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FOCUS MONEY 2022/52 Vorschau

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E-PAPER LESEN:


moneyeditorial<br />

EDITORIAL<br />

Wenn der Markt durch<br />

die Krise hindurchsieht<br />

Einfache Prognose: <strong>2022</strong> wird in die Geschichtsbücher eingehen, allein schon<br />

wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Die Folgen sind auch<br />

in Deutschland schlimm genug, mit den explodierenden Energiepreisen, der<br />

grassierenden Inflation und der Furcht vor Produktionsausfällen in der energieintensiven<br />

Produktion noch in diesem Winter. Alle reden vom Wetter, aber nicht mehr<br />

im harmlosen alten Smalltalk-Sinn. Barclays zeigt in seinem wöchentlichen „Gas<br />

Chartbook“ die Temperaturkurven (7-Tages-Durchschnitt) der großen westeuropäischen<br />

Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Früher fand<br />

man Temperaturkurven nur in den zahlreichen Analysen zum Klimawandel.<br />

So wie in den vergangenen drei Jahren jeder nolens volens zum Virenexperten<br />

mutierte, muss nun jeder Energiefachmann sein. Denn so genau wie derzeit wurden<br />

Abschlagszahlungs-Ankündigungen und Jahresabrechnungen vom Versorger noch<br />

nie unter die Lupe genommen (siehe auch Seite 80). Und jedermann hat sich mit<br />

neuen Begriffen vertraut gemacht, wie der Merit-Order oder der holländischen Gashandelsplattform<br />

TTF und deren Rolle bei der Preisfindung in Europa.<br />

Die Lage bleibt angespannt: Gerade erst warnte der Chef der Bundesnetzagentur<br />

vor zu geringen Einsparungen beim Gasverbrauch. Der Gasverbrauch lag in der 48.<br />

Kalenderwoche 13 Prozent unter dem durchschnittlichen Verbrauch der letzten vier<br />

Jahre. Damit stieg er gegenüber der Vorwoche um 14 Prozent. Das Ziel liegt bei Einsparungen<br />

von 20 Prozent. Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, rief<br />

trotz gut gefüllter Gasspeicher zu nachhaltigen Sparanstrengungen auf. „Ohne erhebliche<br />

Einsparungen auch im privaten Bereich wird es schwer, eine Gasmangellage<br />

im Winter zu vermeiden.“<br />

Bei allen Problemen: Hoffnungszeichen mehren sich. Noch vor wenigen Monaten<br />

galt eine tiefe Rezession in Deutschland als nahezu sicher, jetzt sind Prognostiker<br />

wie das Ifo-Institut wieder zuversichtlicher: Die deutsche Wirtschaft soll im kommenden<br />

Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen und 2024 dann wieder mit einer Rate von<br />

1,6 Prozent expandieren. 2023 soll die Zahl der Beschäftigten in der Bundesrepublik<br />

übrigens laut Ifo um knapp 80 000 steigen. Auch für die USA hatten viele einen<br />

Rückgang der Wirtschaftsleistung prognostiziert, jetzt wird mehr und mehr erwartet,<br />

dass die Vereinigten Staaten die Kontraktion vermeiden können. Wenn dann<br />

auch noch China besser abschneidet – die Deutsche Bank traut den Chinesen<br />

im kommenden Jahr immerhin wieder fünf Prozent Wachstum zu –, müsste<br />

dies gerade dem von der Weltwirtschaft besonders abhängigen Dax, der<br />

dies alles vorwegnehmen würde, ordentlich Rückenwind geben.<br />

Meine allerleichteste Prognose: Wo der Krieg uns so nahegekommen<br />

ist, werden die Feiertage und der Jahreswechsel im Familienund<br />

Freundeskreis höher im Kurs stehen denn je. Die Redaktion<br />

wünscht Ihnen ruhige Festtage, einen guten Rutsch sowie Gesundheit<br />

und Erfolg im neuen Jahr.<br />

Ihr<br />

In eigener Sache:<br />

Lesen Sie <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> pünktlich<br />

als digitale Variante<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

seit Corona eilen wir von einer Krise zur nächsten. Und mittlerweile<br />

sind die dramatischen Auswirkungen ein Thema für uns alle.<br />

Insbesondere für die Printmedien hat das gravierende Konsequenzen:<br />

Neben drastisch gestiegenen Papierkosten bereitet uns aktuell große<br />

Sorge, dass einzelne Ausgaben von <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> aufgrund eines möglichen<br />

Gasmangels nicht gedruckt erscheinen könnten. Ein weiteres Thema,<br />

mit dem wir uns Woche für Woche konfrontiert sehen, ist, dass <strong>FOCUS</strong><br />

<strong>MONEY</strong> aufgrund von Problemen bei der Postzustellung nicht in gewohnter<br />

Pünktlichkeit bei Ihnen im Briefkasten ankommt. Dies ist für Sie wie für uns<br />

eine nicht zufriedenstellende Situation.<br />

www.focus-abo.de/infoservice<br />

FRANK MERTGEN<br />

stellv. Chefredakteur<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />

Im Fall einer Nichtzustellung möchten wir Sie schnellstmöglich und<br />

rechtssicher per E-Mail informieren können und Ihnen mitteilen, wie Sie bequem<br />

auf eine digitale Version des betroffenen Heftes zugreifen. Denn eins ist<br />

uns wichtig: Ihre Zufriedenheit und Ihr Lesegenuss mit <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong>.<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> <strong>52</strong>/1 <strong>2022</strong>/23<br />

3


moneyinhalt<br />

moneykompakt<br />

6 Zinsanhebungen: Notenbanker<br />

wollen das Tempo drosseln<br />

8 Sky/1&1: Der Verkauf des Bezahlsenders<br />

zieht sich hin<br />

8 Energie: Wo die Ampel den<br />

Haushalten unter die Arme greift<br />

8 Fusionen: Das Übernahmekarussell<br />

kommt wieder in Schwung<br />

106 Andis Börsenbarometer: Auf der<br />

Suche nach neuen Kurstreibern<br />

moneytitel<br />

10 Geldideen: <strong>2022</strong> war eines der<br />

schwierigsten Börsenjahre<br />

überhaupt. Und es dürfte holprig<br />

bleiben: Inflation, Rezession,<br />

Putin-Krieg – die Lage bleibt<br />

angespannt. <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> gibt<br />

mit 44 Investment-Tipps jedem<br />

Anlegertyp Instrumente für ein<br />

erfolgreiches neues Anlagejahr<br />

an die Hand<br />

10<br />

Die besten<br />

Geldideen<br />

für 2023<br />

Nach einem Horrorjahr dürfte<br />

es 2023 endlich wieder<br />

besser werden. <strong>FOCUS</strong><br />

<strong>MONEY</strong> nennt 44 geldwerte<br />

Tipps, um das Depot konservativ,<br />

ausgewogen oder<br />

spekulativ zu ergänzen<br />

57<br />

„Unsere Lösungen, um die Datenanalyse der<br />

Kunden zu verbessern, sind ein Quantensprung“<br />

JAN HIESSERICH, EUROPA-STRATEGIECHEF VON PALANTIR<br />

Ausgabe 2/2023<br />

erscheint am<br />

4. Januar 2023<br />

4<br />

Titelfotos: Adobe Stock <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> <strong>52</strong>/1 <strong>2022</strong>/23


21. DEZEMBER <strong>2022</strong> www.money.de<br />

moneymarkets<br />

39 Musterdepots: Jaensch verkauft<br />

Occidental Petroleum<br />

40 Überraschungen 2023: Die<br />

großen Trends im neuen Jahr –<br />

mit Risiken und Nebenwirkungen<br />

44 SDax: Warum der Nebenwerte-<br />

Index dem Dax den Rang abläuft<br />

48 Interview: Der Schweizer Investmentmanager<br />

Roman Limacher<br />

erklärt, wie Ethik und Rendite<br />

zusammengehen<br />

50 Ausblick Europa: Welche<br />

Anlagen 2023 überdurchschnittliche<br />

Renditen versprechen<br />

54 Chartanalyse: Warum die Zahl<br />

14 600 im Dax wichtig wird.<br />

Plus: Die Perspektiven für Aktien,<br />

Euro-Dollar und Gold<br />

60 Economist: Steigende Zinsen und<br />

Inflation – was Anleger für 2023<br />

wissen müssen<br />

65 Grunderwerbsteuer: Was die<br />

Regierung für Immobilienkäufer<br />

plant<br />

moneydigital<br />

56 Social Trends: Old Economy<br />

schlägt Tech<br />

57 Mission Money: Jan Hiesserich,<br />

Europa-Strategiechef von Palantir,<br />

gibt Einblicke in den sagenumwobenen<br />

Datenspezialisten<br />

dswanlegerschutz<br />

68 DSW und Better Finance: Die<br />

brennendsten Themen der<br />

International Investors Conference<br />

moneysteuern&recht<br />

70 Neuerungen 2023: Alles<br />

Wissenswerte – von höheren<br />

Freibeträgen über steigende<br />

Sozialabgaben bis zu Hilfen bei<br />

den Energiekosten<br />

moneyservice<br />

74 Börsenrätsel: Mitmachen<br />

beim großen Quiz zu Aktien,<br />

Marken und Machern <strong>2022</strong><br />

– und tolle Preise gewinnen!<br />

78 Marktplatz: Alles für den<br />

perfekten Urlaub – von<br />

Günstig-Flugtickets bis zur<br />

grünen Hoteloase.<br />

Plus: Ein „heißer“ Buchtipp<br />

80 Energiekosten: Was bei einem<br />

Anbieterwechsel zu holen ist<br />

84 Pflegeversicherung: <strong>FOCUS</strong><br />

<strong>MONEY</strong> kürt die Anbieter mit den<br />

fairsten Tarifen<br />

moneyanalyse<br />

89 Fonds<br />

90 Deutsche Aktien<br />

98 Internationale Aktien<br />

104 ETFs<br />

105 Zertifikate<br />

moneyrubriken<br />

3 Editorial<br />

88 Leserbriefe – Impressum<br />

106 Termine<br />

40<br />

Rechtzeitig die<br />

Kurve kriegen<br />

Steigende Aktienkurse und<br />

ein Spritpreis von 1,30 Euro<br />

– so sieht Optimismus für<br />

2023 aus. Doch es gibt<br />

auch Risiken und Nebenwirkungen.<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />

rechnet mit einigen handfesten<br />

Überraschungen<br />

74<br />

Rätseln und gewinnen!<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> startet das große Quiz<br />

zum abgelaufenen Börsenjahr <strong>2022</strong>.<br />

Wer weiß alles über Aktien, Marken und<br />

die Macher? Zu gewinnen gibt es<br />

Original-WM-Bälle von Adidas<br />

Quelle: Bloomberg<br />

54<br />

Signale der Charts<br />

Seit dem Einbruch bis September<br />

konnte der Dax einen Großteil der<br />

Verluste aufholen. Ist der Weg nun<br />

frei für neue Hochs? Grundsätzlich ja,<br />

sobald es auf Schlusskursbasis über<br />

die Marke von 14 600 Punkten geht<br />

Dax<br />

Performance-Index in Tsd. Punkten<br />

<strong>2022</strong><br />

JAN<br />

DEZ<br />

16<br />

15<br />

14<br />

13<br />

12<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> <strong>52</strong>/1 <strong>2022</strong>/23<br />

Inhaltsfotos: Adobe Stock, Palantir, Shutterstock, VectorStock, 123RF Composing: <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />

5


moneytitel<br />

TITEL<br />

DIE GELDIDEEN<br />

Diese Prognose war Ende 2021 nicht so schwer zu stellen:<br />

dass das Anlagejahr <strong>2022</strong> herausfordernd sein<br />

würde, schwieriger und noch volatiler werden würde.<br />

„Die Zeit der überbordenden Liquidität dürfte enden“,<br />

war da zu lesen, die Zinsen sollten steigen.<br />

Wie massiv die Zinsen klettern und damit die Anleihenkurse<br />

fallen würden, war natürlich nicht absehbar – der russische<br />

Angriff auf die Ukraine lag noch außerhalb des in Deutschland<br />

Vorstellbaren, obwohl die Truppenmassierung an der Grenze<br />

längst begonnen hatte. Der Krieg trieb vor allem die Energiepreise<br />

noch stärker in die Höhe und zumindest die US-Notenbank startete<br />

einen der schnellsten Leitzins-Erhöhungszyklen der Geschichte.<br />

Paralleler Absturz. Aktien- und Anleihenkurse stürzten gleichzeitig<br />

ab. Das Resultat: Der Dax verlor binnen Jahresfrist rund acht<br />

Prozent, ähnlich wie der europäische Stoxx-600, der MDax gab sogar<br />

um mehr als ein Viertel nach. Das deutsche Anleihenbarometer<br />

Rex büßte 10,6 Prozent ein. Die Aufwertung des US-Dollar gegenüber<br />

dem Euro um rund sieben Prozent milderte aus deutscher<br />

Investorensicht die Einbußen der US-Aktienindizes: Die betrugen<br />

per 12. Dezember in Landeswährung auf Jahressicht fast minus 16<br />

Prozent beim wichtigsten Index S&P-500 und minus 28 Prozent<br />

beim Technologie-Index Nasdaq-100.<br />

Das Kriegs- und Inflationsjahr <strong>2022</strong> brachte<br />

viele Anlageklassen unter Druck. 44 Ideen<br />

von sicher bis spekulativ, die das Depot<br />

2023 und länger bereichern sollen<br />

von FRANK MERTGEN<br />

Auch in einem solchen Umfeld bringen manche der Geldideen,<br />

die das eigene Depot gezielt defensiv, ausbalanciert oder spekulativ<br />

ergänzen sollen, ordentlich Rendite. 10,8 Prozent Rendite<br />

erzielte im Vergleichszeitraum (22. Dezember 2021 bis 12. Dezember<br />

<strong>2022</strong>) ein raffinierter ETF von Lyxor, der eine Long-Position<br />

in inflationsgeschützten deutschen und französischen Staatsanleihen<br />

eingeht und zugleich eine Short-Position in klassischen<br />

Staatsanleihen beider Länder. Gut fuhren Anleger mit dem aktiv<br />

gemanagten Infrastrukturfonds MS Global Infrastructure (plus 2,4<br />

Prozent) oder soliden Einzelaktien wie dem Medizintechnikkonzern<br />

Boston Scientific (plus 19,1 Prozent). Das gilt in einem Jahr<br />

10<br />

Foto: Adobe Stock<br />

Composing: <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> <strong>52</strong>/1 <strong>2022</strong>/23


Ideen anstoßen:<br />

Die Société Générale empfiehlt aktuell eine Aktienquote<br />

von nur 33 Prozent. Neben Anleihen<br />

finden sich auch Rohstoffe und Gold im Portfolio-Vorschlag.<br />

Globale Gewichtung nach Anlageklassen<br />

Anteile in Prozent, Dezember <strong>2022</strong><br />

Rohstoffe allgemein<br />

33 Aktien:<br />

6 3<br />

Gold<br />

17<br />

USA<br />

3<br />

Europa<br />

25<br />

2<br />

Japan<br />

Unternehmensanleihen<br />

9 Schwellenländer<br />

2<br />

Staatsanleihen<br />

Quellen: Bloomberg, SG Cross Asset Research<br />

33<br />

Euro-Dividenden-Futures<br />

der Rohstoffe erst recht für ein Zertifikat auf den Ölpreis (plus<br />

42,5 Prozent) oder auf Agrarrohstoffe (plus 17,6 Prozent). Auch am<br />

CO 2-Preis ließ sich wie schon im Vorjahr gut verdienen, das CO 2-<br />

Zertifikat der Société Générale spielte 14,3 Prozent Plus ein. Zumindest<br />

den Kapitalerhalt sicherte der Edelmetallfonds OFI Precious<br />

Metals.<br />

Diversifizieren und Stopps setzen. Zugleich zeigte dieses dramatische<br />

Jahr die Bedeutung der Diversifikation. Ein Zukunftsdepot<br />

mit gleich zwölf Aktien ist u. a. wegen eines Verdopplers wie<br />

First Solar im Schnitt mit minus 2,75 Prozent davongekommen,<br />

ein „Aktien-Quartett gegen die Inflation“ mit Apple, Procter &<br />

Gamble, Novo Nordisk und Nike mit minus 3,2 Prozent – dank der<br />

starken Performance des dänischen Insulinspezialisten Novo<br />

Nordisk (plus 26,7 Prozent). Natürlich wurde im Vorjahr auch hier<br />

wieder an die Wichtigkeit von Stoppkursen erinnert – deren Bedeutung<br />

war kaum zu überschätzen in einem Jahr, in dem eine Tech-<br />

Ikone wie Meta ebenso um über 60 Prozent abstürzt wie die beiden<br />

vorgestellten großen Kryptowährungen Bitcoin und Ether.<br />

Da kann das nächste Jahr ja fast nur besser werden. Zum Start<br />

ins nahe 2023 empfehlen die Cross-Asset-Strategen der Société<br />

Générale eine vorsichtige Aufstellung mit 33 Prozent Aktienanteil<br />

(Vorjahr: 49 Prozent). Staatsanleihen kommen auf 33 Prozent, Un-<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> <strong>52</strong>/1 <strong>2022</strong>/23<br />

ternehmensbonds auf 25 Prozent und Rohstoffe und Gold zusammen<br />

auf neun Prozent (siehe Grafik). Allerdings steht selbst in vielen<br />

skeptischen Ausblicken: Im Jahresverlauf, während der<br />

Rezession, wird es gute Startchancen für neue Investments in<br />

Risikopapiere geben, Aktien sollen profitieren.<br />

Zu den neuen Tipps: Für Sicherheit stehen zum Beispiel ein besonderes<br />

Infrastrukturinvestment (Tipp 1), ein Kapitalschutzzertifikat<br />

(3) oder Anleihen (Tipp 9). Den nach wie vor begehrten Inflationsschutz<br />

können spezielle Fonds oder Rohstoffe beisteuern (Tipps<br />

4, 34, 39, 40). Die zurzeit besonders begehrten Dividendenerträge<br />

könnten etwa ein globaler Dividendenfonds oder ein Quintett starker<br />

Ausschüttungsaktien liefern (Tipps 10 und 23). Das Megathema<br />

Nachhaltigkeit ist durch den Krieg scheinbar etwas in den Hintergrund<br />

gerückt, wird aber etwa durch einen Wasser-ETF, einen nachhaltigen<br />

Weltaktienfonds oder Aktien wie Verbio repräsentiert<br />

(Tipps 11, 21, 22). Auch raffinierte Strategien für Fortgeschrittene<br />

wie Straddle und Strangle finden Sie im Angebot. Freunde von Sachwerten<br />

mit besonderer Zusatzrendite werden an Uhren und Whiskey<br />

besondere Freude haben (Tipps 8 und 24). Auf ein aufsteigendes<br />

Land wie Indien können Investoren mit einem spezialisierten Fonds<br />

(Tipp 33) setzen – und vielfältige Aktien-Ideen haben wir sowieso im<br />

Angebot. Zum Eintauchen einfach umblättern.<br />

11


moneymarkets<br />

GEFÄHRLICHER KURS:<br />

Versuch, die Zukunft zu<br />

erspähen<br />

ÜBERRASCHUNGEN 2023<br />

Die Kurve kriegen<br />

Die Aktien steigen und der Liter Super kostet 1,30 Euro. So sieht das<br />

aus, wenn man optimistisch in das neue Jahr startet. Zu Risiken und<br />

Nebenwirkungen . . .<br />

von DIRK REICHMANN<br />

40<br />

Fotos: shutterstock, 123RF Composing: <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> <strong>52</strong>/1 <strong>2022</strong>/23


Wir leben in der interessantesten Periode<br />

der Geschichte, die die Menschheit je erlebt<br />

hat.“ Das sagte Ray Kurzweil, Leiter<br />

der technologischen Entwicklung bei<br />

Google, Futurist und Buchautor, vor<br />

zwei Jahren. Indiz: Die Elon-Musk-Firma<br />

Neuralink arbeitet an Implantaten, die das menschliche<br />

Gehirn mit Computern verbinden sollen. „Bisher ist das Ganze<br />

eher Cyberpunk-Vision denn Realität“, heißt es bei der<br />

Nachrichtenplattform WinFuture, „aber im Herbst 2023<br />

könnte sich das ändern.“<br />

Wenn es nach Propheten aus der Vergangenheit geht, müssen<br />

sich die Menschen warm anziehen. Wie andere Presseorgane<br />

grub die Tageszeitung „The Times of India“ Nostradamus<br />

aus. Der lebte im 16. Jahrhundert und war ein<br />

französischer Apotheker und Astrologe. Seine Prophezeiungen<br />

haben es in sich. Im Online-Auftritt der Zeitung liest man<br />

etwa, dass im Jahr 2023 eine Finanzkrise die Wirtschaft beeinträchtigt<br />

und das Klima Kapriolen schlägt. Last but not<br />

least wird ein großes Imperium zerstört. „Nun, das könnte<br />

China oder Russland sein“, heißt es auf der Internet-Seite.<br />

Die Folge: Die Standfestigkeit politischer Systeme wird auf<br />

die Probe gestellt.<br />

Das einzig Wahre. Weshalb erwähnen wir das? Weil es symptomatisch<br />

für die Situation auf der Welt ist. „Das Schuldenmachen<br />

ist völlig außer Kontrolle geraten – und das betrifft<br />

Staaten, Unternehmen und Privatleute gleichermaßen“, sagte<br />

der Ökonom Nouriel Roubini in einem Interview auf dem<br />

Nachrichten-Portal t-online.de. „1999 beliefen sich die staatlichen<br />

und privaten Schulden auf 220 Prozent der jährlichen<br />

globalen Wirtschaftsleistung – Ende 2021 waren es rund 350<br />

Prozent!“ Das birgt Zündstoff. So legte der Goldpreis auf Dollar-Basis<br />

in dieser Zeit um gut 500 Prozent zu. Wenn der<br />

Glaube an das Finanzsystem ins Wanken gerät, so unsere Meinung,<br />

lohnt sich vermutlich der Kauf von (physischem) Gold.<br />

Anleger, die eine indirektere Form des Edelmetallerwerbs bevorzugen,<br />

analysieren das währungsgesicherte Invesco-Physical-Gold-EUR-Hedged-ETC<br />

(WKN: A28QBG). Aktueller Kurs:<br />

45 Euro. Replikationsmethode: physisch. Stoppkurs: 38 Euro.<br />

Zeitenwende. „Die Welt, in der wir leben, basierte auf billigen<br />

Arbeitskräften und Waren aus China, billigem Gas aus<br />

Russland, das Europa mit Energie versorgt, und Einwanderung,<br />

die die Löhne niedrig hielt.“ Dieser Satz des Goldexperten<br />

Ronald Peter Stöferle, einem Partner des Liechtensteiner<br />

Vermögensverwalters Incrementun, findet sich auf einer Internet-Seite<br />

des Geldhauses. Das ist genauso richtig wie wichtig,<br />

denn die Welt wie wir sie kannten, ist Vergangenheit.<br />

Viele Aktienmärkte kommen seit Jahren nicht vom Fleck.<br />

Allerdings versucht die Börse immer, die Zukunft zu erspähen.<br />

Man kann die Erholung von Dow Jones oder Dax als Indiz<br />

nehmen. Als Grund für die Jahresendrally nennen skeptische<br />

Analysten gern Begriffe wie Window-Dressing oder<br />

FOMO (Fear of missing out). Was aber, wenn mehr hinter den<br />

Gegenbewegungen steckt?<br />

Drei Zeitfenster zeigen, dass die Akteure an den Finanzmärkten<br />

mitunter einen guten Riecher hatten (s. Grafiken<br />

rechts). Sowohl bei der Savings-and-Loan-Krise Anfang der<br />

1990er-Jahre als auch beim Ausbruch der Corona-Pande-<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> <strong>52</strong>/1 <strong>2022</strong>/23<br />

Die Savings-and-Loan-Krise<br />

Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre<br />

brachen Hunderte von US-Sparkassen zusammen.<br />

Hinzu kam der Einmarsch des Irak in Kuwait. Der<br />

S&P begann dennoch zu klettern.<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Quelle: Bloomberg<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

S&P-500 1990 bis 1995<br />

verwässerter Gewinn je Aktie in Punkten<br />

S&P-500 in Punkten<br />

Aktien beginnen zu steigen,<br />

Gewinne folgen<br />

1990 91 92 93 94 1995<br />

Die Finanzkrise<br />

Während der Finanzkrise 2008/2009 sanken die<br />

Gewinne je Aktie deutlich. Der S&P-500-Index kam<br />

bereits früher aus dem Tal der Tränen. Die Gewinne<br />

folgten später.<br />

Quelle: Bloomberg<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

S&P-500 2006 bis 2011<br />

S&P-500 in Punkten<br />

verwässerter Gewinn je Aktie in Punkten<br />

Aktien beginnen zu steigen, Gewinne folgen<br />

2006 07 08 09 10 2011<br />

S&P-500 2020 bis <strong>2022</strong><br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

1600<br />

1200<br />

800<br />

400<br />

Die Corona-Pandemie<br />

Es dauerte bis 2021, bis sich die Gewinne je Aktie<br />

beim S&P-500-Index stabilisieren konnten. Zu dieser<br />

Zeit hatte das Börsenbarometer bereits neue Höhen<br />

erreicht.<br />

Quelle: Bloomberg<br />

verwässerter Gewinn je Aktie in Punkten 5000<br />

S&P-500 in Punkten<br />

4000<br />

Aktien beginnen zu steigen, Gewinne folgen<br />

2020 2021 <strong>2022</strong><br />

0<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

41


moneymarkets<br />

SDAX<br />

Der<br />

bessere<br />

Dax<br />

DAVID GEGEN<br />

GOLIATH: Oft setzen<br />

sich die Kleinen<br />

durch. Das gilt auch<br />

für die Börse<br />

Klein, aber oho. In der Vergangenheit gelang es den Nebenwerten<br />

häufig, den großen Standardtiteln den Rang abzulaufen. Eine solche<br />

Phase könnte ab 2023 wieder bevorstehen<br />

von BERND JOHANN<br />

Die Experten von Allianz Global Investors (AGI) nennen<br />

es „das fundamentale Gesetz der Kapitalanlage“ und<br />

meinen damit das Setzen auf Risikoprämien. Dieser<br />

etwas beängstigende Begriff bedeutet nichts anderes als<br />

Mehr- oder Überrenditen, nach denen es gilt, Ausschau zu<br />

halten. Und Mehrrenditen gehen an den Anlagemärkten gewöhnlich<br />

mit einem gleichfalls etwas höheren Risiko einher.<br />

Gemäß dieser Regel sollte, wer bei deutschen Aktien das<br />

Jahr 2023 im Blick hat, den SDax und ausgesuchte Werte aus<br />

diesem Index nicht übersehen. Für das neue Jahr rechnen die<br />

Auguren tendenziell mit einer weiter volatilen Phase am Aktienmarkt<br />

inklusive temporären Rückschlägen, unterm<br />

Strich jedoch mit einer vorsichtigen Wende nach oben. „Der<br />

Start bleibt schwierig, aber im weiteren Verlauf wird 2023<br />

ein besseres Jahr für chancenorientierte Anlagen werden“,<br />

meint etwa Frank Engels, bei der Union Investment verantwortlich<br />

für das Portfolio-Management. Dafür gibt es Gründe:<br />

Die Schläge von <strong>2022</strong>, der Ukraine-Krieg, Inflations- und<br />

Zinsschock sowie Pandemie-Spätfolgen, sollten in den Kursen<br />

weitgehend enthalten sein. Kommen andererseits positive<br />

Nachrichten, vielleicht ein weniger strammer Kurs der<br />

Notenbanken oder eine fühlbarere Lockerung der chinesischen<br />

Corona-Einschränkungen, kann der Markt schnell<br />

und deutlich positiv reagieren. „Die Zeit arbeitet für Risikoanlagen“,<br />

meint jedenfalls Union-Vorstand Engels.<br />

Etwas wettzumachen. Dazu sollten in Deutschland vor allem<br />

auch die Aktien mittlerer und kleinerer Unternehmen<br />

zählen. Schon allein optisch haben sie einigen Nachholbedarf.<br />

So litt der SDax – ähnlich übrigens wie der MDax – im<br />

Vergleich zum Blue-Chips-Barometer Dax weit heftiger unter<br />

den Marktverwerfungen von <strong>2022</strong>. Bis zu knapp 40 Prozent<br />

brach dieser die Aktien von 70 Firmen umfassende Index<br />

phasenweise ein. Per Mitte Dezember stand gegenüber<br />

Ultimo 2021 immer noch ein Minus von 25 Prozent zu Buche.<br />

Der Verlauf des Dax fiel mit minus 25 Prozent in der Spitze<br />

und zuletzt knapp zehn Prozent Rückstand zum Jahres-<br />

44 Foto: Adobe Stock<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> <strong>52</strong>/1 <strong>2022</strong>/23

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