Leseprobe "Spinnennetz" von Lars Kepler
4 Der Sund liegt still wie ein Seidenlaken im diesigen Sonnenschein. Die kleine Gesellschaft macht ihr geliehenes Motorboot in einer Bucht an der westlichen Seite der Insel fest. Sie legen die Rettungswesten ab, packen aus und gehen die zehn Schritte über den Sandstrand hinauf bis zum Waldrand, wo sie Rast machen. Emma stützt sich auf die Krücke und überlegt, ob sie den anderen sagen sollte, dass sie noch jung genug sind, um einen Spaziergang von hundert Metern zu schaffen. Samir ist außer Atem und hustet in sein kariertes Taschentuch. Lennart klappt zitternd seinen Stuhl auf und setzt sich, während Sonja ihren gelborangen Mantel ein wenig anhebt, um sich auf einen Stein zu setzen und ihren Rucksack zu öffnen. »Niemand fasst das Essen an, bevor wir da sind«, sagt Lennart. »Ich werde nur ein paar Drogen zu mir nehmen«, antwortet sie und holt eine Pillendose heraus. Sie haben gekochte Eier dabei, Kartoffelsalat, kalte Frikadellen mit Dijonsenf, Thunfischschnittchen und vier Bierflaschen, Pfannkuchenrollen mit Himbeermarmelade, Kaffee in einer Thermoskanne und eine kleine Flasche Cognac. Emma zündet sich eine Zigarette an und blickt auf ihre Fußspuren im Sand zurück, die an Treibholz und Müll vorbeiführen, die hier an Land getrieben sind. Aus größerer Entfernung 34
sieht es so aus, als hätte jemand vor nicht allzu langer Zeit etwas Schweres den ganzen Strand hinauf an den Waldrand geschleppt. »Bernie, manchmal sehe ich alles wie durch eine Glasscherbe«, flüstert sie. Obwohl ihr Mann Bernie verstorben ist, redet sie noch mit ihm. Manchmal öffnet sie den Kleiderschrank und spricht mit seinem Sommeranzug. Vor ihren Freunden behauptet sie, dass ihr die Freiheit gefällt, aber in Wirklichkeit vermisst sie Bernie jeden Tag. »Wollen wir aufgeben und der jungen Generation den ganzen Spaß überlassen?«, fragt Samir. »Nein, verdammt«, antwortet Lennart und steht auf. Emma führt sie um die verwitternden Klippen herum in den windgepeinigten Wald. Ihre Krücke bleibt zwischen zwei Baumwurzeln stecken, die aus dem Boden ragen. Als sie versucht, sie loszureißen, fühlt es sich an, als würde jemand daran ziehen, direkt in den Boden hinein. Kurz überlegt sie, den Ausflug abzubrechen, zu behaupten, dass sie sich nicht gut fühlt, aber dann geht sie doch ein bisschen näher an die Lichtung heran, bevor sie die Gesellschaft wieder rasten lässt. Lennart klappt erneut seinen Stuhl auf, und Samir sagt mit einem Lächeln, dass vor seinen Augen Flecken herumschwirren. »Ich spucke Blut«, murmelt Sonja. Nachdem alle Freunde ihre Partner an den Tod verloren hatten, gründeten sie die Gesellschaft Okkulte Senioren. Ihr Motto: Unser Vorsprung ist der eine Fuß im Grab! Sie reisen zu Orten, die von Geistern heimgesucht werden, nehmen an Seancen teil und treffen sich mit Schamanen. Keiner von ihnen glaubt an Gespenster, aber alle finden es eine spannende Art, Zeit miteinan der zu verbringen, und einige Male haben sie einen richtigen Schrecken bekommen. 35
- Seite 1 und 2: Lars Kepler Spinnennetz
- Seite 3 und 4: Lars Kepler S pi n n e n n e t z Th
- Seite 5: Lars Kepler möchte darauf hinweise
- Seite 9 und 10: 1 Margot Silverman hört, wie die H
- Seite 11 und 12: Er zittert bis ins Mark und weicht
- Seite 13 und 14: »Hallo?« »Ich trockne mich ab«,
- Seite 15 und 16: Catullus hebt unruhig den Kopf, wä
- Seite 17 und 18: 2 Lisa steht mit dem Rücken zum Fe
- Seite 19 und 20: Lisa befindet sich jetzt zusammen m
- Seite 21 und 22: erkennen, die Nase und der gespannt
- Seite 23 und 24: tivbüros in der Norra Stationsgata
- Seite 25 und 26: »Worum geht es?«, fragt er leise.
- Seite 27 und 28: ließ ihn an ihren Ermittlungen tei
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- Seite 31 und 32: »Es gibt keine Fußspuren … und
- Seite 33: »Margot stürzte nach vorn, mit de
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- Seite 41 und 42: Es wird wieder still, und Joona hö
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- Seite 47 und 48: 6 Saga parkt das Motorrad und betri
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- Seite 53 und 54: 7 An den Wochenenden hilft Joona Va
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sieht es so aus, als hätte jemand vor nicht allzu langer Zeit etwas<br />
Schweres den ganzen Strand hinauf an den Waldrand geschleppt.<br />
»Bernie, manchmal sehe ich alles wie durch eine Glasscherbe«,<br />
flüstert sie.<br />
Obwohl ihr Mann Bernie verstorben ist, redet sie noch mit<br />
ihm. Manchmal öffnet sie den Kleiderschrank und spricht mit<br />
seinem Sommeranzug. Vor ihren Freunden behauptet sie, dass<br />
ihr die Freiheit gefällt, aber in Wirklichkeit vermisst sie Bernie<br />
jeden Tag.<br />
»Wollen wir aufgeben und der jungen Generation den ganzen<br />
Spaß überlassen?«, fragt Samir.<br />
»Nein, verdammt«, antwortet Lennart und steht auf.<br />
Emma führt sie um die verwitternden Klippen herum in<br />
den windgepeinigten Wald. Ihre Krücke bleibt zwischen zwei<br />
Baumwurzeln stecken, die aus dem Boden ragen. Als sie versucht,<br />
sie loszureißen, fühlt es sich an, als würde jemand daran<br />
ziehen, direkt in den Boden hinein.<br />
Kurz überlegt sie, den Ausflug abzubrechen, zu behaupten,<br />
dass sie sich nicht gut fühlt, aber dann geht sie doch ein bisschen<br />
näher an die Lichtung heran, bevor sie die Gesellschaft wieder<br />
rasten lässt.<br />
Lennart klappt erneut seinen Stuhl auf, und Samir sagt mit<br />
einem Lächeln, dass vor seinen Augen Flecken herumschwirren.<br />
»Ich spucke Blut«, murmelt Sonja.<br />
Nachdem alle Freunde ihre Partner an den Tod verloren hatten,<br />
gründeten sie die Gesellschaft Okkulte Senioren. Ihr Motto:<br />
Unser Vorsprung ist der eine Fuß im Grab! Sie reisen zu Orten,<br />
die <strong>von</strong> Geistern heimgesucht werden, nehmen an Seancen teil<br />
und treffen sich mit Schamanen. Keiner <strong>von</strong> ihnen glaubt an<br />
Gespenster, aber alle finden es eine spannende Art, Zeit miteinan<br />
der zu verbringen, und einige Male haben sie einen richtigen<br />
Schrecken bekommen.<br />
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