Leseprobe "Spinnennetz" von Lars Kepler
So schön, so großartig, denkt Joona. Er hat schon lange um ihre Hand anhalten wollen, und er glaubt, dass sie mit Ja antworten würde. Aber nicht, wenn sie die Wahrheit über ihn wüsste. Joona kann ihr nicht erzählen, dass er Opium raucht, wenn er das Gefühl hat, dass die Welt mit ihm nur zu einem noch schlechteren Ort wird. Er ist nicht abhängig, kehrt aber trotzdem immer wieder dazu zurück, obwohl er sich jedes Mal vornimmt, es nie wieder zu tun. Er kann den Gedanken nicht ertragen, Valeria zu verlieren oder sie traurig zu machen. Nach dem Gymnasium traf Valeria einen Mann, der einige Jahre älter war als sie, und sie verliebte sich heftig in ihn. Er war drogenabhängig, sie versuchte ihm zu helfen, bekam zwei Söhne, wurde am Ende aber selbst heroinabhängig und landete im Gefängnis, nachdem sie versucht hatte, acht Kilo Hasch aus Estland ins Land zu schmuggeln. Obwohl so viele Jahre vergangen sind, obwohl sie nie einen Rückfall erlitten hat, obwohl sie nach der Haft ihre beiden Söhne alleine erzogen und stets ihre Arbeit erledigt hat, hat sie sich immer noch nicht verziehen. Und sie würde auch ihm niemals verzeihen. Joona weiß selbst nicht, warum er manchmal so tief sinken muss, dass er kurz vor seiner eigenen Auslöschung steht. Er hat versucht, es als eine Art Trauerarbeit wegzuerklären, als wollte er sich seine eigene Schwäche eingestehen, damit er weiterkämpfen kann, aber das ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass mit ihm etwas passierte, als er die Schlinge um Jurek Walters Hals legte. Joona kann immer noch das Echo von Jureks letztem Flüstern hören, wenn er in der Nacht aufwacht. 54
Der Staub steigt in dem flachen Sonnenlicht auf, als Joona beginnt, den Torf hinaufzuschaufeln. Valeria hält inne, streicht sich das Haar aus dem Gesicht und sieht den schmalen, rissigen Asphaltweg hinunter. Ein weißer Kastenwagen nähert sich. Joona lehnt die Schaufel an das Hochbeet, geht zu Valeria hinauf und stellt sich neben sie. »Das ist Erixon«, sagt er. »Wusstest du, dass er kommen wird?« »Nein, aber ich glaube, ich weiß, was er zu berichten hat«, antwortet er. Der Kastenwagen parkt auf dem Wendeplatz, die Tür wird geöffnet und eine Chipstüte fällt zu Boden, bevor Erixon mühsam herausklettert. »Was für einen Ort du hier hast«, sagt er zu Valeria und lässt den Arm kreisen. »Absolut zauberhaft.« »Danke«, erwidert sie mit einem Lächeln. Sie zieht sich einen der Handschuhe aus und gibt ihm die Hand. »Meine Liebe zu unseren Freunden im Pflanzenreich ist leider unerwidert geblieben … Hast du vielleicht auch Plastikblumen?«, scherzt er mit einem traurigen Blick. »Ich kann sie dir nach Hause liefern lassen«, entgegnet sie grinsend. »Sie werden dort trotzdem verwelken«, sagt Joona. »Vermutlich«, seufzt er. Sie wirft Joona einen kurzen Blick zu, um ihm zu zeigen, dass sie die Situation versteht. »Ich gehe schon mal rein und wasche mir den Dreck ab, damit ich Essen kochen kann – du darfst also gerne zum Abendessen bleiben, Erixon«, sagt Valeria und geht zum Haus. Sie sehen ihr nach, bleiben eine Weile schweigend stehen, 55
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So schön, so großartig, denkt Joona.<br />
Er hat schon lange um ihre Hand anhalten wollen, und er<br />
glaubt, dass sie mit Ja antworten würde.<br />
Aber nicht, wenn sie die Wahrheit über ihn wüsste.<br />
Joona kann ihr nicht erzählen, dass er Opium raucht, wenn<br />
er das Gefühl hat, dass die Welt mit ihm nur zu einem noch<br />
schlechteren Ort wird.<br />
Er ist nicht abhängig, kehrt aber trotzdem immer wieder<br />
dazu zurück, obwohl er sich jedes Mal vornimmt, es nie wieder<br />
zu tun.<br />
Er kann den Gedanken nicht ertragen, Valeria zu verlieren<br />
oder sie traurig zu machen.<br />
Nach dem Gymnasium traf Valeria einen Mann, der einige<br />
Jahre älter war als sie, und sie verliebte sich heftig in ihn. Er<br />
war drogenabhängig, sie versuchte ihm zu helfen, bekam zwei<br />
Söhne, wurde am Ende aber selbst heroinabhängig und landete<br />
im Gefängnis, nachdem sie versucht hatte, acht Kilo Hasch aus<br />
Estland ins Land zu schmuggeln.<br />
Obwohl so viele Jahre vergangen sind, obwohl sie nie einen<br />
Rückfall erlitten hat, obwohl sie nach der Haft ihre beiden<br />
Söhne alleine erzogen und stets ihre Arbeit erledigt hat, hat sie<br />
sich immer noch nicht verziehen.<br />
Und sie würde auch ihm niemals verzeihen.<br />
Joona weiß selbst nicht, warum er manchmal so tief sinken<br />
muss, dass er kurz vor seiner eigenen Auslöschung steht.<br />
Er hat versucht, es als eine Art Trauerarbeit wegzuerklären,<br />
als wollte er sich seine eigene Schwäche eingestehen, damit er<br />
weiterkämpfen kann, aber das ist nicht die Wahrheit.<br />
Die Wahrheit ist, dass mit ihm etwas passierte, als er die<br />
Schlinge um Jurek Walters Hals legte. Joona kann immer noch<br />
das Echo <strong>von</strong> Jureks letztem Flüstern hören, wenn er in der<br />
Nacht aufwacht.<br />
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