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Militaer_4_2022

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WELTGESCHEHEN

Aktuelle Konflikte,

Krisen und

Analysen — S. 8

TRUPPENBESUCH

Bei der Führungsunterstützungsschule

zu Gast — S. 20

militär

MISSION POSSIBLE

In der Wildnis

überleben mit dem

Jägerbataillon 25 — S. 40

DAS NEUE

ÖSTERREICHISCHE

MILITÄRMAGAZIN

AUSGABE 4|22

EURO 5,80

AKTUELL

VERTEIDIGUNGSMINISTERIN

KLAUDIA TANNER:

„Wir verdoppeln das

Heeresbudget in den

nächsten vier Jahren!“ — S. 24

Im großen Doppelinterview:

Ressortchefin Klaudia Tanner

und Generalstabschef

Rudolf Striedinger über

Beschaffungen, den

europäischen Schutzschirm

Sky Shield und die Lehren

aus dem Ukraine-Krieg.

ÖSTERREICH RÜSTET AUF

Zeitenwende

beim Bundesheer


Strength through capability, commitment and collaboration.

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E D I T O R I A L

0 0 3

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER

enn der wöchentliche Familieneinkauf

W

ansteht, ist die Einkaufsliste meist lang.

Da stehen Grundnahrungsmittel wie

Brot, Butter, Eier und Milch drauf. Zutaten

für die Kochvorhaben der nächsten

Tage. Natürlich Obst und Gemüse.

Fleisch, Käse, Süßigkeiten. Manches Mal sogar ein wenig

Luxus: Frisch aufgeschnittener Prosciutto, Räucherlachs, Kapern,

Wein, Pistazien oder in Olivenöl eingelegte Antipasti.

Wenn das Bundesheer in den vergangenen Jahren shoppen

ging, dann fand sich auf den Einkaufszetteln hingegen meist

nur das Notwendigste. Mal ging es um Pandur-Radpanzer.

Ein anderes Mal um Transportfahrzeuge, ein paar Hägglunds

oder neue Helme. Überfordert waren die für den Einkauf

verantwortlichen Dienststellen mit den konkreten Vorhaben

jedenfalls selten.

Das dürfte sich nun ändern, denn mit der vor einigen Wochen

präsentierten Budgetaufstockung für die kommenden

Jahre kann das Heer in Zukunft vergleichsweise aus dem Vollen

schöpfen. Plötzlich steht Geld für Nachtsichtgeräte und

eine moderne Ausrüstung der rot-weiß-roten Soldatinnen

und Soldaten zur Verfügung. Es sollen weitere Pandur, Dingo

und Husar beschafft werden. Geschützte und ungeschützte

Fahrzeuge. Die Cyberabwehr wird aufgestockt, die Drohnenund

Luftabwehr von Grund auf neu konzipiert. Es kommen

weitere neue Hubschrauber, die Eurofighter-Flotte wird

modernisiert und sogar neue Panzer und ein später Ersatz

für die 2020 abgestellten Saab-105Ö-Trainingsjets sind

denkbar, wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und

Generalstabschef Rudolf Striedinger im Militär Aktuell-

Doppelinterview (ab Seite 24) erklären: „Wir können nun

viele Investitionen tätigen, die jahrelang auf der Strecke

geblieben sind“, betont die Ressortchefin. „Das Bundesheer

soll damit als moderne Armee in Zukunft so gut ausgestattet

sein, dass es den Szenarien und Bedrohungen des 21. Jahrhunderts

effektiv begegnen und seine Aufgaben zum Schutz

und zur Sicherheit der Bevölkerung erfüllen kann.“

Das klingt ambitioniert und ist es auch. Im Unterschied zu

vielen Versprechungen der vergangenen Jahrzehnte ist die

geplante Aufrüstung dieses Mal aber mit konkreten Budgetzahlen

hinterlegt – und das sogar langfristig und über den

üblichen Planungshorizont der nächsten ein bis zwei Jahre

hinaus. Es scheint so, als wäre es der Regierung mit der

Modernisierung des Bundesheeres nun also tatsächlich

ernst. Denn angesichts der seit dem 24. Februar veränderten

Sicherheitslage in Europa wäre alles andere unseren Soldatinnen

und Soldaten gegenüber auch nicht argumentierbar.

IMPRESSUM

COVERFOTO: BUNDESHEER/GIESSAUF

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0 0 4 I N H A L T

INHALT

038

Alpinsoldat

im Porträt: Stabswachtmeister Marco Schmid (rechts)

ist Kommandant eines Erkundungstrupps beim Jägerbataillon 23.

Gemeinsam mit seinen Kameraden sorgt er mitten im Gebirge für

eine funktionierende Nachschub- und Rückzugslinie.

024

Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif: Verteidigungsministerin

Klaudia Tanner und Generalstabschef Rudolf Striedinger

sprechen im großen Militär Aktuell-Doppelinterview

über geplante Rüstungsinvestitionen des Bundesheeres.

003 EDITORIAL, IMPRESSUM

006 MOMENTUM

Ukraine: Zehn Monate Krieg zehren

an den Nerven der Verteidiger.

008 WELTGESCHEHEN

Aktuelle Kurzmeldungen

aus aller Welt.

010 PROTESTE IM IRAN

Seit Wochen wird im Land für

Frauenrechte demonstriert – und

gegen das herrschende Regime.

014 BLACKOUT-BOMBE

Die unterschätzte Gefahr elektromagnetischer

Impulswaffen.

016 NATO-HILFE FÜR SLOWAKEI

Tschechien und Polen sichern

den slowakischen Luftraum.

018 NEUES AUS DEM HEER

Aktuelle Kurzmeldungen aus

dem Bundesheer.

020 LOKALAUGENSCHEIN

Militär Aktuell zu Besuch bei der

Führungsunterstützungsschule.

024 DOPPEL-INTERVIEW

Verteidigungsministerin Klaudia

Tanner und Generalstabschef

Rudolf Striedinger im Gespräch.

030 NEUE LUFTTRANSPORTER

Das Bundesheer plant die

Nachfolge seiner C-130 Hercules.

037 5 FRAGEN AN

Oberstarzt Andreas Kaltenbacher

im Militär Aktuell-Talk.

038 EIN TAG MIT

Stabswachtmeister Marco

Schmid vom Jägerbataillon 23.

040 SURVIVAL GUIDE

Damit unterwegs nichts schiefgeht:

Überlebensserie mit dem

Jägerbataillon 25.

044 BLICK HINTER DIE KULISSEN

Die Militärluftfahrzeugtechniker-

Ausbildung beim Bundesheer.

046 RÜSTUNGSNEWS

Neuheiten aus der Welt der

Rüstungs- und Sicherheitstechnik.

050 SCHLUSSPUNKT

Wie Waffen aus dem Westen

den Ukraine-Krieg beeinflussen:

Ein Kommentar von Experte

Brigadier a. D. Walter Feichtinger.

FOTOS: SEBASTIAN FREILER, BUNDESHEER

M I L I T Ä R A K T U E L L


MEHRZWECKHUBSCHRAUBER

DER NÄCHSTEN

GENERATION

Der AW169M ist ein leichter bis mittlerer zweimotoriger Mehrzweckhubschrauber der jüngsten Generation,

der die strengsten aktuellen militärischen und zivilen Zulassungsanforderungen für Militär, Innere Sicherheit

und staatliche Nutzung, darunter auch von österreichischen Einrichtungen, erfüllt.

Der leistungsstarke Hubschrauber AW169M ist mit modernsten, zukunftsweisenden Ausrüstungen

und Sicherheitsmerkmalen ausgestattet und eignet sich für ein breites Spektrum an Missionen wie

Truppentransporte, Überwachung und Aufklärung, Einsätze von Spezialkräften und bewaffneten Eskorten,

Einsatzleitung und -kontrolle, medizinische Evakuierung und Evakuierung von Verletzten, Schulung, Suche

und Rettung sowie Bergung von Personen.

leonardo.com


0 0 6 P A N O R A M A

M I L I T Ä R A K T U E L L


MOMENTUM

Voll angespannt

Der deutsche (Foto-)Journalist Till

Mayer berichtet seit vielen Jahren auch

für Militär Aktuell über die Entwicklungen

und den Krieg in der Ukraine. In

seinem kürzlich erschienenen Buch

Ukraine – Europas Krieg (Erich Weiß

Verlag, 25 Euro) zeigt er in einfühlsamen

Porträts die Gesichter hinter den

Schlagzeilen. Etwa das von Elena,

die in Odessa mit fliegenden Haaren

im Tangoschritt gegen das Trauma antanzt.

Oder wie in diesem Fall den Alltag

zweier namenloser Soldaten, die

angesichts der um sie herum tobenden

Kämpfe an der Front in der Region

Saporischschja ihre Nerven mit

Zigaretten zu beruhigen versuchen.

FOTOS: TILL MAYER, ERICH WEISS VERLAG

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E

AKTUELLE STUDIE: DAS MILITÄR

ALS MEGA-KLIMASÜNDER

Es gibt viele Treiber der globalen Erwärmung – laut einer aktuellen

Studie von „Scientists for Global Responsibility“ (SGR) und

„Conflict and Environment Observatory“ (CEOBS) gehören dazu

auch militärische Aktivitäten. Demnach sind alle Streitkräfte

zusammengenommen für rund 5,5 Prozent der weltweiten Emissionen

verantwortlich, wobei der tatsächliche Ausstoß sogar

noch höher liegen dürfte. Die Berechnungen

beziehen sich nämlich nur auf „Friedenszeiten“,

laufende Konflikte und Kriege

mit allen ihren Zerstörungen wurden

in der Studie ausgespart. Wäre das

globale Militär ein Land, hätte

es übrigens den viertgrößten

CO 2 -Fußabdruck der Welt –

größer als der von Russland.

Zahlreiche europäische

Staaten planen gemeinsam

den Aufbau eines neuen

Luftverteidigungssystems.

Die „European Sky Shield

Initiative“ soll Lücken im

aktuellen Schutzschirm

schließen – und stellt

auch für Österreich und

das Bundesheer eine

interessante Option dar.

„COMEBACK FÜR AMERIKA“

Also doch: Vor wenigen Wochen verkündete Donald Trump seine

Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahlen 2024 und übte

dabei – einmal mehr – scharfe Kritik am aktuellen Präsidenten

Joe Biden. Dieser schlafe „auf internationalen Konferenzen ein“

und führe „Amerika an den Rand eines Atomkrieges“. Die USA

würden „gedemütigt“ so Trump weiter. Zudem sei Biden am

Ukrainekrieg mitschuldig. Wäre er selbst noch Präsident, so

Trump, dann wäre es nie zu einer derartigen Eskalation in Osteuropa

gekommen. Anders als Biden habe er keinen Krieg begonnen

– er habe vielmehr einen beendet. In seiner Rede heftet er

sich den Sieg über die Terorrorganisation IS auf seine Fahnen.

In den vergangenen Jahren diskutierten viele

europäische Länder eine verstärkte Zusammenarbeit

auf Sicherheits- und Militärebene,

tatsächlich haben sie dann aber meist weiter

eigene Süppchen gekocht. Infolge von Russlands

Angriffskrieg in der Ukraine scheint die

Bereitschaft zur Kooperation aber deutlich gestiegen

zu sein. Auf Initiative von Deutschland

hin hat jedenfalls vor einigen Wochen mehr

als ein Dutzend EU-Staaten eine Absichtserklärung

zum Aufbau eines gemeinsamen europäischen

Luftverteidigungssystems beschlossen.

FOTOS: BUNDESWEHR/PETER MUELLER, GETTY IMAGES, BEIGESTELLT

„Russland hat den Krieg

bereits verloren.“

Der deutsche Militärökonom Marcus

Keupp hält eine Niederlage Russlands

im mittlerweile fast ein Jahr andauernden

Angriffskrieg in der Ukraine für

‘unvermeidlich. „Es gibt keine militärischen

Reserven mehr, mit denen der

Kreml den Kriegsverlauf noch ändern

kann. Ein Sieg der ukrainischen Streitkräfte

ist nur noch eine Frage der Zeit“, sagte

der Experte der Militärakademie der ETH Zürich

kürzlich in einem Interview mit Zeit Online. Laut Keupp sei die

„Spezialoperation“ schon nach der russischen Niederlage vor

Kiew Ende März zum Scheitern verurteilt gewesen. Die ursprüngliche

russische Invasionsarmee, die im Februar einmarschiert ist

und aus professionellen Soldaten bestand, sei „weitgehend aufgerieben“.

Die endgültige Niederlage erwartet Keupp für den Frühherbst

des kommenden Jahres. Voraussetzung dafür sei allerdings

ein „vollständiger Abzug aller russischen Truppen aus

der Ukraine – auch von der bereits 2014 annektierten Krim“.

Im Rahmen dieser „European Sky Shield Initiative“

(kurz ESSI) gehe es laut der deutschen

Verteidigungsministerin Christina Lambrecht

darum, „politische, finanzielle und auch technologische

Synergieeffekte zu erzielen“. Kon-

M I L I T Ä R A K T U E L L


WELTGESCHEHEN

EUROPÄISCHE

LÖSUNG

kret sollen dabei gemeinsam neue Waffensysteme

gekauft und aktuell bestehende Lücken

im europäischen Schutzschirm geschlossen

werden. Defizite gäbe es dabei aktuell vor

allem bei der Abwehr von Drohnen und

Marschflugkörpern sowie Luftangriffen im

Nahbereich, insbesondere aber auch im

Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer

Flugbahn große Höhen erreichen. Zudem

soll der Fokus verstärkt auf Bedrohungen

aus Russland ausgerichtet werden. Bis jetzt

wurde bei der Raketenabwehr in Europa

vor allem in Richtung Iran geblickt.

Für Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz

könnte die Initiative – bei Realisierung – ein

„Sicherheitsgewinn für ganz Europa“ sein.

Und das „kostengünstiger und leistungsfähiger“,

als wenn jedes Land seine eigene Luftverteidigung

aufbaue. Neben Deutschland,

Großbritannien, Belgien, Norwegen, Tschechien,

Finnland, Ungarn, Bulgarien, Estland,

Lettland, Litauen, den Niederlanden, der Slowakei,

Rumänien und Slowenien könnte Sky

Shield auch für weitere Länder interessant

sein – darunter auch Österreich. Laut Verteidigungsministerin

Klaudia Tanner (siehe auch Interview

ab Seite 24) prüfe man jedenfalls eine

Beteiligung. Die Neutralität würde laut Experten

einem potenziellen Engagement nicht

im Wege stehen. Der Moment für eine Beteiligung

scheint jedenfalls günstig, plant das Bundesheer

aktuell doch ohnehin die Beschaffung

eines neuen Mittelstrecken-Flug- und Raketenabwehrsystems.

Deutschland und die anderen „Sky-Shield-Länder“

denken vor dem Hintergrund einer möglichst

großen Interoperabilität vor allem an den

Ankauf des israelischen Systems Arrow 3 sowie

von Patriot- (Bild) und Iris-T SLM-Systemen.

Erste Ergebnisse und konkrete Umsetzungsstrategien

sollen „zeitnah“ präsentiert werden.

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E

M I L I T Ä R A K T U E L L


IRAN:

IFK-ANALYSE

MEHR ALS NUR EIN

FOTO: PICTUREDESK

S

eit Mitte September

kommt es in der Islamischen

Republik

Iran beinahe täglich

zu Unruhen. Auslöser

war der Tod der

Studentin Mahsa Jina Amini in Polizeigewahrsam.

Die Proteste gehen über

den Anlassfall hinaus, indem sie sich

nicht nur gegen die notorische Polizeibrutalität

wenden, sondern auch gegen

die systemimmanente Diskriminierung

aufgrund des Geschlechts, der

Konfession und der Volksgruppe –

Mahsa Jina Amini vereinte alle drei

Aspekte, sie war sunnitische Kurdin.

Damit sind die Proteste politischer

Natur und keine bloßen Brotunruhen,

auch wenn die durch internationale

Sanktionen und nationale Misswirtschaft

verursachte Wirtschaftskrise

die Wut der Bevölkerung stärkt.

Im Vergleich zu den großen Demonstrationen

von 2009 protestieren heute

viel weniger Menschen, weil die Schrecken

jenes Jahres eine ganze Generation

politisch mundtot gemacht haben.

Außerdem fehlen den Protesten Strategie,

Organisation und Steuerung

sowie eine klare Zielvorstellung, die

über den Sturz des Regimes hinausgeht.

Exiliranische Kreise übertreiben

also, wenn sie von einer Revolution im

Lande sprechen. Und dennoch handelt

es sich aus mehreren Gründen um

die größte Krise des Regimes seit

Jahrzehnten.

KOPF

TUCH

Seit Wochen rollt eine Welle der Gewalt durch

die Islamische Republik Iran. Ihr Auslöser: Der

Tod der Studentin Mahsa Jina Amini. Ihre Folgen

für das Mullah-Regime: Noch nicht absehbar.

Eine Analyse von IFK-Experte Walter Posch.

So fordern die Kopftuchproteste die

Ideologie und somit die Legitimation

der Machthaber auf zwei Ebenen heraus.

Erstens protestieren viele Iranerinnen

trotz systematischer Vergewaltigungen

und Morde weiter, wodurch

ein wichtiges Element der Einschüchterung

wegfällt und nutzlos wird.

Zweitens ist der Kopftuchzwang für

Islamisten zentral, weil sie ihn mit der

ideologischen Unterwerfung der Gesellschaft

unter ihre Herrschaft gleichsetzen.

Hier hat sich nun die Gesellschaft

verändert, denn selbst Islamistinnen

lehnen den Zwang zum Kopftuch

ab und sprechen sich für das

Recht der Frauen aus, selbst zu entscheiden,

wie sie zum Kopftuch stehen.

Der sicherheitspolizeiliche Preis

für die zwanghafte Aufrechterhaltung

der islamischen Bekleidungsvorschriften

übersteigt daher den ideologischen

Nutzen dieser Maßnahme bei Weitem.

Das ist vor allem deshalb der Fall, weil

die Frauen nicht alleine sind, sondern

als Gleichberichtigte für Bürgerrechte

im Iran kämpfen.

Unterstützung bekommen sie unter

anderem von sunnitischen Schriftgelehrten

aus Balutschistan und Kurdistan.

Unmittelbar nach ihrem Tod kondolierte

der sunnitische Religionsführer

aus Zahedan im Ostiran, Moulana

Abdulhamid Esmailzahi den Hinterbliebenen

Aminis. Die Sunniten aus

Balutschistan unterhalten jahrhundertelange

Beziehungen zu ihren Konfessionsgenossen

in Kurdistan, vor allem

nach Sanandaj und Saqez, der Heimatprovinz

Aminis. Abdulhamid kritisierte

dabei das Regime für seinen schikanösen

Umgang mit den iranischen

Bürgern. Nicht die Frage, wie fromm

jemand ist, sei von politischer Bedeutung,

sondern dass im Polizeigewahrsam

regelmäßig Menschen zu Tode

kommen. Irans Probleme liegen nicht

in der Religiosität der Bevölkerung,

die sowieso niemand erzwingen kann,

sondern in Misswirtschaft, Missachtung

der Menschen- und Bürgerrechte

und der brutalen Machtausübung

durch das Regime, das sich den Bedürfnissen

und Wünschen der Bevölkerung

gegenüber taub stellt. Egal ob

Sunniten, Schiiten, Christen, Juden,

Sufis, Zarathustrier oder Bahais, als

iranische Staatsbürger seien sie alle als

Gleichberechtigte zu behandeln. Die

Situation in Balutschistan verschlechterte

sich am „blutigen Freitag“, dem

30. September, als iranische Sicher-

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 2 W E L T & S T R A T E G I E

heitskräfte 50 unbewaffnete Balutschen

erschossen. Es ist einzig Abdulhamid

zu verdanken, dass der Volkszorn

nicht außer Kontrolle geriet. Da der

Sicherheitsapparat Irans ausschließlich

durch Schiiten bemannt wird, forderte

er die Aufnahme von Sunniten in die

Polizei, da diese mehr als ein Viertel

der Gesamtbevölkerung ausmachen.

Diese Forderungen werden von Sprechern

der Kurden unterstützt. Auch

hier sind es die Netzwerke der Moscheen

und Derwischorden, die neben

den spontanen Protesten Kritik an den

Herrschenden üben. Wichtige sunnitische

Schriftgelehrte und Vorbeter bei

den Kurden wie Kak Hasan Amini

oder Mamosta Loqman Amini kritisierten

von der Kanzel herab nicht nur

die Sicherheitskräfte, sondern auch

den Revolutionsführer persönlich. Sie

fordern unter anderem die Umsetzung

jener Verfassungsartikel, die den Gebrauch

der Muttersprache im Schulbetrieb

ermöglichen. Ihre Stimme wird

von den meist linken bis linksradikalen

Exilorganisationen der Kurden überlagert.

Gleichwohl ist es die klare Positionierung

der konservativen Kurden

gegen das Regime, mit der Teheran

nicht umgehen kann. Auch in den

iranischen Kurdengebieten leistet die

Bevölkerung zivilen Widerstand und

zahlt einen hohen Preis dafür, 30 Tote

allein am „blutigen Montag“, dem

21. November in Javanrud.

Das Besondere bei den Protesten besteht

nun in der landesweiten Solidarität

der Protestierenden, die klassen-,

konfessions- und volksgruppenübergreifend

ist. Säkulare Frauen in Teheran

beispielsweise unterstützen Kurden

und Balutschen, die sich mit den

Frauenprotesten solidarisieren. Für das

Regime ist die Lage deshalb so kritisch,

weil die Reformkräfte als Vermittler

zwischen den Massen und dem Regime

fehlen; sie wurden von Präsident

Ebrahim Raisi und Revolutionsführer

Ali Khamenei politisch ausgeschaltet.

Aber ohne die „moderierenden“ Reformkräfte

befindet sich das Regime in

einer Zwickmühle zwischen brutaler

Durchsetzung und politischer Niederlage.

Das trifft zunächst auf den Kopftuchzwang

zu, eine Wiedereinführung

desselben lässt sich nur mehr mit extrem

hohem Gewalteinsatz umsetzen,

FOTOS: GETTY IMAGES

M I L I T Ä R A K T U E L L


IFK-ANALYSE

GLOBALE PROTESTE

Nach dem Tod von Mahsa Jina Amani wird im Iran, aber auch in vielen anderen Ländern der Welt gegen die

Situation in der Islamischen Republik demonstriert.

obwohl es sich um kein Risiko für die

Staatsicherheit handelt. Andererseits

würde eine Aufgabe des Zwanges logischerweise

in der Abschaffung der

Sittenpolizei münden, mit deren Hilfe

der öffentliche Raum kontrolliert wird

und die als Institution treuen Regimeanhängern

Arbeit gibt. Ähnlich verhält

es sich mit der Forderung nach einer

Untersuchung der Massaker in Zahe-

dan und Javanrud: Eine faire und objektive

Prüfung durchführen zu lassen,

würde zwangsweise hohe Offiziere der

Revolutionsgarde belasten; ein Entgegenkommen

beim Unterricht in den

Volksgruppensprachen und ein Einhegen

oder gar die Abschaffung der

Basij-Milizen würden dem Regime

als Schwäche ausgelegt und zu noch

mehr Forderungen führen.

Mit jedem Tag wird die Möglichkeit,

eine auf Bürgerrechten basierende

evolutionäre Entwicklung, wie sie von

der Bevölkerung gefordert wird, unwahrscheinlicher.

Logisch scheint ein

hartes Durchgreifen gegen jede Art

von Protest, der dann zwangsläufig in

den sunnitischen Gebieten zum Glaubenskrieg

ausarten muss, ein Schicksal,

das dem Iran bisher erspart geblieben

ist. Doch aufgrund seiner Reformunfähigkeit

bleibt dem Regime wohl

keine andere Wahl. Bei ähnlichen Fällen

war der Revolutionsführer maßgeblich

am Ausgleich innerhalb der

militärischen und zivilen Machtstrukturen

beteiligt. Er wird bald 90.

Der Autor ist wissenschaftlicher

Mitarbeiter am IFK mit Forschungsschwerpunkt

Türkei, Irak, Iran sowie

islamistischer Fundamentalismus

und Terrorismus.

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0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E

DIE ETWAS ANDERE

NUKLEARE

BEDROHUNG

Seit Beginn des Ukrainekriegs baut Russland verbal und wiederholt an seiner

nuklearen Drohkulisse. Dabei geht vor allem von EMP-Waffen mit ihren disruptiven

elektromagnetischen Impulsen eine überregionale Bedrohung aus.

Text: GEORG MADER

R

usslands Präsident

Wladimir Putin

droht seit Beginn des

Ukraine-Krieges im

Februar immer wieder

mit dem Einsatz

von Atomwaffen: „Wenn die territoriale

Integrität unseres Landes bedroht

ist, werden wir natürlich alle uns zur

Verfügung stehenden Mittel einsetzen“,

so der Kremlchef erst kürzlich

wieder in einer Rede an sein Volk.

Unheilvoller Nachsatz: „Unser Land

verfügt über verschiedene Zerstörungsmittel,

die in einigen Fällen auch

moderner sind, als die der NATO-

Länder.“

Was Putin damit genau meint? Einerseits

natürlich konventionelle „große“

Atomwaffen, deren Einsatz aber sicherlich

nicht unbeantwortet bleiben

würde und damit praktisch auszuschließen

ist. Andererseits verfügt

Russland auch über „taktische Atomwaffen“

mit einem vermeintlich kleineren

Wirkungskreis und geringerer

Sprengkraft. Tatsächlich weisen die

kleinsten taktischen Atomwaffen eine

Sprengkraft von „nur“ 0,5 Kilotonnen

(kT) auf. Die größten bringen es aber

sogar auf bis zu 50 kT und fallen damit

zwei bis drei Mal so stark wie die 1945

über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen

Atombomben aus. Sie

würden daher bei einem Einsatz ein

größeres Gebiet nachhaltig auch für

eigene Truppen verseuchen und am

Schlachtfeld möglicherweise sogar

eigene Kontingente treffen. Und da

zudem ein Angriff auf die Ukraine

wohl den Widerstandswillen der

gesamten Bevölkerung stärken dürfte

und militärisch kaum Vorteile brächte,

ist ein Einsatz wohl ebenso unrealistisch

– in Bodennähe.

Anders sieht es mit einem möglichen

Einsatz in großer Höhe aus. Die freigesetzte

Radioaktivität einer hoch in der

Luft zur Explosion gebrachten taktischen

Nuklearwaffe würde kaum

„Fallout“ ergeben und Menschenleben

in Gefahr bringen, der dadurch ausgelöste

elektromagnetische Impuls

könnte aber abseits von gehärteten

Netzwerken die elektronische und

digitale Infrastruktur ganzer Länder

kurzzeitig lahmlegen oder sogar dauerhaft

ausschalten. Also auch militärische

Computer, Radarsysteme, Kommunikationssysteme

und Präzisionswaffen.

M I L I T Ä R A K T U E L L


ANALYSE

FOTOS: ISTOCK, GEORG MADER

Die Bedrohung durch nukleare

und 1 bis 10 kT starke EMP-Waffen

(englisch Electromagnetic

Pulse für elektromagnetischer

Impuls) ist seit den 1960er-Jahren

evident. Das durch die bei der

Explosion freigesetzten Gammastrahlen

erzeugte hochenergetische

Ladungsfeld könnte – so die

Befürchtung des Westens –nicht

nur die Ukraine vom Netz nehmen,

sondern ganz Europa nachhaltig

ins Chaos stürzen. Und das

praktisch ohne Abwehrmöglichkeit:

Zwar würden die US-/

NATO-Raketenabwehr in Polen

und Rumänien sowie die in

Europa stationierten Aegis-Schiffe

der US Navy sicherlich einige der

anfliegenden Systeme abfangen.

Aber ob das lückenlos gelingt?

Und ob ein Angriff überhaupt auf

herkömmlichem Weg erfolgen

würde? Eine entsprechende Waffe

bräuchte im Unterschied zu konventionellen

Nuklearwaffen weder

Wiedereintrittskörper noch Hitzeschilde

oder Stoßdämpfer. Sie

könnte sogar von Boden-Boden-

Raketen und Militärflugzeugen

zum Einsatz gebracht werden. Ja

sogar – Stichwort hybride Kriegsführung

samt deren Verschleierung

– von Zivilflugzeugen oder

mithilfe meteorologischer Ballons.

Wie verheerend die Auswirkungen

wären, zeigt ein Szenario einer inzwischen

aufgelösten Kommission

zur Beurteilung der Bedrohung

der USA durch EMP-Angriffe aus

dem Jahr 2017. Dieses ging von

einer – in der Stärke allerdings

nicht definierten – Explosion einer

Atomwaffe rund 60 Kilometer

über dem NATO-Hauptsitz in

Brüssel aus. Das resultierende

EMP-Feld würde sich in dem Fall

über einen Umkreis von 850 Kilometern

erstrecken und damit

nicht nur die Benelux-Länder

abdecken, sondern auch ganz

Deutschland, Dänemark und die

Schweiz, praktisch ganz Frankreich,

große Teile Großbritanniens,

den Osten Irlands, den

Norden Italiens sowie den Westen

Tschechiens, Österreichs und Polens.

Folge davon wäre ein großflächiger

Zusammenbruch der

verbundenen europäischen

Stromnetze (Blackout) weit über

den 850-Kilometer-Radius hinaus.

Zudem wären in dem mittlerweile

fünf Jahre alten Szenario die baltischen

Staaten einem folgenden

russischen Angriff gegenüber

mehr oder weniger wehrlos.

Russische Panzer könnten über

die Exklave Kaliningrad und das

Hauptland „in nur 60 Stunden

durch die baltischen Staaten rollen“,

so die Autoren der Studie.

Innerhalb von sechs Monaten

könnte Russland alle europäischen

Territorien der ehemaligen

Sowjetunion unter seine Kontrolle

bringen.

Ob eine aktuelle Bewertung der

russischen Armee angesichts ihrer

immensen Probleme und Schwierigkeiten

in der Ukraine einen

solchen Erfolgslauf überhaupt zulassen

würde, darf aber bezweifelt

werden. Unbestritten ist aber

die mit einem möglichen EMP-

Angriff verbundene Gefahr für

Europa und insbesondere Osteuropa.

Noch dürfte Russland auf

anderem Wege versuchen, seine

Kriegsziele in der Ukraine zu

erreichen. Aber wer weiß, ob ein

ernüchterter Putin in fünf, sechs

oder sieben Monaten nicht möglicherweise

doch zu anderen Mitteln

greift, wenn sich auch bis

dahin keine durchschlagenden

Erfolge einstellen sollten.

GASTKOMMENTAR

„Ein Einsatz käme einem

Selbstmord gleich!“

Sicherheitsexperte Wolfgang

Pusztai ist Senior Advisor

des Österreichischen

Instituts für Europa- und

Sicherheitspolitik und Direktor

von Perim Associates.

Er ist auf die MENA-

Region spezialisiert.

Wenn Russland rund um den Ukraine-

Krieg mit dem Einsatz besonders „zerstörerischer

Waffen“ droht, ist meist von

kleineren taktischen Nuklearwaffen die

Rede. Dafür gäbe es zwei Arten potenzieller

Ziele: Einerseits Prioritätsziele in der

operativen Tiefe, Truppenkonzentrationen,

Verkehrsknotenpunkte und Kriegsindustrie.

Andererseits wären auch das

Gefechtsfeld, Truppen-Verfügungsräume

und deren Logistikhubs potenzielle Ziele.

Denkbar wäre alternativ auch der Einsatz

von EMP-Waffen. Der sogenannte Nuclear

Electromagnetic Pulse (NEMP) entsteht

bei der Detonation von Kernwaffen

mit großer Sprengkraft außerhalb der

Stratosphäre. Die anfallende Gammastrahlung

würde dann in dichteren Luftschichten

mit hoher Geschwindigkeit

Elektronen aus den Luftmolekülen hinaus-

„schießen“, was weitreichende Schädigungen

von Mikroelektronik zur Folge hätte.

Hitze, Druck und Fallout am Grund würden

durch eine hoch über dem Erdboden

gezündete Nuklearwaffe hingegen gering

ausfallen.

Damit es gar nicht erst zu einem Einsatz

derartiger „taktischer Wirkmittel“

kommt, muss der Westen Wladimir Putin

unmissverständlich klarmachen, dass er

als Reaktion darauf mit einem massiven

konventionellen NATO-Militärschlag auf

seine Truppen in der Ukraine und im

Schwarzen Meer rechnen müsste. Sollte

Putin trotzdem so weit gehen wollen,

würde ich auch nicht ausschließen, dass

die höchsten russischen Militärs seinen

Befehl verweigern und einen Putsch anzetteln.

Ihnen muss schließlich klar sein,

dass eine derartige Eskalation einem

Selbstmord gleichkäme.

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E

NACHBARSCHAFTS-

HILFE

wachung in die Hände seiner NATO-Partner Polen und Tschechien. Text & Bild: GEORG MADER

Ungewöhnlicher Schritt: Bis zur Einführung

seiner neuen F-16-Flotte im Jahr 2025 legt

die Slowakei ihre aktive Luftraumüber-

AUSSER DIENST

Mit 1. September hat die Slowakei

ihre letzten MiG-29-Kampfjets abgestellt.

Bis zum geplanten Zulauf

der neuen F-16-Jets verfügt das

Land über keine eigenen Kapazitäten

zur aktiven Luftraumüberwachung.

I

n Österreich stand

eine ähnliche Lösung

immer wieder in (medialer)

Diskussion, die

Slowakei hat den

Schritt nun dank ihrer

NATO-Mitgliedschaft gewagt: Die Luftwaffe

unseres östlichen Nachbarlands

hat mit 1. September ihre letzten elf

MiG-29-Kampfjets ausgemustert und

ihre aktive Luftraumüberwachung mit

diesem Tag vorübergehend in fremde

Hände gelegt. Bis zur Einführung der

vor vier Jahren um rund 1,5 Milliarden

Euro bestellten 14 Stück F-16C/D Block-

70 (zwölf Einsitzer und zwei Zweisitzer)

übernehmen die polnische und tschechische

Luftwaffe die luftpolizeilichen

Aufgaben im slowakischen Luftraum.

Ursprünglich hatte die Slowakei einen

fließenden Übergang von ihren alten,

1993 nach der Teilung der CSFR übernommenen

sowie später von Russland

im Gegenzug für einen Schuldenerlass

erhaltenen, MiG-29-Jets hin zu den

neuen US-Kampfflugzeugen geplant.

Der Ukraine-Krieg machte dem Vorha-

ben allerdings einen Strich durch die

Rechnung. Die dadurch eingeschränkte

Ersatzteile-Verfügbarkeit und der Abzug

russischer Wartungstechniker machten

eine beschleunigte Abstellung der neun

Einsitzer und zwei Zweisitzer notwendig.

Die Slowakei hatte die Maschinen in

den frühen 2000er-Jahren mit NATO-

Freund-Feind-Erkennung (IFF) und modernen

Navigationssystemen (NavAids)

zur Version MiG-29AS/UBS nachgerüstet

und verfügte davor sogar über 22

Maschinen. Vier gingen in Abstürzen

verloren, sieben weitere waren im Laufe

der Jahre abgestellt worden. Insgesamt

52 slowakische Piloten wurden auf der

Fulcrum ausgebildet, seit 1993 flogen

sie 20.246 Flugstunden.

Die gekauften F-16-Jets sollen ab Mitte

2024 eintreffen und ein Jahr später einsatzbereit

sein. Bis dahin werden tschechische

JAS-39C/D Gripen und polnische

F-16C/D Block-52 den Luftraum

über dem 49.000 Quadratkilometer

großen Land (mit)sichern. Eine entsprechende

Übereinkunft wurde von den

Verteidigungsministern der drei Länder

am 27. August am Rande der 11. slowakischen

Flugshow SIAF-22 in Kuchyna

unterzeichnet. Die tschechische Ministerin

Jana Černochová argumentierte

die ungewöhnliche Zusammenarbeit

auch mit dem gemeinsamen „Feind“ im

Osten. „All unsere Länder haben Nationalsozialismus

und Kommunismus erfahren

und wissen die 1989 gewonne

Freiheit sehr zu schätzen. Mit dem gemeinsamen

Schutz unseres Luftraums

zeigen wir, wie stark nicht nur unser

Bündnis innerhalb der NATO und der

EU, sondern wie stark die Freundschaft,

ja sogar die Brüderlichkeit, zwischen

unseren Ländern ist.“ Ihr polnischer

Amtskollege Mariusz Błaszczak sieht

das Abkommen nicht nur als zivile Assistenzleistung:

„Polen unterstützt seine

Verbündeten. Wir teilen die Bedrohungen

in unserem Teil Europas und wir reagieren

darauf, indem wir unsere Streitkräfte

verstärken und einen möglichen

Angreifer auch in der Luft abschrecken.“

Die Maschinen aus Tschechien und Polen

bleiben während dieser Zeit in ihren

Ländern stationiert und greifen nur bei

Bedarf in den slowakischen Luftraum

ein. Dafür steht stets eine Alarmrotte

bereit. Mit Blickrichtung auf eine mögliche

Nacheile (grenzüberschreitende aktive

Luftraum-Sicherung) gibt es damit

nun neue Akteure an unserer Ostgrenze.

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 8 H E E R & M E H R

LEUTNANT-ZUWACHS

Alle Jahre wieder darf sich das Heer Anfang Oktober

über neue Leutnante freuen. Heuer wurden

bei den Ausmusterungsfeierlichkeiten insgesamt

70 Berufs- und 31 Milizoffiziere in die Truppe übernommen,

die Berufssoldaten durften sich dabei

auch über den erfolgreichen Abschluss ihres Fachhochschul-Bachelorstudiengangs

„Militärische

Führung“ freuen. Beginnend mit diesem Semester

wird alternativ auch der Studiengang „Militärische

Informations- und Kommunikationstechnologische

Führung“ angeboten. Der Studiengang gewährleistet

eine fundierte akademische Ausbildung

in den Bereichen Programmierung, IT-Sicherheit,

Kryptografie, IKT-Einsatzplanung und vieles mehr.

FOTOS: BUNDESHEER/KULEC, BUNDESHEER/HOERBST,

BUNDESHEER/MARTIN, BUNDESHEER

M I L I T Ä R A K T U E L L


NEWS AUS DEN STREITKRÄFTEN

Einen hitzigen Start in die Woche setzte es

kürzlich für die bei KFOR eingesetzten Soldaten

des Jägerbataillons 25. Um die Zusammenarbeit

mit internationalen Kräften zu vertiefen,

absolvierte die rot-weiß-rote Infanteriekompanie

gemeinsam mit ungarischen Soldaten

das „Fire Phobia“-Training. Dabei wird

der Umgang mit Wurfbrandsätzen wie etwa

Brandflaschen („Molotowcocktails“) trainiert –

den Soldatinnen und Soldaten soll damit die

Angst vor dem Feuer genommen werden.

INFRASTRUKTUR NEU

DURCHBLICK

BEWAHREN

Die Kaderanwärter vom Jägerbataillon

26 verlegten im November

für die Ausbildung „Feuerkampf“

auf den Truppenübungsplatz

Bruckneudorf. Ausbildungsziel

dort war das Erlernen der Standardtechniken

für den Einsatz im

urbanen Umfeld als Einzelschütze

und auf Trupp-Ebene, die Einsatzart

„Verteidigung“, der Grabenkampf

und das Vorgehen in einem

ausgebauten Stellungssystem im

Raum Hexentanzplatz.

Das Heer durfte sich zuletzt über gleich

mehrere abgeschlossene Infrastrukturprojekte

freuen. So konnte in der Feldbacher

Von-der-Groeben-Kaserne nach rund

zweijähriger Bauzeit ein in ökologischnachhaltiger

Holzriegelkonstruktion ausgeführtes

Unterkunftsgebäude an die

Soldaten des Aufklärungs- und Artilleriebataillons

7 übergeben werden. In der

Garnison Langenlebarn wurden zudem

ein neues Flugfeldradar, die generalsanierte

Anschlussbahn inklusive Schleppbahn

in der Kaserne sowie eine neue

Eisenbahnverladerampe offiziell eröffnet.

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 0 H E E R &

M

E H R

WLAN

STATT FELDKABEL

Die „Fernmelder“ des Bundesheeres bereiten

gerade ihren Quantensprung vor: ein digitales Battle-

Management-System für alle Einheiten. Militär Aktuell hat bei der

Führungsunterstützungsschule exklusive Einblicke bekommen.

Text: STEFAN TESCH

Bilder: SEBASTIAN FREILER

as neueste Smartphone,

der schnellste

D

Laptop, das flachste

Tablet – was im zivilen

Leben Status und

Zeitgeist zum Ausdruck

bringt, ist im militärischen Bereich

fehl am Platz. Schließlich geht es

bei der Übertragung von Sprache und

Daten im Felde nicht um das schickste

Modell aus Kalifonien, sondern um

Sicherheit und Zuverlässigkeit. Der

Feind darf keinesfalls mithören. Wenn

es Minusgrade hat, muss das Werkl

trotzdem funktionieren und auch bei

Nebel und selbst im Hochgebirge darf

die mittlerweile digitale Kommunikation

nicht abreißen.

Darum stehen im Hof der Starhemberg-

Kaserne, der Homebase der Führungsunterstützungsschule

(kurz FüUS), beim

Besuch von Militär Aktuell mehrere

grüne Shelter mit markanten Antennen

drauf, die im Inneren so gar nicht mehr

nach „Oldschool-Fernmelder“ aussehen.

Denn das Bundesheer steht vor seiner

größten technologischen Revolution,

was Datenübermittlung im Feld angeht.

Nächstes Jahr bekommen die vier Brigaden

nämlich das Tactical Communication

Network, kurz TCN. Mit dem digitalen

Battle-Management-System ist

FOTO AUFMACHER: BUNDESHEER

M I L I T Ä R A K T U E L L


TRUPPENBESUCH

FÜHRUNGSUNTER-

STÜTZUNGSSCHULE

BATTLE MANAGEMENT Diese Antennen verbinden

Fahrzeuge und Gefechtsstände von

Kompanie bis Brigade. Ab dem kommenden

Jahr bekommen alle Einheiten des Bundesheeres

das Tactical Communication Network (TCN).

Die Führungsunterstützungsschule

(FüUS) befindet

sich in der

Starhemberg-Kaserne

in Wien-Favoriten.

Ihre Kernaufgaben

sind die Aus-, Fortund

Weiterbildung

von Soldaten sowie Zivilbediensteten

des Bundesheeres

in den Bereichen

Informations- und Kommunikationstechnologie.

Darunter versteht man

die Übertragung von Sprache und

Daten sowohl über Funk als auch per

Kabel. Ebenfalls zum Leistungsspektrum

der FüUS gehören elektronische

Kampfführung zur Drohnenabwehr

sowie Sicherheit im Cyberraum. Gemeinsam

mit dem Ministerium wirkt

man zudem bei der Planung und Beschaffung

von neuen Kommunikationssystemen

mit, erprobt diese und

bereitet sie für den Roll-out an die

Truppe vor. Die FüUS besteht aus fünf

Organisationselementen: Grundlagenabteilung,

Institut FM & IKT, Institut

Cyber & Elektronische Kampfführung,

Lehrelement, Elektronische Kampfführung

zur Drohnenabwehr. Pro Jahr

durchlaufen rund 1.000 Personen die

FüUS, die etwa 100 Kurse im Repertoire

hat. Gegründet wurde sie 1957 als

Telegraphentruppenschule, bis 2011

hieß sie Fernmeldetruppenschule

(FMTS). Seit 2017 besteht eine Partnerschaft

mit den Wiener Netzen. Da derzeit

ein Viertel der Jobs an der FüUS

nicht besetzt sind, sucht man dringend

nach erfahrenen „Fernmeldern“, die

gerne in der Lehre tätig sind.

Schluss mit Lagemeldungen per Funk

von der Kompanie zum Bataillon. Dann

gibt es mithilfe von Sensoren ein Live-

Lagebild von ganz unten bis ganz oben.

Also vom Gefechtsfahrzeug bis zur

Brigade. Alles in Echtzeit und mit 20

Kilometer Reichweite per WLAN und

Plug-and-play. „Der Operator am Gerät

braucht dafür kein Informatikstudium“,

erzählt Vizeleutnant Christian Fletschberger,

Hauptlehr-Unteroffizier für das

TCN an der FüUS und einer der Pioniere

im Bundesheer, was die Bedienung

angeht.

In der Starhemberg-Kaserne

bereitet er gerade den Quantensprung

in der Führungsunterstützung

vor. Äußerlich wenig

spektakulär, denn die „Kompanien“ befinden

sich in den typischen Heeres-

Sheltern. Drinnen ein paar Bildschirme,

Wien

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 2 H E E R & M E H R

Laptops, Kabelschränke, die dann im

Echtbetrieb für ein dynamisches Lagebild

sorgen. „Derzeit machen wir die

Train-the-Trainer-Schulung mit der

Firma Kapsch“, erklärt er. Mit Vertretern

des Lieferanten dreht man noch an den

letzten Stellschrauben, damit das TCN

künftig den Anforderungen der Truppe

gerecht wird und nächstes Jahr mehrere

Hundert Personen in der FüUS darauf

ausgebildet werden können.

Militärische Kommunikationstechnologie

kauft man nicht von der Stange ein.

Die Lösungen sind höchst individuell

zugeschnitten. Das betont Oberst Franz

Sitzwohl, seit Herbst dieses Jahres Kommandant

der FüUS: „Firmen stehen bei

der Auslieferung an das Bundesheer

auch im Lernprozess. Denn wir sind

die Einzigen, die die Geräte im Feld ausprobieren.“

Der gelernte Infanterist und

Logistiker mit absolviertem Generalstabslehrgang

skizziert die Evolution der

Kommunikation: „Ganz früher waren

es Kabel, dann kam der Funk, dann der

Wechsel von analog auf digital und nun

sind wir bei IKT-Sicherheit, elektronischer

Kampfführung und Cyber. Da

müssen wir viel Know-how aus der

Privatwirtschaft holen.“

JAHRGANGSKAMERADEN Oberst Franz Sitzwohl (links) ist seit Herbst Kommandant der FüUS,

Oberst Michael Hoffmann sein Stellvertreter. Die beiden kennen einander seit der Militärakademie.

Ganz unproblematisch ist das aber

nicht, denn schließlich sollte eine

Armee mehr oder weniger autark funktionieren

und sich nicht in die volle

Abhängigkeit von Firmen begeben. Andererseits

fehlt es aber an Ressourcen,

die volle Expertise im Heer aufzubauen.

Dass man nicht jede technologische

Neuerung mitmachen kann, versteht

sich von selbst. Schließlich wird ja keine

kleine Firma mit neuer IT bestückt,

sondern jede Entscheidung muss auf die

ganze Truppe ausgerollt werden. Und

mit anderen Armeen sollten die Kommunikationssysteme

natürlich auch

kompatibel sein. Der stellvertretende

Schulkommandant Oberst Michael

Hoffmann, der übrigens Sitzwohls Jahrgangskamerad

an der Militärakademie

war, ergänzt: „Im Verteidigungsministerium

plant man, was das Bundesheer

die nächsten zehn Jahre braucht. Wir

formulieren, wie das genaue Ausbildungs-Setup

aussehen muss.“ In der

„Wir lernen hier viel Neues“

WACHTMEISTER CHRISTOPHER

WEIRAUCH, Fernmeldeunteroffizier

in der Kampfunterstützungskompanie

des Jägerbataillons 33, absolviert

an der FüUS gerade die

Kaderanwärterausbildung 5.

Herr Weirauch, warum sind Sie Fernmelder

geworden?

Ich habe Tischler gelernt, aber bin im Grundwehrdienst

als Kraftfahrer zufällig im Fernmelde-Zug

gelandet und wurde dort sehr

freundlich aufgenommen. Als Tischler bist

du entweder auf der Baustelle oder in der

Werkstatt, das ist mit der Zeit eintönig. Beim

Bundesheer ist der Alltag abwechslungsreicher:

Man ist auf Übung, man agiert als Ausbilder

oder absolviert Kurse. Von Österreich

habe ich dadurch schon alles gesehen und

ich war auch schon im Auslandseinsatz.

Sie machen gerade die Ausbildung zum

Stabsunteroffizier. Welche Eigenschaften

muss man dafür mitbringen?

Natürlich ein gewisses Verständnis für die

Technik, aber vor allem großes Interesse

daran. Ich bin ein neugieriger Mensch. Hier

bei der Kaderanwärterausbildung 5 wiederholen

wir zwar Themen aus früheren Ausbildungen,

aber lernen auch viel Neues dazu.

Dabei werden wir stets mit Wochentests

gefordert.

Wie ist Ihr Eindruck vom TCN?

Toll, was dieses System kann! Ich bin

gespannt, wie meine Ausbildung damit

weitergeht. Nächstes Jahr mache ich den

dreiwöchigen Basislehrgang dafür sowie

die spezifischen Module. Wenn ich in meine

Einheit zurückkomme, werde ich IKT-Unteroffizier.

Ich werde in meiner Kompanie das

TCN aufbauen und die Fachunteroffiziere

darauf einschulen, damit sie im Feld damit

arbeiten können. Mit dem TCN springen

wir auf den internationalen Zug auf, denn

andere Armeen haben so ein System auch

im Einsatz.

M I L I T Ä R A K T U E L L


TRUPPENBESUCH

ALLES LIVE Kern des Tactical Communication

Network ist ein digitales Lagebild in Echtzeit.

Praxis überspringt man meist ein paar

Entwicklungsschritte. Heute ist man

beim Begriff Führungsunterstützung

weit weg von der klassischen Fernmelderei.

Sie hat sich um die Bereiche elektronische

Kampfführung sowie Cyber

erweitert. Unter Letzterem versteht man

in erster Linie die Absicherung der eigenen

Systeme vor Attacken. Kurzum:

Wie man sich abschirmt, damit niemand

mithört. Früher ging es dabei um das

Anzapfen von analogen Feldkabeln,

heute verlagert sich das Geschehen ins

digitale Netz, also in den Cyberraum.

„Offensive Cyberkräfte, die auch zum

Gegenschlag ausholen können, haben

wir aber nicht“, präzisiert Sitzwohl.

Bei der Abwehr von Gefahren ist die

FüUS auch beim Thema Drohnen aktiv.

Während sich die Fliegerabwehrtruppenschule

mit der „mechanischen“

Abwehr – etwa dem Abschuss – befasst,

stört die FüUS die Verbindung zwischen

Drohne und Steuerung. „Je nach Modell

fliegt sie dann zu ihrem Startpunkt zurück

oder landet auf der Stelle“, veranschaulicht

Hoffmann die Funktionsweise

der im Bundesheer eingeführten Systeme.

Beim Jägerbataillon 8 entsteht gerade

die erste Drohnenabwehr-Einheit.

Und man sammelt Erfahrungen im

Assistenzeinsatz im Burgenland.

Zurück in den Hof der Starhemberg-

Kaserne, wo sich gerade im Rahmen der

Kaderanwärterausbildung 5 angehende

Stabsunteroffiziere mit dem TCN vertraut

machen. Für sie ist es ein Highlight,

die „heiße Ware“ vor dem Großteil ihrer

Kameraden in Händen halten zu dürfen.

Beim „Unboxing“ montieren sie Antennen,

schließen Module zusammen und

blicken auf Bildschirme (siehe Interview).

Hinter ihnen summen die Serverschränke

– Indizien großer Rechenkapazität.

Auch für den Schulkommandant und

seinen Stellvertreter ist das TCN sichtlich

eine spannende Sache. Sitzwohls Ausblick:

„Führungsunterstützung wird ein

immer größeres Thema im Bundesheer.

Von Digitalisierung bis Big Data – wir befinden

uns in einem ständigen Transformationsprozess

und können uns nie an

der Vergangenheit orientieren. Sondern

können nur in die Zukunft blicken.“

The Mortar Company.

DIGITALISATION OF MORTAR SYSTEMS


0 2 4 H E E R & M E H R

HEER MIT

Das Verteidigungsbudget wird in den nächsten Jahren deutlich aufgestockt.

Was soll mit dem Geld konkret passieren? Welche Fahrzeuge und Geräte

stehen auf der Einkaufsliste ganz oben? Und wie soll ausreichend Personal

angeworben werden? Ein Gespräch mit Verteidigungsministerin Klaudia

Tanner und Generalstabschef Rudolf Striedinger.

Interview: JÜRGEN ZACHARIAS

rau Minister, Herr

F

Generalstabschef, wie

bewerten Sie die aktuelle

Sicherheitslage

in Europa und im Speziellen

in Österreich?

Klaudia Tanner: Wir leben in einer Zeitenwende

und der 24. Februar ist eine

Zäsur in der europäischen Geschichte

und besonders für die europäische und

österreichische Sicherheitspolitik. Der

Angriff Russlands auf die Ukraine hat

uns alle schockiert. Damit ist der Krieg

wieder nach Europa zurückgekehrt und

Friede in Europa keine Selbstverständlichkeit

mehr. Davor hat auch die Pandemie

schon gezeigt – wir müssen in

den kommenden Jahren verstärkt mit

sicherheitspolitischen Herausforderungen

rechnen.

Rudolf Striedinger: In der Tat hat sich

die offensichtlich vor dem 24. Februar

empfundene, scheinbare Sicherheit

nicht bestätigt. Es gibt nun wie im

Kalten Krieg wieder eine konfrontative

Positionierung zwischen Ost und West,

wobei Ost aktuell nur Russland ist und

West die westliche Welt einschließlich

der Vereinigten Staaten. Wir befinden

uns damit in einer sehr gefährlichen Situation,

in der von Sicherheit überhaupt

DOPPELINTERVIEW Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Generalstabschef Rudolf Striedinger im Gespräch mit

Militär Aktuell-Chefredakteur Jürgen Zacharias.

gar keine Rede mehr sein kann – weder

für Österreich noch für Europa.

Inwieweit ist Ihre Einschätzung auch

von Vorfällen wie dem nach wie vor

ungeklärten Anschlag auf die Ostsee-

Pipeline und den möglicherweise

bewusst herbeigeführten Ausfällen

des deutschen Eisenbahnnetzes und

zuletzt bei deutschen Telekomanbietern

geprägt?

Striedinger: Seit Jahren warnen wir Militärs

vor der hybriden Kriegsführung.

Das, was Sie hier ansprechen, könnten

Resultate genau jener Kriegsführung

sein. Sie spielt sich unterhalb der offenen

militärischen Konfrontation ab und

soll dazu führen, Gesellschaften zu verunsichern,

Schäden herbeizuführen,

Politik gefügig zu machen und die

Bevölkerung gegen die Regierenden

aufzuwiegeln.

Auch weil ein Täter bei derartigen

Vorfällen nur schwer zu überführen

ist?

FOTOS: BUNDESHEER/TRIPPOLT, BUNDESHEER

M I L I T Ä R A K T U E L L


COVERSTORY

ZUKUNFT

Striedinger: Genau. Bei derartigen Vorfällen

ist es sehr schwer, Tätern tatsächlich

etwas zuzuschreiben – und das gilt

noch einmal verstärkt für den Cyberraum.

Es ist indirekt aber schon sehr

schlüssig und klar, dass der Osten hier

versucht, destabilisierend in die westlichen

Demokratien hineinzuwirken.

Gehen wir einen Schritt zurück: Wie

hätten Sie die Sicherheitslage in

Mittel- und Osteuropa vor einem

Jahr auf einer Skala bewertet, die

von 1 „friedlicher geht es nicht“

bis 10 „eine kriegerische Eskalation

steht unmittelbar bevor“

reicht?

Striedinger: Ich möchte da gar

keine konkrete Zahl nennen,

aber es ist klar, dass wir aus

heutiger Perspektive damals

die Situation um die Ukraine

nicht ausreichend detailliert

beurteilt haben. Es wurde

zwar immer vor einer Eskalation

gewarnt, aber dass es

tatsächlich zu einem konventionellen

Angriff kommt, war

außerhalb der Vorstellungskraft.

Tanner: Wie von General Striedinger

angesprochen, werden bei uns jedes

Jahr im Rahmen einer sicherheitspolitischen

Jahresvorschau die möglichen

und wahrscheinlichen Risiken der kommenden

Jahre analysiert. Unsere Experten

im Verteidigungsministerium

haben dabei schon vieles vorhergesagt

und potenzielle Risiken identifiziert.

Neben einer globalen Pandemie

und regionalen Kriegen

und Konflikten spreche ich auch

von Bedrohungen wie dem Klimawandel

mit Naturkatastrophen,

von Cyberangriffen, Terrorismus

oder Blackouts. Vieles davon

galt oder gilt heute noch als undenkbar,

Vieles wurde aber trotzdem bittere Realität

– der Ukrainekrieg ist ein Beispiel

dafür.

Die Situation in der Ukraine hat

gezeigt, wie schnell sich Sicherheitslagen

fundamental ändern können.

Könnte es sich Österreich vor diesem

Hintergrund selbst bei einem

Friedensschluss in

der Ukraine leisten, wieder

wie zuletzt jahrzehntelang

Friedensdividenden einzufahren

und das Heer auf

absoluter Sparflamme zu

halten? Oder müssen wir

uns bewusst werden, dass

es dauerhaft – also auch

über 2032 hinaus – höhere

Investitionen in die

Streitkräfte braucht, um

stets für alle Herausforderungen

gewappnet zu sein?

Tanner: Eines ist klar: Sicherheit

gibt es nicht zum Nulltarif!

Nur ein modernes

und gut ausgestattetes

Bundesheer kann unser

Land verteidigen und all

seine Aufgaben erfüllen.

Und das ist nur mit einem

höheren Budget möglich.

Daher freue ich mich, dass

es uns auch gelungen ist, das

Verteidigungsbudget deutlich zu

erhöhen – das Landesverteidigungsressort

wird in den kommenden vier Jahren

insgesamt 16 Milliarden Euro bekommen,

das ist doppelt so viel wie bisher.

Außerdem haben wir mit der Schaffung

des Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetzes

erstmals eine legistische

Grundlage, die die Finanzierung des

Verteidigungsbudgets für die nächsten

zehn Jahre sichert. Damit stärken wir

das Österreichische Bundesheer weit

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 6 H E E R & M E H R

„Sicherheit gibt es nicht

zum Nulltarif! Nur ein modernes und

gut ausgestattetes Bundesheer

kann unser Land verteidigen

und all seine Aufgaben erfüllen.“

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner

über die Legislaturperiode hinaus.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen:

Natürlich wird das Militär auch nach

2032 Geld brauchen, um alle Aufgaben

wirkungsvoll erfüllen zu können.

Zu den Aufgaben gehört auch die

Abwehr weitreichender Bedrohungen

aus der Luft, wie sie nun mit einer

Beteiligung Österreichs am geplanten

europäischen Schutzschirm „Sky

Shield“ sichergestellt werden könnte.

Für wie sinnvoll und wahrscheinlich

erachten Sie eine Beteiligung Österreichs?

Tanner: Verfassungsrechtlich gibt es

durchaus Möglichkeiten zu einer engeren

Zusammenarbeit, wir haben dazu

einige Gutachten eingeholt. Österreich

hat bereits viele Kooperationen mit

Deutschland, das ja die Initiative für

„Sky Shield“ übernommen hat. Es würde

Sinn machen, auch Investitionen bei

der Luftabwehr gemeinsam zu tätigen.

Was die Finanzierung einer österreichischen

Beteiligung anbelangt, so

wären dafür allerdings zusätzliche

Budgetmittel notwendig und so weit

sind wir noch nicht.

Striedinger: Wir sind derzeit in der

Lage, mit unserer Fliegerabwehr einen

Einsatzflugplatz zu sichern oder eine

Kaserne zu verteidigen. Gegen ballistische

Raketen haben wir überhaupt keine

Abwehrmittel. Das ist natürlich nicht

befriedigend. Wir sind schließlich dazu

da, das ganze Land zu schützen, da sind

eine Kaserne oder ein Flugplatz nur

Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen

im Bereich der Fliegerabwehr also

unbedingt etwas machen und deswegen

ist diese Initiative eine große Chance

und Gelegenheit, uns vor allem im Bereich

weitreichender Systeme deutlich

besser aufzustellen. Das ändert aber

nichts daran, dass wir uns verstärkt

auch um die Abwehr von Bedrohungen

im nahen und mittleren Bereich kümmern

müssen.

Das inkludiert auch die Abwehr von

Drohnen?

Striedinger: Wir sehen jetzt in der

Ukraine einmal mehr, welche Gefahr

von Drohnen ausgeht und wie rasant in

diesem Bereich Entwicklungen passieren.

Dementsprechend breit wollen wir

uns daher aufstellen und dabei ganz genau

analysieren, welche Möglichkeiten

technischer und organisatorischer Natur

hier von anderen Streitkräften wahrgenommen

werden, um gegebenenfalls

auch in Kooperationen zu gehen oder

in der Forschung zusammenzuarbeiten.

Österreich ist von NATO-Ländern

umringt. Könnte man nicht darauf

spekulieren, dass diese Länder bei

anfliegenden Bedrohungen aktiv Gegenmaßnahmen

ergreifen und Österreich

schützen, auch ohne dass sich

Österreich an „Sky Shield“ beteiligt?

Striedinger: Natürlich könnte man darauf

spekulieren, aber eine Garantie hätten

wir nicht. Bei ballistischen Raketen

lässt sich sehr schnell errechnen, wo sie

voraussichtlich einschlagen werden. Sie

kommen aus großer Höhe und wer garantiert

uns, dass ein Land tatsächlich

Abwehrmaßnahmen ergreift, wenn es

vorausberechnen kann, dass die Rakete

das eigene Staatsgebiet nur überfliegen

und in Österreich einschlagen wird?

Frau Minister, Sie haben zuvor das

deutliche Budgetplus für das Heer ab

dem kommenden Jahr angesprochen.

Wie soll dieses Geld konkret investiert

werden?

Tanner: Wir können damit nun viele Investitionen

tätigen, die jahrelang auf der

Strecke geblieben sind. Unsere Mission

lautet daher jetzt „Vorwärts!“, denn wir

wollen unser Bundesheer moderner

und einsatzfähiger gestalten. Wir haben

dazu einen zehnjährigen Aufbauplan

erstellt. Investitionsschwerpunkte darin

sind vor allem die Bereiche „Mobilität

der Einsatzkräfte“, „Schutz der Soldatinnen

und Soldaten“ mit der Beschaffung

von moderner Ausrüstung, Waffen und

Gerät und die „Autarkie zur Stärkung

der Verteidigungsbereitschaft“. Dafür

brauchen wir autarke Kasernen mit einem

hohem Schutzgrad, ausreichenden

Versorgungsgütern und hochwertiger

Sanitätsversorgung. Die Energie für

die Infrastruktur soll zu einem hohen

Anteil selbst erzeugt werden können.

Lassen Sie uns auch noch detaillierter

auf andere Schwerpunktbereiche

blicken. Was soll sich beispielsweise

im Bereich der Mobilität tun?

Striedinger: Da gibt es zwei große Teilbereiche:

Der eine umfasst die gehärtete

Mobilität, da werden wir zusätzlich weitere

geschützte Fahrzeuge vom Husar

über den Pandur bis zum Hägglunds

beschaffen, um die Standfestigkeit unserer

infanteristischen Truppen zu erhöhen

und auf einem Gefechtsfeld einen

gesicherten Transport zu ermöglichen.

Der zweite Bereich betrifft den ungeschützten

Transport, wo schon bald

neue Lkw und Bergefahrzeuge beschafft

werden.

Sie haben Husar und Pandur er-

FOTO: BUNDESHEER

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 8 H E E R & M E H R

„Wir sehen jetzt in der Ukraine, welche

Gefahr von Drohnen ausgeht und wie

rasant in diesem Bereich neue

Entwicklungen passieren. Darauf müssen

wir natürlich reagieren.“

Generalstabschef Rudolf Striedinger

wähnt. Geht es bei den geplanten

Beschaffungen im Mobilitätsbereich

primär um die Aufstockung bereits

eingeführter Systeme oder ist auch

denkbar, dass neue Systeme dazukommen?

Striedinger: Derzeit geht es um eine

Aufstockung der Flotten, die wir haben.

Aber wenn es etwas Neues auf dem

Markt gibt, dann werden wir uns das

anschauen. Wir haben beispielsweise

immer noch keine verbindliche Lösung

für die Pinzgauer-Nachfolge.

Wie sieht es mit dem Luft-Transportbereich

aus? Gerüchteweise soll die

Option auf weitere AW169-Hubschrauber

gezogen werden und ist

sogar die Beschaffung weiterer Black

Hawk-Hubschrauber ein Thema.

Striedinger: Wir haben zuletzt die G2G-

Beschaffung des Leonardo-Hubschraubers

AW169 eingeleitet und der Vertrag

bietet glücklicherweise eine Option für

weitere 18 Hubschrauber, die – wenn wir

sie heuer ziehen – zu denselben finanziellen

Bedingungen geliefert werden. Da

wir mit dem Typ nicht nur die Alouette

III ersetzen wollen, sondern mittelfristig

auch unsere OH-58, werden wir diese

Option ziehen. Auch die AB212 ist bereits

in die Jahre gekommen und muss

noch dieses Jahrzehnt ersetzt werden.

Dabei denken wir an eine entsprechende

Aufstockung der Black Hawk-Flotte …

… über die bereits kommunizierten

drei zusätzlichen Maschinen hinaus?

Striedinger: Genau. Mit den drei Maschinen,

die sich bereits in Beschaffung

befinden, komplettieren wir unsere

neun Stück zur Staffel. Dazu wollen wir

eine weitere Staffel beschaffen, um unter

dem Strich über dieselben Luftkapazitäten

wie jetzt zu verfügen. Wir haben

dann aber deutlich moderneres Gerät,

was eine höhere Einsatzbereitschaft

und einen höheren Klarstand zur Folge

haben sollte.

Das Heer soll abseits der Hubschrauber

auch bei der Hercules-Nachfolge

bereits sehr weit sein.

Tanner: Das ist richtig. Unsere C-130

erreichen noch innerhalb dieses Jahrzehnts

ihr Lebensende, weshalb ich bereits

vor Längerem eine Nachfolgeplanung

beauftragt habe. Da befinden wir

uns mittlerweile in der finalen Phase

der Beurteilung und im Wesentlichen

auch bereits der Entscheidung, welches

Flugzeug nachfolgen soll.

Kommen wir zur aktiven Luftraumüberwachung:

Wie soll es da weitergehen?

Das Heer will ja weiter auf

den Eurofighter setzen, oder?

Striedinger: Wir werden den Eurofighter

definitiv weiterfliegen und gewisse

Nachrüstungserfordernisse realisieren,

um die Luftraumsicherung auch in der

Nacht durchführen zu können.

Ist daneben die Einführung eines

zweiten Kampfjet-Typs denkbar?

Striedinger: Das ist aus meiner Sicht

nicht vorstellbar. Mit den aktuell gesetzten

Schritten können wir den Eurofighter

bis Mitte der 2030er-Jahre betreiben,

wir werden trotzdem schon

bald ausreichend damit beschäftigt sein,

uns über einen Nachfolger Gedanken

zu machen …

Könnte dabei der F-35 zum Thema

werden?

Striedinger: Sehr viele Länder in unserer

Nachbarschaft kaufen momentan dieses

Flugzeug, was nicht bedeutet, dass wir

das auch tun müssen. Unter dem Strich

werden bei der Entscheidung viele Aspekte

eine Rolle spielen – nicht zuletzt

logistische und die Möglichkeit von internationalen

Kooperationen bis hin zur

möglichen gemeinsamen Beschaffung.

Wie steht es um neue Trainingsjets

als Nachfolger für die vor zwei Jahren

abgestellten Saab-105Ö und um die

mögliche Beschaffung von Eurofighter-Zweisitzern,

um die kostspielige

Ausbildung von Piloten wieder

verstärkt selbst abbilden zu können?

Striedinger: Die Entscheidung rund um

die Saab-105Ö waren der damaligen

finanziellen Situation geschuldet. Nachdem

sich diese geändert hat, wäre es

zweckmäßig, einen Nachfolger zu besorgen

und die Ausbildung im Inland zu

forcieren. Dabei schauen wir uns aktuell

einen Advanced Jet Trainer an, mit dem

wir einerseits unsere Ausbildungswünsche

abdecken und andererseits das

Segment im Bereich der Luftraumsicherung

und -überwachung ergänzen

könnten. Wenn wir die Ausbildung

komplett machen wollen, würden wir

zudem auch Doppelsitzer benötigen.

Das ist ein offener Punkt, den wir in

absehbarer Zeit entscheiden werden.

Ein großer Teil der Investitionen soll

auch in die Miliz fließen. Was ist in

diesem Bereich geplant?

Tanner: Mit dem 200-Millionen-Euro-

Sonderinvestitions-Milizpaket wollen

wir auch die Soldaten und Soldatinnen

der Miliz wieder einsatzfähiger machen.

Das Milizpaket bringt viele Verbesse-

FOTO: BUNDESHEER

M I L I T Ä R A K T U E L L


COVERSTORY

rungen in den Bereichen Bewaffnung,

Ausrüstung und Mobilität. Außerdem

soll die Miliz wieder mehr zum Üben

kommen, das heißt die Ausbildungsund

Übungstätigkeit der Milizverbände

generell soll verbessert werden. Ich

habe daher vor Kurzem angewiesen,

dass wir 2024 eine Großübung machen

werden. Das Ziel der Übung „Schutzschild

2024“ ist, die militärischen Kernfähigkeiten

der Soldatinnen und Soldaten

durch praktische Anwendung auf

der gefechtstechnischen und taktischen

Ebene zu festigen und außerdem die

Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu

evaluieren und weiterzuentwickeln.

Wie steht es um den Bereich der

schweren Waffensysteme Artillerie

und Panzer?

Striedinger: Bei den Panzern haben wir

die Entscheidung getroffen, dass alle

unsere mechanisierten Fahrzeuge – also

im Wesentlichen der Leopard und der

Ulan – einer Modernisierung zugeführt

werden, damit wir sie bis in die 2040er-

Jahre hinein nützen können. Es gibt zudem

Überlegungen, die Mechanisierung

breiter auszulegen, also neben den

Kampffahrzeugen auch Einsatz-, Feuerund

Kampfunterstützungsfahrzeuge zu

sichern und zu härten, beispielsweise

also einen Granatwerfer auf einem Kettenfahrzeug

zu betreiben. Dafür könnten

wir zusätzliche Panzer kaufen und

damit die Flotte aufstocken, ohne die

Anzahl der Verbände zu erhöhen.

Und bei der Artillerie?

Striedinger: Die Zahl unserer Geschütze

ist aktuell überschaubar, wir denken

aber trotzdem weniger an neue Systeme

als vielmehr an den Ankauf intelligenter

Munition. Davon braucht man geringere

Stückzahlen, man hat weniger Kollateralschäden

und trifft die Ziele, die

man treffen will, besser. Das ist aber

natürlich auch deutlich teurer.

Abseits von modernem Gerät fehlt es

dem Heer in vielen Bereichen quantitativ

und qualitativ an Personal. Wie

soll dieser Bedarf mittel- bis langfristig

gedeckt werden?

Tanner: Es hilft uns die beste materielle

Ausstattung nichts, wenn wir das Personal

nicht haben, um das Gerät zu bedienen.

Daher wollen wir einerseits durch

eine verstärkte Personalwerbung versuchen,

gutes Personal zu gewinnen. Und

andererseits durch verschiedene Anreize

wie Prämien und höhere Gehälter

sowie durch spannende Kooperationen

wie die Finanzierung eines Medizin -

studiums zur Gewinnung von Militär -

ärzten.

Striedinger: Bei den Personalzugängen

und -abgängen spüren wir die zuletzt

durch die Pandemie und den laufenden

sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz

sehr hohen Belastungen unseres

Systems Bundesheer. Dem wollen wir

nun massiv entgegenwirken und wie

von der Frau Ministerin angesprochen

mit zahlreichen Maßnahmen attraktiver

am Arbeitsmarkt auftreten und verstärkt

auch um Frauen werben.

Wie ist das mit der „Umfassenden

Landesverteidigung“ (ULV), die

jetzt immer wieder in den Medien

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0 3 0 H E E R & M E H R

erwähnt wird? Wozu brauchen wir

die, wenn es ohnehin das Bundesheer

gibt?

Tanner: Viele Bedrohungsszenarien

liegen eigentlich zunächst im zivilen

Bereich. Der Schlüssel liegt in der Zusammenarbeit,

wenn wir dagegen vorgehen

wollen. Wir müssen in Österreich

daher auch die ULV wiederbeleben.

Dabei geht es neben der „militärischen

Landesverteidigung“ auch um

die „zivile Landesverteidigung“, die

„geistige Landesverteidigung“, die

„wirtschaftliche Landesverteidigung“

und die „ökologische Landesverteidigung“.

Tanner: Genau. Die militärische Landesverteidigung

kümmert sich um den

Schutz der Neutralität und um die Verteidigung

der Souveränität mit militärischen

Mitteln. Bei der zivilen Landesverteidigung

geht es zum Beispiel darum,

die Funktionsfähigkeit staatlicher

Einrichtungen zu gewährleisten, bei der

wirtschaftlichen Landesverteidigung

geht es um den Erhalt der Leistungsfähigkeit

und Vermeidung von Störungen

der Wirtschaft, die Stabilisierung des

Arbeitsmarktes oder um die Versorgung

der Bevölkerung mit lebensnotwendigen

Gütern.

Also Sicherheit auf allen Ebenen?

Tanner: Die ULV ist essenziell für die

ganzheitliche Sicherheit sowie für die

Stärkung der Resilienz unseres Staates.

Wir müssen die ULV daher wieder

mehr ins Zentrum rücken, denn sie

endet nicht am Kasernenzaun, sondern

dort beginnt sie erst! Sie muss in Schulen,

in Unternehmen und sogar in Familien

stattfinden, um ein Bewusstsein zu

schaffen.

Werfen wir abschließend einen Blick

in die Zukunft: Wie soll das Bundesheer

am Ende des nun definierten

Aufbauplans dastehen? Was soll das

Bundesheer im Jahr 2032 können,

was es heute nicht kann?

Tanner: Das Ziel ist es, dass das Österreichische

Bundesheer als moderne

Armee so gut ausgestattet ist, dass es

den Szenarien und Bedrohungen des

21. Jahrhunderts effektiv begegnen und

seine Aufgaben zum Schutz und zur Sicherheit

der Bevölkerung erfüllen kann.

WAS KOMMT

NACH DER

Aktuell sind beim Heer zahlreiche langfristige

Beschaffungsvorhaben in Planung – darunter

auch die Nachfolge der C-130K-Hercules-

Transportmaschinen. Ein Überblick, welche

Typen dafür infrage kommen und in welchem

Zeitraum mit neuen Maschinen zu rechnen ist.

m Jahr 1967 besetzt Israel

im Sechstagekrieg

I

Teile des Berges Hermon

sowie die Golanhöhen

und erschießt ein

Feldwebel der bolivianischen

Armee Guerillakämpfer Che

Guevara. Im Jahr darauf nehmen die

USA und Nordvietnam Friedensverhandlungen

auf und beenden Truppen

des Warschauer Pakts mit ihrem

Einmarsch in der Tschechoslowakei

den Prager Frühling. Weit abseits der

Weltöffentlichkeit laufen in den beiden

Jahren aber auch drei für die britische

Luftwaffe (Royal Air Force,

RAF) geplante C-130K Hercules-

Transportmaschinen von den Montagebändern,

die Anfang der 2000er-

Jahre vom Bundesheer übernommen

werden und die hierzulande immer

noch das Gros der Lufttransportkapazitäten

abbilden. Noch, denn im

Jahr 2021 richtete die Abteilung

Strukturplanung (Referat Fähigkeiten-2,

Wirkung und Mobilität Luft)

des Verteidigungsministeriums eine

Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer

Nachfolgelösung ein. Aktuellen Planungen

zufolge soll der neue „Heeres-Lufttransporter“

bereits mit

2028/29 seinen Betrieb aufnehmen –

die Ausschreibung in einigen Monaten

offiziell werden.

Text & Bilder: GEORG MADER

Dabei soll ein Nachfolger laut Bundesheer-Planungschef

Generalmajor

Bruno Hofbauer die Hercules-Nutzlastkapazität

von rund 20 Tonnen

pro Maschine nicht unter-, aber auch

nicht deutlich überschreiten. Das beschränkt

die Liste interessanter Typen

im Wesentlichen auf zwei: Neben

neuen C-130J Super Hercules (Juliets)

kommt eigentlich nur die C-390M

Millennium des brasilianischen Herstellers

Embraer in Frage. Potenziell

ebenfalls denkbare Nachfolgekandidaten

wie der auf der Airpower präsentierte

chinesische Militärtransporter

Xian Y-20 (mit bis zu 66 Tonnen

Nutzlast deutlich zu groß) und der

„kleinere“ Airbus A400M mit seinen

trotzdem 35 Tonnen Nutzlast sind

daher definitiv kein Thema.

Im Vergleich zur C-390M fällt die aktuelle

C-130-Serie etwas robuster aus,

zudem hat sich das Modell über Jahrzehnte

in vielen Nationen bewährt

und wird immer noch stark nachgefragt.

Folge davon ist allerdings, dass

neue Juliets wohl erst ab 2029 wieder

verfügbar sein dürften, während neue

C-390M gerade in mehreren Ländern

zulaufen und deutlich früher erhältlich

sind. Neben Brasilien (19 Maschinen)

konnte Embraer zuletzt mit

Portugal (fünf Stück), Ungarn (zwei

M I L I T Ä R A K T U E L L


COVERSTORY

HERCULES ?

entfernten Auslandsmissionen des Bundesheeres

in Mali in Westafrika oder im

Libanon sind ohne Tank-Zwischenstopps

für Standard-„Herkys“ nicht erreichbar.

Das war vor allem während der Coronapandemie

mit gesperrten Flughäfen eine

Herausforderung, kann in Kriegs- oder

Krisenzeiten aber neuerlich zum Problem

werden. Der neue Lufttransporter

des Heeres sollte daher solche Distanzen

nonstop schaffen.

Stück) und den Niederlanden

(fünf Stück als C-

130-Ersatz) auch eine europäische

„User-Community“ aufbauen.

Tschechien ist ebenfalls an zwei

Maschinen interessiert. Dabei dürften

insbesondere mit den Niederlanden auch

die vom österreichischen Verteidigungsministerium

gewünschten Kooperationsmöglichkeiten

auf Regierungsebene

(G2G-Geschäft) bestehen.

Militär Aktuell hat sich im Juni im Rahmen

eines Mitflugs (Mission in KC-Tankerkonfiguration)

ein erstes Bild vom

brasilianischen Transporter gemacht.

Dabei fiel die – abhängig von der gewünschten

Reichweite – um drei bis

sechs Tonnen größere Nutzlast und die

höhere Reisegeschwindigkeit als bei der

C-130 auf. Augenscheinlich war zudem

der breitere und höhere Laderaum, der –

wie in einer Vorführung zu sehen war –

auch die problemlose Be- und Entladung

eines 8×8-Pandurs (samt Turm) möglich

macht.

des Heeres, dann soll jeweils ein ausgerüstetes

18,5 Tonnen schweres Fahrzeug

im Bauch eines Transporters Platz finden.

Das ist aktuell in unseren C-130 und

den neueren Super Hercules nur möglich,

wenn davor die Waffenstation abgebaut

und aus Gewichtsgründen nicht

im selben Flugzeug transportiert wird.

Ein ganz wesentliches Kriterium dürfte

bei der Typenwahl außerdem die Reichweite

darstellen. Die aktuell am weitesten

Ein Vorteil der C-130J mit ihren vier Turboprop-Motoren:

Die im Vergleich zum

zweistrahligen Embraer-Jet kürzeren

Start- und Landestrecken und ihre „ passende“

Zuladungskapazität. Heeresintern

dürfte es Sorgen geben, dass die etwas

größere C-390M für die routinemäßigen

Versorgungsflüge der Balkan-Kontingente

überdimensioniert ist und daher

nicht ausgelastet sein könnte. Die Verantwortlichen

denken daher alternativ

auch an eine Zwei-Flotten-Strategie, also

eine Ergänzung der drei bis vier neuen

großen Maschinen (C-130J oder C-

390M) mit zwei bis drei zweimotorigen

Leonardo C-27J oder Airbus C-295. Al-

Apropos: Die beim Heer gerade in größerer

Stückzahl zulaufende 6×6-Version

des Pandur Evolution dürfte die Typenwahl

hierzulande zumindest mitentscheiden.

Geht es nach den Wünschen

NEUER VERTRAGSPARTNER Von März bis November wurde eine unserer drei Hercules-Maschinen bei OGMA in Portugal

grundüberholt.

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 2 H E E R & M E H R

leine schon aus Personalgründen dürfte

ein derartiges Vorhaben aber wohl nur

schrittweise zu stemmen sein.

Denkbar ist übrigens auch, dass man bei

der Beschaffung – wie schon beim Ankauf

unserer aktuellen Hercules-Flotte –

erneut auf gebrauchte ältere Maschinen

setzt. Dabei könnten die ab 2025 verfügbaren

und in den Jahren 2000 bis 2002

gebauten Juliets der RAF zum Thema

werden. Allerdings sieht man heeres -

intern sowohl die Ausführung der

britischen Maschinen mit gestrecktem

Rumpf (mehr Volumen bei gleicher

Nutzlast) als auch den voraussichtlich

höheren Wartungsund

Erhaltungsaufwand kritisch. Zudem

ist nicht klar, ob der aus Materialermüdungsgründen

notwendige Tausch der

zentralen Flügelkästen der weltweit stark

genutzten Maschinen (11.000 bis 14.000

Flugstunden pro Stück) noch bei Marshall-Aerospace

UK durchgeführt würde.

Wie man hört, haben unsere Entscheidungsträger

als Reaktion auf zu lange

Stehzeiten dort, das Nichteinhalten

von Fristen und deutliche Verteuerungen,

die eigentlich bei Marshall-Aerospace

geplanten Grundüberholungen

unserer C-130K zur Firma OGMA nach

Portugal übersiedelt (siehe auch Interview

mit OGMA-Chef João José Santos

auf Seite 47). Dies wurde mit Hilfe der

NATO Support and Procurement Agency

(NSPA) arrangiert. NATO-PfP-Partnerstaaten

können sich für bestimmte

Wartungen oder Upgrades an Unterstützungspartnerschaften

beteiligen.

Die Wahl von OGMA (Oficinas Gerais

de Material Aeronáutico = Allgemeine

Werkstätten für Luftfahrtmaterial) ist

mit Blickrichtung Zukunft durchaus

spannend: Der weitläufige frühere Luftwaffen-Staatsbetrieb

mit eigener 3.000-

Meter-Piste gehört seit mehr als zehn

Jahren nämlich ausgerechnet zu Embraer.

Die Brasilianer fertigen dort sogar

Teile ihres C-390M, während einige

Meter weiter während eines Besuchs

von Militär Aktuell eine unserer C-130K

(8T-CC) grundüberholt wurde. Daneben

wurde aber auch an zahlreichen anderen

Maschinen der USAF, aus Brasilien,

Griechenland, aus dem Tschad, den

Philippinen, Ex-Afghanistan, aus Guinea

und Chile gearbeitet.

Die möglichen

Hercules-Nachfolger

Lockheed Martin C-130J Super Hercules

Länge 29,79 Meter

Spannweite 40,41 Meter

Höhe 11,58 Meter

Triebwerke 4 x RR AE 2100 D3

Leistung 11,3 kN (Turboprop) je Triebwerk

Besatzung 3 (zwei Piloten & ein Lademeister)

Kapazität 64 Soldaten

Embraer C-390M Millennium

Länge 35,20 Meter

Spannweite 35,05 Meter

Höhe 11,82 Meter

Triebwerke 2 × IAE V2500-E5

Leistung 139 kN (Turbofan) je Triebwerk

Besatzung 3 (zwei Piloten & ein Lademeister)

Kapazität 80 Soldaten

Maximale Nutzlast 19.050 Kilogramm

Maximales Startgewicht 70.307 Kilogramm

Maximale Geschwindigkeit 670 km/h

Dienstgipfelhöhe 8.500 Meter

Reichweite (mit 15,5 Tonnen Beladung)

3.300 Kilometer

Überstellungsreichweite 5.078 Kilometer

Maximale Nutzlast 26.000 Kilogramm

Maximales Startgewicht 86.999 Kilogramm

Maximale Geschwindigkeit 880 km/h

Dienstgipfelhöhe 11.000 Meter

Reichweite (mit 15,5 Tonnen Beladung)

5.820 Kilometer

Überstellungsreichweite 8.500 Kilometer

M I L I T Ä R A K T U E L L


UNSERHEER

EINE INFORMATION DES BMLV

Entgeltliche Einschaltung

Mission vorwärts: Gerüstet

für die Aufgaben von morgen

Nun ist es also fix: Das Bundesheer bekommt mehr Geld. In den nächsten

vier Jahren wird das Budget von aktuell 2,7 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf

dann 5,3 Milliarden Euro erhöht. Die neuen Mittel sollen unter anderem in die

Mobilität und die Ausstattung der Truppe, in eine Modernisierung der Panzerkräfte,

in die Luftraumüberwachung und in die Autarkie investiert werden.

Foto: Bundesheer/Trippolt

Wir erleben eine Zeitenwende. Schon

unmittelbar nach Beginn der Kämpfe

in der Ukraine war klar: Europa wird

sicherheitspolitisch nie mehr so sein

wie vor dem 24. Februar. Bis zu diesem

Tag war über Jahrzehnte hinweg

ein konventioneller Krieg auf dem

Kontinent für die meisten Europäer

völlig undenkbar gewesen. Quasi

über Nacht wurden im Osten des

Kontinents aber neue Realitäten

geschaffen. Dort fielen plötzlich

Bomben und Raketen auf Städte, die

näher an Wien sind als Bregenz, und

am ganzen Kontinent machte sich

ein Gefühl der Unsicherheit breit.

Eine „Zeitenwende“ bedeutet die

durch den Ukraine-Krieg ausgelöste

Unsicherheit auch für das Budget

des Bundesheeres. Nachdem schon

in den vergangenen Jahren mit An-

UNSERHEER


stiegen des Etats auf die sich verändernde

Sicherheitslage in Europa

reagiert worden war, beschloss die

Regierung nun kürzlich neben einer

Stärkung der Umfassenden Landesverteidigung

auch eine signifikante

Erhöhung der Verteidigungsausgaben.

Angesichts der Entwicklungen

in der Ukraine sollen in den

kommenden Jahren deutlich mehr

Mittel als jemals zuvor in die rotweiß-roten

Streitkräfte fließen. Ziel

ist es, mit den zusätzlichen Geldern

die militärischen Kernkompetenzen

des Heeres auszubauen

und zu stärken. Der militärischen

Landesverteidigung soll damit wieder

der Stellenwert gegeben werden,

den sie eigentlich verdient

und der angesichts der aktuellen

Bedrohungslage notwendig erscheint.

Ausgehend vom aktuellen Budget

von rund 2,7 Milliarden Euro werden

im kommenden Jahr bereits

3,3 Milliarden Euro (plus 680

Millionen Euro) in das Bundesheer

investiert. Bis 2027 wird das jährliche

Budget dann schrittweise auf

sogar 5,3 Milliarden Euro (exklusive

der Pensionen) angehoben.

Darüber hinaus soll das Verteidigungsbudget

durch ein Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz

bis

2032, also für die kommenden

zehn Jahre, abgesichert werden.

Dieser beschlossene Budgetpfad

erlaubt den Streitkräften einerseits

eine langfristige Planungsperspektive.

Andererseits werden damit aber

endlich auch zahlreiche dringend

benötigte und vor allem auch substanzielle

Investitionen in unterschiedlichste

Bereiche möglich

gemacht.

Budget für Landesverteidigung

in Milliarden Euro

2,7 3,3 3,7 4,2 4,7 5,3

Neues Gerät geplant Das Heer wird in den kommenden Jahren zahlreiche neue Fahrzeuge

und Fluggeräte beschaffen. Heuer soll der erste neue Leonardo-AW169-Hubschrauber als

Nachfolger der Alouette III zulaufen.

Dazu wurden in den vergangenen

Wochen und Monaten durch den

Generalstab fundierte Konzepte

ausgearbeitet und im „Aufbauplan

ÖBH2032“ drei Schwerpunkte (siehe

Details auf der nächsten Seite)

festgelegt. Diese haben eine Verbesserung

der Mobilität der Einsatzkräfte

ebenso zum Ziel wie

eine größere Autarkie der Armee

zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft.

Es soll unter anderem in

neue und moderne Transportfahrzeuge

und geschützte Fahrzeuge

investiert werden. Im Fokus steht

aber auch der Ausbau der Lufttransportfähigkeiten,

eine weitere

Modernisierung der Hubschrauberflotte

und der aktiven Luftraumüberwachung

sowie eine Aufwertung

der mechanisierten Truppe mit

Modernisierungen von Kampfpanzern,

Schützenpanzern, Pionierpanzern

und Artillerie. Soldatinnen und

Soldaten werden zudem mit moderner

persönlicher Ausrüstung ausgestattet

und Kasernen sollen autark

werden, um ausreichend Versorgungsgüter

und hochwertige Sanitätsversorgung

im Krisenfall zur

Verfügung zu haben.

2022 2023 2024 2025 2026 2027

UNSERHEER

Mit den Investitionen verbunden ist

auch eine weitere Attraktivierung

des Arbeitgebers Bundesheer.

Schon in den vergangenen Jahren

wurden viele Maßnahmen gesetzt,

sorgte der Zulauf von neuem Gerät

wie den Mannschaftstransportfahr-

Fotos: Bundesheer


Aufbauplan ÖBH2032: die Schwerpunkte

1. Verbesserung der Mobilität der Einsatzkräfte

Das Schwergewicht bildet der Bereich der geschützten

Mobilität, insbesondere der Ergänzung der geschützten

Fahrzeugflotte sowie dringend benötigter

Transportfahrzeuge. Auch in der Luft müssen die

Transportfähigkeiten ausgebaut und verbessert

sowie die Hubschrauberflotte weiter modernisiert

werden. Die aktive Luftraumüberwachung muss

auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden und

durch die Erweiterung und Modernisierung der

Flotten auch weiterhin sichergestellt werden.

Entgeltliche Einschaltung

2. Erhöhung des Schutzes und der Wirkung

für unsere Soldatinnen und Soldaten

Alle Soldatinnen und Soldaten werden mit moderner

persönlicher Ausrüstung, dem benötigten Individualschutz

sowie Mitteln für Nachtkampf und

Kommunikation ausgestattet, damit sie ihre Aufträge

bei Tag und Nacht präzise erfüllen können.

Es wird in den Kernbereich der militärischen Landesverteidigung,

in den Schutz vor Bedrohungen

aus der Luft und in fortschrittliche Sensoren für

unsere Aufklärungskräfte investiert. Die mechanisierte

Truppe mit Kampfpanzern, Schützenpanzern,

Pionierpanzern und der Artillerie wird

modernisiert, wodurch Panzerschutz, Feuerkraft

und hohe Beweglichkeit sichergestellt werden.

3. Autarkie zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft

Autarke Kasernen mit hohem Schutzgrad, ausreichend

Versorgungsgütern und hochwertiger

Sanitätsversorgung bilden die Basis für die Aufrechterhaltung

der Einsatzfähigkeit. Energie für

die Infrastruktur wird zu einem hohen Anteil

selbst erzeugt. Der Kampf im Cyber-Raum und

die elektronische Kampfführung sind heute auf

dem Gefechtsfeld nicht mehr wegzudenken.

Digitale Führungs- und Kommunikationsmittel

bilden die Voraussetzung für den wirkungsvollen

Einsatz des modernen Bundesheeres. Daher

wird auch in diese Bereiche massiv investiert.

zeugen Pandur Evolution und des

Universalgeländefahrzeugs BvS10

Hägglunds für neue Motivation bei

der Truppe. Demnächst wird auch

der erste der insgesamt 18 bestellten

neuen Leonardo-Hubschrauber

AW169 in Österreich

landen. Das Jägerbataillon 18 aus

St. Michael wurde als familienfreundlicher

Arbeitgeber ausgezeichnet

und beim Aufklärungsund

Artilleriebataillon 7 in Feldbach

kürzlich ein neu errichtetes

Unterkunftsgebäude offiziell übergeben.

In Villach ist der Bau einer

neuen Großkaserne geplant und in

Güssing steht überhaupt eine der

modernsten Kasernen Europas.

UNSERHEER


Entgeltliche Einschaltung

Vielfalt – Sicherheit – Mehrwert – Perspektive Das Bundesheer bietet unter diesen Schlagworten zahlreiche interessante

Jobmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Sparten und Bereichen.

Bild: Bundesheer/Steinberger

Impressum: Amtliche Publikation der Republik Österreich / Bundesministerium für Landesverteidigung. Medieninhaber, Herausgeber und

Hersteller: Republik Österreich / Bundesministerin für Landesverteidigung, BMLV, Roßauer Lände 1, 1090 Wien. Erscheinungsjahr: 2022.

Druck: Heeresdruckzentrum 18-101010100.

UNSERHEER

Darüber hinaus punktet das Heer

mit dem Motto „Vielfalt – Sicherheit

– Mehrwert – Perspektive“

seit Jahren mit guten Aufstiegsmöglichkeiten,

Chancengleichheit,

sicheren Arbeitsplätzen und nicht

zuletzt auch interessanten Jobs

und Ausbildungsschienen: An der

Theresianischen Militärakademie

startete heuer erstmals der Fachhochschul-

Bachelorstudiengang

„Militärische informations- und

kommunikationstechnologische

Führung“ und mit dem Wintersemester

2022/23 wurden sechs

Soldaten als erste Militär-Medizinstudenten

an der Medizinischen

Universität Wien aufgenommen.

Die Studierenden bekommen alle

anfallenden Kosten wie die laufenden

Studiengebühren erstattet

oder auch notwendige Unterkünfte

zur Verfügung gestellt.

Das Bundesheer beschäftigt aber

auch noch Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter in Dutzenden anderen

Berufen. Dazu gehören beispiels -

weise Jäger und Förster, Piloten

und Waffenmeister. Aber auch

Werkstoffprüfer, IT-Techniker, Mechaniker,

Köche und viele mehr.

Pro Jahr ermöglicht das Heer

darüber hinaus zahlreichen jungen

Österreicherinnen und Österreichern

eine Ausbildung in rund

35 verschiedenen Lehrberufen,

die nicht alltäglich sind. Denn wer

kann schon behaupten, an gepanzerten

Radfahrzeugen zu arbeiten

oder sein Handwerk an Hubschrauberturbinen

zu erlernen?


INTERVIEW

„WIR BRAUCHEN PERSONAL“

Auch vor dem Bundesheer macht der in

ganz Europa bestehende Ärztemangel

nicht halt. Wir haben mit Oberstarzt

Andreas Kaltenbacher, dem stellvertretenden

Heeressanitätschef, über

die aktuelle Situation und geplante

Gegenmaßnahmen gesprochen.

Interview: CONNY DERDAK

FOTOS: BUNDESHEER/MINICH, BEIGESTELLT

Herr Kaltenbacher, wie

groß ist der Bedarf

beim Heer im medizinischen

Bereich?

Im Bereich des militärischen

Gesundheitswesens,

das neben der Medizin auch das

militärische Veterinär- und Pharmaziewesen

sowie die klinische Psychologie

umfasst, besteht Nachholbedarf. Der

Krieg in der Ukraine zeigt, dass die medizinische

Versorgung der Soldaten und

der Zivilbevölkerung ein starkes und

leistungsfähiges militärisches Gesundheitswesen

benötigt. Um hier auch in

Österreich wieder leistungsfähig zu werden,

brauchen wir Gerät, Ausstattung,

Infrastruktur und vor allem Personal.

Mit welchen Maßnahmen wird

diesem Bedarf nun begegnet?

Es erfolgen nicht nur Planungen, sondern

auch laufend Beschaffungen. Das

Ressort hat neben Personalwerbungsmaßnahmen

auch mit dem Programm

„Militärmedizinstudent“ reagiert. Wir

wollen auch mit neuen Vertragsmodellen

und flexiblen Lösungen für Militär -

ärzte attraktiver für Interessenten werden.

Aber auch im Bereich der Sanitäter

und der Gesundheits- und Krankenpflege

haben wir ständigen Bedarf. Auch

hier werden neue Laufbahnen ausgeplant,

die zu einer Attraktivitätssteigerung

beitragen sollen. Wir erarbeiten

zudem Lösungen, um auch für den

gehobenen medizinisch-technischen

Dienst, das sind zum Beispiel Radiologietechnologen

und biomedizinische

Analytiker, attraktiver zu werden.

Und wie sieht es beim Bereich Ausrüstung

und Ausstattung aus?

Da muss eine laufende Adaptierung an

die neuesten Entwicklungen erfolgen.

Mit den durch die Frau Bundesminister

erreichten zusätzlichen Mitteln erwarten

wir eine deutliche Verbesserung. So

sind zum Beispiel die Beschaffungen von

zusätzlichen geschützten und gehärteten

Patiententransportmitteln bereits in der

konkreten Planung. In den Militärkrankenanstalten

werden laufend Verbesserungen

durchgeführt und der Neubau

der Krankenanstalt in Innsbruck ist

ebenfalls ein Meilenstein.

Wie lange wird es dauern, bis die

Maßnahmen greifen?

Natürlich können die Ziele nicht innerhalb

weniger Monate erreicht werden.

Es geht neben den Sofortmaßnahmen

daher auch um Mittelfristplanungen, die

das Bundesheer für seine Aufgaben vorbereiten

sollen, um die Ziele schrittweise

zu erreichen.

Was unterscheidet die Ausbildung

zum Militärarzt/-ärztin vom üblichen

Medizinstudium?

Alle im militärischen Gesundheitswesen

tätigen fachdienstlichen Berufsgruppen

besitzen die vollwertigen zivilen Ausbildungen.

Daher unterscheidet sich das

Studium nicht vom üblichen Medizinstudium.

Zusätzlich müssen aber natürlich

auch militärische Ausbildungen absolviert

werden. Im ärztlichen Bereich

können Spezialisierungen angeboten

werden, wie etwa tropenmedizinische

Vertiefungen oder fliegermedizinische

Ausbildungen. Im Rahmen von Auslandseinsätzen

können Erfahrungen im

internationalen Umfeld gewonnen und

die Versorgung von Patienten in einem

ungewohnten Umfeld durchgeführt

werden. Auch individuelle Wünsche für

Spezialisierungen werden zum Teil erfüllt.

Ein Anreiz sind auch die vielfältigen

Möglichkeiten, als Arzt im Ressort

eingesetzt zu werden – etwa in Stellungskommissionen,

in Militärkrankenanstalten,

beim Jagdkommando oder in

Funktionen in Stäben und der Führung.

GESPRÄCHSPARNTER Oberstarzt

Andreas Kaltenbacher: „Wir werden

unsere Ziele schrittweise erreichen.“

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 8 H E E R & M E H R

„Wir sind draußen im Gebirge

die Fühler und Augen des

Kommandanten und damit in

vielen Fällen eine wichtige

Entscheidungshilfe für ihn.“

Stabswachtmeister Marco Schmid

DER ALPIN-

ERKUNDER

Stabswachtmeister Marco Schmid ist Kommandant des Erkundungstrupps der

2. Jägerkompanie beim Hochgebirgs-Jägerbataillon 23. Er macht in dieser Funktion

alpine Wege für die Truppe begehbar und berät den Kompaniekommandanten in

alpinistischer Hinsicht. Wir haben ihn einen Tag lang bei seiner Arbeit begleitet.

Text: JÜRGEN ZACHARIAS

Fotos: SEBASTIAN FREILER

M I L I T Ä R A K T U E L L


TRUPPENBESUCH

INTERVIEW

„Das Wetter muss einem

bei uns egal sein.“

Herr Stabswachtmeister, Sie sind Kommandant

eines Erkundungstrupps. Mit welchen

Aufgabestellungen sind Sie konfrontiert?

Das ist sehr unterschiedlich. Wir beraten den

Kompaniekommandanten bei Alpinfragen,

wir machen aber auch das Gelände im Gebirge

für die Truppe begehbar. Dazu gehört die

Erstellung von Schneeprofilen und die Einschätzung

der Lawinengefährlichkeit eines

Hanges im Winter ebenso wie die Spuranlage

bei der Querung des verschneiten Gebietes.

Wir bringen bei Bedarf auch Hilfsseile für die

nachrückende Truppe an, wir errichten Ablassstellen

und machen Steilstufen begehbar.

HARTE ARBEIT Zur Überwindung einer Felswand errichten

Marco Schmid und seine Kameraden Ablassstellen, Seilbahnen

und Seilgeländer. Dazu bohren sie zuerst Löcher in den Fels

und befestigen darin Expansionshaken. Flaschenzüge (siehe

Bild ganz oben) und die Unterstützung von Kameraden am

Boden ermöglichen auch den Transport von schwerem Material.

SCHWERES GEPÄCK Die Planung, welches Gepäck mitgenommen

wird, ist bei der Einsatzvorbereitung des Erkundungstrupps

von entscheidender Bedeutung. Das Equipment sollte

einerseits der Auftragslage angepasst sein, andererseits aber

auch nicht zu schwer ausfallen, um sich im Gelände trotzdem

sicher und rasch fortbewegen zu können. „Im Zweifelsfall

bleiben das Ersatz-T-Shirt und die zweite Unterhose daher

lieber zu Hause“, sagt Stabswachtmeister Schmid und lächelt.

Mit Steilstufen meinen Sie Felswände?

Genau. Wenn es möglich ist, umgehen wir

derartige Schwierigkeiten natürlich, aber immer

geht das nicht und dann errichten wir

Seilgeländer oder auch eine Seilbahn, um die

rasche Nach-, aber auch Rückführung von

Soldaten und Material zu ermöglichen. Wir

verwandeln die Hürde Fels also in eine funktionierende

Nachschub- und Rückzugslinie.

Betreut der Erkundungstrupp dann diese

Einrichtungen auch?

Das kann in Ausnahmefällen notwendig sein.

Prinzipiell übergeben wir die Anlagen aber an

Kameraden, um weiter vorrücken und schon

wieder die nächsten Geländeabschnitte begehbar

machen und sichern zu können.

Was muss ein Soldat mitbringen, um Teil eines

Erkundungstrupps werden zu können?

Man sollte in jedem Fall gebirgsaffin sein, sich

im alpinen Gelände gut fortbewegen können

und als Kommandant im Idealfall die Ausbildung

zum Heeresbergführer absolviert haben.

Den Sommerteil habe ich bereits hinter mir,

in den kommenden Monaten absolviere ich

nun auch den Winterteil. Eine ganz wesentliche

Voraussetzung ist außerdem eine gute

Kondition, wichtig sind zudem Knoten- und

Seilkunde sowie Erfahrung und ein Blick für

das Gelände und seine Möglichkeiten. Außerdem

sollte einem das Wetter egal sein (lacht).

Wir müssen unsere Aufgaben schließlich

auch bei widrigen Bedingungen und nachts

zuverlässig autark erfüllen können. Im Worst

Case müssen wir uns innerhalb unseres Dreier-Teams

bis zu 48 Stunden selbst versorgen.

TROCKENTRAINING Wie überall im

Leben ist auch für Stabswachtmeister

Marco Schmid eine gute Vorbereitung

die beste Voraussetzung für erfolgreiche

Einsätze. Der Hochgebirgsjäger

besucht daher regelmäßig den Fitnessraum

in der Kaserne (Bilder oben),

gemeinsam mit Kameraden trainiert er

aber auch an der Kletterwand.

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 0 H E E R &

M

E H R

MISSIONPOSSIBLE

OUTDOOR ÜBERLEBEN MIT DEM

JÄGERBATAILLON

Von der Überquerung eines Gewässers und der Nahrungssuche in der Wildnis

bis zur Orientierung im Gelände: Gemeinsam mit dem Jägerbataillon 25

beschreiben wir in jeder Ausgabe Outdoor-Überlebenstechniken. Dieses Mal:

der Bau einer Schneehöhle und andere Unterschlupf-Varianten im Schnee.

Text: JÜRGEN ZACHARIAS

Fotos: SEBASTIAN FREILER

D

as Wetter kann uns

Menschen extrem zusetzen.

Das gilt für die

Hitze im Sommer mit

deutlich erhöhtem Trinkwasserbedarf,

besonders aber für den Winter,

wenn die kürzeren Tage, starken

Winde, eisigen Temperaturen und

Schnee große Herausforderungen

darstellen. Einerseits erschwert diese

kühle Kombination die Nahrungssuche,

andererseits droht unser Körper

dadurch rasch auszukühlen. Um uns

trotzdem warmzuhalten, muss er

härter arbeiten und mehr Energie

verbrennen als im Sommer, was

schon kurz- bis mittelfristig an unseren

Kräften zehrt. Der beste Weg,

um diesen Substanzverlust in Grenzen

zu halten, ist warme Kleidung,

wobei das Zwiebelprinzip gilt:

Mehrere dünne Schichten isolieren

besser als eine dicke Schicht.

1

Standort suchen

2

Wichtig bei einem längeren Aufenthalt

in kalter Umgebung ist aber

auch eine wärmende und vor Wind

sowie Nässe schützende Unterkunft

für die Nacht und Ruhephasen. Dabei

gibt es gleich mehrere praktikable

„Do-it-yourself“-Lösungen. Wie

ein Schüttbiwak errichtet wird, haben

wir bereits in unserer Ausgabe

Nr. 4/2021 erklärt. Heute wollen

wir uns daher auf mehrere einfache

Unterschlupf-Möglichkeiten für den

Höhle graben

M I L I T Ä R A K T U E L L


SURVIVAL GUIDE

Notfall (siehe Seite 42) und vor allem

die Konstruktion einer Schneehöhle

konzentrieren. Dabei gilt: Der Bau

ist zwar aufwendig, die Mühen

machen sich aber spätestens dann

bezahlt, wenn allem Umgebungsfrost

zum Trotz die Temperaturen

im Innenraum in der Nacht sogar

leichte Plusgrade erreichen.

Zur Konstruktion braucht es nicht

mehr als eine Schaufel, eine Plane

(Biwaksack, Regentarp, …) und idealerweise

eine Lawinensonde sowie

jede Menge Schnee und einen passenden

Standort. Geeignet sind mit

Pappschnee bedeckte Stellen auf der

Leeseite (also der windabgewandten

Seite) von Hügeln, aber auch

Schneewehen mit fester Kruste. Um

unnötige Schinderein zu vermeiden,

empfielt es sich, in einem ersten

Schritt mit der Lawinensonde die

Schneehöhe zu überprüfen (1).

Dabei sollten zumindest zwei Meter

Platz sein, bevor man auf festen

Untergrund stößt.

Ist eine geeignete Stelle gefunden,

kann der eigentliche Bau starten (2).

Dabei graben wir zunächst mit der

Schaufel einen rund einen Meter

langen Tunnel in die Schneewehe

und weiten diesen dann schräg nach

oben hin zu einer Höhle. So entsteht

ein Kältegraben, über den später die

kalte Luft abfließen kann, während

die warme Luft im Schlafbereich

bleibt.

Nun geht es um den Innenausbau

(3): Dazu mit der Schaufel vorsichtig

Schnee von Decke und Wänden

kratzen, die Höhle kuppelförmig

auskoffern und den Schnee mithilfe

einer Plane nach draußen befördern

(4). Achtung: Nicht mehr weitergraben,

wenn Licht durch den Schnee

3

Innenausbau

4

Schnee

abtransportieren

Höhle fertigstellen

5

6

Höhle einrichten

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 2 H E E R &

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E H R

zu sehen ist. Die Wände werden ansonsten

zu dünn und es besteht die

Gefahr eines Einsturzes. Die Höhle

sollte am Ende aber trotzdem hoch

genug sein, um darin sitzen, und tief

genug, um darin liegen und die Ausrüstung

verstauen zu können (5).

Abschließend gilt es die Höhle abzusichern

und einzurichten (6). Dazu

außen die ungefähren Ränder des

Unterschlupfs mit Zweigen markieren,

um zu verhindern, das man

selbst – oder jemand anderer – unbeabsichtigt

auf die Höhle tritt und diese

möglicherweise zum Einsturz

bringt. Außerdem den Schlafplatz

mit dünnen Zweigen und Blättern

isolieren und mindestens ein Belüftungsloch

in die Decke bohren.

Reichen die Zeit und die zur Ver -

fügung stehenden Ressourcen für

eine Schneehöhle oder ein Schüttbiwak

nicht, kann alternativ auch einfach

ein „Schlafgraben“ errichtet werden.

Dazu an einem vor Witterungseinflüssen

bestmöglich geschützten

Platz mit einer Schaufel einen Graben

mit zumindest 80 Zentimetern

Tiefe und rund zwei Metern Länge

ausheben. Anschließend Äste und

Zweige über das Loch legen, mit einer

Plane überdecken und einer mindestens

30 Zentimeter dicken Schneeschicht

isolieren (7). Alternativ lässt sich auf

einer Längsseite des Grabens auch

eine Liegeplattform aus dem Schnee

arbeiten (8).

Expertentipp

„Der Bau einer Unterkunft für die

Nacht sollte mit möglichst wenig

Kraftaufwand gelingen. Man sollte

daher nicht Stunden in die Errichtung

einer Schneehöhle investieren, in der

man dann nur eine Nacht verbringt.“

Soldat des Jägerbataillons 25

Sind selbst diese Arbeiten zu aufwendig

oder lässt die Schneehöhe den

Bau einer Höhle oder eines „Schlafgrabens“

nicht zu, kann notfalls auch

auf natürliche Unterstände wie den

oft schneefreien Bereich rund um

Baumstämme unter besonders tief

hängenden Ästen ausgewichen werden

(9). Dabei den Boden ebenso wie

im „Schlafgraben“ mit Zweigen und

Blättern isolieren. Ein kleines Feuer

(idealerweise in einigen Metern Entfernung)

kann neue Kraft geben und

zur Erwärmung einer kleinen Mahlzeit

genutzt werden. Steht eine Rettungsdecke

zur Verfügung (sollte Teil

jedes Erste-Hilfe-Sets sein), lässt sich

auch damit im Worst Case ein allzu

rasches Abkühlen des Körpers verhindern.

Dazu an einer wind- und

nässegeschützten Stelle in die Decke

wickeln – eine Plane verspricht zusätzlichen

Schutz vor Witterungseinflüssen.

9

10

7

8

M I L I T Ä R A K T U E L L


ADVERTORIAL

DIE NÄCHSTE

JET-TRAINER

GENERATION

er L-39NG des tschechischen

Herstellers

D

Aero Vodochody war

im September eines

der Highlights der

AirPower in Zeltweg.

Erstmals konnte der moderne Jet-Trainer

in Österreich aus der Nähe bestaunt

werden und Aero nutzte die Gelegenheit,

um mit Industriepartnern sowie

potenziellen Kunden ins Gespräch zu

kommen und neue Geschäfte anzubahnen.

So wurde beispielsweise mit dem

österreichischen Hersteller Airborne

Technologies ein „Memorandum of

Understanding“ zur gemeinsamen Entwicklung

und Integration von Aufklärungssystemen

(Pod) in den L-39NG

unterzeichnet.

Der moderne Jet-Trainer ähnelt optisch

seinem legendären Vorgänger, dem L-39

Albatros, der weltweit tausendfach verkauft

wurde und noch immer bei zahlreichen

Armeen im Einsatz ist. Inhaltlich

ist das Modell aber eine hundertprozentige

Neuentwicklung und deckt

alle Anforderungen ab, die Streitkräfte

von einem modernen Trainer verlangen.

Darüber hinaus kann die waffenfähige

Version des L-39NG sogar als leichtes

Kampfflugzeug eingesetzt werden und

vielfältige Luftunterstützungs- und Aufklärungs-Missionen

übernehmen.

Aus Sicht von Aero Vodochody könnte

der L-39NG daher auch für das Bundesheer

eine interessante Option darstellen.

Durch den Betrieb würden sich

nicht nur enorme Kostenvorteile im

Vergleich zur Ausbildung von Kampfpiloten

im Ausland ergeben, das Bundesheer

würde damit auch seine Einsatzfähigkeit

erhalten. Dank einer Zusammenarbeit

mit der Agentur für zwischenstaatliche

Zusammenarbeit

(AMOS) des tschechischen Verteidigungsministerims

wäre sogar eine Beschaffung

auf Länderebene (Government-to-Government)

möglich. Ein

Deal würde sich in Form langfristiger

Industriekooperationen für Österreich

auch wirtschaftlich lohnen. So könnten

heimische Unternehmen an der Fertigung,

Wartung und Servicierung der

Trainingsplattform partizipieren und

von der enormen Erfahrung des tschechischen

Unternehmens profitieren.

Aero Vodochody ist seit mehr als 100

Jahren erfolgreich auf die Entwicklung

und Fertigung von zivilen und militärischen

Flugzeugen sowie Bauteilen

spezialisiert und arbeitet auch aktuell

in unterschiedlichen Projekten mit den

renommiertesten Flugzeugbauern der

Welt zusammen. Zeit seines Bestehens

haben mehr als 11.000 Flugzeuge die

Moderne Plattform. Der L-39NG verfügt

über alle notwendigen internationalen

Zulassungen und erfreut sich weltweit großen

Interesses bei Luftwaffen.

Produktionshallen von Aero verlassen

und dank dem L-39NG dürfte diese

Zahl schon bald weiter steigen. Erste

Maschinen sind jedenfalls bereits in der

Auslieferung und nachdem sich Ungarn

bereits zu Jahresanfang für zwölf

L-39NG entschieden hat, wurde kürzlich

auch mit dem tschechischen Verteidigungsministerium

die Lieferung

von vier Maschinen vereinbart. „Das

Interesse und positive Feedback heimischer

Nutzer ist eine wichtige Referenz

für uns“, so Aero-Präsident Viktor Sotona.

„Wir sehen den Vertrag als weitere

Bestätigung der hohen Qualität und

Praxistauglichkeit unserer Maschinen.“

Fotos: Aero Vodochody

Vertragsabschluss.

Kürzlich fixierten

Vertreter von Aero

und des tschechischen

Verteidigungsministeriums

den Kauf von

vier L-39NG für die

tschechische Luftwaffe.

Schon zu Jahresanfang

hat Ungarn zwölf Maschinen

bestellt, die ab 2024

geliefert werden.

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 4 H E E R &

M

E H R

Teil 3

der neuen Militär

Aktuell-Serie zur

Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule

TECHNIKER

SCHMIEDE

Die Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule am Fliegerhorst Brumowski

bildet nicht nur die Piloten und Fliegerabwehrkräfte des Bundesheeres aus – sondern

auch die Militärluftfahrzeugtechniker. Text: GEORG MADER

eder, der schon einmal

J

einen Blick unter die

Haube eines Hubschraubers

oder Flugzeugs

werfen durfte, weiß: Mit

der Übersicht ist es da

schnell vorbei. Scheinbar

wirr laufen Kabelstränge von hier nach

da, bauen größere und kleinere Komponenten

aufeinander auf, sorgen Ventile,

Schalthebel und Relais für Unübersichtlichkeit.

Luftfahrzeugtechniker müssen

natürlich trotz des vermeintlichen

Durcheinanders stets den Durchblick

bewahren. Sie warten, kontrollieren und

reparieren die Maschinen schließlich,

sie sind für deren Betriebssicherheit und

Funktionstüchtigkeit verantwortlich.

Dazu gehören Routinekontrollen ebenso

wie Instandhaltungsarbeiten. Sie führen

Wartungsjournale, halten Arbeitsschritte

penibel in Protokollen fest.

Was genau sie im Fall der Fälle zu tun

haben, welche Arbeitsschritte anstehen

und wie sie diese am besten bewerkstelligen,

lernen die angehenden Militärluftfahrzeugtechniker

des Bundesheeres bei

der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule

in Langenlebarn. Am dortigen

Institut Militärluftfahrttechnik werden

für die Angehörigen der militärluftfahrttechnischen

und -logistischen Dienste

(MLLD) aber auch alle für Wartung und

Betrieb von Militärluftfahrzeugen erforderlichen

Folgeausbildungen angeboten,

wie Institutsleiter Oberst Erich

Winklbauer betont.

Im Gespräch mit Militär Aktuell bezeichnet

er sein Institut und dessen

Fachbereiche als „klein, aber fein“. Das

Angebot reiche weit über die klassische

Flugzeugwart- und Mechanikerausbildung

hinaus. Dazu zähle etwa auch eine

Schulung auf dem heeresintern entwickelten,

waffengattungsübergreifenden

elektronischen Logistik-Infosystem (LO-

GIS) für die gesamten Luftstreitkräfte.

Eine Ausnahme bilde dabei nur die Luftraumüberwachung,

also alles was die

Logistik am Eurofighter betrifft. Aber

auch dabei sei man unterstützend aktiv,

so Winklbauer.

Mit der strukturierten Ausbildung des

luftfahrttechnischen Personals wurde

hierzulande 1958 mit der Aufstellung

der Fliegertechnischen Schule begonnen.

Schon damals wurde dabei in einen

theoretischen und typenspezifischen

Ausbildungsabschnitt gesplittet. Aktuell

stellt die Ausbildung eine Kombination

aus einer typenunabhängigen Basisfachausbildung

am Institut Militärluftfahrttechnik

sowie einer Typenschulung

und einer praktischen Ausbildung am

FOTOS: GEORG MADER, BUNDESHEER/GORUP, BUNDESHEER

M I L I T Ä R A K T U E L L


TRUPPENBESUCH

Arbeitsplatz bei der für den jeweiligen

Flugzeugtyp zuständigen Fliegerwerft

(= Typenwerft) dar und wird für alle Befähigungsebenen

getrennt durchgeführt.

Mit der Einführung neuerer, moderner

und technologisch komplexer Luftfahrzeugsysteme

mussten im Lauf der Jahre

die Inhalte immer wieder an die technische

Entwicklung angepasst werden.

Reichte es nach der Wiedererlangung

der Lufthoheit in den 1950er-Jahren,

über eine technische Berufsausbildung

oder praktische Erfahrung aus dem

Zweiten Weltkrieg zu verfügen, muss

heute eine abgeschlossene Berufsausbildung

(Fachschule/HTL) in den Fachbereichen

Elektrotechnik, Elektronik, Kfz-

Technik, IKT-Technologie, Metalltechnik

oder Mechatronik nachgewiesen

werden. Es gibt über die Heereslogistik-

Schule allerdings die Möglichkeit, die

Lehrberufe Metalltechnik, Kfz-Technik,

Elektronik und Elektrotechnik „nachzuholen“.

Zudem lässt sich die Vorbildung

auch auf der am Fliegerhorst Brumowski

dislozierten Bundesfachschule für Flugtechnik

erledigen. Ein weiterer Vorteil

dieser gleich neben der Fliegerwerft-1

liegenden Einrichtung ist, dass zusätzlich

zum Lehrabschluss den Absolventen

auch Praxiszeiten im Rahmen der Ausbildung

zum Militär-Luftfahrttechniker

angerechnet werden können.

Das Hauptaugenmerk der Technikerausbildungen

für die klassischen Kategorien

„Hubschrauber“, „Fläche mit Propeller“

und „Fläche mit Jet“ (in Hinkunft auch

vermehrt „unbemannt“) gilt dem Bereich

Triebwerke. Ein eher unbekannter Aufgabenbereich

betrifft die Hightech-Fallschirme

des Jagdkommandos. Dazu soll

alsbald auch jenes Personal ausgebildet

werden, welches in den Werften und auf

den Fliegerhorsten für Erhaltung und

Funktion der sogenannten Flugsicherungstechnikanlagen

zuständig ist, bis

hin zur Barriere-Fanganlage der Piste

Zeltweg. Dafür werden aktuell die aus -

bildungstechnischen Voraussetzungen

geschaffen.

In Summe sind am Institut elf hauptamtliche

Lehroffiziere tätig, wobei der Kommandant

ebenfalls Hauptlehroffizier ist.

Der Ausbildungsbetrieb ist in zwei Lehrgruppen

(LG) organisiert, in LG1 sind

die mechanischen Bereiche zusammengefasst,

in LG2 geht es um die auf das

Luftfahrzeug bezogenen Bereiche Elektronik,

Avionik sowie Bewaffnung. Dabei

sitzt in den Lehrsälen Militärpersonal

neben Zivilbediensteten. Für die Uniformierten

ist das Teil der sogenannten

Dienstrechtsausbildung, um einen Unteroffiziers-Arbeitsplatz

zu erlangen. Im

Offiziersbereich kommen die Fähnriche

im sechsten Semester der Militärakademie

in der Regel von Mitte Jänner bis

Mitte September zum MLLD, künftige

Truppenoffiziere als Techniker der Luftstreitkräfte.

„Wir geben ihnen alles mit,

was sie als künftige leitende Luftfahrttechniker

benötigen“, sagt Oberst

Winklbauer.

Umfassende Ausbildung:

In 10 Jahren zum leitenden Militär-Luftfahrttechniker

Gewerblicher Meister

oder Werkmeister

10 Jahre

5 Jahre

2 Jahre

Leitender Militär-

Luftfahrttechniker

Militär-

Luftfahrtmeister

Militär-Luftfahrwart

I. Klasse

Militär-

Luftfahrtwart

Militär-Luftfahrttechnischer

Assistent

GROSSE BANDBREITE So sieht der OH-58B Kiowa

ohne Rotor und Getriebe aus. Darunter Schüler der

Bundesfachschule und militärische Schulungsteilnehmer

beim „Waffenhandling“ am dafür immer noch

nützlichen MLLD-Lehrobjekt Draken Nummer 10.

Eine Ausbildungsschiene konzentriert

sich auch auf den Lufttransportbereich.

Dabei geht es inhaltlich um alle Fähigkeiten,

die notwendig sind, um Fracht flugsicher

an Bord von militärischen sowie

zivilen Maschinen zu verstauen. „Und

das nicht nur in unseren Maschinen“,

sagt Winkelbauer. „Wir befähigen unsere

Leute auch im Umgang mit allen Typen

und mit dem notwendigen ,Papierkram‘

im Ausland.“ Dazu gehört auch der neue

IATA-Bereich Gefahrengut-Transport/

Luft am Lufttransport-Umschlagpunkt

in Hörsching. Letzterer ist übrigens erst

mit der Beschaffung der C-130K entstanden,

die Erfahrungen sollen nun auch

beim geplanten Hercules-Nachfolger

einfließen

Apropos Hercules-Nachfolge: Auch beim

Zulauf neuen Fluggeräts hat das Institut

seine Finger im Spiel, wie Winklbauer

betont. Natürlich entscheide man dabei

nicht die Typenwahl, sehr wohl kümmere

man sich aber um die Festlegung und

die Qualifikationen des benötigten Fachpersonals,

um Folgeausbildungen, die

Adaptierung der Organisationspläne

bis zur Freigabe des Wartungsplanes.

Winklbauer abschließend: „Unter dem

Strich decken wir damit ein sehr großes

Aufgabenspektrum ab.“

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 6

S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T

STRAHLEN-

SCHUTZ

Kriegsschiffe sind stark und mächtig, sie sind aber auch angreifbar. Mit Sprengstoff beladene Kleinstboote oder Drohnen können im

Fall der Fälle selbst modernsten Zerstörern und Fregatten gefährlich werden. Um sich vor diesen Gefahren zu schützen, begann die

US Navy vor einigen Jahren mit der Erprobung von Hochenergie-Laserwaffen. Erste Erfahrungen wurden mit dem System Adam an

Bord des Zerstörers „USS Ponce“ gesammelt, im Sommer wurde nun die 60 Kilowatt-Laserwaffe Helios auf der „USS Preble“ installiert.

Längst experimentieren auch Russland und China mit derartigen Systemen und nun begann auch die deutsche Marine mit Tests:

Die Fregatte „Sachsen“ (Bild) bekämpfte mit einem von Rheinmetall und MBDA mitschiffs aufgebauten System erfolgreich Drohnen

im Nah- und Nächstbereich. Bis Mitte 2023 soll sich der Demonstrator auch in komplexeren Szenarios beweisen. MBDA ist dabei für

das Tracking, die Bedienkonsole und Anbindung des Laserwaffendemonstrators an das Führungssystem zuständig, Rheinmetall

für die Waffenstation, das Strahlführungssystem sowie Kühlung und Integration des Demonstrators in dessen Projektcontainer.

IM FOKUS

DER KONZERN

IM ÜBERBLICK

Gründung

April 2005

Mitarbeiter

400

Produkte

Rad-Transportpanzer

Rosomak-WD in verschiedenen

Versionen,

Simulatoren, …

ROSOMAK S.A.

Das oberschlesische Rüstungsunternehmen fertigt auf Grundlage einer Lizenz der finnischen Patria-AMV seit 2002

eine expandierende Familie von 8x8 Rad-Gefechtsfahrzeugen in der Größenordnung des Pandur II von GDELS und

des Piranha IIIC von Mowag. Seitdem wurden bereits mehr als 900 Fahrzeuge in 13 Versionen an die polnischen

Streitkräfte geliefert. Das von einem 490 PS starken Scania Turbodiesel angetriebene 23,5-Tonnen schwere Grundmuster

KTO Rosomak-WD (Kołowy Transporter Opancerzony

= Rad-Transportpanzer) verfügt über einen modularen

Panzerschutz mit einer dem STANAG 4569 Stufe 4 entsprechenden

Grundausstattung. Diesen Juni wurden für

das Fahrzeug 70 ferngesteuerte Geschütztürme des Typs

ZSSW-30 mit einer PAL Spike-LR beauftragt, im Endausbau

soll das System auf mehr als 300 polnischen Rosomak-

Panzern installiert werden. Zudem wurde kürzlich ein

MLU-Update für die erste Serie vorgeschlagen, unter

anderem mit einem 550-PS-Motor und mehr Tankinhalt.

FOTOS: BUNDESWEHR, ROSOMAK S.A., GEORG MADER, OGMA

M I L I T Ä R A K T U E L L


NEWS AUS DER SICHERHEITSBRANCHE

„WIR HOFFEN AUF LANGE BEZIEHUNGEN MIT ÖSTERREICH“

JOÃO JOSÉ SANTOS

ist Leiter Institutional

Affairs bei OGMA.

In dem zur Embraer-Gruppe gehörenden Luftfahrt-Überholungsbetrieb

OGMA in Portugal durchlief unsere C-130

Hercules 8T CC kürzlich ihre Grundüberholung. Welche Bereiche

das Unternehmen noch abdeckt und mit welchen

Kosten bei einem sogenannten „C-Check“ zu rechnen ist?

Ein Gespräch vor Ort mit OGMA-Manager João José Santos .

Herr Santos, Österreich wurde erst kürzlich auf ihren Betrieb

aufmerksam, aber seit wann gibt es OGMA eigentlich?

Der Standort wurde 1918 als „Luftfahrtpark“ gegründet.

Ab 1923 wurden hier – anfänglich französische – Caudron-,

Potez- und Morane-Flugzeuge gebaut, im Zweiten Weltkrieg

liefen Gladiator-Jäger vom Band und bis 1955 wurden Motoren

an Ju-52 gewechselt. Danach begannen Arbeiten an

heute legendären Jets unserer Luftwaffe wie T-33A, F-84F,

F-86F, Fiat G91, T-37 und ab 1964 F-104 Starfighter. Beginnend

mit 1970 folgten dann US-Wartungsverträge für F-4B/J, A-7

und mit 1982 auch für die C-130 Hercules. Seit 1986 überholen

wir auch deren T56-Triebwerke und seit 2001 sind

wir lizenzierter Partner für F-16-MLU/Upgrades.

OGMA ist aber kein Staatsbetrieb des Militärs mehr, oder?

Nein, das waren wir bis 2005. Dann wurden wir privatisiert.

Dabei verblieben 35 Prozent in Staatsbesitz, den Rest erwarb

SGPS, ein Konsortium von Embraer und EADS. Später

übernahmen die Brasilianer die 65 Prozent dann alleine.

Wie hat sich OGMA anschließend weiterentwickelt?

Es ging aufwärts – und das sowohl im Arbeitsumfeld mit

neuen, helleren Hangars als auch auf Kundenseite. Da kamen

Neuteilefertigungen hinzu, beispielsweise für den EH-101-Hubschrauber

und die Airbus C-295. Seit 2014 fertigen wir auch fünf

Bauteile für den KC-390-Transporter, wir bauen beispielsweise

den ganzen Boden. Zudem werden die fünf „390er“ für Portugal

bei uns NATO-ausgerüstet, kürzlich kam die erste Maschine an.

Welche Arbeiten stehen bei den vielen C-130-Maschinen an?

Wir können fast alles abdecken – von Überholungen und Reparaturen

bis hin zur Aufrüstung der Maschinen und deren mechanischer,

elektrischer und Avionik-Komponenten. Was wir dann

im Detail abdecken, ist von Kunde zu Kunde unterschiedlich.

Für Österreich übernehmen wir im Rahmen der sogenannten

„C-Checks“ beispielsweise die Grundüberholung der Maschinen

inklusive Propellerwartung, nicht aber die Triebwerkswartung.

Wie lange dauern derartige Arbeiten und was kosten sie?

Normalerweise sind dafür sechs bis 18 Monate zu veranschlagen,

wobei die erste Maschine der Österreicher „nur“ von März

bis November bei uns war. Die Kosten hängen stark von der

Dauer ab, aber auch von den gewünschten Arbeiten und liegen

im Regelfall bei knapp einer Million Euro bis hin zu vier Millionen

Euro pro Maschine. Wobei es auch da teurer werden kann,

wenn wir besonders angeschlagene Maschinen irgendwo zuerst

flugtüchtig machen und zu uns ins Werk fliegen müssen.

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Telefon: +43 1 256 24 53-0 office@eslait.at hp://www.eslait.at


0 4 8 L U F T V

E

R T E I D I

DER

EUROFIGHTER

IN DER NÄCHSTEN

ENTWICKLUNGSSTUFE

Der Eurofighter wird noch lange das Rückgrat der europäischen Luftverteidigung

bleiben, sagt der CEO der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH, Carlo Mancusi.

G

U N G

arlo Mancusi erklärt,

C

dass der Eurofighter

mit dem kürzlich auf

der ILA in Berlin

unterzeichneten

neuen Halcón-Vertrag

mit Spanien über weitere 20 neue

Eurofighter und dem in der Entwicklung

befindlichen weiterentwickelten

Eurofighter Typhoon auf Jahrzehnte

hinaus ein Eckpfeiler der europäischen

Verteidigung sein wird.

„Wir haben ein starkes Programm mit

einer glänzenden Zukunft und wir

haben bereits eine Reihe von Entwicklungen

auf den Weg gebracht, die das

Waffensystem an der Spitze der europäischen

Verteidigung halten werden“,

sagt Mancusi.

CARLO MANCUSI

CEO Eurofighter Jagdflugzeug GmbH

„Die Unterzeichnung des Halcón-Auftrags

ist in vielerlei Hinsicht eine gute

Nachricht, vor allem weil sie das anhaltende

Engagement eines der vier wichtigsten

Partnerländer für die Zukunft

des Eurofighter Typhoon signalisiert.“

Der Auftrag unterstreicht auch die derzeitige

und künftige Stärke des Programms,

die sicherstellt, dass der Eurofighter

noch viele Jahre lang das Rückgrat

der europäischen Luftverteidigung

bilden wird, und stellt eine willkommene

Unterstützung für die europäische

Luft- und Raumfahrtindustrie dar.

10-JAHRES-VISION

Zur gleichen Zeit, als Halcón vereinbart

wurde, wurden auch unter den

wichtigsten Eurofighter Partnern die

strategischen Schlüsselelemente eines

10-Jahres-Plans für die Eurofighter-

Entwicklung erörtert, wobei die ersten

fünf Jahre des Programms vereinbart

wurden und bereits unter Vertrag sind.

Carlo Mancusi sagt, dass sich mit diesem

Plan einerseits auch zwei wichtige

Arbeitsprogramme herauskristallisieren

werden. Erstens wird der nächste

Vertrag zur Verbesserung des Waffensystems,

bekannt als P4E, neben vielen

anderen zusätzlichen Fähigkeiten

auch voll integrierte und einsatzfähige

E-Scan-Radare umfassen. Das zweite

wichtige Arbeitsprogramm beinhaltet

die Eurofighter Long Term Evolution

(LTE)-Studie, welche die zukünftige

Entwicklung des Waffensystems stützt.

„Unser 10-Jahres-Plan sichert die Entwicklungsaktivitäten

– die ersten fünf

Jahre sind bereits vertraglich

geregelt, und wir arbeiten

hart daran, diese für die nächsten

fünf Jahre zu verlängern. Das ist

wichtig, denn das Flugzeug wird in der

Lage sein, die sich ständig weiterentwickelnden

operationellen Anforderungen

für viele Jahrzehnte zu erfüllen.“

Er fügt hinzu, dass die LTE-Reifungsphase

zwischen 2023 und 2025 stattfinden

soll und praktisch demonstrieren

wird, welche Technologien in einem

„LTE-Eurofighter“ eingesetzt werden

können.

Carlo Mancusi, der im Jänner

dieses Jahres zum CEO

der Eurofighter Jagdflugzeug

GmbH ernannt wurde,

sagt: „Es geht darum, die bestehende

Plattform Schritt für Schritt

zu verbessern und dadurch den Weg

für die Zukunft zu ebnen und zur

Reifung der Technologien beizutragen.

Wie radikal und ehrgeizig die Nationen

hierbei sind und was praktisch möglich

ist, muss noch ausgearbeitet werden.“

STARKE LEISTUNG

Nach der Meinung von Mancusi

hat das Programm in den letzten

zwei Jahren gute Resultate erzielt, weil

eine Reihe von wichtigen Verträgen,

darunter Quadriga und Halcón,

abgeschlossen werden konnten.

Im Rahmen des Halcón-Vertrags erhält

Spanien 16 einsitzige und vier zweisitzige

Kampfflugzeuge, die mit elektronischem

Radar (E-Scan) ausgestattet sind

und einen Teil der alten F-18-Flotte

Fotos: Eurofighter Jagdflugzeug GmbH

M I L I T Ä R A K T U E L L


ADVERTORIAL

ersetzen werden. Damit wird die

spanische Eurofighter-Flotte auf

90 Flugzeuge anwachsen.

Mit der Aussicht auf weitere Aufträge

sagt Mancusi: „Ungeachtet des Erfolgs,

den wir mit den Verträgen mit Katar,

Kuwait und der deutschen Quadriga

haben, sind wir auf der Suche nach

weiteren Kontrakten, um unsere

Produktionslinien auszulasten. Wir

bemühen uns sowohl bei unseren

Stammkunden als auch auf dem

Exportmarkt um zusätzliche Aufträge

und es gibt positive Signale auf dem

Markt. Es gibt ein wachsendes Interesse

an ausgereiften und leistungsstarken

Flugzeugen, die mit anderen Plattformen

betrieben werden können, um den

Nationen die bestmöglichen Synergien

zu bieten. Wir müssen diese Chancen

nun in Verträge umwandeln.“

STRAHLENDE ZUKUNFT

Carlo Mancusi, der von Anfang an

am Eurofighter-Programm mitgewirkt

hat, sagt, er sei stolz auf das Erreichte

und sehe optimistisch in die Zukunft.

„Das Programm bringt unterschiedliche

Fähigkeiten, Kulturen und

Anforderungen zusammen“, sagt er.

Zuwachs. Die Eurofighter-Flotte wächst.

Dafür sorgt der kürzlich abgeschlossene

Halcón-Vertrag mit Spanien.

„Wir haben eine wirklich kooperative

Arbeitsweise entwickelt und ein

wertvolles Erbe aufgebaut. Wir haben

uns daran gewöhnt, in einem innova -

tiven Umfeld zusammenzuarbeiten,

mit Teams und Unternehmen, die

gemeinsam herausragende Ergebnisse

erzielen.

Der Eurofighter Typhoon ist einer der

Eckpfeiler und das Programm ist das

Rückgrat der europäischen Verteidigung.

Was wir tun, ist komplex, sowohl

was das Waffensystem als auch

das Programm angeht, aber wir haben

das Know-how.“

M I L I T Ä R A K T U E L L


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UKRAINE: OHNE WESTEN

WÜRDE DER KRIEG ANDERS VERLAUFEN

Während die Sanktionen Russlands Wirtschaft täglich mehr schädigen, verhelfen die westlichen Waffenlieferungen

der Ukraine zu erstaunlichen Erfolgen. So ist der unlängst erfolgte Abzug russischer

Truppen aus Cherson in hohem Maße auf den wochenlangen, präzisen Beschuss ihrer Kommandound

Versorgungseinrichtungen, der Bewegungslinien sowie der Zerstörung von Brücken über den

Dnjepr zurückzuführen. Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.

Schon bald nach dem Angriff Russlands

am 24. Februar hatte Ukraines

Präsident Wolodymyr Selenskij

den Westen eindringlich um die Lieferung

von Panzern, Flugzeugen und Artilleriegeschützen

ersucht. Nachdem die

Ukraine in den ersten Kriegstagen nicht

– wie von Moskau erhofft – schnell

überrannt und in die Knie gezwungen

werden konnte, wurden diese Rufe auch

erhört. Der Wunsch nach Einrichtung einer

Flugverbotszone blieb allerdings –

wie zu erwarten – unerfüllt. In den USA

und in Europa überlegte man daher fieberhaft,

wie Kiew am besten zu helfen

sei. Im militärischen Bereich lässt sich

die Unterstützung grob in drei Sektoren

gliedern: erstens die Bereitstellung von

Informationen zur Erstellung eines aktuellen

Lagebildes, zweitens die Unterstützung

bei der Planung, Organisation

und Führung der Verteidigung (Command,

Control, Communicate) sowie

drittens die Lieferung militärischer Ausrüstung

– vom Helm bis zum Kampfflugzeug.

Eine direkte Beteiligung an den

Kampfhandlungen war von vornherein

ausgeschlossen.

Es gibt eine lange Liste mit den wichtigsten

Unterstützern und deren Beiträgen.

Sie ist öffentlich, wodurch einerseits ein

gewisser Druck auf die einzelnen Staaten

entsteht und andererseits Russland

die starke Abwehrfront signalisiert wird.

Die USA stehen an der Spitze, sie haben

bisher Waffen und Ausrüstung im Wert

von 18,1 Milliarden Euro geliefert oder

versprochen. Bis Oktober erhielt die

Ukraine insgesamt knapp 92 Milliarden

Euro an Hilfszusagen – davon 40,3 Milliarden

Euro für militärische Zwecke wie

Waffen, Beratung, Training oder Munition.

Es sind vor allem moderne, weitreichende

Artilleriesysteme und Panzerfahrzeuge,

die das Kriegsgeschehen

maßgeblich beeinflussen und Russlands

Pläne empfindlich durchkreuzen. Als

Nebeneffekt führen die umfangreichen

Waffenlieferungen in Europa zu einer

„Typenbereinigung“ und Standardisierung.

So fließen Waffen und Munition

„Jede Ausweitung oder

Reduktion militärischer

Hilfe hätte maßgebliche

Auswirkungen auf den

Ausgang des Krieges.“

aus sowjetischer Erzeugung in die Ukraine.

Sie können dort unverzüglich eingesetzt

werden, da die ukrainische Armee

damit vertraut ist. Im Gegenzug füllen

die Länder ihre Bestände mit neuem,

westlichem Gerät auf, was eine Modernisierung

ihrer Arsenale bewirkt.

Es liegt auf der Hand, dass der Krieg in

der Ukraine ohne westliche Unterstützung

und Waffenlieferungen einen anderen

Verlauf genommen hätte. Vermutlich

würden die russischen Truppen am

Dnjepr stehen und hätten Odessa eingenommen.

Die Widerstandskraft des

ukrainischen Militärs wäre höchstwahrscheinlich

aufgrund der Verluste an

Personal und an Material erheblich

geschrumpft, während Wladimir Putins

Truppen nicht diese immensen Verluste

erlitten hätten. Moskau blieb die verheerende

Wirkung der Unterstützung

natürlich nicht verborgen. Der Kreml

bezichtigt deshalb die Lieferländer der

direkten Einmischung in den Krieg, setzt

aber selbst Drohnen aus dem Iran ein.

Westliche Lieferungen werden deshalb

sicher nicht gestoppt werden. Allen Seiten

ist aber klar, dass jede Ausweitung

oder Reduktion militärischer Hilfe maßgebliche

Auswirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit

der Ukraine hätte.

Brigadier a. D. Walter Feichtinger ist

Präsident des Center for Strategic

Analysis (CSA).

FOTOS: BUNDESHEER/MINICH, PICTUREDESK

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GERÜSTET FÜR

DIE AUFGABEN

VON MORGEN.

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Entgeltliche Einschaltung: Bundesministerium für Landesverteidigung, BMLV, Roßauer Lände 1, 1090 Wien; Foto: Bundesheer/Zisser.


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