Zeitung der Studierenden an der etH nr. 5/08–09, 13. FeBruar 2009
Zeitung der Studierenden an der etH nr. 5/08–09, 13. FeBruar 2009
Zeitung der Studierenden an der etH nr. 5/08–09, 13. FeBruar 2009
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AZB<br />
8092 ZÜRICH<br />
<strong>Zeitung</strong> <strong>der</strong> <strong>Studierenden</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>etH</strong> <strong>nr</strong>. 5/<strong>08–09</strong>, <strong>13.</strong> <strong>FeBruar</strong> <strong>2009</strong><br />
Kunst
alles Polykum<br />
Nr. 5/<strong>08–09</strong> Illustration: Marie Veya
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bil<strong>der</strong>: Gottfried Hellnwein (Titelbild),Thomas Tschupp (Editorial) inhalt<br />
12<br />
13<br />
14<br />
VS<strong>etH</strong> 06 BIERBRAUER UND -TRINKER von Markus Pilm<strong>an</strong> 07 DIPLOMIERTE<br />
DIPLOMATEN VS<strong>etH</strong> 00 von Michael SCHNEE, Kalenikin BOARDEN, 08 PARTY BLOSS von NICHT Basil Gasser BQM WERDEN 00 PROFESSOR von Angelika<br />
Kuschnik WUNDERLIS 09 SCHATZ FOTOS von WINAFE Juli<strong>an</strong> von Kölbel H<strong>an</strong>nes 00 Hübner STRESS KunSt AUF DER BÜHNE 10 DIE von KUNST Nico<br />
DER Luchsinger PROVOKATION 09 THEATERFANS, von Tobias Imbach AUFGEPASST 12 KUNSTERNATION von Schmuel Stokvis von Barbara interdiS-<br />
Lussi 13<br />
SCHMERZHAFTE ZiPLinÄr KATHARSIS 10 WIDER von DEN Iv<strong>an</strong>a ELFENBEINTURM Leise<strong>der</strong> 14 von POPMUSIK Michel De MIT Ci<strong>an</strong> KUNST- 11 DOCTOR<br />
ANSPRUCH OF PHILOSOPHY? von Rudolf von Maria Merkle Hakuba 15 12 KULTUR UNIVERSITETH FÜR DAS SCHMALE von Ingo PORTEMONNAIE Jenni 13 FAKUL- von<br />
Iv<strong>an</strong>a TÄTSFREMD Leise<strong>der</strong> von 16 Christoph VORSTADT-NOBLESSE Schnellm<strong>an</strong>n 14 von DIE Raphael NLER Fuhrer VOM HÖNGGERBERG 17 KONVERGIERENDE<br />
von Maria<br />
DIVERGENZEN Hakuba 15 DAS von GANZE Ori<strong>an</strong>a von Schällibaum Pierre Macher 18 16 BROTLOSE DER QUERDENKER KUNST von Dami<strong>an</strong> von Michel Hodel De 19 Ci<strong>an</strong><br />
WIE 17 MAN «KUNST EINE IST VERNISSAGE PRIORITÄR» ÜBERLEBT von Michel von De Iv<strong>an</strong>a Ci<strong>an</strong> Leise<strong>der</strong> <strong>etH</strong>WeLt 21 KIFFEN 23 IN STUDIS DER OPER<br />
von AUF Lucas DER RENNSTRECKE Müller <strong>etH</strong>WeLt von Ingo Jenni 22 25 50 JAHRE MIT DEM SAB VELO ... von NACH HR Bänziger AFRIKA et (II) al. von 27<br />
UNSER Simon Degelo VOKABULAR eXtraS von David 26 Mrusek NACH 29 4 ALLEIN FILMSTELLE IM HÖRSAAL von Mirjam von Michel Schocher De Ci<strong>an</strong> eXtraS<br />
26 WER 30 SCHÖN GERÜCHT SEIN WILL, 30 MUSS FUGENDICHTUNG LEIDEN von Coco von 27 Numa GGG Vittoz von 31 Pierre POLYKÜMLER<br />
Macher,<br />
31 David PLATTENTELLER Mrusek und Maria von Hakuba Philipp 29 Gautschi CRUXEREIEN 31 DER von NÖRGLER Rolf Schwendener 32 VVV von Ori<strong>an</strong>a<br />
16<br />
Schällibaum und Michèle Gottier 33 CRUXEREIEN von Rolf Schwendener<br />
PoLyKum, <strong>Zeitung</strong> <strong>der</strong> <strong>Studierenden</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>etH</strong>, <strong>nr</strong>. 5/<strong>08–09</strong>, <strong>13.</strong> <strong>FeBruar</strong> <strong>2009</strong><br />
Universitätstr. 6, ETH Zentrum CAB, CH-8092 Zürich, Tel.<br />
044 632 56 94, Fax 044 632 12 27, redaktion@polykum.ethz.<br />
ch, www.polykum.ethz.ch<br />
redaktionsleitung: Iv<strong>an</strong>a Leise<strong>der</strong> (il)<br />
redaktion: Raphael Fuhrer, Dami<strong>an</strong> Hodel Freie mitarbeit:<br />
William Bradley, Philipp Gautschi, Michèle Gottier<br />
(mg), H<strong>an</strong>nes Hübner, Barbara Lussi, Rudolf Merkle, Lucas<br />
Müller, David Mrusek, Der Nörgler, Ori<strong>an</strong>a Schällibaum (os),<br />
Rolf Schwendener, Tobias Imbach, Tobias Tschopp, Thomas<br />
Tschupp, Marie Veya, Numa Vittoz Freie Beiträge: HR Bänziger,<br />
Michael Kalenikin, Michael Kohler, Angelika Kuschnik,<br />
Ruth Meier, Markus Pilm<strong>an</strong>, Sheree Rose, Mirjam Schocher,<br />
D<strong>an</strong>iel Stuber VS<strong>etH</strong>-teil: Ann-Kristina Fritz Lektorat:<br />
Magdalena Oehen Poster: Thom Grüninger Layout:<br />
Thomas Tschupp gestaltung: Joh<strong>an</strong>na Klaus, Peter Wittwer,<br />
Tamara Malenkovic<br />
<strong>an</strong>merKung <strong>der</strong> redaKtion: Verb<strong>an</strong>ds äusserungen<br />
sind gekennzeichnet, die übrigen Artikel wi<strong>der</strong>spiegeln die<br />
Meinung <strong>der</strong> Schrei ben den. Abdruck nur nach Ab sprache mit<br />
<strong>der</strong> Redaktion. Anzeigen werden duch die Redakionsleitung<br />
platziert. Das sinnwahrende Kürzen von Artikeln sowie das<br />
Einsetzen von Titeln und Hervorhebungen sind <strong>der</strong> Redaktion<br />
vorbehalten.<br />
adreSSÄn<strong>der</strong>ungen: Neue Adressen von <strong>Studierenden</strong><br />
und Angestellten <strong>der</strong> ETH müssen dem Rektorat gemeldet<br />
werden.<br />
adminiStration und agenda:<br />
Magdalena Oehen, Tel. 044 632 57 53, Fax 044 632 12 27,<br />
info@polykum.ethz.ch, agenda@polykum.ethz.ch<br />
editorial<br />
Kunst darf alles. Und wie’s scheint, ist Kunst<br />
auch alles. Im Falle <strong>der</strong> neusten Ausstellung<br />
<strong>der</strong> Zürcher Galerie Hauser & Wirth sogar<br />
eine Filmaufnahme einer defäktierenden<br />
Frau. Bei Jeff Koons’ millionenteurem Alufolienkitsch<br />
ist die Kunsternation ebenso gross,<br />
Gleiches gilt für Damien Hirst, <strong>der</strong> mit seinem<br />
in Formaldehyd eingelegten Schaf für Kopfschütteln<br />
sorgt. Nicht die g<strong>an</strong>ze Populärkultur<br />
stiftet allerdings Verwirrung – zum Glück.<br />
So etwa hält die zeitgenössische Musik einige<br />
kunstvolle Perlen bereit, die nicht die<br />
Beine, son<strong>der</strong>n den Intellekt t<strong>an</strong>zen machen.<br />
Dazu gehört das britische Duo Autechre, das<br />
mit seiner Intelligent D<strong>an</strong>ce Music das generative<br />
Moment in den Mittelpunkt stellt. Im<br />
Falle des amerik<strong>an</strong>ischen Perform<strong>an</strong>ce-Künstlers<br />
Bob Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> zeigt sich überdies, dass<br />
Kunst als überlebenswichtiges Elixier dienen<br />
k<strong>an</strong>n, das temporär selbst einer unheilbaren<br />
Kr<strong>an</strong>kheit die Macht stiehlt. Letztlich k<strong>an</strong>n<br />
auch <strong>der</strong> Formvollendetheit <strong>der</strong> Physik eine<br />
ästhetische Komponente nicht abgesprochen<br />
werden. Kunst ist eben da, wo sie als solche<br />
wahrgenommen beziehungsweise zu solcher<br />
gemacht wird. Es ist wohl, wie Beuys sagte:<br />
«Je<strong>der</strong> ist ein Künstler.»<br />
Iv<strong>an</strong>a Leise<strong>der</strong><br />
<strong>an</strong>ZeigenmarKeting:<br />
KRETZ AG, General Wille-Strasse 147, Postfach 105, 8706<br />
Feldmeilen, Telefon +41 (0)44 925 50 60, Fax +41 (0)44 925<br />
50 70, polykum.<strong>an</strong>noncen@kretzag.ch<br />
redaKtionS- und <strong>an</strong>ZeigenSCHLuSS:<br />
Nr. 6/ <strong>08–09</strong>: 10.02.<strong>2009</strong> (ersch. <strong>13.</strong>03. <strong>2009</strong>, Frauen)<br />
Nr. 7/ <strong>08–09</strong>: 10.03.<strong>2009</strong> (ersch. 17. 04. <strong>2009</strong>, Grün)<br />
(Nr. 5/<strong>08–09</strong> zum Thema Kunst erscheint am <strong>13.</strong>02.<strong>2009</strong>)<br />
auFLage: Druckauflage 21 000 Expl., Mitglie<strong>der</strong>auflage 11<br />
810 Expl. (WEMF bestätigt 2007), Gratisauflage 7582 Expl.<br />
(WEMF bestätigt 2007), erscheint 9-mal jährlich<br />
druCK: St. Galler Tagblatt AG, St. Gallen<br />
i n t r o<br />
3
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: H<strong>an</strong>nes Hübner<br />
PrÄSiKoLumne<br />
Überleben <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>etH</strong><br />
In meiner Anf<strong>an</strong>gszeit als erstsemestriger<br />
ETH-Student, frisch von einem laut Statistik<br />
unterdurchschnittlichen Gymnasium <strong>der</strong><br />
Schweiz, musste ich mich zuerst mit den Bedingungen<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH zurechtfinden. Ich<br />
liess mich selbst mit einer Wirtschaft & Recht-<br />
Matur nicht von einem ETH-Studium abbringen.<br />
Kombiniert mit meinem Gymnasium<br />
ergibt dies eine statistisch gesehen äusserst<br />
schlechte Ausg<strong>an</strong>gslage. Als ich jedoch nach<br />
einem Jahr zur Basisprüfung <strong>an</strong>treten musste,<br />
merkte ich, dass es vielleicht besser gewesen<br />
wäre, wenn ich schon während des Semesters<br />
mehr gelernt hätte. Eigentlich ist das fast<br />
schon die klassische Verhaltensweise: Während<br />
des Semesters hamstert m<strong>an</strong> alles zusammen,<br />
um während <strong>der</strong> vorlesungsfreien<br />
Zeit die Berge <strong>an</strong> Skripten, Büchern und Blättern<br />
zu durchblicken.<br />
Zusammen mit einigen Mitstudierenden<br />
probierte ich die Kunst des effektiven Lernens<br />
zu perfektionieren. Tag und Nacht wurden die<br />
letzten Tage vor den Prüfungen die Bücher<br />
gewälzt und <strong>der</strong> Kaffeekonsum verhielt sich<br />
umgekehrt proportional zur Lernmotivation.<br />
Doch die Prüfungen kamen unaufhaltsam<br />
näher und die Zeit wurde trotz akribisch ausgearbeitetem<br />
Zeitpl<strong>an</strong> wie immer knapp, da<br />
ich die Termine aufgrund externer, absolut<br />
nicht pl<strong>an</strong>baren und sonstigen Ablenkungseffekten<br />
nicht einhalten konnte. Deshalb bin ich<br />
schon l<strong>an</strong>ge <strong>der</strong> Überzeugung, dass <strong>der</strong> innere<br />
Schweinehund <strong>der</strong> grösste Feind des <strong>Studierenden</strong><br />
ist.<br />
Plötzlich ist es d<strong>an</strong>n doch soweit, die<br />
erste Prüfung steht auf dem Programm. Neun<br />
Uhr auf dem Gelände von Science City im<br />
Reich <strong>der</strong> Architektur, im HIL. Dutzende von<br />
<strong>Studierenden</strong> tummeln sich wie<strong>der</strong> auf dem<br />
Hönggerberg, um unter Beweis zu stellen,<br />
was sie in den letzten Wochen gelernt haben<br />
– o<strong>der</strong> eben auch nicht. Kurz vor <strong>der</strong> Prüfung<br />
werden noch nervös die letzten Fragen<br />
vor dem Prüfungslokal (bei dem Namen muss<br />
ich immer <strong>an</strong> irgendeine Spelunke o<strong>der</strong> Dorfbeiz<br />
denken) in die Runde geworfen, um die<br />
letzten Klarheiten zu beseitigen, so dass einige<br />
sowieso schon verunsicherte Studis <strong>an</strong><br />
den R<strong>an</strong>d des Wahnsinns getrieben werden.<br />
Trotzdem probiert m<strong>an</strong> sich zusammen mit<br />
den Kollegen die letzten zwei Minuten vor <strong>der</strong><br />
Prüfung noch zu motivieren und kommt zum<br />
Schluss: Yes, we c<strong>an</strong>!<br />
Zwei Minuten nach Prüfungsbeginn.<br />
Hmm, «ch<strong>an</strong>ge c<strong>an</strong> happen» wäre jetzt passen<strong>der</strong>,<br />
da <strong>der</strong> «yes, we c<strong>an</strong>»-Effekt ins Nirv<strong>an</strong>a<br />
verschwunden ist. Aber durch solche<br />
Kleinigkeiten lassen wir uns natürlich nicht<br />
verwirren, denn nun kommt die Kunst <strong>der</strong><br />
Kreativität, was natürlich stark von <strong>der</strong> Gunst<br />
des Prüfungsbewerters abhängt, zum Zuge.<br />
Dies könnte m<strong>an</strong> schon fast als Kernkompetenz<br />
betrachten, da die Lehre <strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH bek<strong>an</strong>ntlich<br />
sehr grossen Wert auf vernetztes<br />
Denken legt. Schlussendlich überlebt d<strong>an</strong>n<br />
doch deutlich mehr als die Hälfte die Basisprüfung<br />
und damit grösstenteils auch den<br />
Rest des Studiums.<br />
Da <strong>der</strong> g<strong>an</strong>ze Prüfungsstress und somit<br />
auch die vorlesungsfreie Zeit bald vorbei ist,<br />
können die Ferien nun wie<strong>der</strong> beginnen. Bloss<br />
das Hamstern nicht vergessen!<br />
Euer VSETH-Präsident<br />
d<strong>an</strong>iel Stuber dstuber@vseth.ethz.ch<br />
neWS<br />
t<strong>an</strong>zkurs und freies t<strong>an</strong>zen<br />
Auch im Frühlingssemester ver<strong>an</strong>staltet<br />
«T<strong>an</strong>zquotient» wie<strong>der</strong> jeden Montag<br />
St<strong>an</strong>dardt<strong>an</strong>zkurse. Ab 20 Uhr freies<br />
T<strong>an</strong>zen. GEP/Alumni Pavillon, Poly-<br />
terrasse. 17.10 Uhr. tq.vseth.ethz.ch<br />
French Kiss<br />
Die AFrEZ org<strong>an</strong>isiert am 26. Februar<br />
zum zweiten Mal den Anlass French Kiss!<br />
Mehr Infos: www.afrez.ethz.ch<br />
Live in Concert: <strong>etH</strong> Big B<strong>an</strong>d<br />
Swing, Jazz, Rock & Pop. Im bQm, ETH<br />
Hauptgebäude, unter <strong>der</strong> Polyterrasse.<br />
19.30 Uhr. www.ethbigb<strong>an</strong>d.ch<br />
Podiumsdiskussion: «meine<br />
Wissenschaft und mein glaube»<br />
Prof. Peter Bühlm<strong>an</strong>n, Seminar für Statistik,<br />
und Dr. Barbara Becker, Geschäftsführende<br />
Direktorin des Nord-Süd-Zentrums,<br />
beide ETH Zürich, sprechen am<br />
4. März <strong>2009</strong> über «Meine Wissenschaft<br />
und mein Glaube». Der Anlass wird org<strong>an</strong>isiert<br />
vom Dozentenforum und Campus<br />
live. ETH Hauptgebäude, HG E3. 12.15 -<br />
13 Uhr. www.dozentenforum.ch<br />
<strong>etH</strong> Career event: Präsentationstechnik<br />
Referat für Studierende mit Dr. Petra<br />
Wüst. Wie präsentiert m<strong>an</strong> richtig? Worauf<br />
ist zu achten bei PowerPoint-Präsentationen<br />
und <strong>an</strong><strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong> Präsentation?<br />
Anmeldung über unten stehende<br />
Webseite. ETH Hauptgebäude, HG E3.<br />
17.15 - 18.15 Uhr. www.career.ethz.ch/events<br />
W<strong>an</strong>ted: Polykum-redaktorinnen<br />
und redaktoren<br />
Schreibtalente für die Polykum-Redaktion<br />
gesucht! Hast du bereits erste journalistische<br />
Erfahrungen gesammelt und<br />
möchtest dein Taschengeld mit Schreiben<br />
aufbessern? Richte deine Bewerbung <strong>an</strong>:<br />
mitmachen@polykum.ethz.ch<br />
Korrigendum<br />
i n t r o<br />
Foto von Prof. Willi gujer<br />
Die Rechte des zusammen mit dem Artikel<br />
zur Goldenen Eule (siehe Polykum<br />
04/08-09) publizierten Fotos von Prof.<br />
Willi Gujer liegen nicht, wie fälschlicherweise<br />
<strong>an</strong>gegeben, bei <strong>der</strong> Goldenen Eule<br />
AG, son<strong>der</strong>n bei Tom Kawara. Wir entschuldigen<br />
uns für den Fehler.<br />
5
VS<strong>etH</strong><br />
6<br />
VS<strong>etH</strong><br />
<strong>etH</strong> triFFt tum<br />
Bierbrauer<br />
und -trinker<br />
20 Vertreter des VSETH reisten nach<br />
Bayern, um ihre Münchner Pend<strong>an</strong>ts<br />
zu treffen.<br />
Von Markus Pilm<strong>an</strong><br />
Jedes Jahr treffen sich Studierende<br />
<strong>der</strong> ETH Zürich und <strong>der</strong> TU München, um<br />
die Freundschaft <strong>der</strong> beiden <strong>Studierenden</strong>schaften<br />
zu zelebrieren. Dieses Jahr reisten<br />
rund 20 Vertreter des VSETH nach München,<br />
um die Luft einer <strong>an</strong><strong>der</strong>en Universität zu<br />
schnuppern, gemeinsam mit den Münchner<br />
<strong>Studierenden</strong> über aktuelle Themen zu sprechen<br />
und natürlich um neue, interess<strong>an</strong>te Gesichter<br />
zu sehen.<br />
Nach einer nicht so <strong>an</strong>strengenden Reise<br />
(ich habe vergessen, wie nahe Zürich und<br />
München eigentlich sind) wurden wir von<br />
zwei netten Münchner Wirtschaftsstudenten<br />
am Hauptbahnhof abgeholt. Diese führten<br />
uns zuerst zu unserem Hostel und <strong>an</strong>schliessend<br />
zu einem netten Café in <strong>der</strong> TUM, dessen<br />
Namen ich lei<strong>der</strong> vergessen habe (aber er<br />
hätte von einem Java-Entwickler sein können<br />
...). Nach einem superguten Essen und nach<br />
gegenseitigem Beschnuppern gingen wir gemeinsam<br />
auf die ESP. Hier stellten wir fest,<br />
wie gut sich Münchner und Zürcher ergänzen:<br />
Die Münchner brauen tolles Bier, die Zürcher<br />
vernichten es mit grosser Wertschätzung.<br />
Fress-Flash in bayrischer<br />
L<strong>an</strong>dschaft<br />
Nachdem mein Zimmernachbar mich am<br />
nächsten Morgen p<strong>an</strong>isch eine Stunde zu früh<br />
geweckt hatte – weil er dachte, wir hätten verschlafen<br />
–, hatten wir noch genug Zeit zu duschen<br />
und uns über das Zmorge-Buffet herzu-<br />
die <strong>etH</strong> zu gast bei Münchner Freunden.<br />
machen. D<strong>an</strong>ach wurden wir durch die wun<strong>der</strong>schöne<br />
Münchner Innenstadt geführt. Hier<br />
kam natürlich vor allem unser Architekturstudent<br />
(<strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> die Uhrzeit nicht lesen<br />
k<strong>an</strong>n) voll auf seine Kosten. Doch d<strong>an</strong>n war<br />
Arbeiten <strong>an</strong>gesagt: In vier Workshops unterhielten<br />
wir uns über Mentoring, SIROP, Berufung<br />
von Professoren und Integration ausländischer<br />
Studieren<strong>der</strong>. Zuvor wurden uns die<br />
beiden studentischen Org<strong>an</strong>isationen AStA<br />
und VSETH gegenseitig vorgestellt, was sehr<br />
interess<strong>an</strong>t war, sind sich die beiden teilweise<br />
enorm ähnlich und d<strong>an</strong>n doch wie<strong>der</strong> so verschieden.<br />
Am dritten Tag konnten wir noch den<br />
dritten Campus <strong>der</strong> TUM besichtigen. Wir<br />
wurden durch die universitätseigene Brauerei<br />
geführt und lernten endlich, was <strong>der</strong> PAFF ist<br />
(Post-Alkoholärer-Fress-Flash). Wir hatten<br />
noch das Glück, dass sich das Wetter gegen<br />
Mittag ein wenig besserte und so konnten wir<br />
bei Sonne noch die schöne bayrische L<strong>an</strong>dschaft<br />
rund um den Campus bewun<strong>der</strong>n.<br />
Der Abschied fiel schon ein bisschen<br />
schwer, aber wir hoffen, dass wir euch nächstes<br />
Jahr bei uns in Zürich mit einem ähnlich<br />
guten Programm überraschen dürfen.<br />
markus Pilm<strong>an</strong> (25) studiert Informatik <strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH Zürich.<br />
mpilm<strong>an</strong>@student.ethz.ch<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: VSETH
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: Vince Moens<br />
<strong>etH</strong> mun<br />
diplomierte<br />
diplomaten<br />
Eine Delegation von ETH MUN<br />
reiste nach Oxford, um über bris<strong>an</strong>te<br />
Themen zu debattieren.<br />
Von Michael Kalenikin<br />
«Verspätungen auf allen Linien» , trällert<br />
es süffis<strong>an</strong>t aus den Lautsprechern – und das<br />
ist erst <strong>der</strong> Anf<strong>an</strong>g. Der erste Tag im Dienst<br />
seiner Majestät beginnt höchst bedenklich.<br />
Über Nacht hat <strong>der</strong> erste Schnee die<br />
Schweiz in ein Wintermärchen verw<strong>an</strong>delt –<br />
und das Verkehrsnetz in eine l<strong>an</strong>ge Linie von<br />
Verspätungen. Doch wer würde sich davon<br />
aufhalten lassen? Bestimmt nicht wir. Auf uns<br />
warten ein Flugzeug in Kloten und Themen<br />
<strong>der</strong> Weltpolitik in Oxford. Auf unser Erscheinen<br />
hoffen Security Council und WTO.<br />
Wir, das ist das neue Diplomatenkorps <strong>der</strong><br />
ETH für die MUN-Konferenz in <strong>der</strong> «City of<br />
Dreaming Spires».<br />
die Kunst <strong>der</strong> diplomatie<br />
MUN steht für Model United Nations,<br />
eine detailgetreue Nachbildung bedeuten<strong>der</strong><br />
Gremien <strong>der</strong> Vereinten Nationen. Jährlich<br />
finden weltweit zahlreiche Konferenzen mit<br />
internationalen Teilnehmern statt, dieses Mal<br />
im altehrwürdigen Oxford.<br />
Nach gut überst<strong>an</strong>denen Reisestrapazen<br />
begrüsst uns eine stilechte Portion Regenwetter.<br />
Welcome to the UK. Gut, dass uns das<br />
Programm am nächsten Morgen mit einem<br />
gepflegten Spazierg<strong>an</strong>g und unerwartetem<br />
Sonnenschein auf die Konferenz einstimmt.<br />
Unser Guide führt uns durch verwinkelte<br />
Gassen und über versteckte Innenhöfe, vorbei<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> Bodlei<strong>an</strong> Library und den Bauten berühmter<br />
Colleges.<br />
«trittst im morge<strong>nr</strong>ot daher ... »: ETH MUNler mit ihrem helvetischen Leckerlist<strong>an</strong>d.<br />
Der Startschuss fällt, die Konferenz beginnt.<br />
Gehüllt in das vorgeschriebene Business Attire,<br />
gewappnet mit rhetorischen Leckerbissen<br />
und Masterpl<strong>an</strong> verteilen sich die Diplomaten<br />
auf diverse Gremien – jedes von ihnen befasst<br />
sich mit einem bris<strong>an</strong>ten Thema und wird<br />
Schauplatz hitziger Debatte, kühlem Kalkül<br />
und notwendigem Kompromiss. Jedes wird<br />
zum Konferenzschluss in drei Tagen eine Resolution<br />
ausarbeiten, die es so auch bei <strong>der</strong><br />
UN geben könnte.<br />
Kultur und ihr austausch<br />
Doch MUN ist eben nicht nur abstrakte<br />
Debatte und Resolution – zu Recht. Der Blick<br />
in die Runde erschliesst die geballte Exotik<br />
und kulturelle Vielfalt, die sich hier eingefunden<br />
hat. Angetrieben von gemeinsamen<br />
Interessen haben Delegationen aus aller<br />
Herren Län<strong>der</strong> den Weg hierher gefunden.<br />
Gemeinsam ist ihnen allen die Begeisterung<br />
für das Konzept <strong>der</strong> UN, Vertrauen in und Engagement<br />
für eine internationale Staatengemeinschaft<br />
und die Erkenntnis, dass die Zukunft<br />
in einem rücksichtsvollen globalen Mitein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />
liegt. Dementsprechend kommt<br />
auch das soziale Rahmenprogramm nicht zu<br />
kurz: Nach einem Tag voll sachlicher Diskussion<br />
lernen sich beim Committee Dinner die<br />
Delegierten auch persönlich näher kennen.<br />
Völlig undiplomatisch widmet m<strong>an</strong> sich dem<br />
Dinner- und den Tischnachbarn.<br />
Nomen est omen im «Global Village»,<br />
einem festen Programmpunkt je<strong>der</strong> MUN-<br />
Konferenz: Die Delegationen nutzen hier die<br />
Gelegenheit, ihre Heimat in entsp<strong>an</strong>nter Atmosphäre<br />
den übrigen Teilnehmern zu präsentieren.<br />
Zwischen Ständen mit fr<strong>an</strong>zösischem<br />
Wein und chinesischen Lampions fl<strong>an</strong>ieren<br />
bunte Gestalten. Am Ende des Abends<br />
ist von unserer Schweizer Schoggi nichts<br />
mehr übrig.<br />
Das Finale <strong>der</strong> Tagung ist die Abschlusszeremonie<br />
im prunkvollen Rathaus. Wer sich<br />
in seinem Komitee beson<strong>der</strong>s hervorget<strong>an</strong><br />
hat, erhält einen «Best Delegate Award», die<br />
ETH gehört mit zwei Preisträgern zu den Gewinnern<br />
dieses Abends.<br />
So plötzlich wie <strong>der</strong> Konvent begonnen<br />
hatte, so unvermittelt ist er auch wie<strong>der</strong><br />
vorbei. Die Delegationen reisen ab, Ruhe<br />
kehrt ein in <strong>der</strong> alten Universitätsstadt. Etwas<br />
sentimental wird m<strong>an</strong> schon beim Ged<strong>an</strong>ken,<br />
dass es das nun gewesen sein soll. Zugleich ist<br />
m<strong>an</strong> aber d<strong>an</strong>kbar für diese ausserordentliche<br />
Gelegenheit, d<strong>an</strong>kbar für die zahlreichen<br />
Freunde und interess<strong>an</strong>ten Menschen, die<br />
m<strong>an</strong> hier kennengelernt hat. M<strong>an</strong> ist glücklich,<br />
diese f<strong>an</strong>tastische Erfahrung gemacht zu<br />
haben. Und eines ist sicher: Die nächste MUN-<br />
Konferenz kommt bestimmt.<br />
www.mun.ethz.ch<br />
V S e t H<br />
michael Kalenikin (23) ist ER-M<strong>an</strong>ager des ETH MUN und<br />
studiert im 7. Semester Physik <strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH Zürich.<br />
mikhailk@student.ethz.ch<br />
7
VS<strong>etH</strong><br />
8<br />
BQm<br />
Bloss<br />
nicht bQm<br />
werden ...<br />
Seit vielen Jahren ist das Café bQm<br />
die perfekte Oase, um aus dem<br />
starren ETH-Betrieb auszubrechen.<br />
Von Angelika Kuschnik<br />
Das bQm ist <strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH absolut etabliert<br />
und bewährt. Mehr als eine Generation<br />
Studierende haben während des Bestehens<br />
des Cafés ihre Studien abgeschlossen und<br />
konnten einen Teil ihrer Freizeit bei uns verbringen.<br />
Es ist und bleibt die perfekte Oase,<br />
um ein wenig aus dem starren ETH-Betrieb<br />
auszubrechen und sich gemütlich einen Cappuccino,<br />
ein kühles Bier o<strong>der</strong> einen Drink zu<br />
gönnen. Lernmaterial und Computer sind<br />
darum tabu. Es ist ein Ort <strong>der</strong> Bewegung und<br />
<strong>der</strong> Begegnung. Es hat sich einiges get<strong>an</strong> in<br />
den letzten Jahren, doch die Grundphilosophie<br />
des Betriebes ist gleich geblieben.<br />
Studipreise für alle<br />
Das kulinarische Angebot unterscheidet<br />
sich von demjenigen <strong>der</strong> Cafeteria und <strong>der</strong><br />
Mensa, das heisst, <strong>der</strong>en Angebot soll nicht zu<br />
dem unsrigen in Konkurrenz stehen. Wir offerieren<br />
hungrigen Mägen feine S<strong>an</strong>dwiches<br />
und einfach zubereitete Snacks. Vielfalt soll<br />
durch gelegentlicher Angebotswechsel und<br />
nicht durch die Anzahl verschiedener Snacks<br />
erreicht werden.<br />
Das bQm hat drei verschiedene Offenbiere,<br />
wobei zwei davon fest im Angebot sind<br />
und das dritte monatlich wechselt. Das Angebot<br />
und die Preise richten sich nach den<br />
Bedürfnissen und dem Budget <strong>der</strong> <strong>Studierenden</strong>,<br />
im bQm ist aber je<strong>der</strong>m<strong>an</strong>n und je<strong>der</strong>frau<br />
je<strong>der</strong>zeit herzlich willkommen – es<br />
gelten für alle die gleichen Preise.<br />
Lernfreie Zone: Das bQm lädt in entsp<strong>an</strong>nter Atmosphäre zu Kaffee und Tee.<br />
Während des Semesters findet jeweils am<br />
Mittwoch- und teilweise Donnerstagabend<br />
ein kultureller Anlass statt. Wie zum Beispiel<br />
Konzerte, DJ-Auftritte, Theateraufführungen,<br />
T<strong>an</strong>zver<strong>an</strong>staltungen und so weiter. Geboten<br />
wird ein Mix aus bek<strong>an</strong>nten und unbek<strong>an</strong>nten<br />
Künstlern. Zwischendurch gibt es aber immer<br />
wie<strong>der</strong> ein ausserterminliches Programm.<br />
Diese Beweglichkeit behalten wir uns offen.<br />
Neu im Programm ist «Die offene Bühne»<br />
nach dem Motto «We w<strong>an</strong>t to entertain you<br />
too» ... Dazu sind Künstler aus allen Sparten<br />
herzlich eingeladen, sich für die jeweils vorgesehenen<br />
Abende einzutragen und sich vor<br />
Publikum zu präsentieren. Informationen<br />
dazu k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> gerne vor Ort o<strong>der</strong> per E-Mail<br />
einholen. Wir freuen uns sehr auf das kreative<br />
Potential, das noch unentdeckt durch die<br />
Hallen <strong>der</strong> ETH und Uni sowie die Strassen<br />
Zürichs geistert. An diesen Kulturabenden<br />
wird ein Getränkezuschlag erhoben. Dieser<br />
Betrag fliesst direkt in den Kulturfonds und<br />
dient damit <strong>der</strong> Fin<strong>an</strong>zierung <strong>der</strong> Anlässe. Der<br />
Eintritt zu den Ver<strong>an</strong>staltungen ist frei.<br />
Alle, die am laufenden Programm interessiert<br />
sind, haben die Möglichkeit, sich über<br />
unsere Webseite zu informieren. M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n<br />
sich auch gerne für unseren bQm-Newsletter<br />
eintragen. Dieser liegt auch direkt im bQm<br />
auf.<br />
grosser Schritt<br />
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, jedoch<br />
ein grosser Schritt für das bQm ist get<strong>an</strong>.<br />
Nach harten Jahren <strong>der</strong> kurzen Abende, bedingt<br />
durch die auferlegten frühen Schliessungszeiten,<br />
k<strong>an</strong>n das bQm zusammen mit<br />
all den treuen und neuen Gästen wie<strong>der</strong> aufatmen!<br />
Es wurde uns wie<strong>der</strong> erlaubt, von<br />
Mittwoch bis Freitag die Öffnungszeiten jeweils<br />
um eine Stunde zu verlängern.<br />
Noch hängt es jedoch am seidenen<br />
Faden, das Hauptproblem ist die Ruhestörung<br />
ab 22 Uhr. Das bQm ist somit in den Händen<br />
seiner Gäste, <strong>an</strong> <strong>der</strong>en Sensibilität appeliert<br />
wird. Ab 22 Uhr muss vor dem Lokal Ruhe<br />
eintreten. Ab diesen Zeitpunkt sind die Anweisungen<br />
<strong>der</strong> bQm-Mitarbeiter unbedingt zu<br />
beachten. Ebenso risk<strong>an</strong>t sind für das bQm die<br />
wenigen Einfaltspinsel, die durch R<strong>an</strong>dalen<br />
im Umfeld vom bQm immer wie<strong>der</strong> auffallen.<br />
Dies wie<strong>der</strong>um wirft ein schlechtes Bild auf<br />
uns und all diejenigen, die einen <strong>an</strong>genehmen<br />
Abend in bequemer Atmosphäre verbringen<br />
möchten.<br />
In dem Sinn: Lasst uns guten Mutes sein.<br />
Unterstützt uns und somit auch eure Interessen<br />
als Gäste bei uns, damit das bQm noch<br />
für viele Generationen von <strong>Studierenden</strong> ein<br />
Platz <strong>der</strong> Begegnung, Bewegung und Erinnerung<br />
sein k<strong>an</strong>n.<br />
www.bqm.li<br />
<strong>an</strong>gelika Kuschnik ist Restaur<strong>an</strong>tver<strong>an</strong>twortliche des bQm.<br />
<strong>an</strong>gelika.kuschnik@sv-group.ch<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: Thomas Tschupp
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bil<strong>der</strong>: H<strong>an</strong>nes Hübner<br />
FotoS WinaFe<br />
VS<strong>etH</strong><br />
9
ÜBerSiCHt<br />
Die Kunst <strong>der</strong> Provokation 10<br />
Kunsternation 12<br />
Schmerzhafte Katharsis 13<br />
Popmusik mit Kunst-Anspruch 14<br />
Kultur für das schmale Portemonnaie 15<br />
Vorstadt-Noblesse 16<br />
Konvergierende Divergenzen 17<br />
Brotlose Kunst 18<br />
Wie m<strong>an</strong> eine Vernissage überlebt 19<br />
Kiffen in <strong>der</strong> Oper 21<br />
Kunst<br />
interVieW<br />
die Kunst <strong>der</strong><br />
Provokation<br />
Hauser & Wirth in Zürich gehört zu den wichtigsten Schweizer Galerien<br />
für zeitgenössische Kunst. Wir waren zu Besuch und sprachen mit Galeriedirektor<br />
Flori<strong>an</strong> Berktold über die neue Ausstellung, die Schweizer Kunstszene<br />
und die Berechtigung von Fäkalien in <strong>der</strong> Kunst.<br />
Was erwartet den Besucher, wenn er<br />
in nächster Zeit die galerie Hauser &<br />
Wirth besucht?<br />
Wer die Galerie betritt, sieht zuerst eine Frau,<br />
die auf den Boden scheisst. (lacht) Dabei h<strong>an</strong>delt<br />
es sich um einen Teil <strong>der</strong> neuen Ausstellung<br />
von Martin Creed, einem britischen<br />
Künstler, <strong>der</strong> 2001 mit seiner Arbeit «The<br />
lights going on <strong>an</strong>d off» den Turner Prize gew<strong>an</strong>n<br />
und damit grosse Aufmerksamkeit in<br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit erregte. Neben dem erwähnten<br />
Video stellt Martin Creed unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em<br />
eine Reihe einfarbiger Gemälde aus,<br />
in denen sich waagrechte Pinselstriche <strong>der</strong><br />
Breite nach über die Leinw<strong>an</strong>d ziehen und so<br />
die Form von Stufenpyramiden <strong>an</strong>nehmen.<br />
Wie kommt es, dass Creeds Kunstwerke<br />
hier in Zürich ausgestellt<br />
werden?<br />
Creed ist einer <strong>der</strong> knapp 40 Künstler, die wir<br />
im Programm haben. Über Jahre hinweg arbeiten<br />
wir mit ihnen in einer engen Beziehung<br />
und geben ihnen die Gelegenheit, entwe<strong>der</strong><br />
Zur PerSon<br />
hier in Zürich o<strong>der</strong> in London ihre neuen<br />
Werke auszustellen.<br />
Wie entsteht diese Beziehung?<br />
Das ist ein vielschichtiger Prozess, ähnlich<br />
dem <strong>der</strong> Partnerfindung. Wir sind eine etablierte<br />
Galerie, haben dementsprechend eher<br />
etablierte Künstler o<strong>der</strong> «emerging artists».<br />
Junge Künstler, die am Anf<strong>an</strong>g ihrer Karriere<br />
stehen, sind eine Ausnahme. Wir beobachten<br />
das aktuelle Geschehen in <strong>der</strong> Kunstwelt<br />
– was passiert, wo gibt es Künstler, die zu<br />
uns passen und auch unserer Galerie Interesse<br />
entgegen bringen? Die eventuelle Zusammenarbeit<br />
ist als kreative Zusammenarbeit wie<br />
auch als Geschäftsbeziehung zu verstehen.<br />
Wie sieht dieser Ablauf in fin<strong>an</strong>zieller<br />
Hinsicht aus?<br />
An<strong>der</strong>s als bei Ausstellungsräumen gegen<br />
Miete trägt die Galerie sämtliche Ausstellungskosten<br />
für die Künstler. Im heutigen<br />
Kunstmarkt entstehen oft kostenaufwändige<br />
Produktionen. Im Falle des nun in Zürich zu<br />
Flori<strong>an</strong> Berktold (43) ist Direktor von Hauser & Wirth Zürich, einer <strong>der</strong> bedeutendsten<br />
Schweizer Galerien für zeitgenössische Kunst. Seit zehn Jahren ist <strong>der</strong> Österreicher in <strong>der</strong> Galerie<br />
tätig, 2005 übernahm er die Direktion. Hauser & Wirth wurde vom St. Galler Kunsthändler<br />
Iw<strong>an</strong> Wirth gemeinsam mit <strong>der</strong> Sammlerin Ursula Hauser und <strong>der</strong>en Tochter M<strong>an</strong>uela, Wirths<br />
späterer Ehefrau, im Jahr 1992 gegründet. Neben <strong>der</strong> Galerie <strong>an</strong> <strong>der</strong> Limmatstrasse 270 in Zürich<br />
hat Hauser & Wirth auch eine weitere Nie<strong>der</strong>lassung am Piccadilly Circus in London.<br />
Zudem gründete Iw<strong>an</strong> Wirth mit David Zwirner eine weitere Galerie in M<strong>an</strong>hatt<strong>an</strong>, NY.<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong>
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bil<strong>der</strong>: Galerie Hauser & Wirth (links), Tobias Imbach (rechts)<br />
«Beschwerden gab’s noch keine»: Flori<strong>an</strong> Berktold, Direktor <strong>der</strong> Galerie Hauser & Wirth, über Martin Creeds defäktierende Frau.<br />
sehenden Kurzfilms war die Anstellung einer<br />
Filmcrew ein Kostenpunkt. M<strong>an</strong>chmal fin<strong>an</strong>ziert<br />
<strong>der</strong> Künstler das selbst und verl<strong>an</strong>gt das<br />
Geld zurück, sobald das Werk von <strong>der</strong> Galerie<br />
verkauft wurde. Häufiger übernimmt aber die<br />
Galerie die Vorfin<strong>an</strong>zierung und damit die<br />
Rolle einer Produktionsfirma. Im Falle eines<br />
Verkaufs wird <strong>der</strong> Erlös aufgeteilt, fifty-fifty.<br />
Wie ist die Lage im Kunstmarkt? ist er<br />
von <strong>der</strong> Krisenstimmung ebenfalls betroffen?<br />
Der Kunstmarkt ist nicht abgekoppelt von<br />
<strong>der</strong> globalen Wirtschaftssituation, insofern<br />
spüren wir das auch. Das zeigen gerade auch<br />
die Auktionen, so sind die aktuellen Auktionskataloge<br />
im Vergleich zu denen vom Vorjahr<br />
geschrumpft.<br />
Wie kam es zu den weiteren galerie-<br />
St<strong>an</strong>dorten London und new york?<br />
Für eine Galerie, die international mitspielen<br />
möchte, ist es sehr wichtig, in den beiden<br />
wichtigsten Städten des Kunstmarktes Präsenz<br />
zu zeigen. Die Schweiz ist ein grossartiger<br />
Kunsth<strong>an</strong>delsplatz, immer mehr ausländische<br />
Galerien haben auch St<strong>an</strong>dorte in Zürich.<br />
London und New York bieten aber ein<br />
viel grösseres Ausmass <strong>an</strong> Öffentlichkeit und<br />
interessiertem Publikum.<br />
Welche bek<strong>an</strong>nten Künstler haben Sie<br />
bereits ausgestellt?<br />
Unsere älteste Künstlerin ist Louise Bourgeois,<br />
<strong>der</strong>en Werke gerade im Rahmen einer grossen<br />
Retrospektive in den wichtigsten Kunstmuseen<br />
weltweit zu sehen waren. Paul McCarthy<br />
ist ein weiterer sehr bek<strong>an</strong>nter Künstler. Hier<br />
schliesst sich auch <strong>der</strong> Kreis zur aktuellen Arbeit<br />
von Martin Creed. McCarthy hat letztes<br />
Jahr in Bern einen grossen, aufblasbaren<br />
Scheisshaufen gezeigt, <strong>der</strong> durch die Luft flog<br />
und dabei ein Gewächshaus zerstört hat. Das<br />
zeigt vielleicht, dass mit Fäkalien in <strong>der</strong> Kunst<br />
nicht übertrieben werden sollte.<br />
und Schweizer Künstler?<br />
Unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em Rom<strong>an</strong> Signer, Pipilotti Rist,<br />
Dieter Roth, Caro Nie<strong>der</strong>er, Christoph Büchel<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> grosse Bildhauer H<strong>an</strong>s Josephsohn.<br />
Weiter verwalten wir etwa auch den Nachlass<br />
von André Thomkins.<br />
das moment<strong>an</strong> ausgestellte Video-<br />
Kunstwerk von martin Creed zeigt<br />
eine defäktierende Frau. «Shit happens,<br />
<strong>an</strong>d you c<strong>an</strong>not ignore it», erklärt<br />
Creed. Wie fallen die reaktionen<br />
<strong>der</strong> Besucher aus?<br />
Bis jetzt haben wir noch keine entsetzten Besucher<br />
gehabt, Beschwerden gab’s auch keine.<br />
Aber das liegt auch dar<strong>an</strong>, dass <strong>der</strong> Akt <strong>an</strong> und<br />
für sich etwas völlig Normales ist – worum es<br />
dem Künstler schliesslich ja auch geht.<br />
Finden solche Werke denn auch<br />
Käufer?<br />
Es gibt Leute, die sich dafür interessieren.<br />
Klar, <strong>der</strong> Interessenkreis ist eher klein. (lacht)<br />
Aber ich bin dr<strong>an</strong>, es zu verkaufen.<br />
Wie weit fassen Sie den Kunstbegriff?<br />
Schlussendlich ist das Aufgabe <strong>der</strong> Kunsthistoriker,<br />
die das in den nächsten Jahrzehnten<br />
entscheiden. Kunst ist immer von <strong>der</strong> persönlichen<br />
Auffassung abhängig, was für den<br />
einen Kunst ist, ist für den <strong>an</strong><strong>der</strong>en Dekoration<br />
und für den Nächsten nur Provokation.<br />
apropos persönlichem geschmack:<br />
Was hängt bei ihnen <strong>an</strong> den eigenen<br />
vier Wänden?<br />
Es fällt mir schwer, persönliche Favoriten zu<br />
nennen. Bei mir hängt alles Mögliche <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
W<strong>an</strong>d, inklusive Fotos von meiner Tochter ...<br />
und das ist keine Kunst.<br />
Was ist für die nähere Zukunft gepl<strong>an</strong>t?<br />
Richard Jackson, ein Veter<strong>an</strong> <strong>der</strong> Kunstszene<br />
von Los Angeles, wird unsere Galerie ab Ende<br />
März in einen riesigen Waschsaal verw<strong>an</strong>deln.<br />
Zehn grosse amerik<strong>an</strong>ische Waschmaschinen,<br />
die Wäsche waschen, <strong>an</strong>stelle mit<br />
Wasser allerdings mit Acrylfarben. Eines ist sicher:<br />
Es wird bunt!<br />
www.hauserwirth.ch<br />
KunSt<br />
das interview führte tobias imbach (23). Er ist freier<br />
Mitarbeiter des Polykum. tobias.imbach@gmail.com<br />
11
KunSt<br />
12<br />
Kunsternation<br />
Über die Fragwürdigkeit dessen, was alles mit Kunst betitelt<br />
wird. teurer Kitsch: Jeff Koons’ «H<strong>an</strong>ging Heart» f<strong>an</strong>d für 23 Millionen einen neu<br />
Von Barbara Lussi<br />
Es braucht seine Begründung, das Gefühl<br />
des Kunsterniertseins, erwächst Empörung<br />
über ein Wasauchimmer doch meist daraus,<br />
dass wegweisende Definitionen überg<strong>an</strong>gen<br />
werden. So überkäme Kunsternation ein Kunst<br />
betrachtendes Subjekt d<strong>an</strong>n, würde Diskrep<strong>an</strong>z<br />
zwischen <strong>der</strong> Definition, was Kunst zu<br />
sein hat, und einem Werk erk<strong>an</strong>nt werden. Gehalt<br />
hat <strong>der</strong> Ansatz lei<strong>der</strong> nur in <strong>der</strong> Theorie.<br />
Ausgehend von Artikel 5 des Grundgesetzes,<br />
das sich zur Kunstfreiheit demgemäss<br />
äussert, dass jedem das Recht gegeben sei,<br />
«seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei<br />
zu äussern», gestützt von den Feststellungen<br />
«Kunst und Wissenschaft [...] sind frei», wird<br />
die Berechtigung <strong>der</strong> Empörung zunächst in<br />
Frage gestellt. Selbst <strong>der</strong> Versuch, Kunst als<br />
Programmwort für Werke «<strong>der</strong> menschlichen<br />
Kultur, welche nicht durch Zweckmässigkeit,<br />
son<strong>der</strong>n durch ihre unterschiedliche Ästhetik<br />
geprägt sind» zu setzen, liefert mehr Spielraum,<br />
als solchen einzuschränken.<br />
Kitsch und Kacke<br />
Die Grenzen <strong>der</strong> Kunst lassen sich per Definition<br />
damit nicht legen. Von Monet o<strong>der</strong><br />
Rodin als künstlerischem Massstab auszugehen,<br />
verunmöglicht jener <strong>der</strong> Kunst zugesprochene<br />
Freiheitsbegriff. Wo dem Schaffbaren<br />
Schr<strong>an</strong>ken gesetzt werden, ist folglich<br />
keine Frage stilisierten Geschmacks; es bedarf<br />
des Ansatzes, das Gefühl sonst wie zu begründen<br />
und aufzuzeigen: Es führen, fern von<br />
Monet, viele Wege zur Kunsternation.<br />
Empörung ist, eigenes Kunstempfinden von<br />
solcher Kunst mit Füssen getreten zu sehen,<br />
die künstlerischen Gehalt entbehrt, so wohl<br />
bei Jeff Koons, betitelt als einer <strong>der</strong> teuersten<br />
noch lebenden Künstler, dessen «H<strong>an</strong>ging<br />
Heart» – fabriziert aus ein bisschen Stahl und<br />
Farbe – nicht aufgrund seines Tausendkilogewichtes,<br />
aber infolge dafür gezahlter 23 Millionen<br />
imponiert. Koons’ Absicht Konsumkultur<br />
zu karikieren hin o<strong>der</strong> her: Es bleibt<br />
beim Kitsch, den das «H<strong>an</strong>ging Heart» assoziiert.<br />
D<strong>an</strong>eben ist Gregor Schnei<strong>der</strong>s «End»,<br />
ein 70-Meter-G<strong>an</strong>g, gleichgesetzt mit dem<br />
«Schwarzen Nichts», den m<strong>an</strong> sich entl<strong>an</strong>g tasten<br />
k<strong>an</strong>n, ähnlich impos<strong>an</strong>t wie die Whip Art,<br />
für welche es reicht, zu Leinw<strong>an</strong>d, Peitsche<br />
und nacktem Artisten zu greifen; so zu sehen<br />
auf <strong>der</strong> berüchtigten Videoplattform.<br />
Empörung ist aber auch Sache des Ekels:<br />
Wird <strong>der</strong> Deckm<strong>an</strong>tel <strong>der</strong> Kunst über Fäkalien<br />
gelegt, wird das Kunstverständnis des<br />
Betrachters nahe <strong>an</strong> seine Grenzen geführt.<br />
Gleich ob Wim Delvoyes «Cloaca», die zwölf<br />
Meter l<strong>an</strong>ge Verdauungsmaschine, die aus gefüttertem<br />
Edelfrass künstliche Exkremente<br />
fertigt; o<strong>der</strong> Piero M<strong>an</strong>zonis Unterf<strong>an</strong>gen,<br />
seine «merda d’artista», die eigene Künstlerscheisse,<br />
in Dosen zu verpacken; o<strong>der</strong> auch<br />
das Schaffen <strong>der</strong> Sprinkle Brigade, die im<br />
Sinne <strong>der</strong> «Urb<strong>an</strong> Beautification» Hundekot<br />
auf New Yorks Strassen dekoriert: Sie alle ernennen<br />
zu Kunst, was aus diskreter Toilettenkonvention<br />
in den Tiefen <strong>der</strong> Abwasserk<strong>an</strong>äle<br />
entfernt wird. Fausto de Lorenzo, Geschäftsführer<br />
<strong>der</strong> Fondation Beyeler wirft da aber<br />
ein: «Je<strong>der</strong> Mensch ‹macht› und auch Künstler<br />
‹machen› täglich – nicht nur Kunst. Die Reflexion<br />
über den Geniekult und über die eigentlich<br />
g<strong>an</strong>z aberwitzige Vorstellung, je<strong>der</strong><br />
Mensch sei ein Künstler, ist sicherlich provokativ<br />
aber auch ziemlich genial.»<br />
Dritte Maschinerie <strong>der</strong> Empörung bleibt<br />
die Moral, die leise Stimme gelten<strong>der</strong> Wertmassstäbe,<br />
die sich zu Wort meldet, wird moraltechnische<br />
Zensur als geboten gesehen.<br />
Damien Hirst, enf<strong>an</strong>t terrible <strong>der</strong> Young British<br />
Artists, wäre ihr Opfer, würde <strong>der</strong> Aufschrei<br />
aufgrund <strong>der</strong> in Formaldehyd eingelegten<br />
Tiere von Seiten <strong>der</strong> Tierfreunde erfolgen;<br />
John Isaac, Hirsts Künstlerkommilitone,<br />
würde von gleichen kunstgeknebelt<br />
werden, als Preis dafür einen Wal längsweg<br />
in Scheiben geschnitten und aufgehängt zu<br />
haben; ebenso erginge es Sarah Lucas als<br />
Schöpferin eines Sarges aus Neonleuchten<br />
und dem Wiener Schocker Gottfried Hellnwein,<br />
<strong>der</strong> mit verunstalteten Kin<strong>der</strong>n h<strong>an</strong>tiert<br />
und Donald Duck in bildlichem Rahmen umbringt.<br />
Schreigeilheit<br />
Drei Arten von Empörung zeigen: Es geht<br />
nicht um Definitionen <strong>der</strong> Kunst – es geht um<br />
Definitionen des Niveaus, <strong>der</strong> Sittlichkeit, <strong>der</strong><br />
Moral. Während ein monetbasierter Massstab<br />
Objektivität for<strong>der</strong>t, wo es sie nicht mehr gibt,<br />
ist Kunsternation schlicht <strong>an</strong> eines gebunden: Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: Jeff Koons
en Besitzer. Die Besucher von Versailles freut’s.<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: Sheree Rose<br />
<strong>an</strong> den minimalsten Konsens gegenwärtiger<br />
Wertmassstäbe, die dauerpräsent im Nacken<br />
sitzen.<br />
Angesichts dieser Gegenwärtigkeit von<br />
Niveau, Sittlichkeit und Moral stellt sich nun<br />
die Frage nach dem Warum: Warum geht<br />
Kunst so weit, wohlweisslich unmoralisch<br />
o<strong>der</strong> eklig zu sein, Wertmassstäbe zu überschreiten?<br />
In <strong>der</strong> bewussten Spielerei mit<br />
Wertmassstäben liegt die Antwort – Kunst<br />
wagt, den einen Schritt zu weit zu gehen,<br />
weil sie weiss, dass sie es k<strong>an</strong>n, darum, weil<br />
Mensch in <strong>der</strong> Gegenwart so viel gesehen hat,<br />
um nunmehr visuell gestählt zu sein – und<br />
doch nicht sk<strong>an</strong>dalmüde.<br />
Die gen<strong>an</strong>nte Troika ist damit <strong>der</strong> goldeselgleiche<br />
wunde Punkt, das Publikum zu<br />
sättigen, die Legitimation gegeben «durch<br />
einen, mit Verlaub, sensationsgeilen Kunstmarkt»<br />
und «unsere Mediengesellschaft, die<br />
immer grössere Sensationen verl<strong>an</strong>gt», wie de<br />
Lorenzo sagt, o<strong>der</strong> dadurch berechtigt, dass<br />
«in dieser Gesellschaft alles erlaubt und möglich,<br />
alles legitim ist», wie die Bildhauerin Bettina<br />
Eichin ausspricht, denn «Kunst ist nie<br />
Av<strong>an</strong>tgarde, Kunst ist immer Postgarde. Kunst<br />
re-agiert und zeigt das, was in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
sowieso vorh<strong>an</strong>den ist» – was hiermit die Dualität<br />
wäre: verpackt in einen Atemzug das Bedürfnis<br />
nach aufschreien<strong>der</strong> Kunst und jenes,<br />
Kunst <strong>an</strong>zuschreien.<br />
Barbara Lussi (19) ist freie Mitarbeiterin des Polykum und<br />
studiert im 2. Semester Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> Universität Zürich. barbara-lussi@bluewin.ch<br />
PerForm<strong>an</strong>Ce KunSt<br />
Schmerzhafte<br />
Katharsis<br />
Ein M<strong>an</strong>n liegt auf einem Operationstisch,<br />
wird von Roboterärmen gefoltert, vergewaltigt<br />
und schliesslich durch einen Fleischwolf<br />
getötet. Dies <strong>der</strong> Inhalt des verbotenen Musikvideos<br />
zum Song «Happiness In Slavery»<br />
<strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen Industrial-B<strong>an</strong>d Nine<br />
Inch Nails. Die Folter ist echt, <strong>der</strong> Tod Special<br />
Effect. Der gefolterte M<strong>an</strong>n im Video ist<br />
Bob Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong>. Er ist Schriftsteller und Perform<strong>an</strong>cekünstler.<br />
Und unheilbar kr<strong>an</strong>k.<br />
Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> leidet seit seiner Geburt <strong>an</strong><br />
<strong>der</strong> Erbkr<strong>an</strong>kheit Mukovisdizose, die Ärzte<br />
gehen von wenigen Lebensjahren aus. Die<br />
Kr<strong>an</strong>kheit bereitet Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> sogar beim<br />
Atmen Schmerzen. Die Luft ist knapp, ein<br />
täglicher Kampf, den <strong>der</strong> hagere Kalifornier<br />
ficht.<br />
Heilsames algetikum<br />
Bereits früh wendet sich Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> dem<br />
Sadomasochismus zu. In ihm findet er einen<br />
Weg, die unsäglichen Schmerzen auszuhalten:<br />
Indem er sich selbst kontrollierte<br />
Schmerzen zufügt. Als er die Fotografin<br />
Sheree Rose kennenlernt, übernimmt diese<br />
in den darauffolgenden Jahren ihrer Partnerschaft<br />
diese Aufgabe. Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> überschreibt<br />
ihr die g<strong>an</strong>ze Macht über seinen<br />
Körper und Geist. «Für Bob hatte <strong>der</strong> SM<br />
mehr als nur eine sexuelle Komponente.<br />
Schon früh hat er mit Masturbation die Erfahrung<br />
gemacht, dass ihm dies nicht nur<br />
Lust, son<strong>der</strong>n bis zu einem gewissen Grad<br />
auch Kontrolle über seine Schmerzen verschafft.<br />
Durch den SM hat er die Schmerzen<br />
erotisiert und somit einen Weg gefunden,<br />
KunSt<br />
13<br />
mit seiner Situation umzugehen – um des<br />
blossen Überlebens willen.»<br />
Der praktizierte SM ist nicht nur Ausdruck<br />
sexueller Wünsche und Mittel im<br />
Kampf gegen die Kr<strong>an</strong>kheit, Rose und Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong><br />
machen daraus Kunst. Die auf Fotos,<br />
Filmen und in Installationen festgehaltenen<br />
Aktivitäten werden in den bek<strong>an</strong>ntesten<br />
Museen <strong>der</strong> USA ausgestellt. In den letzten<br />
Jahren vor Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong>s Tod erreicht das ungewöhnliche<br />
Kunstschaffen des Paares in<br />
einem Dokumentarfilm seinen Höhepunkt.<br />
Rose filmt Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> beinahe je<strong>der</strong>zeit. Der<br />
Grat zwischen Bewun<strong>der</strong>ung und Schockierung<br />
ist schmal, wenn m<strong>an</strong> Zeuge wird, wie<br />
Rose ihrem Lebensgefährten, <strong>der</strong> zu diesem<br />
Zeitpunkt kaum mehr fähig ist, zu atmen,<br />
ihre Initialen in seine Brust schlitzt o<strong>der</strong><br />
ihm wie<strong>der</strong>holt mit geballter Faust in den<br />
Bauch schlägt.<br />
Auch das Sterben ist im Film zu sehen.<br />
Die wichtigste Szene, so Rose, fehle jedoch;<br />
Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> habe noch am Totenbett den <strong>an</strong>wesenden<br />
Freunden eine Perform<strong>an</strong>ce gehalten,<br />
die alle zum Lachen brachte. Ein<br />
ungewöhnliches, wenn auch explizites<br />
Zeugnis grosser Willensstärke. «Was ich am<br />
meisten von Bob gelernt habe, war, dass<br />
die Kraft des Geistes jedes Hin<strong>der</strong>nis überwinden<br />
k<strong>an</strong>n. Und dass die Akzept<strong>an</strong>z von<br />
einem selbst viel wichtiger ist als das, was<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>e Leute denken.»<br />
M<strong>an</strong> mag sich ob dieser unüblichen<br />
Waffe, die Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> im Kampf gegen seine<br />
Kr<strong>an</strong>kheit <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dt hat, empören. Auch<br />
wenn es nicht nachvollziehbar bleibt, so ist<br />
dennoch festzuhalten: Dem Leidtragenden<br />
hat’s geholfen. Unzählige Prognosen <strong>der</strong><br />
Ärzte hat Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> überlebt – bis auf die<br />
letzte. (il)<br />
www.shereerose.com<br />
mutiger alchemist: Bob Fl<strong>an</strong>ag<strong>an</strong> (1952 – 1996) hat sein Leiden in Kunst verw<strong>an</strong>delt.
KunSt<br />
14<br />
Popmusik mit<br />
Kunst-<strong>an</strong>spruch<br />
Popmusik erschöpft sich nicht zwingend im b<strong>an</strong>alen<br />
3-Minuten-Verkaufsschlager-Modell. Bemerkenswerte<br />
Konzepte alternativen Programms verdienen Gehör. Kein einvernehmen mit traditionellen Hörgewohnheiten: Künstler<br />
Von Rudolf Merkle<br />
Zumeist be<strong>an</strong>sprucht die Pop-Industrie<br />
nichts mehr, als mit kurzen, eingängigen,<br />
simpel funktionierenden singulären Songs<br />
zu unterhalten und ein grösstmögliches Publikum<br />
t<strong>an</strong>zen zu machen. Immer wie<strong>der</strong> kritisieren<br />
und kritisierten Künstler ebendieses<br />
rein kommerziell orientierte Grundmuster, insofern<br />
sie einzelne Stücke ihres Œuvres als<br />
Teil eines Gesamtkonzepts verst<strong>an</strong>den. Etwa<br />
Repräsent<strong>an</strong>ten dessen, was m<strong>an</strong> als Intelligent<br />
D<strong>an</strong>ce Music (IDM) versteht (bisweilen<br />
als Electronica klassifiziert), o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gothic-<br />
Bewegung verl<strong>an</strong>gen vom Zuhörenden ein<br />
differenzierteres Rezeptionsverhalten. Vielleicht<br />
wird <strong>der</strong> Konsument diesem Anspruch<br />
am ehesten gerecht, <strong>der</strong> sich bereit zeigt, Unerwartetes,<br />
Ungehörtes, mithin Unerhörtes zu<br />
akzeptieren und zu delektieren.<br />
gitarre auf abwegen<br />
Selbstredend finden sich im zeitgenössischen<br />
populären Rock sogar aus ökonomischer<br />
Perspektive erfolgreiche Exempla<br />
einer Musik, die komplexere Formen und Inhalte<br />
bevorzugt. Unbestritten ist zum Beispiel<br />
die Bedeutung von Led Zeppelin. Sich um jegliche<br />
Stilgrenzen scherend, beeinflussten <strong>der</strong>gestalt<br />
die Briten den Hard Rock, Heavy Metal<br />
und Progressive Rock massgeblich. Was das<br />
Ensemble etwa mit Prince verbindet, ist, sich<br />
den Us<strong>an</strong>cen <strong>der</strong> Musikindustrie entzogen<br />
und sich stärker auf Inhalte denn auf Absatz<br />
konzentriert zu haben.<br />
Den Willen zu durchdachtem Musizieren mit<br />
intellektuellem Anspruch mag m<strong>an</strong> für die<br />
jüngere Zeit wohl mit Fug und Recht <strong>der</strong> renommierten<br />
englischen Gitarren-B<strong>an</strong>d Radiohead<br />
unterstellen. Ihre teils vertrackten,<br />
mehrschichtigen, nichtsdestoweniger überwiegend<br />
melodischen Experimente zeitigen<br />
trotz o<strong>der</strong> gerade wegen ihres av<strong>an</strong>tgardistischen<br />
Charakters erstaunlichen Erfolg. Dies<br />
ist kaum hi<strong>nr</strong>eichend mit <strong>der</strong> Subst<strong>an</strong>z <strong>der</strong><br />
Musik zu erklären, son<strong>der</strong>n dürfte ebenso mit<br />
medialen und distributiven (Internet) Prozessen<br />
zu begründen sein. Verfolgt m<strong>an</strong> die<br />
Publikationen <strong>der</strong> Kultb<strong>an</strong>d, konstatiert m<strong>an</strong>,<br />
wie ihre Songs eine stetig kompliziertere Architektur<br />
entwickeln; insbeson<strong>der</strong>e die Pop<br />
und Rock eignenden Repetitionen sind qu<strong>an</strong>titativ<br />
ausgedünnt, was das Hören nicht eben<br />
vereinfacht.<br />
Dessen ungeachtet bleiben die Instrumentarien<br />
<strong>der</strong> elektronischen Verfahren interess<strong>an</strong>ter.<br />
integrale und irritierende<br />
Kunstwerke<br />
1970 sondierte die deutsche Gruppe<br />
Kraftwerk, zumindest für eine breitere Öffentlichkeit,<br />
tonale Terra incognita: Die musikalische<br />
Zukunft präsentierte sich nunmehr digital.<br />
Am Projekt Kraftwerk ist alles artifiziell:<br />
Die Musik ist gleichsam nicht mehr h<strong>an</strong>dgemacht<br />
erzeugt, son<strong>der</strong>n entstammt steckdosenabhängigen<br />
Rechnern, die Protagonisten<br />
entledigen sich alles Org<strong>an</strong>ischen und ge-<br />
bärden sich während <strong>der</strong> Konzerte – m<strong>an</strong> verzeihe<br />
die verbale Provokation – gleichwohl<br />
eitel als futuristische dehum<strong>an</strong>isierte Roboter-Germ<strong>an</strong>en.<br />
Eine seelenlose Maschinerie<br />
ersetzt physikalische Persönlichkeit, Schweiss<br />
tr<strong>an</strong>sformiert sich in statisch aufgeladenen<br />
Staub, das stimmungsabhängige, ergo unberechenbare<br />
Timbre wird vom präzise kalkulierten,<br />
apodiktisch kontrollierten akustischen<br />
Technoidum abgelöst. Während Kritiker monierten,<br />
die populäre Musik sei in einem eigentlichen<br />
Sündenfall endgültig ihrer Authentizität<br />
verlustig geg<strong>an</strong>gen, war die Fachpresse<br />
begeistert und lobte die innovative Bereicherung,<br />
ja fundamentale Neupositionierung<br />
populären Liedgutes. Verblüffend ras<strong>an</strong>t<br />
akzeptierte das öffentliche Auditorium<br />
die ambitionierte Arbeit, indessen sich die<br />
Musiker aus dem Ruhrgebiet in öfter ernster<br />
als ironischer Selbstinszenierung gefielen:<br />
Warhol lässt grüssen. Konsequent loten Kraftwerk<br />
bis heute die Möglichkeiten des elektronischen<br />
Kl<strong>an</strong>ges aus und destruieren die unübersichtliche<br />
postindustrielle Welt kl<strong>an</strong>glich,<br />
um sie hernach kunstvoll minimalistisch<br />
zu rekonstruieren – stets die Konsumenten beziehungsweise<br />
den Absatz des Produktes im<br />
Blick.<br />
Als würdige Eleven Kraftwerks werkelt<br />
ein britisches Duo namens Autechre seit den<br />
Neuzigerjahren mit fragmentarischen Sounds<br />
einfallsreich <strong>an</strong> <strong>der</strong> Erweiterung des Repertoires<br />
<strong>der</strong> elektronischen Musik. Sie stellen<br />
wie AGF, Aphex Twin, Boards of C<strong>an</strong>ada,<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: Autechre
wie etwa Autechre o<strong>der</strong> Radiohead for<strong>der</strong>n von ihren Rezipienten intellektuelles Engagement.<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: Radiohead<br />
Veneti<strong>an</strong> Snares das generative Moment in<br />
den Mittelpunkt, entsagen ferner dem ges<strong>an</strong>glichen<br />
Komplement, suchen vornehmlich auf<br />
ihren ersten Alben kein Einvernehmen mit<br />
traditionellen Hörgewohnheiten, verweigern<br />
sich weitgehend tragenden Harmonien und<br />
fusionieren gewagt Komponenten aus Drum<br />
<strong>an</strong>d Bass, Noise, Trip Hop, Reggae und m<strong>an</strong>nigfaltiger<br />
elektronischer Spielarten. Von <strong>der</strong><br />
Uniformität Kraftwerks haben sich Autechre<br />
verabschiedet. Vielmehr eignet ihren Tracks<br />
<strong>der</strong> unverkennbare H<strong>an</strong>g zum Chaotischen.<br />
Wenn Kraftwerks Textur stampft und die Musiker<br />
den Glamour <strong>der</strong> leeren Marketing-Gesellschaft<br />
eiskalt zelebrieren, paraphrasieren<br />
Se<strong>an</strong> Booth und Rob Brown wagemutig das<br />
Interieur eines Computers. Sich vergnüglich<br />
zur IDM zu bewegen, erfor<strong>der</strong>t sowohl hohe<br />
koordinative Fähigkeiten als auch intellektuelles<br />
Engagement; zum Hörgenuss genügt<br />
Letzteres.<br />
Sexualität, erotik, Schönheit,<br />
Schmerz und tod<br />
Die Form konstituiert sich aus Philippe Fichot<br />
und seiner Lebensgefährtin Éli<strong>an</strong>e P. Seit<br />
Ende <strong>der</strong> Siebzigerjahre zählen die beiden<br />
Fr<strong>an</strong>zosen zu den Pionieren <strong>der</strong> elektronischen<br />
Musik, wobei sie stilistisch durchaus<br />
differierende Alben produziert haben: von<br />
Pop und Ambient über experimentelle, düstere<br />
Electronica, Industrial und Techno bis<br />
hin zur behutsamen Interpretation Joh<strong>an</strong>n<br />
Sebasti<strong>an</strong> Bachs. Im Zentrum <strong>der</strong> Arbeit des<br />
Duos stehen Perform<strong>an</strong>ces, die faktisch in den<br />
Subkulturen des Sadomasochismus und Fetischismus<br />
zu verorten sind. An<strong>der</strong>s als im Pop,<br />
Trip Hop o<strong>der</strong> Electroclash verharrt das sexuelle<br />
Charakteristikum nicht in einem formalisierten,<br />
vulgär provokativen und selbstreferentiellen<br />
Akt, son<strong>der</strong>n fungiert als essentielles<br />
expressives Medium im Gesamtkunstwerk,<br />
in Ergänzung zu den digitalen Klängen,<br />
den deutlich performativen Texten, den T<strong>an</strong>zeinlagen<br />
während Live-Darbietungen, den<br />
elaborierten CD- und Vinyl-Covers, den Videos,<br />
dem Internet-Auftritt und zu Fichots Fotografiebänden.<br />
Elektronische Musik wird<br />
in einen seriösen, tabulosen Diskurs expediert,<br />
<strong>der</strong> zugleich ästhetisierend und konkretisierend<br />
Begierde und Lust abh<strong>an</strong>delt, <strong>der</strong><br />
Schmerz und Tod referiert.<br />
All diesen Projekten ist das Bemühen zu<br />
attestieren, Ideen, gar Ideologien auditiv zu<br />
erfassen und zugänglich zu machen. Das visuelle<br />
Moment k<strong>an</strong>n im Pop eine bedeutende<br />
amplifizierende Funktion übernehmen. Sich<br />
gebührend auf diese Kunst einzulassen, bedarf<br />
<strong>der</strong> gelegentlich nicht zu unterschätzenden<br />
Kunstfertigkeit.<br />
www.myspace.com/myslb<br />
www.myspace.com/dieformofficial<br />
rudolf merkle (40) ist Dozent für Kommunikation sowie<br />
Wirtschaft und Gesellschaft <strong>an</strong> <strong>der</strong> HSW Freiburg. Er ist unser<br />
Fachm<strong>an</strong>n für experimentelle Musik. rudolf.merkle@hefr.ch<br />
KuLturLegi<br />
Kultur für<br />
das schmale<br />
Portemonnaie<br />
Ein Eintritt ins Kunsthaus Zürich kostet<br />
14 Fr<strong>an</strong>ken, ein Konzert durchschnittlich<br />
mindestens 30 Fr<strong>an</strong>ken und ein <strong>Zeitung</strong>sabonnement<br />
monatlich etwa 40 Fr<strong>an</strong>ken.<br />
Dies sind Dinge, von denen die meisten es<br />
sich gewohnt sind, sie sich zu leisten. Personen<br />
allerdings, die unter o<strong>der</strong> am Existenzminimum<br />
leben – allein in Zürich<br />
120’000 Menschen –, haben keine Möglichkeit,<br />
ihrem ohnehin schon knappen<br />
Budget diese Beträge abzutrotzen.<br />
Trotzdem haben auch sie das Recht auf<br />
Zug<strong>an</strong>g zu Kultur. Mit <strong>der</strong> KulturLegi versucht<br />
die Caritas nun, jene Menschen zu<br />
unterstützen.<br />
Die KulturLegi ist ein persönlicher<br />
Ausweis mit Foto, <strong>der</strong> im ersten Jahr<br />
gratis ist und pro Verlängerungsjahr 20<br />
Fr<strong>an</strong>ken kostet. Mit ihr erhalten Besitzer<br />
jeweils mindestens 30 Prozent Rabatt auf<br />
ausgewählte Kultur<strong>an</strong>gebote. Zu den k<strong>an</strong>tonal<br />
über 50 Angebotspartnern <strong>der</strong> KulturLegi<br />
gehören etwa das Opernhaus Zürich,<br />
das Blueballs Festival Luzern o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Blick. Zurzeit sind schweizweit etwa<br />
7000 Legis im Umlauf, wie Projektleiterin<br />
Irène Barmettler erzählt. «Dabei<br />
zeigt sich, dass die Legi quer durch alle<br />
Altersgruppen genutzt wird.» Eine öffentliche<br />
Ausweisung als von Armut betroffene<br />
Person bringt allerdings eine gewisse<br />
Stigmatisierung mit sich, die dazu<br />
führt, dass viele Menschen sich scheuen,<br />
die KulturLegi überhaupt in Anspruch zu<br />
nehmen. Barmettler weiss um die Problematik<br />
Bescheid: «Wir haben aber die<br />
Hoffnung, dass die KulturLegi einmal<br />
ein schweizweit gültiges ‹Kultur-GA› sein<br />
wird, das wie die <strong>Studierenden</strong>- und/<br />
o<strong>der</strong> AHV-Rabatte breit akzeptiert ist und<br />
nicht als Stigmatisierung wahrgenommen<br />
wird.» Dies versuche m<strong>an</strong> mit gezielter<br />
Aufklärung zu erreichen.<br />
Auch Studierende können von <strong>der</strong><br />
KulturLegi profitieren: «Allerdings nur<br />
d<strong>an</strong>n, wenn ein positiver Stipendienentscheid<br />
vorliegt», so Barmettler. Ein Antrag<br />
könne aber auch gestellt werden,<br />
wenn kein solcher vorliege. «Mittels einer<br />
Budgetberechnung lässt sich <strong>der</strong> Anspruch<br />
individuell klären.» Weitere Informationen<br />
zu den Bezugskriterien sind auf<br />
unten stehen<strong>der</strong> Webseite zu finden. (il)<br />
www.kulturlegi.ch<br />
KunSt<br />
15
KunSt<br />
16<br />
Vorstadt-noblesse<br />
Schwamendingen galt in den 40er Jahren in Sachen Ar-<br />
chitektur als Vorzeigequartier. Wie sieht es heute damit<br />
aus? Ein Besuch in Zürichs verlorenem Idyll. Bonjour tristesse: Betonklötze, SVP-Wählerschaft, Fluglärm und hohe Kri<br />
Von Raphael Fuhrer<br />
Schwamendingen ist sicher nicht das,<br />
wor<strong>an</strong> m<strong>an</strong> denkt, wenn von Kunst die Rede<br />
ist. Vielmehr ist es heute <strong>der</strong> Inbegriff des<br />
Zurückgebliebenen, des Verlierens, <strong>der</strong> gesichtslosen<br />
Vorstadt-Tristesse – zumindest für<br />
Nicht-Schwamendinger. Aber vor 60 Jahren,<br />
da war es die architektonische Errungenschaft<br />
Zürichs schlechthin. Die «gute» Stadt war<br />
endlich gebaut: sozial, grün, heimatlich und<br />
mo<strong>der</strong>n.<br />
gartenstadt<br />
Um 1900 entwickelte sich in Europa die<br />
so gen<strong>an</strong>nte Gartenstadt-Bewegung. Den beteiligten<br />
Architekten, Stadtpl<strong>an</strong>ern und Designern<br />
schwebten <strong>der</strong> Stadt vorgelagerte mittelgrosse<br />
Siedlungen vor. Diese sollten möglichst<br />
unabhängig von <strong>der</strong> eigentlichen Stadt<br />
funktionieren und mit allen typisch städtischen<br />
Ei<strong>nr</strong>ichtungen wie etwa Kultur<strong>an</strong>geboten,<br />
Versorgungsbetrieben, Gesundheitsei<strong>nr</strong>ichtungen<br />
und Industrie ausgestattet sein.<br />
Keine Siedlungen für gut betuchte Villenbesitzer<br />
sollten es werden, son<strong>der</strong>n welche für<br />
Arbeiterfamilien. So waren denn auch ausnahmslos<br />
Genossenschaftshäuschen und<br />
–siedlungen vorgesehen, auf <strong>der</strong>en grossflächigen<br />
Grü<strong>nr</strong>äumen Gärten zur Selbstversorgung<br />
<strong>an</strong>gelegt werden sollten. Das Leben<br />
<strong>der</strong> Arbeiterschaft war also genau gepl<strong>an</strong>t: In<br />
jenen Siedlungen sollten sie ein gesundes und<br />
bezahlbares Leben führen, über genügend<br />
Platz verfügen und sich in einer org<strong>an</strong>ischen<br />
Gemeinschaft aufgehoben fühlen. Die Kunst<br />
des guten Lebens sollte nicht länger nur <strong>der</strong><br />
Oberschicht vorbehalten sein und gute Architektur<br />
je<strong>der</strong>m<strong>an</strong>n dienen.<br />
Schwamendingen war bis 1934 ein eigenständiges<br />
Dorf, als es in die Stadt Zürich eingemeindet<br />
wurde. Zehn Jahre später entwickelte<br />
<strong>der</strong> damalige Stadtbaumeister, <strong>der</strong> Architekt<br />
Albert Hei<strong>nr</strong>ich Steiner, einen grossräumigen<br />
Bebauungspl<strong>an</strong> für das Gebiet.<br />
Dieser entst<strong>an</strong>d eindeutig im Lichte <strong>der</strong> Gartenstadt-Idee:<br />
Die Arbeiterfamilien sollten<br />
aus den Innenstadt-Slums befreit und in eine<br />
parkähnliche genossenschaftliche Siedlungsl<strong>an</strong>dschaft<br />
übergeben werden. Dadurch verzehnfachte<br />
sich die Einwohnerzahl <strong>der</strong> ehemaligen<br />
Vorortgemeinde innerhalb weniger<br />
Jahre. Schwamendingen war jedoch nie eine<br />
echte Gartenstadt; es fehlten beispielsweise<br />
die Arbeitsplätze und somit auch die Autarkie<br />
einer perfekten Gartenstadt. Eine radikale<br />
Umsetzung des Gartenstadt-Konzepts war allerdings<br />
auch gar nicht vorgesehen, ebenso<br />
verhielt es sich mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en europäischen<br />
Städten. Die Ästhetik des städtischen Grü<strong>nr</strong>aumes<br />
blieb jedoch bis heute in <strong>der</strong> Theorie<br />
<strong>der</strong> Stadtgestaltung erhalten.<br />
<strong>der</strong> un-ort<br />
Heute ist Schwamendingen ein Stadtkreis,<br />
in dem überdurchschnittlich häufig<br />
die SVP gewählt, <strong>der</strong> von Strassen- und Fluglärm<br />
belastet wird und <strong>der</strong> sich durch einen<br />
hohen Auslän<strong>der</strong><strong>an</strong>teil auszeichnet. Nichts ist<br />
mehr zu spüren vom architektonischen Aufbruch<br />
und <strong>der</strong> visionären künstlerischen Gestaltung.<br />
Das Image ist mies und die Stadtverwaltung<br />
bemüht sich, den Lack wie<strong>der</strong> aufzupolieren.<br />
Und plötzlich taucht er auch wie<strong>der</strong><br />
auf, <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Gartenstadt. «Den Charakter<br />
<strong>der</strong> Gartenstadt erhalten», heisst es<br />
nämlich von Seiten <strong>der</strong> Stadt Zürich. Nikolaus<br />
Wyss, Rektor <strong>der</strong> Hochschule Luzern – Design<br />
& Kunst, ist jedoch skeptisch. Er wohnte über<br />
zw<strong>an</strong>zig Jahre in Schwamendingen. «Schwamendingen<br />
ist zwar begrünt, aber <strong>der</strong> Begriff<br />
‹Gartenstadt› mit Schwamendingen in Verbindung<br />
zu bringen, ist schon sehr konstruiert.»<br />
Zudem müsse m<strong>an</strong> die Realität zur Kenntnis<br />
nehmen: «Entscheidend ist doch <strong>der</strong> Nutzen<br />
dieser Grü<strong>nr</strong>äume. Hier muss m<strong>an</strong> festhalten,<br />
dass diese öffentliche Form <strong>der</strong> Schweizer<br />
Mentalität diametral entgegensteht.» Der<br />
Schweizer brauche nämlich sein eigenes Gärtchen,<br />
in das ihm niem<strong>an</strong>d hineinschaut. In <strong>der</strong><br />
Tat sind vorh<strong>an</strong>dene Grünflächen meist unbelebt:<br />
Wäsche aufhängen, vorbeigehen und<br />
betrachten sind erlaubt – Fussball spielen,<br />
Grillfeste und <strong>an</strong><strong>der</strong>e Aktivitäten aber verboten;<br />
Konflikte sind vorprogrammiert. Wyss<br />
geht sogar so weit zu sagen, die Grü<strong>nr</strong>äume<br />
brächten dem Quartier den Unfrieden. «Was<br />
jedoch nicht heissen muss, dass sie nicht<br />
wichtig wären, aber es braucht auch ein sinnvolles<br />
Nutzungskonzept.» Der erste Schwerpunkt<br />
des Gartenstadtkonzeptes ist, so muss<br />
m<strong>an</strong> heute feststellen, erneuerungsbedürftig.<br />
Aber wie sieht es mit dem zweiten aus, demje-<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: H<strong>an</strong>nes Hübner
minalitätsrate – Schwamendingens Image ist mies.<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong><br />
nigen <strong>der</strong> Genossenschaften? Zwar wird <strong>der</strong><br />
Genossenschaftsbau in Zeiten überborden<strong>der</strong><br />
Mieten noch immer geför<strong>der</strong>t. Das Modell aus<br />
<strong>der</strong> Zeit Steiners führt jedoch in eine Sackgasse.<br />
Der ehemalige Schwamendinger Wyss<br />
erklärt: «Die Mieten <strong>der</strong> Wohnungen sind einkommensabhängig.<br />
Steigt jem<strong>an</strong>d auf und<br />
verdient mehr, muss er für dieselbe bescheidene<br />
Wohnung plötzlich mehr zahlen und<br />
zieht sehr häufig weg. Zurück bleiben d<strong>an</strong>n<br />
diejenigen, die weiter auf günstige Wohnungen<br />
<strong>an</strong>gewiesen sind.» Hinzu kommt, dass<br />
viele dieser Bauten in die Jahre gekommen<br />
sind und reihenweise s<strong>an</strong>iert werden sollten.<br />
Es bietet sich heute also die Ch<strong>an</strong>ce, im<br />
Zuge <strong>der</strong> ohnehin von <strong>der</strong> Stadt Zürich <strong>an</strong>gestrebten<br />
Quartieraufwertung mit g<strong>an</strong>z neuen<br />
Ideen entwe<strong>der</strong> das Vorh<strong>an</strong>dene in einer zeitgemässen<br />
Sprache neu zu entwickeln o<strong>der</strong><br />
aber neue Formen <strong>der</strong> künstlerischen Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung<br />
mit Problemen wie Wohnungsnot<br />
o<strong>der</strong> schlechter sozialer Durchmischung<br />
aufzunehmen. Beides findet in Schwamendingen<br />
bereits statt: Wer durch das Quartier<br />
spaziert, trifft schon jetzt auf gute neue<br />
Architektur – auf <strong>der</strong> einen Seite auf verdichtete<br />
Bauwerke, auf <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en auf neu gebaute<br />
«Gartensiedlungen», die mit dem fliessenden<br />
Überg<strong>an</strong>g von Privatem und Öffentlichem<br />
spielerisch umgehen.<br />
raphael Fuhrer (22) ist Polykum-Redaktor und studiert im<br />
8. Semester Umweltnaturwissenschaften <strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH Zürich.<br />
rafuhrer@student.ethz.ch<br />
PHySiK und KunSt<br />
Konvergierende<br />
divergenzen<br />
Überlegungen zum Kunstaspekt <strong>der</strong> Physik.<br />
Marginale Überlegungen zur Physik in <strong>der</strong><br />
Kunst.<br />
Plakate und Werbetexte, die den Kunstcharakter<br />
<strong>der</strong> Physik herausstreichen, sind bald<br />
<strong>an</strong> je<strong>der</strong> Strassenecke zu sehen. Die Absicht,<br />
mit Farbenpracht und geheimnisträchtigen<br />
Begriffen des Laien Ph<strong>an</strong>tasie zu kö<strong>der</strong>n<br />
und ihn endlich doch noch für das Faszinosum<br />
Physik zu begeistern, ist offensichtlich.<br />
Doch zur Ästhetik <strong>der</strong> Physik gibt es einiges<br />
mehr zu sagen.<br />
offensichtliche Schönheit<br />
Physiker wie Mathematiker seit <strong>der</strong><br />
Antike schwärmen in höchsten Tönen von<br />
Formvollendetheit und absoluter Schönheit<br />
mathematischer Formeln. Dieser Anspruch<br />
hat sich in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne sogar noch<br />
verstärkt. Die Crème de la Crème <strong>der</strong> Physikergilde,<br />
von Einstein über Heisenberg,<br />
Schrödinger und Dirac zu Ch<strong>an</strong>drasekhar,<br />
schrieb sich in einem kühnen Unterf<strong>an</strong>gen<br />
das Prinzip maximaler Eleg<strong>an</strong>z auf<br />
ihre Fahnen. Es gel<strong>an</strong>g ihnen, das Formelgeschwulst<br />
auf ihre Essenz zu reduzieren,<br />
wie sie meinten, und so konnten sie fort<strong>an</strong><br />
das vollständige Aufgehen <strong>der</strong> Natur in <strong>der</strong><br />
Harmonie mathematischer Gesetze bewun<strong>der</strong>n.<br />
Von Dirac stammt <strong>der</strong> Spruch, mathematische<br />
Schönheit sei so wenig zu erklären<br />
wie Schönheit in <strong>der</strong> Kunst, sei aber offensichtlich,<br />
wenn m<strong>an</strong> ihr begegne.<br />
Poetische dimension:<br />
Bildsprache und Sprachbild<br />
Die Faszination <strong>der</strong> Physik liegt auch<br />
in ihrer Sprache. Vor unerklärlichen Phänomenen,<br />
vor fast Undenkbarem hat <strong>der</strong> Physiker<br />
nicht Halt gemacht, son<strong>der</strong>n das Beobachtete<br />
in Worte zu fassen versucht. Der<br />
Akt des Benennens führt zu einer (illusorischen)<br />
Beherrschbarkeit <strong>der</strong> Dinge, einem<br />
Sich-Zu-Eigen-Machen <strong>der</strong> Vorgänge. Grossartige<br />
Wortkreationen wie Asymptotische<br />
Freiheit, Charm Quark, Welle-Teilchen-Dualismus<br />
o<strong>der</strong> Antimaterie triggern die Ph<strong>an</strong>tasie.<br />
Der künstlerische Geist aber sucht<br />
nach einer <strong>an</strong><strong>der</strong>en Form für diese schillernden<br />
Begriffe, die die erfahrbare Realität<br />
durchbrechen.<br />
Einen wie<strong>der</strong>um <strong>an</strong><strong>der</strong>en Zug<strong>an</strong>g<br />
zu Physik und Kunst bieten Grenzphänomene,<br />
Paradoxa und nichtlineare Dynamik<br />
– und dies nicht nur in Form hübsch kolorierter<br />
Bil<strong>der</strong> aus dem Mikroskop. Denn kei-<br />
KunSt<br />
17<br />
neswegs will Kunst Wissenschaft glorifizieren,<br />
indem sie schlicht Forschungsergebnisse<br />
illustriert o<strong>der</strong> Wissen verkörpert. Ihre<br />
Beschäftigung mit Naturwissenschaft ist<br />
immer auch Reflexion, Gegenüberstellung,<br />
augenzwinkerndes In-Frage-Stellen.<br />
«Je<strong>der</strong> mensch ist ein<br />
Wissenschaftler»<br />
Mit ihrem Programm «Rational scientific<br />
Art» verwischte etwa N<strong>an</strong>a Petzet die<br />
Grenzen zwischen Ironisierung und Simulierung<br />
von Wissenschaft und führte die<br />
Verfremdung ad absurdum, als sie 1987 in<br />
München einen fingierten Vortrag über die<br />
(fiktive) Qu<strong>an</strong>tengravitationstheorie des<br />
(fiktiven) nobelpreiswürdigen Professors<br />
Zoschka hielt. Auch ihr Projekt «Reversion<br />
als Realisation negentropischer Prozesse<br />
im makroskopischen Bereich» war mit physikalischem<br />
Wissen unterlegt, das in verdrehen<strong>der</strong><br />
Weise dazu führte, dass selbiger<br />
«Professor» Zoschka nur eine genügend<br />
hohe Anzahl Versuche ausführen musste,<br />
um ein zerbrochenes Weinglas wie<strong>der</strong> zusammenzusetzen.<br />
Rainer Ruthenbeck,<br />
Beuys-Schüler, suchte die mo<strong>der</strong>ne Physik<br />
in <strong>der</strong> Abstraktion einzuf<strong>an</strong>gen und malte<br />
Polaritäten. Herwig Turk erforscht in Installationen<br />
die Kluft zwischen Modell und Realität,<br />
zwischen Sein und Nichts. Audiovisuellen<br />
Rausch gestaltet Sven Sören Beyer von<br />
«phase7 performing.arts», einer Berliner<br />
Künstlercomp<strong>an</strong>y, mit <strong>der</strong> Crossmedia-Oper<br />
«C – The Speed of Light» zu Ehren Einsteins.<br />
Die Liste <strong>der</strong> aufzuführenden Künstler wäre<br />
l<strong>an</strong>g – ist ja schliesslich nicht bloss je<strong>der</strong><br />
Mensch ein Künstler (Beuys 1967) son<strong>der</strong>n<br />
nach Detlef B. Linke (Neurologe und Philosoph)<br />
heute auch je<strong>der</strong> ein Wissenschaftler.<br />
risiko als Lustprinzip<br />
Die gegenseitige Faszination und die<br />
dadurch freiwerdende schöpferische Kreativität<br />
k<strong>an</strong>n die Differenz o<strong>der</strong> sogar Konkurrenz<br />
<strong>der</strong> zwei Gebiete aber nicht überbrücken.<br />
Physik wie Kunst sind bereit, das gängige<br />
System über den Haufen zu werfen,<br />
haben Lust am Risiko. Aber Wissenschaft<br />
bleibt im Gegensatz zur Kunst einer Wahrheit<br />
und den Kriterien des Erfolgs, sicher<br />
auch einer (politischen) Institution verpflichtet.<br />
Physik wie Kunst stellen Fragen,<br />
sie öffnen einen Spiel- und Möglichkeitsraum.<br />
Stellt sich die Frage, wer dessen Regeln<br />
bestimmt. So hat Marcel Duchamps<br />
Ausspruch noch ein halbes Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
später nichts <strong>an</strong> Relev<strong>an</strong>z verloren: «Kunst<br />
ist das einzige, was Leuten übrigbleibt, die<br />
<strong>der</strong> Wissenschaft nicht das letzte Wort überlassen<br />
wollen.» (os)
KunSt<br />
18<br />
Brotlose Kunst<br />
Macht m<strong>an</strong> eine Bäckerlehre, ist m<strong>an</strong> nachher Bäcker.<br />
Bei einem Kunststudium ist das alles nicht so klar. Wir<br />
haben bei drei Künstlern nachgefragt. es führen viele Wege zur Kunst, wie die Curricula von Christi<strong>an</strong> Bolt (Bil<br />
Von Dami<strong>an</strong> Hodel<br />
Nach ihrer Lehre als Informations- und<br />
Dokumentationsassistentin spürte Kathrin<br />
Litzko den Dr<strong>an</strong>g, ihrer Kreativität mehr<br />
Raum zu gewähren. «Die Lehre war gut und<br />
recht, doch ich brauchte einen Kurswechsel»,<br />
erklärt sie. Da sie jedoch nicht genau wusste,<br />
welche Kunstrichtung ihr am meisten zusagen<br />
würde, entschied sie sich für Medienkunst.<br />
Diese beschreibt Litzko folgen<strong>der</strong>massen:<br />
«Aus einem bek<strong>an</strong>nten Medium, zum<br />
Beispiel einem Fernseher, soll etwas Neues,<br />
Unerwartetes geschaffen werden.» Gelehrt<br />
wird sowohl <strong>der</strong> künstlerische als auch <strong>der</strong><br />
technische Umg<strong>an</strong>g mit Ton, Bild und Film.<br />
Ein Studium also, das mit vielfältigen Inhalten<br />
lockte und Kathrin Litzko zuversichtlich<br />
stimmte, dass sich im Laufe des Studiums<br />
ihr Spezialgebiet herauskristallisieren würde.<br />
«Am Anf<strong>an</strong>g des Studiums wusste ich nicht<br />
genau, was mich erwartet. Aber ich hatte das<br />
Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin,<br />
Künstlerin zu werden.»<br />
Leben für die Kunst<br />
«Ich sehe mich nicht als Künstlerin!»,<br />
meint hingegen Studentin Lena Weber. «Ich<br />
war mir zuerst überhaupt nicht sicher, ob ich<br />
überhaupt in Richtung Kunst gehen sollte.»<br />
Schliesslich sagte ihr aber <strong>der</strong> Studieng<strong>an</strong>g<br />
Illustration so sehr zu, dass sie sich bei <strong>der</strong><br />
Kunsthochschule in Luzern bewarb und auch<br />
zugelassen wurde. «Ich hatte kein bestimmtes<br />
Berufsziel, son<strong>der</strong>n entschied mich für dieses<br />
Studium, da es sehr vielfältig ist.» Ähnlich wie<br />
Kathrin Litzko sieht sie es als Basis für verschiedene<br />
Betätigungsfel<strong>der</strong>, die sie interessieren,<br />
wie etwa Fotografie, Film und Animation.<br />
Auch wenn es noch so illusorisch<br />
töne, sagt sie, mache sie das Studium für sich<br />
selbst. «Der Abschluss ist weniger wichtig.<br />
Ich möchte persönlich davon profitieren, um<br />
meine eigene H<strong>an</strong>dschrift zu finden.» Diese<br />
gedenkt sie später eventuell auch in <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
Berufsfel<strong>der</strong>n einzusetzen.<br />
An<strong>der</strong>er Mensch, <strong>an</strong><strong>der</strong>e Geschichte, <strong>an</strong><strong>der</strong>es<br />
Resultat. Auch <strong>der</strong> Zürcher Künstler<br />
Christi<strong>an</strong> Bolt studierte Kunst, aber mit g<strong>an</strong>z<br />
klaren Zielen und Erwartungen. So beschritt<br />
er seinen Weg zur Kunst auch schon einiges<br />
früher als etwa Litzko und besuchte nach <strong>der</strong><br />
obligatorischen Schulzeit die Fachschule für<br />
Holzbildhauerei in Brienz. Ihn faszinierte das<br />
G<strong>an</strong>zheitliche <strong>an</strong> <strong>der</strong> Arbeit: «Bei <strong>der</strong> Bildhauerei<br />
verrichtet m<strong>an</strong> sowohl die geistige<br />
als auch die physische Arbeit und übernimmt<br />
am Schluss auch noch die Ver<strong>an</strong>twortung für<br />
das Geschaffene.» Eine Tatsache, die ihn auch<br />
heute, zw<strong>an</strong>zig Jahre später, immer wie<strong>der</strong><br />
herausfor<strong>der</strong>t.<br />
So weit war er damals aber noch nicht.<br />
Erst nach einigen Jahren reiflicher Überlegung<br />
entschied er sich für die Kunst. Obwohl<br />
die Bezeichnung «reif» vielleicht noch untertrieben<br />
ist. Ihm reichte die rom<strong>an</strong>tische Vorstellung,<br />
ein Künstler zu sein, bei weitem<br />
nicht aus, und wollte davon gefeit sein, aus<br />
jugendlichem Leichtsinn heraus einen über-<br />
hasteten Entscheid zu fällen. Beim Entscheidungsprozess<br />
spielte auch eine Erfahrung<br />
aus seiner Jugend eine Rolle. Mit fünfzehn<br />
Jahren schnupperte Christi<strong>an</strong> Bolt bei<br />
einem 80-jährigen Bildhauer erstmals Atelierluft.<br />
Dabei beeindruckte ihn eine Aussage<br />
des Bildhauers beson<strong>der</strong>s: «Dieser Herr sagte<br />
mir, er würde zwei Sachen in seinem Leben<br />
wie<strong>der</strong> gleich machen: Er würde den gleichen<br />
Beruf erlernen und die gleiche Frau heiraten.»<br />
D<strong>an</strong>n fasste Bolt seinen Entschluss: «Auch ich<br />
konnte mir vorstellen, mich ein Leben l<strong>an</strong>g<br />
<strong>der</strong> Kunst zu widmen und war bereit, alles<br />
dafür zu geben.» Also studierte er die Bildenden<br />
Künste in Carrara, Italien. Obwohl<br />
von seinen Studien begeistert, blieben seine<br />
Erwartungen nüchtern: «Ich erwartete nicht,<br />
dass ich als Künstler die Schule verlassen<br />
würde. Das k<strong>an</strong>n eine Schule nicht!»<br />
niem<strong>an</strong>d, <strong>der</strong> auf einen wartet<br />
Nicht wie erwartet verlief das Studium<br />
für Kathrin Litzko. Noch immer hatte sie<br />
Freude <strong>an</strong> vielen Bereichen, fühlte sich aber<br />
von keinem richtig <strong>an</strong>gesprochen. Zudem<br />
hatte sie schon eine leise Vorahnung, dass erstens<br />
das Leben als Künstlerin weitaus komplexer<br />
ist als <strong>an</strong>genommen und zweitens<br />
dorthin zu gel<strong>an</strong>gen nicht schwierig, son<strong>der</strong>n<br />
fast unmöglich war. «Ich sah ein, dass mir, um<br />
Künstlerin zu sein, das nötige Talent, die Geduld<br />
und <strong>der</strong> Ehrgeiz fehlten.» Die grosse Ernüchterung<br />
kam d<strong>an</strong>n jedoch nach dem Abschluss<br />
2007, als sie voller Euphorie ver-<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bil<strong>der</strong>: Dami<strong>an</strong> Hodel
dhauer), Kathrin Litzko (Medienkunst) und Lena Weber (Illustratorin) beweisen.<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong><br />
geblich versuchte, im Kunstbusiness Fuss zu<br />
fassen. «M<strong>an</strong> war auf einen Schlag alleine mit<br />
seinem Laptop, all das Equipment <strong>der</strong> Schule<br />
fehlte; wo sollte m<strong>an</strong> <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen?»<br />
An diesen Punkt ist Lena Weber noch<br />
nicht gel<strong>an</strong>gt; sie befindet sich im dritten Semester,<br />
«noch im geschützten Umfeld <strong>der</strong><br />
Schule», wie sie sagt. «Mir gefällt <strong>an</strong> <strong>der</strong> Illustration<br />
das Erzählen von Geschichten.» Sie<br />
versteht sich als Vermittlerin zwischen zwei<br />
verschiedenen Interessengemeinschaften. Die<br />
eine möchte <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en etwas mitteilen, die<br />
Form <strong>der</strong> Mitteilung gestaltet die Illustratorin.<br />
Typische Arbeiten sind zum Beispiel Comics,<br />
Storyboards, o<strong>der</strong> Flyer und Plakate.<br />
Viele <strong>der</strong> Studienabgänger werden aber<br />
nicht als Illustratoren tätig sein können. Einige<br />
wechseln zu den Grafikern, einige versuchen<br />
es im Ausl<strong>an</strong>d, o<strong>der</strong> können sich mit<br />
ein paar Aufträgen über Wasser halten – eine<br />
beachtliche Anzahl findet sich aber auch als<br />
Kunstlehrer wie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> sonst irgendwo. Dem<br />
ist sich Lena Weber bewusst, trotzdem beu<strong>nr</strong>uhigt<br />
es sie im Moment nicht. «Natürlich ist<br />
m<strong>an</strong> gewarnt, aber was bleibt mir <strong>an</strong><strong>der</strong>es<br />
übrig, als es so zu nehmen, wie es kommt?»<br />
Vom Student zum Künstler<br />
Christi<strong>an</strong> Bolt kennt zwar kein Rezept,<br />
wie m<strong>an</strong> Künstler wird, aber zumindest einen<br />
Weg – nämlich seinen eigenen. «Während<br />
dem Kunststudium wird m<strong>an</strong> überflutet von<br />
Informationen über Künstler, Museen, Galerien.<br />
Die grösste Herausfor<strong>der</strong>ung war, he-<br />
rauszufinden, welcher Künstler in einem<br />
selber steckt.» Deshalb konzentrierte er sich<br />
vorwiegend auf sich selber. Das alleine genügte<br />
aber natürlich nicht, um Künstler zu<br />
werden. Christi<strong>an</strong> Bolt hatte das Glück, dass<br />
er bereits <strong>an</strong> seinen ersten Ausstellungen Objekte<br />
verkaufen konnte. Getragen von einem<br />
guten Umfeld, geschaffen aus einem Netz von<br />
Händlern, Galeristen, Käufern und Kunstinteressierten,<br />
konnte er seine Kunst entwickeln.<br />
Seit seinem Abschluss 2001 lebt er als freischaffen<strong>der</strong><br />
Künstler.<br />
Kathrin Litzko gel<strong>an</strong>gte schliesslich über<br />
Umwege wie<strong>der</strong> zu ihrem ursprünglichen<br />
Beruf zurück, wo sie sich jetzt für die Leitung<br />
einer Bibliothek in Thun ver<strong>an</strong>twortlich<br />
zeigt. «Im Gegensatz zur Kunst erbringe ich<br />
hier eine eindeutige Dienstleistung für <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />
und erhalte dafür auch echte Anerkennung<br />
und Respekt.» Ihr Pensum ist zurzeit nicht<br />
voll ausgeschöpft. «Die restliche Zeit wäre eigentlich<br />
für künstlerische Betätigung gedacht,<br />
bis <strong>an</strong>hin bin ich aber noch nicht dazu gekommen»,<br />
meint sie schmunzelnd.<br />
dami<strong>an</strong> Hodel (22) ist Polykum-Redaktor und studiert<br />
im 6. Semester Materialwissenschaften <strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH Zürich.<br />
daim@student.ethz.ch<br />
guide<br />
Wie m<strong>an</strong> eine<br />
Vernissage<br />
überlebt<br />
KunSt<br />
Beginnen wir bei <strong>der</strong> Kleidung: Als Besucher<br />
einer Vernissage sollten Sie, dem<br />
Rahmen entsprechend, möglichst einzigartig<br />
gekleidet sein. Kombinieren Sie ein<br />
Hawaiihemd mit Militärhosen von Arm<strong>an</strong>i,<br />
tragen Sie dazu möglichst hohe<br />
Pumps und frisieren Sie die Haare <strong>der</strong>gestalt,<br />
dass sie in alle Himmelsrichtungen<br />
schauen. Eine Goldkette mit dem<br />
Schw<strong>an</strong>z eines toten Nilpferdes um den<br />
Hals und fertig ist das Kunstoutfit, das die<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>en Ausstellungsbesucher glauben<br />
machen wird, sie wüssten, was <strong>der</strong><br />
Künstler mit seinen Werken denn genau<br />
meinte. In <strong>der</strong> Galerie <strong>an</strong>gekommen,<br />
setzen Sie sich ihre Hornbrille auf, stellen<br />
sich mit dem Rücken gegen die Kunstwerke<br />
und schauen cool drein. Machen<br />
Sie auf keinen Fall ihre Angst darüber<br />
sichtbar, etwas Falsches zu tun o<strong>der</strong> zu<br />
sagen. Gratulieren Sie dem <strong>an</strong>wesenden<br />
Künstler um jeden Preis, sagen Sie ihm,<br />
seine Kunstwerke gemahnten <strong>an</strong> Apolls<br />
Schienbein in <strong>der</strong> Freud’schen Phase des<br />
Th<strong>an</strong>atos. Sorgen Sie sich nicht um die Sem<strong>an</strong>tik<br />
Ihrer Rhetorik, bleiben Sie möglichst<br />
kompliziert, ohne dabei mit den<br />
Wimpern zu zucken. Sollte es Ihnen nach<br />
zirka fünf Minuten bereits l<strong>an</strong>gweilig<br />
werden, begeben Sie sich zum Buffet.<br />
Holen Sie sich ein Cüpli, mit dem Sie d<strong>an</strong>n<br />
vor den Gemälden keck weiterposieren.<br />
Machen Sie <strong>an</strong>schliessend auf sich aufmerksam.<br />
Stellen Sie sich vor ein möglichst<br />
nichtssagendes Bild hin und nicken<br />
mit beredtem Schweigen. Bleiben Sie eine<br />
Weile stehen. Sie werden sehen, dass sich<br />
eine Traube Neugieriger um Sie versammelt<br />
und krampfhaft versucht, ihrer Erleuchtung<br />
beizukommen. Wenn Sie noch<br />
einen Schritt weitergehen wollen – Kunst<br />
darf schliesslich alles –, halten Sie eine<br />
spont<strong>an</strong>e Perform<strong>an</strong>ce ab. Kreischen Sie,<br />
entblössen Sie sich, stecken Sie sich Salzst<strong>an</strong>gen<br />
in Nase, Ohren und Hintern, pinkeln<br />
Sie auf den Boden und rennen möglichst<br />
schnell aus dem Gebäude. Die peinlich<br />
berührten Augenzeugen werden in<br />
Ihrer Darbietung den vollendeten Ausdruck<br />
eines verlorenen Menschen sehen,<br />
<strong>der</strong> sich aufgrund seiner sozialen Phobie<br />
als Igel fühlt, <strong>der</strong>owegen ein Angstbisi<br />
macht und sich schliesslich gänzlich von<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft isoliert. Ja, das ist Kunst.<br />
Jetzt haben Sie’s kapiert. Glückwunsch. (il)<br />
19
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: H<strong>an</strong>nes Hübner<br />
Kiffen in<br />
<strong>der</strong> oper<br />
Regisseur Martin Kusej erklärt,<br />
warum m<strong>an</strong> auch heute noch ins<br />
Theater gehen sollte. «drei Viertel aller theateraufführungen sind stinkl<strong>an</strong>gweilig»: Martin Kusej.<br />
Von Lucas Müller<br />
Martin Kusej ist einer <strong>der</strong> wichtigsten<br />
zeitgenössischen Schauspiel- und Oper<strong>nr</strong>egisseure.<br />
Die neuste Inszenierung des 47-jährigen<br />
Österreichers, die Oper «The Rake‘s Progress»<br />
von Igor Strawinsky, feiert am 14. Februar<br />
im Opernhaus Zürich Premiere.<br />
Warum haben Sie «the rake‘s Progress»<br />
inszeniert?<br />
Ich war ursprünglich nicht so ein F<strong>an</strong> von<br />
diesem Stück, aber Nikolaus Harnoncourt hat<br />
es sich unbedingt gewünscht und wir haben<br />
schon sehr viel zusammen gemacht. Wir<br />
haben gemeinsam eine Version erarbeitet, die<br />
ich zum Schluss gut und richtig f<strong>an</strong>d. Hinzu<br />
kommt, dass diese Inszenierung ursprünglich<br />
in Wien gemacht wurde und mich dort die politischen<br />
Zustände so geärgert haben, dass ich<br />
versucht habe, mit den Stück auch g<strong>an</strong>z bewusst<br />
politische Agitation zu betreiben.<br />
inwiefern?<br />
In Österreich und auch hier wird jungen<br />
Leuten versprochen, dass m<strong>an</strong> ohne etwas<br />
dafür zu tun reich, glücklich und berühmt<br />
werden k<strong>an</strong>n, m<strong>an</strong> muss nur irgendwo, möglichst<br />
im Fernsehen, seine Haut verkaufen<br />
und mitspielen. Diese Glücksverheissung, auf<br />
die Millionen Menschen reinfallen, die sie<br />
aber nur ausbeutet, hat mich interessiert; ausserdem<br />
noch, dass in Österreich rechte Politik<br />
so salonfähig geworden ist. Das hat mit <strong>der</strong> Inszenierung<br />
inhaltlich weniger zu tun, aber ich<br />
erhalte mit so einer Ver<strong>an</strong>staltung eine Plattform,<br />
um mich in <strong>der</strong> Öffentlichkeit sehr kritisch<br />
zu äussern – und diese habe ich auch gebraucht.<br />
Wie entwickeln Sie ein regiekonzept?<br />
M<strong>an</strong> muss sich sehr l<strong>an</strong>ge mit dem Stück, dem<br />
Komponisten und vor allem mit <strong>der</strong> Zeit, in<br />
<strong>der</strong> das Stück entst<strong>an</strong>den ist, beschäftigen. Ich<br />
will den ästhetischen Ansatz des Komponisten<br />
verstehen: Warum er so komponiert und<br />
warum er diesen Text wählt.<br />
«The Rake‘s Progress» ist eigentlich ein<br />
relativ altmodisches Stück. Es stammt zwar<br />
aus dem 20. Jahrhun<strong>der</strong>t, aber bezieht sich<br />
vom Kompositions<strong>an</strong>satz auf Strukturen des<br />
ausgehenden 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts, was heute<br />
keinen mehr interessiert und nicht mehr revolutionär<br />
ist.<br />
Wie haben Sie d<strong>an</strong>n «the rake‘s Progress»<br />
inszeniert?<br />
Letztlich war mein Konzept, das Stück «zu benutzen»<br />
und nicht zu interpretieren. Ich erzähle<br />
eine Geschichte, die heute in Zürich o<strong>der</strong><br />
wo auch immer es aufgeführt wird, spielt. Die<br />
Menschen, die sich darin bewegen, sind Menschen<br />
von heute. Eigentlich ist die Oper eine<br />
Kunstform, die einen strengen formalen Ansatz<br />
verl<strong>an</strong>gt. Dass Menschen singen, um mitein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />
zu sprechen, ist abgehoben und realistisch<br />
schwer zu verorten. D<strong>an</strong>n zu sagen,<br />
das spielt im Wohnzimmer eines Typen, <strong>der</strong><br />
kein Geld hat, arbeitslos ist, perm<strong>an</strong>ent ein<br />
paar Joints raucht, fern schaut und nichts im<br />
Leben macht, f<strong>an</strong>d ich interess<strong>an</strong>t.<br />
Wie leiten Sie die Sänger?<br />
Regie zu führen ist für mich Kommunikation,<br />
also <strong>der</strong> Austausch von Information und nicht<br />
Org<strong>an</strong>isation. Es geht darum zu verstehen, in<br />
welchen Zusammenhängen sich Menschen<br />
wie verhalten, welche Persönlichkeiten sie<br />
sind und warum sie so h<strong>an</strong>deln. Schliesslich<br />
braucht es auch noch ein gewisses H<strong>an</strong>dwerk<br />
und eine gewisse Kunstfertigkeit, um die Inszenierung<br />
lebendig zu machen.<br />
Warum sollte m<strong>an</strong> heute noch in die<br />
oper gehen?<br />
Ich glaube, dass das Theater, wenn es gut und<br />
sp<strong>an</strong>nend gemacht ist, tatsächlich eine Kunstform<br />
ist, die uns immer noch verzaubern und<br />
betreffen k<strong>an</strong>n. Ich gebe zu, dass drei Viertel<br />
aller Aufführungen stinkl<strong>an</strong>gweilig sind und<br />
von mittelmässigen Leuten gemacht werden.<br />
Deswegen steht es um das Theater und vor<br />
allem um die Oper m<strong>an</strong>chmal sehr schlecht,<br />
weil sie seit 300 Jahren von sehr reaktionären<br />
Kräften besetzt ist und grössere Mengen von<br />
Menschen ausschliesst – einfach, indem sie<br />
sich ein elitäres, bildungsbürgerliches Mäntelchen<br />
umgehängt hat. Das muss nicht sein.<br />
www.opernhaus.ch<br />
KunSt<br />
Lucas müller (22) ist freier Mitarbeiter des Polykum und<br />
studiert im 6. Semester Chemie <strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH Zürich.<br />
lucasmb@student.ethz.ch<br />
21
<strong>etH</strong>WeLt<br />
22<br />
<strong>etH</strong>welt<br />
JuBiLÄum SaB<br />
50 Jahre<br />
SaB sind ...<br />
... Anlass für einen Rückblick in die<br />
50er Jahre.<br />
Von HR Bänziger, R. Meier und M. Kohler<br />
Zuerst eine Frage: Was heisst denn SAB<br />
überhaupt? Da sind wir schon mitten in <strong>der</strong><br />
Historie. Vor <strong>der</strong> SAB in <strong>der</strong> jetzigen Form gab<br />
es bereits eine Schweizerische Akademische<br />
Buchgenossenschaft SAB. Diese erreichte in<br />
l<strong>an</strong>gen Verh<strong>an</strong>dlungen mit den Buchhändlern,<br />
dass den <strong>Studierenden</strong> in je<strong>der</strong> Buchh<strong>an</strong>dlung<br />
ein Rabatt von zehn Prozent zugest<strong>an</strong>den<br />
wurde. D<strong>an</strong>ach war die Existenz<br />
dieser Genossenschaft nicht mehr nötig, sie<br />
wurde liquidiert. Einige aktive Studierende<br />
hatten die Idee, nun Papeterieartikel und<br />
Ähnliches zu günstigen Preisen <strong>an</strong>zubieten.<br />
Damals herrschte noch strikte Treue zu Listenpreisen<br />
im Detailh<strong>an</strong>del. Also schritt m<strong>an</strong><br />
zur Tat und gründete im Jahre 1959 wie<strong>der</strong><br />
unter dem Namen SAB erneut eine Selbsthilfegenossenschaft.<br />
Von <strong>der</strong> kleinen Verkaufsecke<br />
zum grossen Laden<br />
Am Anf<strong>an</strong>g musste m<strong>an</strong> genügend Kapital<br />
auftreiben. Dies erbettelten die Grün<strong>der</strong><br />
bei VSETH, Fachvereinen und mit viel Mühe<br />
von Einzelmitglie<strong>der</strong>n. Es wurde ein kleiner<br />
Laden <strong>an</strong> <strong>der</strong> Clausiusstrasse 35 gemietet.<br />
D<strong>an</strong>k Wohlwollen <strong>der</strong> ETH-Schulbehörden<br />
konnte später im damaligen Studentenheim<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> Clausiusstrasse 21 eine Verkaufsecke<br />
eröffnet werden. Angeboten wurden Papeterieartikel,<br />
Schreibmaschinen, Schallplatten,<br />
Kunst-Reproduktionen. Dies alles weit unter<br />
den offiziellen Preisen. Dazu kamen Billetts<br />
die SaB-Shops ermöglichen unkompliziertes und<br />
für Polyball, Filmstelle und weitere studentische<br />
Ver<strong>an</strong>staltungen, sowie Autographien,<br />
die von den Fachvereinen herausgegebenen<br />
Skripten zu Vorlesungen. Bis in die 70er Jahre<br />
amtete die SAB auch als Verlag für das Polylie<strong>der</strong>buch.<br />
Schreibmaschinen mögen heute als Antiquitäten<br />
gelten und gerechnet wurde mit Rechenschiebern!<br />
Architekten zeichneten mit<br />
hölzernen Reisschienen, Winkeln, Tuschefüllern,<br />
Zeichenschablonen und A<strong>nr</strong>eibefolien.<br />
1975 kam die Exp<strong>an</strong>sion auf den Hönggerberg.<br />
M<strong>an</strong> wagte den Schritt trotz fin<strong>an</strong>zieller<br />
Belastung <strong>der</strong> Anf<strong>an</strong>gsinvestitionen.<br />
Die SAB konnte sich so auf dem neuen Areal<br />
mit nützlichen Dienstleistungen etablieren.<br />
In dieser Zeit wurde auch das Waren<strong>an</strong>gebot<br />
umorg<strong>an</strong>isiert; SAB, SSD und Polybuchh<strong>an</strong>dlung<br />
ergänzen sich seither in den spezifischen<br />
Sortimenten.<br />
Der nächste grosse Schritt war 1976 <strong>der</strong><br />
Umzug des Hauptgeschäftes von <strong>der</strong> Clausiusstrasse<br />
in die neue Polyterrasse. Damit gab<br />
es endlich genügend Platz, und <strong>der</strong> Laden bef<strong>an</strong>d<br />
sich in einer guten Pass<strong>an</strong>tenlage. Es<br />
wurden nun auch Bindemöglichkeiten in<br />
Selbstbedienung <strong>an</strong>geboten. D<strong>an</strong>k <strong>der</strong> ständig<br />
steigenden Anzahl Studieren<strong>der</strong> wuchs auch<br />
die wirtschaftliche Basis <strong>der</strong> SAB. Boykotte<br />
<strong>der</strong> Liefer<strong>an</strong>ten wie am Anf<strong>an</strong>g waren auch<br />
kein Thema mehr.<br />
Mit <strong>der</strong> zunehmenden Digitalisierung<br />
vieler Arbeitswelten verän<strong>der</strong>te sich <strong>der</strong> Bedarf<br />
<strong>der</strong> <strong>Studierenden</strong> stark. Noch ist das pa-<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: SAB
PoSter
Februar – <strong>13.</strong> märz <strong>2009</strong><br />
agenda <strong>13.</strong><br />
donnerStag 12. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
SamStage 7./14./21. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
donnerStag 26. <strong>FeBruar</strong> <strong>2009</strong><br />
FrÜHJaHrSSemeSter <strong>2009</strong><br />
<strong>etH</strong> Career eVent: PrÄSentationSteCHniK<br />
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präsentiert m<strong>an</strong> richtig? Worauf ist zu achten<br />
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ETH Hauptgebäude, unter <strong>der</strong> Polyterrasse.<br />
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Filmstelle<br />
montag 2. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
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montag 9. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
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T<strong>an</strong>zen. GEP/Alumni Pavillon, Polyterrasse.<br />
17.10 Uhr.<br />
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St<strong>an</strong>dard- und Latin-T<strong>an</strong>zkurse. ASVZ Turnhalle,<br />
ETH Hönggerberg. 18 Uhr und 19.15 Uhr.<br />
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t<strong>an</strong>ZKurS und rueda-WorKSHoP<br />
TANZQUOTIENT<br />
St<strong>an</strong>dardt<strong>an</strong>zkurse 1 und 2, ab 20 Uhr Rueda-<br />
Workshop. GEP/Alumni Pavillon, Polyterrasse.<br />
17.10 Uhr.<br />
tq.vseth.ethz.ch<br />
dienStag 3. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
Freitag <strong>13.</strong> <strong>FeBruar</strong> <strong>2009</strong><br />
Vor<strong>an</strong>KÜndigungen<br />
dienStag 10. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
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19.30. Film um 20 Uhr.<br />
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t<strong>an</strong>ZParty TANZQUOTIENT<br />
St<strong>an</strong>dard- und Latin-T<strong>an</strong>zabend. GEP/Alumni<br />
Pavillon, Polyterrasse. Ab 20 Uhr.<br />
tq.vseth.ethz.ch<br />
dienStag 17. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
La CitÉ deS enF<strong>an</strong>tS PerduS FILM-<br />
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BQM<br />
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<strong>der</strong> Polyterrasse. 17 Uhr.<br />
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mittWoCHSFiLm – nigHt on eartH
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Jeweils mittwochs wird im Auditorium des «Information<br />
Science Laboratory» ein Film gezeigt.<br />
Diese Woche ein Film von Jim Jarmusch, D<br />
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HIT E 51. Film um 19.15 Uhr.<br />
www.sciencecity.ethz.ch/mittwochsfi lm<br />
montag 23. <strong>FeBruar</strong> <strong>2009</strong><br />
BeHind tHe deCKS – dJ Latte Luna<br />
BQM<br />
Party. Indie. Im bQm, ETH Hauptgebäude, unter<br />
<strong>der</strong> Polyterrasse. 17 Uhr.<br />
www.bqm.li<br />
t<strong>an</strong>ZKurS und FreieS t<strong>an</strong>Zen TANZ-<br />
QUOTIENT<br />
St<strong>an</strong>dardt<strong>an</strong>zkurse 1 und 2, ab 20 Uhr freies<br />
T<strong>an</strong>zen. GEP/Alumni Pavillon, Polyterrasse.<br />
17.10 Uhr.<br />
tq.vseth.ethz.ch<br />
Club d’Investissements Média<br />
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1995. 110 min, F/d. Düstere Träume von Caro &<br />
Jeunet. Eintritt 5 CHF. Kino im StuZ2 . Bar offen<br />
ab 19.30. Film um 20 Uhr.<br />
www.fi lmstelle.ch<br />
mittWoCH 25. <strong>FeBruar</strong> <strong>2009</strong><br />
BeHind tHe deCKS – dJ ParadoX BQM<br />
Party. Jazz, Funk & Soul. Im bQm, ETH Hauptgebäude,<br />
unter <strong>der</strong> Polyterrasse. 17 Uhr.<br />
www.bqm.li<br />
mittWoCH 11. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
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Direktorin des Nord-Süd-Zentrums,<br />
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unter <strong>der</strong> Polyterrasse. 20 Uhr.<br />
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Jeweils mittwochs wird im Auditorium des «Information<br />
Science Laboratory» ein Film gezeigt.<br />
Diese Woche ein Film von Jose Padilha, Brasilien<br />
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www.sciencecity.ethz.ch/mittwochsfi lm<br />
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Freitag 6. mÄrZ <strong>2009</strong><br />
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Simulationen durchführt und <strong>an</strong> internationalen<br />
Konferenzen teilnimmt. Nutze die Gelegenheit,<br />
uns und unseren Partner Rol<strong>an</strong>d Berger kennen<br />
zu lernen. ETH Zentrum, HG E 1.1. 19.15 Uhr.<br />
www.mun.ethz.ch<br />
VS<strong>etH</strong>-SeKretariat, -dienStLeiStungen und -KommiSSionen<br />
nightline<br />
Tel. 044 633 77 77<br />
E-Mail: info@nightline.ethz.ch<br />
Internet: www.nightline.ethz.ch<br />
Fotolabors des VS<strong>etH</strong><br />
Analoglabors: ETH Zentrum MM A 97.1–4<br />
(unter <strong>der</strong> Polyterrasse)<br />
Digitalarbeitsplatz: ETH Zentrum LEA F 1<br />
(Leonhardstrasse 15)<br />
E-Mail: fotolabor@ethz.ch<br />
Internet: www.fotolabor.ethz.ch<br />
E-Mail: info@bqm.li<br />
Internet: www.bqm.li<br />
StuZ2 – Studentisches Zentrum<br />
Universitätstrasse 6, ETH Zentrum CAB,<br />
8092 Zürich<br />
Reservationen für den Mehrzwecksaal<br />
‹CABinett› und den Partykeller ‹ABBsolut -<br />
powered by ABB›: Tel. 044 632 42 98<br />
E-Mail: stuz@vseth.ethz.ch<br />
offen Di 12–15 Uhr<br />
Tel. 044 633 45 27<br />
Fax 044 633 11 84<br />
rebeko – rechtsberatungskommission<br />
Beratung <strong>an</strong> <strong>der</strong> Leonhardstrasse 15,<br />
offen Mi 12–14 Uhr (im Semester)<br />
Tel. 044 632 42 88 (nur während <strong>der</strong><br />
Beratungszeit)<br />
E-Mail: rebeko@gmx.ch<br />
Internet: www.unizh.ch/rebeko<br />
eSn Z – erasmus Student network<br />
Zürich<br />
Tel. 044 632 57 94<br />
E-Mail: esn@vseth.ethz.ch<br />
Internet: www.esn.ethz.ch<br />
Polykum – <strong>Zeitung</strong> <strong>der</strong> <strong>Studierenden</strong><br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>etH</strong><br />
ETH Zentrum CAB, 8092 Zürich<br />
Tel. Redaktion 044 632 56 94<br />
Tel. Inserate 044 632 57 53<br />
Fax 044 632 12 27<br />
E-Mail: redaktion@polykum.ethz.ch,<br />
info@polykum.ethz.ch<br />
Internet: www.polykum.ethz.ch<br />
VS<strong>etH</strong>-SeKretariat CaB e 27<br />
Universitätstrasse 6, 8092 Zürich<br />
offen Mo 12–15 Uhr, Mi 12–17 Uhr,<br />
Do 12–15 Uhr, Fr 10–13 Uhr<br />
Semesterferien: Mi 12–17 Uhr, Do<br />
12–15 Uhr<br />
Tel. 044 632 42 98<br />
Fax 044 632 12 27<br />
E-Mail: vseth@vseth.ethz.ch<br />
Internet: www.vseth.ethz.ch<br />
Kulturstelle VS<strong>etH</strong><br />
Tel. 044 632 06 60<br />
Fax 044 632 12 27<br />
E-Mail: info@kulturstelle.ch<br />
Internet: www.kulturstelle.ch<br />
Filmstelle VS<strong>etH</strong>/VSu<br />
Tel. 044 632 42 94<br />
E-Mail: contact@fi lmstelle.ch<br />
Internet: www.fi lmstelle.ch<br />
bQm – Kultur Café und Bar<br />
offen Mo–Do 11–22 Uhr, Fr 11–20 Uhr<br />
Semesterferien: ab 11.30 Uhr<br />
Unter <strong>der</strong> Polyterrasse, Leonhardstr. 34,<br />
ETH Zentrum, 8092 Zürich<br />
VS<strong>etH</strong>-Sekretariat HXe B 5<br />
Einsteinstrasse 4, 8093 Zürich
PoLyKum <strong>nr</strong>. 5/<strong>08–09</strong><br />
uLF – das Buch<br />
Die gesammelten Werke von Polykum-<br />
Cartoonist Thom Grüninger sind als Sammelb<strong>an</strong>d<br />
erhältlich. Das Buch «ULF von Grüninger»<br />
k<strong>an</strong>n im Sekretariat des VSETH im StuZ2 (CAB E27) für 11 Fr<strong>an</strong>ken gekauft werden.
günstiges Einkaufen <strong>an</strong> <strong>der</strong> ETH.<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: BASF SE<br />
pierlose Studieren aber nur eine Fiktion. Der<br />
meistverkaufte Artikel ist auch im <strong>2009</strong> <strong>der</strong><br />
SAB-Notizblock!<br />
Heute sind die SAB-Shops wahrhaftige<br />
Convenience-Discount-Läden und sind offen<br />
für alle, nicht nur für Studierende. Zu kaufen<br />
gibt es vor allem Schreibwaren, aber auch<br />
sonst vieles für den studentischen Arbeitsbedarf.<br />
Die Devise lautet: Qualitätsprodukte zu<br />
möglichst günstigen Preisen. Die Shops sind<br />
montags bis freitags ab 9.15 Uhr geöffnet.<br />
Die SAB-Genossenschaft beschäftigt<br />
sechs Mitarbeiterinnen und ist Ausbildungsort<br />
für eine Detailh<strong>an</strong>delsfachfrau. Als studentische<br />
Non-Profit Org<strong>an</strong>isation ist die SAB in<br />
ETH-Lokalitäten eingemietet und m<strong>an</strong> schätzt<br />
die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> ETH sehr.<br />
Im Jubiläumsjahr ist auch eine grosse<br />
Kundenumfrage gepl<strong>an</strong>t. Ab sofort bis Ende<br />
Jahr gibt es jeden Monat ein zusätzliches Jubiläums<strong>an</strong>gebot.<br />
Der Auftakt ist am 19. Februar<br />
<strong>2009</strong> mit zusätzlich zehn Prozent bei Barbezahlung<br />
(o<strong>der</strong> Debitkarten).<br />
Das SAB-Team bed<strong>an</strong>kt sich für die Kundentreue,<br />
und lädt alle ein, die Angebote auch<br />
in Zukunft zu nutzen.<br />
www.sab.ethz.ch<br />
Hr Bänziger (ehem. Student, Genossenschafter, ehem. Geschäftsführer<br />
<strong>der</strong> SAB), ruth meier (Geschäftsführerin<br />
SAB), dr. michael Kohler (ehem. Student, Vizepräsident<br />
SAB). sab@sab.ethz.ch<br />
Wir n<strong>an</strong>nten eS arBeit iii<br />
unser Vokabular<br />
Als ich eines Tages nach dem Mittagessen<br />
in die Gar<strong>der</strong>obe<strong>nr</strong>äume im Keller ging, um<br />
meine <strong>Zeitung</strong> zu holen, lag dort auf einer<br />
<strong>der</strong> Sitzbänke <strong>der</strong> Labor<strong>an</strong>t von neben<strong>an</strong>,<br />
bei seinem Kopf tickte ein Wecker. Es war<br />
ein bisschen gruselig, ihn dort so zu sehen,<br />
er ist auch etwas gruselig, wenn er nicht<br />
schläft, aber in diesen gedrungenen Gar<strong>der</strong>obe<strong>nr</strong>äumen,<br />
wo zwischen den Spinden<br />
nicht viel Platz ist, war es speziell gespenstisch,<br />
ihn dort so liegen zu sehen, ein<br />
wenig wie bei Dracula, nur ohne Sarg. Von<br />
dieser Begebenheit abgesehen sind meine<br />
Arbeitskollegen im Labor hellwache und<br />
ungruselige Pfälzer, mit denen es Spass<br />
macht, zu arbeiten.<br />
grosskalibrige Feinarbeit<br />
Hingeklatschtes «BEH», kurviges<br />
«OAH», d<strong>an</strong>n, singhaft leicht erhoben, das<br />
scharfe «ÄSS», und schliesslich das vokalisierte<br />
«ÄFF», das wie ein feuchter Händedruck<br />
daherkommt. Voilà, das ist die rheinl<strong>an</strong>d-pfälzische<br />
Interpretation unseres Firmennamens,<br />
<strong>der</strong> ja eigentlich rechts-rheinischen<br />
Ursprungs ist («Badische Anilin-<br />
und Sodafabrik»), kurz nach <strong>der</strong> Gründung<br />
1865 jedoch nach Ludwigshafen in<br />
die damals bayrische Rheinpfalz gezogen<br />
ist, wo es vom König erstmal Subventionen<br />
gab. Die Pfälzer («Pälzer» im O-Ton)<br />
dominieren in diesem Betrieb, um sie und<br />
ihren Dialekt kommt m<strong>an</strong> nicht herum. Sie<br />
wohnen zwischen Rebbergen <strong>an</strong> <strong>der</strong> Weinstrasse,<br />
in Fr<strong>an</strong>kenthal, L<strong>an</strong>dau o<strong>der</strong> Speyer<br />
und reisen so von weit her <strong>an</strong>, weil sie sehr<br />
heimatverbunden sind. Die meisten von<br />
ihnen arbeiten hier schon seit mehr als<br />
zehn Jahren. Nach <strong>der</strong> dreijährigen Ausbildung<br />
zum Labor<strong>an</strong>ten werden sie oft direkt<br />
von <strong>der</strong> BASF übernommen. Die Ar-<br />
<strong>etH</strong>WeLt<br />
27<br />
beit meiner Laborkollegen und mir umfasst<br />
die mehrstufige Synthese von Chemikalien<br />
und, wenn ihr Projekt erfolgversprechend<br />
ist, auch das Scaling-Up, das im abteilungseigenen<br />
«Technikum» durchgeführt wird,<br />
einer Pilot<strong>an</strong>lage, in <strong>der</strong> die Reaktionen auf<br />
grösserem Massstab getestet werden. Unsere<br />
Abteilung optimiert also bereits bestehende<br />
Prozesse in ökonomischer und ökologischer<br />
Hinsicht und erweitert <strong>an</strong><strong>der</strong>erseits<br />
über Kunden<strong>an</strong>fragen das Chemikalien-Portfolio<br />
<strong>der</strong> BASF.<br />
Das Chemikalien-Portfolio – jeden<br />
Nachmittag auf <strong>der</strong> Rückfahrt durch das<br />
Werksgelände schnüffele ich mich durch<br />
die halbe Produkt- und Zwischenprodukt-<br />
Palette <strong>der</strong> «Chemical Comp<strong>an</strong>y». Seit <strong>der</strong><br />
zweiten Praktikumswoche nenne ich eines<br />
<strong>der</strong> begehrten BASF-Werksrä<strong>der</strong> mein<br />
Eigen, das ich von meinem Chef bekommen<br />
habe. Auf dem Weg vom Laborgebäude zum<br />
Werkstor in Ludwigshafen fahre ich auf <strong>der</strong><br />
«Anilinfabrikstrasse», wo l<strong>an</strong>ge Kolonnen<br />
von T<strong>an</strong>kwaggons über das Schienennetz<br />
zu den Abfüllstationen <strong>der</strong> Produktionsbetriebe<br />
und zurück zum L<strong>an</strong>deshafen und<br />
Güterbahnhof geschoben werden.<br />
Das Kernkonzept <strong>der</strong> BASF – <strong>der</strong> «Verbund»<br />
– ist ein integriertes Herstellungsund<br />
Verarbeitungssystem, bei dem durch<br />
die räumliche Nähe <strong>der</strong> Fabriken einerseits<br />
sowie durch eine ausgeklügelte Vernetzung<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>erseits ressourcen- und energiesparend<br />
produziert wird. Nebenprodukte<br />
von einer Anlage können als Rohmaterial<br />
für einen zweiten Prozess gleich weiterverwendet<br />
werden. Die BASF betreibt weltweit<br />
neben einer Vielzahl kleinerer Produktionsstätten<br />
sechs Verbundst<strong>an</strong>dorte.<br />
david mrusek (23) ist freier Mitarbeiter des Polykum<br />
und absolviert gerade ein Praktikum bei BASF in Ludwigshafen.<br />
An dieser Stelle berichtet er regelmässig über seine<br />
Erlebnisse während seiner Studienpause.<br />
dr.mrusek@gmail.com<br />
So gross wie 13 Fussballfel<strong>der</strong>: Das Steamcracker-Werk <strong>der</strong> BASF in Ludwigshafen.
Herren-Coiffeur Mona<br />
Universitätstrasse 58<br />
8006 Zürich<br />
Telefon 043 233 87 92<br />
Das Polykum sucht per sofort o<strong>der</strong> nach Vereinbarung eine/n<br />
REDAKTOR/IN,<br />
FOTOGRAF/IN und<br />
ILLUSTRATOR/IN<br />
Zu den Aufgaben gehören das Ei<strong>nr</strong>eichen von zwei bis drei Beiträgen (d.h. Artikel, Fotos o<strong>der</strong><br />
Illustrationen) pro Ausgabe sowie die Teilnahme <strong>an</strong> <strong>der</strong> monatlich stattfindenden Redaktionssitzung.<br />
Ausserdem besteht die Möglichkeit, aktiv <strong>an</strong> <strong>der</strong> Gestaltung des Polykum mitzuwirken.<br />
Wir bieten dir eine <strong>an</strong>gemessene Entlöhnung, interess<strong>an</strong>te Einblicke in den Medienbetrieb und<br />
die Zusammenarbeit mit einem kleinen motivierten Team aus Studenten.<br />
Interessiert? D<strong>an</strong>n schick deine Bewerbung bis spätestens 28.02.<strong>2009</strong> <strong>an</strong>:<br />
Polykum, Iv<strong>an</strong>a Leise<strong>der</strong>, Universitätstrasse 6, 8092 Zürich<br />
(leise<strong>der</strong>@polykum.ethz.ch)
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Bild: Filmstelle<br />
FiLmSteLLe<br />
Bizarre<br />
Welten<br />
Jeden Dienstagabend, Semester für Semester,<br />
öffnet um 19.30 Uhr <strong>der</strong> StuZ 2 . L<strong>an</strong>gsam trudelt<br />
das Publikum ein. Noch stehen die Leute<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> Bar, unterhalten sich. Gegen 20 Uhr<br />
wird d<strong>an</strong>n schrittweise abgedunkelt, bis nur<br />
noch ein auf die Leinw<strong>an</strong>d geb<strong>an</strong>nter Lichtstrahl<br />
Geschichten erzählt. Ein ritualisierter<br />
und doch immer wie<strong>der</strong> magischer Moment<br />
– Kino.<br />
Im vorherigen Zyklus, New York Cinem<strong>an</strong>ia,<br />
st<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Schauplatz «Big Apple» im<br />
Zentrum. Wir begegneten Schauspielern wie<br />
Audrey Hepburn, Dustin Hoffm<strong>an</strong>, Al Pacino<br />
und Robert de Niro, und tauchten in das New-<br />
York-Universum <strong>der</strong> Regisseure Woody Allen,<br />
Luc Besson, Wayne W<strong>an</strong>g und Spike Lee ein.<br />
Diesen Frühling entführt die Filmstelle<br />
euch in f<strong>an</strong>tastische und morbide Welten. Fasziniert<br />
von <strong>der</strong> schon länger <strong>an</strong>haltenden F<strong>an</strong>tasy-Welle<br />
und inspiriert durch den letztjährigen<br />
Besuch des Neuchâtel International F<strong>an</strong>-<br />
tastic Film Festival (Nifff) zeigen wir dieses<br />
Semester Filme, die sich durch den Einbruch<br />
des F<strong>an</strong>tastischen in die Realität auszeichnen.<br />
Es stehen aber nicht «The Lord of the Rings»,<br />
«The Chronicles of Narnia» und «Harry<br />
Potter» für den Zyklus Pate, son<strong>der</strong>n vielmehr<br />
«Sleepy Hollow», «P<strong>an</strong>’s Labyrinth» und «La<br />
Cité des Enf<strong>an</strong>ts Perdus», drei eher unheimliche,<br />
düstere bis bizarre Filme. Und so treffen<br />
wir nun dienstags den kopflosen Reiter aus<br />
Tim Burtons «Sleepy Hollow», verfallen dem<br />
Drogenwahn des Kammerjägers in David Cronenbergs<br />
«Naked Lunch» o<strong>der</strong> hören seltsamerweise<br />
Musik aus einem Loch in <strong>der</strong> W<strong>an</strong>d<br />
eines Kellers im norwegischen Film «The Bothersome<br />
M<strong>an</strong>». Dracula und sein Gefolge<br />
sind mit Rom<strong>an</strong> Pol<strong>an</strong>skis «The Fearless Vampire<br />
Killers» gebucht und «Rusalka», eine russische<br />
mo<strong>der</strong>ne Interpretation <strong>der</strong> Undine Geschichte,<br />
wird unser Herz im Sturm erobern.<br />
Rundum freuen wir uns auf ein märchenhaftes<br />
und mythisches Programm mit f<strong>an</strong>tastischen<br />
Filmen aus aller Welt.<br />
F<strong>an</strong>tastische Kurzfilme<br />
Der Kurzfilm kommt im Kino oft zu kurz.<br />
Einzig <strong>an</strong> Festivals wie den Winterthurer<br />
Kurzfilmtagen o<strong>der</strong> am F<strong>an</strong>toche, dem Internationalen<br />
Festival für Animationsfilm in<br />
Baden, sieht m<strong>an</strong> sie in voller Pracht. Stolz<br />
präsentieren wir dieses Semester vor jedem<br />
Hauptfilm einen f<strong>an</strong>tastischen Kurzfilm. Lasst<br />
euch überraschen!<br />
FiLmProgramm<br />
03. 03. <strong>2009</strong> Sleepy Hollow<br />
10. 03. <strong>2009</strong> La Cité des Enf<strong>an</strong>ts Perdus<br />
mehr infos?<br />
mirjam Schocher, Mitglied <strong>der</strong> Filmstelle,<br />
contact@filmstelle.ch<br />
<strong>etH</strong>WeLt<br />
29
eXtraS<br />
30<br />
extras<br />
gerÜCHt<br />
Weihnachtsstift<br />
Wie<strong>der</strong> ein trauriger Tag im Leben eines<br />
ETH-Studenten. Er sitzt in <strong>der</strong> Eing<strong>an</strong>gshalle<br />
des Hauptgebäudes und versucht,<br />
die Mathematikübungen zu lösen.<br />
Nachdem er mehrere Minuten l<strong>an</strong>g mit<br />
konzentriertem Blick die lineare Differenzialgleichung<br />
erster Ordnung <strong>an</strong>geschaut<br />
hat, hat sie sich immer noch nicht gelöst.<br />
Sein Blick driftet darum weg, erst zu<br />
den runden Säulen, zu den drei Grazien<br />
auf dem Brunnen, und schlussendlich zu<br />
seinem Schreibgerät. Ein blauer Bleistift<br />
mit dem ETH-Logo drauf. Schon komisch,<br />
eine Grafitspitze in einen Holzschaft gezogen<br />
und schon entsteht eines <strong>der</strong> ältesten<br />
Werkzeuge des Menschen. Das<br />
Holz hat sicher eine l<strong>an</strong>ge Reise hinter<br />
sich. Erst ist irgendwo, wahrscheinlich in<br />
einem Wald, aus einem Samen ein Baum<br />
erwachsen. D<strong>an</strong>n wurde er gefällt und geschred<strong>der</strong>t.<br />
Vielleicht war es ein T<strong>an</strong>nenbaum.<br />
Vielleicht sogar ein Weihnachtsbaum.<br />
Hier in <strong>der</strong> Eing<strong>an</strong>gshalle st<strong>an</strong>d doch<br />
auch einmal einer, nicht wahr? War er<br />
nicht mit grossen roten Kugeln beh<strong>an</strong>gen?<br />
Vielleicht. Na ja, egal. An <strong>der</strong> ETH wird ja<br />
nichts weggeworfen, sie haben sogar eine<br />
eigene Klär<strong>an</strong>lage und eine Chemikalie<strong>nr</strong>ückgewinnung.<br />
Wäre es da denn nicht<br />
auch möglich, dass dieser Weihnachtsbaum<br />
...? Nein, das wäre unsinnig. Aber<br />
vielleicht steckt in diesem Stift ja doch<br />
etwas von diesem Weihnachtsbaum? Sicher<br />
nicht die roten Kugeln, aber vielleicht<br />
das harte Kernholz?<br />
So dachte <strong>der</strong> Student nach, über den<br />
alten Weihnachtsbaum, die Wie<strong>der</strong>verwertung<br />
und seinen Bleistifft. Die Differenzialgleichung<br />
hatte sich zwar immer<br />
noch nicht aufgelöst aber immerhin hing<br />
jetzt ein feiner Hauch <strong>der</strong> verg<strong>an</strong>genen<br />
Weihnacht über dem Papier.<br />
mitmachen@polykum.ethz.ch<br />
FugendiCHtung<br />
die Flucht<br />
1.<br />
Schreiben sei:<br />
Das Abbröckeln eines Menschen o<strong>der</strong><br />
seiner Gesellschaft zuzuhören o<strong>der</strong><br />
Nur ein Spiel o<strong>der</strong><br />
Ein Nachhall<br />
Zu Schreiben ist fundamental zwecklos<br />
und eitel. Eine Ablenkung. Ein Lügen; das<br />
Bemühen, eine ungereimte Leere in eine<br />
schwärmerische Fülle zu verw<strong>an</strong>deln.<br />
Schmerzen wird zum Wortspiel! schreit<br />
<strong>der</strong> Füller.<br />
Schreiben ist Sprechen, Sprechen ist Beschreiben.<br />
Wenn das kein hübsches Pärchen<br />
ist.<br />
Schreiben ist aber nicht Beschreiben.<br />
Schreiben ist eine Flucht. Die Finger<br />
werden auf den Füller gesetzt, damit die<br />
H<strong>an</strong>d das Papier durchdringt und auf <strong>der</strong><br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>en Seite die Reinheit findet. Die<br />
Tinte ist des Menschen blaues Blut.<br />
Schreiben ist Suchen nach dem Paradies.<br />
Schreiben ist eine Flucht. Schreiben ist<br />
ein Selbstmord, damit die eigene Seele<br />
durch den Füller hindurch den Körper<br />
verlässt und zur Freiheit gel<strong>an</strong>gt.<br />
Der Mensch ist dazu verdammt, aus dem<br />
eigenen Feigling einen Held zu machen.<br />
Darum schreibt er.<br />
2.<br />
(Trist<strong>an</strong> Tzara, Dada Künstler, 1916, zur<br />
Kunst. Respektlos gekürzte Fassung.)<br />
Die Kunst war <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs noch ein Haselnuss-Spiel,<br />
die Wörter wurden nach den<br />
Klingeln frei zusammengesetzt, d<strong>an</strong>n<br />
entst<strong>an</strong>d die Strophe, d<strong>an</strong>n wurde die<br />
Strophe zur Königin, und d<strong>an</strong>n wurde sie<br />
letztlich zum Wal.<br />
D<strong>an</strong>n kamen die groooossen Kündiger <strong>der</strong><br />
grooossen Gefühle, die geschichtsträchtig<br />
im Chor ausriefen: «Psychologie!!! Psychologie!!!<br />
Hi hi ... Science! Science! Science!<br />
Vive la Fr<strong>an</strong>ce!» Numa Vittoz<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Illustrationen: Tobias Tschopp (oben), Marie Veya (unten)
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Illustration: Marie Veya, Bil<strong>der</strong>: Thomas Tschupp (oben), The Krupa Case (Mitte)<br />
PoLyKÜmLer<br />
PLattenteLLer<br />
<strong>der</strong> nörgLer<br />
magdalena oehen<br />
alter: 23 Funktion: Administratorin, Lektorin Studium: Anglistik, Sinologie, Politikwissenschaften<br />
Freizeitgestaltung: Musik/Literatur/Filme, spazieren mit Lotti, Konzerte besuchen, Kaffee trinken, kochen<br />
und backen musik: zeitlos: Beatles, Jeff Buckley, Andrew Bird, Pavement, Sigur Rós, Cat Power, The<br />
Decemberists aktuell: Fleet Foxes, Beirut, The Bird <strong>an</strong>d the Bee Literatur: Mark Twain, Tolkien, George<br />
Orwell, Haruki Murakami, John Irving, Ottfried Preussler Lieblingszitate: «Das ungeprüfte Leben ist<br />
nicht lebenswert für den Menschen.» (Sokrates) Phobien und ticks: Gewürm, extreme Schreckhaftigkeit<br />
geheime Leidenschaften: Rätselhefte, The Teaching Comp<strong>an</strong>y, GZSZ Helden: Bret und Jemaine<br />
Über sich selbst: Nosce te ipsum.<br />
the Krupa Case – erase & rewind<br />
Soweit ich mich erinnern k<strong>an</strong>n, war es ein Freitag im Dezember des letzten Jahres. Ein guter Kollege org<strong>an</strong>isierte<br />
in Basel einen kleinen, mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> legalen T<strong>an</strong>zabend mit Live-Auftritten zweier einheimischer<br />
B<strong>an</strong>ds. Meine Wenigkeit durfte dazu ein bisschen Musik ab Konserve laufen lassen, um die <strong>an</strong>geheiterte<br />
Menge auf die <strong>an</strong>stehenden Konzerte vorzubereiten. So ergab es sich, dass ich mit Dominique Rudin,<br />
Sänger und Gitarrist <strong>der</strong> B<strong>an</strong>d The Krupa Case, ins Gespräch kam. Da ich hie und da den einen o<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
Text für dieses o<strong>der</strong> jenes Magazin verfasse, schenkte mir Dominique freundlicherweise ein Exemplar ihrer<br />
EP «Erase & Rewind», welche hier vorgestellt werden soll.<br />
«Erase & Rewind» bewegt sich zwischen modischem Britpop, klassischem Alternative-Rock und frechem<br />
Pop. Spont<strong>an</strong> fallen mir die belgischen Mintzkov als Referenz ein. Primär fällt die schwungvoll und<br />
präzise gespielte Leadgitarre auf. Lorenz Aenis leistet durchwegs solide Arbeit, welche vor allem in den teilweise ausufernden Soli bestätigt<br />
wird. Des Weiteren gefällt das konst<strong>an</strong>te, treibende Schlagzeug. Dieses, gepaart mit <strong>der</strong> bequemen Stimme Rudins, den fliessenden<br />
Basslinien sowie <strong>der</strong> ges<strong>an</strong>glichen Unterstützung von Naima Schottlän<strong>der</strong> gibt den Songs eine sehr <strong>an</strong>genehme Lockerheit. Insgesamt<br />
eine überzeugende EP einer jungen, sympathischen Truppe, welche ein weiteres Mal beweist, dass <strong>der</strong> alternative (im Gegensatz<br />
zum populären) Musiknachwuchs in <strong>der</strong> Schweiz als gesichert und krisenfrei betrachtet werden darf.<br />
Interessierte Leser bestellen das Werk bitte unter thekrupacase@gmail.com, sie tun nicht nur einer jungen B<strong>an</strong>d, son<strong>der</strong>n auch<br />
ihrer Plattensammlung was Gutes. D<strong>an</strong>ke sehr. Philipp Gautschi<br />
Worte, Worte …<br />
eXtraS<br />
«Yes, we c<strong>an</strong>!» Das obligate Ausrufungszeichen des offenkundig weltbewegenden Slog<strong>an</strong>s haben<br />
wir natürlich nicht vergessen! Ein Zeichen apropos, das des inflationären Gebrauchs wegen endgültig<br />
<strong>der</strong> Sinnentleerung <strong>an</strong>heimgefallen ist. Sei’s drum. Eben, <strong>der</strong> «Yes-we-c<strong>an</strong>»-Präsident ist<br />
nunmehr in Amt und Würden. Alles wird gut, denn: «Ch<strong>an</strong>ge!» Und weil Milliarden-Investitionen<br />
in heillos veraltete Infrastrukturen, alternative Energien sowie die marode Automobil-Industrie.<br />
Und weil jedem US-Bürger eine Kr<strong>an</strong>kenversicherung. Und weil Bush wie<strong>der</strong> bei<br />
seinen Kühen.<br />
«Yes, he c<strong>an</strong>!» Kaum gewählt, schwadronierte <strong>der</strong> vermeintlich mächtigste M<strong>an</strong>n<br />
<strong>der</strong> Welt über ein weiteres Konjunktur-Programm, das sich tüchtig gewaschen hat. Als<br />
<strong>der</strong> smarte Politiker hingegen um eine Stellungnahme zur Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung zwischen<br />
Israel und <strong>der</strong> Hamas im Gazah gebeten wurde, verwies das 44. Staatsoberhaupt<br />
eleg<strong>an</strong>t darauf, dass sich hierzu einzig <strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ische Präsident zu äussern hätte – und<br />
<strong>der</strong> hiesse noch G. W. Bush. Klug gesprochen, Herr Barack Hussein Obama. Mit einem Engagement<br />
in diesem Konflikt holt m<strong>an</strong> sich für gewöhnlich allein eine blutige Nase, gewiss<br />
keine Lorbeeren. Simpler und populärer ist, Geld zu sprechen, das m<strong>an</strong> nicht besitzt.<br />
«C<strong>an</strong>’t we?» Ein Faktum macht uns nichtsdestotrotz grübeln, drängt nachgerade, griesgrämig<br />
zu fragen: Wo, Herrgott noch eins, steckt <strong>der</strong> helvetische Obama? Findet sich eigentlich<br />
niem<strong>an</strong>d unter Tells Nachwuchs, <strong>der</strong> wortgewaltig genug wäre, positive Visionen zu zeichnen,<br />
das nationale Selbstwertgefühl zu steigern, Hoffnung zu vermitteln, ja, uns zu begeistern? Hierzul<strong>an</strong>de<br />
beschränken sich die rednerischen Meisterleistungen <strong>der</strong> Polit-Kaste auf triste Plakate<br />
mit Krähen und Apfelbäumen.<br />
«We do.» Schon wahr, hiesige Politiker sind mit dürftigem rhetorischem Talent gesegnet,<br />
ihre Auftritte entbehren jeglichen Glamours. Tja, womöglich wird in <strong>der</strong> Schweiz schlicht weniger<br />
geblendet, aber umso mehr agiert.<br />
31
eXtraS<br />
32<br />
VerWorFen<br />
Angenommen, es gäbe eine Gleichung für dein<br />
Leben, eine Lebensgleichung. Sie wäre wohl<br />
kaum linear, die Anzahl unbek<strong>an</strong>nter Parameter<br />
würde ins Unendliche driften, die Dimensionszahl<br />
bliebe strittig, die Wissenschaftler<br />
würden sich nie einig werden, einige<br />
begännen aus Verlegenheit neue Operatoren<br />
zu definieren, um die Gleichung in eine schöne<br />
Form zu bringen, <strong>an</strong><strong>der</strong>e, eifrig neue Supercomputer<br />
zu bauen, nochmals <strong>an</strong><strong>der</strong>e das Problem<br />
in einen supra-existentiellen Raum zu<br />
tr<strong>an</strong>sformieren.<br />
Aber mal <strong>an</strong>genommen, es gäbe so eine<br />
Gleichung, d<strong>an</strong>n wärest du offensichtlich eine<br />
Lösung dieser Gleichung. Du führtest dein<br />
Leben genauso, wie es halt kommt und könntest<br />
nebenher noch immer über Schicksal, Vorbestimmung,<br />
Willensfreiheit und so weiter<br />
nachdenken, g<strong>an</strong>z wie es dein Herz begehrt<br />
o<strong>der</strong> es dein unermüdlicher Verst<strong>an</strong>d erzwingt.<br />
Aus dieser Hypothese haben wir also<br />
nichts gewonnen. Ausser einer Frage, ihres<br />
Zeichens natürlich ebenfalls hypothetisch.<br />
Woher käme denn diese ominöse Lebensgleichung?<br />
(Sol<strong>an</strong>ge wir eine Lösung <strong>der</strong>selben<br />
sind, braucht uns diese Frage auch nicht<br />
zu kümmern.) Nehmen wir mal einen <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
Blickwinkel ein, in dem die Gleichung vom System<br />
gegeben ist (in Anführungszeichen, Systemgegner<br />
aufgepasst!) und vom sich verän<strong>der</strong>nden<br />
System auch beeinflusst wird. Wir, als<br />
potentielle Lösungen, könnten aber durchaus<br />
eine <strong>an</strong><strong>der</strong>e Zeitabhängigkeit besitzen. Als<br />
Folge davon hätten wir zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt plötzlich aufgehört, eine Lösung zu<br />
sein, würden verworfen werden müssen. Existierten<br />
wir auch weiter als unbrauchbare Lösungen?<br />
Würde m<strong>an</strong> uns diese Verworfenheit<br />
<strong>an</strong>sehen, wären wir gebr<strong>an</strong>dmarkt? Würden<br />
wir l<strong>an</strong>gsam verfaulen, im Strassengraben,<br />
besser noch, in <strong>der</strong> Mülltonne um die Ecke? Eigenver<strong>an</strong>twortung<br />
ade, abgegeben <strong>an</strong> ein System,<br />
dessen mathematisches Chaos unerbittlich<br />
fortschreitet, den natürlichen G<strong>an</strong>g <strong>der</strong><br />
Dinge geht, gegenüber welchem unsere Natürlichkeit,<br />
die degradierte Natürlichkeit des<br />
Menschen zu einem hilflosen Aufschrei verkommt.<br />
(os)<br />
Vert<strong>an</strong>Zt<br />
Neulich f<strong>an</strong>d ich den Link zur T<strong>an</strong>zpartnerbörse<br />
des ASVZ . Welch Glück: männlich, St<strong>an</strong>dardt<strong>an</strong>z,<br />
mittleres Niveau. Noch zu haben.<br />
Wir verabreden uns für ein Probet<strong>an</strong>zen<br />
am Bellevue. Es sei gleich um die Ecke.<br />
Denkste! Der erste Eindruck ist ernüchternd.<br />
Gelbe Windjacke, Je<strong>an</strong>s, Sneakers. Wir geniessen<br />
einen Spazierg<strong>an</strong>g in <strong>der</strong> Kälte zum<br />
Paradeplatz. Meinerseits stockt das Gespräch<br />
schon. Mit dem Tram geht’s weiter Richtung<br />
Sihl City. Ich kenne nun alle interess<strong>an</strong>ten Details<br />
zu meiner Begleitung: Jurist von <strong>der</strong> HSG,<br />
Jugendstilwohnung in einer bevorzugten<br />
Wohngegend <strong>der</strong> Stadt ... Die Traumeigenschaften<br />
entpuppen sich als l<strong>an</strong>gweilig.<br />
Anschliessend gehen wir wie<strong>der</strong> spazieren,<br />
denn er findet das Lokal nicht. Und<br />
er will partout niem<strong>an</strong>den fragen. Bereits ist<br />
eine Stunde verg<strong>an</strong>gen, seitdem wir uns am<br />
Bellevue getroffen haben. Ich bin unbeeindruckt,<br />
apathisch und durchgefroren. Am liebsten<br />
würde ich das nächste Tram nach Hause<br />
nehmen. So asozial will ich jedoch nicht sein.<br />
Er könnte mich ja noch beim T<strong>an</strong>zen überraschen<br />
...<br />
Endlich finden wir die T<strong>an</strong>zschule! Vorwiegend<br />
ältere Pärchen walzern in gedämpftem<br />
Licht über das Parkett. Wir bezahlen<br />
den Eintritt, setzen uns mit einem Getränk in<br />
eine Ecke. Ich komme mir vor wie bei einem<br />
Blind Date. Dabei will ich lediglich t<strong>an</strong>zen.<br />
Meine letzte Hoffnung des Abends schwindet,<br />
als wir versuchen, das T<strong>an</strong>zbein zu schwingen:<br />
Keine Sp<strong>an</strong>nung, keine Führung, frei interpretierter<br />
Rhythmus. Die Füsse bezahlen’s. Oft beherrscht<br />
er den Grundschritt nicht, sodass ich<br />
vor Scham in den Boden sinken wollte.<br />
Nach einer Stunde rumtrampeln äussere<br />
ich den Wunsch, nach Hause zu gehen. Es ist<br />
wohl eine hohe Kunst, einen T<strong>an</strong>zpartner zu<br />
finden. (mg)<br />
VVV<br />
VereinnaHmung<br />
Mein aquarellfarbenes Zimmer. Ich höre mich<br />
diese Worte sagen, sie fallen von <strong>der</strong> Zunge,<br />
purzelnd, sie lösen sich mit einem kleinen<br />
Geknister. Ich wie<strong>der</strong>hole die Worte in Ged<strong>an</strong>ken,<br />
irgendetwas stimmt nicht damit. Bedeuten<br />
sie, dass das Zimmer mein Eigentum<br />
ist? Aber es ist eher so, als ob ich zu dem<br />
Zimmer gehören würde, und nicht das Zimmer<br />
zu mir. Es hat Besitz von mir ergriffen, ausgewählt<br />
fühle ich mich eigentlich nicht, noch<br />
erwählt, es hätte auch jem<strong>an</strong>d <strong>an</strong><strong>der</strong>s sein<br />
können. Wenn ich draussen, in <strong>der</strong> Stadt, unterwegs<br />
bin, geht kein Sog davon aus, ich<br />
denke auch nicht dar<strong>an</strong>, <strong>an</strong> das aquarellfarbene<br />
Zimmer.<br />
Verän<strong>der</strong>t habe ich mich, sagen mir<br />
meine Freunde. Ich weiss nicht, wieso ich<br />
dies mit dem Zimmer in Verbindung bringe.<br />
Es hat nicht viele Möbel in dem Zimmer, die<br />
Ecken zwar nicht staubig, aber auch nicht gerade<br />
belebt. Es riecht nach nichts, es ist <strong>an</strong>genehm<br />
kühl, es besteht kein Grund, es nicht zu<br />
mögen. Meine Ged<strong>an</strong>ken erstrecken sich bis zu<br />
den Grenzen des Raumes, es gibt kein Aussen<br />
mehr, viele Ged<strong>an</strong>ken sind es nicht, sie tasten<br />
sich den Wänden entl<strong>an</strong>g. Beson<strong>der</strong>s ruhig ist<br />
es nicht im Zimmer, keine drückende Stille jedenfalls.<br />
Ich habe noch nie jem<strong>an</strong>den eingeladen,<br />
das käme mir seltsam vor, eine Flasche<br />
Wein, ein Besucher, was soll ich damit. O<strong>der</strong><br />
ein Blumenstrauss. Jeden Tag werden die Fenster<br />
ein Stück grösser. Ich gehe kaum noch aus.<br />
Die Schrift <strong>an</strong> <strong>der</strong> W<strong>an</strong>d intrigiert mich<br />
nicht mehr. «Wenn die Backsteine gr<strong>an</strong>atfarben<br />
sind, ist es Zeit» steht da geschrieben,<br />
signiert Q., m<strong>an</strong>chmal bin ich mir allerdings<br />
nicht sicher, ob es nicht eher «Backfische»<br />
heisst. Die Schrift ist <strong>an</strong> gewissen Tagen verschwommen,<br />
<strong>an</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en klar. Nun warte ich,<br />
dass ich unbeschwert sinken k<strong>an</strong>n, keinem<br />
Frieden entgegen. (os)<br />
Mach mit bei VVV!<br />
Hast du kürzlich einen Zahnarzttermin verschlafen, deines Onkels Geburtstag<br />
vergessen o<strong>der</strong> den Kopf verloren? D<strong>an</strong>n schick uns dein V (2 080<br />
Zeichen mit Leerzeichen) <strong>an</strong> vvv@polykum.ethz.ch. Wir veröffentlichen die<br />
besten Texte in den nächsten Ausgaben!<br />
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Illustration: Marie Veya
Polykum Nr. 5/<strong>08–09</strong> Rolf Schwendener<br />
J+Y=I<br />
15<br />
22<br />
38<br />
KreuZFideL<br />
Cruxereien<br />
Auf und nie<strong>der</strong>,<br />
immer wie<strong>der</strong>.<br />
Waagrecht<br />
7 Feinschmecker glauben dem Gerücht,<br />
doch was mal ab, ersetzt sich nicht.<br />
15 Macht er behutsam Schritt um Schritt,<br />
belastet er den Fiskus nicht.<br />
16 Was da im Süden von uns liegt,<br />
hat Son<strong>der</strong>status einst gekriegt.<br />
17 Von Fr<strong>an</strong>kreich in das Baskenl<strong>an</strong>d,<br />
liegt diese Stadt sogleich zur H<strong>an</strong>d.<br />
19 Das da heisst nicht, dass K<strong>an</strong>ton Bern<br />
das machen k<strong>an</strong>n, was er macht gern.<br />
20 Der Herrscher da missbraucht die Macht,<br />
was er so tut in finst’rer Nacht.<br />
21 Vergleich mit David macht uns klar,<br />
dass Goliath ein solcher war.<br />
22 Oft ist die Frage nach dem da<br />
rhetorisch nur und nur Bla-bla.<br />
24 Der Papst sagt, dass es sei zu hoffen,<br />
dass dem die Himmelspforte offen.<br />
26 Das runde Ding macht gross, was klein,<br />
und brennt bei Sonne Löcher rein.<br />
27 Luzernern sie beson<strong>der</strong>s munden,<br />
die kleinen Dingsda, diese runden.<br />
31 Damit <strong>der</strong> Bolzen passt hinein,<br />
muss sie exakt gefräset sein.<br />
32 Ein Zeichen ist’s von Qualität,<br />
je länger sie am Kopfe steht.<br />
35 Ähren büschelt m<strong>an</strong> in Sitten.<br />
Und in Sion? Darf ich bitten?!<br />
7<br />
19<br />
26<br />
39<br />
44<br />
48<br />
Lösungswort<br />
1<br />
31<br />
40<br />
8<br />
41<br />
2<br />
23<br />
45<br />
9<br />
16<br />
27<br />
42<br />
10<br />
32<br />
46<br />
49<br />
38 Was auf <strong>der</strong> Karte kurz und eben,<br />
ist in <strong>der</strong> Tat sehr oft d<strong>an</strong>eben.<br />
39 Sei’s Nahrung, Baustoff o<strong>der</strong> so,<br />
für Schüttgut ist m<strong>an</strong> darum froh.<br />
42 Die Elsa schreit nach ihrem M<strong>an</strong>n,<br />
doch tändelt <strong>der</strong> mit einem Schw<strong>an</strong>.<br />
44 Wer die Person einst ist gewesen,<br />
k<strong>an</strong>n heut’ m<strong>an</strong> im «Don Carlos» lesen.<br />
46 Nicht immer ist, was unten ist,<br />
bedeutungslos und blosser Mist.<br />
47 The papersrea<strong>der</strong> (Optimist!)<br />
hofft, dass es sei, was er so liest.<br />
48 Wie es hier steht, hiess früher schon<br />
das Edelgas namens Radon.<br />
49 Obwohl von männlichem Geschlecht,<br />
sind Hahn und Gockel hier nicht recht.<br />
50 Für Meeresriesen, nimm’s vorweg,<br />
braucht’s mehr als nur ’nen L<strong>an</strong>desteg.<br />
Senkrecht<br />
1 Wer solche gut best<strong>an</strong>den hat,<br />
darf tüchtig feiern in <strong>der</strong> Tat.<br />
2 Propheten sind es viele gar –<br />
dies rat ich Dir, damit es klar.<br />
3 Kein Lebewesen kommt drum rum,<br />
nur Suppenkasper tut so dumm.<br />
4 Das Schweizerheim, oh welche Pein,<br />
k<strong>an</strong>n auch ein kleines Käslein sein.<br />
3<br />
20<br />
28<br />
11<br />
24<br />
4<br />
33<br />
12<br />
21<br />
34<br />
5 In einer Insel in dem See,<br />
da steckt ein Faultier, oh herrje!<br />
6 Ist so für einmal dein Gewissen,<br />
d<strong>an</strong>n nimm es Dir als Ruhekissen.<br />
7 Ob Einhorn, Drache o<strong>der</strong> so,<br />
bei Brehm, da sind sie nirgendwo.<br />
8 Diesen Komplex, m<strong>an</strong> weiss es schon,<br />
gibt’s zwischen Mutter nur und Sohn.<br />
9 Wer nicht «top twenty» ist r<strong>an</strong>giert,<br />
auf solche «Wilde» spekuliert.<br />
10 Tiroler haben keinen Tell,<br />
dafür tut’s <strong>der</strong> <strong>an</strong> seiner Stell’.<br />
11 Nachbars Motto – kurz und bref –<br />
reicht für Mime und Gesöff.<br />
12 Mit dieser ist es nicht weit her,<br />
ist die Gesinnung mehr als quer.<br />
13 Beim Mahlen sind es Nebensachen,<br />
wenn Titellose Leute machen.<br />
14 Damit schlägt Mary ungeniert,<br />
was ihr <strong>der</strong> Bargast offeriert.<br />
18 «Zurück» ruft es <strong>der</strong> Käpt’n laut,<br />
weil S<strong>an</strong>db<strong>an</strong>k ihm den Weg verbaut.<br />
23 Hat m<strong>an</strong> die Hülle abgelöst,<br />
bleibt dieses d<strong>an</strong>n als reiner Rest.<br />
24 Es sei geklagt, denn diese schützen<br />
die gottverdammten . . . . . . schützen.<br />
25 Mit dem und Trug kommt m<strong>an</strong> nicht weit,<br />
weit besser ist die Lauterkeit.<br />
5<br />
25<br />
35<br />
43<br />
50<br />
13<br />
36<br />
6<br />
17<br />
29<br />
18<br />
30<br />
47<br />
Löse den titelvers mit den grauen Fel<strong>der</strong>n waagrecht<br />
fortlaufend. Die schnellste Einsendung <strong>an</strong><br />
cruxereien@polykum.ethz.ch wird mit einem 50-Fr<strong>an</strong>ken-<br />
Gutschein <strong>der</strong> Polybuchh<strong>an</strong>dlung belohnt. Unter allen<br />
weiteren richtigen Einsendungen bis 1. März wird ein<br />
zweiter 50-Fr<strong>an</strong>ken-Gutschein verlost.<br />
gewinner vom letzten mal: Philippe de Roche und<br />
Steffen Oberholzer. Lösung vom letzten Mal: WINTERFERIEN.<br />
14<br />
37<br />
eXtraS<br />
27 Bonn fühlt sich reichlich nun beschissen,<br />
weil dort die Mauer abgerissen.<br />
28 Trotz Rauchverbot ist es nicht dumm,<br />
steht da und dort ein solcher ’rum.<br />
29 Das Kapitol weiss es zu schätzen,<br />
dass diese es einst taten schützen.<br />
30 Der Name lädt zum Spotten ein,<br />
denn «Aennedra» tönt doch so «fein».<br />
32 Mit solchen Zeiten kommst nicht klar,<br />
reihst Du im Geist auch Jahr <strong>an</strong> Jahr.<br />
33 Der Gockel lässt es wissen jeden:<br />
«Ab zw<strong>an</strong>zig lass ich mit mir reden.»<br />
34 Ornithologen sagen hier:<br />
«Trotz Flügel ist’s nicht unser Bier.»<br />
36 Die runde Form, die ist gewollt,<br />
damit m<strong>an</strong> sie zum Bahnhof rollt.<br />
37 Waagrecht eins - fünf zieht hintennach,<br />
womit Unebenes wird flach.<br />
40 Als «Sichler», «Löffler» sind bek<strong>an</strong>nt,<br />
was Ramses einst hat <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt.<br />
41 An seinem Weibe k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sehen,<br />
was bei Missachtung k<strong>an</strong>n geschehen.<br />
43 Dreimal’ges Staunen macht daraus<br />
für Bücher ein begehrtes Haus.<br />
45 Damit erreicht m<strong>an</strong> meistens mehr,<br />
als mit Geschimpfe kreuz und quer.<br />
<strong>der</strong> autor rolf Schwendener ist l<strong>an</strong>gjähriger<br />
Polykum-Mitarbeiter und häufig im<br />
Hauptgebäude <strong>der</strong> ETH <strong>an</strong>zutreffen.<br />
33