfessionsgenossen
in Kurdistan, vor allem
nach Sanandaj und Saqez, der Heimatprovinz
Aminis. Abdulhamid kritisierte
dabei das Regime für seinen schikanösen
Umgang mit den iranischen
Bürgern. Nicht die Frage, wie fromm
jemand ist, sei von politischer Bedeutung,
sondern dass im Polizeigewahrsam
regelmäßig Menschen zu Tode
kommen. Irans Probleme liegen nicht
in der Religiosität der Bevölkerung,
die sowieso niemand erzwingen kann,
sondern in Misswirtschaft, Missachtung
der Menschen- und Bürgerrechte
und der brutalen Machtausübung
durch das Regime, das sich den Bedürfnissen
und Wünschen der Bevölkerung
gegenüber taub stellt. Egal ob
Sunniten, Schiiten, Christen, Juden,
Sufis, Zarathustrier oder Bahais, als
iranische Staatsbürger seien sie alle als
Gleichberechtigte zu behandeln. Die
Situation in Balutschistan verschlechterte
sich am „blutigen Freitag“, dem
30. September, als iranische Sicher-
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0 1 2 W E L T & S T R A T E G I E
heitskräfte 50 unbewaffnete Balutschen
erschossen. Es ist einzig Abdulhamid
zu verdanken, dass der Volkszorn
nicht außer Kontrolle geriet. Da der
Sicherheitsapparat Irans ausschließlich
durch Schiiten bemannt wird, forderte
er die Aufnahme von Sunniten in die
Polizei, da diese mehr als ein Viertel
der Gesamtbevölkerung ausmachen.
Diese Forderungen werden von Sprechern
der Kurden unterstützt. Auch
hier sind es die Netzwerke der Moscheen
und Derwischorden, die neben
den spontanen Protesten Kritik an den
Herrschenden üben. Wichtige sunnitische
Schriftgelehrte und Vorbeter bei
den Kurden wie Kak Hasan Amini
oder Mamosta Loqman Amini kritisierten
von der Kanzel herab nicht nur
die Sicherheitskräfte, sondern auch
den Revolutionsführer persönlich. Sie
fordern unter anderem die Umsetzung
jener Verfassungsartikel, die den Gebrauch
der Muttersprache im Schulbetrieb
ermöglichen. Ihre Stimme wird
von den meist linken bis linksradikalen
Exilorganisationen der Kurden überlagert.
Gleichwohl ist es die klare Positionierung
der konservativen Kurden
gegen das Regime, mit der Teheran
nicht umgehen kann. Auch in den
iranischen Kurdengebieten leistet die
Bevölkerung zivilen Widerstand und
zahlt einen hohen Preis dafür, 30 Tote
allein am „blutigen Montag“, dem
21. November in Javanrud.
Das Besondere bei den Protesten besteht
nun in der landesweiten Solidarität
der Protestierenden, die klassen-,
konfessions- und volksgruppenübergreifend
ist. Säkulare Frauen in Teheran
beispielsweise unterstützen Kurden
und Balutschen, die sich mit den
Frauenprotesten solidarisieren. Für das
Regime ist die Lage deshalb so kritisch,
weil die Reformkräfte als Vermittler
zwischen den Massen und dem Regime
fehlen; sie wurden von Präsident
Ebrahim Raisi und Revolutionsführer
Ali Khamenei politisch ausgeschaltet.
Aber ohne die „moderierenden“ Reformkräfte
befindet sich das Regime in
einer Zwickmühle zwischen brutaler
Durchsetzung und politischer Niederlage.
Das trifft zunächst auf den Kopftuchzwang
zu, eine Wiedereinführung
desselben lässt sich nur mehr mit extrem
hohem Gewalteinsatz umsetzen,
FOTOS: GETTY IMAGES
M I L I T Ä R A K T U E L L
IFK-ANALYSE
GLOBALE PROTESTE
Nach dem Tod von Mahsa Jina Amani wird im Iran, aber auch in vielen anderen Ländern der Welt gegen die
Situation in der Islamischen Republik demonstriert.
obwohl es sich um kein Risiko für die
Staatsicherheit handelt. Andererseits
würde eine Aufgabe des Zwanges logischerweise
in der Abschaffung der
Sittenpolizei münden, mit deren Hilfe
der öffentliche Raum kontrolliert wird
und die als Institution treuen Regimeanhängern
Arbeit gibt. Ähnlich verhält
es sich mit der Forderung nach einer
Untersuchung der Massaker in Zahe-
dan und Javanrud: Eine faire und objektive
Prüfung durchführen zu lassen,
würde zwangsweise hohe Offiziere der
Revolutionsgarde belasten; ein Entgegenkommen
beim Unterricht in den
Volksgruppensprachen und ein Einhegen
oder gar die Abschaffung der
Basij-Milizen würden dem Regime
als Schwäche ausgelegt und zu noch
mehr Forderungen führen.
Mit jedem Tag wird die Möglichkeit,
eine auf Bürgerrechten basierende
evolutionäre Entwicklung, wie sie von
der Bevölkerung gefordert wird, unwahrscheinlicher.
Logisch scheint ein
hartes Durchgreifen gegen jede Art
von Protest, der dann zwangsläufig in
den sunnitischen Gebieten zum Glaubenskrieg
ausarten muss, ein Schicksal,
das dem Iran bisher erspart geblieben
ist. Doch aufgrund seiner Reformunfähigkeit
bleibt dem Regime wohl
keine andere Wahl. Bei ähnlichen Fällen
war der Revolutionsführer maßgeblich
am Ausgleich innerhalb der
militärischen und zivilen Machtstrukturen
beteiligt. Er wird bald 90.
Der Autor ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter am IFK mit Forschungsschwerpunkt
Türkei, Irak, Iran sowie
islamistischer Fundamentalismus
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0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E
DIE ETWAS ANDERE
NUKLEARE
BEDROHUNG
Seit Beginn des Ukrainekriegs baut Russland verbal und wiederholt an seiner
nuklearen Drohkulisse. Dabei geht vor allem von EMP-Waffen mit ihren disruptiven
elektromagnetischen Impulsen eine überregionale Bedrohung aus.
Text: GEORG MADER
R
usslands Präsident
Wladimir Putin
droht seit Beginn des
Ukraine-Krieges im
Februar immer wieder
mit dem Einsatz
von Atomwaffen: „Wenn die territoriale
Integrität unseres Landes bedroht
ist, werden wir natürlich alle uns zur
Verfügung stehenden Mittel einsetzen“,
so der Kremlchef erst kürzlich
wieder in einer Rede an sein Volk.
Unheilvoller Nachsatz: „Unser Land
verfügt über verschiedene Zerstörungsmittel,
die in einigen Fällen auch
moderner sind, als die der NATO-
Länder.“
Was Putin damit genau meint? Einerseits
natürlich konventionelle „große“
Atomwaffen, deren Einsatz aber sicherlich
nicht unbeantwortet bleiben
würde und damit praktisch auszuschließen
ist. Andererseits verfügt
Russland auch über „taktische Atomwaffen“
mit einem vermeintlich kleineren
Wirkungskreis und geringerer
Sprengkraft. Tatsächlich weisen die
kleinsten taktischen Atomwaffen eine
Sprengkraft von „nur“ 0,5 Kilotonnen
(kT) auf. Die größten bringen es aber
sogar auf bis zu 50 kT und fallen damit
zwei bis drei Mal so stark wie die 1945
über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen
Atombomben aus. Sie
würden daher bei einem Einsatz ein
größeres Gebiet nachhaltig auch für
eigene Truppen verseuchen und am
Schlachtfeld möglicherweise sogar
eigene Kontingente treffen. Und da
zudem ein Angriff auf die Ukraine
wohl den Widerstandswillen der
gesamten Bevölkerung stärken dürfte
und militärisch kaum Vorteile brächte,
ist ein Einsatz wohl ebenso unrealistisch
– in Bodennähe.
Anders sieht es mit einem möglichen
Einsatz in großer Höhe aus. Die freigesetzte
Radioaktivität einer hoch in der
Luft zur Explosion gebrachten taktischen
Nuklearwaffe würde kaum
„Fallout“ ergeben und Menschenleben
in Gefahr bringen, der dadurch ausgelöste
elektromagnetische Impuls
könnte aber abseits von gehärteten
Netzwerken die elektronische und
digitale Infrastruktur ganzer Länder
kurzzeitig lahmlegen oder sogar dauerhaft
ausschalten. Also auch militärische
Computer, Radarsysteme, Kommunikationssysteme
und Präzisionswaffen.
M I L I T Ä R A K T U E L L
ANALYSE
FOTOS: ISTOCK, GEORG MADER
Die Bedrohung durch nukleare
und 1 bis 10 kT starke EMP-Waffen
(englisch Electromagnetic
Pulse für elektromagnetischer
Impuls) ist seit den 1960er-Jahren
evident. Das durch die bei der
Explosion freigesetzten Gammastrahlen
erzeugte hochenergetische
Ladungsfeld könnte – so die
Befürchtung des Westens –nicht
nur die Ukraine vom Netz nehmen,
sondern ganz Europa nachhaltig
ins Chaos stürzen. Und das
praktisch ohne Abwehrmöglichkeit:
Zwar würden die US-/
NATO-Raketenabwehr in Polen
und Rumänien sowie die in
Europa stationierten Aegis-Schiffe
der US Navy sicherlich einige der
anfliegenden Systeme abfangen.
Aber ob das lückenlos gelingt?
Und ob ein Angriff überhaupt auf
herkömmlichem Weg erfolgen
würde? Eine entsprechende Waffe
bräuchte im Unterschied zu konventionellen
Nuklearwaffen weder
Wiedereintrittskörper noch Hitzeschilde
oder Stoßdämpfer. Sie
könnte sogar von Boden-Boden-
Raketen und Militärflugzeugen
zum Einsatz gebracht werden. Ja
sogar – Stichwort hybride Kriegsführung
samt deren Verschleierung
– von Zivilflugzeugen oder
mithilfe meteorologischer Ballons.
Wie verheerend die Auswirkungen
wären, zeigt ein Szenario einer inzwischen
aufgelösten Kommission
zur Beurteilung der Bedrohung
der USA durch EMP-Angriffe aus
dem Jahr 2017. Dieses ging von
einer – in der Stärke allerdings
nicht definierten – Explosion einer
Atomwaffe rund 60 Kilometer
über dem NATO-Hauptsitz in
Brüssel aus. Das resultierende
EMP-Feld würde sich in dem Fall
über einen Umkreis von 850 Kilometern
erstrecken und damit
nicht nur die Benelux-Länder
abdecken, sondern auch ganz
Deutschland, Dänemark und die
Schweiz, praktisch ganz Frankreich,
große Teile Großbritanniens,
den Osten Irlands, den
Norden Italiens sowie den Westen
Tschechiens, Österreichs und Polens.
Folge davon wäre ein großflächiger
Zusammenbruch der
verbundenen europäischen
Stromnetze (Blackout) weit über
den 850-Kilometer-Radius hinaus.
Zudem wären in dem mittlerweile
fünf Jahre alten Szenario die baltischen
Staaten einem folgenden
russischen Angriff gegenüber
mehr oder weniger wehrlos.
Russische Panzer könnten über
die Exklave Kaliningrad und das
Hauptland „in nur 60 Stunden
durch die baltischen Staaten rollen“,
so die Autoren der Studie.
Innerhalb von sechs Monaten
könnte Russland alle europäischen
Territorien der ehemaligen
Sowjetunion unter seine Kontrolle
bringen.
Ob eine aktuelle Bewertung der
russischen Armee angesichts ihrer
immensen Probleme und Schwierigkeiten
in der Ukraine einen
solchen Erfolgslauf überhaupt zulassen
würde, darf aber bezweifelt
werden. Unbestritten ist aber
die mit einem möglichen EMP-
Angriff verbundene Gefahr für
Europa und insbesondere Osteuropa.
Noch dürfte Russland auf
anderem Wege versuchen, seine
Kriegsziele in der Ukraine zu
erreichen. Aber wer weiß, ob ein
ernüchterter Putin in fünf, sechs
oder sieben Monaten nicht möglicherweise
doch zu anderen Mitteln
greift, wenn sich auch bis
dahin keine durchschlagenden
Erfolge einstellen sollten.
GASTKOMMENTAR
„Ein Einsatz käme einem
Selbstmord gleich!“
Sicherheitsexperte Wolfgang
Pusztai ist Senior Advisor
des Österreichischen
Instituts für Europa- und
Sicherheitspolitik und Direktor
von Perim Associates.
Er ist auf die MENA-
Region spezialisiert.
Wenn Russland rund um den Ukraine-
Krieg mit dem Einsatz besonders „zerstörerischer
Waffen“ droht, ist meist von
kleineren taktischen Nuklearwaffen die
Rede. Dafür gäbe es zwei Arten potenzieller
Ziele: Einerseits Prioritätsziele in der
operativen Tiefe, Truppenkonzentrationen,
Verkehrsknotenpunkte und Kriegsindustrie.
Andererseits wären auch das
Gefechtsfeld, Truppen-Verfügungsräume
und deren Logistikhubs potenzielle Ziele.
Denkbar wäre alternativ auch der Einsatz
von EMP-Waffen. Der sogenannte Nuclear
Electromagnetic Pulse (NEMP) entsteht
bei der Detonation von Kernwaffen
mit großer Sprengkraft außerhalb der
Stratosphäre. Die anfallende Gammastrahlung
würde dann in dichteren Luftschichten
mit hoher Geschwindigkeit
Elektronen aus den Luftmolekülen hinaus-
„schießen“, was weitreichende Schädigungen
von Mikroelektronik zur Folge hätte.
Hitze, Druck und Fallout am Grund würden
durch eine hoch über dem Erdboden
gezündete Nuklearwaffe hingegen gering
ausfallen.
Damit es gar nicht erst zu einem Einsatz
derartiger „taktischer Wirkmittel“
kommt, muss der Westen Wladimir Putin
unmissverständlich klarmachen, dass er
als Reaktion darauf mit einem massiven
konventionellen NATO-Militärschlag auf
seine Truppen in der Ukraine und im
Schwarzen Meer rechnen müsste. Sollte
Putin trotzdem so weit gehen wollen,
würde ich auch nicht ausschließen, dass
die höchsten russischen Militärs seinen
Befehl verweigern und einen Putsch anzetteln.
Ihnen muss schließlich klar sein,
dass eine derartige Eskalation einem
Selbstmord gleichkäme.
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E
NACHBARSCHAFTS-
HILFE
wachung in die Hände seiner NATO-Partner Polen und Tschechien. Text & Bild: GEORG MADER
Ungewöhnlicher Schritt: Bis zur Einführung
seiner neuen F-16-Flotte im Jahr 2025 legt
die Slowakei ihre aktive Luftraumüber-
AUSSER DIENST
Mit 1. September hat die Slowakei
ihre letzten MiG-29-Kampfjets abgestellt.
Bis zum geplanten Zulauf
der neuen F-16-Jets verfügt das
Land über keine eigenen Kapazitäten
zur aktiven Luftraumüberwachung.
I
n Österreich stand
eine ähnliche Lösung
immer wieder in (medialer)
Diskussion, die
Slowakei hat den
Schritt nun dank ihrer
NATO-Mitgliedschaft gewagt: Die Luftwaffe
unseres östlichen Nachbarlands
hat mit 1. September ihre letzten elf
MiG-29-Kampfjets ausgemustert und
ihre aktive Luftraumüberwachung mit
diesem Tag vorübergehend in fremde
Hände gelegt. Bis zur Einführung der
vor vier Jahren um rund 1,5 Milliarden
Euro bestellten 14 Stück F-16C/D Block-
70 (zwölf Einsitzer und zwei Zweisitzer)
übernehmen die polnische und tschechische
Luftwaffe die luftpolizeilichen
Aufgaben im slowakischen Luftraum.
Ursprünglich hatte die Slowakei einen
fließenden Übergang von ihren alten,
1993 nach der Teilung der CSFR übernommenen
sowie später von Russland
im Gegenzug für einen Schuldenerlass
erhaltenen, MiG-29-Jets hin zu den
neuen US-Kampfflugzeugen geplant.
Der Ukraine-Krieg machte dem Vorha-
ben allerdings einen Strich durch die
Rechnung. Die dadurch eingeschränkte
Ersatzteile-Verfügbarkeit und der Abzug
russischer Wartungstechniker machten
eine beschleunigte Abstellung der neun
Einsitzer und zwei Zweisitzer notwendig.
Die Slowakei hatte die Maschinen in
den frühen 2000er-Jahren mit NATO-
Freund-Feind-Erkennung (IFF) und modernen
Navigationssystemen (NavAids)
zur Version MiG-29AS/UBS nachgerüstet
und verfügte davor sogar über 22
Maschinen. Vier gingen in Abstürzen
verloren, sieben weitere waren im Laufe
der Jahre abgestellt worden. Insgesamt
52 slowakische Piloten wurden auf der
Fulcrum ausgebildet, seit 1993 flogen
sie 20.246 Flugstunden.
Die gekauften F-16-Jets sollen ab Mitte
2024 eintreffen und ein Jahr später einsatzbereit
sein. Bis dahin werden tschechische
JAS-39C/D Gripen und polnische
F-16C/D Block-52 den Luftraum
über dem 49.000 Quadratkilometer
großen Land (mit)sichern. Eine entsprechende
Übereinkunft wurde von den
Verteidigungsministern der drei Länder
am 27. August am Rande der 11. slowakischen
Flugshow SIAF-22 in Kuchyna
unterzeichnet. Die tschechische Ministerin
Jana Černochová argumentierte
die ungewöhnliche Zusammenarbeit
auch mit dem gemeinsamen „Feind“ im
Osten. „All unsere Länder haben Nationalsozialismus
und Kommunismus erfahren
und wissen die 1989 gewonne
Freiheit sehr zu schätzen. Mit dem gemeinsamen
Schutz unseres Luftraums
zeigen wir, wie stark nicht nur unser
Bündnis innerhalb der NATO und der
EU, sondern wie stark die Freundschaft,
ja sogar die Brüderlichkeit, zwischen
unseren Ländern ist.“ Ihr polnischer
Amtskollege Mariusz Błaszczak sieht
das Abkommen nicht nur als zivile Assistenzleistung:
„Polen unterstützt seine
Verbündeten. Wir teilen die Bedrohungen
in unserem Teil Europas und wir reagieren
darauf, indem wir unsere Streitkräfte
verstärken und einen möglichen
Angreifer auch in der Luft abschrecken.“
Die Maschinen aus Tschechien und Polen
bleiben während dieser Zeit in ihren
Ländern stationiert und greifen nur bei
Bedarf in den slowakischen Luftraum
ein. Dafür steht stets eine Alarmrotte
bereit. Mit Blickrichtung auf eine mögliche
Nacheile (grenzüberschreitende aktive
Luftraum-Sicherung) gibt es damit
nun neue Akteure an unserer Ostgrenze.
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 8 H E E R & M E H R
LEUTNANT-ZUWACHS
Alle Jahre wieder darf sich das Heer Anfang Oktober
über neue Leutnante freuen. Heuer wurden
bei den Ausmusterungsfeierlichkeiten insgesamt
70 Berufs- und 31 Milizoffiziere in die Truppe übernommen,
die Berufssoldaten durften sich dabei
auch über den erfolgreichen Abschluss ihres Fachhochschul-Bachelorstudiengangs
„Militärische
Führung“ freuen. Beginnend mit diesem Semester
wird alternativ auch der Studiengang „Militärische
Informations- und Kommunikationstechnologische
Führung“ angeboten. Der Studiengang gewährleistet
eine fundierte akademische Ausbildung
in den Bereichen Programmierung, IT-Sicherheit,
Kryptografie, IKT-Einsatzplanung und vieles mehr.
FOTOS: BUNDESHEER/KULEC, BUNDESHEER/HOERBST,
BUNDESHEER/MARTIN, BUNDESHEER
M I L I T Ä R A K T U E L L
NEWS AUS DEN STREITKRÄFTEN
Einen hitzigen Start in die Woche setzte es
kürzlich für die bei KFOR eingesetzten Soldaten
des Jägerbataillons 25. Um die Zusammenarbeit
mit internationalen Kräften zu vertiefen,
absolvierte die rot-weiß-rote Infanteriekompanie
gemeinsam mit ungarischen Soldaten
das „Fire Phobia“-Training. Dabei wird
der Umgang mit Wurfbrandsätzen wie etwa
Brandflaschen („Molotowcocktails“) trainiert –
den Soldatinnen und Soldaten soll damit die
Angst vor dem Feuer genommen werden.
INFRASTRUKTUR NEU
DURCHBLICK
BEWAHREN
Die Kaderanwärter vom Jägerbataillon
26 verlegten im November
für die Ausbildung „Feuerkampf“
auf den Truppenübungsplatz
Bruckneudorf. Ausbildungsziel
dort war das Erlernen der Standardtechniken
für den Einsatz im
urbanen Umfeld als Einzelschütze
und auf Trupp-Ebene, die Einsatzart
„Verteidigung“, der Grabenkampf
und das Vorgehen in einem
ausgebauten Stellungssystem im
Raum Hexentanzplatz.
Das Heer durfte sich zuletzt über gleich
mehrere abgeschlossene Infrastrukturprojekte
freuen. So konnte in der Feldbacher
Von-der-Groeben-Kaserne nach rund
zweijähriger Bauzeit ein in ökologischnachhaltiger
Holzriegelkonstruktion ausgeführtes
Unterkunftsgebäude an die
Soldaten des Aufklärungs- und Artilleriebataillons
7 übergeben werden. In der
Garnison Langenlebarn wurden zudem
ein neues Flugfeldradar, die generalsanierte
Anschlussbahn inklusive Schleppbahn
in der Kaserne sowie eine neue
Eisenbahnverladerampe offiziell eröffnet.
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 0 H E E R &
M
E H R
WLAN
STATT FELDKABEL
Die „Fernmelder“ des Bundesheeres bereiten
gerade ihren Quantensprung vor: ein digitales Battle-
Management-System für alle Einheiten. Militär Aktuell hat bei der
Führungsunterstützungsschule exklusive Einblicke bekommen.
Text: STEFAN TESCH
Bilder: SEBASTIAN FREILER
as neueste Smartphone,
der schnellste
D
Laptop, das flachste
Tablet – was im zivilen
Leben Status und
Zeitgeist zum Ausdruck
bringt, ist im militärischen Bereich
fehl am Platz. Schließlich geht es
bei der Übertragung von Sprache und
Daten im Felde nicht um das schickste
Modell aus Kalifonien, sondern um
Sicherheit und Zuverlässigkeit. Der
Feind darf keinesfalls mithören. Wenn
es Minusgrade hat, muss das Werkl
trotzdem funktionieren und auch bei
Nebel und selbst im Hochgebirge darf
die mittlerweile digitale Kommunikation
nicht abreißen.
Darum stehen im Hof der Starhemberg-
Kaserne, der Homebase der Führungsunterstützungsschule
(kurz FüUS), beim
Besuch von Militär Aktuell mehrere
grüne Shelter mit markanten Antennen
drauf, die im Inneren so gar nicht mehr
nach „Oldschool-Fernmelder“ aussehen.
Denn das Bundesheer steht vor seiner
größten technologischen Revolution,
was Datenübermittlung im Feld angeht.
Nächstes Jahr bekommen die vier Brigaden
nämlich das Tactical Communication
Network, kurz TCN. Mit dem digitalen
Battle-Management-System ist
FOTO AUFMACHER: BUNDESHEER
M I L I T Ä R A K T U E L L
TRUPPENBESUCH
FÜHRUNGSUNTER-
STÜTZUNGSSCHULE
BATTLE MANAGEMENT Diese Antennen verbinden
Fahrzeuge und Gefechtsstände von
Kompanie bis Brigade. Ab dem kommenden
Jahr bekommen alle Einheiten des Bundesheeres
das Tactical Communication Network (TCN).
Die Führungsunterstützungsschule
(FüUS) befindet
sich in der
Starhemberg-Kaserne
in Wien-Favoriten.
Ihre Kernaufgaben
sind die Aus-, Fortund
Weiterbildung
von Soldaten sowie Zivilbediensteten
des Bundesheeres
in den Bereichen
Informations- und Kommunikationstechnologie.
Darunter versteht man
die Übertragung von Sprache und
Daten sowohl über Funk als auch per
Kabel. Ebenfalls zum Leistungsspektrum
der FüUS gehören elektronische
Kampfführung zur Drohnenabwehr
sowie Sicherheit im Cyberraum. Gemeinsam
mit dem Ministerium wirkt
man zudem bei der Planung und Beschaffung
von neuen Kommunikationssystemen
mit, erprobt diese und
bereitet sie für den Roll-out an die
Truppe vor. Die FüUS besteht aus fünf
Organisationselementen: Grundlagenabteilung,
Institut FM & IKT, Institut
Cyber & Elektronische Kampfführung,
Lehrelement, Elektronische Kampfführung
zur Drohnenabwehr. Pro Jahr
durchlaufen rund 1.000 Personen die
FüUS, die etwa 100 Kurse im Repertoire
hat. Gegründet wurde sie 1957 als
Telegraphentruppenschule, bis 2011
hieß sie Fernmeldetruppenschule
(FMTS). Seit 2017 besteht eine Partnerschaft
mit den Wiener Netzen. Da derzeit
ein Viertel der Jobs an der FüUS
nicht besetzt sind, sucht man dringend
nach erfahrenen „Fernmeldern“, die
gerne in der Lehre tätig sind.
Schluss mit Lagemeldungen per Funk
von der Kompanie zum Bataillon. Dann
gibt es mithilfe von Sensoren ein Live-
Lagebild von ganz unten bis ganz oben.
Also vom Gefechtsfahrzeug bis zur
Brigade. Alles in Echtzeit und mit 20
Kilometer Reichweite per WLAN und
Plug-and-play. „Der Operator am Gerät
braucht dafür kein Informatikstudium“,
erzählt Vizeleutnant Christian Fletschberger,
Hauptlehr-Unteroffizier für das
TCN an der FüUS und einer der Pioniere
im Bundesheer, was die Bedienung
angeht.
In der Starhemberg-Kaserne
bereitet er gerade den Quantensprung
in der Führungsunterstützung
vor. Äußerlich wenig
spektakulär, denn die „Kompanien“ befinden
sich in den typischen Heeres-
Sheltern. Drinnen ein paar Bildschirme,
Wien
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 2 H E E R & M E H R
Laptops, Kabelschränke, die dann im
Echtbetrieb für ein dynamisches Lagebild
sorgen. „Derzeit machen wir die
Train-the-Trainer-Schulung mit der
Firma Kapsch“, erklärt er. Mit Vertretern
des Lieferanten dreht man noch an den
letzten Stellschrauben, damit das TCN
künftig den Anforderungen der Truppe
gerecht wird und nächstes Jahr mehrere
Hundert Personen in der FüUS darauf
ausgebildet werden können.
Militärische Kommunikationstechnologie
kauft man nicht von der Stange ein.
Die Lösungen sind höchst individuell
zugeschnitten. Das betont Oberst Franz
Sitzwohl, seit Herbst dieses Jahres Kommandant
der FüUS: „Firmen stehen bei
der Auslieferung an das Bundesheer
auch im Lernprozess. Denn wir sind
die Einzigen, die die Geräte im Feld ausprobieren.“
Der gelernte Infanterist und
Logistiker mit absolviertem Generalstabslehrgang
skizziert die Evolution der
Kommunikation: „Ganz früher waren
es Kabel, dann kam der Funk, dann der
Wechsel von analog auf digital und nun
sind wir bei IKT-Sicherheit, elektronischer
Kampfführung und Cyber. Da
müssen wir viel Know-how aus der
Privatwirtschaft holen.“
JAHRGANGSKAMERADEN Oberst Franz Sitzwohl (links) ist seit Herbst Kommandant der FüUS,
Oberst Michael Hoffmann sein Stellvertreter. Die beiden kennen einander seit der Militärakademie.
Ganz unproblematisch ist das aber
nicht, denn schließlich sollte eine
Armee mehr oder weniger autark funktionieren
und sich nicht in die volle
Abhängigkeit von Firmen begeben. Andererseits
fehlt es aber an Ressourcen,
die volle Expertise im Heer aufzubauen.
Dass man nicht jede technologische
Neuerung mitmachen kann, versteht
sich von selbst. Schließlich wird ja keine
kleine Firma mit neuer IT bestückt,
sondern jede Entscheidung muss auf die
ganze Truppe ausgerollt werden. Und
mit anderen Armeen sollten die Kommunikationssysteme
natürlich auch
kompatibel sein. Der stellvertretende
Schulkommandant Oberst Michael
Hoffmann, der übrigens Sitzwohls Jahrgangskamerad
an der Militärakademie
war, ergänzt: „Im Verteidigungsministerium
plant man, was das Bundesheer
die nächsten zehn Jahre braucht. Wir
formulieren, wie das genaue Ausbildungs-Setup
aussehen muss.“ In der
„Wir lernen hier viel Neues“
WACHTMEISTER CHRISTOPHER
WEIRAUCH, Fernmeldeunteroffizier
in der Kampfunterstützungskompanie
des Jägerbataillons 33, absolviert
an der FüUS gerade die
Kaderanwärterausbildung 5.
Herr Weirauch, warum sind Sie Fernmelder
geworden?
Ich habe Tischler gelernt, aber bin im Grundwehrdienst
als Kraftfahrer zufällig im Fernmelde-Zug
gelandet und wurde dort sehr
freundlich aufgenommen. Als Tischler bist
du entweder auf der Baustelle oder in der
Werkstatt, das ist mit der Zeit eintönig. Beim
Bundesheer ist der Alltag abwechslungsreicher:
Man ist auf Übung, man agiert als Ausbilder
oder absolviert Kurse. Von Österreich
habe ich dadurch schon alles gesehen und
ich war auch schon im Auslandseinsatz.
Sie machen gerade die Ausbildung zum
Stabsunteroffizier. Welche Eigenschaften
muss man dafür mitbringen?
Natürlich ein gewisses Verständnis für die
Technik, aber vor allem großes Interesse
daran. Ich bin ein neugieriger Mensch. Hier
bei der Kaderanwärterausbildung 5 wiederholen
wir zwar Themen aus früheren Ausbildungen,
aber lernen auch viel Neues dazu.
Dabei werden wir stets mit Wochentests
gefordert.
Wie ist Ihr Eindruck vom TCN?
Toll, was dieses System kann! Ich bin
gespannt, wie meine Ausbildung damit
weitergeht. Nächstes Jahr mache ich den
dreiwöchigen Basislehrgang dafür sowie
die spezifischen Module. Wenn ich in meine
Einheit zurückkomme, werde ich IKT-Unteroffizier.
Ich werde in meiner Kompanie das
TCN aufbauen und die Fachunteroffiziere
darauf einschulen, damit sie im Feld damit
arbeiten können. Mit dem TCN springen
wir auf den internationalen Zug auf, denn
andere Armeen haben so ein System auch
im Einsatz.
M I L I T Ä R A K T U E L L
TRUPPENBESUCH
ALLES LIVE Kern des Tactical Communication
Network ist ein digitales Lagebild in Echtzeit.
Praxis überspringt man meist ein paar
Entwicklungsschritte. Heute ist man
beim Begriff Führungsunterstützung
weit weg von der klassischen Fernmelderei.
Sie hat sich um die Bereiche elektronische
Kampfführung sowie Cyber
erweitert. Unter Letzterem versteht man
in erster Linie die Absicherung der eigenen
Systeme vor Attacken. Kurzum:
Wie man sich abschirmt, damit niemand
mithört. Früher ging es dabei um das
Anzapfen von analogen Feldkabeln,
heute verlagert sich das Geschehen ins
digitale Netz, also in den Cyberraum.
„Offensive Cyberkräfte, die auch zum
Gegenschlag ausholen können, haben
wir aber nicht“, präzisiert Sitzwohl.
Bei der Abwehr von Gefahren ist die
FüUS auch beim Thema Drohnen aktiv.
Während sich die Fliegerabwehrtruppenschule
mit der „mechanischen“
Abwehr – etwa dem Abschuss – befasst,
stört die FüUS die Verbindung zwischen
Drohne und Steuerung. „Je nach Modell
fliegt sie dann zu ihrem Startpunkt zurück
oder landet auf der Stelle“, veranschaulicht
Hoffmann die Funktionsweise
der im Bundesheer eingeführten Systeme.
Beim Jägerbataillon 8 entsteht gerade
die erste Drohnenabwehr-Einheit.
Und man sammelt Erfahrungen im
Assistenzeinsatz im Burgenland.
Zurück in den Hof der Starhemberg-
Kaserne, wo sich gerade im Rahmen der
Kaderanwärterausbildung 5 angehende
Stabsunteroffiziere mit dem TCN vertraut
machen. Für sie ist es ein Highlight,
die „heiße Ware“ vor dem Großteil ihrer
Kameraden in Händen halten zu dürfen.
Beim „Unboxing“ montieren sie Antennen,
schließen Module zusammen und
blicken auf Bildschirme (siehe Interview).
Hinter ihnen summen die Serverschränke
– Indizien großer Rechenkapazität.
Auch für den Schulkommandant und
seinen Stellvertreter ist das TCN sichtlich
eine spannende Sache. Sitzwohls Ausblick:
„Führungsunterstützung wird ein
immer größeres Thema im Bundesheer.
Von Digitalisierung bis Big Data – wir befinden
uns in einem ständigen Transformationsprozess
und können uns nie an
der Vergangenheit orientieren. Sondern
können nur in die Zukunft blicken.“
The Mortar Company.
DIGITALISATION OF MORTAR SYSTEMS
0 2 4 H E E R & M E H R
HEER MIT
Das Verteidigungsbudget wird in den nächsten Jahren deutlich aufgestockt.
Was soll mit dem Geld konkret passieren? Welche Fahrzeuge und Geräte
stehen auf der Einkaufsliste ganz oben? Und wie soll ausreichend Personal
angeworben werden? Ein Gespräch mit Verteidigungsministerin Klaudia
Tanner und Generalstabschef Rudolf Striedinger.
Interview: JÜRGEN ZACHARIAS
rau Minister, Herr
F
Generalstabschef, wie
bewerten Sie die aktuelle
Sicherheitslage
in Europa und im Speziellen
in Österreich?
Klaudia Tanner: Wir leben in einer Zeitenwende
und der 24. Februar ist eine
Zäsur in der europäischen Geschichte
und besonders für die europäische und
österreichische Sicherheitspolitik. Der
Angriff Russlands auf die Ukraine hat
uns alle schockiert. Damit ist der Krieg
wieder nach Europa zurückgekehrt und
Friede in Europa keine Selbstverständlichkeit
mehr. Davor hat auch die Pandemie
schon gezeigt – wir müssen in
den kommenden Jahren verstärkt mit
sicherheitspolitischen Herausforderungen
rechnen.
Rudolf Striedinger: In der Tat hat sich
die offensichtlich vor dem 24. Februar
empfundene, scheinbare Sicherheit
nicht bestätigt. Es gibt nun wie im
Kalten Krieg wieder eine konfrontative
Positionierung zwischen Ost und West,
wobei Ost aktuell nur Russland ist und
West die westliche Welt einschließlich
der Vereinigten Staaten. Wir befinden
uns damit in einer sehr gefährlichen Situation,
in der von Sicherheit überhaupt
DOPPELINTERVIEW Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Generalstabschef Rudolf Striedinger im Gespräch mit
Militär Aktuell-Chefredakteur Jürgen Zacharias.
gar keine Rede mehr sein kann – weder
für Österreich noch für Europa.
Inwieweit ist Ihre Einschätzung auch
von Vorfällen wie dem nach wie vor
ungeklärten Anschlag auf die Ostsee-
Pipeline und den möglicherweise
bewusst herbeigeführten Ausfällen
des deutschen Eisenbahnnetzes und
zuletzt bei deutschen Telekomanbietern
geprägt?
Striedinger: Seit Jahren warnen wir Militärs
vor der hybriden Kriegsführung.
Das, was Sie hier ansprechen, könnten
Resultate genau jener Kriegsführung
sein. Sie spielt sich unterhalb der offenen
militärischen Konfrontation ab und
soll dazu führen, Gesellschaften zu verunsichern,
Schäden herbeizuführen,
Politik gefügig zu machen und die
Bevölkerung gegen die Regierenden
aufzuwiegeln.
Auch weil ein Täter bei derartigen
Vorfällen nur schwer zu überführen
ist?
FOTOS: BUNDESHEER/TRIPPOLT, BUNDESHEER
M I L I T Ä R A K T U E L L
COVERSTORY
ZUKUNFT
Striedinger: Genau. Bei derartigen Vorfällen
ist es sehr schwer, Tätern tatsächlich
etwas zuzuschreiben – und das gilt
noch einmal verstärkt für den Cyberraum.
Es ist indirekt aber schon sehr
schlüssig und klar, dass der Osten hier
versucht, destabilisierend in die westlichen
Demokratien hineinzuwirken.
Gehen wir einen Schritt zurück: Wie
hätten Sie die Sicherheitslage in
Mittel- und Osteuropa vor einem
Jahr auf einer Skala bewertet, die
von 1 „friedlicher geht es nicht“
bis 10 „eine kriegerische Eskalation
steht unmittelbar bevor“
reicht?
Striedinger: Ich möchte da gar
keine konkrete Zahl nennen,
aber es ist klar, dass wir aus
heutiger Perspektive damals
die Situation um die Ukraine
nicht ausreichend detailliert
beurteilt haben. Es wurde
zwar immer vor einer Eskalation
gewarnt, aber dass es
tatsächlich zu einem konventionellen
Angriff kommt, war
außerhalb der Vorstellungskraft.
Tanner: Wie von General Striedinger
angesprochen, werden bei uns jedes
Jahr im Rahmen einer sicherheitspolitischen
Jahresvorschau die möglichen
und wahrscheinlichen Risiken der kommenden
Jahre analysiert. Unsere Experten
im Verteidigungsministerium
haben dabei schon vieles vorhergesagt
und potenzielle Risiken identifiziert.
Neben einer globalen Pandemie
und regionalen Kriegen
und Konflikten spreche ich auch
von Bedrohungen wie dem Klimawandel
mit Naturkatastrophen,
von Cyberangriffen, Terrorismus
oder Blackouts. Vieles davon
galt oder gilt heute noch als undenkbar,
Vieles wurde aber trotzdem bittere Realität
– der Ukrainekrieg ist ein Beispiel
dafür.
Die Situation in der Ukraine hat
gezeigt, wie schnell sich Sicherheitslagen
fundamental ändern können.
Könnte es sich Österreich vor diesem
Hintergrund selbst bei einem
Friedensschluss in
der Ukraine leisten, wieder
wie zuletzt jahrzehntelang
Friedensdividenden einzufahren
und das Heer auf
absoluter Sparflamme zu
halten? Oder müssen wir
uns bewusst werden, dass
es dauerhaft – also auch
über 2032 hinaus – höhere
Investitionen in die
Streitkräfte braucht, um
stets für alle Herausforderungen
gewappnet zu sein?
Tanner: Eines ist klar: Sicherheit
gibt es nicht zum Nulltarif!
Nur ein modernes
und gut ausgestattetes
Bundesheer kann unser
Land verteidigen und all
seine Aufgaben erfüllen.
Und das ist nur mit einem
höheren Budget möglich.
Daher freue ich mich, dass
es uns auch gelungen ist, das
Verteidigungsbudget deutlich zu
erhöhen – das Landesverteidigungsressort
wird in den kommenden vier Jahren
insgesamt 16 Milliarden Euro bekommen,
das ist doppelt so viel wie bisher.
Außerdem haben wir mit der Schaffung
des Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetzes
erstmals eine legistische
Grundlage, die die Finanzierung des
Verteidigungsbudgets für die nächsten
zehn Jahre sichert. Damit stärken wir
das Österreichische Bundesheer weit
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 6 H E E R & M E H R
„Sicherheit gibt es nicht
zum Nulltarif! Nur ein modernes und
gut ausgestattetes Bundesheer
kann unser Land verteidigen
und all seine Aufgaben erfüllen.“
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
über die Legislaturperiode hinaus.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen:
Natürlich wird das Militär auch nach
2032 Geld brauchen, um alle Aufgaben
wirkungsvoll erfüllen zu können.
Zu den Aufgaben gehört auch die
Abwehr weitreichender Bedrohungen
aus der Luft, wie sie nun mit einer
Beteiligung Österreichs am geplanten
europäischen Schutzschirm „Sky
Shield“ sichergestellt werden könnte.
Für wie sinnvoll und wahrscheinlich
erachten Sie eine Beteiligung Österreichs?
Tanner: Verfassungsrechtlich gibt es
durchaus Möglichkeiten zu einer engeren
Zusammenarbeit, wir haben dazu
einige Gutachten eingeholt. Österreich
hat bereits viele Kooperationen mit
Deutschland, das ja die Initiative für
„Sky Shield“ übernommen hat. Es würde
Sinn machen, auch Investitionen bei
der Luftabwehr gemeinsam zu tätigen.
Was die Finanzierung einer österreichischen
Beteiligung anbelangt, so
wären dafür allerdings zusätzliche
Budgetmittel notwendig und so weit
sind wir noch nicht.
Striedinger: Wir sind derzeit in der
Lage, mit unserer Fliegerabwehr einen
Einsatzflugplatz zu sichern oder eine
Kaserne zu verteidigen. Gegen ballistische
Raketen haben wir überhaupt keine
Abwehrmittel. Das ist natürlich nicht
befriedigend. Wir sind schließlich dazu
da, das ganze Land zu schützen, da sind
eine Kaserne oder ein Flugplatz nur
Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen
im Bereich der Fliegerabwehr also
unbedingt etwas machen und deswegen
ist diese Initiative eine große Chance
und Gelegenheit, uns vor allem im Bereich
weitreichender Systeme deutlich
besser aufzustellen. Das ändert aber
nichts daran, dass wir uns verstärkt
auch um die Abwehr von Bedrohungen
im nahen und mittleren Bereich kümmern
müssen.
Das inkludiert auch die Abwehr von
Drohnen?
Striedinger: Wir sehen jetzt in der
Ukraine einmal mehr, welche Gefahr
von Drohnen ausgeht und wie rasant in
diesem Bereich Entwicklungen passieren.
Dementsprechend breit wollen wir
uns daher aufstellen und dabei ganz genau
analysieren, welche Möglichkeiten
technischer und organisatorischer Natur
hier von anderen Streitkräften wahrgenommen
werden, um gegebenenfalls
auch in Kooperationen zu gehen oder
in der Forschung zusammenzuarbeiten.
Österreich ist von NATO-Ländern
umringt. Könnte man nicht darauf
spekulieren, dass diese Länder bei
anfliegenden Bedrohungen aktiv Gegenmaßnahmen
ergreifen und Österreich
schützen, auch ohne dass sich
Österreich an „Sky Shield“ beteiligt?
Striedinger: Natürlich könnte man darauf
spekulieren, aber eine Garantie hätten
wir nicht. Bei ballistischen Raketen
lässt sich sehr schnell errechnen, wo sie
voraussichtlich einschlagen werden. Sie
kommen aus großer Höhe und wer garantiert
uns, dass ein Land tatsächlich
Abwehrmaßnahmen ergreift, wenn es
vorausberechnen kann, dass die Rakete
das eigene Staatsgebiet nur überfliegen
und in Österreich einschlagen wird?
Frau Minister, Sie haben zuvor das
deutliche Budgetplus für das Heer ab
dem kommenden Jahr angesprochen.
Wie soll dieses Geld konkret investiert
werden?
Tanner: Wir können damit nun viele Investitionen
tätigen, die jahrelang auf der
Strecke geblieben sind. Unsere Mission
lautet daher jetzt „Vorwärts!“, denn wir
wollen unser Bundesheer moderner
und einsatzfähiger gestalten. Wir haben
dazu einen zehnjährigen Aufbauplan
erstellt. Investitionsschwerpunkte darin
sind vor allem die Bereiche „Mobilität
der Einsatzkräfte“, „Schutz der Soldatinnen
und Soldaten“ mit der Beschaffung
von moderner Ausrüstung, Waffen und
Gerät und die „Autarkie zur Stärkung
der Verteidigungsbereitschaft“. Dafür
brauchen wir autarke Kasernen mit einem
hohem Schutzgrad, ausreichenden
Versorgungsgütern und hochwertiger
Sanitätsversorgung. Die Energie für
die Infrastruktur soll zu einem hohen
Anteil selbst erzeugt werden können.
Lassen Sie uns auch noch detaillierter
auf andere Schwerpunktbereiche
blicken. Was soll sich beispielsweise
im Bereich der Mobilität tun?
Striedinger: Da gibt es zwei große Teilbereiche:
Der eine umfasst die gehärtete
Mobilität, da werden wir zusätzlich weitere
geschützte Fahrzeuge vom Husar
über den Pandur bis zum Hägglunds
beschaffen, um die Standfestigkeit unserer
infanteristischen Truppen zu erhöhen
und auf einem Gefechtsfeld einen
gesicherten Transport zu ermöglichen.
Der zweite Bereich betrifft den ungeschützten
Transport, wo schon bald
neue Lkw und Bergefahrzeuge beschafft
werden.
Sie haben Husar und Pandur er-
FOTO: BUNDESHEER
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0 2 8 H E E R & M E H R
„Wir sehen jetzt in der Ukraine, welche
Gefahr von Drohnen ausgeht und wie
rasant in diesem Bereich neue
Entwicklungen passieren. Darauf müssen
wir natürlich reagieren.“
Generalstabschef Rudolf Striedinger
wähnt. Geht es bei den geplanten
Beschaffungen im Mobilitätsbereich
primär um die Aufstockung bereits
eingeführter Systeme oder ist auch
denkbar, dass neue Systeme dazukommen?
Striedinger: Derzeit geht es um eine
Aufstockung der Flotten, die wir haben.
Aber wenn es etwas Neues auf dem
Markt gibt, dann werden wir uns das
anschauen. Wir haben beispielsweise
immer noch keine verbindliche Lösung
für die Pinzgauer-Nachfolge.
Wie sieht es mit dem Luft-Transportbereich
aus? Gerüchteweise soll die
Option auf weitere AW169-Hubschrauber
gezogen werden und ist
sogar die Beschaffung weiterer Black
Hawk-Hubschrauber ein Thema.
Striedinger: Wir haben zuletzt die G2G-
Beschaffung des Leonardo-Hubschraubers
AW169 eingeleitet und der Vertrag
bietet glücklicherweise eine Option für
weitere 18 Hubschrauber, die – wenn wir
sie heuer ziehen – zu denselben finanziellen
Bedingungen geliefert werden. Da
wir mit dem Typ nicht nur die Alouette
III ersetzen wollen, sondern mittelfristig
auch unsere OH-58, werden wir diese
Option ziehen. Auch die AB212 ist bereits
in die Jahre gekommen und muss
noch dieses Jahrzehnt ersetzt werden.
Dabei denken wir an eine entsprechende
Aufstockung der Black Hawk-Flotte …
… über die bereits kommunizierten
drei zusätzlichen Maschinen hinaus?
Striedinger: Genau. Mit den drei Maschinen,
die sich bereits in Beschaffung
befinden, komplettieren wir unsere
neun Stück zur Staffel. Dazu wollen wir
eine weitere Staffel beschaffen, um unter
dem Strich über dieselben Luftkapazitäten
wie jetzt zu verfügen. Wir haben
dann aber deutlich moderneres Gerät,
was eine höhere Einsatzbereitschaft
und einen höheren Klarstand zur Folge
haben sollte.
Das Heer soll abseits der Hubschrauber
auch bei der Hercules-Nachfolge
bereits sehr weit sein.
Tanner: Das ist richtig. Unsere C-130
erreichen noch innerhalb dieses Jahrzehnts
ihr Lebensende, weshalb ich bereits
vor Längerem eine Nachfolgeplanung
beauftragt habe. Da befinden wir
uns mittlerweile in der finalen Phase
der Beurteilung und im Wesentlichen
auch bereits der Entscheidung, welches
Flugzeug nachfolgen soll.
Kommen wir zur aktiven Luftraumüberwachung:
Wie soll es da weitergehen?
Das Heer will ja weiter auf
den Eurofighter setzen, oder?
Striedinger: Wir werden den Eurofighter
definitiv weiterfliegen und gewisse
Nachrüstungserfordernisse realisieren,
um die Luftraumsicherung auch in der
Nacht durchführen zu können.
Ist daneben die Einführung eines
zweiten Kampfjet-Typs denkbar?
Striedinger: Das ist aus meiner Sicht
nicht vorstellbar. Mit den aktuell gesetzten
Schritten können wir den Eurofighter
bis Mitte der 2030er-Jahre betreiben,
wir werden trotzdem schon
bald ausreichend damit beschäftigt sein,
uns über einen Nachfolger Gedanken
zu machen …
Könnte dabei der F-35 zum Thema
werden?
Striedinger: Sehr viele Länder in unserer
Nachbarschaft kaufen momentan dieses
Flugzeug, was nicht bedeutet, dass wir
das auch tun müssen. Unter dem Strich
werden bei der Entscheidung viele Aspekte
eine Rolle spielen – nicht zuletzt
logistische und die Möglichkeit von internationalen
Kooperationen bis hin zur
möglichen gemeinsamen Beschaffung.
Wie steht es um neue Trainingsjets
als Nachfolger für die vor zwei Jahren
abgestellten Saab-105Ö und um die
mögliche Beschaffung von Eurofighter-Zweisitzern,
um die kostspielige
Ausbildung von Piloten wieder
verstärkt selbst abbilden zu können?
Striedinger: Die Entscheidung rund um
die Saab-105Ö waren der damaligen
finanziellen Situation geschuldet. Nachdem
sich diese geändert hat, wäre es
zweckmäßig, einen Nachfolger zu besorgen
und die Ausbildung im Inland zu
forcieren. Dabei schauen wir uns aktuell
einen Advanced Jet Trainer an, mit dem
wir einerseits unsere Ausbildungswünsche
abdecken und andererseits das
Segment im Bereich der Luftraumsicherung
und -überwachung ergänzen
könnten. Wenn wir die Ausbildung
komplett machen wollen, würden wir
zudem auch Doppelsitzer benötigen.
Das ist ein offener Punkt, den wir in
absehbarer Zeit entscheiden werden.
Ein großer Teil der Investitionen soll
auch in die Miliz fließen. Was ist in
diesem Bereich geplant?
Tanner: Mit dem 200-Millionen-Euro-
Sonderinvestitions-Milizpaket wollen
wir auch die Soldaten und Soldatinnen
der Miliz wieder einsatzfähiger machen.
Das Milizpaket bringt viele Verbesse-
FOTO: BUNDESHEER
M I L I T Ä R A K T U E L L
COVERSTORY
rungen in den Bereichen Bewaffnung,
Ausrüstung und Mobilität. Außerdem
soll die Miliz wieder mehr zum Üben
kommen, das heißt die Ausbildungsund
Übungstätigkeit der Milizverbände
generell soll verbessert werden. Ich
habe daher vor Kurzem angewiesen,
dass wir 2024 eine Großübung machen
werden. Das Ziel der Übung „Schutzschild
2024“ ist, die militärischen Kernfähigkeiten
der Soldatinnen und Soldaten
durch praktische Anwendung auf
der gefechtstechnischen und taktischen
Ebene zu festigen und außerdem die
Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu
evaluieren und weiterzuentwickeln.
Wie steht es um den Bereich der
schweren Waffensysteme Artillerie
und Panzer?
Striedinger: Bei den Panzern haben wir
die Entscheidung getroffen, dass alle
unsere mechanisierten Fahrzeuge – also
im Wesentlichen der Leopard und der
Ulan – einer Modernisierung zugeführt
werden, damit wir sie bis in die 2040er-
Jahre hinein nützen können. Es gibt zudem
Überlegungen, die Mechanisierung
breiter auszulegen, also neben den
Kampffahrzeugen auch Einsatz-, Feuerund
Kampfunterstützungsfahrzeuge zu
sichern und zu härten, beispielsweise
also einen Granatwerfer auf einem Kettenfahrzeug
zu betreiben. Dafür könnten
wir zusätzliche Panzer kaufen und
damit die Flotte aufstocken, ohne die
Anzahl der Verbände zu erhöhen.
Und bei der Artillerie?
Striedinger: Die Zahl unserer Geschütze
ist aktuell überschaubar, wir denken
aber trotzdem weniger an neue Systeme
als vielmehr an den Ankauf intelligenter
Munition. Davon braucht man geringere
Stückzahlen, man hat weniger Kollateralschäden
und trifft die Ziele, die
man treffen will, besser. Das ist aber
natürlich auch deutlich teurer.
Abseits von modernem Gerät fehlt es
dem Heer in vielen Bereichen quantitativ
und qualitativ an Personal. Wie
soll dieser Bedarf mittel- bis langfristig
gedeckt werden?
Tanner: Es hilft uns die beste materielle
Ausstattung nichts, wenn wir das Personal
nicht haben, um das Gerät zu bedienen.
Daher wollen wir einerseits durch
eine verstärkte Personalwerbung versuchen,
gutes Personal zu gewinnen. Und
andererseits durch verschiedene Anreize
wie Prämien und höhere Gehälter
sowie durch spannende Kooperationen
wie die Finanzierung eines Medizin -
studiums zur Gewinnung von Militär -
ärzten.
Striedinger: Bei den Personalzugängen
und -abgängen spüren wir die zuletzt
durch die Pandemie und den laufenden
sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz
sehr hohen Belastungen unseres
Systems Bundesheer. Dem wollen wir
nun massiv entgegenwirken und wie
von der Frau Ministerin angesprochen
mit zahlreichen Maßnahmen attraktiver
am Arbeitsmarkt auftreten und verstärkt
auch um Frauen werben.
Wie ist das mit der „Umfassenden
Landesverteidigung“ (ULV), die
jetzt immer wieder in den Medien
SitaWare C4I Software
Intuitive Benutzerober 昀 äche
Umfassendes Lagebewusstsein
Offenes Ökosystem
50+ 1m+ 30+
Nationen weltweit Nutzer weltweit Jahre Erfahrung mit C4I-Systemen
systematic.com/lagedienst
0 3 0 H E E R & M E H R
erwähnt wird? Wozu brauchen wir
die, wenn es ohnehin das Bundesheer
gibt?
Tanner: Viele Bedrohungsszenarien
liegen eigentlich zunächst im zivilen
Bereich. Der Schlüssel liegt in der Zusammenarbeit,
wenn wir dagegen vorgehen
wollen. Wir müssen in Österreich
daher auch die ULV wiederbeleben.
Dabei geht es neben der „militärischen
Landesverteidigung“ auch um
die „zivile Landesverteidigung“, die
„geistige Landesverteidigung“, die
„wirtschaftliche Landesverteidigung“
und die „ökologische Landesverteidigung“.
Tanner: Genau. Die militärische Landesverteidigung
kümmert sich um den
Schutz der Neutralität und um die Verteidigung
der Souveränität mit militärischen
Mitteln. Bei der zivilen Landesverteidigung
geht es zum Beispiel darum,
die Funktionsfähigkeit staatlicher
Einrichtungen zu gewährleisten, bei der
wirtschaftlichen Landesverteidigung
geht es um den Erhalt der Leistungsfähigkeit
und Vermeidung von Störungen
der Wirtschaft, die Stabilisierung des
Arbeitsmarktes oder um die Versorgung
der Bevölkerung mit lebensnotwendigen
Gütern.
Also Sicherheit auf allen Ebenen?
Tanner: Die ULV ist essenziell für die
ganzheitliche Sicherheit sowie für die
Stärkung der Resilienz unseres Staates.
Wir müssen die ULV daher wieder
mehr ins Zentrum rücken, denn sie
endet nicht am Kasernenzaun, sondern
dort beginnt sie erst! Sie muss in Schulen,
in Unternehmen und sogar in Familien
stattfinden, um ein Bewusstsein zu
schaffen.
Werfen wir abschließend einen Blick
in die Zukunft: Wie soll das Bundesheer
am Ende des nun definierten
Aufbauplans dastehen? Was soll das
Bundesheer im Jahr 2032 können,
was es heute nicht kann?
Tanner: Das Ziel ist es, dass das Österreichische
Bundesheer als moderne
Armee so gut ausgestattet ist, dass es
den Szenarien und Bedrohungen des
21. Jahrhunderts effektiv begegnen und
seine Aufgaben zum Schutz und zur Sicherheit
der Bevölkerung erfüllen kann.
WAS KOMMT
NACH DER
Aktuell sind beim Heer zahlreiche langfristige
Beschaffungsvorhaben in Planung – darunter
auch die Nachfolge der C-130K-Hercules-
Transportmaschinen. Ein Überblick, welche
Typen dafür infrage kommen und in welchem
Zeitraum mit neuen Maschinen zu rechnen ist.
m Jahr 1967 besetzt Israel
im Sechstagekrieg
I
Teile des Berges Hermon
sowie die Golanhöhen
und erschießt ein
Feldwebel der bolivianischen
Armee Guerillakämpfer Che
Guevara. Im Jahr darauf nehmen die
USA und Nordvietnam Friedensverhandlungen
auf und beenden Truppen
des Warschauer Pakts mit ihrem
Einmarsch in der Tschechoslowakei
den Prager Frühling. Weit abseits der
Weltöffentlichkeit laufen in den beiden
Jahren aber auch drei für die britische
Luftwaffe (Royal Air Force,
RAF) geplante C-130K Hercules-
Transportmaschinen von den Montagebändern,
die Anfang der 2000er-
Jahre vom Bundesheer übernommen
werden und die hierzulande immer
noch das Gros der Lufttransportkapazitäten
abbilden. Noch, denn im
Jahr 2021 richtete die Abteilung
Strukturplanung (Referat Fähigkeiten-2,
Wirkung und Mobilität Luft)
des Verteidigungsministeriums eine
Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer
Nachfolgelösung ein. Aktuellen Planungen
zufolge soll der neue „Heeres-Lufttransporter“
bereits mit
2028/29 seinen Betrieb aufnehmen –
die Ausschreibung in einigen Monaten
offiziell werden.
Text & Bilder: GEORG MADER
Dabei soll ein Nachfolger laut Bundesheer-Planungschef
Generalmajor
Bruno Hofbauer die Hercules-Nutzlastkapazität
von rund 20 Tonnen
pro Maschine nicht unter-, aber auch
nicht deutlich überschreiten. Das beschränkt
die Liste interessanter Typen
im Wesentlichen auf zwei: Neben
neuen C-130J Super Hercules (Juliets)
kommt eigentlich nur die C-390M
Millennium des brasilianischen Herstellers
Embraer in Frage. Potenziell
ebenfalls denkbare Nachfolgekandidaten
wie der auf der Airpower präsentierte
chinesische Militärtransporter
Xian Y-20 (mit bis zu 66 Tonnen
Nutzlast deutlich zu groß) und der
„kleinere“ Airbus A400M mit seinen
trotzdem 35 Tonnen Nutzlast sind
daher definitiv kein Thema.
Im Vergleich zur C-390M fällt die aktuelle
C-130-Serie etwas robuster aus,
zudem hat sich das Modell über Jahrzehnte
in vielen Nationen bewährt
und wird immer noch stark nachgefragt.
Folge davon ist allerdings, dass
neue Juliets wohl erst ab 2029 wieder
verfügbar sein dürften, während neue
C-390M gerade in mehreren Ländern
zulaufen und deutlich früher erhältlich
sind. Neben Brasilien (19 Maschinen)
konnte Embraer zuletzt mit
Portugal (fünf Stück), Ungarn (zwei
M I L I T Ä R A K T U E L L
COVERSTORY
HERCULES ?
entfernten Auslandsmissionen des Bundesheeres
in Mali in Westafrika oder im
Libanon sind ohne Tank-Zwischenstopps
für Standard-„Herkys“ nicht erreichbar.
Das war vor allem während der Coronapandemie
mit gesperrten Flughäfen eine
Herausforderung, kann in Kriegs- oder
Krisenzeiten aber neuerlich zum Problem
werden. Der neue Lufttransporter
des Heeres sollte daher solche Distanzen
nonstop schaffen.
Stück) und den Niederlanden
(fünf Stück als C-
130-Ersatz) auch eine europäische
„User-Community“ aufbauen.
Tschechien ist ebenfalls an zwei
Maschinen interessiert. Dabei dürften
insbesondere mit den Niederlanden auch
die vom österreichischen Verteidigungsministerium
gewünschten Kooperationsmöglichkeiten
auf Regierungsebene
(G2G-Geschäft) bestehen.
Militär Aktuell hat sich im Juni im Rahmen
eines Mitflugs (Mission in KC-Tankerkonfiguration)
ein erstes Bild vom
brasilianischen Transporter gemacht.
Dabei fiel die – abhängig von der gewünschten
Reichweite – um drei bis
sechs Tonnen größere Nutzlast und die
höhere Reisegeschwindigkeit als bei der
C-130 auf. Augenscheinlich war zudem
der breitere und höhere Laderaum, der –
wie in einer Vorführung zu sehen war –
auch die problemlose Be- und Entladung
eines 8×8-Pandurs (samt Turm) möglich
macht.
des Heeres, dann soll jeweils ein ausgerüstetes
18,5 Tonnen schweres Fahrzeug
im Bauch eines Transporters Platz finden.
Das ist aktuell in unseren C-130 und
den neueren Super Hercules nur möglich,
wenn davor die Waffenstation abgebaut
und aus Gewichtsgründen nicht
im selben Flugzeug transportiert wird.
Ein ganz wesentliches Kriterium dürfte
bei der Typenwahl außerdem die Reichweite
darstellen. Die aktuell am weitesten
Ein Vorteil der C-130J mit ihren vier Turboprop-Motoren:
Die im Vergleich zum
zweistrahligen Embraer-Jet kürzeren
Start- und Landestrecken und ihre „ passende“
Zuladungskapazität. Heeresintern
dürfte es Sorgen geben, dass die etwas
größere C-390M für die routinemäßigen
Versorgungsflüge der Balkan-Kontingente
überdimensioniert ist und daher
nicht ausgelastet sein könnte. Die Verantwortlichen
denken daher alternativ
auch an eine Zwei-Flotten-Strategie, also
eine Ergänzung der drei bis vier neuen
großen Maschinen (C-130J oder C-
390M) mit zwei bis drei zweimotorigen
Leonardo C-27J oder Airbus C-295. Al-
Apropos: Die beim Heer gerade in größerer
Stückzahl zulaufende 6×6-Version
des Pandur Evolution dürfte die Typenwahl
hierzulande zumindest mitentscheiden.
Geht es nach den Wünschen
NEUER VERTRAGSPARTNER Von März bis November wurde eine unserer drei Hercules-Maschinen bei OGMA in Portugal
grundüberholt.
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 2 H E E R & M E H R
leine schon aus Personalgründen dürfte
ein derartiges Vorhaben aber wohl nur
schrittweise zu stemmen sein.
Denkbar ist übrigens auch, dass man bei
der Beschaffung – wie schon beim Ankauf
unserer aktuellen Hercules-Flotte –
erneut auf gebrauchte ältere Maschinen
setzt. Dabei könnten die ab 2025 verfügbaren
und in den Jahren 2000 bis 2002
gebauten Juliets der RAF zum Thema
werden. Allerdings sieht man heeres -
intern sowohl die Ausführung der
britischen Maschinen mit gestrecktem
Rumpf (mehr Volumen bei gleicher
Nutzlast) als auch den voraussichtlich
höheren Wartungsund
Erhaltungsaufwand kritisch. Zudem
ist nicht klar, ob der aus Materialermüdungsgründen
notwendige Tausch der
zentralen Flügelkästen der weltweit stark
genutzten Maschinen (11.000 bis 14.000
Flugstunden pro Stück) noch bei Marshall-Aerospace
UK durchgeführt würde.
Wie man hört, haben unsere Entscheidungsträger
als Reaktion auf zu lange
Stehzeiten dort, das Nichteinhalten
von Fristen und deutliche Verteuerungen,
die eigentlich bei Marshall-Aerospace
geplanten Grundüberholungen
unserer C-130K zur Firma OGMA nach
Portugal übersiedelt (siehe auch Interview
mit OGMA-Chef João José Santos
auf Seite 47). Dies wurde mit Hilfe der
NATO Support and Procurement Agency
(NSPA) arrangiert. NATO-PfP-Partnerstaaten
können sich für bestimmte
Wartungen oder Upgrades an Unterstützungspartnerschaften
beteiligen.
Die Wahl von OGMA (Oficinas Gerais
de Material Aeronáutico = Allgemeine
Werkstätten für Luftfahrtmaterial) ist
mit Blickrichtung Zukunft durchaus
spannend: Der weitläufige frühere Luftwaffen-Staatsbetrieb
mit eigener 3.000-
Meter-Piste gehört seit mehr als zehn
Jahren nämlich ausgerechnet zu Embraer.
Die Brasilianer fertigen dort sogar
Teile ihres C-390M, während einige
Meter weiter während eines Besuchs
von Militär Aktuell eine unserer C-130K
(8T-CC) grundüberholt wurde. Daneben
wurde aber auch an zahlreichen anderen
Maschinen der USAF, aus Brasilien,
Griechenland, aus dem Tschad, den
Philippinen, Ex-Afghanistan, aus Guinea
und Chile gearbeitet.
Die möglichen
Hercules-Nachfolger
Lockheed Martin C-130J Super Hercules
Länge 29,79 Meter
Spannweite 40,41 Meter
Höhe 11,58 Meter
Triebwerke 4 x RR AE 2100 D3
Leistung 11,3 kN (Turboprop) je Triebwerk
Besatzung 3 (zwei Piloten & ein Lademeister)
Kapazität 64 Soldaten
Embraer C-390M Millennium
Länge 35,20 Meter
Spannweite 35,05 Meter
Höhe 11,82 Meter
Triebwerke 2 × IAE V2500-E5
Leistung 139 kN (Turbofan) je Triebwerk
Besatzung 3 (zwei Piloten & ein Lademeister)
Kapazität 80 Soldaten
Maximale Nutzlast 19.050 Kilogramm
Maximales Startgewicht 70.307 Kilogramm
Maximale Geschwindigkeit 670 km/h
Dienstgipfelhöhe 8.500 Meter
Reichweite (mit 15,5 Tonnen Beladung)
3.300 Kilometer
Überstellungsreichweite 5.078 Kilometer
Maximale Nutzlast 26.000 Kilogramm
Maximales Startgewicht 86.999 Kilogramm
Maximale Geschwindigkeit 880 km/h
Dienstgipfelhöhe 11.000 Meter
Reichweite (mit 15,5 Tonnen Beladung)
5.820 Kilometer
Überstellungsreichweite 8.500 Kilometer
M I L I T Ä R A K T U E L L
UNSERHEER
EINE INFORMATION DES BMLV
Entgeltliche Einschaltung
Mission vorwärts: Gerüstet
für die Aufgaben von morgen
Nun ist es also fix: Das Bundesheer bekommt mehr Geld. In den nächsten
vier Jahren wird das Budget von aktuell 2,7 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf
dann 5,3 Milliarden Euro erhöht. Die neuen Mittel sollen unter anderem in die
Mobilität und die Ausstattung der Truppe, in eine Modernisierung der Panzerkräfte,
in die Luftraumüberwachung und in die Autarkie investiert werden.
Foto: Bundesheer/Trippolt
Wir erleben eine Zeitenwende. Schon
unmittelbar nach Beginn der Kämpfe
in der Ukraine war klar: Europa wird
sicherheitspolitisch nie mehr so sein
wie vor dem 24. Februar. Bis zu diesem
Tag war über Jahrzehnte hinweg
ein konventioneller Krieg auf dem
Kontinent für die meisten Europäer
völlig undenkbar gewesen. Quasi
über Nacht wurden im Osten des
Kontinents aber neue Realitäten
geschaffen. Dort fielen plötzlich
Bomben und Raketen auf Städte, die
näher an Wien sind als Bregenz, und
am ganzen Kontinent machte sich
ein Gefühl der Unsicherheit breit.
Eine „Zeitenwende“ bedeutet die
durch den Ukraine-Krieg ausgelöste
Unsicherheit auch für das Budget
des Bundesheeres. Nachdem schon
in den vergangenen Jahren mit An-
UNSERHEER
stiegen des Etats auf die sich verändernde
Sicherheitslage in Europa
reagiert worden war, beschloss die
Regierung nun kürzlich neben einer
Stärkung der Umfassenden Landesverteidigung
auch eine signifikante
Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Angesichts der Entwicklungen
in der Ukraine sollen in den
kommenden Jahren deutlich mehr
Mittel als jemals zuvor in die rotweiß-roten
Streitkräfte fließen. Ziel
ist es, mit den zusätzlichen Geldern
die militärischen Kernkompetenzen
des Heeres auszubauen
und zu stärken. Der militärischen
Landesverteidigung soll damit wieder
der Stellenwert gegeben werden,
den sie eigentlich verdient
und der angesichts der aktuellen
Bedrohungslage notwendig erscheint.
Ausgehend vom aktuellen Budget
von rund 2,7 Milliarden Euro werden
im kommenden Jahr bereits
3,3 Milliarden Euro (plus 680
Millionen Euro) in das Bundesheer
investiert. Bis 2027 wird das jährliche
Budget dann schrittweise auf
sogar 5,3 Milliarden Euro (exklusive
der Pensionen) angehoben.
Darüber hinaus soll das Verteidigungsbudget
durch ein Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz
bis
2032, also für die kommenden
zehn Jahre, abgesichert werden.
Dieser beschlossene Budgetpfad
erlaubt den Streitkräften einerseits
eine langfristige Planungsperspektive.
Andererseits werden damit aber
endlich auch zahlreiche dringend
benötigte und vor allem auch substanzielle
Investitionen in unterschiedlichste
Bereiche möglich
gemacht.
Budget für Landesverteidigung
in Milliarden Euro
2,7 3,3 3,7 4,2 4,7 5,3
Neues Gerät geplant Das Heer wird in den kommenden Jahren zahlreiche neue Fahrzeuge
und Fluggeräte beschaffen. Heuer soll der erste neue Leonardo-AW169-Hubschrauber als
Nachfolger der Alouette III zulaufen.
Dazu wurden in den vergangenen
Wochen und Monaten durch den
Generalstab fundierte Konzepte
ausgearbeitet und im „Aufbauplan
ÖBH2032“ drei Schwerpunkte (siehe
Details auf der nächsten Seite)
festgelegt. Diese haben eine Verbesserung
der Mobilität der Einsatzkräfte
ebenso zum Ziel wie
eine größere Autarkie der Armee
zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft.
Es soll unter anderem in
neue und moderne Transportfahrzeuge
und geschützte Fahrzeuge
investiert werden. Im Fokus steht
aber auch der Ausbau der Lufttransportfähigkeiten,
eine weitere
Modernisierung der Hubschrauberflotte
und der aktiven Luftraumüberwachung
sowie eine Aufwertung
der mechanisierten Truppe mit
Modernisierungen von Kampfpanzern,
Schützenpanzern, Pionierpanzern
und Artillerie. Soldatinnen und
Soldaten werden zudem mit moderner
persönlicher Ausrüstung ausgestattet
und Kasernen sollen autark
werden, um ausreichend Versorgungsgüter
und hochwertige Sanitätsversorgung
im Krisenfall zur
Verfügung zu haben.
2022 2023 2024 2025 2026 2027
UNSERHEER
Mit den Investitionen verbunden ist
auch eine weitere Attraktivierung
des Arbeitgebers Bundesheer.
Schon in den vergangenen Jahren
wurden viele Maßnahmen gesetzt,
sorgte der Zulauf von neuem Gerät
wie den Mannschaftstransportfahr-
Fotos: Bundesheer
Aufbauplan ÖBH2032: die Schwerpunkte
1. Verbesserung der Mobilität der Einsatzkräfte
Das Schwergewicht bildet der Bereich der geschützten
Mobilität, insbesondere der Ergänzung der geschützten
Fahrzeugflotte sowie dringend benötigter
Transportfahrzeuge. Auch in der Luft müssen die
Transportfähigkeiten ausgebaut und verbessert
sowie die Hubschrauberflotte weiter modernisiert
werden. Die aktive Luftraumüberwachung muss
auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden und
durch die Erweiterung und Modernisierung der
Flotten auch weiterhin sichergestellt werden.
Entgeltliche Einschaltung
2. Erhöhung des Schutzes und der Wirkung
für unsere Soldatinnen und Soldaten
Alle Soldatinnen und Soldaten werden mit moderner
persönlicher Ausrüstung, dem benötigten Individualschutz
sowie Mitteln für Nachtkampf und
Kommunikation ausgestattet, damit sie ihre Aufträge
bei Tag und Nacht präzise erfüllen können.
Es wird in den Kernbereich der militärischen Landesverteidigung,
in den Schutz vor Bedrohungen
aus der Luft und in fortschrittliche Sensoren für
unsere Aufklärungskräfte investiert. Die mechanisierte
Truppe mit Kampfpanzern, Schützenpanzern,
Pionierpanzern und der Artillerie wird
modernisiert, wodurch Panzerschutz, Feuerkraft
und hohe Beweglichkeit sichergestellt werden.
3. Autarkie zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft
Autarke Kasernen mit hohem Schutzgrad, ausreichend
Versorgungsgütern und hochwertiger
Sanitätsversorgung bilden die Basis für die Aufrechterhaltung
der Einsatzfähigkeit. Energie für
die Infrastruktur wird zu einem hohen Anteil
selbst erzeugt. Der Kampf im Cyber-Raum und
die elektronische Kampfführung sind heute auf
dem Gefechtsfeld nicht mehr wegzudenken.
Digitale Führungs- und Kommunikationsmittel
bilden die Voraussetzung für den wirkungsvollen
Einsatz des modernen Bundesheeres. Daher
wird auch in diese Bereiche massiv investiert.
zeugen Pandur Evolution und des
Universalgeländefahrzeugs BvS10
Hägglunds für neue Motivation bei
der Truppe. Demnächst wird auch
der erste der insgesamt 18 bestellten
neuen Leonardo-Hubschrauber
AW169 in Österreich
landen. Das Jägerbataillon 18 aus
St. Michael wurde als familienfreundlicher
Arbeitgeber ausgezeichnet
und beim Aufklärungsund
Artilleriebataillon 7 in Feldbach
kürzlich ein neu errichtetes
Unterkunftsgebäude offiziell übergeben.
In Villach ist der Bau einer
neuen Großkaserne geplant und in
Güssing steht überhaupt eine der
modernsten Kasernen Europas.
UNSERHEER
Entgeltliche Einschaltung
Vielfalt – Sicherheit – Mehrwert – Perspektive Das Bundesheer bietet unter diesen Schlagworten zahlreiche interessante
Jobmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Sparten und Bereichen.
Bild: Bundesheer/Steinberger
Impressum: Amtliche Publikation der Republik Österreich / Bundesministerium für Landesverteidigung. Medieninhaber, Herausgeber und
Hersteller: Republik Österreich / Bundesministerin für Landesverteidigung, BMLV, Roßauer Lände 1, 1090 Wien. Erscheinungsjahr: 2022.
Druck: Heeresdruckzentrum 18-101010100.
UNSERHEER
Darüber hinaus punktet das Heer
mit dem Motto „Vielfalt – Sicherheit
– Mehrwert – Perspektive“
seit Jahren mit guten Aufstiegsmöglichkeiten,
Chancengleichheit,
sicheren Arbeitsplätzen und nicht
zuletzt auch interessanten Jobs
und Ausbildungsschienen: An der
Theresianischen Militärakademie
startete heuer erstmals der Fachhochschul-
Bachelorstudiengang
„Militärische informations- und
kommunikationstechnologische
Führung“ und mit dem Wintersemester
2022/23 wurden sechs
Soldaten als erste Militär-Medizinstudenten
an der Medizinischen
Universität Wien aufgenommen.
Die Studierenden bekommen alle
anfallenden Kosten wie die laufenden
Studiengebühren erstattet
oder auch notwendige Unterkünfte
zur Verfügung gestellt.
Das Bundesheer beschäftigt aber
auch noch Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Dutzenden anderen
Berufen. Dazu gehören beispiels -
weise Jäger und Förster, Piloten
und Waffenmeister. Aber auch
Werkstoffprüfer, IT-Techniker, Mechaniker,
Köche und viele mehr.
Pro Jahr ermöglicht das Heer
darüber hinaus zahlreichen jungen
Österreicherinnen und Österreichern
eine Ausbildung in rund
35 verschiedenen Lehrberufen,
die nicht alltäglich sind. Denn wer
kann schon behaupten, an gepanzerten
Radfahrzeugen zu arbeiten
oder sein Handwerk an Hubschrauberturbinen
zu erlernen?
INTERVIEW
„WIR BRAUCHEN PERSONAL“
Auch vor dem Bundesheer macht der in
ganz Europa bestehende Ärztemangel
nicht halt. Wir haben mit Oberstarzt
Andreas Kaltenbacher, dem stellvertretenden
Heeressanitätschef, über
die aktuelle Situation und geplante
Gegenmaßnahmen gesprochen.
Interview: CONNY DERDAK
FOTOS: BUNDESHEER/MINICH, BEIGESTELLT
Herr Kaltenbacher, wie
groß ist der Bedarf
beim Heer im medizinischen
Bereich?
Im Bereich des militärischen
Gesundheitswesens,
das neben der Medizin auch das
militärische Veterinär- und Pharmaziewesen
sowie die klinische Psychologie
umfasst, besteht Nachholbedarf. Der
Krieg in der Ukraine zeigt, dass die medizinische
Versorgung der Soldaten und
der Zivilbevölkerung ein starkes und
leistungsfähiges militärisches Gesundheitswesen
benötigt. Um hier auch in
Österreich wieder leistungsfähig zu werden,
brauchen wir Gerät, Ausstattung,
Infrastruktur und vor allem Personal.
Mit welchen Maßnahmen wird
diesem Bedarf nun begegnet?
Es erfolgen nicht nur Planungen, sondern
auch laufend Beschaffungen. Das
Ressort hat neben Personalwerbungsmaßnahmen
auch mit dem Programm
„Militärmedizinstudent“ reagiert. Wir
wollen auch mit neuen Vertragsmodellen
und flexiblen Lösungen für Militär -
ärzte attraktiver für Interessenten werden.
Aber auch im Bereich der Sanitäter
und der Gesundheits- und Krankenpflege
haben wir ständigen Bedarf. Auch
hier werden neue Laufbahnen ausgeplant,
die zu einer Attraktivitätssteigerung
beitragen sollen. Wir erarbeiten
zudem Lösungen, um auch für den
gehobenen medizinisch-technischen
Dienst, das sind zum Beispiel Radiologietechnologen
und biomedizinische
Analytiker, attraktiver zu werden.
Und wie sieht es beim Bereich Ausrüstung
und Ausstattung aus?
Da muss eine laufende Adaptierung an
die neuesten Entwicklungen erfolgen.
Mit den durch die Frau Bundesminister
erreichten zusätzlichen Mitteln erwarten
wir eine deutliche Verbesserung. So
sind zum Beispiel die Beschaffungen von
zusätzlichen geschützten und gehärteten
Patiententransportmitteln bereits in der
konkreten Planung. In den Militärkrankenanstalten
werden laufend Verbesserungen
durchgeführt und der Neubau
der Krankenanstalt in Innsbruck ist
ebenfalls ein Meilenstein.
Wie lange wird es dauern, bis die
Maßnahmen greifen?
Natürlich können die Ziele nicht innerhalb
weniger Monate erreicht werden.
Es geht neben den Sofortmaßnahmen
daher auch um Mittelfristplanungen, die
das Bundesheer für seine Aufgaben vorbereiten
sollen, um die Ziele schrittweise
zu erreichen.
Was unterscheidet die Ausbildung
zum Militärarzt/-ärztin vom üblichen
Medizinstudium?
Alle im militärischen Gesundheitswesen
tätigen fachdienstlichen Berufsgruppen
besitzen die vollwertigen zivilen Ausbildungen.
Daher unterscheidet sich das
Studium nicht vom üblichen Medizinstudium.
Zusätzlich müssen aber natürlich
auch militärische Ausbildungen absolviert
werden. Im ärztlichen Bereich
können Spezialisierungen angeboten
werden, wie etwa tropenmedizinische
Vertiefungen oder fliegermedizinische
Ausbildungen. Im Rahmen von Auslandseinsätzen
können Erfahrungen im
internationalen Umfeld gewonnen und
die Versorgung von Patienten in einem
ungewohnten Umfeld durchgeführt
werden. Auch individuelle Wünsche für
Spezialisierungen werden zum Teil erfüllt.
Ein Anreiz sind auch die vielfältigen
Möglichkeiten, als Arzt im Ressort
eingesetzt zu werden – etwa in Stellungskommissionen,
in Militärkrankenanstalten,
beim Jagdkommando oder in
Funktionen in Stäben und der Führung.
GESPRÄCHSPARNTER Oberstarzt
Andreas Kaltenbacher: „Wir werden
unsere Ziele schrittweise erreichen.“
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 8 H E E R & M E H R
„Wir sind draußen im Gebirge
die Fühler und Augen des
Kommandanten und damit in
vielen Fällen eine wichtige
Entscheidungshilfe für ihn.“
Stabswachtmeister Marco Schmid
DER ALPIN-
ERKUNDER
Stabswachtmeister Marco Schmid ist Kommandant des Erkundungstrupps der
2. Jägerkompanie beim Hochgebirgs-Jägerbataillon 23. Er macht in dieser Funktion
alpine Wege für die Truppe begehbar und berät den Kompaniekommandanten in
alpinistischer Hinsicht. Wir haben ihn einen Tag lang bei seiner Arbeit begleitet.
Text: JÜRGEN ZACHARIAS
Fotos: SEBASTIAN FREILER
M I L I T Ä R A K T U E L L
TRUPPENBESUCH
INTERVIEW
„Das Wetter muss einem
bei uns egal sein.“
Herr Stabswachtmeister, Sie sind Kommandant
eines Erkundungstrupps. Mit welchen
Aufgabestellungen sind Sie konfrontiert?
Das ist sehr unterschiedlich. Wir beraten den
Kompaniekommandanten bei Alpinfragen,
wir machen aber auch das Gelände im Gebirge
für die Truppe begehbar. Dazu gehört die
Erstellung von Schneeprofilen und die Einschätzung
der Lawinengefährlichkeit eines
Hanges im Winter ebenso wie die Spuranlage
bei der Querung des verschneiten Gebietes.
Wir bringen bei Bedarf auch Hilfsseile für die
nachrückende Truppe an, wir errichten Ablassstellen
und machen Steilstufen begehbar.
HARTE ARBEIT Zur Überwindung einer Felswand errichten
Marco Schmid und seine Kameraden Ablassstellen, Seilbahnen
und Seilgeländer. Dazu bohren sie zuerst Löcher in den Fels
und befestigen darin Expansionshaken. Flaschenzüge (siehe
Bild ganz oben) und die Unterstützung von Kameraden am
Boden ermöglichen auch den Transport von schwerem Material.
SCHWERES GEPÄCK Die Planung, welches Gepäck mitgenommen
wird, ist bei der Einsatzvorbereitung des Erkundungstrupps
von entscheidender Bedeutung. Das Equipment sollte
einerseits der Auftragslage angepasst sein, andererseits aber
auch nicht zu schwer ausfallen, um sich im Gelände trotzdem
sicher und rasch fortbewegen zu können. „Im Zweifelsfall
bleiben das Ersatz-T-Shirt und die zweite Unterhose daher
lieber zu Hause“, sagt Stabswachtmeister Schmid und lächelt.
Mit Steilstufen meinen Sie Felswände?
Genau. Wenn es möglich ist, umgehen wir
derartige Schwierigkeiten natürlich, aber immer
geht das nicht und dann errichten wir
Seilgeländer oder auch eine Seilbahn, um die
rasche Nach-, aber auch Rückführung von
Soldaten und Material zu ermöglichen. Wir
verwandeln die Hürde Fels also in eine funktionierende
Nachschub- und Rückzugslinie.
Betreut der Erkundungstrupp dann diese
Einrichtungen auch?
Das kann in Ausnahmefällen notwendig sein.
Prinzipiell übergeben wir die Anlagen aber an
Kameraden, um weiter vorrücken und schon
wieder die nächsten Geländeabschnitte begehbar
machen und sichern zu können.
Was muss ein Soldat mitbringen, um Teil eines
Erkundungstrupps werden zu können?
Man sollte in jedem Fall gebirgsaffin sein, sich
im alpinen Gelände gut fortbewegen können
und als Kommandant im Idealfall die Ausbildung
zum Heeresbergführer absolviert haben.
Den Sommerteil habe ich bereits hinter mir,
in den kommenden Monaten absolviere ich
nun auch den Winterteil. Eine ganz wesentliche
Voraussetzung ist außerdem eine gute
Kondition, wichtig sind zudem Knoten- und
Seilkunde sowie Erfahrung und ein Blick für
das Gelände und seine Möglichkeiten. Außerdem
sollte einem das Wetter egal sein (lacht).
Wir müssen unsere Aufgaben schließlich
auch bei widrigen Bedingungen und nachts
zuverlässig autark erfüllen können. Im Worst
Case müssen wir uns innerhalb unseres Dreier-Teams
bis zu 48 Stunden selbst versorgen.
TROCKENTRAINING Wie überall im
Leben ist auch für Stabswachtmeister
Marco Schmid eine gute Vorbereitung
die beste Voraussetzung für erfolgreiche
Einsätze. Der Hochgebirgsjäger
besucht daher regelmäßig den Fitnessraum
in der Kaserne (Bilder oben),
gemeinsam mit Kameraden trainiert er
aber auch an der Kletterwand.
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 0 H E E R &
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E H R
MISSIONPOSSIBLE
OUTDOOR ÜBERLEBEN MIT DEM
JÄGERBATAILLON
Von der Überquerung eines Gewässers und der Nahrungssuche in der Wildnis
bis zur Orientierung im Gelände: Gemeinsam mit dem Jägerbataillon 25
beschreiben wir in jeder Ausgabe Outdoor-Überlebenstechniken. Dieses Mal:
der Bau einer Schneehöhle und andere Unterschlupf-Varianten im Schnee.
Text: JÜRGEN ZACHARIAS
Fotos: SEBASTIAN FREILER
D
as Wetter kann uns
Menschen extrem zusetzen.
Das gilt für die
Hitze im Sommer mit
deutlich erhöhtem Trinkwasserbedarf,
besonders aber für den Winter,
wenn die kürzeren Tage, starken
Winde, eisigen Temperaturen und
Schnee große Herausforderungen
darstellen. Einerseits erschwert diese
kühle Kombination die Nahrungssuche,
andererseits droht unser Körper
dadurch rasch auszukühlen. Um uns
trotzdem warmzuhalten, muss er
härter arbeiten und mehr Energie
verbrennen als im Sommer, was
schon kurz- bis mittelfristig an unseren
Kräften zehrt. Der beste Weg,
um diesen Substanzverlust in Grenzen
zu halten, ist warme Kleidung,
wobei das Zwiebelprinzip gilt:
Mehrere dünne Schichten isolieren
besser als eine dicke Schicht.
1
Standort suchen
2
Wichtig bei einem längeren Aufenthalt
in kalter Umgebung ist aber
auch eine wärmende und vor Wind
sowie Nässe schützende Unterkunft
für die Nacht und Ruhephasen. Dabei
gibt es gleich mehrere praktikable
„Do-it-yourself“-Lösungen. Wie
ein Schüttbiwak errichtet wird, haben
wir bereits in unserer Ausgabe
Nr. 4/2021 erklärt. Heute wollen
wir uns daher auf mehrere einfache
Unterschlupf-Möglichkeiten für den
Höhle graben
M I L I T Ä R A K T U E L L
SURVIVAL GUIDE
Notfall (siehe Seite 42) und vor allem
die Konstruktion einer Schneehöhle
konzentrieren. Dabei gilt: Der Bau
ist zwar aufwendig, die Mühen
machen sich aber spätestens dann
bezahlt, wenn allem Umgebungsfrost
zum Trotz die Temperaturen
im Innenraum in der Nacht sogar
leichte Plusgrade erreichen.
Zur Konstruktion braucht es nicht
mehr als eine Schaufel, eine Plane
(Biwaksack, Regentarp, …) und idealerweise
eine Lawinensonde sowie
jede Menge Schnee und einen passenden
Standort. Geeignet sind mit
Pappschnee bedeckte Stellen auf der
Leeseite (also der windabgewandten
Seite) von Hügeln, aber auch
Schneewehen mit fester Kruste. Um
unnötige Schinderein zu vermeiden,
empfielt es sich, in einem ersten
Schritt mit der Lawinensonde die
Schneehöhe zu überprüfen (1).
Dabei sollten zumindest zwei Meter
Platz sein, bevor man auf festen
Untergrund stößt.
Ist eine geeignete Stelle gefunden,
kann der eigentliche Bau starten (2).
Dabei graben wir zunächst mit der
Schaufel einen rund einen Meter
langen Tunnel in die Schneewehe
und weiten diesen dann schräg nach
oben hin zu einer Höhle. So entsteht
ein Kältegraben, über den später die
kalte Luft abfließen kann, während
die warme Luft im Schlafbereich
bleibt.
Nun geht es um den Innenausbau
(3): Dazu mit der Schaufel vorsichtig
Schnee von Decke und Wänden
kratzen, die Höhle kuppelförmig
auskoffern und den Schnee mithilfe
einer Plane nach draußen befördern
(4). Achtung: Nicht mehr weitergraben,
wenn Licht durch den Schnee
3
Innenausbau
4
Schnee
abtransportieren
Höhle fertigstellen
5
6
Höhle einrichten
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 2 H E E R &
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zu sehen ist. Die Wände werden ansonsten
zu dünn und es besteht die
Gefahr eines Einsturzes. Die Höhle
sollte am Ende aber trotzdem hoch
genug sein, um darin sitzen, und tief
genug, um darin liegen und die Ausrüstung
verstauen zu können (5).
Abschließend gilt es die Höhle abzusichern
und einzurichten (6). Dazu
außen die ungefähren Ränder des
Unterschlupfs mit Zweigen markieren,
um zu verhindern, das man
selbst – oder jemand anderer – unbeabsichtigt
auf die Höhle tritt und diese
möglicherweise zum Einsturz
bringt. Außerdem den Schlafplatz
mit dünnen Zweigen und Blättern
isolieren und mindestens ein Belüftungsloch
in die Decke bohren.
Reichen die Zeit und die zur Ver -
fügung stehenden Ressourcen für
eine Schneehöhle oder ein Schüttbiwak
nicht, kann alternativ auch einfach
ein „Schlafgraben“ errichtet werden.
Dazu an einem vor Witterungseinflüssen
bestmöglich geschützten
Platz mit einer Schaufel einen Graben
mit zumindest 80 Zentimetern
Tiefe und rund zwei Metern Länge
ausheben. Anschließend Äste und
Zweige über das Loch legen, mit einer
Plane überdecken und einer mindestens
30 Zentimeter dicken Schneeschicht
isolieren (7). Alternativ lässt sich auf
einer Längsseite des Grabens auch
eine Liegeplattform aus dem Schnee
arbeiten (8).
Expertentipp
„Der Bau einer Unterkunft für die
Nacht sollte mit möglichst wenig
Kraftaufwand gelingen. Man sollte
daher nicht Stunden in die Errichtung
einer Schneehöhle investieren, in der
man dann nur eine Nacht verbringt.“
Soldat des Jägerbataillons 25
Sind selbst diese Arbeiten zu aufwendig
oder lässt die Schneehöhe den
Bau einer Höhle oder eines „Schlafgrabens“
nicht zu, kann notfalls auch
auf natürliche Unterstände wie den
oft schneefreien Bereich rund um
Baumstämme unter besonders tief
hängenden Ästen ausgewichen werden
(9). Dabei den Boden ebenso wie
im „Schlafgraben“ mit Zweigen und
Blättern isolieren. Ein kleines Feuer
(idealerweise in einigen Metern Entfernung)
kann neue Kraft geben und
zur Erwärmung einer kleinen Mahlzeit
genutzt werden. Steht eine Rettungsdecke
zur Verfügung (sollte Teil
jedes Erste-Hilfe-Sets sein), lässt sich
auch damit im Worst Case ein allzu
rasches Abkühlen des Körpers verhindern.
Dazu an einer wind- und
nässegeschützten Stelle in die Decke
wickeln – eine Plane verspricht zusätzlichen
Schutz vor Witterungseinflüssen.
9
10
7
8
M I L I T Ä R A K T U E L L
ADVERTORIAL
DIE NÄCHSTE
JET-TRAINER
GENERATION
er L-39NG des tschechischen
Herstellers
D
Aero Vodochody war
im September eines
der Highlights der
AirPower in Zeltweg.
Erstmals konnte der moderne Jet-Trainer
in Österreich aus der Nähe bestaunt
werden und Aero nutzte die Gelegenheit,
um mit Industriepartnern sowie
potenziellen Kunden ins Gespräch zu
kommen und neue Geschäfte anzubahnen.
So wurde beispielsweise mit dem
österreichischen Hersteller Airborne
Technologies ein „Memorandum of
Understanding“ zur gemeinsamen Entwicklung
und Integration von Aufklärungssystemen
(Pod) in den L-39NG
unterzeichnet.
Der moderne Jet-Trainer ähnelt optisch
seinem legendären Vorgänger, dem L-39
Albatros, der weltweit tausendfach verkauft
wurde und noch immer bei zahlreichen
Armeen im Einsatz ist. Inhaltlich
ist das Modell aber eine hundertprozentige
Neuentwicklung und deckt
alle Anforderungen ab, die Streitkräfte
von einem modernen Trainer verlangen.
Darüber hinaus kann die waffenfähige
Version des L-39NG sogar als leichtes
Kampfflugzeug eingesetzt werden und
vielfältige Luftunterstützungs- und Aufklärungs-Missionen
übernehmen.
Aus Sicht von Aero Vodochody könnte
der L-39NG daher auch für das Bundesheer
eine interessante Option darstellen.
Durch den Betrieb würden sich
nicht nur enorme Kostenvorteile im
Vergleich zur Ausbildung von Kampfpiloten
im Ausland ergeben, das Bundesheer
würde damit auch seine Einsatzfähigkeit
erhalten. Dank einer Zusammenarbeit
mit der Agentur für zwischenstaatliche
Zusammenarbeit
(AMOS) des tschechischen Verteidigungsministerims
wäre sogar eine Beschaffung
auf Länderebene (Government-to-Government)
möglich. Ein
Deal würde sich in Form langfristiger
Industriekooperationen für Österreich
auch wirtschaftlich lohnen. So könnten
heimische Unternehmen an der Fertigung,
Wartung und Servicierung der
Trainingsplattform partizipieren und
von der enormen Erfahrung des tschechischen
Unternehmens profitieren.
Aero Vodochody ist seit mehr als 100
Jahren erfolgreich auf die Entwicklung
und Fertigung von zivilen und militärischen
Flugzeugen sowie Bauteilen
spezialisiert und arbeitet auch aktuell
in unterschiedlichen Projekten mit den
renommiertesten Flugzeugbauern der
Welt zusammen. Zeit seines Bestehens
haben mehr als 11.000 Flugzeuge die
Moderne Plattform. Der L-39NG verfügt
über alle notwendigen internationalen
Zulassungen und erfreut sich weltweit großen
Interesses bei Luftwaffen.
Produktionshallen von Aero verlassen
und dank dem L-39NG dürfte diese
Zahl schon bald weiter steigen. Erste
Maschinen sind jedenfalls bereits in der
Auslieferung und nachdem sich Ungarn
bereits zu Jahresanfang für zwölf
L-39NG entschieden hat, wurde kürzlich
auch mit dem tschechischen Verteidigungsministerium
die Lieferung
von vier Maschinen vereinbart. „Das
Interesse und positive Feedback heimischer
Nutzer ist eine wichtige Referenz
für uns“, so Aero-Präsident Viktor Sotona.
„Wir sehen den Vertrag als weitere
Bestätigung der hohen Qualität und
Praxistauglichkeit unserer Maschinen.“
Fotos: Aero Vodochody
Vertragsabschluss.
Kürzlich fixierten
Vertreter von Aero
und des tschechischen
Verteidigungsministeriums
den Kauf von
vier L-39NG für die
tschechische Luftwaffe.
Schon zu Jahresanfang
hat Ungarn zwölf Maschinen
bestellt, die ab 2024
geliefert werden.
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 4 H E E R &
M
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Teil 3
der neuen Militär
Aktuell-Serie zur
Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule
TECHNIKER
SCHMIEDE
Die Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule am Fliegerhorst Brumowski
bildet nicht nur die Piloten und Fliegerabwehrkräfte des Bundesheeres aus – sondern
auch die Militärluftfahrzeugtechniker. Text: GEORG MADER
eder, der schon einmal
J
einen Blick unter die
Haube eines Hubschraubers
oder Flugzeugs
werfen durfte, weiß: Mit
der Übersicht ist es da
schnell vorbei. Scheinbar
wirr laufen Kabelstränge von hier nach
da, bauen größere und kleinere Komponenten
aufeinander auf, sorgen Ventile,
Schalthebel und Relais für Unübersichtlichkeit.
Luftfahrzeugtechniker müssen
natürlich trotz des vermeintlichen
Durcheinanders stets den Durchblick
bewahren. Sie warten, kontrollieren und
reparieren die Maschinen schließlich,
sie sind für deren Betriebssicherheit und
Funktionstüchtigkeit verantwortlich.
Dazu gehören Routinekontrollen ebenso
wie Instandhaltungsarbeiten. Sie führen
Wartungsjournale, halten Arbeitsschritte
penibel in Protokollen fest.
Was genau sie im Fall der Fälle zu tun
haben, welche Arbeitsschritte anstehen
und wie sie diese am besten bewerkstelligen,
lernen die angehenden Militärluftfahrzeugtechniker
des Bundesheeres bei
der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule
in Langenlebarn. Am dortigen
Institut Militärluftfahrttechnik werden
für die Angehörigen der militärluftfahrttechnischen
und -logistischen Dienste
(MLLD) aber auch alle für Wartung und
Betrieb von Militärluftfahrzeugen erforderlichen
Folgeausbildungen angeboten,
wie Institutsleiter Oberst Erich
Winklbauer betont.
Im Gespräch mit Militär Aktuell bezeichnet
er sein Institut und dessen
Fachbereiche als „klein, aber fein“. Das
Angebot reiche weit über die klassische
Flugzeugwart- und Mechanikerausbildung
hinaus. Dazu zähle etwa auch eine
Schulung auf dem heeresintern entwickelten,
waffengattungsübergreifenden
elektronischen Logistik-Infosystem (LO-
GIS) für die gesamten Luftstreitkräfte.
Eine Ausnahme bilde dabei nur die Luftraumüberwachung,
also alles was die
Logistik am Eurofighter betrifft. Aber
auch dabei sei man unterstützend aktiv,
so Winklbauer.
Mit der strukturierten Ausbildung des
luftfahrttechnischen Personals wurde
hierzulande 1958 mit der Aufstellung
der Fliegertechnischen Schule begonnen.
Schon damals wurde dabei in einen
theoretischen und typenspezifischen
Ausbildungsabschnitt gesplittet. Aktuell
stellt die Ausbildung eine Kombination
aus einer typenunabhängigen Basisfachausbildung
am Institut Militärluftfahrttechnik
sowie einer Typenschulung
und einer praktischen Ausbildung am
FOTOS: GEORG MADER, BUNDESHEER/GORUP, BUNDESHEER
M I L I T Ä R A K T U E L L
TRUPPENBESUCH
Arbeitsplatz bei der für den jeweiligen
Flugzeugtyp zuständigen Fliegerwerft
(= Typenwerft) dar und wird für alle Befähigungsebenen
getrennt durchgeführt.
Mit der Einführung neuerer, moderner
und technologisch komplexer Luftfahrzeugsysteme
mussten im Lauf der Jahre
die Inhalte immer wieder an die technische
Entwicklung angepasst werden.
Reichte es nach der Wiedererlangung
der Lufthoheit in den 1950er-Jahren,
über eine technische Berufsausbildung
oder praktische Erfahrung aus dem
Zweiten Weltkrieg zu verfügen, muss
heute eine abgeschlossene Berufsausbildung
(Fachschule/HTL) in den Fachbereichen
Elektrotechnik, Elektronik, Kfz-
Technik, IKT-Technologie, Metalltechnik
oder Mechatronik nachgewiesen
werden. Es gibt über die Heereslogistik-
Schule allerdings die Möglichkeit, die
Lehrberufe Metalltechnik, Kfz-Technik,
Elektronik und Elektrotechnik „nachzuholen“.
Zudem lässt sich die Vorbildung
auch auf der am Fliegerhorst Brumowski
dislozierten Bundesfachschule für Flugtechnik
erledigen. Ein weiterer Vorteil
dieser gleich neben der Fliegerwerft-1
liegenden Einrichtung ist, dass zusätzlich
zum Lehrabschluss den Absolventen
auch Praxiszeiten im Rahmen der Ausbildung
zum Militär-Luftfahrttechniker
angerechnet werden können.
Das Hauptaugenmerk der Technikerausbildungen
für die klassischen Kategorien
„Hubschrauber“, „Fläche mit Propeller“
und „Fläche mit Jet“ (in Hinkunft auch
vermehrt „unbemannt“) gilt dem Bereich
Triebwerke. Ein eher unbekannter Aufgabenbereich
betrifft die Hightech-Fallschirme
des Jagdkommandos. Dazu soll
alsbald auch jenes Personal ausgebildet
werden, welches in den Werften und auf
den Fliegerhorsten für Erhaltung und
Funktion der sogenannten Flugsicherungstechnikanlagen
zuständig ist, bis
hin zur Barriere-Fanganlage der Piste
Zeltweg. Dafür werden aktuell die aus -
bildungstechnischen Voraussetzungen
geschaffen.
In Summe sind am Institut elf hauptamtliche
Lehroffiziere tätig, wobei der Kommandant
ebenfalls Hauptlehroffizier ist.
Der Ausbildungsbetrieb ist in zwei Lehrgruppen
(LG) organisiert, in LG1 sind
die mechanischen Bereiche zusammengefasst,
in LG2 geht es um die auf das
Luftfahrzeug bezogenen Bereiche Elektronik,
Avionik sowie Bewaffnung. Dabei
sitzt in den Lehrsälen Militärpersonal
neben Zivilbediensteten. Für die Uniformierten
ist das Teil der sogenannten
Dienstrechtsausbildung, um einen Unteroffiziers-Arbeitsplatz
zu erlangen. Im
Offiziersbereich kommen die Fähnriche
im sechsten Semester der Militärakademie
in der Regel von Mitte Jänner bis
Mitte September zum MLLD, künftige
Truppenoffiziere als Techniker der Luftstreitkräfte.
„Wir geben ihnen alles mit,
was sie als künftige leitende Luftfahrttechniker
benötigen“, sagt Oberst
Winklbauer.
Umfassende Ausbildung:
In 10 Jahren zum leitenden Militär-Luftfahrttechniker
Gewerblicher Meister
oder Werkmeister
10 Jahre
5 Jahre
2 Jahre
Leitender Militär-
Luftfahrttechniker
Militär-
Luftfahrtmeister
Militär-Luftfahrwart
I. Klasse
Militär-
Luftfahrtwart
Militär-Luftfahrttechnischer
Assistent
GROSSE BANDBREITE So sieht der OH-58B Kiowa
ohne Rotor und Getriebe aus. Darunter Schüler der
Bundesfachschule und militärische Schulungsteilnehmer
beim „Waffenhandling“ am dafür immer noch
nützlichen MLLD-Lehrobjekt Draken Nummer 10.
Eine Ausbildungsschiene konzentriert
sich auch auf den Lufttransportbereich.
Dabei geht es inhaltlich um alle Fähigkeiten,
die notwendig sind, um Fracht flugsicher
an Bord von militärischen sowie
zivilen Maschinen zu verstauen. „Und
das nicht nur in unseren Maschinen“,
sagt Winkelbauer. „Wir befähigen unsere
Leute auch im Umgang mit allen Typen
und mit dem notwendigen ,Papierkram‘
im Ausland.“ Dazu gehört auch der neue
IATA-Bereich Gefahrengut-Transport/
Luft am Lufttransport-Umschlagpunkt
in Hörsching. Letzterer ist übrigens erst
mit der Beschaffung der C-130K entstanden,
die Erfahrungen sollen nun auch
beim geplanten Hercules-Nachfolger
einfließen
Apropos Hercules-Nachfolge: Auch beim
Zulauf neuen Fluggeräts hat das Institut
seine Finger im Spiel, wie Winklbauer
betont. Natürlich entscheide man dabei
nicht die Typenwahl, sehr wohl kümmere
man sich aber um die Festlegung und
die Qualifikationen des benötigten Fachpersonals,
um Folgeausbildungen, die
Adaptierung der Organisationspläne
bis zur Freigabe des Wartungsplanes.
Winklbauer abschließend: „Unter dem
Strich decken wir damit ein sehr großes
Aufgabenspektrum ab.“
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 6
S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T
STRAHLEN-
SCHUTZ
Kriegsschiffe sind stark und mächtig, sie sind aber auch angreifbar. Mit Sprengstoff beladene Kleinstboote oder Drohnen können im
Fall der Fälle selbst modernsten Zerstörern und Fregatten gefährlich werden. Um sich vor diesen Gefahren zu schützen, begann die
US Navy vor einigen Jahren mit der Erprobung von Hochenergie-Laserwaffen. Erste Erfahrungen wurden mit dem System Adam an
Bord des Zerstörers „USS Ponce“ gesammelt, im Sommer wurde nun die 60 Kilowatt-Laserwaffe Helios auf der „USS Preble“ installiert.
Längst experimentieren auch Russland und China mit derartigen Systemen und nun begann auch die deutsche Marine mit Tests:
Die Fregatte „Sachsen“ (Bild) bekämpfte mit einem von Rheinmetall und MBDA mitschiffs aufgebauten System erfolgreich Drohnen
im Nah- und Nächstbereich. Bis Mitte 2023 soll sich der Demonstrator auch in komplexeren Szenarios beweisen. MBDA ist dabei für
das Tracking, die Bedienkonsole und Anbindung des Laserwaffendemonstrators an das Führungssystem zuständig, Rheinmetall
für die Waffenstation, das Strahlführungssystem sowie Kühlung und Integration des Demonstrators in dessen Projektcontainer.
IM FOKUS
DER KONZERN
IM ÜBERBLICK
Gründung
April 2005
Mitarbeiter
400
Produkte
Rad-Transportpanzer
Rosomak-WD in verschiedenen
Versionen,
Simulatoren, …
ROSOMAK S.A.
Das oberschlesische Rüstungsunternehmen fertigt auf Grundlage einer Lizenz der finnischen Patria-AMV seit 2002
eine expandierende Familie von 8x8 Rad-Gefechtsfahrzeugen in der Größenordnung des Pandur II von GDELS und
des Piranha IIIC von Mowag. Seitdem wurden bereits mehr als 900 Fahrzeuge in 13 Versionen an die polnischen
Streitkräfte geliefert. Das von einem 490 PS starken Scania Turbodiesel angetriebene 23,5-Tonnen schwere Grundmuster
KTO Rosomak-WD (Kołowy Transporter Opancerzony
= Rad-Transportpanzer) verfügt über einen modularen
Panzerschutz mit einer dem STANAG 4569 Stufe 4 entsprechenden
Grundausstattung. Diesen Juni wurden für
das Fahrzeug 70 ferngesteuerte Geschütztürme des Typs
ZSSW-30 mit einer PAL Spike-LR beauftragt, im Endausbau
soll das System auf mehr als 300 polnischen Rosomak-
Panzern installiert werden. Zudem wurde kürzlich ein
MLU-Update für die erste Serie vorgeschlagen, unter
anderem mit einem 550-PS-Motor und mehr Tankinhalt.
FOTOS: BUNDESWEHR, ROSOMAK S.A., GEORG MADER, OGMA
M I L I T Ä R A K T U E L L
NEWS AUS DER SICHERHEITSBRANCHE
„WIR HOFFEN AUF LANGE BEZIEHUNGEN MIT ÖSTERREICH“
JOÃO JOSÉ SANTOS
ist Leiter Institutional
Affairs bei OGMA.
In dem zur Embraer-Gruppe gehörenden Luftfahrt-Überholungsbetrieb
OGMA in Portugal durchlief unsere C-130
Hercules 8T CC kürzlich ihre Grundüberholung. Welche Bereiche
das Unternehmen noch abdeckt und mit welchen
Kosten bei einem sogenannten „C-Check“ zu rechnen ist?
Ein Gespräch vor Ort mit OGMA-Manager João José Santos .
Herr Santos, Österreich wurde erst kürzlich auf ihren Betrieb
aufmerksam, aber seit wann gibt es OGMA eigentlich?
Der Standort wurde 1918 als „Luftfahrtpark“ gegründet.
Ab 1923 wurden hier – anfänglich französische – Caudron-,
Potez- und Morane-Flugzeuge gebaut, im Zweiten Weltkrieg
liefen Gladiator-Jäger vom Band und bis 1955 wurden Motoren
an Ju-52 gewechselt. Danach begannen Arbeiten an
heute legendären Jets unserer Luftwaffe wie T-33A, F-84F,
F-86F, Fiat G91, T-37 und ab 1964 F-104 Starfighter. Beginnend
mit 1970 folgten dann US-Wartungsverträge für F-4B/J, A-7
und mit 1982 auch für die C-130 Hercules. Seit 1986 überholen
wir auch deren T56-Triebwerke und seit 2001 sind
wir lizenzierter Partner für F-16-MLU/Upgrades.
OGMA ist aber kein Staatsbetrieb des Militärs mehr, oder?
Nein, das waren wir bis 2005. Dann wurden wir privatisiert.
Dabei verblieben 35 Prozent in Staatsbesitz, den Rest erwarb
SGPS, ein Konsortium von Embraer und EADS. Später
übernahmen die Brasilianer die 65 Prozent dann alleine.
Wie hat sich OGMA anschließend weiterentwickelt?
Es ging aufwärts – und das sowohl im Arbeitsumfeld mit
neuen, helleren Hangars als auch auf Kundenseite. Da kamen
Neuteilefertigungen hinzu, beispielsweise für den EH-101-Hubschrauber
und die Airbus C-295. Seit 2014 fertigen wir auch fünf
Bauteile für den KC-390-Transporter, wir bauen beispielsweise
den ganzen Boden. Zudem werden die fünf „390er“ für Portugal
bei uns NATO-ausgerüstet, kürzlich kam die erste Maschine an.
Welche Arbeiten stehen bei den vielen C-130-Maschinen an?
Wir können fast alles abdecken – von Überholungen und Reparaturen
bis hin zur Aufrüstung der Maschinen und deren mechanischer,
elektrischer und Avionik-Komponenten. Was wir dann
im Detail abdecken, ist von Kunde zu Kunde unterschiedlich.
Für Österreich übernehmen wir im Rahmen der sogenannten
„C-Checks“ beispielsweise die Grundüberholung der Maschinen
inklusive Propellerwartung, nicht aber die Triebwerkswartung.
Wie lange dauern derartige Arbeiten und was kosten sie?
Normalerweise sind dafür sechs bis 18 Monate zu veranschlagen,
wobei die erste Maschine der Österreicher „nur“ von März
bis November bei uns war. Die Kosten hängen stark von der
Dauer ab, aber auch von den gewünschten Arbeiten und liegen
im Regelfall bei knapp einer Million Euro bis hin zu vier Millionen
Euro pro Maschine. Wobei es auch da teurer werden kann,
wenn wir besonders angeschlagene Maschinen irgendwo zuerst
flugtüchtig machen und zu uns ins Werk fliegen müssen.
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0 4 8 L U F T V
E
R T E I D I
DER
EUROFIGHTER
IN DER NÄCHSTEN
ENTWICKLUNGSSTUFE
Der Eurofighter wird noch lange das Rückgrat der europäischen Luftverteidigung
bleiben, sagt der CEO der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH, Carlo Mancusi.
G
U N G
arlo Mancusi erklärt,
C
dass der Eurofighter
mit dem kürzlich auf
der ILA in Berlin
unterzeichneten
neuen Halcón-Vertrag
mit Spanien über weitere 20 neue
Eurofighter und dem in der Entwicklung
befindlichen weiterentwickelten
Eurofighter Typhoon auf Jahrzehnte
hinaus ein Eckpfeiler der europäischen
Verteidigung sein wird.
„Wir haben ein starkes Programm mit
einer glänzenden Zukunft und wir
haben bereits eine Reihe von Entwicklungen
auf den Weg gebracht, die das
Waffensystem an der Spitze der europäischen
Verteidigung halten werden“,
sagt Mancusi.
CARLO MANCUSI
CEO Eurofighter Jagdflugzeug GmbH
„Die Unterzeichnung des Halcón-Auftrags
ist in vielerlei Hinsicht eine gute
Nachricht, vor allem weil sie das anhaltende
Engagement eines der vier wichtigsten
Partnerländer für die Zukunft
des Eurofighter Typhoon signalisiert.“
Der Auftrag unterstreicht auch die derzeitige
und künftige Stärke des Programms,
die sicherstellt, dass der Eurofighter
noch viele Jahre lang das Rückgrat
der europäischen Luftverteidigung
bilden wird, und stellt eine willkommene
Unterstützung für die europäische
Luft- und Raumfahrtindustrie dar.
10-JAHRES-VISION
Zur gleichen Zeit, als Halcón vereinbart
wurde, wurden auch unter den
wichtigsten Eurofighter Partnern die
strategischen Schlüsselelemente eines
10-Jahres-Plans für die Eurofighter-
Entwicklung erörtert, wobei die ersten
fünf Jahre des Programms vereinbart
wurden und bereits unter Vertrag sind.
Carlo Mancusi sagt, dass sich mit diesem
Plan einerseits auch zwei wichtige
Arbeitsprogramme herauskristallisieren
werden. Erstens wird der nächste
Vertrag zur Verbesserung des Waffensystems,
bekannt als P4E, neben vielen
anderen zusätzlichen Fähigkeiten
auch voll integrierte und einsatzfähige
E-Scan-Radare umfassen. Das zweite
wichtige Arbeitsprogramm beinhaltet
die Eurofighter Long Term Evolution
(LTE)-Studie, welche die zukünftige
Entwicklung des Waffensystems stützt.
„Unser 10-Jahres-Plan sichert die Entwicklungsaktivitäten
– die ersten fünf
Jahre sind bereits vertraglich
geregelt, und wir arbeiten
hart daran, diese für die nächsten
fünf Jahre zu verlängern. Das ist
wichtig, denn das Flugzeug wird in der
Lage sein, die sich ständig weiterentwickelnden
operationellen Anforderungen
für viele Jahrzehnte zu erfüllen.“
Er fügt hinzu, dass die LTE-Reifungsphase
zwischen 2023 und 2025 stattfinden
soll und praktisch demonstrieren
wird, welche Technologien in einem
„LTE-Eurofighter“ eingesetzt werden
können.
Carlo Mancusi, der im Jänner
dieses Jahres zum CEO
der Eurofighter Jagdflugzeug
GmbH ernannt wurde,
sagt: „Es geht darum, die bestehende
Plattform Schritt für Schritt
zu verbessern und dadurch den Weg
für die Zukunft zu ebnen und zur
Reifung der Technologien beizutragen.
Wie radikal und ehrgeizig die Nationen
hierbei sind und was praktisch möglich
ist, muss noch ausgearbeitet werden.“
STARKE LEISTUNG
Nach der Meinung von Mancusi
hat das Programm in den letzten
zwei Jahren gute Resultate erzielt, weil
eine Reihe von wichtigen Verträgen,
darunter Quadriga und Halcón,
abgeschlossen werden konnten.
Im Rahmen des Halcón-Vertrags erhält
Spanien 16 einsitzige und vier zweisitzige
Kampfflugzeuge, die mit elektronischem
Radar (E-Scan) ausgestattet sind
und einen Teil der alten F-18-Flotte
Fotos: Eurofighter Jagdflugzeug GmbH
M I L I T Ä R A K T U E L L
ADVERTORIAL
ersetzen werden. Damit wird die
spanische Eurofighter-Flotte auf
90 Flugzeuge anwachsen.
Mit der Aussicht auf weitere Aufträge
sagt Mancusi: „Ungeachtet des Erfolgs,
den wir mit den Verträgen mit Katar,
Kuwait und der deutschen Quadriga
haben, sind wir auf der Suche nach
weiteren Kontrakten, um unsere
Produktionslinien auszulasten. Wir
bemühen uns sowohl bei unseren
Stammkunden als auch auf dem
Exportmarkt um zusätzliche Aufträge
und es gibt positive Signale auf dem
Markt. Es gibt ein wachsendes Interesse
an ausgereiften und leistungsstarken
Flugzeugen, die mit anderen Plattformen
betrieben werden können, um den
Nationen die bestmöglichen Synergien
zu bieten. Wir müssen diese Chancen
nun in Verträge umwandeln.“
STRAHLENDE ZUKUNFT
Carlo Mancusi, der von Anfang an
am Eurofighter-Programm mitgewirkt
hat, sagt, er sei stolz auf das Erreichte
und sehe optimistisch in die Zukunft.
„Das Programm bringt unterschiedliche
Fähigkeiten, Kulturen und
Anforderungen zusammen“, sagt er.
Zuwachs. Die Eurofighter-Flotte wächst.
Dafür sorgt der kürzlich abgeschlossene
Halcón-Vertrag mit Spanien.
„Wir haben eine wirklich kooperative
Arbeitsweise entwickelt und ein
wertvolles Erbe aufgebaut. Wir haben
uns daran gewöhnt, in einem innova -
tiven Umfeld zusammenzuarbeiten,
mit Teams und Unternehmen, die
gemeinsam herausragende Ergebnisse
erzielen.
Der Eurofighter Typhoon ist einer der
Eckpfeiler und das Programm ist das
Rückgrat der europäischen Verteidigung.
Was wir tun, ist komplex, sowohl
was das Waffensystem als auch
das Programm angeht, aber wir haben
das Know-how.“
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 0 S C H L U S S P U N K T
UKRAINE: OHNE WESTEN
WÜRDE DER KRIEG ANDERS VERLAUFEN
Während die Sanktionen Russlands Wirtschaft täglich mehr schädigen, verhelfen die westlichen Waffenlieferungen
der Ukraine zu erstaunlichen Erfolgen. So ist der unlängst erfolgte Abzug russischer
Truppen aus Cherson in hohem Maße auf den wochenlangen, präzisen Beschuss ihrer Kommandound
Versorgungseinrichtungen, der Bewegungslinien sowie der Zerstörung von Brücken über den
Dnjepr zurückzuführen. Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.
Schon bald nach dem Angriff Russlands
am 24. Februar hatte Ukraines
Präsident Wolodymyr Selenskij
den Westen eindringlich um die Lieferung
von Panzern, Flugzeugen und Artilleriegeschützen
ersucht. Nachdem die
Ukraine in den ersten Kriegstagen nicht
– wie von Moskau erhofft – schnell
überrannt und in die Knie gezwungen
werden konnte, wurden diese Rufe auch
erhört. Der Wunsch nach Einrichtung einer
Flugverbotszone blieb allerdings –
wie zu erwarten – unerfüllt. In den USA
und in Europa überlegte man daher fieberhaft,
wie Kiew am besten zu helfen
sei. Im militärischen Bereich lässt sich
die Unterstützung grob in drei Sektoren
gliedern: erstens die Bereitstellung von
Informationen zur Erstellung eines aktuellen
Lagebildes, zweitens die Unterstützung
bei der Planung, Organisation
und Führung der Verteidigung (Command,
Control, Communicate) sowie
drittens die Lieferung militärischer Ausrüstung
– vom Helm bis zum Kampfflugzeug.
Eine direkte Beteiligung an den
Kampfhandlungen war von vornherein
ausgeschlossen.
Es gibt eine lange Liste mit den wichtigsten
Unterstützern und deren Beiträgen.
Sie ist öffentlich, wodurch einerseits ein
gewisser Druck auf die einzelnen Staaten
entsteht und andererseits Russland
die starke Abwehrfront signalisiert wird.
Die USA stehen an der Spitze, sie haben
bisher Waffen und Ausrüstung im Wert
von 18,1 Milliarden Euro geliefert oder
versprochen. Bis Oktober erhielt die
Ukraine insgesamt knapp 92 Milliarden
Euro an Hilfszusagen – davon 40,3 Milliarden
Euro für militärische Zwecke wie
Waffen, Beratung, Training oder Munition.
Es sind vor allem moderne, weitreichende
Artilleriesysteme und Panzerfahrzeuge,
die das Kriegsgeschehen
maßgeblich beeinflussen und Russlands
Pläne empfindlich durchkreuzen. Als
Nebeneffekt führen die umfangreichen
Waffenlieferungen in Europa zu einer
„Typenbereinigung“ und Standardisierung.
So fließen Waffen und Munition
„Jede Ausweitung oder
Reduktion militärischer
Hilfe hätte maßgebliche
Auswirkungen auf den
Ausgang des Krieges.“
aus sowjetischer Erzeugung in die Ukraine.
Sie können dort unverzüglich eingesetzt
werden, da die ukrainische Armee
damit vertraut ist. Im Gegenzug füllen
die Länder ihre Bestände mit neuem,
westlichem Gerät auf, was eine Modernisierung
ihrer Arsenale bewirkt.
Es liegt auf der Hand, dass der Krieg in
der Ukraine ohne westliche Unterstützung
und Waffenlieferungen einen anderen
Verlauf genommen hätte. Vermutlich
würden die russischen Truppen am
Dnjepr stehen und hätten Odessa eingenommen.
Die Widerstandskraft des
ukrainischen Militärs wäre höchstwahrscheinlich
aufgrund der Verluste an
Personal und an Material erheblich
geschrumpft, während Wladimir Putins
Truppen nicht diese immensen Verluste
erlitten hätten. Moskau blieb die verheerende
Wirkung der Unterstützung
natürlich nicht verborgen. Der Kreml
bezichtigt deshalb die Lieferländer der
direkten Einmischung in den Krieg, setzt
aber selbst Drohnen aus dem Iran ein.
Westliche Lieferungen werden deshalb
sicher nicht gestoppt werden. Allen Seiten
ist aber klar, dass jede Ausweitung
oder Reduktion militärischer Hilfe maßgebliche
Auswirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit
der Ukraine hätte.
Brigadier a. D. Walter Feichtinger ist
Präsident des Center for Strategic
Analysis (CSA).
FOTOS: BUNDESHEER/MINICH, PICTUREDESK
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VON MORGEN.
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