AltEin Magazin zum demografischen Wandel - Journalisten Akademie
AltEin Magazin zum demografischen Wandel - Journalisten Akademie
AltEin Magazin zum demografischen Wandel - Journalisten Akademie
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Alt<br />
Ein <strong>Magazin</strong> <strong>zum</strong> <strong>demografischen</strong> <strong>Wandel</strong>
Seite<br />
3 Editorial<br />
4 Zimmer 104 auf Probe: 24 Stunden im Altenheim<br />
8 Der Python-Effekt: Wie sich die Gesellschaft verändert<br />
10 „Münster ist ein Durchlauferhitzer“: Stadtplaner über die Zukunft<br />
14 Einer allein zu Haus: Hilfsmittel für das Leben zuhause<br />
16 Opieka heißt Pflege: RundumdieUhrBetreuung aus Polen<br />
20 Dünger für die grauen Zellen: Lernen im Alter<br />
22 Die Silverliner: Die Wirtschaft braucht erfahrene Arbeitskräfte<br />
24 Nur geliehen: Großvater auf Zeit<br />
27 „Reicht doch.“: Versteckte Altersarmut<br />
30 Teure Tiegel: Kosmetik verspricht Jugend<br />
32 820 Grad: Ein Besuch im Krematorium<br />
37 Der Alten-Amor: Partnervermittler für Senioren<br />
40 Impressum<br />
„Alt“ ist während eines Seminars der <strong>Journalisten</strong><strong>Akademie</strong> der<br />
KonradAdenauerStiftung im September 2008 in Münster entstanden.<br />
„Alt“ gibt es auch im Hörfunk und Fernsehformat.<br />
Wie nennt man ein Heft über den <strong>demografischen</strong><br />
<strong>Wandel</strong>? Der Begriff klingt so wissenschaftlich, so<br />
sperrig, so abstrakt. Aber hinter dem <strong>Wandel</strong> steckt<br />
ein Kernproblem unserer Gesellschaft. Deutschland<br />
wird alt. Statistiker zeichnen Bilder eines Landes, in<br />
dem kaum noch Kinder geboren werden, in dem die<br />
Arbeitskräfte fehlen und der Sozialstaat brüchig wird.<br />
Der demografische <strong>Wandel</strong> betrifft uns alle, auch die<br />
Autoren dieses <strong>Magazin</strong>s, allesamt Nach wuchs jour nalisten.<br />
Wir trafen uns in<br />
Münster zu einem interdisziplinären<br />
Projekt der<br />
Journa listen <strong>Akademie</strong><br />
der KonradAde nauer<br />
Stiftung. Dieses Heft<br />
entstand in einer Jugendherberge.<br />
Und auch hier hat der <strong>Wandel</strong> längst Einzug<br />
gehalten. Am Frühstückstisch sitzen Schulklasssen mit<br />
Rentner gruppen beisammen.<br />
Was bringt die Zukunft? Mit wem werde ich alt? In<br />
einem Heim, in Obhut einer polnischen Pflegekraft<br />
oder frisch verliebt? Was kann ich gegen das Altern<br />
tun? Helfen Gehirnjogging oder AntifaltenCremes?<br />
Werde ich im Alter arbeiten müssen oder dürfen?<br />
Auf diese Fragen haben wir Antworten gesucht.<br />
„Alt“ – ein Heft auch für junge Menschen. Viel Spaß<br />
beim Lesen wünscht<br />
die Redaktion<br />
Was bringt die Zukunft?<br />
Wie alt werden wir?<br />
Wie werden wir alt?
Nadine Diehl<br />
* 27.8.1985<br />
... ist innerhalb eines<br />
Tages um 60 Jahre<br />
gealtert. Und wieder<br />
zurück.<br />
Viele Menschen haben Angst vor dem Altern.<br />
Vor allem aber schaudern sie vor dem Gedanken,<br />
in einem Altenheim zu landen. Nadine Diehl war<br />
freiwillig dort – und für 24 Stunden 80 Jahre alt<br />
Zimmer 104 auf Probe<br />
4 5<br />
Ich bin nackt. Angreifbar, verletzlich, hilflos. Jeder<br />
Fremde ist jetzt ein Feind, denke ich. Auch Schwester<br />
Kerstin. Behutsam wringt sie den Waschlappen über<br />
der blauen Plastikschüssel neben meinem Bett aus.<br />
Wasser tropft hinein. Ich merke, mein größter Feind<br />
ist nicht sie, sondern meine Angst. „So, ich wasche Sie<br />
jetzt mal unten, Frau Diehl“, sagt die junge Altenpflegerin.<br />
Aus Angst wird Scham. Aus einem Augenblick<br />
eine Ewigkeit. „Ist das so ok für Sie?“, fragt sie<br />
mich. „Ja, ja“, lüge ich. Schwester Kerstin dreht mich<br />
auf die Seite. Direkt neben mir breitet sie eine Papier<br />
windel auf dem schneeweißen Bettlaken aus und<br />
rollt mich darüber. Klebeverschluss zu, Hose hoch:<br />
Expedition „Alt sein“ hat begonnen.<br />
Für einen Tag und eine Nacht bin ich Bewohnerin<br />
eines Altenheims. Ich möchte erleben, wie es sich<br />
anfühlt, alt und hilfebedürftig zu sein. Meine fiktive<br />
Bewohnerakte bestimmt meinen Alltag. Nadine<br />
Diehl. Baujahr 1928. Inkontinent? Häkchen. Gestörte<br />
Motorik? Häkchen. In Ihrer Bewegung eingeschränkt?<br />
Häkchen. Ergänzung: Kann stehen, ist aber<br />
nicht mobil.<br />
Jung und alt.<br />
Aus jung wird alt –<br />
für einen Tag<br />
Ein Altenheim irgendwo in Münster. Zimmer<br />
Nummer 104. Die Hände in den Schoß gelegt, sitze<br />
ich auf meinem Bett und lasse die Füße baumeln.<br />
Zum ersten Mal habe ich Zeit, mir meiner Einschränkung<br />
so richtig bewusst zu werden. Je länger ich sitze,<br />
desto schwerer fühlen sich meine Beine an. Das<br />
bleierne Gefühl wandert bis in meine Zehenspitzen.<br />
Ich habe den Drang aufzustehen, doch das darf ich<br />
nicht. Gerne würde ich jetzt alleine <strong>zum</strong> Mittagessen<br />
gehen, doch ich muss warten bis mich eine Pflegerin<br />
abholt. Vielleicht dauert<br />
Inkontinent? Häkchen.<br />
es noch eine halbe<br />
Stunde, vielleicht auch<br />
nur zehn Minuten.<br />
Das Zeitgefühl habe ich<br />
schon jetzt völlig verloren<br />
– so ganz ohne Fernseher<br />
und ohne Uhr. Während ich warte, schießen<br />
mir Gedanken durch den Kopf von Partys und ausgelassenem<br />
Tanzen. Ob ein alter Mensch sich dieselben<br />
Dinge zusammenspinnt wie ich? Empfindet er<br />
Langeweile genauso stark?<br />
Mein Kopf tanzt weiter und mein Puls schlägt<br />
den Takt dazu. Jemand klopft an die Tür. Es ist<br />
Schwester Edeltraud. „Frau Diehl, ich bringe Sie jetzt<br />
<strong>zum</strong> Mittagessen“, sagt sie. „Legen Sie doch mal bitte<br />
ihre Arme um meinen Hals, damit ich Sie in den<br />
Rollstuhl setzen kann.“ Schwester Edeltraud ist eine<br />
füllige Frau mit graubraunen, kurzen Haaren und<br />
roten Wangen. Sie trägt blauweiß gestreifte Arbeitskleidung<br />
und eine große Brille in ihrem mütterlichen<br />
Gesicht. „Stehen, stehen, stehen“, feuert sie mich an.<br />
Ich versuche mich nicht zu schwer zu machen.<br />
Ein Leben von einem Essen <strong>zum</strong> andern<br />
Die Stille in den Gängen ist erdrückend Bettpfannen – wenn der Gang zur Toilette unmöglich wird<br />
Gestörte Motorik?<br />
Häkchen.<br />
In Ihrer Bewegung<br />
eingeschränkt? Häkchen.<br />
Peinlich, sich von einer so viel älteren Frau helfen<br />
zu lassen. „Können Sie alleine essen oder soll ich Ihnen<br />
die Mahlzeit verabreichen?“, fragt mich Schwester<br />
Edeltraud am Essenstisch. Verabreichen. Ich sehe,<br />
wie meine Tischnachbarin von einer anderen Pflegerin<br />
Suppe in den Mund gelöffelt bekommt. Die alte<br />
Frau starrt in die Leere. Den Mund öffnet sie nur<br />
einen kleinen Spalt weit. Nach jedem Löffel blubbert<br />
die Hälfte wieder heraus und tropft auf ihren Latz.<br />
„Nein, das schaffe ich noch alleine“, ist meine Antwort<br />
auf Schwester Edel<br />
trauds Frage. Was sollen denn<br />
sonst die wirklich hilfebedürftigen<br />
Bewohner im Speisesaal<br />
von mir denken?<br />
Zurück in meinem Zimmer<br />
liege ich wieder in meinem Bett. Ich muss dringend<br />
aufs Klo, aber ich will nicht. Ja, noch durchhalten und<br />
den Toilettengang solange wie möglich hinauszögern,<br />
ermutige ich mich. Doch es geht nicht länger. Ich<br />
drücke auf den roten Knopf, der an einem Kabel über<br />
meinem Kopf baumelt. Ich warte und wünsche mir<br />
das Warten würde ewig dauern. Doch schon nach<br />
kurzer Zeit steht Schwester Edeltraud in der Tür. Für<br />
sie ist das, was nun kommt, reine Routine. Für mich<br />
ist es eine erneute Herausforderung im Kampf gegen<br />
mein Schamgefühl.<br />
„Achtung, ich krabbel da jetzt ein bisschen an Ihnen<br />
herum“, sagt die Pflegerin, während ich mich an der<br />
Stange neben der Toilettenschüssel festkralle. Sie umklammert<br />
mich von hinten und knöpft meine Jeans
6 7<br />
Ein Tag geht zu Ende: Ich verabschiede mich vom Alt sein Hilfe auf Knopfdruck:<br />
Rund um die Uhr stehen die Pfleger für<br />
auf. Innerlich sträube ich mich gegen die Hilfe und<br />
nehme sie trotzdem an. Ich müsste dafür dankbar<br />
sein, doch ich bin es nicht. Dann streift Schwester<br />
Edeltraud meine Hose runter und hilft mir auf den<br />
Toilettenrand. „Ich gehe jetzt vor die Tür und Sie<br />
rufen einfach, wenn Sie fertig sind“, erklärt sie mir. Es<br />
dauert eine Weile bis ich Wasser lassen kann.<br />
Wieder warten. Liegen. Warten. Dann geht es <strong>zum</strong><br />
Kaffeetrinken und gleich darauf zur Sitzgymnastik.<br />
Endlich Bewegung. Nach und nach werden die Be<br />
wohner in Rollstühlen<br />
<strong>zum</strong> Übungsraum gekarrt.<br />
Die Physiotherapeutin<br />
beginnt mit Lockerungsübungen<br />
und<br />
schüttelt die Arme aus.<br />
Zehn Frauen sitzen im<br />
Kreis und versuchen mit<br />
viel Mühe, die Bewegungen der Therapeutin nachzuahmen.<br />
Klatschen, Stampfen, Schattenboxen. Ich fange<br />
etwas an zu schwitzen. Um mich herum läuft die<br />
Welt in Zeitlupe ab. Ich versuche Teil dieser Welt zu<br />
werden, doch ich ertappe mich beim Jungsein. „Jetzt<br />
wippen wir vor auf die Zehenspitzen“, gibt die Therapeutin<br />
Anweisungen. „Und zurück auf die Fersen.“<br />
Ich lasse meine Blicke durch die Runde schweifen<br />
und sehe fröhliche Gesichter. Gesichter, die so<br />
aussehen als hätten sie den ganzen Tag nur auf<br />
diesen Augenblick gewartet. Auch meine Tischnachbarin<br />
vom Mittagessen ist dabei. Die Übungen macht<br />
die demente Frau aber nicht mit und starrt weiter in<br />
die Leere. In unregelmäßigen Abständen ruft sie in<br />
schrillem Ton „Schwester“ und „Danke schön“. Was<br />
wohl gerade in ihrem Kopf vorgeht?<br />
Nach dem Abendessen liege ich wieder in meinem<br />
Bett und schaue aus dem Fenster. Die Sonne geht<br />
langsam hinter den Gebäuden unter und taucht die<br />
Dachterrasse ein letztes Mal in orangefarbenes Licht.<br />
Ich spüre die Stille. Bis auf das Geräusch von vorbei<br />
fahrenden Autos ist fast nichts zu hören. Nur noch<br />
der Wind, der leise durch das gekippte Fenster pfeift,<br />
stört die Einsamkeit. Und der Geruch – der Geruch<br />
von Altenheim. Ein süßliches<br />
Gemisch aus Kantine,<br />
Krankenhaus und Urin. Erst<br />
jetzt merke ich, dass sogar<br />
schon mein Nachthemd danach<br />
riecht, auch meine Haare.<br />
Es ist dunkel geworden in<br />
Zimmer 104. Die Langeweile<br />
macht mich fast wahnsinnig. Ich kann nicht<br />
einschlafen, grübele. Auf andere angewiesen zu sein,<br />
nicht mehr Herr meiner Kräfte zu sein. Könnte ich<br />
jemals so leben? Was ist, wenn ich irgendwann keine<br />
andere Wahl mehr habe? Ich beschließe niemals alt zu<br />
werden. Und nicht mehr zu grübeln.<br />
Ein süßliches Gemisch<br />
aus Kantine,<br />
Krankenhaus<br />
und Urin<br />
Ein neuer Morgen. Schon hellwach höre ich, wie sich<br />
jemand in schnellen Schritten meiner Tür nähert. Die<br />
Nacht war kurz. Seit drei Uhr morgens habe ich kein<br />
Auge mehr richtig zu gemacht. Noch einmal werde ich<br />
gewaschen. Noch einmal bekomme ich die Zähne geputzt.<br />
Noch einmal werde ich angezogen. Dann kehre<br />
ich wieder zurück in mein junges Leben.<br />
die Bewohner bereit.<br />
Doch 24 Stunden sind zu wenig,<br />
um jedem gerecht zu werden.<br />
Am schlimmsten sind<br />
Einsamkeit und Langeweile
Die Bevölkerungpyramide<br />
hat sich in ihrer Form<br />
stark verändert -<br />
statt von Pyramide sprechen<br />
Fachleute nun vom<br />
Python-Effekt<br />
8 9<br />
Die Darstellung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Playmobil. Playmobil ist eine geschützte Marke der geobra Brandstätter GmbH & Co KG.<br />
Der Python-Effekt<br />
Die deutsche Bevölkerung wird älter und schrumpft<br />
– bis 2050 sollen in Deutschland 13 Millionen<br />
Menschen weniger leben als heute. Das sagen Experten<br />
des Statistischen Bundesamts. „Die abnehmende<br />
Bevölkerung ist nicht unbedingt das Problem, aber<br />
die bestehenden Institutionen passen nicht zu den <strong>demografischen</strong><br />
Veränderungen. So muss <strong>zum</strong> Beispiel<br />
die Finanzierung des Renten systems vollkommen neu<br />
überdacht werden“, sagt Soziologe Ludwig Amrhein<br />
vom Forschungszentrum Altern und Gesellschaft der<br />
Universität Vechta. Die grafische Darstellung der<br />
Bevölkerungszahlen wird Bevölkerungspyramide genannt<br />
– ein Begriff aus der Zeit, als die Grafik tatsächlich<br />
noch aussah wie eine Pyramide. Unten bildeten<br />
die viele junge Menschen den festen Sockel der Gesellschaft,<br />
darüber standen – weniger zahlreich – die<br />
Menschen des mittleren Lebensalters. Und an der Spitze<br />
der Pyramide waren wenige Alte.<br />
Die Pyramidengrafik bildete noch vor 50 Jahren die<br />
gesellschaftlichen Zustände ab: Viele Kinder wurden geboren,<br />
weniger wurden erwachsen und noch weniger<br />
Menschen erreichten ein hohes Alter. Heute erinnert<br />
die grafische Form der Bevölkerung eher an eine Zwiebel.<br />
In der Mitte stecken die bevölkerungsstarken<br />
Jahrgänge, die so genannten Babyboomer, die<br />
zwischen 1950 und 1965 geboren wurden. Diese dicke<br />
Beule schiebt sich jetzt immer weiter nach oben,<br />
so, als würde eine Python langsam ihre Beute verdauen.<br />
Demografen nennen dieses Phänomen den<br />
„PythonEffekt“. Auch ganz oben sammeln sich mehr<br />
Menschen, weil die Lebenserwartung gestiegen ist.<br />
In 50 Jahren wird das Bild unser Gesellschaft nicht an<br />
eine Pyramide sondern an eine Urne erinnern: Ein<br />
sehr schmaler Sockel trägt einen hohen, gleichmäßig<br />
dicken pfeilerartigen Aufbau, der in einer sanft<br />
Susanne Schäfer<br />
* 6.8.1985<br />
ansteigenden Spitze mündet. 2050 tragen nur noch<br />
wenige Kinder und Jugendlichen die mittelalten und<br />
alten Menschen auf ihren Schultern. Nur noch<br />
15 Prozent der Bevölkerung werden dann unter<br />
20 Jahre alt sein. Fünf Prozent weniger als heute.<br />
Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur, das ist der<br />
demografische <strong>Wandel</strong>. Der wird vor allem durch die<br />
Geburten beeinflusst. Schon seit 1965 sinken die<br />
Geburtenraten – der so genannte Pillenknick. Jede<br />
Frau bringt heute durchschnittlich 1,4 Kinder auf die<br />
Welt. Dieser Wert ist seit 1970 gleichbleibend niedrig.<br />
Das Problem: Die nachwachsende Generation ist<br />
kleiner als die Elterngeneration. Die Älteren werden<br />
zahlenmäßig also nicht ersetzt, wenn so wenig Kinder<br />
geboren werden. Erst bei 2,1 Kindern je Frau ist gesichert,<br />
dass die Bevölkerungszahl nicht sinkt.<br />
Auch die Lebenserwartung beeinflusst den <strong>demografischen</strong><br />
<strong>Wandel</strong>. Bessere hygienische Bedingungen,<br />
eine gesündere Lebensweise und der medizinische<br />
Fortschritt haben dazu geführt, dass das Sterberisiko<br />
abgenommen hat. Für das Jahr 2050 sagen die Demografen<br />
eine Lebenserwartung von 90 Jahren voraus.<br />
Auch die Zahl der über Hundertjährigen wird weiter<br />
steigen. Eine höhere Lebenserwartung bedeutet zudem,<br />
dass die Zahl der Pflegefälle um 50 Prozent zunimmt,<br />
denn im höheren Alter steigt die Wahrscheinlichkeit,<br />
pflegebedürftig zu werden. Gemäß des heutigen<br />
politischen Systems müsste die erwerbstätige Bevölkerung<br />
die Kosten für diese Pflege tragen. Soziologe<br />
Ludwig Amrhein ruft deshalb <strong>zum</strong> Handeln auf: „Wir<br />
müssen auf die Veränderungen reagieren und eine<br />
politische Lösung finden, sonst kommt es zu einem<br />
richtigen Problem.“ Wie Deutschland in 50 Jahren<br />
aussieht hängt also hauptsächlich von unserer Reaktion<br />
auf den <strong>Wandel</strong> ab.<br />
... freut sich trotz des<br />
<strong>demografischen</strong> <strong>Wandel</strong>s<br />
auf die Zukunft.
10 11<br />
Wirbt für Bauen im Bestand: Thomas Schulze Schwienhorst vom Amt für Stadtentwicklung<br />
Münster<br />
Münster hört auf zu wachsen. Im Jahr 2030<br />
beginnt die Stadt zu schrumpfen.<br />
Sie wird kleiner und älter werden<br />
„Münster ist ein Durchlauferhitzer“<br />
Zukunftsfähig:<br />
Moderne Wohnformen auf<br />
dem Germania Campus<br />
Auf den <strong>demografischen</strong> <strong>Wandel</strong> müssen sich auch<br />
die Stadtplaner einstellen. Neue Bauprojekte auf der<br />
grünen Wiese sind ein Auslaufmodell, die Münsteraner<br />
sollen die Innenstadt wiederentdecken. Das<br />
hofft Thomas Schulze Schwien horst vom Amt für<br />
Stadtentwicklung.<br />
Damit Münster nicht so stark altert wie andere Städte<br />
hoffen Sie auf die Anziehungskraft bei den Studierenden.<br />
Die gehen aber irgendwann wieder weg.<br />
Eignen sich junge Menschen auf der Durchreise wirklich<br />
als Rückgrat einer alternden Stadt?<br />
Münster ist ein Durchlauferhitzer. So hat das die<br />
Bertels mann Stiftung mal ausgedrückt. Junge Menschen<br />
kommen <strong>zum</strong> Studium hierher und gehen danach<br />
mehrheitlich wieder weg. Dennoch bleiben jährlich<br />
zwischen 1000 und 1500 Studierende auch nach ihrem<br />
Uniabschluss in der Stadt.<br />
Münster muss sich als Wissenschaftsstandort<br />
profilieren – das ist der seidene Faden, an dem<br />
Münster zukünftig hängen wird.<br />
Das ist für die demografische Entwicklung unserer<br />
Stadt ganz entscheidend.<br />
●Michael Feuersenger<br />
* 25.10.1980<br />
Spätestens nach dem Studium wird Münster teuer.<br />
Der Quadratmeterpreis in der Innenstadt liegt auf<br />
dem freien Wohnungsmarkt derzeit bei 8,50 Euro.<br />
Das ist ein Problem. Junge Menschen wollen arbeiten<br />
und günstig wohnen können. Grundsätzlich würden<br />
viele von ihnen gerne hier bleiben, wenn sie ihren<br />
Abschluss in der Tasche haben oder eine Familie<br />
gründen wollen.<br />
Was kann die Stadt für sie tun?<br />
Die Politik macht sich besonders für mehr öffentlich<br />
geförderten Wohnraum stark: Eigentümer oder Investoren<br />
sollen finanzielle Mittel vom Land erhalten, um<br />
ihre Wohnungen möglichst günstig anbieten zu können.<br />
Günstiger jedenfalls als auf dem freien Wohnungs markt.<br />
So soll vor allem jungen Familien ermöglicht werden,<br />
in der Stadt ein bezahlbares Zuhause zu finden.<br />
... zieht zurück in die<br />
Innenstadt und liegt<br />
damit voll im Trend.
12<br />
Das Studentenwerk hat angefangen, seine Wohneinheiten<br />
zu modernisieren. Abschied vom miefigen<br />
Einzimmerappartment mit Gemeinschaftsküche<br />
und Flurdusche?<br />
Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Studentenbude.<br />
Die war etwa genauso. Heute haben junge<br />
Menschen andere Ansprüche. Soweit ich weiß, will<br />
das Studentenwerk alle seine Wohnanlagen sanieren;<br />
das zeigt, dass ältere Bestände immer weniger gefragt<br />
sind. Ein überaltertes Wohnheim in bester Aaseelage<br />
ist komplett entkernt worden. Dort ist neuer,<br />
komfortabler Wohnraum entstanden. Und die Nachfrage<br />
ist groß.<br />
Alle Mann in die Innenstadt: Gibt die Stadt ihre<br />
Außenquartiere auf?<br />
Die StudentenWGs haben irgendwann die Familien<br />
aus der Innenstadt verdrängt. Dasselbe machen heute<br />
gut verdienende Singles mit den Studenten. Wir wollen<br />
das wieder ändern. Die Innenstadt muss weiter gestärkt<br />
werden. Eine einladende Innenstadt entwertet aber<br />
noch lange nicht die äußeren Stadtteile. Der Münsteraner<br />
lebt nach wie vor am liebsten im Einfamilienhaus.<br />
Und das steht meistens am Stadtrand.<br />
Und ist für junge Familien selten finanzierbar.<br />
Natürlich kommt es nicht für jede junge Familie<br />
sofort infrage, ein Haus zu kaufen oder zu bauen.<br />
Solange sie das noch nicht können, möchten wir diese<br />
Gruppe dazu anregen, zentrumsnah zu leben.<br />
Münster wird auch älter werden. Wo werden die<br />
alten Menschen in Zukunft leben?<br />
Die Menschen sollen dort alt werden können, wo sie<br />
schon vorher gelebt haben. In einigen Städten rücken<br />
die Menschen näher an die Innenstadt, wenn sie älter<br />
werden, um stärker von kulturellen Angeboten profitieren<br />
zu können. Dieser Trend bestätigt sich in Münster<br />
nicht. Darum ist es uns wichtig, dass in jedem<br />
Stadtteil ausreichende Pflege und Betreuungsangebote<br />
vorhanden sind.<br />
Klassische Haushalte, in denen Großeltern, Eltern und<br />
Kinder an einem Tisch sitzen, gibt es kaum noch.<br />
In vielen Einfamilienhäusern lebt oft nur noch ein älterer<br />
Mensch. Die Menschen möchten zu Hause alt<br />
werden. Das ist verständlich. Aber ein komplettes<br />
Haus, in dem nur ein einzelner Mensch lebt, ist nicht<br />
optimal genutzt. Es ist wie geschaffen für Familien.<br />
Welche Bauprojekte sind heute noch sinnvoll?<br />
Die Stadt sollte nicht noch weiter nach außen wachsen.<br />
Der Bauboom der frühen 90er Jahre ist vorbei.<br />
Zukünftige Bauprojekte werden also nicht mehr auf<br />
der grünen Wiese stattfinden. Die Stadt ist gebaut!<br />
Darum wird es zukünftig mehr darum gehen, den<br />
Baubestand zu erweitern, den wir schon haben.<br />
Nennen Sie uns ein Beispiel?<br />
Stellen Sie sich vor, ein Eigentümer besitzt eine Reihe<br />
dreigeschossiger Miethäuser in einer gefragten Wohnlage.<br />
Durch eine entsprechende Baumaßnahme<br />
könnte das Haus um zwei weitere Etagen nach oben<br />
ergänzt werden. Die Stadt würde nach oben wachsen.<br />
So wird neuer Wohnraum geschaffen, ohne weitere<br />
freie Flächen zu bebauen.<br />
Wie kann denn bestehender Wohnraum aufgewertet<br />
werden?<br />
Die Miethäuser wären danach fünfgeschossig. Im<br />
Zuge derselben Bauarbeiten könnten sie einen Aufzug<br />
bekommen. Die neuen Wohnungen könnten barrierefrei<br />
gestaltet werden und sich so besser für ältere<br />
Menschen eignen. Das fängt bei breiteren Türrahmen<br />
an und hört beim niedrigeren Wanneneinstieg wieder<br />
auf. Wenn das bestehende Wohnraumangebot in<br />
einem Haus vergrößert wird, ist das aus städtischer<br />
Sicht eine besonders gute Sache.<br />
Besonders gut weshalb?<br />
Weil dieses Haus bereits mit dem Kanalsystem<br />
verbunden ist und an einer Straße liegt an der eine<br />
Laterne steht. Ein Meter Kanal kostet die Stadt rund<br />
1000 Euro. Wo sie auf solche technischen Ausgaben<br />
verzichten kann, spart die Stadt viel Geld.<br />
Liegt es nicht ohnehin im eigenen Interesse der Eigentümer<br />
und Wohnungsbaugesellschaften, ihr Wohnraumangebot<br />
zu verbessern?<br />
Der Modernisierungsdruck ist enorm hoch. Der<br />
Wohn bestand aus den 60er und 70er Jahren ist vielfach<br />
überaltert. Die Bedürfnisse haben sich kolossal<br />
verändert. Und sie sind zudem total unterschiedlich.<br />
Ein Student möchte anders leben als ein junges Paar<br />
oder eine Familie. Dabei geht es <strong>zum</strong> Beispiel darum,<br />
wieviel eine Wohnung kostet, wie groß sie ist und<br />
welchen Schnitt sie hat.<br />
Wie und wo würden Sie in Münster zukünftig leben<br />
wollen?<br />
Meine Frau und ich werden demnächst unser Ein<br />
familienhaus am Stadtrand verkaufen, um in die<br />
Innenstadt zu ziehen. Wir selbst sind kinderlos<br />
geblieben – und machen ein bisschen Platz für Familien.<br />
Ausbaufähig:<br />
Altbausiedlung Grüner Grund<br />
13
Einer allein zu Haus<br />
Heute gibt es eine Vielzahl von<br />
Produkten, die das Leben im Alter zuhause<br />
so angenehm wie möglich gestalten sollen.<br />
Viele sind nützlich, manche skurril –<br />
und manche auch für junge Leute durchaus interessant<br />
5-Punkt-Gehstock<br />
Angriff der Riesenspinnen? Modell einer Pyramide?<br />
Oder doch Rohbau eines Zirkuszelts? Weder noch.<br />
Dieser überdimensionale Gehstock hilft Menschen<br />
mit Gehbehinderung oder Gleichgewichtsstörungen<br />
auf die Beine. Gleich fünf Standpunkte verteilen das<br />
Gewicht gleichmäßig. Hier steht auch fest und sicher,<br />
wer sich auf normalen Krücken nicht halten kann.<br />
Positiver Nebeneffekt: Das Geld für den Stockständer<br />
kann gespart werden. Der FünfPunktGehstock kann<br />
nicht umfallen.<br />
Der<br />
Gehstock für<br />
jedes<br />
Wetter<br />
Brötchen-Schmier-Hilfe<br />
Nein, dieses Frühstücksbrettchen wurde weder von<br />
einem Studenten beim Katerfrühstück erfunden,<br />
noch von einem morgentlichen Zeitungsleser. Doch<br />
beide hätten ihre wahre Freude daran. Das Besondere<br />
am Brettchen mit BrötchenSchmierHilfe sind die<br />
hoch stehenden Kanten. Einfach das Brötchen in die<br />
Ecke legen und man kann mit dem Schmieren beginnen.<br />
Da kann nichts verrutschen, nichts wegflutschen.<br />
Und das freut nicht nur Menschen mit nachlassender<br />
Kraft, sondern auch die mit Koordinationspro blemen.<br />
Funktioniert übrigens auch prima mit nur einer<br />
Hand. So müssen Patienten mit Armbruch nicht auf<br />
ihr Brötchen verzichten – oder eben jene Menschen,<br />
die stets eine Hand am Frühstückstisch benötigen,<br />
um in der Zeitung zu blättern.<br />
Sparschäler mit Saugnäpfen<br />
Gute Nachricht für Liebhaber von Apfelkuchen, Spargel<br />
und Kartoffelsalat: Es gibt nun eine Schälhilfe. Der<br />
Sparschäler mit Saugnäpfen funktioniert mit nur einer<br />
Hand. An der Arbeitsplattenkante angedrückt, kann er<br />
nicht mehr verrutschen. Das Messer steht dabei über die<br />
Platte hinaus. Dort Apfel, Spargel stange oder Kartoffelknolle<br />
ansetzen und langsam an der Klinge vorbei<br />
ziehen. So wird die Arbeit in der Küche erleichtert.<br />
Auch Mütter mit Baby auf dem Arm oder Vieltelefonierer<br />
können einhändig Kartoffeln schälen.<br />
Die<br />
Aufstehhilfe<br />
für Sie<br />
und Ihn<br />
Aufsteh-Hilfe<br />
Sind Sie ein StehaufMännchen? Wenn nicht, können<br />
Sie mit dieser AufstehHilfe eines werden. Die eno rme<br />
Kraft des MiniKatapults bringt garantiert jeden<br />
in die Senkrechte. Das Kissen kann auf jeden Stuhl<br />
gelegt werden und dient so hüftsteifen Menschen als<br />
Sitzerhöhung. Ein kurzer Zug am Hebel und die<br />
Sprungfeder lässt die Sitzfläche nach oben schnellen.<br />
Sehr behutsam müssen Leichtgewichte mit der Aufstehhilfe<br />
umgehen. Ansonsten fliegen Sie durch die Luft.<br />
Strumpf-Anzieh-Hilfe<br />
Die Puppenspieler der Augsburger Puppenkiste hätten<br />
ihre wahre Freude an den langen Schnüren dieser Plastikgestalt.<br />
Auch wer nicht gerne die Puppen tanzen lässt<br />
kann mit der SockenAnziehHilfe etwas anfangen.<br />
Selbst die längsten Strümpfe können mit diesem Gerät<br />
zielsicher angezogen werden. Die Socke kommt unten<br />
über das Plastikrohr, der Fuß gleitet von oben herein.<br />
Mit den Schnüren zieht man den Strumpf schließlich<br />
über deren Fuß. Fertig. Über diesen praktischen Spielkameraden<br />
hätte sich wohl auch Jim Knopf gefreut.<br />
Benedikt Giesbers<br />
* 15.1.1983<br />
... hat selbst das<br />
Mini-Katapult getestet.<br />
Es funktioniert.<br />
15
Opieka heißt Pflege<br />
Ohne Hilfe aus Polen ständen<br />
viele Familien in Deutschland vor einer Katastrophe,<br />
denn häusliche Altenpflege kann sich kaum jemand leisten<br />
Die 90 Jahre alte Gerda Bernhard will zu Hause bleiben<br />
Das Malen verlernt sie nicht. Auch wenn Gerda Bernhard<br />
sagt, das sei doch nur Gekritzel, was sie da mache.<br />
Aber die Bilder der 90 Jahre alten Frau sind mehr<br />
als ein paar Striche, sie sind gemalte Gefühle. Dunkle<br />
Farben bedeuten schlechte Tage. Male sie in hellen<br />
Farben, gehe es ihr gut, erklärt ihre polnische Pflegerin<br />
Elisabeth. Sie sitzt neben ihr und wartet darauf,<br />
welche Farben Gerda Bernhard mit ihrem Pinsel als<br />
nächstes anrührt.<br />
Elisabeth kümmert sich seit diesem Frühjahr um die<br />
demenzkranke Frau. Die komplizierte Operation<br />
eines Gehirntumors und drei Oberschenkelhals<br />
brüche stellten die Familie von Gerda Bernhard vor<br />
die Wahl: entweder Pflegeheim oder 24StundenBetreuung<br />
zuhause.<br />
Tochter Ulrike Timmermann kannte die Heime von<br />
den Eltern ihrer Bekannten. „Nein danke, das wollte<br />
ich nicht“, sagt sie. „So schrecklich kleine Zimmer.“<br />
Sie hatte auch die Berichte im Kopf, über vereinsamte<br />
Heimbewohner und Pflege vom Fließband. Aber die<br />
Alternative, eine 24StundenBetreuung zuhause,<br />
kostet in Deutschland bis zu 10.000 Euro im Monat.<br />
Geld, das weder Gerda Bernhard noch ihre Familie<br />
hat. Stattdessen entschieden sich Mutter und Tochter<br />
für die Vermittlung einer polnischen Betreuerin, für<br />
die sie monatlich 1650 Euro zahlen. Dazu kommen<br />
Unterkunft und Verpflegung. „Das war die beste<br />
Entscheidung“, sagt Tochter Ulrike. „Nicht nur wegen<br />
des Geldes. Die beiden verstehen sich prächtig.“<br />
Seitdem Elisabeth da ist, sind die Bilder von Gerda<br />
Bernhard heller geworden. In warmen, gelbrötlichen<br />
Farben bedecken sie die Wohnzimmerwände der Witwe<br />
im münsterländischen Telgte. Wenn die beiden Frauen<br />
einen Spaziergang machen, hilft Elisabeth der alten<br />
Frau, ihren Gehwagen über die Türstufe zu schieben.<br />
Für die Polin ist es ein kurzer Spaziergang, denn nach<br />
gerade mal 15 Metern kehren sie wieder um. „Toilette?<br />
Toilette? Frau Bernhard?“ Die alte Frau nickt. Auch<br />
dabei hilft Elisabeth. Sie führt den Haushalt, kauft ein<br />
und kocht das Essen. Jeder Handgriff ist mittlerweile<br />
Routine. Jeden Morgen richtet Elisabeth Gerda die<br />
gefärbten Haare. Nur das Schminken, das mache sie<br />
besser selbst, sagt Gerda Bernhard.<br />
Die beiden Frauen kennen sich erst seit vier Monaten.<br />
„Wir sind Freundinnen geworden“, sagt Gerda<br />
Bernhard. Und die 53 Jahre alte Elisabeth ergänzt:<br />
„Bei Frau Bernhard fühle ich mich wie in einer Familie.“<br />
Die eigene wartet in Südpolen.<br />
Dominik Stawski<br />
* 16.4.1984<br />
... ist froh, dass die<br />
Malereien der alten<br />
Frau hell blieben –<br />
trotz sechs Stunden<br />
Kamera- und<br />
Fotoarbeit.<br />
17
Für Ulrike Timmermann gibt es keine Alternative.<br />
Nur zu gut erinnert sie sich an die Zeit vor der häuslichen<br />
Pflege: Sie ist berufstätig, den Job aufzugeben<br />
für die Pflege ihrer Mutter kam für beide nicht in<br />
Frage. Also probierten sie es mit ambulanten Pflegediensten.<br />
„Es war schrecklich, denn die CaritasLeute<br />
waren nur ein paar Minuten am Tag da.“ Ihren Job<br />
bei einem Finanzdienstleister in Münster konnte<br />
Ulrike kaum noch bewältigen. „Ständig diese Angst,<br />
dass meine Mutter wieder gefallen ist.“ Immer wieder<br />
klingelte der Notpieper der Mutter, dann raste Ulrike<br />
Timmermann mit dem Auto über die Landstraße<br />
20 Kilometer nach Telgte. Meist war nichts passiert,<br />
die Mutter hatte den Notruf nur aus Versehen ausgelöst.<br />
Drei Mal aber passierte doch etwas, daher auch<br />
die drei Oberschenkelhalsbrüche. „Die ganze Situation<br />
war unerträglich“, erinnert sich Tochter Ulrike. „Es<br />
gab tausende gefährliche Momente.“<br />
Wenn sie heute nach Telgte zu ihrer Mutter fährt,<br />
dann freut sie sich. „Meine Mutter strahlt mich an,<br />
wenn ich komme. Ihr geht es gut.“ Dabei hatte sie<br />
anfangs Angst, ihre Mutter einer Fremden anzuvertrauen.<br />
Zwei Monate lang schickte sie jeden Tag<br />
Bekannte oder Verwandte zu ihrer Mutter und der<br />
polnischen Pflegerin. Erst danach fasste sie genug<br />
Vertrauen, um die Kontrollen zu lassen.<br />
Helle Farben bedeuten guteTage<br />
Heute tut Ulrike Timmermann alles, damit Elisabeth<br />
bei ihrer Mutter bleibt. Sie richtet den Keller mit ein<br />
paar Betten ein, damit Elisabeth Besuch aus Polen<br />
empfangen kann. Sie baut ein zweites Badezimmer,<br />
damit Elisabeth ihr eigenes nutzen kann. Einmal im<br />
Monat kümmert sich die Tochter für ein Wochenende<br />
um ihre Mutter. Elisabeth kann dann ein wenig<br />
durchatmen. Der Tochter reichen die zwei Tage<br />
Pflege. „Jedes Mal bin ich froh, wenn das wieder<br />
vorbei ist“, sagt sie.<br />
Die Tochter weiß nichts davon, aber vor einigen<br />
Wochen hat Elisabeth Gerda ein Versprechen gegeben. Im<br />
kommenden April will sie für einige Wochen nach<br />
Polen zurück, weil ihre eigene Mutter Geburtstag hat.<br />
„Aber ich komme zurück und dann bleibe ich bis <strong>zum</strong><br />
Ende ihres Lebens.“<br />
Die Pflegesituation<br />
In Deutschland leben über zwei<br />
Millionen pflegebedürftige Menschen.<br />
Mehr als zwei Drittel von ihnen<br />
werden zuhause betreut. Durch den<br />
<strong>demografischen</strong> <strong>Wandel</strong> wird die<br />
Zahl der Pflegebedürftigen bis <strong>zum</strong><br />
Jahr 2030 auf fast drei Millionen<br />
ansteigen.<br />
Wer häusliche Pflege will, hat verschiedene<br />
Möglichkeiten:<br />
Eine 24StundenBetreuung durch<br />
einen deut schen Pflegedienst kann<br />
bis zu 10 000 Euro kosten, polni sche<br />
Hilfe kostet deutlich weniger.<br />
18<br />
Elisabeth kam nach Deutschland, weil sie hier drei<br />
Mal soviel verdient wie in ihrem Heimatland. „Mein<br />
Mann ist krank, sein Geld fehlt, und ich musste einfach<br />
gehen.“ Dreimal am Tag telefoniert sie mit ihm,<br />
schaut sich die Bilder ihrer Kinder und Enkelkinder<br />
an, träumt sich zu ihrer Familie und liest polnische<br />
Bücher. „Ich vermisse den Duft Polens“, sagt sie.<br />
„Gegen das Heimweh gibt es nichts.“ Sie ist hin und<br />
hergerissen zwischen der Fürsorge für Gerda Bernhard,<br />
dem Geld für die Familie und der Sehnsucht nach<br />
ihrem Zuhause. Tochter Ulrike hat deswegen Angst. „Ich vermisse den Duft Polens“<br />
Oft wird die Pflege von den Polinnen<br />
in Schwarzarbeit geleistet.<br />
Seit dem EUBeitritt Polens gibt es<br />
aber auch einen legalen Weg, den<br />
Ulrike Timmermann gegangen ist:<br />
19<br />
Das Entsendegesetz bietet ein juristisches<br />
Schlupfloch. Die polnische Hilfe<br />
ist formal legal als Haushaltskraft bei<br />
einer polnischen Firma ange stellt, die<br />
sie nach Deutschland entsendet.<br />
„Vielleicht hält sie es irgendwann nicht mehr aus“,<br />
sagt sie. „Ich würde mir wünschen, dass sie hier bleibt,<br />
bis meine Mutter nicht mehr lebt.“<br />
Die deutschen Familien sind dann<br />
nicht Arbeitgeber, sondern Auftraggeber.<br />
Allerdings sollen die Haushaltshilfen<br />
keine Pflegeaufgaben übernehmen,<br />
was in der Praxis aber häufig<br />
anders gehandhabt wird. Polnische<br />
Pflegerinnen stehen im Gegensatz<br />
zu deutschen Pflegediensten unter<br />
keiner Kontrolle.<br />
„Wir sind Freundinnen“
Elisabeth von Ritter<br />
* 23.2.1985<br />
... lernt jetzt Jonglieren,<br />
denn dabei wächst<br />
das Gehirn.<br />
Dünger für die grauen Zellen<br />
20 21<br />
Durch Lernen wächst das Gehirn – auch im Alter.<br />
Ob der biologische Alterungsprozess durch gezieltes<br />
Training herausgezögert werden kann,<br />
will die Wissenschaft jetzt erforschen<br />
Seniorenunis, Sprachkurse für Rentner und Bücher<br />
über Gehirnjogging: Das Angebot für Menschen, die<br />
auch im hohen Alter ihre grauen Zellen trainieren<br />
wollen, ist groß. Oft steht die Hoffnung dahinter, den<br />
geistigen Verfall<br />
zu verzögern. Ob<br />
„Der Mensch sollte<br />
Lernen im Alter<br />
ein Leben lang<br />
tatsächlich dem<br />
lernen und das<br />
b i o l o g i s c h e n<br />
Gehirn trainieren“,<br />
Alterungspro<br />
sagt Arne May<br />
zess des Gehirns<br />
entgegenwirken<br />
kann, ist wissenschaftlichumstritten.<br />
Noch sind nicht alle Gebiete des Gehirns erforscht.<br />
Auch über die neurologischen Prozesse weiß<br />
man noch wenig. Fest steht aber, dass das Gehirn im<br />
Laufe des Lebens an Masse verliert. Das ist ein Grund<br />
dafür, dass seine Leistungsfähigkeit geringer und<br />
Lernen immer schwieriger wird.<br />
Wissenschaftler schätzen, dass das Gehirn aus rund<br />
100 Milliarden Nervenzellen, den Neuronen, zusammengesetzt<br />
ist. Diese Neuronen vernetzen sich beim<br />
Lernprozess miteinander. Stark vereinfacht kann man<br />
sich diese Verbindungen, die Synapsen, wie Straßen<br />
vorstellen. Am Anfang des Lebens sind diese Straßen<br />
eher Pfade. Wird ein Pfad jedoch oft benutzt und ausgetrampelt,<br />
wird er zu einer Straße. Ein altes Gehirn<br />
hat zwar mehr von den breiten Straßen, von den<br />
kleinen Pfaden gibt es aber weniger. Führt eine der<br />
großen Straßen nicht <strong>zum</strong> Ziel oder ist sie gesperrt,<br />
kann nicht so schnell auf einen Pfad ausgewichen<br />
werden. Diese veränderten Strukturen des Gehirns<br />
erschweren das Lernen im Alter. Nicht nur Teile der<br />
Straßen, auch die Neuronen nehmen im Lauf des<br />
Lebens ab. Zunächst ist das kein Problem, denn in<br />
den ersten Lebensjahren bilden sich im Gehirn mehr<br />
Neuronen und Synapsen, als der Mensch benötigt.<br />
„Wenn man gesund altert, geht man mit einer gewissen<br />
Reserve ins Alter und hat auch noch eine hohe Lernfähigkeit.<br />
Wenn diese Reserven jedoch abnehmen,<br />
dann wird das Lernen schwierig“, sagt Professor<br />
Stefan Knecht, Leiter der Kognitionsneurologie des<br />
Universitätsklinikums Münster.<br />
Dass das Gehirn aber auch noch bis ins hohe Alter<br />
wachsen kann, will eine kürzlich veröffentlichte<br />
Studie der Universitätsklinik HamburgEppendorf<br />
beweisen. Arne May, Professor für Neurologie, ließ<br />
für diese Untersuchungen Männer und Frauen im<br />
Alter zwischen 50 und 67 Jahren Jonglieren lernen.<br />
Drei Monate durften die Probanden mit den Bällen<br />
trainieren. Vor und nach dem Training scannten die<br />
Forscher die Gehirne der Jongleure in einem Kernspintomographen.<br />
Auf den Bildern wurde Erstaunliches<br />
sichtbar: Das Gebiet des Gehirns, das für die<br />
Wahrnehmung von Objekten und Bewegungen im<br />
Raum spezialisiert ist, hatte sich stark vergrößert.<br />
Auch im so genannten Hippocampus, der Hirnregion,<br />
Terra Incognita: Das menschliche Gehirn ist noch in weiten Teilen unerforscht<br />
Aufnahmen aus dem Kernspintomographen zeigen, welche Hirnregionen beim Lernen wachsen<br />
die für das Lernen wichtig ist entdeckten die Forscher<br />
Veränderungen. Was genau sich durch das Jonglieren<br />
im Gehirn veränderte, kann Arne May noch nicht sagen:<br />
„Ob es Synapsen, Nervenzellen oder sogar Blutgefäße<br />
sind, die zugenommen haben, wissen wir noch nicht“,<br />
sagt der Neurologe.<br />
Nach drei Monaten Trainingspause untersuchte May<br />
die Probanden ein drittes Mal. Die Regionen, die sich<br />
durch das Training vergrößert hatten, waren wieder<br />
kleiner geworden. May vergleicht das Gehirn mit<br />
einem Muskel, der<br />
durch Training aufgebaut<br />
werden kann.<br />
Bei fehlendem Training<br />
wird der Muskel<br />
wieder schwächer.<br />
Auch wenn er den<br />
Vorgang im Gehirn<br />
noch nicht genau beschreiben<br />
kann, so<br />
zieht er doch einen<br />
eindeutigen Schluss:<br />
„Der Mensch sollte<br />
ein Leben lang lernen und das Gehirn trainieren.“<br />
„Ich glaube, Gehirnjogging wird überschätzt“ , sagt Stefan Knecht<br />
Die Wirtschaft hat schon lange vor Mays Studie<br />
begonnen, aus dem Wunsch, im Alter geistig fit<br />
zu bleiben, Profit zu schlagen. Der Buchmarkt quillt<br />
über vor Gehirntrainern. Auch der Spielkonsolen<br />
hersteller Nintendo hat sein Angebot auf die ehrgeizige<br />
Generation eingestellt und bietet seit einigen<br />
Jahren Gehirn joggingspiele an. Stefan Knecht von<br />
der Universitätsklinik Münster beobachtet diesen<br />
Markt kritisch: „Wir wollen alle so lang wie möglich<br />
geistig fit bleiben und wir suchen nach Wegen<br />
um das zu erreichen. Wissenschaftlich gibt es aber<br />
noch keine Belege dafür, dass Gehirn jogging<br />
tatsächlich etwas bringt. Ich glaube, dass es überschätzt<br />
wird.“<br />
Der Münsteraner<br />
Neurologe hat einen<br />
anderen Ansatz –<br />
gesund zu leben.<br />
Denn ein ungesundes<br />
Leben belastet<br />
das Gehirn zusätzlich<br />
<strong>zum</strong> na tür lichen<br />
Al te rungs pro zess. Die<br />
Neuro logen in Münster<br />
haben herausgefunden,<br />
dass ein<br />
Fünftel der geisti gen<br />
Fähigkeiten von beeinflussbaren Faktoren abhängt.<br />
Dazu gehören <strong>zum</strong> Beispiel Blutdruck, Gewicht und<br />
körperliche Bewegung. Deswegen empfiehlt Knecht:<br />
„Wer im Alter eine Sprache lernt, sollte das am<br />
besten bei einem Spaziergang an der frischen Luft<br />
machen.“
Charlotte Bartels<br />
* 4.9.1984<br />
... ist überzeugt, dass sich<br />
Alt und Jung irgendwie<br />
zusammenschweißen<br />
lassen – <strong>zum</strong>indest bei<br />
mittelständischen Unternehmen<br />
im Münsterland.<br />
Die Silverliner<br />
22 23<br />
Helmut Maler ist 54 Jahre alt, Dimitri Gerner ist 21.<br />
Nebeneinander stehen sie an einem Metallrahmen<br />
und ziehen die Schrauben fest. Der eine arbeitet schon<br />
seit vierzig Jahren, der andere hat gerade seine Ausbildung<br />
angefangen. Alt und jung helfen sich am<br />
Arbeitsplatz – so sollte es sein. Nur drei von fünf<br />
Unternehmen in Deutschland beschäftigen Mitarbeiter,<br />
die älter als 50 sind. Nur jeder zweite über 55Jährige<br />
arbeitet noch. In der Schweiz und in Schweden liegt<br />
die Quote dagegen deutlich höher – bei fast 70 Prozent.<br />
„Es gibt zwar schon viele Konzepte mit alternder Belegschaft<br />
umzugehen, aber die werden längst noch<br />
nicht flächendeckend umgesetzt“, bemängelt Alexander<br />
Schletz vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft<br />
und Organisation. Dabei müssen sich die Unternehmen<br />
dringend auf ältere Mitarbeiter einstellen, da aufgrund<br />
der niedrigen Geburtenrate immer weniger<br />
Junge nachkommen. Auch wenn man die Einwanderer<br />
miteinrechnet, wird die Bevölkerung im arbeitsfähigen<br />
Alter bis 2050 um fast ein Drittel schrumpfen.<br />
Schon in zwei Jahren wird die Zahl der Arbeits<br />
kräfte deutlich zurückgehen, dann müssen die Älteren<br />
mitarbeiten.<br />
Tragfähige Konzepte für die Arbeitswelt der Zukunft werden noch gesucht<br />
Die Arbeiter werden alt.<br />
Schon 2020 wird jeder dritte Arbeitnehmer<br />
älter als 50 sein.<br />
Darauf müssen sich Unternehmen einstellen<br />
Helmut Maler hat als Maurer angefangen und arbeitet<br />
heute als Maschinenbauer beim mittelständischen<br />
Anlagenbauer Münstermann. „Wenn ich in zehn oder<br />
15 Jahren nicht mehr da bin, müssen die Jüngeren<br />
hier übernehmen“, sagt er ein wenig nachdenklich. In<br />
15 Jahren ist er 69. Damit er auch bis dahin fit bleibt,<br />
hat er sich selbst ein Fitnessprogramm auferlegt.<br />
Abends geht er walken. Walken, das macht Helmut<br />
Maler für sich. Dabei profitiert auch der Betrieb davon,<br />
wenn er gesund und fit bleibt. Deswegen zahlt<br />
Münster mann jedem Mitarbeiter eine Prämie, der bei<br />
einem Wettrennen mitmacht. Bei den Firmenläufen<br />
und Radrennen der Umgebung gibt es immer ein<br />
Team Münstermann. Andere Unternehmen bieten Rabatte<br />
in Fitnessstudios und Rückenschulungen in der<br />
Fertigungshalle an.<br />
Wie Unternehmen auf ältere Mitarbeiter reagieren<br />
können wird <strong>zum</strong> Beispiel im „Demographie Netzwerk“<br />
diskutiert. Seit 2006 tauschen sich dort 130<br />
Unternehmen wie die Deutsche Telekom, Metro und<br />
Thyssen Krupp Steel über Gesundheit, Arbeitsorganisation<br />
und gestaltung, über lebenslanges Lernen, Unternehmenskultur<br />
und Personalpolitik aus.<br />
Die Jüngeren sprühen vor Energie, die Älteren sind ruhiger und abgeklärter<br />
Audi wirbt seit einem Jahr, die Erfahrung der Älteren<br />
für die kleinteilige Produktion des Luxussportwagens<br />
R8 zu nutzen. „Silverliner“ nennt Audi seine älteren<br />
Mitarbeiter. Beim R8 ist das Arbeitstempo langsamer,<br />
da die Mitarbeiter viele unterschiedliche Teile montieren<br />
müssen. Jeder zweite im Team ist ein „Silverliner“.<br />
Bemerkenswert ist allerdings, dass bei Audi schon<br />
Mitarbeiter über 40 zu dieser Gruppe zählen. Dass<br />
der Sportwagen von „Silverlinern“ gebaut wird, hört<br />
sich natürlich dynamisch und schick an. Wie eine<br />
Studie der Managementberatung Kienbaum herausfand,<br />
sind sich Deutschlands Personaler durchaus des<br />
Problems der alternden Bevölkerung bewusst. Aber<br />
nur 40 Prozent der Verantwortlichen kennen überhaupt<br />
geeignete Strategien, um mit dem Problem der<br />
immer älter werdenden Belegschaften umzugehen.<br />
„Mittelständische Unternehmen nutzen noch am<br />
ehesten das Potential der älteren Arbeitnehmer“, sagt<br />
Franziska Hirschenauer vom Institut für Arbeitsmarkt<br />
und Berufsforschung (IAB). Helmut Maler<br />
erklärt Azubi Dimitri Gerner die Handgriffe am Staukettenförderer.<br />
Maler baut seit vierzig Jahren Maschinen,<br />
Gerner seit einem Monat. „Natürlich lernen<br />
überwiegend die Jüngeren von den Älteren“, sagt<br />
Maler, „aber die Jungen kommen ja auch mal mit<br />
Ideen raus und sagen, wie es einfacher geht. Dann lernen<br />
auch wir.“ Unternehmenschef Bernd Münstermann<br />
ist für eine gesunde Mischung. Von den 220 Mitarbeitern<br />
bei Münstermann sind 42 über 50 Jahre alt.<br />
„Die Älteren sind ruhiger und abgeklärter“, sagt<br />
Münstermann, „die Jungen sind noch heiß und<br />
wollen die Karriereleiter hochklettern.“<br />
Ein Wissensaustausch zwischen Jung und Alt findet<br />
nicht nur innerhalb der Betriebe statt, sondern auch<br />
zwischen den Firmen. Agenturen wie „Senior Expert<br />
Service“ und „Erfahrung Deutschland” vermitteln ehemalige<br />
Fach und Führungskräfte vom Altersdomizil<br />
zurück in die Wirtschaft. So können ExVorstände<br />
nochmal Unternehmen wie die Commerzbank, das<br />
Versandhaus Otto oder das Sofwareunternehmen SAP<br />
beraten. Bosch und Siemens holen ehemalige Mitarbeiter<br />
für kurzfristige Einsätze zurück.<br />
Sicher ist, dass Deutschlands Bevölkerung schrumpfen<br />
wird und damit die Zahl der Personen im erwerbsfähigen<br />
Alter. Nur die Unternehmen, die ihre alter nden<br />
Mitarbeiter im Betrieb halten und weiterbilden,<br />
können langfristig bestehen.
24<br />
Geliehene Familienidylle: Einmal in der Woche erfüllt Opa Hajo jeden Wunsch<br />
Nur geliehen<br />
Wenn Oma und Opa nicht mehr da sind oder weit weg wohnen,<br />
dann leiht man sie sich eben andere. Börsen für Leihgroßeltern<br />
stillen die Sehnsucht nach der Großfamilie<br />
Endlich, der Opa ist da. Fast eine halbe Stunde haben<br />
Lennard und Blanca auf dem Flur gewartet, von<br />
einem auf das andere Bein wippend, alle zehn Minuten<br />
den Vater fragend, wann er denn endlich kommt.<br />
Kaum hat sich die Tür geöffnet, stürmen die Kinder<br />
auf ihren Opa zu, drücken ihn und holen sich ihr Begrüßungsküsschen<br />
ab. Dabei ist Opa Hajo gar nicht<br />
ihr Großvater, genau genommen ist er noch nicht einmal<br />
verwandt mit Familie von Gostomski.<br />
„Wunschgroßeltern … die leih ich mir“ steht auf der<br />
Broschüre im Büro von Edith Plegge. Seit zwei Jahren<br />
koordiniert sie das Projekt „Wunschgroßeltern“ in<br />
Ibbenbüren: „Wir bringen Kinder, die keine Großeltern<br />
mehr haben oder die weit weg von Oma und<br />
Opa wohnen mit Senioren aus der Nachbarschaft<br />
zusammen.“ Vier solcher intergenerativen Börsen gibt<br />
es im Münsterland, alle sind auf der Suche nach den<br />
passenden Omas und Opas. Geduldig und flexibel<br />
sollen sie sein, verantwortungsbewusst und zuverlässig.<br />
Rund 30 Familien im Münsterland haben bereits ihre<br />
Traumgroßeltern gefunden. Elf davon hat Edith Plegge<br />
vermittelt. Hajo Herwig war der Erste.<br />
Ob Kochen, Vorlesen oder einen Ausflug machen –<br />
einmal in der Woche erfüllt Leihopa Hajo den<br />
Geschwistern Lennard und Blanca jeden Wunsch.<br />
Geld bekommt er dafür nicht. Heute gehen alle drei<br />
auf den Spielplatz. Die anderen Eltern kennen Hajo<br />
schon. Man grüßt sich, führt Smalltalk. Das übliche,<br />
was Eltern und Großeltern eben so machen – nur dass<br />
Hajo kein richtiger Opa ist. Und<br />
doch: Auf die Frage, ob er die<br />
Kinder als seine Enkelkinder ansieht,<br />
sagt er ohne zu zögern ja.<br />
Vor zwei Jahren wurde der heute<br />
63jährige Politik und Geschichts <br />
lehrer pensioniert. Seitdem engagiert<br />
er sich ehrenamtlich. Erst<br />
war es Sterbebegleitung, jetzt ist<br />
er Wunschopa. Sich selbst nennt er einen passionierten<br />
Großvater.<br />
Einfach ist die Rolle des Großvaters nicht. Ständig<br />
rennen die Kinder hin und her, heulen, schimpfen.<br />
Nie darf er die Kinder aus den Augen lassen. Warum<br />
er das macht? „Es ist die Liebe zu den Kindern, man<br />
sieht sie aufwachsen, kann mit ihnen spielen und<br />
Spaß haben. Aber am schönsten ist es, wenn die<br />
Kinder mich Opa oder Opa Hajo nennen. Das ist, als<br />
gehörte ich zur Familie.“<br />
Die Kinder toben, der Leihopa passt auf und der<br />
Vater macht die Hausarbeit – wenn Hajo Herwig<br />
kommt, sind die Aufgaben bei den Gostomskis klar<br />
verteilt. „Normalerweise muss ich ja auf die Kinder<br />
aufpassen. Nur wenn Hajo kommt, hat man mal<br />
etwas Zeit für den Haushalt“, erklärt Vater André von<br />
Gostomski beim Spülen. Danach wird er den Rasen<br />
mähen und Staubsaugen. Seine Frau, eine Musiklehrerin,<br />
wird erst gegen Abend nach Hause kommen.<br />
Am schönsten ist es,<br />
wenn die Kinder mich Opa<br />
Evgenij Haperskij<br />
* 16.4.1984<br />
oder Opa Hajo nennen, das ist,<br />
als gehörte ich zur Familie<br />
... leiht sich keine<br />
Großeltern – nur Geld.<br />
Ab und zu.<br />
25
26<br />
Hajo hat mehr<br />
Lebenserfahrung als<br />
jedes Kindermädchen<br />
Mit ihrem Leihopa schaut Familie von Gostomski zuversichtlich in die Zukunft<br />
Vor acht Jahren ist die Familie nach Ibbenbüren<br />
gezogen. Die Eltern von André von Gostomski leben<br />
in Hannover, die seiner Frau in Bielefeld. „Wir sind<br />
beide Lehrer und mussten aus beruflichen Gründen<br />
hierher ziehen. Unsere<br />
Eltern sind zu weit weg,<br />
um die Kinder regelmäßig<br />
zu besuchen, deswegen<br />
haben wir vor zwei Jahren<br />
nach einem Wunschopa gesucht“,<br />
sagt André von Gostomski.<br />
Oft ist es die geforderte Flexibilität im Beruf, die Familien<br />
auseinander reißt. Besonders von Menschen<br />
mit höherer Bildung werden berufsbedingte Umzüge<br />
erwartet. Die klassische Großfamilie scheint für sie<br />
unmöglich. „Dennoch haben viele ein idealisiertes<br />
Familienbild, zu dem Großeltern dazu gehören“, erklärt<br />
Soziologe Ludwig Amrhein von der Universität<br />
Vechta, „und wenn die biologische Familie auseinander<br />
fällt, dann versuchen viele einen sozialen Ersatz zu<br />
finden, sei es bei Freunden oder in der Nachbarschaft.“<br />
Die Börsen für Wunschgroßeltern haben<br />
diese Suche nach einem sozialen Ersatz für die biologischen<br />
Großeltern institutionalisiert. Man kann<br />
nicht nur Freunde und Lebenspartner über das Internet<br />
oder Agenturen finden, sondern sich auch weitere<br />
Familienmitglieder vermitteln lassen, wenn man will.<br />
Warum ist die Sehnsucht nach Großeltern so groß?<br />
„Wir haben auch ein Kindermädchen, aber die Beziehung<br />
zu einem älteren Menschen ist einfach ganz anders“,<br />
sagt André von Gostomski. Er ist glücklich, Opa Hajo<br />
für seine Kinder zu haben. „Er hat mehr Lebenserfahrung<br />
als jedes Kindermädchen, hat Lust auf die<br />
Kinder und strahlt Ruhe aus.“<br />
Es ist das gefühlte Ideal einer Großfamilie, das Opa<br />
Hajo vermittelt – auch wenn er nur geliehen ist.<br />
Astrid Langer<br />
* 21.2.1985<br />
... hat nun<br />
verstanden,<br />
dass sie für den<br />
Ruhestand<br />
vorsorgen muss.<br />
„Reicht doch.“<br />
Fünf Euro – dafür parkt man<br />
zwei Stunden in Münsters Innenstadt,<br />
oder man lebt einen Tag lang davon<br />
27
„Einen alten Baum verpflanzt man nicht“<br />
Alfred sagt, alles hat angefangen mit seinem Vater.<br />
Der war Tischler im eigenen Betrieb in Coesfeld, und<br />
dort hat Alfred auch gearbeitet, 15 Jahre lang. Hat<br />
seinen Meisterbrief gemacht, der auch heute noch an<br />
der Wand hängt, auf den er so stolz ist. Stiller Zeuge<br />
eines Lebens, das noch voller Hoffnung war, indem<br />
das Wort Grundbedarf noch keine Rolle spielte.<br />
Alfred hat erst später herausgefunden, dass sein Vater<br />
in diesen 15 Jahren kaum etwas in Alfreds Rentenkasse<br />
eingezahlt hat, nur den Minimalbeitrag. Minimalbeitrag,<br />
sagt er, das müsse man sich mal vorstellen,<br />
15 Jahre lang. Er selbst habe in dieser Zeit nur ein<br />
Taschengeld bekommen. Irgendwann habe ihm das<br />
aber nicht mehr gereicht. Als er seine Frau kennengelernt<br />
habe, da war er Anfang 30, wollte endlich Geld<br />
verdienen. Also habe er sich mit seinem Vater angelegt,<br />
habe sich mit ihm verkracht, und mit dem Rest<br />
der Familie. Verkracht bis heute.<br />
Verkracht habe er sich auch mit seiner Frau, später,<br />
1980. Da arbeitete er im Baugewerbe, baute Fertighäuser,<br />
schöne große Familienhäuser. Seine eigene<br />
Familie baute dabei immer mehr ab, schließlich kam<br />
die Scheidung, seitdem habe er auch nichts mehr<br />
gehört von seinen beiden Söhnen, nichts in 28 Jahren.<br />
Ende 30 seien die wohl jetzt.<br />
Im Baugewerbe gearbeitet habe er weiterhin, bis <strong>zum</strong><br />
Schluss, sagt Alfred. Der Schluss war der Schlaganfall.<br />
Da war er Anfang 60. Am Heiligabend sei es passiert,<br />
völlig unerwartet, und das Leben änderte sich un<br />
widerruflich von jetzt auf gleich. Die Krankenschwester<br />
habe gesagt, wenn er nicht kämpfe, würde er ein<br />
Pflegefall werden. Ein Pflegefall, einer, der im Bett<br />
liegt und anderen auf der Tasche, das wollte Alfred auf<br />
keinen Fall. Einen alten Baum verpflanzt man nicht,<br />
sagt er. Also hat er gekämpft, ein halbes Jahr lang in<br />
der Reha, und gesiegt, hat nochmal laufen gelernt.<br />
Auch darauf ist Alfred stolz. Doch mit dem Arbeiten<br />
war natürlich Schluss. Jetzt lebt er in einer Caritas<br />
Wohnung in einem Vorort von Münster, sozialer Wohnungsbau.<br />
„Alleine“, sagt er. Seine Nach barn sind<br />
Rentner oder Hartz IVEmpfänger. 703,24 Euro<br />
Rente bekommt er jetzt, das steht ihm zu. Das Sozialamt<br />
berechnet einen Grundbedarf von 784,35 Euro.<br />
Auf den Cent genau. In Deutschland werde er verwaltet,<br />
sagt Alfred. Die Differenz bekommt er als Sozialhilfe.<br />
81,11 Euro, dafür muss er einen finanziellen Striptease<br />
vor dem Sozialamt abliefern. Eine halbe Seite<br />
lang sind die Nachweise, die er vorlegen muss.<br />
Alfred sagt, Jammern bringe eh nichts. Sich zufrieden<br />
geben mit dem, was man hat, das sei die Kunst. Sehen<br />
müsse man aber auch, wie man über die Runden<br />
kommt. Spontan kaufen ist nicht. Rechnen müsse<br />
man, und planen. Gerade jetzt im Winter, wenn es<br />
wieder kälter wird, und die Heizkosten steigen. Dann<br />
Nach einem Arbeitsleben hat er sich seinen Lebensabend anders vorgestellt<br />
zieht Alfred einen zweiten Pulli an, und geheizt wird<br />
nur im Wohnzimmer. Das reicht, sagt er. Licht macht<br />
er auch nur selten an, er kenne ja die Wege in seiner<br />
Wohnung. Ein Handy sei viel zu teuer, warum auch,<br />
er brauche ja keines. Habe ja ein Festnetz. Für 2,83<br />
Euro Gespräche, die Grundgebühr 15 Euro. Ohne die<br />
Münsteraner Tafel, die ihm jeden Montag ein paar<br />
Nahrungsmittel bringt, wäre es schwieriger.<br />
Geplant hat er auch seinen Fernseher, einen schwarzen<br />
Flachbildfernseher, der in seinem sonst so kahlen, penibel<br />
sauberen Wohnzimmer in der Ecke thront. Der ist<br />
Alfreds ganzer Stolz. Die nächsten vier Jahre wird er<br />
ihn noch abbezahlen, mit 30EuroRaten pro Monat.<br />
Schließlich sei der Fernseher wichtig. Sein Kontakt<br />
mit der Außenwelt. Vor die Tür gehen, nein, das sei<br />
ihm jetzt zu mühselig mit dem Rollator. Einen Luxus<br />
gönne er sich aber, sagt Alfred. Selbstgedrehte Zigaretten.<br />
Alfred sagt, er sei nicht wütend. Er sei nicht wütend,<br />
denn er könne ja eh nichts ändern. Und dass die, die<br />
heute auf ihn herabblickten, ja auch mal alt würden.<br />
Die würden dann schon sehen. Alfred sagt aber auch,<br />
man dürfe in Deutschland alles werden, nur nicht alt,<br />
krank und arm. „Ich drehe den Spieß einfach um und<br />
zeige denen, dass es doch reicht.“ „Und mir selbst“, fügt<br />
er leise hinzu.<br />
29
Teure Tiegel<br />
Beim Blick in den Spiegel werden viele von Jahr zu Jahr unzufriedener.<br />
Eine davon ist die Mesotherapie. Als Alternative zur<br />
BotoxSpritze trägt die Kosmetikerin bei der Mesotherapie<br />
mit einer Art Roller einen Cocktail aus<br />
Hyaluronsäure, Mineralstoffen und Vitaminen auf<br />
das Gesicht auf. Dabei werden kleine Stromimpulse<br />
in das Unterhautfettgewebe gesetzt, um die Poren zu<br />
öffnen, die die Haut für die verabreichten Wirkstoffe<br />
durchlässig machen sollen. Etwa 115 Euro sind je<br />
nach Indikation pro Sitzung fällig. Empfohlen<br />
werden acht bis zehn Behandlungen.<br />
„Alles Abzocke! Das hat höchstens einen Effekt für ein<br />
bis zwei Wochen“, sagt Nadine Peukert, Ärztin in der<br />
Abteilung für ästhetische Dermatologie der Uniklinik<br />
Münster. Ein Langzeiteffekt ist nach einer Studie der<br />
Uniklinik Münster ausgeschlossen, weil die Hyaluronsäure<br />
tiefere Hautschichten mit Elastin und Kollagenfasern<br />
erst gar nicht erreichen kann. Wer wirklich<br />
Ergebnisse sehen wolle, müsse wohl oder übel Botox<br />
spritzen, meint Peukert. Eine solche Therapie darf<br />
aber nur der Arzt durchführen.<br />
Auch Margarete Besemann von der Verbraucherzentrale<br />
NRW warnt vor den Angeboten der AntiAging<br />
Industrie. Ein NegativBeispiel hierfür sei die teure<br />
asiatische GojiBeere. Wegen ihrer antioxidativen<br />
Wirkung gilt die korallenrote Frucht als neues Wundermittel<br />
im Kampf gegen das Altern. Dabei stellt<br />
Besemann klar: „Heimisches Obst und Gemüse, wie<br />
Äpfel oder Tomaten, enthalten genauso hohe Mengen<br />
Radikalfänger wie die GojiBeere.“<br />
Alles andere als angetan ist die Verbraucherzentrale<br />
auch von Functional Food. Hierbei handelt es<br />
sich um Nahrungsmittel, die mit zusätzlichen In<br />
haltsstoffen angereichert werden. Als Nahrungsergänzungsmittel<br />
wird den Produkten insbesondere das<br />
Coenzym Q10 zugesetzt. Dieser chemisch mit dem<br />
Vitamin E verwandte Protonen bzw. Elektronenüberträgerstoff<br />
findet sich in den Mitochondrien, den<br />
körpereigenen Zellkraftwerken, und sorgt dort für die<br />
Zellatmung.<br />
Verena Zenk<br />
* 9.1.1984<br />
... ist nun Spezialistin<br />
in Sachen Mesotherapie,<br />
zieht aber frische Luft vor.<br />
Kann man sich mit Geld ein Stück seiner Jugend erhalten?<br />
Alt werden will jeder, alt aussehen aber niemand.<br />
Als Radikalfänger werden Q10 erbgutschützende<br />
Wirkungen zugeschrieben. Dieses „Beauty Food“ bewegt<br />
sich im Grenzbereich zwischen Nahrungsmitteln<br />
und Kosmetika und wird deshalb auch als „Nutricosmetics“<br />
bezeichnet.<br />
30 Deshalb boomt die AntiAgingIndustrie. Der deutsche<br />
Beispiele für Nutricosmetics sind AntiFaltenJoghurt<br />
31<br />
Markt für Körperpflege hat jährlich einen Umsatz von<br />
oder AntiFaltenMarmelade. Functional Food ist ge<br />
etwa elf Milliarden Euro. Es gibt viele Cremes, Tonics<br />
nau genommen jedoch nur eine lukrative Marke<br />
und Methoden, um das Altern herauszuzögern.<br />
tingstrategie, denn durch Fleisch, Fisch, Zwiebeln,<br />
Spinat und Brokkoli wird bereits genug CoQ10 aufgenommen<br />
und auch beim Kochen nicht zerstört.<br />
Schwitzen für die Schönheit – das tun immer mehr<br />
Senioren in so genannten HypoxiTrainern, futuristisch<br />
anmutenden, eiförmigen Unterdruckkapseln, in denen<br />
man bauchabwärts steht und auf einem Laufband<br />
joggt. Durch Unterdruck sollen Durchblutung und<br />
Stoffwechsel angekurbelt werden. Ein gesteigerter<br />
Lymphabfluss drainiert Zellgifte und Flüssigkeitseinlagerungen.<br />
Schlaffes Bindegewebe wird so gestrafft.<br />
Auch Dermatologin Peukert bestätigt, dass das Vakuum<br />
Walking das Hautbild verbessert – vorausgesetzt das<br />
Training findet mindestens dreimal pro Woche und in<br />
Kombination mit Massage statt.<br />
Cremes und Tinkturen sollen das Altern bremsen Mit Bewegung die Durchblutung anregen – das strafft<br />
Und was ist mit Cremes? Als Faustregel gilt: 60 bis 80<br />
Prozent der Hautalterung werden durch Sonnenstrahlung<br />
(UVA und UVB) verursacht. Der Rest durch<br />
Rauchen, Umweltschadstoffe und Stress. Im Gegensatz<br />
zu normalen Hautcremes auf Ölbasis, die in der<br />
Drogerie etwa fünf Euro kosten, sind AntiAging<br />
Cremes mit den Vitaminen A, C und E, dem Radikalfänger<br />
CoQ10, sowie Hyaluronsäure und Kollagen<br />
angereichert. AntiAgingCremes kosten in Apotheke<br />
oder Parfümerie zwischen 50 und 500 Euro und<br />
sollen die Haut straffen. Laut Stiftung Warentest sind<br />
AntiAgingCremes weder besser noch schlechter als<br />
andere Tagescremes. Wichtig für eine gute Pflege ist,<br />
dass das Produkt auf den Hauttyp und die individuellen<br />
Bedürfnisse abgestimmt ist.<br />
Trotz der vielfältigen Angebote der AntiAgingIndustrie<br />
gilt: Wer sich ausgewogen ernährt und sich viel<br />
bewegt, kann einiges gegen das Altern tun, ohne Geld<br />
für teure Tiegel auszugeben.<br />
Durch Kosmetik möchten viele Frauen jünger wirken Farben für den perfekten Auftritt: Glamour muss auch im Alter erlaubt sein
Julia Stempfle<br />
* 17.4.1984<br />
... hat bei diesem Seminar<br />
eine Grenzerfahrung gemacht.<br />
820 Grad<br />
Jeder Mensch muss sterben.<br />
32 33<br />
Was dann mit seiner Seele passiert, ist Glaubenssache.<br />
Eine Feuerbestattung ist ein industrieller Vorgang.<br />
Ein Krematorium in Dülmen bietet öffentliche Führungen an<br />
„Kommen Sie, sonst verpassen Sie die Anlieferung“,<br />
sagt Bernd Leichtweis. Der großgewachsene Mann<br />
mittleren Alters steht in der Tür und verdeckt den<br />
Blick auf die Zufahrt für den Leichenwagen. Er trägt<br />
ausgewaschene Jeans und ein schwarzes Poloshirt.<br />
„Feuerbestattung“ steht in roter Schrift auf seiner<br />
Brust. Er erwartet, dass ich mitkomme. Eigentlich<br />
will ich nur sitzen bleiben. Hier im Büro bei Kaffee<br />
und Plätzchen ist der Tod noch fern, hier fühle ich<br />
mich sicher. Zusammen mit Bernd Leichtweis stehe<br />
ich nach wenigen Schritten in der Zufahrt, die eher<br />
an eine Garage erinnert. Das<br />
Krematorium ist übersichtlich:<br />
Es besteht aus vier Raumeinheiten.<br />
Zwischen dem Büro,<br />
wo die Formalitäten und Verwaltungsarbeiten<br />
erledigt werden<br />
und der Beschickungshalle,<br />
also dem Raum, in dem der<br />
Verbrennungsofen installiert Brennt nicht: ein Schamottstein<br />
ist und sich die Kühlräume an der Längsseite anschließen,<br />
befindet sich die Anlieferungsstelle. Bernd<br />
Leichtweis öffnet das Rolltor. Mit lautem Gepolter<br />
fährt es nach oben und gibt den Blick auf den angrenzenden<br />
Parkplatz frei. Dort wendet gerade der<br />
Bestatter sein Auto und fährt rückwärts an das<br />
geöffnete Tor. Ich bin überrascht. Ich hatte mit einem<br />
schwarzen Leichenwagen gerechnet, der gerafften<br />
Stoff in der Heckscheibe drapiert hat, um den Blick<br />
auf die menschliche Fracht zu verhindern. Stattdessen<br />
steigt der Bestatter aus einem dunkelblauen Kombi<br />
mit verdunkelten Fenstern und öffnet die Heckklappe.<br />
Im Kofferraum befindet sich ein Sarg aus Kiefernholz.<br />
Mit vereinten Kräften ziehen Bernd Leichtweis und<br />
der Bestatter den Sarg aus dem Auto, um ihn auf<br />
einem metallenen Rollwagen abzulegen. „Was ist mit<br />
den Beschlägen?“, fragt Bernd Leichtweis. „Och, die<br />
nehm ich wohl direkt wieder mit“, antwortet der Bestatter<br />
und reicht ihm eine Bohrmaschine. Während<br />
der Feuerbestatter die verschnörkelten Haltegriffe<br />
abschraubt, wendet er sich an mich: „Wenn Sie<br />
wollen, gehen Sie zu meinem Sohn, der zeigt Ihnen<br />
den Ofen.“ Als ich in den<br />
lichtdurchfluteten Raum trete,<br />
in dem sich der Verbrennungsofen<br />
befindet, schnappe<br />
ich nach Luft. Erst jetzt<br />
fällt mir auf, dass ich während<br />
der Anlieferung vor lauter<br />
Anspannung vergessen hatte<br />
zu atmen.<br />
Am Ende des Raumes beobachtet Andre Borozynski<br />
an einem Touchscreen die Temperaturanzeige des<br />
Ofens. Ein Sarg, der aussieht, als hätte ihn jemand in<br />
Windeseile aus Sperrholz zusammengezimmert, steht<br />
neben ihm. Direkt gegenüber ist der Ofen. Eine silberne<br />
Metalltür, die sich nach oben öffnet, ist von einem<br />
weinroten Aufbau umgeben. Wie hatte ich mir ein<br />
Krematorium vorgestellt? Dunkle Gänge, Schornsteine,<br />
die weit in den Himmel ragen, ein Verbrennungsofen<br />
neben dem anderen? Vielleicht. Hinter mir schiebt<br />
Acht bis zehn Menschen werden<br />
in Dülmen täglich feuerbestattet
34<br />
Hier haben Angehörige Zeit, sich von ihrem Verstorbenen zu verabschieden<br />
Bernd Leichtweis den Sarg in einen der Kühlräume.<br />
„Sie können ruhig näher kommen“, sagt Andre Borozynski<br />
und blickt auf. Der breitschultrige Mann<br />
Anfang Dreißig grinst über das ganze Gesicht. Sofort<br />
fühle ich mich besser und gehe ein paar Schritte auf<br />
ihn zu. Am Touchscreen erklärt er mir kurz was jetzt<br />
passiert, dass der Sarg vollautomatisch über zwei<br />
Metallstreben aufgebockt und schließlich in den Ofen<br />
gefahren wird, dass der Verbrennungsvorgang aber<br />
erst losgehen kann, wenn sich<br />
der Ofen auf 820 Grad abgekühlt<br />
hat und dass ich nicht<br />
direkt in den Ofen und somit<br />
in die Flammen und die Glut<br />
schauen soll. „Das ist nicht so<br />
gut für die Augen und ein<br />
schöner Anblick ist es auch<br />
nicht“, sagt er.<br />
Der Lack verbrennt als Erstes<br />
Während des Gesprächs lächelt er ununterbrochen.<br />
„Bereit?“, fragt er und sieht mir ins Gesicht. Ich nicke<br />
und fühle mich stark. Der Sarg fährt Richtung Ofen.<br />
Ich trete noch ein Stück näher an den Ofen heran, der<br />
sich mit einem Ruck öffnet. Sofort ist die Hitze überall:<br />
im Gesicht, auf den Armen, vor allem in den<br />
Augen und der Nase. Schwarzer Rauch steigt aus der<br />
Öffnung auf, der Qualm und die Hitze brennen in<br />
der Nase. Ich habe Angst, meine Haare könnten anfangen<br />
zu brennen.Trotz der gut gemeinten Warnung<br />
kann ich nicht anders, ich muss in das Innere sehen.<br />
Dorthin, wo jetzt der Sarg auf einem gemauerten<br />
Sockel abgestellt wird. Sofort fängt der Deckel Feuer,<br />
kleine Flammen züngeln an unzähligen Stellen.<br />
Gleichzeitig knackt das Holz des Sarges. „Der Lack<br />
verbrennt als Erstes“, erklärt<br />
Andre Borozynski und<br />
schließt über einen Knopfdruck<br />
die Luke des Ofens.<br />
„Wenn Sie wollen, gehen wir<br />
jetzt in die weiteren Räume.“<br />
Er zeigt mir die aufgereihten<br />
Särge in den sechs Grad kalten<br />
Kühlräumen, die Schamottsteine,<br />
die jedem Verstorbenen<br />
eine Nummer zuordnen, die heraus sortierten<br />
Beschläge, Nägel und andere Eisenteile aus den übrig<br />
gebliebenen Knochenresten. Einen besonderen<br />
Eindruck macht die Aschemühle auf mich. Die<br />
Knochenreste werden in einer Metallschale in die<br />
graue Maschine geschoben, die den ganzen Inhalt<br />
Bei einer Feuerbestattung entstehen im Ofen bis zu 1200 Grad Celsius<br />
aufnimmt. Andre Borozynski legt einen runden Hebel<br />
um, ein angeschlossener Industrie staubsauger schaltet<br />
sich ein, um herumfliegende Staubpartikel aufzusaugen.<br />
Eine weitere Umdrehung des Hebels setzt das<br />
Mahlen in Gang. Im Inneren der Maschine klappern<br />
die Knochen, als sie gegen die Wände der Aschemühle<br />
stoßen. Es kracht und splittert, so, als ob Kieselsteine<br />
hart aufeinander gerieben und zermahlen würden. Die<br />
Maschine wird lauter, wenn sich größere Knochenteile<br />
nicht so einfach zermalmen<br />
lassen. Am Ende stellt<br />
Borozynski die Hebel auf<br />
„Entleeren“. Man hört ein<br />
Rieseln, als die Asche in den<br />
Urnenkern fällt. Der wird anschließend<br />
herausgezogen und<br />
verplombt. Auf dem Deckel<br />
der Urne stehen der Name<br />
und die Geburts und Sterbedaten<br />
des Toten. Der ganze Vorgang hat höchstens<br />
dreißig Sekunden gedauert.<br />
Der Urnenkern muss noch verplombt werden<br />
Ich habe den süßlichschweren Geruch in den Kühlräumen,<br />
der sich mit einem Raumspray vermischt,<br />
genauso in mich aufgenommen wie die Stille im Haus<br />
der Toten, einem Raum, in dem die Angehörigen Abschied<br />
von ihren Verstorbenen nehmen können. Ich<br />
mache mich <strong>zum</strong> Aufbruch bereit. Seltsamerweise habe<br />
ich nicht eine Minute bewusst daran gedacht, dass<br />
Tote in den aufgereihten Holzkisten liegen. Als ich<br />
wieder in mein Auto steige, wundere ich mich über<br />
mich selbst. Darüber, wie wenig es mich berührt hat,<br />
dabei zuzusehen, wie ein Menschenkörper verbrannt<br />
und seine Asche verarbeitet wird.<br />
Auf der Autobahn überkommt<br />
es mich dann aber: Die Bilder,<br />
Gerüche und Geräusche<br />
stürmen ungeordnet auf mich<br />
ein. Das Knacken des Feuers,<br />
die Hitze des Ofens, wie es im<br />
Kühlraum roch. Das schreckliche<br />
Poltern und Splittern im<br />
Innern der Aschemühle. Ich<br />
muss anhalten und aussteigen, an Weiterfahren ist<br />
nicht zu denken. Und plötzlich passiert das, wovor ich<br />
im Vorfeld am meisten Angst hatte: Ich fange an zu<br />
weinen. Ich weine um die Toten, die Angehörigen,<br />
den Schmerz, der zurückbleibt. Und wahrscheinlich<br />
auch ein bisschen um mich.
Der Alten-Amor von Münster<br />
Ein Nachmittag mit Martin Schürmann –<br />
Sie (23), Nachwuchsjournalistin, sucht<br />
ihn (54), Seniorenpartnervermittler.<br />
Im Kiepenkerl, einem Münsteraner Traditionslokal.<br />
Er zielt aufs Herz:<br />
Martin Schürmann<br />
Der Alten-Amor<br />
Sie (23), Nachwuchsjournalistin,<br />
sucht ihn (54), Senioren-Partnervermittler.<br />
Im Kiepenkerl, einem Münsteraner Traditionslokal<br />
Und, Herr Schürmann, den Bogen heute<br />
schon gespannt?<br />
Fast. Gerade war ich <strong>zum</strong> Vorgespräch mit einer Dame.<br />
Arztwitwe, 73 Jahre, aus guten Verhältnissen. Passte<br />
ziemlich gut in meine Kartei. Ich hätte auch schon<br />
einen „Kavalier der alten Schule“ im Auge. Das<br />
könnte einen Treffer geben. Aber die Dame möchte<br />
erst nochmal drüber schlafen.<br />
Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote?<br />
Ziemlich hoch. In der Regel trifft sich ein Kunde nur<br />
zwei bis drei Mal. Wenn ich einen Vorschlag mache,<br />
dann sollten die Grundvoraussetzungen schon passen.<br />
Mein Geld verdiene ich nur bei Erfolg.<br />
Lagen Sie schon mal so richtig daneben?<br />
Ich treffe zwar nicht immer sofort ins Schwarze, aber<br />
voll danebengehauen habe ich noch nie. Eine Kundin<br />
ist allerdings nicht ganz leicht zu vermitteln. Sie ist die<br />
Älteste in meiner Kartei. 82 Jahre und so fit, dass sie<br />
alle bisher vorgestellten Herren in die Tasche steckt.<br />
Ehemalige MarathonLäuferin, Computerexpertin,<br />
Fotografiefanatikerin, reisebegeistert. Bisher waren ihr<br />
die Herren nicht fit genug.<br />
Was hat sie zu Ihrem Job bewegt?<br />
Ich habe bis vor 15 Jahren im Personalwesen einer<br />
Bank gearbeitet, bis die Stelle wegrationalisiert wurde.<br />
Was sollte ich machen? Mein Kapital ist meine Menschenkenntnis.<br />
Mir ist es damals meistens gelungen,<br />
die richtigen Menschen an die richtige Position zu<br />
setzen. Warum sollte es mir nicht auch gelingen, die<br />
richtigen Partner zusammenzubringen? Ich habe mich<br />
auf Senioren spezialisiert, weil das Leben reiferer<br />
Menschen in festen Bahnen ist, die Charaktere<br />
ausgeprägt und die Ziele klar sind. Wenn ich so<br />
gestandende Persönlichkeiten vor mir habe, traue ich<br />
mir schon zu, den richtigen Partner zu finden.<br />
Welche Menschen wenden sich an Sie?<br />
Viele sind verwitwet oder geschieden. Das Durchschnittsalter<br />
ist 65 Jahre. Diejenigen, die noch im Berufsleben<br />
stehen, haben weder die Zeit noch die Lust,<br />
nach einem anstrengenden Tag auf die Piste zu gehen<br />
und das andere Geschlecht anzubaggern. Oft fehlt<br />
die natürliche Gelegenheit oder der passende Ort, um<br />
jemanden kennenzulernen. Die meisten meiner Kunden<br />
verschweigen allerdings, dass sie einen Partnervermittler<br />
eingeschaltet haben. Im Bekanntenkreis wird<br />
wohl eher erzählt, dass man sich noch einmal in den<br />
alten Klassenkameraden verliebt hat.<br />
Gibt es Kunden, die nur ein Abenteuer suchen?<br />
Vor Kurzem hat mich ein Herr angerufen, 63 Jahre,<br />
Akademiker, der eine jüngere Geliebte suchte. Er<br />
wollte ihr alles bezahlen, Wohnung, Taschengeld.<br />
Solche Anfragen kommen vor, aber selten. Ich lehne<br />
das prinzipiell ab. Wobei es auch Unterschiede gibt.<br />
Ich habe zwei Kunden, deren Partnerinnen so krank<br />
sind, dass sie nie wieder nach Hause kommen werden.<br />
Die beiden Frauen wollen ihre Männer aber nicht<br />
alleine wissen. Hier habe ich dann keine Skrupel.<br />
Eva Mühlenbäumer<br />
* 18.11.1984<br />
... ruft Herrn<br />
Schürmann an,<br />
wenn nicht bald der<br />
Richtige kommt.<br />
37
Ab dem 70. Lebensjahr kommen in Münster zurzeit<br />
zwei Frauen auf einen Mann. Ist das nicht ein<br />
Problem für Sie?<br />
Ich habe einen Frauenüberschuss in der Altersgruppe,<br />
das stimmt. Deshalb mache ich gelegentlich Aktionen,<br />
bei denen ich den Herren finanziell entgegenkomme.<br />
Wie viele Menschen haben Sie schon<br />
in den 70. Himmel befördert?<br />
Das Thema Liebe im Alter wird ja eher belächelt, aber<br />
ich kenne genug Geschichten, wo es noch einmal so<br />
Zweihundert Mal getroffen: Schürmann macht aus Senioren-Singles Paare<br />
richtig geschnaggelt hat. Ich zähle meine Vermittlungen<br />
nicht, aber an die 200 werden es sicher sein.<br />
Nimmt Senioren-Partnervermittlung zu?<br />
Man könnte das meinen, aber die Zahl der Vermittlungen<br />
ist in den letzten 15 Jahren fast gleich geblieben.<br />
Das Internet ist auch eine große Partnerbörse.<br />
Konkurrenz ist das für mich aber nicht. Für viele ist<br />
die persönliche Betreuung immer noch wichtiger als<br />
das Surfen.<br />
Ist Ihren Kunden eigentlich Aussehen wichtig?<br />
Den meisten geht es in erster Linie um die inneren<br />
Werte. Das andere muss man mir aber auch nicht<br />
sagen. Ich stell mir die Leute schon ganz gut nebeneinander<br />
vor. Nehmen wir die Dame mit der Sonnenbrille<br />
da hinten...<br />
Kann ich da hinschauen?<br />
Ja, kurz. Ihr Partner müsste mit Sicherheit schlank<br />
sein, ein bisschen größer als sie, von der Kleidung<br />
eher gehobener. Ohne eine Portion Selbstbewusstsein<br />
hätte er wahrscheinlich schlechte Karten. Oder der<br />
Herr mit dem wüsten Schnäuzer daneben. TShirt,<br />
kein Sakko, isst gern und das um diese Uhrzeit. Es ist<br />
drei. Die Dame, die er da sitzen hat, passt ganz gut.<br />
Eher der häusliche Typ. Liebe geht ja auch durch<br />
den Magen.<br />
Reden die denn miteinander?<br />
Ja, sogar mit vollem Mund. Aber das<br />
sind jetzt alles nur Äußerlichkeiten,<br />
die Wellenlänge muss natürlich auch<br />
stimmen.<br />
Sie kombinieren also nicht nur<br />
beruflich?<br />
Wenn ich alleine in der Stadt bin,<br />
dann puzzle ich schon eine Menge<br />
rum in Gedanken. Das machen Sie<br />
doch auch. Jeder beobachtet gern.<br />
Und natürlich darf man nicht vergessen,<br />
dass man selbst auch beobachtet<br />
wird.<br />
Was würde ein anderer Partnervermittler<br />
gerade über Sie denken?<br />
Geschmack hat er. Aber sie ist ein<br />
bisschen zu jung für ihn.<br />
Sind Sie in ihrer Freizeit also auch<br />
ein Kuppler-Typ?<br />
Eher der KumpelTyp. In meinem Bekanntenkreis<br />
sind alle unter der Haube. Bei meinen<br />
drei Söhnen sieht es anders aus. Die sind alle solo. Der<br />
älteste ist 30, der zweite 28 und der jüngste 21. Die<br />
müssen aber offensichtlich erst in das Alter meiner<br />
Klientel kommen, damit ich helfen kann.<br />
Das kann doch nicht sein. Sie müssen sich<br />
mehr anstrengen!<br />
Wie alt sind Sie? Sie müssten mal meinen Sohn Volker<br />
kennenlernen, ein dufter Typ. Er ist gelernter<br />
Steinmetz und studiert jetzt auf Lehramt.<br />
Haben Sie Ihre Frau über einen<br />
Partnervermittler kennengelernt?<br />
Nein, das ging so. Auf einem Jugendball vor 35 Jahren.<br />
Aber wenn es anders wäre, dann würde ich es auch<br />
nicht an die große Glocke hängen.<br />
39
Herausgeber:<br />
<strong>Journalisten</strong><strong>Akademie</strong> der KonradAdenauerStiftung e.V.<br />
Rathausallee 12, 53757 Sankt Augustin<br />
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Chefredaktion: Astrid Csuraji (V.i.S.d.P.), Verena Lugert<br />
Redaktion: Charlotte Bartels, Nadine Diehl, Michael Feuersenger, Evgenij Haperskij, Astrid Langer, Eva Mühlenbäumer,<br />
Elisabeth von Ritter, Susanne Schäfer, Christina Srowig, Dominik Stawski, Julia Stempfle, Verena Zenk<br />
Gestaltung: Dipl. Des. Judith Uhlemann, www.uhlemanndesign.de<br />
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