Zdirekt! 04-2022
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DAS FACHMAGAZIN FÜR ZEITARBEIT 04/2022
WIE HALTE ICH GUTE
MITARBEITENDE?
Z direkt! 04/2022
EDITORIAL 3
Was zählt,
sind Verbindungen!
Viele neue Wörter beherrschen inzwischen die Arbeitswelt:
New Work, Agilität, Design Thinking – um nur ein
paar wenige zu nennen. Wir erleben aber auch eine
Renaissance alter Begriffe und Werte, wie Respekt,
Haltung, Wertschätzung und auch Mitarbeiterbindung.
Aufgrund des aktuellen Personalmangels in der gesamten
Republik, der sich inzwischen durch alle Branchen
zieht, müssen Arbeitgeber umdenken und auch NEU
denken. Es geht nicht nur um die Gewinnung von neuen
Mitarbeitenden, sondern auch um die Bindung der
„alten Mannschaft“. Ein Tischkicker und täglich ein
Obstkorb können dabei sicher unterstützen, aber sie
sind nur einige wenige Steine der Straße zum Ziel. Es
geht nicht nur um die Bindung, sondern vielmehr um
die VERbindung. Sind Ihre Mitarbeitenden mit dem
Unternehmen verbunden, fühlen sie sich gut aufgehoben
und tragen effektiv zum Unternehmenserfolg bei?
Hier sind in erster Linie die Führungskräfte gefordert,
durch Respekt, Haltung und Wertschätzung voranzugehen.
Eine offene und transparente Kommunikation,
ein psychologisch sicherer Arbeitsplatz und die mentale
Gesundheit der Beschäftigten sorgen für eine attraktive
Unternehmenskultur und ein gutes Betriebsklima.
Neben der sozialen Kompetenz ist die Personalentwicklung
ein weiterer wichtiger Baustein. Die vorhandenen
Begabungen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden zu
erkennen, zu erhalten, weiterzuentwickeln und sie mit
den unterschiedlichen Anforderungen der Arbeitsplätze
in Übereinstimmung zu bringen, kann Unternehmen
den entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen:
Sie halten ihre Fachkräfte. Wenn Unternehmen Perspektiven
aufzeigen, passende Arbeitsbedingungen
schaffen und es im Unternehmen ein deutliches JA zum
Mitarbeitenden gibt, ist das Ziel nicht mehr nur ein
Licht am Ende des Tunnels. Experten sprechen von einem
emotionalen Commitment, eine enge, belastbare
Bindung, die Abwerbungen von außen erschwert und
für eine langfristige Zusammenarbeit der Beteiligten
sorgt. Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist es für Unternehmen
unerlässlich, Mitarbeiterbindung als Baustein
zu erkennen und mit Leben zu füllen. Jede Neueinstellung
kostet Mühen und Geld und bringt Unruhe ins
Unternehmen, ohne die Gewissheit des Erfolgs. Wir
beleuchten in dieser Ausgabe der Zdirekt! verschiedene
Aspekte und Ansätze der Mitarbeiterbindung, um
Ihnen den steinigen Weg ins und durchs Jahr 2023 so
eben wie möglich zu bereiten.
Bleiben Sie in Verbindung!
Ulrike Schwarzer | iGZ-Bundesvorstand
4
INHALT
Inhalt
10
EDITORIAL ...................................................................................................... 3
KOMPAKT ....................................................................................................... 5
14
16
18
TITELTHEMA
Wie halte ich gute Mitarbeitende? ................................................................ 6
Mitarbeiterbindung ist für mich ..................................................................... 8
Mitarbeiterbenefits: Am 5. Tag sollst Du ruhen ........................................... 10
Mitarbeiter-Events verbinden ........................................................................ 12
Corporate Benefits: Was steuerlich möglich ist ............................................ 14
Bleiben oder gehen? Der Faktor Chef ........................................................... 16
Klebstoff Weiterbildung ................................................................................. 18
Zeitarbeit: Eine gute Wahl. Auch im Hotel. ................................................. 20
22
GASTBEITRAG
Das gesunde Plus – betriebliches Gesundheitsmanagement ..................... 22
24
ARBEITSMARKT
Immer wieder KuG-uck! ................................................................................ 24
Petra Füller – das neue Zeitarbeitsgesicht bei der Bundesagentur ............ 26
28
RECHT DIREKT
Urlaubsrecht und Mehrarbeitszuschläge ..................................................... 28
BILDUNG
Arbeitssicherheit für PDK-Azubis ................................................................. 30
30
Der iGZ legt großen Wert auf die Gleichbehandlung aller Geschlechter in Gesellschaft und im Unternehmen.
Nur mit Rücksicht auf einen möglichst ungehinderten Lesefluss erfolgt nicht in jedem
Fall die ausdrückliche Unterscheidung in verschiedene Personenbezeichnungen wie beispielsweise
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
IMPRESSUM
Herausgeber
iGZ – Interessenverband Deutscher
Zeitarbeitsunternehmen e.V.
Campus Loddenheide
Fridtjof-Nansen-Weg 3a
48155 Münster
Verantwortlich
Werner Stolz (WS)
Hauptgeschäftsführer
Chefredaktion
Sara Schwedmann (SaS)
Texte
Jens Große (JG)
Jens Issel (JI)
Eric Odenkirchen (EO)
Bettina Richter (BR)
Jenny Rohlmann (JR)
Druck
IVD GmbH & Co. KG
Wilhelmstraße 240
49475 Ibbenbüren
iGZ-Hauptstadtbüro Berlin
Schumannstr. 17
10117 Berlin
presse@ig-zeitarbeit.de
www.ig-zeitarbeit.de
Redaktion
Wolfram Linke (WLI)
Andrea Resigkeit (AR)
Art Direction
Tanja Kossack
Fotos
Timo Beylemans
Sara Schwedmann
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SCHON
GEWUSST?
Nur 16 Prozent der Beschäftigten
fühlen sich laut Gallup Engagement
Index 2021 mit ihrem Arbeitgeber verbunden.
Nur 40 Prozent der 25- bis 34-Jährigen
sind laut einer EY-Studie zur Mitarbeiterzufriedenheit
2021 zufrieden
in ihrem Job.
Nicht einfach,
sondern intuitiv.
Mit 59 Prozent der wichtigste Faktor, um Mitarbeiter
an ein Unternehmen zu binden, ist ein gutes
Betriebsklima. Das ist das Ergebnis einer Umfrage
unter Führungskräften sowie Mitarbeitern ohne
Führungsverantwortung im deutschsprachigen
Raum 2021. (Quelle: Statista)
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6
TITELTHEMA
WIE HALTE ICH
GUTE MITARBEITENDE?
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TITELTHEMA 7
Mit welchem Gedanken und in welcher Stimmung sind Sie heute zur Arbeit gestartet?
Voll motiviert, gut gelaunt und zufrieden? Herzlichen Glückwunsch! Dann gehören
Sie nicht zu den vielen Hunderttausenden von Menschen in Deutschland, die sich
fragen: Soll ich bleiben oder gehen? Eine Peakon-Studie zur Mitarbeiterzufriedenheit
zeigt, dass viele Deutsche von ihrer beruflichen Tätigkeit wenig begeistert sind. Beinahe
jeder Vierte geht unmotiviert ins Büro (23 Prozent). Der Anteil ist höher als in
jedem anderen untersuchten Land.
Einer Studie von PWC aus Mitte 2022 zufolge will einer
von fünf Befragten weltweit seinen aktuellen Job innerhalb
eines Jahres verlassen. Das Phänomen hat einen Namen:
the Great Resignation. Geprägt im vergangenen Jahr
vom US-amerikanischen Wirtschaftsforscher Anthony
Klotz, nachdem sich so viele Arbeitnehmer während
der Corona-Pandemie die Sinnfrage gestellt hatten. Die
Gründe, warum so viele Menschen unzufrieden mit ihrer
gegenwärtigen Arbeitssituation sind und in Konsequenz
die Kündigung, manchmal auch nur die innerliche, steht,
sind nur bedingt vielfältig: Als Grund für den geplanten
Jobwechsel gaben die meisten eine mögliche Gehaltssteigerung
an (71 Prozent), ähnlich häufig wurde aber
auch die Suche nach Erfüllung im Job (69 Prozent) und
die Möglichkeit, ganz man selbst sein zu können (66 Prozent),
genannt. Für den „Global Workforce Hopes and
Fears Survey 2022“ von PWC wurden mehr als 52.000
Arbeitnehmer in 44 Ländern befragt.
Das Problem: Die emotionale Bindung fehlt. Seit mehr
als 20 Jahren befragt das Markt- und Meinungsforschungsinstitut
Gallup in Deutschland Mitarbeitende
von Unternehmen zu ihrem Arbeitsumfeld und ihren
Erfahrungen am Arbeitsplatz. Die neuesten Ergebnisse
des „Gallup Engagement Index 2021“ zeigen, dass die
emotionale Mitarbeiterbindung in Deutschland nach
wie vor auf einem sehr niedrigen Niveau ist: Nur 16 Prozent
der Beschäftigten fühlen sich demnach mit ihrem
Arbeitgeber verbunden. Eine alarmierende Zahl, denn
mangelnde Motivation wirkt sich negativ auf die Leistungs-
und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen
aus. Dabei ist die emotionale Bindung eines Mitarbeitenden
an das Unternehmen die entscheidende Grundlage
für ein funktionierendes Arbeitsverhältnis. Wenn
sie fehlt, ist das weniger auf Rahmenbedingungen wie
zum Beispiel ein zu niedriges Gehalt zurückzuführen,
sondern vielmehr auf Defizite in der Personalführung
und im Arbeitsumfeld. Fühlen sich Mitarbeiter nicht
emotional an ihren Arbeitgeber gebunden, sinken ihr
Verantwortungsbewusstsein, ihre Eigeninitiative und
ihre Leistungsbereitschaft – und die Zahl der krankheitsbedingten
Fehltage nimmt im Vergleich zu ihren
emotional gebundenen Kollegen im Schnitt zu.
Doch wann fühle ich mich als Mitarbeiter eigentlich
meinem Arbeitgeber verbunden? Als Mensch bin ich
darauf programmiert, dazuzugehören – zu meiner Familie,
zu Freundeskreisen, zu (Sport-)Vereinen und auch
am Arbeitsplatz zu meinem Arbeitgeber und meinen
Kollegen. Was kann ich als Arbeitgeber in der Personaldienstleistung
meinen Mitarbeitern – intern und extern –
bieten, damit sie sich mit der Firma, mit ihrer Arbeit
identifizieren? Diese Zdirekt! geht auf verschiedene
Maßnahmen und Instrumente zur Mitarbeiterbindung
ein – wie etwa die Viertagewoche, mit der iGZ-Mitglied
PEGA seit dem Herbst gute Erfahrungen macht, Mitarbeiter-Events
wie von feltenpersonal, durch die der
Personaldienstleister Erlebnisse schafft, die verbinden,
oder auch die Themen Weiterbildung und betriebliches
Gesundheitsmanagement. Im Interview erklärt Ralf
Steuer, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für
Personalführung, wie wichtig der Faktor Führung zur
Mitarbeiterbindung ist. Und auch der Aspekt, welche
Mitarbeiterbenefits eigentlich steuerlich in welchem
Umfang möglich sind, kommt in der letzten Zdirekt!-
Ausgabe des Jahres 2022 nicht zu kurz. SaS
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TITELTHEMA
Mitarbeiterbindung ist:
»… sich von der großen Masse abzuheben, menschlich
zu sein, Interesse an den Mitarbeitenden zu zeigen und
auch mal über den Tellerrand zu schauen. Ich versuche
die Perspektive zu wechseln – was würde ich denn
von meinem Arbeitgeber erwarten – und auch mal
innovativere Wege zu gehen.«
Stephan Müller | Geschäftsführer moderne zeitarbeit
»… die Mitarbeiter zu motivieren, Spaß an der Arbeit
zu haben und einfach ein attraktiver Arbeitgeber in der
Personaldienstleistung zu sein – für interne UND
für externe Mitarbeiter.«
Anke Manske | Projektmanagerin Marketing bindan.group
»…, dass Mitarbeiter in einer familiären Atmosphäre
arbeiten können und dass es Dienstpläne nach
Wunsch gibt, mit denen wir auf die Bedürfnisse
unserer Mitarbeiter eingehen, und als Arbeitgeber für
sie einstehen und sie jederzeit unterstützen.«
Christian Wegner | Prokurist Vetus Vital GmbH
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TITELTHEMA 9
»… das Wichtigste, unser Kapital!
Als Personaldienstleister sollte ich alles dafür tun,
unsere Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden und
zufriedenzustellen. Das ist heutzutage nicht leicht,
aber wenn ich jeden behandele, wie ich selbst
behandelt werden möchte, sind wir einen großen
Schritt weiter.«
Karina Brockmann | Niederlassungsleiterin PRIMUS Personaldienstleistungen GmbH
»… sehr facettenreich. Gerade beschäftige ich mich
vor allem mit Benefits, von denen einige – wie der
Obstkorb und kostenlose Getränke – mittlerweile
Standard sind. Gewünscht werden aktuell
vor allem flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten,
E-Bike-Leasing und Mitarbeiter-Events.«
Oliver Nazareth | Geschäftsführer Nazareth Personal
»… wenn ich mich auf der Arbeit
wohlfühle und die Atmosphäre stimmt.
Mein Chef hat immer ein offenes Ohr –
und es gibt Angebote wie
die Mitgliedschaft im Fitnessstudio,
die ich gern nutze.«
Sepher Rasfijani | Auszubildender ZIP ZEITARBEIT +
PERSONALENTWICKLUNG GMBH
10
TITELTHEMA
Am 5. Tag sollst Du ruhen!
Wer seine Mitarbeiter im Unternehmen halten will, muss heutzutage kreativ sein –
und mit Pluspunkten aus der Masse hervorstechen. Die Palette von Maßnahmen zur
Mitarbeiterbindung reicht von Arbeitsumfeld bis Zusatzurlaub. Neu auf der Liste:
die Viertagewoche. Bei iGZ-Mitglied PEGA Personaldienstleistungen haben die Mitarbeiter
seit kurzem immer drei Tage Wochenende.
„An den anderen Rhythmus muss ich mich noch etwas
gewöhnen“, gibt Anna Regenspurg zu. Seit Oktober gilt
für die Standortleiterin und das interne Personal von
PEGA Personaldienstleistungen in Hamburg: Am Freitag
ist frei. „37 Stunden auf vier Tage verteilt zu arbeiten,
ist schon anstrengend, aber ich fühle mich durch das
lange Wochenende besser erholt.“ Und Arzttermine zu
koordinieren oder eine Städtereise zu planen, sei mit
dem freien Freitag auch viel einfacher, ergänzt Personalsachbearbeiterin
Janina Rohner. Die PEGA-Mitarbeiter
haben die Wahl: Entweder arbeiten sie nur an vier
Tagen in der Woche in der Kernzeit von 7.30 bis 17.30
Uhr oder sie bleiben beim altbewährten Modell der
Fünftagewoche. „Wir haben zwei Väter, die weiterhin
auch an fünf Tagen arbeiten, und so besser Familie
und Beruf vereinen können“, erklärt Regenspurg. So
kann PEGA längere Öffnungszeiten anbieten: „Unsere
Kunden finden es klasse, dass wir schon so früh morgens
erreichbar sind und auf Engpässe schnell reagieren
können. Und ich habe sogar schon Bewerbungsgespräche
um 7.30 Uhr geführt, bevor der Bewerber an
seine aktuelle Arbeitsstelle musste.“ Das iGZ-Mitglied
aus Hamburg steuert dem Arbeitskräftemangel ganz
gezielt durch Maßnahmen gegen. „Für uns ist Mitarbeiterbindung
das A und O. Das fängt damit an, dass
wir unseren externen Mitarbeitern nur unbefristete Arbeitsverträge
anbieten – mit dem Ziel, dass jeder vom
Kundenunternehmen später übernommen wird.“ Das
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TITELTHEMA 11
kommt offenbar gut an. Reise-Fan Janina Rohner ist
auch von den anderen Mitarbeiter-Benefits begeistert:
„PEGA zahlt mir sogar eine Erholungsbeihilfe. Das sind
156 Euro, die ich gut fürs Hotel oder die Fahrt gebrauchen
kann. Und mit der Mitarbeiter-Bonuskarte, auf die
ich vom Arbeitgeber jeden Monat 25 Euro eingezahlt
bekomme, ist dann auch noch eine kleine Shopping-
Tour drin.“
Ein Plus bieten, um im Einheitsbrei nicht unterzugehen –
das ist das Motto von Oliver Nazareth, Geschäftsführer
von Nazareth Personal in Kiel. „Mitarbeiter-Benefits wie
der Obstkorb und kostenlose Getränke sind doch heute
Standard. Bei meinen Mitarbeitern am meisten gefragt
sind flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und das
E-Bike-Leasing. Aber auch die Resonanz auf Mitarbeiterevents,
Tickets für Sportveranstaltungen und die
Mitgliedschaft im Fitnessstudio ist enorm.“ Gibt’s denn
auch Benefits, die nicht so ankommen? „Eine Firmenkreditkarte
haben wir erst gar nicht erwogen“, erzählt
der iGZ-Landesbeauftragte für Schleswig-Holstein. „Da
haben wir von anderen Unternehmen gehört, dass die
eher ein Staubfänger gewesen sei.“ Bei Vetus Vital Pflegedienste
in Elmshorn ist dagegen die angebotene Betriebsrente
ein Flop. „Die wollte keiner, was ich schade
finde“, verrät Prokurist Christian Wegner. Dafür würden
die anderen Maßnahmen vom Tankgutschein bis zum
Mitarbeiterdarlehen gern genutzt. „Das sind aber alles
nur Bonbons – das Wichtigste sind bei uns in der Pflege
eine familiäre Atmosphäre, das Füreinander-Dasein und
Dienstpläne nach Wunsch.“ Besonders die vielen Mitarbeiter
mit Migrationshintergrund würden die Unterstützung
schätzen, so bietet Vetus Vital beispielsweise
Hilfe bei der Wohnungssuche und Übersetzungen von
Behördenschreiben an.
Alle Benefits, die PEGA ihr biete, seien toll, versichert
auch Janina Rohner. „Aber sie sind alle „nice to have“
und nicht viel wert, wenn die Arbeitsatmosphäre nicht
stimmt und es im Team nicht passt.“ Und freitags legt
die Personalsachbearbeiterin nun entspannt die Füße
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12
TITELTHEMA
GUTE ERLEBNISSE
VERBINDEN!
Schon vor mehr als 100 Jahren sahen es Arbeitgeber in Zeiten der Industrialisierung
als notwendig, Mitarbeiter zu festgelegten Anlässen zusammenzubringen und ihnen
etwas Gutes zu tun. Im Jahr 2022 ist das Arbeiten ein anderes, zum Teil im Büro,
im Kundenunternehmen vor Ort – oder auch mobil im Homeoffice. Wie relevant
Mitarbeiterevents in der Personaldienstleistung heutzutage sind, darüber hat iGZ-
Kommunikationsleiter Jens Issel mit Sina Sternberg gesprochen, die unter anderem
das Eventmanagement bei iGZ-Mitglied feltenpersonal verantwortet.
Wie feiert feltenpersonal in diesem Jahr Weihnachten?
Wir haben uns von der klassischen Weihnachtsfeier
verabschiedet. Bei dem Begriff Weihnachtsfeier habe ich
sofort so ein langweiliges, steifes Gänsebraten-Essen im
Kopf. Solche „Feiern“ sind meistens ein Reinfall. Daher
haben wir uns vor längerem nach Alternativen umgeschaut.
Unsere Erfahrung ist, dass gemeinsames Aktivsein
das Miteinander weitaus mehr als ein gemeinsames
Essen fördert. Daher veranstalten wir seit Jahren ein
Weihnachtsbaumschlagen für unsere Pflegekräfte. Das ist
eine sehr beliebte Tradition geworden und hat den Vorteil,
dass man aktiv ist und keine Langeweile aufkommt.
Bei feltenpersonal finden aber auch im übrigen
Jahr sehr viele Veranstaltungen statt. Warum sind
die so wichtig? Ich schätze, insgesamt hatten wir etwas
mehr als 50 Events in diesem Jahr – von kleineren
Kaffeekränzchen bis hin zu Großveranstaltungen mit
bis zu 1.500 Personen, zum Beispiel unseren Familientag
im Kölner Zoo. Was man anbietet, kommt natürlich
immer darauf an, was man als Arbeitgeber erreichen
möchte. Aber grundsätzlich finden wir es wichtig, den
Kollegen und Kolleginnen Angebote zu machen, bei
denen sie neben dem oft stressigen Arbeitsalltag auch
schöne Erlebnisse mit ihrem Arbeitgeber verbinden. Das
wiederum bindet dann bestenfalls die Mitarbeiter an
uns als Arbeitgeber. Menschen fühlen sich Menschen
und guten Erlebnissen verbunden. Das fördern wir.
Stehen dabei bestimmte Gruppen im Fokus und
gibt es Unterschiede zwischen internen Mitarbeitenden
und Zeitarbeitskräften? Da gibt es keinen
Fokus. Es gibt Events, da steht eher der Austausch der
Zeitarbeitskräfte im Mittelpunkt, wie bei unseren Mitarbeiter-Cafés,
und dann gibt es beispielsweise unsere
jährliche Klausurtagung für die Kollegen und Kollegin-
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TITELTHEMA 13
nen aus den Niederlassungen, bei der es viel um strategische
Themen geht. Daher unterscheiden sich einzelne
Veranstaltungen in der inhaltlichen Ausgestaltung. Die
meisten Events sind aber bewusst für beide Zielgruppen
gleichermaßen gedacht.
Was bedeutet das für die Firmenkultur und wie
wichtig ist die Firmenkultur für Zeitarbeitsunternehmen
generell? Bei feltenpersonal haben wir eine
recht starke Firmenkultur und da gehört sehr viel mehr
dazu als ein paar gute Events – angefangen bei guter
Führung. Die Events sind sicherlich ein Teil, aber ich würde
es mal mit Zuckerguss auf einem Kuchen vergleichen.
So ein Zuckerguss ist schon geil – aber wenn der Kuchen
ansonsten Murks ist, bringt auch der Zuckerguss nichts.
Andererseits: Wenn alle nur den trockenen Kuchen anbieten,
dann kann der Zuckerguss schon den Unterschied
ausmachen. Aber klar, auf jeder Veranstaltung wird unbewusst
auch Kultur geprägt und weiterentwickelt. Da
kann man spüren, wer feltenpersonal ist.
Was entgegnest Du Zeitarbeitsunternehmen auf
das Argument „Zeitarbeitskräfte sind ja ohnehin
nicht lange bei uns, das lohnt nicht“? Da stelle
ich mal provokant die Gegenfrage: Schon mal überlegt,
woran das liegt, dass die Arbeitskräfte nicht lange
bleiben? Wenn das so gewollt ist, ok. Ihr habt in der
vergangenen Zdirekt!-Ausgabe den Begriff des Arbeitermangels
genutzt. Da können und wollen wir uns
hohe Fluktuation nicht leisten. Die entsteht unter anderem
bei fehlendem Zugehörigkeitsgefühl.
Was braucht es aus Deiner Sicht für eine erfolgreiche
Veranstaltung im Jahr 2023? Leichtigkeit. Bei
der aktuellen Nachrichtenlage sehnen sich die meisten
Menschen danach, einfach mal ein paar Stunden zu
lachen, in Kontakt zu treten und abgelenkt zu werden.
Inhaltliche und strategische Themen mit zwischenmenschlichen
Erlebnissen zu verbinden, erleichtert das
Ganze ungemein und schafft Zugehörigkeit. Ich kann
nur empfehlen, an der Stelle zu investieren. Es hilft und
macht auch noch Spaß.
Sina Sternberg ist seit 2018 Assistentin der Geschäftsführung
von feltenpersonal und hat das
Eventmanagement und das interne Recruiting
mit aufgebaut. Seit kurzem leitet sie zudem das
Veranstaltungsteam. Nach einem Studium der
Wirtschaftskommunikation war Sina Sternberg
zunächst im Finanzwesen und als Leitung der
Kundenbetreuung eines Online-Start-Ups tätig.
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TITELTHEMA
Corporate Benefits
Im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte reichen eine faire Bezahlung, nette Kollegen
oder ein abwechslungsreiches Arbeitsumfeld längst nicht mehr aus. Corporate
Benefits machen Unternehmen positiv unterscheidbar von anderen Arbeitgebern
und sind für viele Beschäftigte eine wichtige und bindende Zusatzleistung ihres
Arbeitgebers.
Die Gründe liegen auf der Hand: Corporate Benefits
sind häufig im Rahmen eines Sachbezugs steuerfrei.
Die Steuerfreigrenze für Sachbezüge wurde 2022 von
44 auf 50 Euro erhöht. Viele Mitarbeitervorteile werden
daher als Sachbezüge ausgestaltet. Diese sind steuerfrei,
wenn sie zusätzlich zur Vergütung geleistet werden
und somit kein Gehaltsbestandteil sind.
Ein Klassiker sind Tankgutscheine, die steuerfrei an
Mitarbeiter ausgegeben werden können. Aber auch
das Jobticket stellt eine attraktive Leistung dar, die die
Mobilitätskosten deutlich senken kann. Ein wichtiger
Anreiz für Berufsgruppen, die nicht oder nur wenig ins
Homeoffice wechseln können. Jobtickets sind bei der
richtigen Gestaltung ebenfalls steuerfrei. Gerade im Zusammenspiel
mit dem geplanten 49-€-Ticket bedeutet
dies eine massive Entlastung bei den Lebenshaltungskosten.
Auch das Laden eines privaten Elektroautos
an einer Ladestation des Arbeitgebers ist steuerfrei.
Gleichermaßen wird das Dienstrad steuerlich gefördert.
Steuerfrei ist es aber nur, wenn der Arbeitgeber die vollen
Leasingkosten trägt. Die Möglichkeit, ein Dienstrad
über eine Gehaltsumwandlung zu leasen, wird hingegen
nur steuerlich begünstigt.
Auch bei der Urlaubsreise können Beschäftigte vom Arbeitgeber
finanziell entlastet werden. Die sogenannte
Erholungsbeihilfe ist nicht steuerfrei, muss aber vom
Arbeitgeber lediglich pauschal mit 25 Prozent versteuert
werden. Bei der Erholungsbeihilfe sind jährlich 156
Euro für Beschäftigte, für Ehegatten zusätzlich 104 Euro
und für jedes Kind 52 Euro möglich. Bei einer Familie
mit zwei Kindern können so insgesamt 364 Euro als
steuerfreier Zuschuss zum Urlaub dazugezahlt werden.
Aber auch die Gesundheit der Beschäftigten lässt sich
über Corporate Benefits unterstützen. Bis zu 600 Euro
jährlich können Arbeitgeber zur Förderung der Gesundheit
ihrer Beschäftigten erstatten und dies auch noch
zusätzlich zu anderen Mitarbeitervorteilen. Auch hier
gilt, dass die Förderung „on top“ zum Arbeitsentgelt
gewährt werden muss. Steuerlich begünstigt werden
nur Maßnahmen, die „den allgemeinen Gesundheitszustand“
verbessern, beispielsweise Rauchentwöhnungen
oder spezielle Rückenkurse. Ein normales Fitnessstudio
wird diesen Anforderungen nicht gerecht, die Zahlung
eines Mitgliedsbeitrages kann dennoch als Sachbezug
bis zu 50 Euro als Gutschein steuerfrei vom Arbeitgeber
angeboten werden.
Nicht sehr verbreitet, aber ein sehr attraktiver Mitarbeitervorteil
sind betriebliche Krankenzusatzversicherungen,
die vom Arbeitgeber übernommen werden.
Der Vorteil: Arbeitgeber können häufig günstigere
Gruppentarife abschließen, sodass die Eingangsvoraussetzungen
niedrig sind. So kommen Beschäftigte in
den Kreis der Leistungsempfänger zum Beispiel beim
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TITELTHEMA 15
Zahnersatz, die eine solche Versicherung finanziell nicht
tragen oder nicht mehr abschließen können. Auch hier
gilt die monatliche Grenze von 50 Euro.
Sogar bis zu 100,05 Euro steuerfrei sind monatlich als
Essenszuschuss möglich. Dieser Betrag – häufig für sogenannte
Restaurantschecks genutzt – setzt sich aus
einem Sachbezugswert von 3,57 Euro (ab 2023: 3,80
Euro) und einer freiwilligen Aufstockung durch den
Arbeitgeber um weitere 3,10 Euro zusammen, die für
maximal fünfzehn Arbeitstage zusätzlich zum Arbeitsentgelt
für Mittag- oder Abendessen gezahlt werden
kann. Soll nicht der gesamte steuerfreie Sachbezug
eingebracht werden, ist auch ein Frühstückszuschuss
möglich, der sich aus einem Sachbezugswert von 1,87
Euro (ab 2023: 2 Euro) und dem unverändert möglichen
Aufstockungsbetrag von 3,10 Euro zusammensetzt.
Für die Weihnachtsfeier oder andere Betriebsveranstaltungen
erlaubt der Gesetzgeber einen steuerlichen
Freibetrag von 110 Euro, der zusätzlich zum Sachbezug
von 50 Euro gewährt werden kann. Die Weihnachtsfeier
darf dann aber erst die zweite Betriebsveranstaltung
im Jahr sein und alle Beschäftigten müssen eingeladen
sein, wobei es auch um einen Standort, eine Filiale oder
Abteilung gehen kann.
Damit ist noch nicht Schluss: Bis zu dreimal im Jahr
können die Beschäftigten für persönliche Ereignisse
in Höhe von 60 Euro beschenkt werden. Dazu zählen
Geburtstage, Hochzeiten oder die Geburt eines Kindes,
aber auch ein Willkommensgruß nach der Elternzeit.
Weihnachten oder Ostern zählen hier nicht.
Für nicht schulpflichtige Kinder können Arbeitgeber
Betreuungskosten übernehmen. Dies kann in Form eines
Zuschusses oder der vollständigen Übernahme der
Betreuungskosten erfolgen. Auch hier ist eine der zentralen
Anforderungen, dass die Übernahme zusätzlich
zum Arbeitsentgelt geleistet wird und die Kosten tatsächlich
entstanden sind.
Neben den klassischen Corporate Benefits hat die Bundesregierung
den Unternehmen Ende Oktober mit der
Inflationsausgleichsprämie eine weitere Möglichkeit eröffnet.
Bis Ende 2024 sind Zahlungen an die Beschäftigten
bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuerfrei
möglich – zusätzlich zum Arbeitsentgelt. Die Auszahlungen
können auch in mehreren Teilbeträgen erfolgen.
Wie bei allen steuerlichen Themen ist eine gute Information
und Vorbereitung wichtig. Komplexe Steuerregelungen
können dazu führen, dass Leistungen
zusammengerechnet werden oder die Steuerfreiheit
entfällt. Dann wird die Leistung unter Umständen steuerpflichtig
und auch entsprechende Sozialversicherungsbeiträge
können fällig werden. EO
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TITELTHEMA
Interview
Bleiben oder gehen:
Welche Rolle spielt der Chef?
Es gibt Mitarbeiter, die für ihren Chef durchs Feuer gehen. Andere sehen diesen
am liebsten von hinten. Ob Mitarbeiter im Unternehmen bleiben oder kündigen,
hängt oft auch vom Vorgesetzten ab. Wie wichtig eine gute Personalführung ist,
um Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden, beleuchten Zdirekt!-Chefredakteurin
Sara Schwedmann und Ralf Steuer, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für
Personalführung, im Interview.
Ralf Steuer ist seit 2021 Geschäftsführer
der Deutschen Gesellschaft für Personalführung.
Zuvor war er Senior Director HR bei der
Deutschen Lufthansa. Er blickt auf 30 Jahre
Führungserfahrung in Linien- und in Corporate-Funktionen
zurück und war davon über
20 Jahre in leitenden HR-Funktionen bei der
Lufthansa tätig.
Quelle: DGFP
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TITELTHEMA 17
Mein Lieblingsspruch zum Thema Führung ist ein
Zitat vom deutschen Dichter Johann Wolfgang
von Goethe: „Behandle die Menschen so, als wären
sie, was sie sein sollten, und du hilfst ihnen
zu werden, was sie sein können.“ Haben Sie auch
einen solchen Leitspruch? Nein, aber den würde ich
mir gern zu eigen machen, weil er so zeitgemäß ist und
sehr gut widerspiegelt, was sich in den vergangenen
Jahren in der Führung in Unternehmen verändert hat.
Eine wahre Zeitenwende.
Bedeutet das, der Chef – oder die Chefin – ist aus
Ihrer Erfahrung einer der wichtigsten Faktoren
in der Mitarbeiterbindung? Eindeutig ja, vor allem
durch die Corona-Pandemie mit Lockdowns und Arbeiten
im Homeoffice. Das hat das Arbeitsumfeld mit
Blick auf Gesundheit und Zufriedenheit stark verändert
und Führungskräfte spielen da die ganz entscheidende
Rolle. Viele Arbeitnehmende haben die Zeit genutzt,
um ihre Lebensziele zu überdenken. Die Burn-out-Quoten
haben im Vergleich zu den Jahren davor deutlich
zugenommen – auf über 30 Prozent im Schnitt. Das
zeigt auch noch mal, wo der Druck für Führungskräfte
entsteht. Und die Veranstaltungen, die bei uns am
meisten nachgefragt werden, sind im dritten Jahr der
Pandemie immer noch die zu den Themen New Work
und Transformation der Führung. Führungskräfte sind
unmittelbarer, direkter Kontakt zu den Mitarbeitenden
und damit eine ganz wichtige Säule für kulturstiftende
Arbeit und für Bindung. Da hängt natürlich noch viel
mehr dran – wie etwa Mitarbeiterbenefits. Aber ich bin
zutiefst überzeugt, dass materielle Bedingungen nicht
das alleinige Merkmal sind. Führung ist ein entscheidender
Hebel für Krankheitsquoten, Zufriedenheit der
Mitarbeiter und Fluktuation.
Einem Gallup-Report zufolge sind Chefs und Chefinnen
häufig der Grund, warum Mitarbeiter kündigen.
Jeder zweite Befragte gab zu, einen Job
bereits verlassen zu haben, weil man Probleme mit
dem Vorgesetzten hatte. Überrascht Sie das? Nein,
überhaupt nicht. Führungskräfte sind der Schlüssel für
die Attrahierung, die Anziehungskraft, eines Unternehmens.
Wie authentisch, ehrlich und empathisch eine Führungskraft
ist, ist zunehmend entscheidend – auch mit
Blick auf die neuen Generationen Y und Z. Die erwarten
auch eine ganz andere Form von offenem Feedback. Die
höchste Form der Wertschätzung ist aber für mich, sich
bei allem Stress Zeit zu nehmen – Zeit für echte Führung.
Wir alle sind verhaftet im operativen Geschäft, manch
einer versteckt sich aber auch gern dahinter.
Was macht eine gute Führungskraft ansonsten
noch aus? Führung ist nicht mehr wie in den 2000er
Jahren geprägt durch Regeln, Strukturen und Ziele. Das
hat sich vollkommen gedreht. Der Begriff klingt sperrig,
aber es geht weg von transaktionaler hin zu transformationaler
Führung, das Beziehungsmanagement
von Vorgesetzten und Mitarbeitenden wird also immer
wichtiger. Sich Zeit zu nehmen, zuzuhören, authentisch
zu sein. Führungskräfte müssen beispielsweise
klimatische Missstimmungen erkennen. Was ist los in
meinem Team, wo brodelt es? Ich muss leistungsstarke
Mitarbeiter identifizieren und fördern, aber auch die
Arbeit gerecht verteilen, damit nicht die guten Performer
alle Arbeitspakete abkriegen. Am besten als Chef
mit gutem Beispiel vorangehen und in einem Teammeeting
gerade bei digitaler Führung auch mal von sich
selbst berichten, etwa wie schwierig es auch für einen
selbst ist, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Das
ist authentisch und regt an, offen zu sein. Eine gute
Führungskraft ist heute vielmehr Coach, Berater und
Mentor – und bringt auch eigene Ideen ein, wie sie
Mitarbeiterbindung gestalten möchte.
Benötigt eine neue Art des Arbeitens und Führens
auch neue gesetzliche Rahmenbedingungen?
In Sachen mobiles Arbeiten bewegt sich die Regierung
nur langsam. Aus meiner Sicht ist es total
richtig, dass man Hubertus Heil gestoppt hat, einen gesetzlichen
Anspruch auf mobiles Arbeiten zu schaffen.
Das halte ich persönlich für vollkommen überzogen.
Das lässt sich auf Betriebsebene viel besser und pragmatischer
lösen. Als Gesellschaft für Personalführung
sehen wir ja auch, dass die Betriebsvereinbarungen
heute schon vielfach vorsehen, 30 oder 40 Prozent der
Arbeitszeit mobil zu arbeiten. Dazu ist es oft machbar,
bis zu drei Wochen pro Jahr innerhalb oder sogar außerhalb
Europas als Workation mobil zu arbeiten – im
Rahmen des steuerlich und sozialversicherungsrechtlich
Möglichen. Alles andere gibt es bei uns in Deutschland
ja schon – über den Arbeitsschutz, Unfallschutz, Versicherung,
Haftung von Arbeitsmitteln und nicht zuletzt
durch die Regelungen zur Telearbeit. Der gesetzliche
Rahmen reicht da im Moment völlig aus. Nur beim Thema
Workation könnte man schauen, ob der bürokratische
Aufwand gerade bei den Nicht-EU-Staaten und
bei der benötigten A1-Bescheinigung nicht zu hoch ist,
und nachbessern.
Mehr zum Thema Personalführung
zur Mitarbeiterbindung, aber auch zu
Employer Branding und Employee
Experience gibt’s zu hören – im iGZ-
Pocast Verbandelt mit Ralf Steuer!
18
TITELTHEMA
Weiterbildung
Erwerbstätige nehmen so häufig an Weiterbildungen teil wie nie zuvor: Im Jahr
2020 wurden im Adult-Education-Survey-Trendbericht mit 67 Prozent deutlich höhere
Teilnahme-Quoten gemessen als noch zwei Jahre zuvor. Zentraler Treiber für
Unternehmen ist dabei oft die Mitarbeiterbindung. Mit Fort- und Weiterbildungsangeboten
punkten sie in der Mitarbeitergunst.
Er hat nur kurz Zeit. Prof. Dr. Tim Brüggemann, Bildungsforscher
der Fachhochschule des Mittelstands in
Bielefeld, kommt gerade aus seinem Vortrag vor Handwerksunternehmern
zum Thema Weiterbildung. Nur
eine kurze Pause. Also muss es schnell gehen mit der
zentralen Frage an den Hochschullehrer: Welche Bedeutung
hat seiner Meinung nach die Weiterbildung
im kommenden Jahr generell – und insbesondere unter
dem Aspekt der Mitarbeiterbindung? Da braucht
Brüggemann nicht lange und gibt eine sehr deutliche
Einschätzung ab: „Wer seine Mitarbeiter nicht verlieren
will, der sollte sich massiv um die individuelle Weiterbildung
kümmern.“ Und wenn nicht? „Dann machen es
die Mitarbeiter selbst – und am Ende sind sie weg.“ Die
dramatische Lage am Arbeitsmarkt zwinge die Unternehmen
dazu, sich um die Kolleginnen und Kollegen zu
kümmern. Brüggemann spricht von einem nötigen, strategischen
„Klebeeffekt“, also Mitarbeiter zu halten, den
die Arbeitgeber seiner Meinung nach anstreben müssen,
was auch Dr. Martin Noack von der Bertelsmann-Stiftung
unterstreicht. Der Senior Expert für die betriebliche Weiterbildung
sagt: „Das lebenslange Lernen ist längst keine
Floskel mehr. Die Mitarbeiter orientieren sich danach.“
Das sieht Brüggemann genauso. Er sagt aber auch: Es
gibt immer noch eine Tabuisierung des Themas in vielen
Unternehmen, unter anderem auch, weil vielen kleinen
und mittelgroßen Arbeitgebern der Begriff Personalentwicklung
durch Weiterbildung wenig sagt. Und Personalentwicklung
und Mitarbeiter-Weiterbildung hingen nun
mal sehr eng zusammen. Beide Experten haben auf ihren
Weiterbildungszetteln stehen: Dadurch wird Motivation
und Identifikation mit dem Unternehmen gefördert, es
muss aber nicht zwingend immer eine fachliche unternehmensspezifische,
inhaltlich ausgelegte Weiterbildung
sein. Brüggemanns konkretes Beispiel: Eine junge Kollegin
macht eine Yoga-Weiterbildung und bietet diese
danach den Kollegen und Kolleginnen betriebsintern
an. „Sie glauben gar nicht, was das für positive Kräfte
freisetzt.“ Und das sowohl bei der geschulten Kollegin
als auch bei den Teilnehmern.
Wir haben verstanden: Weiterbildung wird gerade auch
im kommenden Jahr ein wichtiger Faktor bei der Personalentwicklung
sein. Das passt zum Fakt, dass auch
in 2023 die Zahlen des Arbeitsmarktes alles andere als
arbeitgeberfreundlich sein werden. Wenn Dr. Noack
aus seinem Bürofenster der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh
schaut, dann postuliert er als erstes: „Die Arbeitswelt
hat sich in den vergangenen 15 Jahren massiv
geändert.“ Eine Veröffentlichung von Forscherinnen des
Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, dass aktuell
990.000 qualifizierten Arbeitslosen 1,2 Millionen offene
Stellen gegenüberstehen. Im Jahr 2010 waren es doppelt
so viele Arbeitslose und halb so viele offene Stellen.
Damit wird klar, dass sich der Arbeitsmarkt von einem
Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt
hat. Der hierfür maßgeblich verantwortliche demografische
Wandel zusammen mit den Megatrends Digitalisierung
und Dekarbonisierung lässt für die Weiterbildung
in den kommenden Jahren laut Noack einige zentrale
Veränderungen erwarten: „Insgesamt werden wir vor
allem mehr Weiterbildung brauchen. Inhaltlich erwarte
ich dabei eine Zunahme der digitalen Kompetenzen und
vieler Softskills. Aber auch bei den Formaten werden wir
Z direkt! 04/2022
TITELTHEMA 19
Veränderungen sehen: Teilqualifikationen, die zwischen
Einzelkompetenzen und kompletten Berufsabschlüssen
stehen, werden stärker nachgefragt werden.“
Aber besonders spannend für die Zeitarbeit wäre natürlich
die Antwort auf die Frage, welche Weiterbildungsmaßnahmen
hier greifen werden, was die Trends mit
Blick auf den leergefegten Arbeitsmarkt ausmachen. Die
Branche muss sich sicherlich selbstkritisch zugestehen,
dass das Thema Weiterbildung bisher traditionell immer
nur mit Blick auf die eigenen, festangestellten Mitarbeiter
interpretiert worden ist. Mal eine Excel-Schulung,
mal ein Seminar zur Datenbank – oder Ähnliches. Das
Weiterbildungs-Fernglas war aber immer wenig bis gar
nicht in Richtung überlassene Mitarbeiter ausgerichtet.
„Aber genau daher wird künftig der Wind wehen“, wagt
Michael Loef vom WBS-Bildungsträger einen klaren
Ausblick auf das Jahr 2023. Geförderte Weiterbildung
lautet sein Mantra, was er auch pointiert formuliert:
„Das ist insbesondere zu den kleinen und mittelgroßen
Personaldienstleistern noch nicht wirklich durchgedrungen
– insbesondere die sehr hohe Förderung bei
den Teilqualifizierungen mit 100 Prozent Kurs- und bis
zu 100 Prozent Gehaltskosten.“ Wenn Oliver Nazareth,
Geschäftsführer von Nazareth Personal GmbH in Kiel
und ehrenamtlicher Landesbeauftragter des iGZ für den
norddeutschen Raum, das hört, schmunzelt er nur. „Ja,
so ist das“, sagt auch Nazareth, der schon seinen Kalender
für 2023 geöffnet hat: „Dieses Thema werde ich
angehen.“
Bleibt die Frage an den Bildungsexperten – unabhängig
vom Thema Zeitarbeit – wo die methodischen Trends der
Weiterbildung ganz allgemein liegen. Prof. Brüggemann:
„Dem New Work folgt das New Learning.“ Was heißt
denn das, Herr Professor? „Gefragt ist die volle Flexibilisierung
der Bildung: Lerninhalte werden zu „Nuggets“,
kleinen Häppchen, die sich quasi beliebig kombinieren
lassen und in allen Formen – ob in Präsenz oder Distanz-
Learning – angeboten werden.“ JG
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20
TITELTHEMA
Zeitarbeit: Eine gute Wahl.
Hotel zu, Mitarbeiter weg?
Personal-Flexibilität war und ist wohl am stärksten in der von der Pandemie gebeutelten
Reisebranche und in der Gastronomie gefordert. Dass die monatelangen
Einschränkungen massive Auswirkungen haben, zeigt eine Studie des Instituts der
deutschen Wirtschaft. Sie belegt, dass in der Gastronomie und Hotellerie die meisten
Jobwechsel stattgefunden haben. Viele Arbeitskräfte suchten sich neue Stellen
in Verkaufsberufen, wie zum Beispiel an der Kasse im Supermarkt oder in der Verkehrs-
und Logistikbranche. Wegen der attraktiveren Arbeitszeiten oder der besseren
Bezahlung wollen sie jetzt dortbleiben. Die Hotels und Gaststätten hingegen
brauchen Personal, das auch die Zeitarbeit erst finden muss.
Sebastian Kleine ist Betriebsleiter beim Hamburger iGZ-Mitglied Hanseatic Troubleshoot.
Z direkt! 04/2022
TITELTHEMA 21
Weil sie super zu meinem
Leben passt.
Rückblickend sieht Sebastian Kleine, Betriebsleiter des
iGZ-Mitgliedsunternehmens Hanseatic Troubleshoot,
die vergangenen Jahre nicht ganz so negativ. Das Unternehmen
hat sich auf qualifizierte Arbeitnehmerüberlassung
in der Hotellerie spezialisiert. „Gereist wird immer
und nicht alle Hotels hatten geschlossen“, erläutert er,
„sogar während der Lockdowns waren viele Kundenbetriebe
für Reisende mit einem berufsbedingten Zweck
geöffnet“. Und diese Kunden brauchten Personal für
die Rezeption, den Service, die Reinigung und auch für
die Instandhaltung der Häuser, wenn auch unter dem
Strich deutlich weniger. Natürlich wurde auch bei Hanseatic
Troubleshoot weniger Personal angefordert, aber
„wir hatten zum Glück langjährige Kunden, die weiterhin
Unterstützung brauchten. Ansonsten haben wir die
Zeit genutzt, um nach vorne zu schauen und Weichen
für die Zeit zu stellen, in der es wieder losgeht.“ Spätestens
seit dem Frühjahr 2022 legte die Reisebranche
wieder etwas zu und die Kundenanfragen häuften sich.
Viele ehemalige Mitarbeiter der Kundenbetriebe waren
aber nicht mehr verfügbar, wie die IW-Studie zeigt. Das
war und ist neben dem generellen Arbeitskräftemangel
eine zusätzliche Herausforderung im Hotelgewerbe und
in der Gastronomie. Wie schafft das iGZ-Mitglied es,
trotzdem Mitarbeiter zu finden und zu binden?
„Zeitarbeit beinhaltet für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer gerade in unserer Branche viele Vorteile“,
erklärt Kleine. „Mitarbeiter, die sich aktiv für die
Tätigkeit im Gastgewerbe entscheiden, lieben in der
Regel den Umgang mit Menschen und wollen häufig
verschiedene Häuser und Orte kennenlernen. Diese
Wünsche können sie sich mit Zeitarbeit sehr einfach
erfüllen. Wir sind ihr Job-Coach und kooperieren mit
unterschiedlichen Hotels an verschiedenen Orten.
Die Mitarbeiter haben uns als festen Arbeitgeber und
können so wertvolle Erfahrungen an unterschiedlichen
Standorten sammeln.“ Die Mitarbeiterbindung
funktioniere bei seinem Unternehmen durch eine sehr
persönliche Betreuung. Das sei wichtig, weil gerade
durch die Pandemie die persönliche Wertschätzung
und Persönlichkeitsentfaltung eine viel größere Rolle
spielten als vorher. Er selbst habe ausgiebige Erfahrungen
im Hotelgewerbe gesammelt und brenne für
diesen Dienstleistungssektor, erzählt der 38-Jährige.
„Wir kommen aus der Branche und verstehen dadurch
die Bedürfnisse der Kunden und Mitarbeiter sehr gut.
Unsere Leidenschaft für die Hospitality ist der Grund,
Michelle Keitemeier fühlt sich wohl bei ihrem Personaldienstleister und
möchte bleiben. Sie arbeitet im Auftrag von Hanseatic Troubleshoot als
Rezeptionistin in Timmendorfer Strand. Warum Zeitarbeit für sie eine gute
Wahl ist: www.zeitarbeit-einegutewahl.de.
warum sich beide Parteien bei uns sehr gut aufgehoben
fühlen. Wir vermitteln, dass jeder Mitarbeiter bei uns
nicht nur eine Nummer ist, sondern wir ihn mit seinen
individuellen Bedürfnissen wahrnehmen. Deshalb läuft
unser Recruiting am besten über Empfehlungen aus
unserem bestehenden Netzwerk.“
Die Firma Hanseatic Troubleshoot trete bei ihren Kunden
für die Belange ihrer Mitarbeiter ein und versuche
deren Ansprüche bestmöglich zu platzieren. Wenn sie
es wollten, könnten Mitarbeiter ihren beruflichen Weg
mit dem Personaldienstleister gehen. Sie kämen in den
Genuss der klassischen Mitarbeiter-Bindungstools und
würden natürlich auch durch Personalentwicklungsmaßnahmen
wie Fortbildungen gefördert. „Personaldienstleister
sollten noch viel stärker ihre Kompetenzen
als unkomplizierte und fachlich sehr versierte Karriereplaner
in den Vordergrund stellen. Die Leidenschaft für
Gastfreundlichkeit verbindet uns mit unseren Angestellten.
Wir sehen uns als Partner unserer Mitarbeiter und
werden durch tolle, loyale und leistungsstarke Arbeitskräfte
belohnt“, resümiert Sebastian Kleine. JR
IW-Kurzbericht Nr. 60/2022:
Sorgenkind Gastro?:
Berufswechsel in der
Corona-Pandemie
22
GASTBEITRAG
Betriebliches
Gesundheitsmanagement
von Britta Seeg und André Verheyen | DAK-Gesundheit
Veränderungen in der Arbeitswelt, Fachkräftemangel und unbesetzte Azubi-Stellen
zeigen, wie schwierig die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt ist. Arbeitgeber
stehen vor der Herausforderung, sowohl geeignetes Personal zu finden als auch
Mitarbeiter langfristig an ihr Unternehmen zu binden.
Ein Lösungsansatz ist das betriebliche Gesundheitsmanagement
(BGM). Die Ansätze, mit einem Korb Äpfeln
und einem Wasserspender die Mitarbeiter zu motivieren
und bei Laune zu halten, sind längst veraltet. Doch
wie sieht modernes BGM aus?
Per Definition ist BGM die systematische, zielorientierte
und kontinuierliche Steuerung aller betrieblichen Prozesse,
mit dem Ziel Gesundheit, Leistung und Erfolg für
den Betrieb und seine Beschäftigten zu erhalten und
zu fördern (Wegner & Hetmeier 2008). Dabei verfolgt
BGM einen ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz. Es
minimiert Belastungen, die sich aus der Arbeit ergeben,
und stärkt betriebliche wie individuelle Ressourcen. Als
Führungsaufgabe ist BGM in das Managementsystem
des Unternehmens eingebettet.
Um ein professionelles BGM im eigenen Betrieb einzuführen,
eignet sich der „BGM-Kreislauf“, der die wichtigsten
Schritte verdeutlicht.
Z direkt! 04/2022
GASTBEITRAG 23
VORGEHENSWEISE IM BGM
Schritt 1: Ist-Situation analysieren
Ganz individuell für Ihr Unternehmen sollten Sie folgende
Fragen klären:
– Wie oft bleiben Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen
der Arbeit fern?
– Wie alt sind Ihre Mitarbeiter?
– Arbeiten bei Ihnen vorwiegend Männer oder Frauen?
– Häufen sich bestimmte Erkrankungen oder gesundheitliche
Probleme in Ihrem Betrieb?
– Gibt es Branchenberichte mit aktuellen Studien?
Schritt 2: Ziele und Strategie festlegen
Maßgeblich für den Erfolg ist, zu wissen, was Sie als
Arbeitgeber wollen. Nicht nur das Ziel muss klar formuliert
sein, sondern auch die Schritte dorthin und die
Zielgruppen, die Sie erreichen wollen, müssen feststehen.
Auch wichtig: Wie realistisch sind die Ziele und bis
wann können Sie diese erreichen?
Schritt 3: BGF-Maßnahmen planen
Oft führen kleine Veränderungen zu großen Verbesserungen.
Gerade im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung
(BGF) gibt es eine Vielzahl von
Möglichkeiten, die Mitarbeitergesundheit zu steigern.
Diverse Dienstleister und Experten, aber auch die Krankenversicherungen
unterstützen Sie hierbei. Individuell
auf Ihren Betrieb zugeschnitten wählen Sie Maßnahmen
aus den Bereichen Führung, Bewegung, Ernährung,
Stress und Sucht aus. Die Maßnahmen können
vor Ort, digital, aber auch hybrid durchgeführt werden.
Schritt 4: Maßnahmen durchführen
Um die Maßnahmen erfolgreich umzusetzen, ist es
wichtig, Ihrer Belegschaft einen möglichst leichten
Zugang dazu zu bieten. Zeigen Sie, dass auch die
Geschäftsleitung für Veränderungen bereit ist. Gesundheitsaktionen
oder Vorträge motivieren zusätzlich.
Schritt 5: Erfolg kontrollieren
Nicht alles kann reibungslos laufen. Deshalb ist es umso
wichtiger, dass Ihr „Arbeitskreis Gesundheit" laufend
die Umsetzung prüft und bei Bedarf optimiert. Dafür
wird der Erfolg der einzelnen Maßnahmen gemessen.
Das Ziel ist erreicht, wenn Sie alle Bereiche der Arbeit
und Organisation Ihres Unternehmens auch aus dem
Blickwinkel der Gesundheit betrachten können und gesundheitsfördernde
Elemente dauerhaft in die Abläufe
und das Selbstverständnis Ihres Betriebs integrieren.
Schlussendlich macht BGM Ihre Mitarbeiter gesünder
und produktiver. Es trägt damit entscheidend zum Erfolg
Ihres Unternehmens bei, fördert die Mitarbeiterbindung
und zahlt sich aus. Experten weisen insgesamt
auf einen positiven Return on Investment (ROI) hin:
Die Quote für Einsparungen medizinischer Kosten liegt
bei 1:3,27 und die Einsparung durch die Senkung der
krankheitsbedingten Fehlzeiten bei 1:2,73.
Das sind die Vorteile:
Für Unternehmen
– Erhöhte Arbeitszufriedenheit und -produktivität
– Langfristige Senkung von Krankenständen,
Fluktuation und Arbeitsunfällen
– Gesteigerte Qualität der Produkte und Dienstleistungen
– Imagegewinn
Für Mitarbeiter
– Erhöhte Arbeitszufriedenheit und -produktivität
– Weniger Arbeitsbelastung
– Verringerte gesundheitliche Belastungen
– Gesteigertes Wohlbefinden
– Mehr Motivation
– Besseres Betriebsklima
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Der iGZ hat für seine Mitglieder eine
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Bei Fragen wenden Sie sich direkt an:
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Bezirksleiter Kooperationsvertrieb
Andre.Verheyen@dak.de
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24
ARBEITSMARKT
Immer wieder
KuG-uck!
Es ähnelt dem ewigen Kampf Don Quichotes gegen die Windmühlen: Immer
wieder aufs Neue muss der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen
(iGZ) nach jedem Auslaufen der jeweiligen Frist dafür eintreten,
dass Kurzarbeitergeld (KuG) von der Politik auch für die Zeitarbeitsbranche
gewährt wird. Offenbar scheut der Gesetzgeber, die Branche – warum auch
immer – grundsätzlich in den Kreis der KuG-Nutznießer aufzunehmen, obwohl
die Personaldienstleistung in der Wirtschaft längst als Vertragspartner
auf Augenhöhe anerkannt ist. Lohnt sich dieser Kampf überhaupt, profitiert
die Zeitarbeitsbranche eigentlich von diesem Angebot?
Z direkt! 04/2022
ARBEITSMARKT 25
„Es ist für unser Unternehmen ein echter Segen, dass
das Kurzarbeitergeld für uns gewährt wurde“, ist Dirk
Wiesner, Geschäftsführer des iGZ-Mitgliedsunternehmens
GEO MONT Personaldienste GmbH, überzeugt
davon, dass das Kurzarbeitergeld „für die Branche gut
und richtig ist“. Die Corona-Pandemie sei eine wirklich
harte Phase gewesen, und nun drohe mit den Auswirkungen
des Ukraine-Krieges und den Ergebnissen
der Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
(AÜG) weiteres Ungemach. Dass die Gewährung von
Kurzarbeitergeld eine überaus sinnvolle Regelung ist,
erfuhr Wiesner spätestens mit der Leistungsbewilligung
für seine internen Mitarbeiter, für die per se KuG bewilligt
wird. Während des Corona-Lockdowns sei, so
Wiesner, nahezu gar nichts mehr gelaufen. Trotz aller
Bemühungen habe er am Ende seine Krefelder Niederlassung
schließen müssen. Dem Kurzarbeitergeld
sei es nun zu verdanken, dass er sechs seiner internen
Mitarbeiter in seinem Hauptsitz in Oberhausen
behalten konnte: „Das sind durch die Bank erfahrene
und langjährige Fachkräfte, die eigentlich gar nicht zu
ersetzen sind“, freut er sich über die stattliche Finanzspritze
in Zeiten der Not. 67 Prozent des letzten Lohns
gab´s von staatlicher Seite, Wiesner stockte von sich aus
auf 100 Prozent auf. Was gut gemeint war, entpuppte
sich im Nachhinein als Bumerang: „Mein Team bekam
nach dieser Phase eine Nachzahlungsforderung vom
Finanzamt“, ärgert sich der Geschäftsführer. Für alle
ein Schock – Wiesner griff erneut ins Portemonnaie
und übernahm auch diese Kosten. In allem Unglück
sieht er dennoch auch das Positive: „Wir konnten mit
vereinten Kräften anschließend direkt wieder voll loslegen“,
begrüßt Wiesner, dass er sein Team dank KuG
halten konnte, „denn wenn solche Fachkräfte einmal
weg sind, kommen sie sonst auch nicht zurück.“ Anders
sah es dagegen mit den externen Arbeitskräften des
Unternehmens aus, für die es nicht zuletzt auch dank
des iGZ-Engagements die Möglichkeit zum KuG-Bezug
gegeben hätte. Da die Firma, die im nächsten Jahr ihr
30-jähriges Bestehen feiert, aber für die Zeitarbeitnehmer
keinerlei Perspektive auf Beschäftigung sah, „und
wir auch zu keinem Zeitpunkt wussten, ob und wann
es überhaupt weitergeht, blieb mir schließlich nichts
anderes übrig, als die Entlassung auszusprechen“, bedauert
Wiesner noch heute. Hätte auch nur im Ansatz
die Möglichkeit einer Überlassung bestanden, wäre
KuG auch für die externen Mitarbeiter das Mittel der
ersten Wahl gewesen. Nichtsdestotrotz – nach dieser
Erfahrung würde er es auf jeden Fall „sehr begrüßen,
wenn die Politik endlich den Weg für eine dauerhafte
Regelung zum Bezug des Kurzarbeitergeldes für Zeitarbeitskräfte
in der Personaldienstleistungsbranche freimachen
würde.“ WLI
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26
ARBEITSMARKT
Interview
KOMPETENZ
SERVICE
ZUKUNFT
Sie ist das neue Zeitarbeitsgesicht bei der Bundesagentur für Arbeit: Petra Füller.
Die 56-Jährige ist die Nachfolgerin der Anfang des Jahres verstorbenen Heike Jost-
Zipperer und steht seit September der Koordinierenden Stelle Zeitarbeit (KSZ) vor.
Im Gespräch mit Zdirekt!-Chefredakteurin Sara Schwedmann gibt Petra Füller Einblicke
in ihr Arbeitsleben und ihre Vision der Zusammenarbeit von Personaldienstleistungsbranche,
Verbänden und Bundesagentur.
Wie sind Sie zum ja doch recht speziellen Bereich
der Zeitarbeit gekommen? Für mich ist es quasi eine
Rückkehr: Ich bin 2008 als Quereinsteigerin bei der Bundesagentur
für Arbeit gestartet und habe seitdem einen
Ausflug quer durch die BA gemacht. Zuvor war ich
in der Medienbranche im Vertrieb und Kundenservice
tätig, nachdem ich in Mainz Publizistik und Psychologie
studiert hatte. Innerhalb der Bundesagentur habe ich
die verschiedensten Gebiete durchlaufen, und zwar sowohl
die arbeitgeber-orientierte als auch die bewerberorientierte
Seite. Begonnen habe ich im Arbeitgeberservice
in Kassel, da hatte ich gleich den Bezug zu den
Personaldienstleistern, die dort gerade im Bereich Automotiv
an große Unternehmen Personal überlassen. Zuletzt
war ich im Stab der operativen Geschäftsführung
der Regionaldirektion Hessen tätig, im Regionalcontrolling,
in diversen Führungspositionen im Arbeitgeberservice,
aber auch in den Kundencentern in Agenturen
für Arbeit und Jobcentern. Und ich habe vor 14 Jahren
tatsächlich auch für einige Zeit als Niederlassungsleiterin
für einen großen Personaldienstleister gearbeitet.
Da sind Sie aber viel herumgekommen. Aber als
Zeitarbeitnehmerin haben Sie nicht auch schon
gearbeitet, oder? (lacht) Nein, die Perspektive fehlt
mir vielleicht noch.
Was genau ist die Koordinierende Stelle Zeitarbeit
und was macht sie? Das habe ich mich am Anfang auch
gefragt – und mir eine Übersetzung der Abkürzung KSZ
überlegt: K steht für mich für Kompetenz. Wir wollen in
der Koordinierenden Stelle das Kompetenzzentrum für
alle Themen rund um Zeitarbeit – intern als auch extern –
sein. Das S steht für Service: Als Serviceeinheit haben wir
uns vorgenommen, an jeglicher Stelle die Zusammenarbeit
zu optimieren – als Mediator, der bei Problemen
zwischen Agentur für Arbeit und Personaldienstleister
vermittelt. Mein persönlicher Schwerpunkt ist das Z:
Zukunft. Als Partnerin wollen wir den Arbeitsmarkt der
Zukunft für die Zeitarbeitsbranche mitgestalten. Beim
Thema Qualifizierung genauso wie beim Thema Arbeitskräfte
aus dem Ausland und allen anderen Themen, mit
denen wir uns am Arbeitsmarkt befassen.
Die KSZ ist 2007 als Kooperation der Bundesagentur
für Arbeit mit 15 großen Zeitarbeitsfirmen
entstanden – mit dem Ziel, flächendeckend Qualitätsstandards
in der Zusammenarbeit mit allen
Zeitarbeitsfirmen zu vereinbaren. In Deutschland
gibt es mehr als 10.000 Personaldienstleistungsunternehmen.
Klingelt da Ihr Telefon nicht nonstop?
Nein, das ist nicht so. Wir haben mittlerweile mit rund
einhundert großen Personaldienstleistern Kooperationsvereinbarungen
abgeschlossen. Darin beschrieben sind
Z direkt! 04/2022
ARBEITSMARKT 27
Themen, die immer wieder zu Reibungen geführt haben,
sowohl auf der einen Seite als auch auf der anderen
Seite. Daher haben wir da gar nicht mehr so kleinteilige
Themenpunkte. Als Koordinierende Stelle Zeitarbeit
sind wir aber nicht nur für diese hundert Kooperationspartner
zuständig, sondern wirklich für die gesamte
Branche. Das versuchen wir auch in breiter Fläche zu
kommunizieren. Wenn es Themen gibt, bei denen es
Handlungsbedarf gibt – etwa kürzlich das Kurzarbeitergeld
– dann kann ich aktiv werden und das intern in
gezielten Austauschrunden mit den Regionaldirektionen
ansprechen. So kann ich Verständnisprobleme und Problematiken
oder auch Lösungen in den verschiedenen
Regionen adressieren und kommunizieren. Das ist dann
eine Kaskade: Ich informiere die Regionaldirektionen,
diese informieren die Agenturen und Jobcenter vor Ort,
sodass Personaldienstleister, die dann vor Ort mit dem
gleichen Problem auf die BA zukommen, mit den übergreifenden
Informationen versorgt werden können. Und
das funktioniert in beide Richtungen, also ein Netzwerk
von innen nach außen und von außen nach innen. Daher
ist es wichtig, dass der iGZ direkt meine Telefonnummer
wählt, wenn ein Thema hochkocht.
Welche Themen und Projekte wollen Sie als erste
angehen? Den Fokus möchte ich zum einen auf das
Fachkräfte-Incoming aus dem Ausland und die Fachkräfte-Entwicklung,
also Qualifizierung, legen. Da sind wir
gemeinsam schon ganz gut unterwegs. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz
ist aktuell so ausgestaltet, dass
Personaldienstleister da nicht aus dem gesamten Portfolio
schöpfen und Drittstaatler nur in der Zweitbeschäftigung
holen können. Dazu das Thema stille Reserven, die
reaktiviert werden könnten, und soziale Teilhabe. Da
denke ich unter anderem an schwerbehinderte Arbeitnehmer,
aber auch an Wiedereinsteiger und Ältere, die
in der Rente weiterarbeiten wollen. Für diese Gruppen
müssen entsprechende Arbeitsbedingungen geschaffen
werden. Und da sehe ich die Personaldienstleistung
als große Chance, weil die Branche so flexibel ist
und vielfältige Möglichkeiten bietet.
Es ist Weihnachtszeit. Auf der Wunschliste ist
noch etwas Platz. Welche Wünsche haben Sie?
Ich wünsche mir neue Kooperationspartner aus der Personaldienstleistung,
um mit immer mehr Partnern gemeinsam
an der Verbesserung des Images der Branche
zu arbeiten und in der Zusammenarbeit noch näher zusammenzurücken.
Beispielsweise dadurch, dass Personaldienstleister
wirklich nur Stellen mit einem tatsächlich
aktuellen Einstellungsbedarf melden und bei Veränderungen
Rückmeldung geben. Je konkreter der Bedarf,
desto konkreter kann auch der Vermittler betreuen. Und
ansonsten wünsche ich mir, diese aktuelle Hochstimmung,
die ich etwa bei den Themen Qualifizierungsverbund,
Rekrutingverbund oder auch soziale Teilhabe
wahrnehme, zu nutzen und die vielen Ideen wirklich
gemeinsam – trotz Konkurrenz – voranzubringen.
Sie wollen mehr über Petra Füller und
die Arbeit der KSZ erfahren? Hier geht’s
zu unserem Podcast Verbandelt – mit
Petra Füller und Clemens von Kleinsorgen,
dem stellvertretenden iGZ-Fachbereichsleiter
Bildung.
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28
RECHT DIREKT
Urlaubsrecht –
Dauergast beim EuGH
Immer häufiger wird über deutsches Arbeitsrecht vor dem
Europäischen Gerichtshof entschieden. Entweder wird direkt
vor dem EuGH geklagt, häufiger wenden sich aber
deutsche Arbeitsgerichte an das höchste europäische
Gericht, mit der Frage, ob deutsche Regelungen mit
dem Unionsrecht vereinbar sind, dem sogenannten
Vorlageverfahren. Die Europäische Union
regelt viele Bereiche des Arbeitsrechts über
Richtlinien, zum Beispiel der Antidiskriminierung,
Arbeitszeit, Entsendung, Zeitarbeit
oder Arbeitsbedingungen. Das Recht auf
Jahresurlaub hingegen leitet sich direkt aus
der Charta der Grundrechte der EU ab.
Der Erfolg gibt den Klagenden recht: Der EuGH sieht
immer wieder Verstöße gegen Unionsrecht. Einer der
Vorreiter dieser Rechtsprechung war die Entscheidung
zu den gesetzlichen Kündigungsfristen im Jahr 2010.
Der EuGH kippte die deutsche Regelung, dass für die
Berechnung der gesetzlichen Kündigungsfristen Beschäftigungsjahre,
die vor dem 25. Geburtstag des
Arbeitnehmers liegen, nicht zu berücksichtigen sind –
aus Diskriminierungsgründen. Obwohl die Regelung in
§ 622 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) damit unionsrechtswidrig
war, dauerte es bis 2019, bis diese
Regelung aus dem Gesetz gestrichen wurde.
Gerade das deutsche Urlaubsrecht ist Dauergast beim
EuGH. Bereits 2009 entschied der EuGH, dass der
gesetzliche Urlaub – entgegen der Regelungen des
Bundesurlaubsgesetzes – nicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer
ihn wegen einer Langzeiterkrankung nicht
nehmen konnte. Der Gesetzgeber blieb untätig, erfreulicherweise
haben der EuGH und im Nachgang das Bun-
desarbeitsgericht (BAG) einen Übertragungszeitraum
bei Langzeiterkrankung von 15 Monaten festgelegt.
Das BAG folgte dem EuGH ebenfalls bei der Frage, dass
der Urlaubsanspruch in Form der Urlaubsabgeltung im
Falle des Todes des Arbeitnehmers vererbbar ist. Allen
Entscheidungen ist gemein, dass eine Umsetzung für
den Arbeitgeber an klare Vorgaben geknüpft ist, auch
wenn das Bundesurlaubsgesetz bis heute nicht angepasst
ist.
Mehr Aufmerksamkeit fordert der EuGH allerdings
beim normalen Urlaubsverfall. Auch der Grundsatz des
deutschen Urlaubsrechts, wonach der Urlaub am Jahresende
beziehungsweise nach Ende des Übertragungszeitraums
automatisch verfällt, ist zwischenzeitlich vom
EuGH kassiert worden. Der EuGH verlangt, dass der Arbeitgeber
den Arbeitnehmer klar und rechtzeitig aufzufordern
hat, seinen Urlaub zu nehmen, nur dann kann
der Urlaub auch tatsächlich verfallen. Das BAG hat 2019
die Vorgaben für eine solche Aufforderung umrissen.
Z direkt! 04/2022
RECHT DIREKT 29
Diese sogenannte Hinweispflicht umfasst
– die Information, wie viele Urlaubstage dem Arbeitnehmer
im Kalenderjahr (noch) zustehen,
– eine Belehrung, dass der Urlaubsanspruch verfällt,
wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht bis zum
31.12. nimmt und kein Übertragungsgrund vorliegt,
– die förmliche Aufforderung, seinen Jahresurlaub so
rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden
Urlaubsjahres genommen werden kann.
Die Mitteilung sollte zu Beginn des Urlaubsjahres oder
bis zum Ablauf des dritten Quartals erfolgen. Eine bestimmte
Form ist nicht vorgegeben, zu Nachweiszwecken
empfiehlt sich die Textform. Denn der EuGH hat
jüngst entschieden, dass auch die Verjährung und der
Verfall von Urlaubsansprüchen bei lang andauernder
Krankheit oder Erwerbsminderung von der ordnungsgemäßen
Erfüllung der Hinweispflichten abhängt. Auch
hier ist zu erwarten, dass das BAG dem höchsten europäischen
Gericht folgt.
Die EuGH- beziehungsweise BAG-Rechtsprechung
betrifft grundsätzlich nur den gesetzlichen Urlaub,
einzubeziehen sind aber alle Urlaubstage, wenn der
zugrundeliegende Tarif- oder Arbeitsvertrag nicht zwischen
dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem tariflichen
beziehungsweise vertraglichen Mehrurlaub
unterscheidet auch nicht bestimmt, welcher Urlaub
zuerst getilgt wird.
MEHRARBEITSZUSCHLÄGE
Auch wenn die kürzliche Entscheidung des BAG zu
den Mehrarbeitszuschlägen ergangen ist, geht es bei
dem Urteil im Kern auch um europäisches Urlaubsrecht.
Nach einer Entscheidung des BAG vom 16.11.2022 sind
für Mehrarbeitszuschläge auch Urlaubsstunden zu berücksichtigen.
Das BAG folgt damit einer Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofs, dem er die Frage vorgelegt
hatte, ob das Unionsrecht einer solchen Regelung
in einem Tarifvertrag entgegenstehe (EuGH, Urteil
vom 13.1.2022 – C-514/20). Für den Schwellenwert für
Mehrarbeitszuschläge zählen somit nicht nur die tatsächlich
geleisteten Arbeitsstunden, sondern auch
bezahlte Urlaubsstunden. Sonst würde ein Anreiz für
Arbeitnehmer geschaffen, ihren Urlaub nicht zu nehmen
– so das höchste deutsche Arbeitsgericht.
Die Entscheidung betrifft den Manteltarifvertrag, den
der iGZ mit den Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes
(DGB) abgeschlossen hat, die Klärung
durch die Richter aus Luxemburg und Erfurt betrifft
aber keine zeitarbeitsspezifische Frage. Auch Tarifverträge
anderer Branchen stellen ebenfalls auf „geleistete“
Stunden zur Berechnung etwaiger Mehrarbeitszuschläge
ab. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das BAG
auch eine weitere Instanz zugelassen, ursprünglich war
bereits beim Landesarbeitsgericht Schluss.
Auch hier ist nicht nur der gesetzliche Urlaub betroffen,
wenn keine weitere Unterscheidung zum tariflichen
oder vertraglichen Urlaub vorgenommen wird. Leider
lässt sich aus der zum Redaktionsschluss vorliegenden
Pressemitteilung nicht entnehmen, ob das BAG weitere
konkrete Vorgaben zur Bemessung der Stunden je Urlaubstag
macht. EO
Aktuelle rechtliche Infos unter:
www.ig-zeitarbeit.de/recht-praxis/
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BILDUNG
Hand anlegen
für sicheres Arbeiten
Arbeitssicherheit hat in der Zeitarbeit nach wie vor eine hohe Relevanz. Und obwohl
es der gesetzlichen Unfallversicherung VBG in den vergangenen 30 Jahren
gelungen ist, die Unfallzahlen der Branche zu halbieren, ereignen sich noch immer
etliche Unfälle am Einsatzort: Im vergangenen Jahr allein 24,54 pro Stunde bundesweit
– das sind etwa zwei Arbeitsunfälle pro Minute.
PDK-Ausbildung gar nichts“, betont Gehrke. Der Zeitarbeitsexperte
muss es ja wissen: Seit über 30 Jahren
befasst er sich mit dem Thema und vermittelt es seit
nunmehr 13 Jahren auch dem Führungskräfte-Nachwuchs
als Vertragsdozent für die VBG.
VBG-Vertragsdozent Martin Gehrke
„Jeder Arbeitsunfall ist einer zu viel“, stellt Martin
Gehrke gleich zu Beginn des Arbeitssicherheitsseminars
an der VBG-Akademie im sauerländischen Gevelinghausen
fest. In Modul 1 der vierteiligen Reihe „Das Plus
für Ihre Ausbildung: Personaldienstleistungskaufleute“
(PDK) erarbeitet er an drei Tagen gemeinsam mit den
Teilnehmenden Maßnahmen zur Organisation des Arbeitsschutzes
im Betrieb und darüber hinaus. Daneben
gibt er den jungen Leuten Tipps und Kniffe mit an die
Hand, die ihnen dabei helfen sollen, Gefährdungen und
Belastungen am Arbeitsplatz frühzeitig zu erkennen.
„Arbeitssicherheit ist Bestandteil des Rahmenlehrplans
und des Ausbildungsrahmenplans, ohne die geht in der
PERSÖNLICHE SICHERHEIT
Unter den 16 PDK-Berufsschülern des Rudolf-Rempel-
Berufskollegs Bielefeld sitzt auch Florentina, die derzeit
ihre Ausbildung im 2. Lehrjahr bei der WDP GmbH &
Co. KG in Paderborn absolviert. Als Umschülerin, die
zunächst in Rumänien eine Ausbildung im kaufmännischen
Bereich abgeschlossen hat, ist sie auf Umwegen
zum PDK gekommen. „Zunächst war ich als Helferin in
einer Kerzenfabrik beschäftigt. Doch dann hat mir das
Zeitarbeitsunternehmen eine Chance gegeben“, erzählt
die 41-Jährige freimütig. Ihre Entscheidung hat die Mutter
einer 5-jährigen Tochter nie bereut. Arbeitssicherheit
ist ihr wichtig, betont sie: „Denn es geht immer auch um
meine eigene Sicherheit, am Arbeitsort und privat.“
Nur wenige Plätze von Florentina entfernt folgt der
24-jährige PDK-Auszubildende Luis Imhof interessiert
den Ausführungen von VBG-Dozentin Peggy Lampe
und Martin Gehrke, die das Seminar gemeinsamen
durchführen. Und auch wenn Luis nicht in einem Zeitarbeitsunternehmen,
sondern außerhalb der Branche im
Kölner Medienunternehmen Qvest GmbH ausgebildet
wird, hat für ihn das Thema Arbeitssicherheit Priorität.
„Unsere HR-Abteilung hat eine hohe Personalverantwortung
für 1.200 Mitarbeiter weltweit, unter anderem
in den USA, Dubai und Australien. Als Personaler
sind wir mit passgenauen Lösungen in allen Bereichen
gefordert – vom Büro-Arbeitsplatz bis hin zur Montagetätigkeit
beim Kunden vor Ort. Deshalb bin ich hier.“
Z direkt! 04/2022
BILDUNG 31
ERGONOMIE-STUDIO
Am Nachmittag steht Arbeit in Kleingruppen auf dem
Programm. Einige Teilnehmende rund um Florentina
treffen sich im angrenzenden Ergonomie-Studio. Hier
lautet die spannende Frage: Arbeitsplatzbesichtigung,
was ist das? „Wir müssen jeden Arbeitsplatz anschauen,
bevor jemand an die Arbeit geht“, erläutert Martin
Gehrke. So ist es aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
(AÜG) abgeleitet, und so soll es in den Unternehmen
auch gelebt werden. Nachdem sie sich intensiv
ORGANISATION BRANDSCHUTZ
Am selben Nachmittag erarbeitet Luis mit seiner Arbeitsgruppe
in einem anderen Raum, welche Punkte bei
der Organisation von Brandschutz zu berücksichtigen
sind. Zusammen mit seinen Mitschülern liest er die entsprechenden
Gesetzestexte quer, notiert die Aufgaben
von Brandschutzhelfern und macht sich ein Bild davon,
welches Löschmittel für welche Stoffe geeignet ist. Klar
und übersichtlich notiert er alles mit einem dicken Filzschreiber
auf einem Flipchart. Am darauffolgenden Tag
geht ihm die Präsentation vor der Gruppe locker über
die Lippen. Gut so, schließlich gehört Kommunikationsfähigkeit
zu den typischen Wesensmerkmalen erfolgreicher
Personaldienstleistungskaufleute.
VERMEIDBARE TODESFÄLLE
„Viele Arbeitsunfälle mit Todesfolge wären vermeidbar“,
weiß Martin Gehrke aus jahrzehntelanger Erfahrung.
Um es anschaulich zu machen, präsentiert er
»Viele Arbeitsunfälle mit Todesfolge
wären vermeidbar.« Martin Gehrke
mit der Thematik befasst hat, demonstriert Florentina
an einem Schreibtisch, wie Bildschirm, Tastatur und
Schreibtischstuhl eingestellt sein müssen, damit dieser
Arbeitsplatz den Grundsätzen der Ergonomie entspricht.
„Aus unserer Arbeitsgruppe nehme ich jede
Menge neuer Erkenntnisse mit“, erzählt die 41-Jährige
hinterher erfreut. „Einiges davon kann ich bestimmt in
meinem Unternehmen umsetzen.“
gerne die entsprechenden Zahlen: So sterben etwa
130.000 Menschen jährlich an Herzkreislaufversagen,
dabei könnten die meisten von ihnen noch leben, wenn
ihnen rechtzeitig geholfen worden wäre. Keine Frage:
Martin Gehrke versteht etwas von seinem Geschäft.
Und so bietet er den Absolventen dieses Kurses im Hinausgehen
schon einmal einen Ausblick auf den nächsten
Kurs. Dort steht das Thema Verletzungen auf dem
Programm und die Übernahme von Verantwortung.
Nicht zuletzt wegen der hohen Prüfungs-Relevanz der
Themen lohnt es sich, hier dranzubleiben. BR
Mehr zum Thema
Arbeitssicherheit für
PDK-Azubis gibt’s
unter vbg.de
PDK-Azubi Florentina
PDK-Azubi Luis Imhof
Weil sie super zu meinem
Leben passt.
Michelle Keitemeier
Hotelfachfrau
Was sie damit meint, lesen Sie hier:
zeitarbeit-einegutewahl.de