FOCUS MONEY 2022/52 Vorschau
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moneyeditorial
EDITORIAL
Wenn der Markt durch
die Krise hindurchsieht
Einfache Prognose: 2022 wird in die Geschichtsbücher eingehen, allein schon
wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Die Folgen sind auch
in Deutschland schlimm genug, mit den explodierenden Energiepreisen, der
grassierenden Inflation und der Furcht vor Produktionsausfällen in der energieintensiven
Produktion noch in diesem Winter. Alle reden vom Wetter, aber nicht mehr
im harmlosen alten Smalltalk-Sinn. Barclays zeigt in seinem wöchentlichen „Gas
Chartbook“ die Temperaturkurven (7-Tages-Durchschnitt) der großen westeuropäischen
Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Früher fand
man Temperaturkurven nur in den zahlreichen Analysen zum Klimawandel.
So wie in den vergangenen drei Jahren jeder nolens volens zum Virenexperten
mutierte, muss nun jeder Energiefachmann sein. Denn so genau wie derzeit wurden
Abschlagszahlungs-Ankündigungen und Jahresabrechnungen vom Versorger noch
nie unter die Lupe genommen (siehe auch Seite 80). Und jedermann hat sich mit
neuen Begriffen vertraut gemacht, wie der Merit-Order oder der holländischen Gashandelsplattform
TTF und deren Rolle bei der Preisfindung in Europa.
Die Lage bleibt angespannt: Gerade erst warnte der Chef der Bundesnetzagentur
vor zu geringen Einsparungen beim Gasverbrauch. Der Gasverbrauch lag in der 48.
Kalenderwoche 13 Prozent unter dem durchschnittlichen Verbrauch der letzten vier
Jahre. Damit stieg er gegenüber der Vorwoche um 14 Prozent. Das Ziel liegt bei Einsparungen
von 20 Prozent. Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, rief
trotz gut gefüllter Gasspeicher zu nachhaltigen Sparanstrengungen auf. „Ohne erhebliche
Einsparungen auch im privaten Bereich wird es schwer, eine Gasmangellage
im Winter zu vermeiden.“
Bei allen Problemen: Hoffnungszeichen mehren sich. Noch vor wenigen Monaten
galt eine tiefe Rezession in Deutschland als nahezu sicher, jetzt sind Prognostiker
wie das Ifo-Institut wieder zuversichtlicher: Die deutsche Wirtschaft soll im kommenden
Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen und 2024 dann wieder mit einer Rate von
1,6 Prozent expandieren. 2023 soll die Zahl der Beschäftigten in der Bundesrepublik
übrigens laut Ifo um knapp 80 000 steigen. Auch für die USA hatten viele einen
Rückgang der Wirtschaftsleistung prognostiziert, jetzt wird mehr und mehr erwartet,
dass die Vereinigten Staaten die Kontraktion vermeiden können. Wenn dann
auch noch China besser abschneidet – die Deutsche Bank traut den Chinesen
im kommenden Jahr immerhin wieder fünf Prozent Wachstum zu –, müsste
dies gerade dem von der Weltwirtschaft besonders abhängigen Dax, der
dies alles vorwegnehmen würde, ordentlich Rückenwind geben.
Meine allerleichteste Prognose: Wo der Krieg uns so nahegekommen
ist, werden die Feiertage und der Jahreswechsel im Familienund
Freundeskreis höher im Kurs stehen denn je. Die Redaktion
wünscht Ihnen ruhige Festtage, einen guten Rutsch sowie Gesundheit
und Erfolg im neuen Jahr.
Ihr
In eigener Sache:
Lesen Sie FOCUS MONEY pünktlich
als digitale Variante
Liebe Leserinnen und Leser,
seit Corona eilen wir von einer Krise zur nächsten. Und mittlerweile
sind die dramatischen Auswirkungen ein Thema für uns alle.
Insbesondere für die Printmedien hat das gravierende Konsequenzen:
Neben drastisch gestiegenen Papierkosten bereitet uns aktuell große
Sorge, dass einzelne Ausgaben von FOCUS MONEY aufgrund eines möglichen
Gasmangels nicht gedruckt erscheinen könnten. Ein weiteres Thema,
mit dem wir uns Woche für Woche konfrontiert sehen, ist, dass FOCUS
MONEY aufgrund von Problemen bei der Postzustellung nicht in gewohnter
Pünktlichkeit bei Ihnen im Briefkasten ankommt. Dies ist für Sie wie für uns
eine nicht zufriedenstellende Situation.
www.focus-abo.de/infoservice
FRANK MERTGEN
stellv. Chefredakteur
FOCUS MONEY
Im Fall einer Nichtzustellung möchten wir Sie schnellstmöglich und
rechtssicher per E-Mail informieren können und Ihnen mitteilen, wie Sie bequem
auf eine digitale Version des betroffenen Heftes zugreifen. Denn eins ist
uns wichtig: Ihre Zufriedenheit und Ihr Lesegenuss mit FOCUS MONEY.
FOCUS MONEY 52/1 2022/23
3
moneyinhalt
moneykompakt
6 Zinsanhebungen: Notenbanker
wollen das Tempo drosseln
8 Sky/1&1: Der Verkauf des Bezahlsenders
zieht sich hin
8 Energie: Wo die Ampel den
Haushalten unter die Arme greift
8 Fusionen: Das Übernahmekarussell
kommt wieder in Schwung
106 Andis Börsenbarometer: Auf der
Suche nach neuen Kurstreibern
moneytitel
10 Geldideen: 2022 war eines der
schwierigsten Börsenjahre
überhaupt. Und es dürfte holprig
bleiben: Inflation, Rezession,
Putin-Krieg – die Lage bleibt
angespannt. FOCUS MONEY gibt
mit 44 Investment-Tipps jedem
Anlegertyp Instrumente für ein
erfolgreiches neues Anlagejahr
an die Hand
10
Die besten
Geldideen
für 2023
Nach einem Horrorjahr dürfte
es 2023 endlich wieder
besser werden. FOCUS
MONEY nennt 44 geldwerte
Tipps, um das Depot konservativ,
ausgewogen oder
spekulativ zu ergänzen
57
„Unsere Lösungen, um die Datenanalyse der
Kunden zu verbessern, sind ein Quantensprung“
JAN HIESSERICH, EUROPA-STRATEGIECHEF VON PALANTIR
Ausgabe 2/2023
erscheint am
4. Januar 2023
4
Titelfotos: Adobe Stock FOCUS MONEY 52/1 2022/23
21. DEZEMBER 2022 www.money.de
moneymarkets
39 Musterdepots: Jaensch verkauft
Occidental Petroleum
40 Überraschungen 2023: Die
großen Trends im neuen Jahr –
mit Risiken und Nebenwirkungen
44 SDax: Warum der Nebenwerte-
Index dem Dax den Rang abläuft
48 Interview: Der Schweizer Investmentmanager
Roman Limacher
erklärt, wie Ethik und Rendite
zusammengehen
50 Ausblick Europa: Welche
Anlagen 2023 überdurchschnittliche
Renditen versprechen
54 Chartanalyse: Warum die Zahl
14 600 im Dax wichtig wird.
Plus: Die Perspektiven für Aktien,
Euro-Dollar und Gold
60 Economist: Steigende Zinsen und
Inflation – was Anleger für 2023
wissen müssen
65 Grunderwerbsteuer: Was die
Regierung für Immobilienkäufer
plant
moneydigital
56 Social Trends: Old Economy
schlägt Tech
57 Mission Money: Jan Hiesserich,
Europa-Strategiechef von Palantir,
gibt Einblicke in den sagenumwobenen
Datenspezialisten
dswanlegerschutz
68 DSW und Better Finance: Die
brennendsten Themen der
International Investors Conference
moneysteuern&recht
70 Neuerungen 2023: Alles
Wissenswerte – von höheren
Freibeträgen über steigende
Sozialabgaben bis zu Hilfen bei
den Energiekosten
moneyservice
74 Börsenrätsel: Mitmachen
beim großen Quiz zu Aktien,
Marken und Machern 2022
– und tolle Preise gewinnen!
78 Marktplatz: Alles für den
perfekten Urlaub – von
Günstig-Flugtickets bis zur
grünen Hoteloase.
Plus: Ein „heißer“ Buchtipp
80 Energiekosten: Was bei einem
Anbieterwechsel zu holen ist
84 Pflegeversicherung: FOCUS
MONEY kürt die Anbieter mit den
fairsten Tarifen
moneyanalyse
89 Fonds
90 Deutsche Aktien
98 Internationale Aktien
104 ETFs
105 Zertifikate
moneyrubriken
3 Editorial
88 Leserbriefe – Impressum
106 Termine
40
Rechtzeitig die
Kurve kriegen
Steigende Aktienkurse und
ein Spritpreis von 1,30 Euro
– so sieht Optimismus für
2023 aus. Doch es gibt
auch Risiken und Nebenwirkungen.
FOCUS MONEY
rechnet mit einigen handfesten
Überraschungen
74
Rätseln und gewinnen!
FOCUS MONEY startet das große Quiz
zum abgelaufenen Börsenjahr 2022.
Wer weiß alles über Aktien, Marken und
die Macher? Zu gewinnen gibt es
Original-WM-Bälle von Adidas
Quelle: Bloomberg
54
Signale der Charts
Seit dem Einbruch bis September
konnte der Dax einen Großteil der
Verluste aufholen. Ist der Weg nun
frei für neue Hochs? Grundsätzlich ja,
sobald es auf Schlusskursbasis über
die Marke von 14 600 Punkten geht
Dax
Performance-Index in Tsd. Punkten
2022
JAN
DEZ
16
15
14
13
12
FOCUS MONEY 52/1 2022/23
Inhaltsfotos: Adobe Stock, Palantir, Shutterstock, VectorStock, 123RF Composing: FOCUS MONEY
5
moneytitel
TITEL
DIE GELDIDEEN
Diese Prognose war Ende 2021 nicht so schwer zu stellen:
dass das Anlagejahr 2022 herausfordernd sein
würde, schwieriger und noch volatiler werden würde.
„Die Zeit der überbordenden Liquidität dürfte enden“,
war da zu lesen, die Zinsen sollten steigen.
Wie massiv die Zinsen klettern und damit die Anleihenkurse
fallen würden, war natürlich nicht absehbar – der russische
Angriff auf die Ukraine lag noch außerhalb des in Deutschland
Vorstellbaren, obwohl die Truppenmassierung an der Grenze
längst begonnen hatte. Der Krieg trieb vor allem die Energiepreise
noch stärker in die Höhe und zumindest die US-Notenbank startete
einen der schnellsten Leitzins-Erhöhungszyklen der Geschichte.
Paralleler Absturz. Aktien- und Anleihenkurse stürzten gleichzeitig
ab. Das Resultat: Der Dax verlor binnen Jahresfrist rund acht
Prozent, ähnlich wie der europäische Stoxx-600, der MDax gab sogar
um mehr als ein Viertel nach. Das deutsche Anleihenbarometer
Rex büßte 10,6 Prozent ein. Die Aufwertung des US-Dollar gegenüber
dem Euro um rund sieben Prozent milderte aus deutscher
Investorensicht die Einbußen der US-Aktienindizes: Die betrugen
per 12. Dezember in Landeswährung auf Jahressicht fast minus 16
Prozent beim wichtigsten Index S&P-500 und minus 28 Prozent
beim Technologie-Index Nasdaq-100.
Das Kriegs- und Inflationsjahr 2022 brachte
viele Anlageklassen unter Druck. 44 Ideen
von sicher bis spekulativ, die das Depot
2023 und länger bereichern sollen
von FRANK MERTGEN
Auch in einem solchen Umfeld bringen manche der Geldideen,
die das eigene Depot gezielt defensiv, ausbalanciert oder spekulativ
ergänzen sollen, ordentlich Rendite. 10,8 Prozent Rendite
erzielte im Vergleichszeitraum (22. Dezember 2021 bis 12. Dezember
2022) ein raffinierter ETF von Lyxor, der eine Long-Position
in inflationsgeschützten deutschen und französischen Staatsanleihen
eingeht und zugleich eine Short-Position in klassischen
Staatsanleihen beider Länder. Gut fuhren Anleger mit dem aktiv
gemanagten Infrastrukturfonds MS Global Infrastructure (plus 2,4
Prozent) oder soliden Einzelaktien wie dem Medizintechnikkonzern
Boston Scientific (plus 19,1 Prozent). Das gilt in einem Jahr
10
Foto: Adobe Stock
Composing: FOCUS MONEY
FOCUS MONEY 52/1 2022/23
Ideen anstoßen:
Die Société Générale empfiehlt aktuell eine Aktienquote
von nur 33 Prozent. Neben Anleihen
finden sich auch Rohstoffe und Gold im Portfolio-Vorschlag.
Globale Gewichtung nach Anlageklassen
Anteile in Prozent, Dezember 2022
Rohstoffe allgemein
33 Aktien:
6 3
Gold
17
USA
3
Europa
25
2
Japan
Unternehmensanleihen
9 Schwellenländer
2
Staatsanleihen
Quellen: Bloomberg, SG Cross Asset Research
33
Euro-Dividenden-Futures
der Rohstoffe erst recht für ein Zertifikat auf den Ölpreis (plus
42,5 Prozent) oder auf Agrarrohstoffe (plus 17,6 Prozent). Auch am
CO 2-Preis ließ sich wie schon im Vorjahr gut verdienen, das CO 2-
Zertifikat der Société Générale spielte 14,3 Prozent Plus ein. Zumindest
den Kapitalerhalt sicherte der Edelmetallfonds OFI Precious
Metals.
Diversifizieren und Stopps setzen. Zugleich zeigte dieses dramatische
Jahr die Bedeutung der Diversifikation. Ein Zukunftsdepot
mit gleich zwölf Aktien ist u. a. wegen eines Verdopplers wie
First Solar im Schnitt mit minus 2,75 Prozent davongekommen,
ein „Aktien-Quartett gegen die Inflation“ mit Apple, Procter &
Gamble, Novo Nordisk und Nike mit minus 3,2 Prozent – dank der
starken Performance des dänischen Insulinspezialisten Novo
Nordisk (plus 26,7 Prozent). Natürlich wurde im Vorjahr auch hier
wieder an die Wichtigkeit von Stoppkursen erinnert – deren Bedeutung
war kaum zu überschätzen in einem Jahr, in dem eine Tech-
Ikone wie Meta ebenso um über 60 Prozent abstürzt wie die beiden
vorgestellten großen Kryptowährungen Bitcoin und Ether.
Da kann das nächste Jahr ja fast nur besser werden. Zum Start
ins nahe 2023 empfehlen die Cross-Asset-Strategen der Société
Générale eine vorsichtige Aufstellung mit 33 Prozent Aktienanteil
(Vorjahr: 49 Prozent). Staatsanleihen kommen auf 33 Prozent, Un-
FOCUS MONEY 52/1 2022/23
ternehmensbonds auf 25 Prozent und Rohstoffe und Gold zusammen
auf neun Prozent (siehe Grafik). Allerdings steht selbst in vielen
skeptischen Ausblicken: Im Jahresverlauf, während der
Rezession, wird es gute Startchancen für neue Investments in
Risikopapiere geben, Aktien sollen profitieren.
Zu den neuen Tipps: Für Sicherheit stehen zum Beispiel ein besonderes
Infrastrukturinvestment (Tipp 1), ein Kapitalschutzzertifikat
(3) oder Anleihen (Tipp 9). Den nach wie vor begehrten Inflationsschutz
können spezielle Fonds oder Rohstoffe beisteuern (Tipps
4, 34, 39, 40). Die zurzeit besonders begehrten Dividendenerträge
könnten etwa ein globaler Dividendenfonds oder ein Quintett starker
Ausschüttungsaktien liefern (Tipps 10 und 23). Das Megathema
Nachhaltigkeit ist durch den Krieg scheinbar etwas in den Hintergrund
gerückt, wird aber etwa durch einen Wasser-ETF, einen nachhaltigen
Weltaktienfonds oder Aktien wie Verbio repräsentiert
(Tipps 11, 21, 22). Auch raffinierte Strategien für Fortgeschrittene
wie Straddle und Strangle finden Sie im Angebot. Freunde von Sachwerten
mit besonderer Zusatzrendite werden an Uhren und Whiskey
besondere Freude haben (Tipps 8 und 24). Auf ein aufsteigendes
Land wie Indien können Investoren mit einem spezialisierten Fonds
(Tipp 33) setzen – und vielfältige Aktien-Ideen haben wir sowieso im
Angebot. Zum Eintauchen einfach umblättern.
11
moneymarkets
GEFÄHRLICHER KURS:
Versuch, die Zukunft zu
erspähen
ÜBERRASCHUNGEN 2023
Die Kurve kriegen
Die Aktien steigen und der Liter Super kostet 1,30 Euro. So sieht das
aus, wenn man optimistisch in das neue Jahr startet. Zu Risiken und
Nebenwirkungen . . .
von DIRK REICHMANN
40
Fotos: shutterstock, 123RF Composing: FOCUS MONEY
FOCUS MONEY 52/1 2022/23
Wir leben in der interessantesten Periode
der Geschichte, die die Menschheit je erlebt
hat.“ Das sagte Ray Kurzweil, Leiter
der technologischen Entwicklung bei
Google, Futurist und Buchautor, vor
zwei Jahren. Indiz: Die Elon-Musk-Firma
Neuralink arbeitet an Implantaten, die das menschliche
Gehirn mit Computern verbinden sollen. „Bisher ist das Ganze
eher Cyberpunk-Vision denn Realität“, heißt es bei der
Nachrichtenplattform WinFuture, „aber im Herbst 2023
könnte sich das ändern.“
Wenn es nach Propheten aus der Vergangenheit geht, müssen
sich die Menschen warm anziehen. Wie andere Presseorgane
grub die Tageszeitung „The Times of India“ Nostradamus
aus. Der lebte im 16. Jahrhundert und war ein
französischer Apotheker und Astrologe. Seine Prophezeiungen
haben es in sich. Im Online-Auftritt der Zeitung liest man
etwa, dass im Jahr 2023 eine Finanzkrise die Wirtschaft beeinträchtigt
und das Klima Kapriolen schlägt. Last but not
least wird ein großes Imperium zerstört. „Nun, das könnte
China oder Russland sein“, heißt es auf der Internet-Seite.
Die Folge: Die Standfestigkeit politischer Systeme wird auf
die Probe gestellt.
Das einzig Wahre. Weshalb erwähnen wir das? Weil es symptomatisch
für die Situation auf der Welt ist. „Das Schuldenmachen
ist völlig außer Kontrolle geraten – und das betrifft
Staaten, Unternehmen und Privatleute gleichermaßen“, sagte
der Ökonom Nouriel Roubini in einem Interview auf dem
Nachrichten-Portal t-online.de. „1999 beliefen sich die staatlichen
und privaten Schulden auf 220 Prozent der jährlichen
globalen Wirtschaftsleistung – Ende 2021 waren es rund 350
Prozent!“ Das birgt Zündstoff. So legte der Goldpreis auf Dollar-Basis
in dieser Zeit um gut 500 Prozent zu. Wenn der
Glaube an das Finanzsystem ins Wanken gerät, so unsere Meinung,
lohnt sich vermutlich der Kauf von (physischem) Gold.
Anleger, die eine indirektere Form des Edelmetallerwerbs bevorzugen,
analysieren das währungsgesicherte Invesco-Physical-Gold-EUR-Hedged-ETC
(WKN: A28QBG). Aktueller Kurs:
45 Euro. Replikationsmethode: physisch. Stoppkurs: 38 Euro.
Zeitenwende. „Die Welt, in der wir leben, basierte auf billigen
Arbeitskräften und Waren aus China, billigem Gas aus
Russland, das Europa mit Energie versorgt, und Einwanderung,
die die Löhne niedrig hielt.“ Dieser Satz des Goldexperten
Ronald Peter Stöferle, einem Partner des Liechtensteiner
Vermögensverwalters Incrementun, findet sich auf einer Internet-Seite
des Geldhauses. Das ist genauso richtig wie wichtig,
denn die Welt wie wir sie kannten, ist Vergangenheit.
Viele Aktienmärkte kommen seit Jahren nicht vom Fleck.
Allerdings versucht die Börse immer, die Zukunft zu erspähen.
Man kann die Erholung von Dow Jones oder Dax als Indiz
nehmen. Als Grund für die Jahresendrally nennen skeptische
Analysten gern Begriffe wie Window-Dressing oder
FOMO (Fear of missing out). Was aber, wenn mehr hinter den
Gegenbewegungen steckt?
Drei Zeitfenster zeigen, dass die Akteure an den Finanzmärkten
mitunter einen guten Riecher hatten (s. Grafiken
rechts). Sowohl bei der Savings-and-Loan-Krise Anfang der
1990er-Jahre als auch beim Ausbruch der Corona-Pande-
FOCUS MONEY 52/1 2022/23
Die Savings-and-Loan-Krise
Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre
brachen Hunderte von US-Sparkassen zusammen.
Hinzu kam der Einmarsch des Irak in Kuwait. Der
S&P begann dennoch zu klettern.
30
20
10
0
Quelle: Bloomberg
80
60
40
20
0
S&P-500 1990 bis 1995
verwässerter Gewinn je Aktie in Punkten
S&P-500 in Punkten
Aktien beginnen zu steigen,
Gewinne folgen
1990 91 92 93 94 1995
Die Finanzkrise
Während der Finanzkrise 2008/2009 sanken die
Gewinne je Aktie deutlich. Der S&P-500-Index kam
bereits früher aus dem Tal der Tränen. Die Gewinne
folgten später.
Quelle: Bloomberg
250
200
150
100
50
0
S&P-500 2006 bis 2011
S&P-500 in Punkten
verwässerter Gewinn je Aktie in Punkten
Aktien beginnen zu steigen, Gewinne folgen
2006 07 08 09 10 2011
S&P-500 2020 bis 2022
600
400
200
0
1600
1200
800
400
Die Corona-Pandemie
Es dauerte bis 2021, bis sich die Gewinne je Aktie
beim S&P-500-Index stabilisieren konnten. Zu dieser
Zeit hatte das Börsenbarometer bereits neue Höhen
erreicht.
Quelle: Bloomberg
verwässerter Gewinn je Aktie in Punkten 5000
S&P-500 in Punkten
4000
Aktien beginnen zu steigen, Gewinne folgen
2020 2021 2022
0
3000
2000
1000
0
41
moneymarkets
SDAX
Der
bessere
Dax
DAVID GEGEN
GOLIATH: Oft setzen
sich die Kleinen
durch. Das gilt auch
für die Börse
Klein, aber oho. In der Vergangenheit gelang es den Nebenwerten
häufig, den großen Standardtiteln den Rang abzulaufen. Eine solche
Phase könnte ab 2023 wieder bevorstehen
von BERND JOHANN
Die Experten von Allianz Global Investors (AGI) nennen
es „das fundamentale Gesetz der Kapitalanlage“ und
meinen damit das Setzen auf Risikoprämien. Dieser
etwas beängstigende Begriff bedeutet nichts anderes als
Mehr- oder Überrenditen, nach denen es gilt, Ausschau zu
halten. Und Mehrrenditen gehen an den Anlagemärkten gewöhnlich
mit einem gleichfalls etwas höheren Risiko einher.
Gemäß dieser Regel sollte, wer bei deutschen Aktien das
Jahr 2023 im Blick hat, den SDax und ausgesuchte Werte aus
diesem Index nicht übersehen. Für das neue Jahr rechnen die
Auguren tendenziell mit einer weiter volatilen Phase am Aktienmarkt
inklusive temporären Rückschlägen, unterm
Strich jedoch mit einer vorsichtigen Wende nach oben. „Der
Start bleibt schwierig, aber im weiteren Verlauf wird 2023
ein besseres Jahr für chancenorientierte Anlagen werden“,
meint etwa Frank Engels, bei der Union Investment verantwortlich
für das Portfolio-Management. Dafür gibt es Gründe:
Die Schläge von 2022, der Ukraine-Krieg, Inflations- und
Zinsschock sowie Pandemie-Spätfolgen, sollten in den Kursen
weitgehend enthalten sein. Kommen andererseits positive
Nachrichten, vielleicht ein weniger strammer Kurs der
Notenbanken oder eine fühlbarere Lockerung der chinesischen
Corona-Einschränkungen, kann der Markt schnell
und deutlich positiv reagieren. „Die Zeit arbeitet für Risikoanlagen“,
meint jedenfalls Union-Vorstand Engels.
Etwas wettzumachen. Dazu sollten in Deutschland vor allem
auch die Aktien mittlerer und kleinerer Unternehmen
zählen. Schon allein optisch haben sie einigen Nachholbedarf.
So litt der SDax – ähnlich übrigens wie der MDax – im
Vergleich zum Blue-Chips-Barometer Dax weit heftiger unter
den Marktverwerfungen von 2022. Bis zu knapp 40 Prozent
brach dieser die Aktien von 70 Firmen umfassende Index
phasenweise ein. Per Mitte Dezember stand gegenüber
Ultimo 2021 immer noch ein Minus von 25 Prozent zu Buche.
Der Verlauf des Dax fiel mit minus 25 Prozent in der Spitze
und zuletzt knapp zehn Prozent Rückstand zum Jahres-
44 Foto: Adobe Stock
FOCUS MONEY 52/1 2022/23