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ZKZ 4937
12 I 2022
MAGAZIN FÜR DAS MÖBEL-BUSINESS
Schöner
schlafen
Jede Menge Impulse, um den
Umsatz anzukurbeln
Foto: Möller Design
Endgültig
vorbei
Studie: Schluss mit
Gratisversand im
Online-Möbelhandel
E-COMMERCE
EXTRA MIT
16 SEITEN
BBE: Knackpunkt Flächenleistung
Westwing: Neuer CEO im Interview
MHK international: Starke Töchter
Rotpunkt: Nachhaltigkeit als USP
Sicam: Viele Inspirationen für 2023
Latexco: Vor Ort im belgischen Tielt
TOP-THEMA/KUNDENFREQUENZEN
Die Frequenzen im deutschen Möbelhandel tendieren seit Jahren nach unten.
Während 2017 im Schnitt noch 1,75 Möbelhäuser angesteuert wurden, werden
es in diesem Jahr voraussichtlich nur noch 1,3 sein. Gerade deshalb ist es so
wichtig, den Fokus auf abschlusssicheres Personal zu legen, betont Dr. Johannes
Berentzen, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, in seinem Fachbeitrag.
Krisenmodus
oder New Normal?
74 Prozent klagen über sinkende Kundenfrequenzen
Angaben in Prozent
Wie entwickeln sich nach Ihrer Einschätzung in den vergangenen
2 Jahren die Kundenfrequenzen an Ihrem/n Standort/en?
2022*
2020
2019
2018
2017
2
2
2
2
1
deutlich höhere
Kundenfrequenzen
15
12
höhere
Kundenfrequenzen
Quelle: HDE-Konjunkturumfrage; Werte 2020 vor Corona-Krise *2021 nicht erhoben.
11
13
9
25
26
29
gleichbleibende
Kundenfrequenzen
41
42
42
23 22
15
41
45
sinkende
Kundenfrequenzen
Laut der HDE-Konjunkturumfrage im Einzelhandel besuchen seit Jahren immer weniger Kund:innen den stationären Handel.
2022 markiert die derzeitige Spitze des Eisbergs: 74 Prozent geben an, dass die Frequenzen sinken bzw. deutlich sinken.
17
14
15
31
deutlich sinkende
Kundenfrequenzen
Steigende Energiepreise treiben
die Nebenkosten in die Höhe,
Hersteller geben die Kosten in
Form steigender Preise weiter und
die Kauflaune potenzieller Kunden
ist getrübt – gehörte der Möbelhandel
während der Pandemie zu
den Gewinnerbranchen, trifft ihn
die aktuelle Krise mit voller Wucht.
Viele Menschen haben in der Pandemie
in das eigene Zuhause investiert,
denn wenn sich ein Großteil des
Lebens auf die eigenen vier Wände
beschränkt, wird es wichtiger, diese
ganz nach dem eigenen Geschmack
einzurichten. Dass diese Einkäufe
jetzt fehlen, spürt die Möbelbranche.
Gerade bei den Fachsortimenten
macht sich die anhaltend niedrige
Frequenz bemerkbar: Neu erlernte
Konsumgewohnheiten wie Verschiebungen
in Richtung Onlinehan del
bescheren den Möbelhändlern nie -
drige Umsätze. Vor allem große
Wohnkaufhäuser stehen angesichts
20 möbel kultur 12 /2022
2019
1,45
2017
1,75
Anzahl der besuchten
Möbelhäuser
2022 *
ca. 1,3
* Prognose
der anhaltend niedrigen Frequenzen
vor Herausforderungen. Für sie wird
das bloße Ausmaß der Fläche zu
einem Risikofaktor. Hinzu kommt,
dass die Anzahl der besuchten
Geschäfte je Möbelkauf seit vielen
Jahren kontinuierlich abnehmen.
Die Kund:innen informieren sich
intensiver vor dem Kauf, vorzugsweise
online, was ebenso zu Frequenzverlust
auf der Fläche führt.
Eine Erholung auf Vorkrisenniveau
ist auch langfristig nicht in Sicht.
Lichtblick: Während die Frequenzen im stationären Handel
sinken, steigen die Ausgaben pro Einkauf
Einkaufsfrequenz vs. Ausgaben pro Kauf, Nonfood, MAT 1. HJ. 2014/2018/2020
105
97
Einkaufsfrequenz
98
85
92
77
73
Ausgaben pro Einkauf
in Euro
80
86
Gesamt
Stationär
Online
Entwicklung
Die Flächenleistung
ist der Knackpunkt
Als direkte Konsequenz geraten die
Flächenleistungen der stationären
Möbelhändler unter Druck. Abwarten
und hoffen ist allerdings keine
Strategie, denn der Kostendruck
erhöht sich sowohl beim Personal
als auch bei der Energieversorgung
noch deutlich. Wichtige Maßnahmen,
die Händler in dieser Situation
auf der Kostenseite ergreifen können,
betreffen deshalb den Personaleinsatz,
schlankere Prozesse sowie
Einsparung von Energie. In den
meisten Fällen können mit diesen
Maßnahmen jedoch nicht einmal
im Ansatz die sinkenden Frequenzen
ausgeglichen werden. Zumal
Einsparungen nicht zu Lasten des
Kundenerlebnisses ausfallen sollten.
Eine Möglichkeit die Flächenleistung
zu erhöhen, besteht im Verkleinern
der Verkaufsfläche und dem
Verzicht auf Produkte mit geringerer
Warenrotation. Dieser Weg
ist an bestimmte Voraussetzungen
gebunden: Inwieweit sind bauliche
Veränderungen möglich und finanziell
sinnvoll? Wird das verbleibende
Sortiment noch als vollständig angenommen?
Geht die Kosten-Nutzen-
Rechnung nicht auf, hat ein Umbau
keinen Sinn. An dieser Stelle kommt
die strategische Planung ins Spiel.
2014
15
2018
Händler könnten einen Teil der früheren
Verkaufsfläche beispielsweise
als dezentrales (Hochfrequenz)-
Lager für das E-Commerce-Geschäft
nutzen. Bei einer gleichzeitig stärkeren
Verzahnung mit den Onlinekanälen
sind mit der flexiblen Lagernutzung
schnellere und günstigere
Lieferungen möglich. Das kurbelt
den Umsatz an und erhöht die Flächenleistung.
Alternativ lassen sich
sinnvoll „abtrennbare“ Flächen auch
weitervermieten. Baumärkte können
den Möbelhäusern dabei ein Vorbild
sein: Dort ist es schon lange üblich,
dass Schlüssel-, Schuh-, Floristik-,
Deko- und andere Dienstleister den
Verkaufsraum bereichern.
22
2020
24
Quelle: GfK Consumer Panel Nonfood, Rollierende Jahre (1. HJ 2020 - 2. HJ 2019) versus (1. HJ 2018 - 2. HJ 2017) versus (1. HJ 2014 - 2. HJ 2013).
42
2014
39
45
40
2018
47
39
2020
Gute Beratung und Umsatz
gehen Hand in Hand
Die zweite Variante, um die Flächenleistung
zu erhöhen, besteht darin,
alle Möglichkeiten auszuschöpfen,
mehr Umsatz aus der verbleibenden
Frequenz zu generieren. Das
ist leichter gesagt als getan. Möglichst
viele Menschen, die ein
Möbelhaus betreten, sollten dieses
als glückliche Kund:innen statt
nur als Besucher:in nen verlassen.
Hier besteht der erste Schritt in der
möglichst detaillierten Frequenzmessung,
idealerweise auf Abteilungsebene.
Nur mit entsprechender
Transparenz kann das Führungspersonal
Maßnahmen ergreifen und die
Verkäufer:innen anleiten bzw. die
Personalplanung anpassen.
Den Einkaufswert pro Kund:innen
zu steigern, ist dann der
nächste Schritt. Die Bedürfnisse
der Kund:innen zu erkennen, Zubehör
und Zusatzsortimente anbieten,
um die Anzahl an Artikeln je
Bon zu steigern oder bewusst den
Bedarf für hochwertige Sortimente
erkennen, um den Ertrag zu steigern,
ist die hohe Kunst für den
Umgang mit sinkenden Frequenzen.
Die gute Nachricht: Alle, die
sich heute trotz Online-Handel auf
den Weg machen, haben ein hohes
Interesse an einem Kaufabschluss.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind
Möbelhändler jedoch auf fachlich
erstklassiges Personal angewiesen.
Es sind die motivierten und erfahrenen
Fachkräfte, die auf potenzielle
Kund:innen zugehen und mit einer
kompetenten Beratungsleistung zu
einer positiven Kaufentscheidung
beitragen. Hier lohnen sich alle
Anstrengungen, solche Mitarbeiter:innen
zu gewinnen und an sich
zu binden.
Und es ist auch eine Frage des
Mindset, hier ist Führungsqualität
gefragt: Gute Stimmung beim Personal
steigert auch die Kauflaune bei
den Kund:innen. Damit kann der
stationäre Möbelhandel jetzt mehr
denn je punkten.
www.bbe.de
12 /2022 möbel kultur 21
HANDEL
Möbelkreis: Investitionen in die Zukunft
Im Wettbewerb die Nase vorn
Vor den großen Wettbewerbern muss sich Möbelkreis nicht verstecken. Das Mitglied des Europa Möbel- Verbundes
kann auch in Krisenzeiten mit Kompetenz, Service und einem ausgesuchten Angebot bei seinen Kund:innen punkten.
Um weiter erfolgreich zu agieren, investierte das Familienunternehmen jüngst in seine Standorte in Korbach-
Meineringhausen und Eschwege. An beiden Standorten wurden zunächst die Küchenstudios von Grund auf erneuert.
Fotos: Fotografische Werkstatt, Katharina Jaeger, Möbelkreis
Die Möbelkreis-Geschäftsführer
Fritz (r.) und Christoph Klug
(l.) legen Wert auf Qualität,
eine kompetente Beratung,
Serviceleistungen und eine
transparente Preisgestaltung.
Zwei Monate lang wurde am
Möbelkreis-Standort in Eschwege
gehämmert, gesägt und
umgestaltet. Seit wenigen Wochen
präsentiert sich die Küchenausstellung
dort nun im komplett neuen
Look: Modern, freundlich und
emotional inszeniert, wartet die
Abteilung mit den neuesten Trends
an Farben, Material und Technik
auf. Wertige Geräte-Hersteller wie
Miele, Bora, Siemens oder Quooker
sowie namhafte Möbelhersteller wie
Schüller/next125, Nobilia oder
Decker gewährleisten, dass die
Kund:innen stets die für sie passende
Einrichtungslösung finden.
Für die grundlegende Erneuerung
der Abteilung und der Elektroinstallation
hat das Mitglied des Europa
Möbel-Verbundes (EMV) 250.000
Euro in die Hand genommen.
Bereits einige Monate zuvor hatte
das Familienunternehmen in seinen
Hauptstandort in Korbach-Meineringhausen
investiert. So wurden
2021 die dortige Esszimmer-Abteilung,
das Küchenstudio mit 44
Muster küchen komplett erneuert
und modernisiert. Darüber hinaus
wurde ein Blockheizkraftwerk installiert.
Die Gesamtinvestition 2021
betrug dort 700.000 Euro. Anfang
dieses Jahres folgte der Umbau der
4.000 qm umfassenden Möbelausstellung,
wofür die Geschäftsführer
Fritz und Christoph Klug erneut
300.000 Euro aufwendeten.
„Unsere Ausstellungen sind
durch die tatkräftige Unterstützung
von Nikola Soltwedel immer auf
dem aktuellsten Stand. Investitionsstaus
gibt es bei uns nicht. Durch die
frühzeitig installierten Photovoltaikanlagen
haben wir insbesondere in
der aktuellen Zeit deutliche Vorteile.
So können wir auch die ein oder
andere Kostensteigerung für unsere
Kund:innen aussetzen“, erläutert
Fritz Klug.
Insgesamt betreibt Möbelkreis
sechs Standorte in Nordhessen und
im östlichen Nordrhein-Westfalen.
Gegründet 1968 von einer Vielzahl
22 möbel kultur 12/2022
kleiner Tischlereien und Schreinereien
als Großhandelskaufhaus in
Form einer Kommanditgesellschaft
mit dem ersten Standort in Korbach-
Meineringhausen, dem heutigen
Haupthaus und Verwaltungssitz. Zu
dieser Zeit gab es bereits ein Möbelkreis-Haus
in Warendorf. Ein Jahr
später gründeten Tischler aus den
Regionen die Möbelkreis-Standorte
Eschwege und Brakel – ebenfalls als
Großhandelshäuser. 1982 übernahm
der heutige Geschäftsführer Fritz
Klug zunächst die Leitung im Möbelkreis
Waldeck in Korbach-Meineringhausen.
Dort wurde in dem Jahr
dann auch die Großhandelsschiene
aufgegeben. 1995 fiel die Entscheidung
zur Übernahme des Möbelkreis
in Warendorf, dessen Küchenstudio
„Die Küche Luchtefeld“ heute noch
Mitglied der Firmengruppe ist, sowie
1998 der Dependance in Brakel.
Komplettiert wurde die Möbelkreis-
Familie dann durch die Eröffnung der
beiden Küchenstudios in Frankenberg
(2014) und Warburg (2017). Ebenfalls
2017 trat Christoph Klug als
zweiter Geschäftsführer in das Unternehmen
ein. Mittlerweile beschäftigt
Möbelkreis insgesamt 148 Mitarbeitende
– davon acht Auszubildende –
und setzt sich erfolgreich gegen den
Wettbewerb durch.
„Unser größtes und wichtigstes
Gut sind unsere hoch qualifizierten
Mitarbeiter:innen. Viele von
ihnen haben bei uns die Ausbildung
gemacht und sind heute die
Stützen des Unternehmens – teilweise
in Führungsverantwortung“,
erklärt Fritz Klug. Und Christoph
Klug fügt hinzu: „Dazu kommt, dass
wir anders sind als viele unserer
Marktbegleiter. Wir arbeiten nicht
mit Preisen, die es in dieser Höhe
nur mit selbstgebastelten Verkaufslisten
gibt, auf die es dann heute den
Rabatt X und morgen den anderen
unglaubwürdig hohen Rabatt Y gibt.
Das sind schon über viele Jahre vertrauensbildende
Maßnahmen, die in
Verbindung mit seriöser Beratung
und fachmännischer Montage mit
eigenen Fachkräften das Gesamtbild
abrunden. Unser Anspruch
ist, täglich begeisterte Kund:innen
zu schaffen und das bestätigen
diese gerne.“ Der Erfolg gibt ihm
recht: Auch während der Corona-
Modern, freundlich
und einladend:
die neu gestaltete
Küchenabteilung in
Eschwege.
Pandemie mit geschlossenen stationären
Geschäften konnte das EMV-
Mitglied seine Umsätze kontinuierlich
steigern. So erwirtschaftete die
Möbelkreis-Gruppe 2020 verglichen
mit dem Vorjahr ein Plus von
15,4 Prozent im Auftragseingang
und 2021 ein Plus von 5,5 Prozent.
Und um auch in der aktuell
herausfordernden Zeit auf Kurs zu
bleiben, tritt Möbelkreis den explodierenden
Energiekosten mit verschiedenen
Maßnahmen entgegen.
„Wir haben bereits im letzten Jahr
an allen Standorten den heute unter
,Green Monday‘ bekannten Montag
im Verkauf geschlossen. So haben
wir an den restlichen Öffnungstagen
alle Möbel- und Küchenfachberater:innen
für unsere Kundenberatungen
zur Verfügung. Damals
war zusätzlich der soziale Aspekt
für unsere Belegschaft im Verkauf
ein weiterer Antrieb. Heute kommt
die Energieeinsparung hinzu. Von
Samstagabend bis Dienstagfrüh sind
unsere Heizungen in der Ausstellung
ausgestellt und das Licht ist
aus. Dadurch erreichen wir die
gewünschte Energieeinsparung von
rund 15 Prozent. Durch Photovoltaikanlagen
mit zusammen rund
600 KWp sparen wir massiv CO2
ein und schonen somit nachhaltig
die Umwelt sowie unsere Kasse.
Alle unnötigen Energieträger sind
zurückgefahren oder sogar ausgestellt
wie zum Beispiel Fassadenund
Schaufensterbeleuchtung,
Heißwassergeräte etc.“, beschreibt
Christoph Klug. Zusätzlich könne
man sich auch stets an den EMV
und seine Energieberater wenden.
Und so sehen sich Fritz und
Christoph Klug für das kommende
Jahr gut gewappnet: „2023 wird
sehr herausfordernd. Nach der
Corona-Pandemie, durch die die
meisten Möbelhändler mit Bravour
gekommen sind, stellen auch wir
seit einigen Monaten Frequenzrückgänge
fest. Der Ukraine-Krieg und
die ständig steigenden Lebenshaltungskosten
zeigen bei der Kundschaft
Wirkung. Es gibt aber auch
positive Signale, die auch die Politik
mal nutzen sollte. Die Corona-Pandemie
hat ihren Schrecken verloren,
die Gaspreise fallen deutlich, damit
auch die Inflationsrate. Der Aktienmarkt
hat von düster auf freundlich
gedreht und vor allem für uns wichtig:
Die Lieferketten-Problematik
entspannt sich. Vor diesem Hintergrund
sehen wir trotz aller Widrigkeiten
optimistisch in das neue
Jahr. Unser Team wird auch 2023
alles dafür tun, unsere Kund:innen
zu begeistern. Für unsere Mitarbeitenden
wollen wir weiterhin ein
beliebter und verlässlicher Arbeitgeber
sein.“
DORIS SCHMIDT
2121 hatte das Unternehmen
bereits seinen Standort in
Korbach-Meineringhausen von
Grund auf erneuert.
FACTS
❯ Gegründet: 1968
❯ Geschäftsführer: Fritz Klug,
Christoph Klug
❯ Standorte Möbelhäuser: Möbelkreis
Waldeck in Korbach-Meineringhausen
(6.200 qm), Möbelkreis
Werraland in Eschwege (2.200 qm),
Möbelkreis Brakel (3.900 qm)
❯ Standorte Küchenstudios:
Küchenstudio Frankenberg (400 qm),
Küchenstudio Warburg (300 qm),
Die Küche Luchtefeld (400 qm)
❯ Gesamtfläche: 13.400 qm
www.moebelkreis.de
12/2022 möbel kultur 23
ZKZ 4937
12 I 2022
SPECIAL
E-COMMERCE
Foto: Shutterstock / Blue Planet Studio
Retouren-Management, Prozesse & Co.
Jetzt das
Versanderlebnis
upgraden
/// Trbo: Zielgruppen richtig ansprechen /// Sauter + Held: Den stationären Handel
stärken /// Mirakl: Mehr Auswahl und Komfort /// Westwing: Erster permanenter Store
/// Hettich: Einfacher zum Beschlag /// Ebay: RAL-Label „Möbel made in Germany“ ///
E-COMMERCE
Jetzt umdenken!
Der E-Commerce-Markt wird fragiler, weil die Verkäufe derzeit
zurückgehen. Made.com musste sogar Insolvenz anmelden und
Home24 wird mit aller Wahrscheinlichkeit von XXXLutz übernommen.
So sieht die derzeitige Lage aus – nach den zwei Corona-Boom- Jahren.
Um künftig bestehen zu können, müssen Retailer jetzt den Spagat
zwischen Kosten reduzierung und geschicktem Investment schaffen. Ein
Umdenken muss stattfinden. Lange Zeit waren Marketing spendings,
also nicht preisbezogene Werbung, überflüssig. Jetzt können
Kund:innen teilweise nur so erreicht werden. Wer es nicht schafft,
die User:innen in seinen Onlineshop zu lotsen, hat es schwer.
Diese komplexe Lage können nicht alle meistern. Deshalb müssen
die Onlinehändler differenzieren und verschiedene Hebel aktivieren.
Wie zum Beispiel beim Retourenmanagement. ParcelLab legt in einer
Studie dar, dass die Zeiten des Gratisversands im Online-Möbelhandel
vorbei sind. Verschickten Ende des Jahres 2021 noch vier der 14 größten
Online-Home-&-Living-Händler Bestellungen generell kostenfrei, fand
sich bei der Analyse im Oktober 2022 kein einziger Anbieter mehr mit
Gratisversand. Warum es ebenfalls wichtig sein kann, als Onlinehändler
einen eigenen Marktplatz aufzubauen, erklärt Georg Sobczak vom
französischen Tech-Unicorn Mirakl. Diese Themen und noch mehr
lesen Sie im E-Commerce-Extra der „möbel kultur“.
KRISTINA TAPKEN
Top-Themen
in diesem
E-Commerce-Special:
ParcelLab: Fokus auf
Operative Experience
Trbo: Zielgruppen richtig
ansprechen
Mirakl: Mehr Auswahl
und Komfort
Sauter + Held: Den
statio nären Handel stärken
Hettich: Einfacher
zum Beschlag
SHD: Erfolg
auf allen Kanälen
Titel: Shutterstock/Blue Planet Studio
Foto: Shutterstock / pathdoc
12/2022 möbel kultur 29
E-COMMERCE/PARCELLAB
Fokus auf
Operative Experience
Der Versand kostet, die Retouren dagegen nicht:
Nach dieser Formel stellen immer mehr Online-
Möbelhändler ihren Service um. Doch beim Kundenerlebnis
– also für die Operations Experience im
Prozessablauf – gibt es noch einiges nachzubessern,
wie eine Studie von ParcelLab bestätigt. Geschäftsführer
Anton Eder hat exklusiv für „möbel kultur“-
Leser wichtige Erkenntnisse aus Testbestellungen bei
führenden E-Commerce-Anbietern zusammengefasst.
Als IT-Dienstleister für den Paketversand
will ParcelLab einen neuen Teil der Customer
Journey kundenfreundlicher erschließen.
Unten (v.l.): die drei Gründer/CEOs Tobias
Buxhoidt, Julian Krenge und Anton Eder.
Während der ersten Corona-
Jahre konnte sich die Home
& Living-Branche vor der
Online-Nachfrage kaum retten. Laut
einer Studie des EHI im Auftrag des
Mittelstandsverbunds ZGV wurden
2020 insgesamt 4,07 Mrd. Euro mit
Möbeln im E-Commerce erwirtschaftet
– 2021 waren es 4,72 Mrd. Euro.
Pro Kopf gaben Verbraucher:innen
durchschnittlich 423 Euro für die Verschönerung
ihres Zuhauses aus. Im
Zuge der wiedererwachten Reiselust
und höherer Energie- und Lebenshaltungskosten
ließ die Motivation,
in Heim und Garten zu investieren,
allerdings spürbar nach. Nicht wenige
Online-Möbelhändler und Online-
Baumärkte verbuchen spätestens seit
Ende des ersten Quartals krachende
Umsatzeinbrüche.
Doch wenn Kund:innen jeden
Euro zweimal umdrehen müssen,
bevor sie sich ein neues Sofa oder
auch nur eine neue Küchenlampe
kaufen, müssen Online-Händler
in Sachen Customer Experience
noch eine Schippe drauflegen, um
ihre Klientel für sich zu begeistern.
Dabei ist ein herausragendes Einkaufserlebnis
nicht nur während des
Kaufprozesses selbst im Online-Shop
relevant, sondern vor allem auch in
der Phase, in der Kund:innen darauf
warten, dass ihre Bestellung endlich
ankommt. Und gerade im Home &
Living-Bereich kann diese Wartezeit
extrem lang sein.
Hier geht‘s zur
ParcelLab-Studie:
30 möbel kultur 12 /2022
Gebühren im
Online-Möbelhandel
Als Spezialist für Operations
Experience Management analysieren
wir bei ParcelLab bereits seit mehreren
Jahren, wie serviceorientiert
Online-Händler ihren Kund:innen
beim Versand und während der Bearbeitung
der Bestellung begegnen. In
der neuen Sonderausgabe unserer
jährlichen „Versandhandelsstudie“
mit Fokus auf dem Online-Möbelhandel
haben wir bei den 14 Online-
Möbelhändlern und Baumärkten,
die das Marktforschungsinstitut
EHI in seiner Top-100-Liste für das
Jahr 2021 anführt, Testbestellungen
durchgeführt und den Prozess vom
Klick auf den Bestell-Button bis zur
Rückerstattung der Retoure analysiert.
Eines der wichtigsten Ergebnisse
der Studie lautet: Die Zeiten des Gratisversands
sind im Online-Möbelhandel
vorbei. Verschickten Ende des
Jahres 2021 noch vier der 14 größten
Online-Home & Living-Händler
Bestellungen generell kostenfrei,
fand sich bei der Analyse im Oktober
2022 kein einziger Händler mehr
mit Gratisversand. Sieben Händler
verschicken ihre Ware ausnahmslos
kostenpflichtig, sieben weitere
berechnen bis zu einem bestimmten
Mindestwert Versandgebühren.
Kund:innen, die Geld sparen wollen,
bleibt oft nur der zumeist kostenfreie
Versand in die Filiale. Doch selbst
hier findet sich mit Ikea ein Händler,
der auch für Click & Collect fünf Euro
Abholgebühr berechnet.
Im Gegenzug dazu bleiben die
Retouren allerdings mehrheitlich kostenfrei.
Zehn der Online-Händler im
FACTS
❯ ParcelLab: Plattform für Operations
Experience Management
❯ Automatisierung in personalisierte,
gebrandete Nachrichten für den
Paketversand (ca. drei Millionen
Sendungen täglich) von mehr als 300
Partnern weltweit, darunter DHL,
Hermes und DPD.
❯ Niederlassungen: München, London,
Paris und New York
❯ Kunden: u.a. Ikea, Bose, Puma, Lidl
und Nespresso
❯ Gründer und CEO: Tobias Buxhoidt,
Julian Krenge, Anton Eder
www.parcellab.com/de
Versandkosten
mit:
7 Shops
ohne:
0 Shops
kostenpflichtig bei
Mindestbestellwert: 7 Shops
Quelle: ParcelLab Versandhandelsstudie, Oktober 2022;
Basis: 14 Online-Möbelshops aus dem Top-100-Ranking 2021 (EHI)
Test schultern hier die Kosten selbst
– und zwar unabhängig davon, ob
die Ware per Paketversand oder per
Spedition zu ihnen zurückkommt.
Und sie holen nicht paketfähige Ware
auch wieder bei ihren Kund:innen ab.
Lediglich bei Casando.de, Ikea, Reuter
und Wayfair müssen die Kund:innen
– zumindest unter bestimmten
Bedingungen – für die Rücksendung
aufkommen. So lassen Casando.de
und Wayfair ihre Kund:innen gemäß
der in Deutschland seit Jahren abgeschafften
40-Euro-Klausel Rücksendekosten
für Paketware unter 40 Euro
aus eigener Tasche bezahlen. Casando
berechnet zusätzlich für nicht paketfähige
Ware Kosten zwischen 99 und
129 Euro. Ikea hingegen nimmt zwar
Paketbestellungen kostenlos zurück,
bei allen anderen Bestellungen muss
sich der Kunde allerdings in Eigenregie
darum kümmern, wie nicht
gewollte Produkte den Weg zurück
ins Möbelhaus finden. Und auch
Reuter.de kennt bei Retouren kein
Pardon und lässt Kund:innen Kosten
bis zu 190,90 Euro selber tragen.
Doch stellten unsere Tester auch
fest: Der Transport unerwünschter
Artikel zur nächstgelegenen Ikea-
Filiale mag mühselig sein. In Sachen
kundenfreundlicher Rücknahmeprozess
können sich aber gerade
Omnichannel-Händler eine gehörige
Scheibe abschneiden. Denn die
Schweden lassen ihre Kund:innen
auf Wunsch schon online auswählen,
welche Produkte zurückgegeben
werden. Daraufhin wird ein Barcode
generiert, den die Kund:innen dann
nur noch vor Ort am Counter vorzeigen
müssen. In einzelnen Filialen
ist für die Rückgabe inzwischen
auch schon eine Terminvereinbarung
möglich, um Wartezeiten zu
vermeiden.
Gebührenpflichtige
Retouren
mit:
1 Shops
ohne:
11 Shops
kostenpflichtig
bis 40 Euro
Mindestbestellwert: 2 Shops
Generell sollten sich die Online-
Händler bewusst machen: Wenn
Kund:innen für einen Paketversand
bis zu 7,90 Euro auf den Tisch legen
müssen oder für die Lieferung per
Spedition auch dreistellige Beträge
aufgerufen werden, erwarten sie von
den Händlern dafür auch einen erstklassigen
Service. Doch hier zeigt
unsere Sonderauswertung noch Luft
nach oben. So ermöglichen es beispielsweise
nur drei der 14 Händler
ihren Kund:innen, beim Checkout
Lieferinstruktionen anzugeben. Nur
zwei Händler im Test gaben beim
Checkout ein genaues Lieferdatum
an, zwei machten überhaupt keine
Angabe, die restlichen zehn nannten
einen vagen Lieferzeitraum von
mehreren Tagen. Dabei würden
die Kund:innen doch gerade bei
der Anlieferung von Möbeln oder
sperrigen Artikeln, die im Zweifel
nicht beim Nachbarn abgegeben
werden können, zur besseren Planung
gerne einen möglichst genau
eingrenzbaren Liefertermin genannt
bekommen.
Doch es kommt noch schlimmer:
Denn von den 10 Händlern, die einen
Liefertermin oder Zeitraum nannten,
lieferten fünf nicht pünktlich. Und
keiner dieser Händler hat die Verspätung
vorab proaktiv gegenüber seinen
Kund:innen kommuniziert. Der
erboste Anruf im Call-Center ist hier
schon vorprogrammiert. Auch unsere
Tester selbst hatten nicht immer eine
Chance, die Lieferverzögerung von
sich aus zu erkennen. Denn zwei
Händler schickten überhaupt keinen
Tracking-Link zur Sendungsverfolgung.
Und von den 12 Tracking-
Links, die verschickt wurden, sorgten
sechs für Fehlermeldungen.
Ihre Versandkommunikation können
die Home & Living-Versender
also durchaus noch optimieren.
Zwar informieren 13 Händler ihre
Kund:innen entweder selbst oder
über ihren Logistiker darüber, dass sie
die Ware jetzt dem Logistiker übergeben
haben. Elf informieren, dass sich
die Ware in Zustellung befindet und
acht schreiben nach erfolgreicher
Zustellung noch eine Mail. Doch die
für Kund:innen wirklich hilfreiche
Angabe eines konkreten Timeslots für
die Zustellung bekamen im Test nur
zwei Händler hin. Und nur in einer
Mail fanden wir in der Versandkommunikation
zur Bestellung passende
Produktempfehlungen. Dabei sind
gerade die Versandmails dank ihrer
ungemein hohen Öffnungsquoten
ein gutes Vehikel für derartige Crossund
Upselling-Strategien.
Positiv zu vermerken ist allerdings,
dass die Mehrheit der Händler
die Versandkommunikation
inzwischen nicht mehr ihrem Logistiker
überlässt, sondern den Kontakt
zu ihren Kund:innen in dieser
Phase selbst aufrechterhält. Lediglich
das Look & Feel dieser Mails
könnte noch überarbeitet werden,
da die meisten Nachrichten weder
gebrandet noch personalisiert sind.
Ikea, Obi, Tchibo und Wayfair gelten
hier als Musterschüler ihrer Branche
und zeigen, wie viel Potenzial in
kunden orientierten Transaktionsmails
liegen kann.
Ein letztes Augenmerk richtete
unsere Studie auf das Thema Nachhaltigkeit
im Versand. Auch hier muss
man konstatieren: Es geht noch besser.
Die Tester fanden lediglich einen
Händler, der CO2-neutralen Versand
anbot. Sechs der 14 Versandverpackungen
enthielten Plastik. Und sechs
Versandkartons waren viel größer, als
sie für den Inhalt der Sendung hätten
sein müssen. Dabei sollte gerade im
Bereich Home & Living das Thema
Nachhaltigkeit stark fokussiert und
dann auch selbstbewusst kommuniziert
werden. Neben Aufdrucken
auf der Verpackung lassen sich auch
hier die Versandmails nutzen, um die
eigenen Kund:innen zu informieren,
dass man die Belastungen für
die Umwelt so niedrig wie möglich
halten möchte.
Fazit: In Sachen Versanderlebnis
gibt es für Online-Händler im
Bereich Home & Living noch einiges
zu tun. Doch wer von Gratisauf
kostenpflichtigen Versand
umschaltet, kann sich eine schlechte
Customer Experience im Versand
nicht mehr leisten.
12 /2022 möbel kultur 31
E-COMMERCE
Mirakl: Warum sich der Aufbau von Marktplätzen lohnt
Mehr Auswahl
und Komfort
Das französische Tech-Unicorn Mirakl bietet Unternehmen die Möglichkeit,
„in Rekordzeit“ einen eigenen Online-Marktplatz aufzubauen, wie
Georg Sobczak, Regional Vice President für die DACH-Region, auf Nachfrage
der „möbel kultur“ erläutert. Außerdem macht er deutlich, warum
Home24 oder Maisons du Monde mit einem Marktplatz gestartet sind.
Als Regional VP DACH verantwortet
Georg Sobczak bei Mirakl die
Wachstumsstrategie für B2C- und
B2B-Onlinemarktplätze.
möbel kultur: Herr Sobczak, Mirakl ist
Anbieter einer Saas-Plattform. Bitte
erläutern Sie kurz, was Sie Händlern
damit bieten können.
Georg Sobczak: Mit unserer Marktplatz-SaaS-Lösung
unterstützen wir
Unternehmen aus aller Welt dabei,
ihr E-Commerce Geschäft zu erweitern
und zu wachsen. Mit Mirakl
können Händler in Rekordzeit einen
eigenen Online-Marktplatz aufbauen,
starten und skalieren, und
durch Mirakl Connect, unser großes
Ökosystem von qualifizierten Partnern
und Verkäufern, Drittanbieter
einbinden. Der Marktplatz fungiert
somit als technische Plattform für
den Handel zwischen ausgewählten
Drittanbietern und Endkund:innen
– sowohl im B2B- als auch im B2C-
Bereich. Die Plattform ist konfigurierbar
und gewährleistet durch die
Einhaltung höchster internationaler
Security-Standards die Sicherheit der
Kundendaten.
Ein Marktplatz bietet Betreiber:innen
die Möglichkeit, schnell
und flexibel auf wachsende und sich
verändernde Kundenerwartungen
einzugehen, und ihnen mit einem
Plus an Auswahl, Komfort und Wert
das zu bieten, was sie haben wollen.
Außerdem sind Marktplätze ein
effektives Mittel gegen steigende
Kosten sowie eine Möglichkeit, um
der Konkurrenz in Form von neuen
Akteuren zu begegnen, die den Markt
splitten und Unternehmen Anteile
streitig machen.
Marktplatzbetreiber:innen können
ihren Katalog erweitern, ohne
die üblichen Kosten und Risiken
in Zusammenhang mit eigenen
Beständen zu tragen. Während die
Gemeinkosten für Lagerung und
Versand ohne Eigenbestand deut-
lich sinken, federn Provisionen als
zusätzliche Umsatzquelle den Margendruck
ab. Deshalb ist die Rentabilität
von Marktplätzen dreimal höher als
die des konventionellen E-Commerce.
möbel kultur: Wie stark sind Sie bereits in
der Möbelbranche vertreten?
Georg Sobczak: Mirakl hat zahlreiche
Kunden im Bereich Wohnen und
Dekoration, darunter Home24, H&M
Home und Maisons du Monde, die
niederländischen Unternehmen
Blokker, Leen Bakker und FonQ,
den französischen Möbelhandelskonzern
Conforama sowie Bed, Bath
& Beyond aus den USA. Dabei bieten
Online-Marktplätze die Möglichkeit,
neue Einnahmequellen zu erschließen.
Deshalb gehen wir davon aus,
dass das Interesse an diesem Modell
weiter zunehmen wird, auch in der
Möbelbranche.
möbel kultur: Was meinen Sie, welche
Rolle werden Marktplätze speziell in der
Möbelbranche künftig spielen?
Georg Sobczak: Durch die Covid-19-
Krise wurde der Trend zum Online-
Shopping noch einmal befeuert,
und die Einkaufsgewohnheiten der
Verbraucher:innen haben sich nachhaltig
verändert – auch in der Möbelbranche.
Laut unserer Studie „Der
Status Quo der Online-Marktplatz-
Akzeptanz“ bevorzugen sechs von
zehn deutschen Verbraucher:innen
E-Commerce-Websites mit Online-
Marktplätzen, und 73 Prozent sagen,
dass Online-Marktplätze für sie die
bequemste Art des Einkaufens sind.
Laut den Umfrageteilnehmer:innen
sind die Gründe dafür bessere Preise,
eine größere Auswahl und schnelle
Lieferzeiten. Besonders in einer Zeit,
in der Lieferketten immer wieder
unterbrochen werden, bietet ein
Marktplatz einen entscheidenden
Vorteil.
Ich denke, dass auch Unternehmen
in der Möbelbranche in Zukunft
vermehrt auf Marktplätze setzen –
und in vielerlei Hinsicht davon profitieren.
Das Vorurteil, dass durch
die Einführung externer Produkte
ein unerwünschter Wettbewerb entsteht
und Händler auf ihren Beständen
sitzenbleiben, ist übrigens längst
widerlegt. Das Gegenteil ist der Fall.
Kooperationen mit zuverlässigen Verkäufern
zur Erweiterung des eigenen
Sortiments sind eine wirksame
Waffe im Kampf gegen die eigentliche
Bedrohung für den Absatz, denn
wenn Kund:innen auf einer Website
nicht genau das finden, was sie
suchen, werden sie sich anderweitig
umsehen. Die Konkurrenz ist stets
nur wenige Klicks entfernt.
möbel kultur: Welche weiteren Vorteile
hat es für Unternehmen einen Marktplatz
anbieten zu können?
Georg Sobczak: Das Marktplatzmodell
ermöglicht es unserer Kundschaft in
erster Linie, ihren Kund:innen ein
breiteres Produktsortiment anzubieten.
In der Möbel- und Einrichtungsbranche
ist das von entscheidender
Bedeutung, da Händler die Nachfrage
von Verbraucher:innen nach unterschiedlichen
Größen, Farben, Stilen
und Preismodellen bedienen müssen.
Ein Marktplatz eröffnet Händlern
zudem ein höheres Maß an
Flexibilität. Diese bietet Händlern
die Möglichkeit, ein kuratiertes
Produktan gebot aufzubauen, das auf
die Bedürfnisse der Kundschaft eingeht
und gleichzeitig der jeweiligen
Marken-DNA entspricht. Es muss
nicht immer darum gehen, ein
One-Stop-Shop zu werden. Vielmehr
sollten Händler ein breites, aber dennoch
genau abgestimmtes Sortiment
anbieten, das sie auf Grundlage der
Vorlieben von Kund:innen auswählen.
Home24 und Maisons du Monde
sind zwei Unternehmen der Möbelbranche,
die genau das tun. Gleichzeitig
möchten die Händler dabei
dem Stil, der Marken-DNA und
ihrem Nachhaltigkeitsengagement
treu bleiben. Mit Erfolg: Mit seinen
mehr als 660 Verkäufern, über 1.700
kuratierten Marken und 264.000 verkauften
Produkten hat der Online-
Marktplatz von Maison du Monde in
diesem Jahr bereits ein Gross Merchandising
Volume (GMV) von 79
Millionen Euro erzielt.
möbel kultur: Wie ist der Marktplatz von
Home24 angelaufen? Und wie sehr hoffen
Sie, davon profitieren zu können, dass
XXXLutz plant, Home24 zu übernehmen?
Georg Sobczak: Der Online- Marktplatz
von Home24 ist erst im Sommer
an den Start gegangen. Mehr als
100.000 neue Produkte von rund
100 Dritthändlern ergänzen seit Juli
das bestehende Home24-Sortiment
von mehr als 150.000 Produkten
– überwiegend in den Kategorien
Accessoires, Gartenausstattung, Möbel
und Heimtextilien.
Erste Zahlen liefert Home24 in
einer Mitteilung zum dritten Quartal
2022. Für ein Fazit zum Start des
Marktplatzes ist es aber noch zu
früh. Die geplante Übernahme von
Home24 durch XXXLutz beobachten
wir bei Mirakl natürlich, möchten
uns zum jetzigen Zeitpunkt dazu aber
nicht weiter äußern.
EVELYNE BECKMANN
www.mirakl.com
34 möbel kultur 12/2022
Das Angebot des Westwing-Stores bildet
die gesamte Home & Living-Range ab. Sowohl
die Eigenmarke Westwing Collection
als auch Fremdlabel sind erhältlich.
Westwing: Erster permanenter Store in Hamburg
One-Stop-Shop für
Interior-Fans
Prominente Lage, prominente Gäste: Zur Eröffnung des neuen Westwing Stores am
Hamburger Jungfernstieg konnten Gründerin Delia Lachance und ihr Team eine Reihe von
A-, B- und C-Promis begrüßen. Neben einer großen Auswahl an Produkten der Westwing
Collection und weiteren Labeln wurden im Geschäft ebenso digitale Features implementiert.
Ganz oben: Stimmungsvolle Musik
am Steinway Piano von Anri Coza.
Oben: Westwing-Gründerin Delia
Lachance freute sich über die 200
Gäste und den neuen Store.
Große Eröffnungsfeier in Hamburg:
Am 17. November hat
Westwing seinen ersten permanenten
Store ans Netz gebracht.
In prominenter Lage, direkt am
Hamburger Jungfernstieg. Rund
200 Freunde, Influencer und Promis
sind der Einladung gefolgt und
gratulierten Gründerin und CCO
Delia Lachance sowie ihrem Team
zum neuen Geschäft im historischen
Heine-Haus. Auf mehr als 500 qm
präsentiert Westwing dort ab sofort
eine kuratierte Selektion der Westwing
Collection sowie anderen
Interior-Marken und bezeichnet sich
als „One-Stop-Shop für alle Home &
Living-Fans“. Das Portfolio besteht
aus kleineren Mitnahme- Produkten,
die direkt gekauft werden können,
sowie Möbeln und größeren Produkten,
die vom Store aus nach
Hause bestellt werden können.
„Mit der Eröffnung unseres ersten
permanenten Stores in Hamburg kundenorientierten Markenraum
mentiert, die einen bequemen und
geht ein Traum für uns in Erfüllung.
Natürlich sind wir zuallererst Mobile Payment, QR-Codes auf
kreieren. Digitale Touchpoints wie
ein Online-Unternehmen, aber es jedem Produkt und ein kuratiertes
ist einfach etwas ganz Besonderes, Raum-Set, das die Kunden zu den
unsere Kund:innen jetzt auch persönlich
empfangen zu können.“ the-Look-Seite führt, sind integriert.
Produktdetails oder online zur Shop-
Der Abend wurde unter anderem Um das digitale Erlebnis noch weiter
musikalisch begleitet von Anri Coza, zu verbessern, sind alle Artikelinformationen
über einen QR-Code auf
bekannt aus The Voice of Germany,
am Steinway&Sons Piano – eine dem Produktetikett aufrufbar. Als
Kollaboration von Steinway&Sons zusätzlichen Service unterstützen die
und Westwing mit Geschichte: Die Experten des hauseigenen Interior
Ladenfläche im Heine-Haus beherbergte
vor über hundert Jahren schon die Kunden bei der Erstellung von
Design Services „Westwing Studio“
das erste Steinway&Sons Geschäft. Raumkonzepten und Einrichtungsfragen
für ihr Zuhause.
Um die digitale DNA der Marke
zu zeigen und ein modernes Konzept
KRISTINA TAPKEN
zu verwirklichen, wurden relevante
Services und Technologien imple- www.westwing.de
Prominente Gäste
bei der Store-
Eröffnung: Schauspielerin
Andrea
Sawatzki (l.) sowie
Mirja Du Mont
(M.) und Dana
Schweiger (r.).
Fotos: Westwing
12/2022 möbel kultur 35
KÜCHE
Sicam: Top-Event der Zuliefer-Industrie
Impulse für die
Küche 2023
Selten war das Interesse an der Sicam so groß wie in
diesem Jahr und selten war die Veranstaltung von Fachbesucher-Seite
so international. Natürlich lag das auch
am Angebot der Aussteller, die spannende Neuheiten
in Pordenone präsentierten. Dabei lag der Fokus oft auf
dem Thema Nachhaltigkeit.
Mehr als 8.000 Firmen aus 115
Ländern rund um den Globus
kamen nach Pordenone.
Damit bestätigte die mit 590 Unternehmen
von Ausstellerseite komplett
ausgebuchte Sicam erneut ihren Status
als eines der Top-Branchen-Events.
„Die Messe hat einen sehr hohen Stellenwert
für uns als deutsches Zulieferunternehmen“,
bestätigte dies
beispielsweise Ninkaplast-Geschäftsführer
Klaus Henning Wulf. „Sie liegt
zeitlich genau richtig, weshalb viele
Küchenmöbel- und Möbelhersteller
die Veranstaltung nutzen, um Impulse
für ihre Kollektionen aufzunehmen.“
Und Impulse gab es auf den Ständen
der Aussteller zuhauf. So präsentierte
Grass das Schubkasten-
Auf der an allen
Tagen sehr gut besuchten
Zuliefermesse
in Pordenone
waren vor
allem Neuheiten
zur Differenzierung
und mit nachhaltigen
Eigenschaften
gefragt.
System „Nova Pro One“, das „Nova
Pro Scala“ um ein neues Design
erweitert. Darüber hinaus ist die
Neuheit „Dynaneo“ eine Ergänzung
zur Unterflur-Führung „Dynapro“
und bietet durch ihr innovatives Führungskonzept
maximale Stabilität bei
bis zu 30 Kilogramm Tragkraft.
Ein System, das sowohl im Schrank
als auch außen für Ordnung sorgt,
zeigte Vauth-Sagel mit der „Add
Box“. Sie wurde so designt, dass sie
überall einsetzbar ist: Das betrifft
ausnahmslos alle Räume des Wohnens
– ob Küche, Bad, Wohnzimmer
oder Schlafzimmer. Das Produkt ist
in vier verschiedenen Größenvarianten
als Stahl- oder Kunststoffvariante
erhältlich.
Kesseböhmer überzeugte mit
dem auf 750er Schrankbreite angepassten
Hochschrankbeschlag „Convoy
Lavido“. Dabei zeigte das Unternehmen
edle Ausstattungsvarianten
mit Holztablaren, schwarzen Glasrahmenfronten
und beleuchtetem
Innenraum. Spannend waren auch
die Schubkasten-Innenaufteilungen,
die das zu Kesseböhmer gehörende
Holzwerk Rockenhausen beisteuerte,
denn hier wurde effizient mit farblichen
Kontrasten gespielt. Außerdem
gab es hier mit LED ausgestattete,
flexibel einsetzbare Stege zu sehen.
Ein Schwerpunkt des Messe-
Auftritts von Blum war das Pocketsystem
„Revego“. Mit diesem lassen
sich Küchenzeilen oder gleich
ganze Wohnbereiche verbergen.
Auch dem Thema Individualisierung
wurde Rechnung getragen. Bei
dem Schubkasten „Legrabox individual“
lassen sich unterschiedlichste
Designs realisieren: durch Farb- und
Materialmix innen und außen, Bedrucken,
Lasern oder Prägen.
„Alles auf Schwarz“, hieß es bei
Ninkaplast. Bei den Produktgruppen
des Unternehmens erwarten
Kunden neben perfekter Funktion,
Verlässlichkeit sowie leichter Montage
zudem eines: Ein hochwertiges
Äußeres, das optisch als Teil
von Schrankinnenräumen mit dem
Gesamtbild moderner Küchen korrespondiert.
Diese Forderung erfüllt die
neue „Black Edition“ in trendigem
zeitlosem Schwarz perfekt. Auch zu
den beliebten Eckschranksystemen
„Qanto“ und „Trigon“ bietet Ninka
schwarze Varianten.
Peka zeigte mit „Liro“ eine neue
Produkt linie an Tablaren, die individuell
anpassbar sind. Dabei können
die Relinge beliebig kombiniert werden.
Welche aus massiver Eiche, die
mit Fronten aus Holz und warmen
Farben harmonieren, sind ebenso
möglich wie die Bestückung mit
Glas, Kompaktplatten, Aluminium
oder einem anderen Material. Ohne
Relinge strahlen Liro- Tablare eine
elegante Ruhe aus.
Im Fokus des Messeauftritts
von Titus standen neben der Premium-Scharnierfamilie
„T-Type“ die
Schiebe türsysteme der „Slidix“-Linie.
Die Serie kann mit unterschied lichen
Materialien wie Holz, Glas, Kunststoff
sowie in verschiedenen Auszugssystemen
bis hin zu Kühlschränken
verwendet werden.
Schwinn punktete nicht nur mit
optisch ansprechenden, dekorativen
Beschlägen. So kann das Unternehmen
mit seiner Produktionsstätte in
Polen einen Standortvorteil geltend
machen und die Unabhängigkeit von
China vorantreiben. Außerdem lässt
sich hier das Ziel zu mehr Nachhaltigkeit
konsequenter umsetzen.
Im Fokus der Produktschau standen
bei Schwinn längenunabhängige
Stangengriffe.
Egger zeigte unter anderem neue
Strukturen. So wurde die „ST40 Feelwood
Oakgrain“ an das Dekorbild
der „Casella Eiche“ angepasst. Sie
zeigt eine matte, sanft gebürstete
Pore, die für Tiefenwirkung mit
natür licher, matter Optik sorgt und
dem Charakter von echtem Furnier
täuschend ähnlich ist. Damit bietet
der Holzwerkstoffspezialist nun sieben
„Feelwood“ Oberflächen. Bei
den „PerfectSense Lackplatten Span“,
die mit samtig-warmer Haptik und
die Anti-Fingerprint daherkommen,
gibt es nun die „TM9 Smoothtouch
Matt“, die sich vor allem für Anwendungen
im Korpus oder Schiebetürenbereich
eignet.
Nachhaltigkeit hatte sich auch
Stone Italiana auf die Fahne
geschrieben. So bestehen die „Cosmolite“-Küchenarbeitsplatten
des
Unternehmens zu hundert Prozent
aus recycelten Mineralstoffen. Das
Material ist außerdem kratzresistent
und sehr hygienisch. Ganz neu wurde
die Kollektion „Venantis Cosmolite“
präsentiert. Diese schlägt eine Brücke
zwischen klassischem, natürlichem
Stein und einem zeitgenössischmodernem
Design. Die Kollektion
umfasst sechs Farben und drei
Oberflächen.
Natürlich und gleichzeitig
modern wirkender Stein spielte
auch bei Alvic eine Rolle. Nämlich
bei der Kollektion „Stratos“, die
insgesamt fünf Steindekore zeigte
für die eine ganz neue Oberfläche
eigens entwickelt wurde. „Stratos“
war aber nur eine von insgesamt fünf
neuen Kollektionen, die Alvic zeigte.
Das verbindende Element war auch
hier die Nachhaltigkeit. Mit einer
großen Infotafel zeigte das Unternehmen
sein Commitment zu nachhaltigem
Handeln und zertifizierten
Rohstoffen.
Swiss Krono präsentierte ein
kleines Best-of aus dem aktuellen
Portfolio. Zum Beispiel zierte der
Öko-Designboden „Corepel“ den
Stand boden und unterstrich dabei
erneut seine Unverwüstlichkeit.
Empfangstheke, Tische und Präsen-
44 möbel kultur 12/2022
Stone Italiana
verfügbar. So kann die Platte am
Ende ihres Lebenszyklus einfach
wiederverwertet und neu verarbeitet
werden.
Sonae Arauco zeigte Highlights
seiner trendsicheren „Innovus“-
Kollektion, wie zum Beispiel den hellen
Nussbaum „Graceful Blond“, der
eine ansprechende Eiche-Alternative
ist. Ebenfalls überzeugend: „Karlstad
Oak Pale“ – eine Eiche, die dezente
Rustikalität mit Eleganz verbindet.
Hier fügen sich natürlich vorhandene
Merkmale wie Äste, Risse und Farbeinläufe
harmonisch ins Gesamtbild.
STEFAN MÜLLER
www.exposicam.it
Ninka
Interprint
Domus
Vauth-Sagel
tationsmodule zeigten sich in rohem
„SwissCDF“. Das Thema Nachhaltigkeit
fand sich in „Be.Yond“ wieder,
einer umweltfreund lichen Spanplatte,
die zu 98 Prozent aus natürlichen
Werkstoffen bestehen und
nicht mehr Emissionen als ein Baum
aufweisen.
Hingucker bei Schattdecor
waren unter anderem die sechs Farbstellungen
der „Fineflex Metallic“. In
einem besonderen Herstellungsverfahren
produzieren Fine Decor und
Schattdecor diese Möbeloberflächen
auf Basis von Recycling-Material aus
PET. Bei den Holzdekoren zeigte sich
vor allem „California Elm“ als echtes
Highlight. So gibt der geschmackvoll
eingearbeitete Gold- und Perlmutteffekt
dem Dekor eine enorme Tiefe
und edle Anmutung.
Zum ersten Mal präsentierte
Interprint seine Neuheiten auf der
„Sicam“. „Dabei zeigte der Dekordrucker
neue Dekordesigns für die
Bereiche Melamin, „Xelio“ sowie
für den Digitaldruck mit besonders
langen Rapports. Darüber hinaus war
der Messestand ein perfektes Beispiel
für den nachhaltigen Umgang
mit Ressourcen. Nach der „Sicam“
wurde er nicht einfach abgebaut und
vernichtet, sondern dient künftig im
Atrium bei Interprint als zusätzlicher
Showroom.
Eines der Top-Produkte bei
Surteco war „Flora“ von Gislaved.
Dabei handelt es sich um eine neue
Generation der PVC-Folie mit biologischem
Ursprung. Bei ihrer Herstellung
wird Ethylen aus Kiefern-
Tallöl-Rohstoff (43 Prozent) aus
zertifizierter Biomasse der zweiten
Generation eingesetzt, die nicht mit
der Nahrungsmittelkette konkurriert.
Auch bei Continental lag
ein besonderer Fokus auf dem
Thema Nachhaltigkeit. So ist
die Möbeloberfläche „Skai rPure-
Lux 2D soft“ zu 100 Prozent aus
recyceltem PET-Material im Polymer
hergestellt. Darüber hinaus ist die
Oberfläche mit der „Staynu“-Technologie
ausge stattet, also schmutzabweisend
und leicht zu reinigen,
kurzum: perfekt für den Einsatz in
Küchen und Bädern.
Rehau stellte „Rauvisio Eco-
Fino“, eine nachhaltige Oberflächen-
Programmlinie, vor. Diese besteht bis
zu 97 Prozent aus recyceltem Material.
Dabei sind sowohl Trägerplatte
als auch Möbelfolie in fast vollständig
aus Rezyklat hergestellten Varianten
Titus
Grass
Kesseböhmer/Rockenhausen
12/2022 möbel kultur 45
KÜCHE
Flaggen: shutterstock.com/Lars Poyansky
MHK Group: Jahrestreffen auf internationalem Terrain
Starke Töchter
Längst wird das Wachstum der MHK Group ein gutes Stück von
den sechs Auslandstöchtern getragen. Grund genug für das
Verbandsmanagement, sich nach der Corona-Pause wieder mit
den Landesgesellschaften vor Ort auszutauschen. Angesichts
der internationalen Herausforderungen ging es in Brüssel,
Noordwijk, Linz, Madrid und Warwickshire erst recht darum,
Stimmungen einzufangen und mit neuen Impulsen die „Kraft
der Gemeinschaft“ zu mobilisieren.
Zwei große Jubiläen, eine ganze
Reihe von Impulsvorträgen und
natürlich die Auszeichnung der
schönsten Küchen- und Badplanungen
mit dem „Goldenen Dreieck“
prägten die Jahrestreffen, zu denen
die MHK Group jeweils die Mitglieder
ihrer Landesgesellschaften
einlud. Allesamt erwirtschaften sie
bereits rund ein Drittel des gesamten
Bruttoumsatzes der Gruppe
(2021 waren es 2,99 Mrd. Euro)
– sie sind also enorm wichtig für
die Diversifikation in den eigenen
Reihen und tragen einen guten Teil
zur „Kraft der Gemeinschaft“ bei,
wie Werner Heilos als Vorsitzender
des MHK-Vorstands immer wieder
in seinen Vorträgen vor den jeweiligen
Mitgliedern betonte.
MHK Nederland, 1992 gegründet,
war die erste Auslandsgesellschaft
im Verband. Ein Anlass für
Stolz auf die Auslandstöchter:
Als Vorstandschef
der MHK Group
setzt Werner Heilos
gerade in Krisenzeiten
auf die „Kraft der
Gemeinschaft“.
400 Gäste, bei der Hauptversammlung
in Noordwijk auf das 30-jährige
Bestehen anzustoßen. Wobei Jeroen
Geerling, Geschäftsführer MHK Niederlande,
über zehn neue Mitglieder
berichten konnte. Insgesamt zählte
die niederländische MHK-Tochter
im abgelaufenen Geschäftsjahr 225
Gesellschafter (+10). Beim Umsatzwachstum
konnten diese mit 18,9
Prozent deutlich über dem Marktdurchschnitt
zulegen. Ergänzend
zur filmischen Retrospektive blickte
Werner Heilos in Noordwijk auf
die Erfolgsgeschichte aus 30 Jahren
zurück und rief dazu auf, weiterhin
Mut und Entschlossenheit zu beweisen,
„in Zeiten, in denen neue Lieferströme,
unbequeme Konditionen
und schwer zu verdauende Preise
unseren Einfallsreichtum und das
Verlassen alter Pfade herausfordern.“
Sein Credo: „Setzen wir Prioritäten!
Mindern wir Risiken und probieren
wir Neues mit neuen Konzepten
aus!“ Special Guests in Noordwijk
waren der Formel-1-Rennfahrer und
Unternehmer Robert Doornbos, der
aus seinen langjährigen Erfahrungen
im Rennsport berichtete, sowie
die Sängerin und ESC-Teilnehmerin
Edsilia Rombley.
Nur fünf Jahre jünger ist die
MHK Belgien und konnte somit
das 25-jährige Jubiläum feiern.
In Eupen gestartet und seit dem
Umzug seit diesem Jahr in Brüssel
beheimatet, ist die belgische Tochter
mit rund 200 Handelspartnern
eine beständige Größe in der
Gruppe. Das Umsatzplus 2021 lag
bei 18,7 Prozent, also deutlich
über dem Marktdurchschnitt. 220
Gäste folgten der Einladung von
Landeschef Jeroen Geldhof zum
zweitägigen Jubiläumsevent nach
Brüssel. Parallel lief eine Marketingaktion
mit 25 Angeboten, die
sich allesamt rund um die Zahl 25
drehen. Neben der Auszeichnung
der langjährigen Handelspartner
für 10, 15 und 20 Jahre Mitgliedschaft
ermutigte MHK-Vorstand Dr.
Olaf Hoppelshäuser die Mitglieder
angesichts der Herausforderungen,
vor denen (nicht nur) Belgiens
Küchenbranche steht: „Der Erfolg
der Küchenbranche ist immer das
Ergebnis der guten Zusammenarbeit
zwischen Industrie, Handel und Verbänden.“
Die MHK-Gesellschafter
können dabei auf die Unterstützung
durch starke Vertriebskonzepte wie
Kitchen Expert, attraktive Eigenmarken
sowie reichweitenstarke
Marketingaktivitäten zählen. Abgerundet
wurde die Jubiläums-Hauptversammlung
durch einen großen
Get-together-Abend mit bester
Unterhaltung durch eine erstklassige
Partyband mit der ESC Gewinnerin
Sandra Kim.
Bereits im Juni hatte MHK Ibérica
ihr Treffen in Madrid, gemeinsam
mit der MHK Schweiz. Da Landeschef
Juan Peña Corona-bedingt
nur per Live-Schaltung dabei sein
konnte, hielt Exportleiter Marcel
Crezee die Begrüßungsrede. Auf
Spanisch, nach nur zweimonatigem
Crashkurs, verkündete er die
erstklassigen Zahlen. Denn mit insgesamt
107 Mitgliedern erzielten
die Spanier 2021 mehr als zwanzig
Prozent Umsatzplus. Und auch im
laufenden Geschäftsjahr bleiben die
Auftragsbücher gefüllt, berichtete
Juan Peña, bei einem anhaltend
46 möbel kultur 12/2022
hohen Trend zur Renovierung von
Küchen und Badezimmern. „Insbesondere
mit unseren Eigenmarken
Neola und Xeno haben wir zwei
echte Asse im Ärmel, mit denen
sich unsere Anschlusshäuser auch
in einem schwieriger werdenden
Markt sehr gut behaupten können“,
ergänzte dazu Marcel Crezee. Dass
erfolgreiche Geschäfte immer noch
von Mensch zu Mensch gemacht
werden, betonte zudem Gastredner
Antonio Vicente de la Fuente
in seinem Vortrag über die „Hyperdigitalisierung
des Verbrauchers“
und stellte Strategien vor, die die
Sichtbarkeit der Unternehmen
sowohl im Internet als auch vor
Ort erhöhen.
„Im Wandel liegt die Zukunft“
lautete dagegen der programmatische
Titel des Treffens der Österreicher
in Linz. Vor 180 MHK-Partnern
erklärte hier im Oktober Günter
Schwarzlmüller, Geschäftsführer der
Landesgesellschaft, was hinter der
Strategie „MHK goes Digital“ steckt:
„Mit einer digitalen Plattform für
Handel, Handwerk, Industrie und
Dienstleister sollen sowohl die
Einzellösungen unserer eigenen als
auch die unserer externen Dienstleister
zu einem großen digitalen
Dienstleistungsnetz rund um den
Customer Journey verknüpft werden.“
Mit 15,2 Prozent Umsatzzuwachs
im Rücken, sieht die Gruppe
gute Chancen auch in unsicheren
Zeiten. Als Dirigent und Führungsexperte
war u.a. Christian Gansch
eingeladen, der ein Plädoyer fürs
Miteinander hielt.
Großbritannien war schließlich
die letzte Station der Herbst-Tagungen,
wobei diese im British Motor
Museum Warwickshire in einer
besonders originellen Location stattfand.
Zwischen 300 Oldtimern wie
dem ersten Mini und dem letzten
Aston Martin war es die erste Hauptversammlung
nach der Gründung
vor vier Jahren. „Der Schritt über
den Ärmelkanal im Jahr 2018 war
ein bedeutender Meilenstein in der
Geschichte der MHK Group“, unterstrich
Werner Heilos den Entschluss,
nach Belgien, den Niederlanden,
Österreich, der Schweiz und Spanien
die sechste Tochter im Ausland aus
der Taufe zu heben. „Nach anfänglichen
Schwierigkeiten, der englischen
Küchenbranche die Idee einer Verbundgruppe
zu verkaufen, sind wir
heute mit 80 Handelspartnern und
50 Lieferanten sehr gut in England
aufgestellt“, so die Bilanz von Werner
Heilos. Paul Wheeler, Sales Direktor
MHK UK, erkennt in den Synergien
im gemeinsamen Einkauf und im
breiten Sortiment ebenso wie im Vertriebskonzept
Kitchen Experts auch
weiterhin Vorteile, gewinnbringend
Küchen zu verkaufen. Zu Gast in
Warwickshire war im Übrigen auch
Bestsellerautor Adrian Webster, der in
seiner Motivationsrede „The Power
of TnT‘s“ auf die „kleinen Dinge“
hinwies, die den Unterschied auch
im Verkaufsgespräch ausmachen.
Und wie „Englands schönste Küche
2022“ aussieht? Hell, geräumig und
im modernen Country Style.
www.mhk.de
Mitglieder-Treffen
in Madrid mit
Live-Schaltung:
Exportchef Marcel
Crezee (r.) sprang
für den erkrankten
Geschäftsführer von
MHK Ibérica ein.
Dank Crashkurs gelang
die Begrüßung
auf Spanisch.
Ein Vierteljahrhundert
besteht die
belgische Landesgesellschaft:
Anlass zum Feiern
für die rund 200
Handelspartnern.
Günter Schwarzlmüller,
Geschäftsführer
von MHK
Österreich, stellte
das Jahrestreffen
in Linz unter das
Motto „Neue Wege
gehen“ und schlug
damit den Bogen
zum Digitalisierungskurs
2023.
Im Turbotempo
hat die erst 2018
gegründete MHK UK
zugelegt – passender
Meeting Point
war das British
Motor Museum in
Warwickshire.
Die erste Landesgesellschaft
feierte ihr
30-jähriges Jubiläum
mit 400 Gästen. Zu
den Highlights auf
der Bühne zählte der
Auftritt von Formel-
1-Rennfahrer und
Unternehmer Robert
Doornbos sowie
die Verleihung des
Goldenen Dreieicks
für die schönsten
Küchen und Bäder.
12/2022 möbel kultur 47
GO GREEN
Rotpunkt Küchen: FSC-Zertifizierung ein Baustein
Nachhaltigkeit
als USP
Konsequent arbeitet Rotpunkt Küchen seit Jahren daran,
nachhaltig(er) zu werden. Die FSC-Zertifizierung zu
Jahresbeginn war ein wichtiger Bestandteil des Prozesses.
Dank der weltweiten Bekanntheit des Siegels hat das
Unternehmen, das bereits 95 Prozent des Sortiments auf
FSC-zertifizierte Produkte umgestellt hat, jetzt ein Alleinstellungsmerkmal.
Ein weiterer Erfolg ist der Auftrag
für die Lieferung von 536 Küchen für das „UN17 Village“,
eine nachhaltige Wohnsiedlung in Kopenhagen.
Selbst ambitionierte
Ansprüche an Nachhaltigkeit
lassen sich sehr gut mit
Funktionalität und Premium-
Lifestyle kombinieren.
Sven Herden, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb
Durch den Einsatz von FSC-zertifizierten Spanplatten, die zu
90 Prozent aus Recyclingholz bestehen, sind Rotpunkt Küchen
immer auch gut für ein gesünderes Raumklima.
Für Rotpunkt Küchen ist die
FSC-Zertifizierung (CU-COC-
847235) nur ein Baustein im
ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzept.
Denn dieses orientiert sich an
den 17 globalen Zielen der Vereinten
Nationen für nachhaltige Entwicklung,
den sogenannten Sustainable
Development Goals. Der Bünder
Küchenhersteller verfolgt ökologische,
ökonomische und soziale Ziele.
Dabei geht es um viel mehr als „nur“
ein Thema: Gesundheit und Wohlergehen,
keine Armut, Maßnahmen
zum Klimaschutz, menschenwürdige
Arbeit und Wirtschaftswachstum
gehören dazu, ebenso wie die Mitarbeiter-
und die Wohngesundheit
mit Rotpunkt Möbeln bis hin zum
Weltklima. Alle Herstellungsschritte
nimmt Rotpunkt unter die Lupe und
richtet sie so aus, dass sie zur eigenen
Nachhaltigkeitsstrategie passen.
Deshalb ist der Wechsel von der
PEFC- zur FSC-Zertifizierung zu
Jahresbeginn ein wichtiger Schritt,
unterstreicht er doch die Selbstverpflichtung
zur Nachhaltigkeit. Durch
die strengeren Regularien können
Transparenz, Kontrolle und Ernsthaftigkeit
der Ausrichtung unter
Beweis gestellt werden. Weil das
FSC-Siegel weltweit bekannt und
anerkannt ist, hilft es in der Kommunikation
mit Kunden. Und Ressourcenschonung
ist ein Mehrwert,
der an die Kund:innen weitergegeben
werden kann.
Aktuell sind laut Sven Herden,
Geschäftsführer Marketing & Vertrieb
bei Rotpunkt, bereits 95 Prozent
des Sortiments auf FSC-zertifizierte
Produkte umgestellt. „Damit können
wir auf ein Alleinstellungsmerkmal
in unserer Branche verweisen“, so
Herden.
Auf dem Weg dorthin hat Rotpunkt
zunächst einmal Gespräche
mit Lieferanten geführt, um die Verfügbarkeiten
von Material zu prüfen
und die Rahmenbedingungen abzusprechen.
Nach Prüfung und Kontrolle
aller Faktoren fiel der Startschuss
für den Umstellungsprozess.
„Wir haben unser gesamtes Lager zu
einem Stichtag markiert“, schildert
Herden. So konnten wir genau definieren,
welche Ware noch aus dem
PEFC-Bestand stammte. Durch einen
fließenden Übergang wurde nach
und nach PEFC-zertifiziertes Material
durch FSC-zertifiziertes ersetzt.
Ehrensache, dass Rotpunkt in dieser
Zeit gar keine Zertifizierung ausgewiesen
hat. Durch Hochrechnungen
hinsichtlich des Umschlags war
zum 1. Januar 2022 ein vollständiger
Wechsel sicher erfolgt, sodass seither
die Umstellung in Preislisten
und Marketingmaterialien kommuniziert
wird.
In die Karten spielte Rotpunkt,
dass ein Großteil der Lieferanten
bereit selbst FSC-zertifiziert war und
einige andere mitgezogen und sich
ebenfalls FSC-zertifizieren haben
lassen. Weil Rotpunkt einen partnerschaftlichen
Umgang mit Lieferanten
pflegt und eine Zusammenarbeit
entweder bereits länger besteht oder
auf Langfristigkeit ausgelegt ist,
konnte sehr offen kommuniziert
werden. Die Verfolgung derselben
Ziele im Bereich der Nachhaltigkeit
sowie der Menschenrechte und der
Arbeitsbedingungen, auf die der FSC
stark fokussiert ist, erleichterte es,
die Umstellung zusammen mit den
Lieferanten durchzuführen.
Weil es weniger FSC-zertifizierte
Wälder gibt, haben sich Preisstrukturen
und Transportwege der
Liefe ranten geändert. Darauf lag ein
besonderes Augenmerk im Vorfeld.
Doch es gab betriebsintern ebenfalls
viel zu beachten, denn der
50 möbel kultur 12/2022
Zertifizierung liegen umfangreiche
Regularien zugrunde. Sie darf nach
Überzeugung von Rotpunkt jedoch
nicht über allem stehen. Vielmehr
müsse der Gesamtprozess in Bezug
auf die Nachhaltigkeit passen. „Wir
wollen kein Greenwashing betreiben,
sondern Transparenz in allen
Prozessabläufen schaffen“, versichert
Herden. Deshalb lag der Fokus auch
nicht auf einem Imagegewinn. Die
Werte, für die das FSC-Siegel steht,
sollten fest in der Unternehmensphilosophie
verankert sein. „Wir bei
Rotpunkt sehen die Zertifizierung
als Teil eines großen Prozesses“. Als
ein „besonders schönes Ergebnis
der Nachhaltigkeitsstrategie“ freut
sich Rotpunkt über den Auftrag für
das „UN17 Village“ (siehe unten).
„Gedanklicher Ausgangspunkt,
uns für dieses Projekt zu bewerben,
war unsere ,Greenline‘“, erzählt
Herden. Das „Greenline“-Sortiment
innerhalb der Rotpunkt-Kollektion
basiert auf einer emissionsarmen
Spanplatte, die zu 90 Prozent aus
Recyclingholz gefertigt wird. Dabei
ist die „Greenline BioBoard Gen2“
genauso belast- und bearbeitbar wie
eine herkömmliche Spanplatte –
aber leichter und CO2-freundlicher
sowie gut für ein gesünderes Raumklima,
weil die für eine Spanplatte
fertigungstypischen Formaldehyd-
Emissionen zusätzlich reduziert
sind. Das „Greenline-BioBio-Board“
ist FSC-zertifiziert, was Rotpunkt
durch eine stetige Prüfung und
Kontrolle seitens des Lieferanten
gewährleisten kann. „Gerade wegen
der mit Recyclingholz verbundenen
Herausforderungen der Nachweisbarkeit
arbeitet Rotpunkt mit
einem renommierten Hersteller wie
Pfleiderer zusammen“, so Herden.
Damit passen „Greenline“-Küchenmöbel
exakt ins Anforderungsprofil
für das „UN17 Village“, das zeigen
will, wie sich Bauprojekte gesünder
und umweltfreundlicher planen und
realisieren lassen. SUSANNE KRAFT
www.rotpunktkuechen.de
Unser Verständnis von
Nachhaltigkeit zielt auf das
globale Klima ebenso wie auf
das Klima in unserem
Unternehmen und auf das
Raumklima bei den Kunden
daheim. Andreas Wagner, Geschäftsführender Gesellschafter Rotpunkt Küchen
UN17-Village
Leuchtturmprojekt für zukünftiges Wohnen
Wenn das „UN17-Village“
2024 fertig ist, wird jeder
Wohnblock über einen Dachgarten
und eine Regenwassersammelanlage
verfügen. Hinzu
kommen Solarzellen für die
Stromerzeugung.
Als einziges Unternehmen liefert
Rotpunkt 536 Küchen für
die Wohnsiedlung „UN17-Village“
– ein Ritterschlag. Denn das
Bauprojekt in Kopenhagen ist das
derzeit wohl ambitionierteste in
Sachen Nachhaltigkeit weltweit. Es
entsteht am südlichen Stadtrand
der dänischen Hauptstadt und soll
2024 in fünf Gebäudekomplexen
auf ca. 35.000 qm Lebensraum für
mehr als 800 Menschen bieten. Die
Umsetzung und der künftige Betrieb
orientieren sich an den 17 Zielen
der Vereinten Nationen für nachhaltige
Entwicklung. Entsprechend
hoch sind Ansprüche an die beteiligten
Unternehmen und Lieferanten
für den Bau und die Ausstattung der
Wohnungen. Da sämtliche Gebäude
komplett aus recyceltem Holz, Beton
und Glas sowie wiederverwendeten
Kunststoffen gebaut werden,
passten die Rotpunkt Küchen exakt
ins Anforderungsprofil. Geliefert
werden Küchen für Single- und
Penthouse-Wohnungen ebenso wie
typische Familienküchen.
12/2022 möbel kultur 51
INDUSTRIE
Möbelmesse Brüssel: „Bubble up your Business“
Kompaktes Format
Die Möbelmesse in Brüssel hat abermals bewiesen, dass sie vor allem für den
Benelux-Markt und Frankreich ein wichtiger Orderspot ist. Doch auch Besucher:innen
aus der DACH-Region schätzen die Inspirationen und die entspannte Stimmung auf
der Veranstaltung Anfang November.
Wohlfühl-Feeling am
Stand von Easysofa.
Vertriebschef
Sander Vroone ist
insbesondere mit der
Entwicklung auf dem
deutschen Markt mehr
als zufrieden.
Unter dem Motto „Bubble up your
Busines“ veranstaltete der neue
Messechef Glenn De Maeseneer (l.),
hier gemeinsam mit Marketingmanager
Thomas Hibert, die diesjährige
Brüsseler Möbelmesse.
Die Atmosphäre war gut, sehr
gut sogar“, freute sich Messechef
Glenn De Maeseneer,
über die erste Brüsseler Möbelmesse
unter seiner Regie. Mit einem
Besucherplus von acht Prozent im
Vergleich zum Vorjahr zählte die
Möbelmesse Brüssel rund 17.500
Gäste. Damit rücken die Vor-Corona-
Zahlen (2019: ca. 19.000) wieder
in erreichbare Nähe. Der Großteil
(40%) reiste, wie gewohnt, aus Belgien
und Luxemburg an, gefolgt von
den Niederlanden (25%), Frankreich
(11,5%) und der DACH-
Region (5,5%). Demgegenüber
standen 215 Aussteller (+47). Die
meisten kamen aus Belgien (69)
und den Niederlanden (68), auf
Platz 3 folgten schon die deutschen
Teilnehmer (17) – Polipol fehlte
dieses Mal, dafür waren jetzt u.a.
neben Wiemann, Rauch und Nolte
auch wieder Himolla und Gwinner
vor Ort, aus Österreich Ada und
Voglauer. Dabei machte die Messeleitung
deutlich, dass sie sich künftig
noch internationaler aufstellen
möchte – und dass sie definitiv an
dem Termin Anfang November festhalten
will.
Insgesamt zeichnet die Messe
aus, dass sie als kompaktes Format
einen guten Überblick über die
aktuellen Trends gibt, besonders
stark im Bereich Polstermöbel und
Schlafen. Auffällig bei den Polstermöbeln:
Die vielen gemütlichen,
kuscheligen Bezüge beispielsweise
bei Rom und Easysofa, egal ob mit
Bouclé- und Cord-Stoffen, die dem
Handel, gerade jetzt für die Wintersaison
gute Argumente für die
Vermarktung am PoS an die Hand
geben. Bei den Kastenmöbeln punkteten
die Hersteller mit ganzheitlichen
Lösungen z.B. bei Meubar,
Lee & Lewis plus den passenden
Kleinmöbeln und einer großen Auswahl
an Leuchten bei Zijlstra. Das
Segment Schlafen war auch wieder
gut vertreten, sowohl mit Schlafzimmern
und Betten, als auch mit
einer großen Auswahl an Matratzen.
Interessant: Polypreen. Der belgische
Hersteller bietet nicht nur
wertige Boxspringbetten, sondern
auch versandfertige Matratzen für
den E-Commerce und ganz neu ein
Seniorenbett.
Die Stimmung war gut, allerdings
zeichnet sich im Vergleich
zu den Herbstmessen in Deutschland
ab – die viel besser waren
als erwartet –, dass die Hersteller
54 möbel kultur 12/2022
Rom ergänzte seine
modernen Polstermöbel
erstmals
um eine Tischund
Stuhl-Lösung.
Trendige Living-Konzepte im rustikalen
Look präsentierte Lee & Lewis, z.B. mit
diesem ausziehbaren Teakholztisch.
Kleinmöbel, Tische, Stühle und Leuchten sind
die Kompetenz von Zijlstra. Die Niederländer
sind verstärkt im Onlinehandel aktiv.
Bleibt der Experte für massive Eichenmöbel:
Theuns. Elke Theuns zeigte u.a. „Napoli“ in
Eiche dunkel, braun, naturell und grau.
das kommende Jahr
nur sechs Wochen
später um einiges
ernster einschätzten.
Die Bereitschaft, zu
kaufen sei noch da,
sagte zum Beispiel
Meubar- CEO Steven
Verraes. Doch wenn
die Preise weiter steigen,
die Inflation hoch
bleibe, dann müsse
man 2023 mit Insolvenzen
rechnen. Die
Unsicherheit wächst.
Das zeigen auch die
aktuellen Zahlen der
belgischen Möbelindustrie. Seit dem
zweiten Quartal, also nach Beginn
des Kriegs in der Ukraine, ist die
Nachfrage nach Möbeln deutlich
zurückgegangen. Zum einen haben
auch die Verbraucher:innen in Belgien
zuletzt wieder stärker in ihre
Freizeit – Gastronomie und Reisen
– investiert, zum anderen bremsen
die steigenden Energiepreise die
Kauflust.
Im ersten Halbjahr 2022 stieg
der Umsatz der belgischen Möbelindustrie
im Vergleich zum Vorjahr
zwar noch um 2,9 Prozent auf 1,19
Mrd. Euro. Doch im gleichen Zeitraum
kletterten die Absatzpreise um
15,7 Prozent. Fedustria, der belgische
Verband der Textil-, Holz- und
Möbelindustrie, sieht deshalb einen
faktischen Umsatzrückgang von 13
Prozent. Kumuliert bis Ende August
gingen die Auftragseingänge im belgischen
Möbelhandel um 4,3 Prozent
zurück (siehe S. 56).
Davon ließen sich die Messemacher
am Dienstagabend bei der
„Balthazar“– Preisverleihung allerdings
nicht die Laune verderben.
Insgesamt 110 Produkte wurden
Komplette Wohnlösungen auch für den deutschen Markt
bietet Meubar-CEO Steven Verraes. Ein Highlight: die
Marmor-Optiken bei Tischplatten und Schrankfronten.
eingereicht, mehr als die Hälfte aus
dem Ausland. „Best of Belgium“
ging an Mobitec für den Tisch „Blossom“,
„Best International“ an Kler
(PL) für das Polstermöbel „Cheers“,
„Best Innovation“ an Sofar (BE),
mit einem innovativen Sofa-Konzept
und die Auszeichnung „Love
at First Sight“ an The Beds (PL) für
„Pola“. Das machte Lust auf mehr:
Nächstes Jahr geht die Möbelmesse
in Brüssel vom 5. bis 8. November
über die Bühne.
EVELYNE BECKMANN
Das Printmagazin BE gibt es nicht mehr,
dafür hat die Möbelmesse Brüssel einen
Blog gestartet, auf dem regelmäßig aktuelle
News von der Messe und aus der belgischen
Möbelindustrie veröffentlicht werden.
12 /2022 möbel kultur 55
SKANDINAVIEN
Willkommen im House Nordic!
Mit sympathischer Art und
einem treff sicheren Sortiment
hat Henrik Jørgensen sein
Unternehmen zu einem Aufsteiger
unter den europäischen
Großhändlern gemacht.
House Nordic: Interview mit Henrik Jørgensen
Ein dänisches
Handelshaus
für die Welt
Seit der Gründung vor fünf Jahren schreibt House
Nordic eine internationale Erfolgsgeschichte. Das
dänische Großhandelsunternehmen findet mit
skandinavischem Design und bewusst kompetitiven
Preisen Abnehmer auf der ganzen Welt. Auch in
schwierigen Import-Zeiten blickt der CEO und Firmengründer
Henrik Jørgensen mit ungebrochenem
skandinavischem Optimismus nach vorn, wie er der
„möbel kultur“ im Interview erklärt.
möbel kultur: Herr Jørgensen, was für ein
Unternehmen ist House Nordic? Und was
ist das Geschäftsmodell?
Henrik Jørgensen: House Nordic ist
ein Großhandelsunternehmen
für Möbel, Inneneinrichtung und
Accessoires mit Sitz in Dänemark.
Wir haben derzeit Kunden in mehr
als 40 verschiedenen Ländern der
Welt, aber Europa ist unser Hauptabsatzmarkt.
Wir haben mit House
Nordic ein sehr agiles Unterneh-
men gebaut. Unser gesamtes Sortiment
ist in unseren Lagern in
Dänemark vorrätig und wir ermöglichen
auch Dropship-Lösungen.
Unser Ziel ist es, qualitativ hochwertige
Produkte zu niedrigen
und wettbewerbsfähigen Preisen
anzubieten.
Wir sind sehr ehrgeizig und konzentrieren
uns vor allem auf solide,
offene und ehrliche Beziehungen in
der Beschaffung, bei denen wir auf
Teamarbeit setzen und Win-Win-
Szenarien anstreben.
möbel kultur: Wie viele Mitarbeitende
beschäftigt das Unternehmen selbst?
Henrik Jørgensen: Es sind insgesamt
45 Mitarbeiter:innen – 25 davon
in der Administration und 20 im
Lager. Ich habe das Unternehmen
vor fünf Jahren gegründet und
die Wachstumskurve ist seitdem
erfreulicher weise sehr steil nach
58 möbel kultur 12/2022
oben gegangen. Mein Vater hat mir
in der Anfangsphase sehr geholfen
und er gehört immer noch zum
Team.
möbel kultur: Wie dänisch ist das
Unternehmen?
Henrik Jørgensen: Von der internen
Organisation her ist House Nordic
sehr dänisch. Das gilt auch in der
Hinsicht, dass wir im Geschäftsalltag
nicht sehr hierarchisch agieren und
kommunizieren. Alle Mitarbeitenden
werden für ihren Beitrag und
ihre jeweilige Expertise geschätzt.
Ein dänisches Unter nehmen ist in
der Regel nicht sehr bürokratisch
und löst Probleme mit einem hohen
Maß an Pragmatismus. Das ist auch
bei uns der Fall.
möbel kultur: Wo ist House Nordic besonders
erfolgreich?
Henrik Jørgensen: Der Scandi Look
hat viele Fans in aller Welt. Unser
Sowohl unsere Lager als auch unser
Büro befinden sich in unmittel barer
Nähe. Einen großen Teil unserer
Produkte entwerfen wir anhand
der dänischen Lebensweise und
wir arbeiten mit unterschiedlichen
Designern zusammen, um dieses
Ziel immer wieder aufs Neue zu
erreichen. Unser Einkaufsteam reist
um den gesamten Globus, um die
besten Produkte zu scouten.
möbel kultur: Wie ist das Sortiment
aufgebaut?
Henrik Jørgensen: Es ist sehr umfangreich.
Wir sind ein One-Stop-
Shop-Lieferant, da wir Möbel und
Accessoires sowohl für den Innenals
auch für den Außenbereich
vertreiben. Das macht es für die
Handelspartner interessant, weil
sie vieles aus einer Hand beziehen
können. Wir entwickeln ständig
neue Produkte und gehen auf die
unterschiedlichen Anforderungen
möbel kultur: In welchen Ländern
beschafft House Nordic traditionell
Waren?
Henrik Jørgensen: Wir produzieren
die meisten unserer Produkte im
Fernen Osten, also in Indonesien,
China, Vietnam, Indien und weiteren
Ländern. Einige unserer Produkte
werden wegen der kürzeren
Lieferzeiten aber auch in Europa
hergestellt. Es kommt sehr auf den
Artikel an.
möbel kultur: Das Importgeschäft ist in
den letzten zwei Jahren komplizierter
geworden.
Henrik Jørgensen: Das stimmt, denn
die Preise sowohl für die Herstellung
als auch für den Versand sind
rasant gestiegen. Wir profitieren
aber auch in der Logistik von den
langjährigen Partnerschaften mit
unseren Speditionen. Wir sind ein
wichtiger Auftraggeber, weil wir
große Volumina bewegen lassen.
Die fein abgestimmten
Wohnbilder im Scandi Look
kommen in vielen Ländern
der Welt sehr gut an.
größter Markt ist derzeit Skandinavien,
aber auch in Deutschland und
den Benelux-Ländern wachsen wir
sehr schnell.
möbel kultur: House Nordic hat seinen
Sitz auf der beschaulichen Insel Fünen.
Woher kommen die Inspirationen für das
Sortiment?
Henrik Jørgensen: Ja, das ist richtig.
Wir sind im nördlichen Teil Fünens,
in der Kleinstadt Søndersø, ansässig.
der verschiedenen Märkte ein, in
denen wir tätig sind.
möbel kultur: Wie intensiv wird der B2B-
Shop von den Handelspartnern genutzt?
Henrik Jørgensen: Das B2B-Portal wird
sehr stark genutzt, da die Nutzung
einerseits sehr einfach ist und andererseits
sehr viele Services geboten
werden. Die Kunden können dort
Preislisten, Lagerbestände und Verpackungsinformationen
einsehen.
möbel kultur: Werden Sie die Beschaffungsmärkte
umstrukturieren?
Henrik Jørgensen: Langfristig werden
wir das an einigen Stellen tun, wenn
sich der Markt wieder normalisiert.
Aktuell sinken die Transportpreise
aber wieder und wir können nun
mehr denn je von unseren starken
Partnerschaften profitieren.
SASCHA TAPKEN
www.housenordic.dk
12/2022 möbel kultur 59
TOP-THEMA/SCHLAFEN
Die Preise
Aufgrund immenser Preissteigerungen
und einer teilweisen
Materialverknappung
befindet sich die deutsche
Matratzenindustrie weiter
im Ausnahmezustand. Wie
reagieren die Hersteller
auf die aktuelle Situation?
Welche Strategien wählen
sie, um erfolgreich zu
bleiben? Und was erhoffen
sie sich vom Handel? Eine
Analyse der „möbel kultur“.
steigen weiter
Die TDI-Anlage von
BASF am Standort
Ludwigshafen hat eine
Kapazität von 300.000
Tonnen. Im Bild: Die
Schichtführer David
Taxweiler (l.) und
Thomas Pernitzki bei
einem Sicherheitsrundgang
durch die
TDI-Anlage.
Foto: BASF SE
62 möbel kultur 12/2022
Schwieriger denn je gestaltet
sich die Situation für die
deutsche Matratzenindustrie.
Denn nach den Auswirkungen der
Pandemie hat nun der Krieg in der
Ukraine zusätzlich deutliche Spuren
hinterlassen. So haben sich die
Preise in allen Segmenten – von
den Rohstoffen über die Logistik
bis hin zur Verpackung – teils dramatisch
erhöht. Einige Beispiele:
Polyurethan war im November
2022 um 25 Prozent teurer als im
November 2021, Polyester um 35
Prozent. Die Preise für Sperrholz
und Spanplatten, zwischenzeitlich
bei einer Erhöhung von 300 Prozent
angekommen, liegen aktuell immer
noch rund 40 Prozent über denen
des vergangenen Novembers. Auch
Stahl und Vlies haben zugelegt,
wobei sich „die Preise für Stahl zum
Sommer hin noch einmal erhöht
haben, aktuell aber leicht nach
unten tendieren“, wie Frank Lindner,
Geschäftsführer Sun Garden,
erklärt. Bei einer aktuellen Umfrage
des Fachverbands Matratzen-Industrie
berichteten mehr als die Hälfte
der Unternehmen hinsichtlich der
Materialkosten von Anstiegen bis 50
Prozent, ein Drittel sogar von einer
Verdopplung.
Eine besondere Rolle spielt hierbei
der Rohstoff TDI (Toluoldiisocyanat),
der für die Herstellung
von Matratzenschaum benötigt
wird. Hintergrund ist, dass bei den
weltweit nur wenigen Herstellern
dieses Grundstoffes immer wieder
technische Ausfälle gemeldet werden,
die dann zu Verknappung und
Preisanstiegen führen. Zuletzt war
es im August beim Unternehmen
Covestro – einem der drei TDI-Hersteller
in Europa – zu einem Produktionsausfall
und Anmeldung von
„Force Majeure“ gekommen. „Unter
Branchenkennern verfestigt sich der
Verdacht, dass hinter diesen Störungen
ein System steckt“, so Verbands-
Geschäftsführer Martin Auerbach.
Und Thomas Bußkamp, CEO der
Eurocomfort Group, betont: „Die
Schaumhersteller realisieren ein
Overprizing.“ Insgesamt waren im
Herbst im Bereich TDI laut Frank
Lindner von Sun Garden „nur noch
ca. 25 Prozent der Produktionskapazitäten
verfügbar.
Das einzige Zulieferprodukt, das
aktuell günstiger ist als im November
2021, sind Federkerne. Die
Preise haben sich entspannt, da
wieder mehr Ware aus Asien kommt.
Neben den Materialkosten
machen den Herstellern die enormen
Energiepreise zu schaffen. In
der polnischen Produktionsstätte
der Eurocomfort Group beispielsweise
hat sich Gas um 500 Prozent
und Strom um 50 Prozent verteuert.
Hinzu kommen die Transporte, die
mit einer Steigerung von 50 bis 100
Prozent im Vergleich zum November
2021 zu Buche schlagen, sowie die
Kartonage, die bei einem Plus von
35 bis 40 Prozent liegt, erklärt Thomas
Bußkamp. Die Container-Preise
sind dagegen aktuell stark gesunken.
Auch für die kommenden Mo -
nate sind die Aussichten wenig
optimistisch, wie die Umfrage des
Fachverbands Matratzen-Industrie
zeigt: Mehr als zwei Drittel erwarten
weitere Erhöhungen bis 50 Prozent.
Dunlopillo-Geschäftsführer Christoph
v. Wrisberg geht für 2023 von
„Preiserhöhungen im zweistelligen
Bereich“ aus. Und Klaus Neudecker,
Geschäftsleitung Rummel Matratzen,
prognostiziert: „Zuspitzen wird es
sich 2023 mit Sicherheit bei den
Schaumpreisen. Von einer Entspannung
ist nicht auszugehen.“ Marktwirtschaftlich
im ersten Moment
erstaunlich, da bei sinkender Nachfrage,
wie sie aktuell zu spüren ist,
eigentlich auch die Preise sinken.
Aber: „Aktuell treffen unsere europäischen
Vorlieferanten im Bereich
der ,Chemie‘ eher die Entscheidung,
Produktionen herun terzufahren, als
die Preise zu senken“, erklärt Frank
Lindner.
Angesichts dieser Situation war
es für die Hersteller im Laufe dieses
Jahres unumgänglich, ebenfalls die
Preise anzupassen. Rummel beispielsweise
hat im Schnitt um acht
Prozent erhöht, die Eurocomfort
Group um fünf Prozent. Christoph v.
Wrisberg betont: „Wir konnten sieben
bis zehn Prozent weitergeben,
obwohl wir das Doppelte benötigt
hätten. Hier muss spätestens 2023
nachgebessert werden und wir hoffen
auf die Einsicht des Handels –
Wir wollen
unsere Fertigungstiefe
erhöhen, u.a.
mit einer eigenen
Schaumfabrik.
Thomas Bußkamp, CEO der Eurocomfort Group
auch was die Fristen der Umsetzung
angeht. Denn drei Monate Vorlauf,
bevor Preiserhöhungen greifen, ist
bei permanent steigenden Preisen
eine Hypothek.“
Viele Unternehmen haben 2022
zudem mit zeitlich begrenzten
Wir hoffen bei
Preiserhöhungen auf die
Einsicht des Handels –
auch was die Fristen für
die Umsetzung angeht.
Christoph v. Wrisberg, Geschäftsführer Dunlopillo
12/2022 möbel kultur 63
SCHLAFEN
Rund 1 Mio. Matratzenkerne
produziert Latexco
pro Jahr. Die Stahlformen
fertigen sie selbst,
aktuell verfügen sie über
ca. 2.500 Varianten.
Latexco: Die Nachhaltigkeit im Blick
Latex-Plantagen
als Öko-Biotop
Mehr als 1 Mio. Matratzenkerne
und 650.000 Kissen
aus Latex, Naturlatex und
technischen PU-Schäumen
fertigt Latexco jährlich. Am
Firmensitz im belgischen
Tielt zeigte der Hersteller
der „möbel kultur“, wie
die Produktion abläuft
und welche große Rolle
nachhaltige Konzepte
inzwischen spielen.
Wir bieten fast unbegrenzte
Möglichkeiten im Latex-
Bereich“, betont Verkaufsleiterin
Nathalie Verheye. Da Latexco
die Formen für die Matratzen und
Kissen selbst fertigt – aktuell verfügen
sie über rund 2.500 individuelle
Varianten –, können sie eine
immense Bandbreite abdecken, bis
hin zu den verschiedensten Sondermaßen.
1955 von Sylvain Maes
gegründet, hat sich der Zulieferer in
den 80er Jahren auf die Bettwarenund
Matratzenindustrie spezialisiert.
Ab 2010 wurde die internationale
Expansion gestartet. Heute umfasst
das Unternehmen fünf Standorte
– neben dem Firmensitz im belgischen
Tielt in Brasilien, Indonesien,
Singapur und Spanien. Die insgesamt
400 Mitarbeiter:innen fertigen rund
1 Mio. Matratzen, 650.000 Kissen
und 4,5 Mio. Laufmeter pro Jahr
und erwirtschaften einen Gesamtumsatz
von mehr als 150 Mio. Euro.
Bei den Materialien konzentriert
sich Latexco auf klassischen Latex,
Naturlatex, die „Fom“-Range aus
technischen PU-Schäumen und
die „Fusion“-Linie, die Latex und
„Fom“ oder Federkerne miteinander
kombiniert.
Die Herstellung der Latex modelle
erfolgt zum einen über das bekannte
Dunlop-Verfahren. Dabei wird der
Rohstoff aufgeschäumt, bis ein
stabil-flüssiger Schaum entsteht.
Dieser wird in eine Stahlform mit
FACTS
❯ Geschäftsführer:
Luc und Carole Maes (Sohn und
Enkelin des Gründers Sylvain Maes)
❯ Produktionsstätten: Belgien,
Brasilien, Indonesien, Singapur und
Spanien
❯ Mitarbeitende: über 400
❯ Gesamtumsatz: 150 Mio. Euro
❯ Sortiment: jährlich 1 Mio.
Matratzenkerne, 650.000 Kissen und
Topper aus Latex, Naturlatex und
PU-Schäumen
www.latexco.com
74 möbel kultur 12/2022
1 Der Latex-
Schaum wird – teils
per Hand, teils per
Roboter – in eine
Stahlform gegossen
und dann „gebacken“.
Latexco
verfügt im Werk
in Tielt über fünf
Fertigungslinien im
Dunlop- und zwei
im „Sonocare“-
Verfahren.
1
Eine Mitarbeiterin führt die
Qualitätskontrolle durch.
eingearbeiteten Stiften gegossen
und dann in einer verschlossenen
Form „gebacken“. Die Stifte sorgen
dabei für eine gleichmäßige Hitzeverteilung
und lassen die typischen
Belüftungslöcher entstehen.
Daneben hat Latexco vor zehn
Jahren das „Sonocore“-Verfahren
entwickelt, aus dem der „Pulse“-
Latex entsteht. Der entscheidende
Unterschied ist, dass der Schaum
per Mikrowellen verarbeitet wird.
Das hat laut Nathalie Verheye verschiedene
Vorteile: „Der Latex ist
elastischer und hat eine homogenere
Struktur, die es zudem luftdurchlässiger
macht. Und am wichtigsten
ist vielleicht, dass dieses Verfahren
deutlich weniger Energie
verbraucht.“
Für das Unternehmen ein sehr
wichtiges Argument, da es schon seit
langem die Nachhaltigkeit im Blick
hat. So besitzt Latexco unter anderem
Solaranlagen, eine Wasseraufbereitungsanlage,
mit deren Hilfe 98 Prozent
des Wassers wiederverwendet
werden kann, sowie das Recyclingunternehmen
Latexco Solutions. Dieses
sammelt Produktionsreste und
fertigt daraus beispielsweise Bettwaren-Lösungen,
Kuh-Matratzen für
die Viehhaltung, Fußboden-Beläge
und Verpackungen. Das Unternehmen
stellt insgesamt 15.000 Tonnen
Latex-Komponenten her. Davon
werden aktuell 2.500 Tonnen von
Latexco Solutions zurückgenommen
und recycelt. Bis 2025 soll sich diese
Menge auf mehr als 5.000 Tonnen
verdoppeln.
Ein weiterer nachhaltiger Aspekt
stellt der Naturlatex dar. Das Sortiment,
das 85- und 100-prozentigen
Naturlatex umfasst, ist komplett
FSC-zertifiziert. „Als nächstes wollen
wir die Umstellung auf FSC und
FSC-Mix für alle Latexkomponenten
realisieren“, so Verheye.
Um die Nachhaltigkeit noch weiter
voranzutreiben, ist der Hersteller
im vergangenen Jahr mit dem ehrgeizigen
„Moreganic“-Konzept an
den Start gegangen. Dabei handelt
es sich um einen neuen Standard
für Latex-Plantagen, der mit Klima-
Expert:innen entwickelt und von
Control Union, einem auf Nachhaltigkeit
in Lieferketten spezialisierten
Unternehmen, zertifiziert
wurde. Die Latex-Plantagen sind
aktuell zumeist reine Kautschukbaum-Pflanzungen
– ohne Tiere
oder andere Pflanzen. „Moreganic“
will nun zurück zu einem „Urwald“
mit biologischer Vielfalt. „Ein solcher
Lebensraum hat zwei Dimensionen:
eine ökologische und eine
ethische“, betont Verheye. Denn die
Vielfalt sorgt dafür, dass der Boden
fruchtbarer ist, mehr Wasser speichern
kann und weniger erodiert,
dass mehr CO2 abgebaut wird und
dass Pflanzen und Tiere besseren
Schutz vor Unwettern haben.
Gleichzeitig leben die Kleinbauern
in einer gesünderen Umgebung und
können zudem breitere, also bessere
Erlöse erwirtschaften.
Erste Zertifizierungen sind
bereits erfolgt, jetzt will Latexco
„Moreganic“ breit aufstellen. Produkt-Premiere
wurde im Sommer
dieses Jahres mit Kissen und Toppern
gefeiert. Mittelfristig sollen Matratzen
folgen. Nicht zuletzt deshalb
hat das Unternehmen seinen Slogan
von „We support your dreams“ in
„We protect your dreams“ geändert.
Denn die Pläne sind weiterhin
ehrgeizig: „Wir wollen bis 2025
vollständig klimaneutral sein“, gibt
Verheye das nächste Ziel vor.
SILJA BERNARD
2 An riesige Waffeleisen
erinnert
die Fertigung von
Matratzenkernen
per Dunlop. Die
Stifte sorgen für
eine gleichmäßige
Hitzeverteilung
und lassen die
typischen Belüftungslöcher
entstehen. Wenn
der Kern fertig
ist, wird er per
Hand aus der Form
gelöst. Diese wird
danach mit Wasser
gereinigt, um alle
Latex-Reste zu entfernen.
Insgesamt
dauert es rund eine
Stunde, einen Kern
herzustellen.
3 Die fertigen
Matratzenkerne
durchlaufen eine
umfassende
Qualitätskontrolle.
4 Die Produktionsreste
werden
gesammelt und
wiederverwertet.
Dafür hat der
Hersteller das
Tochterunternehmen
Latexco
Solutions gegründet.
Dieses fertigt
aus den Resten
Bettwaren-Lösungen,
Kuh-Matratzen
für die Viehhaltung,
Fußboden-Beläge
und Verpackungen.
2
3
4
12/2022 möbel kultur 75