Leseprobe "Spinnennetz" von Lars Kepler

04.01.2023 Aufrufe

sprechen, damit dieser sie vorübergehend anstellen könnte, bis die Freigabe des Psychologen eintrifft. Eine blutrote Makarow mit neun weißen Kugeln. Die Patronen Makarow 9×18 Millimeter passen in die Pistole Makarow, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion entwickelt wurde und noch heute in modernisierter Form in weiten Teilen der Welt verwendet wird. Der Mörder schlich sich im Stall an Margot heran, schoss ihr ins Rückgrat, schleppte sie nach draußen, lud sie in das Auto und löste ihren Körper auf dem Cholerafriedhof von Kapellskär auf, einhundertzwanzig Kilometer vom Tatort entfernt. Joona leert den Laubeimer in den Kompost und blickt in die Dunkelheit zwischen den Baumstämmen, auf das Blaubeergestrüpp und die Heide, bis der Wald sich vollständig schließt. Ein hektischer Vogel bewegt sich ganz oben in den Ästen der nächstgelegenen Kiefer. Zwei Zapfen fallen zu Boden. Joona wendet sich ab, geht zurück zum Geräteschuppen und hört, wie sich hinter ihm das Gras in seinen Fußspuren wieder aufrichtet. Er hängt den Korb neben den Harken und Rechen auf und sieht zum Haus hinüber. Gelbes Licht fließt aus dem Küchenfenster, und Valerias Schatten bewegt sich über die Gardinen. Er rollt einen Schlauch auf die Winde, bemerkt, dass die Tür des hintersten Gewächshauses geöffnet ist, und wischt sich die Hände an den Hosenbeinen ab. Der Schotterweg knirscht unter seinen Sohlen. Er sieht sich selbst als Silhouette in den Glasscheiben gespiegelt, umrahmt von einem dunstigen Schein aus der Küche. Das scharfe Knattern eines Hubschraubers lässt sich für eine Weile erahnen, dann wird es wieder ruhig. Er geht an der Reihe der Gewächshäuser entlang und bleibt 60

vor dem letzten stehen, das Valeria zum Teil als Aufbewahrungsort verwendet. Die Tür steht offen. Joona sieht hinein und entdeckt eine graue Katze, die um einen Sack mit Hühnermist herumschleicht. Er hält die Tür auf und geht ins Gewächshaus. Der Mittelgang ist mit Betonplatten belegt. Der bittere Duft von Tomatenpflanzen liegt in der Luft. Die Pflanzen streben links und rechts von ihm nach oben, drücken ihre Blätter gegen das Glas. Sie formen einen Gang, der in der Dunkelheit endet. Die Katze ist nicht mehr zu sehen. Ein Relais klickt, und anschließend erklingt das leise Zischen des Bewässerungssystems. Langsam geht er an den schmalen Pflanztischen entlang. Ganz hinten erahnt er den überfüllten Aufbewahrungsraum. Der Abendhimmel über dem Glasdach ist dunkel. Joona geht weiter. Die Katze faucht und verschwindet wieder. Es knackt, als ein Zweig außerhalb des Gewächshauses bricht. Ein Spaten mit einem gebrochenen Stiel steht in einem Kasten aus Holz. Joona bleibt stehen und betrachtet Valerias alte Möbel. Der große Mahagonischreibtisch neigt sich, weil zwei seiner Beine nachgegeben haben. Alles, was auf dem Möbel gestapelt war, ist zu Boden gerutscht. Valerias portugiesische Seemannskiste liegt mit offenem Deckel auf der Seite. Eine blaue Kachel mit einer Kompassrose ist zerbrochen, und ein paar Fotografien sind herausgefallen. Die Tür knarrt, und Joona fährt herum. Er greift nach dem Spatenstiel, lässt ihn aber wieder los, als Valeria die Deckenlampen einschaltet. 61

sprechen, damit dieser sie vorübergehend anstellen könnte, bis<br />

die Freigabe des Psychologen eintrifft.<br />

Eine blutrote Makarow mit neun weißen Kugeln.<br />

Die Patronen Makarow 9×18 Millimeter passen in die Pistole<br />

Makarow, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion<br />

entwickelt wurde und noch heute in modernisierter Form<br />

in weiten Teilen der Welt verwendet wird.<br />

Der Mörder schlich sich im Stall an Margot heran, schoss<br />

ihr ins Rückgrat, schleppte sie nach draußen, lud sie in das Auto<br />

und löste ihren Körper auf dem Cholerafriedhof <strong>von</strong> Kapellskär<br />

auf, einhundertzwanzig Kilometer vom Tatort entfernt.<br />

Joona leert den Laubeimer in den Kompost und blickt in die<br />

Dunkelheit zwischen den Baumstämmen, auf das Blaubeergestrüpp<br />

und die Heide, bis der Wald sich vollständig schließt.<br />

Ein hektischer Vogel bewegt sich ganz oben in den Ästen der<br />

nächstgelegenen Kiefer.<br />

Zwei Zapfen fallen zu Boden.<br />

Joona wendet sich ab, geht zurück zum Geräteschuppen und<br />

hört, wie sich hinter ihm das Gras in seinen Fußspuren wieder<br />

aufrichtet. Er hängt den Korb neben den Harken und Rechen<br />

auf und sieht zum Haus hinüber. Gelbes Licht fließt aus dem<br />

Küchenfenster, und Valerias Schatten bewegt sich über die Gardinen.<br />

Er rollt einen Schlauch auf die Winde, bemerkt, dass die Tür<br />

des hintersten Gewächshauses geöffnet ist, und wischt sich die<br />

Hände an den Hosenbeinen ab.<br />

Der Schotterweg knirscht unter seinen Sohlen.<br />

Er sieht sich selbst als Silhouette in den Glasscheiben gespiegelt,<br />

umrahmt <strong>von</strong> einem dunstigen Schein aus der Küche.<br />

Das scharfe Knattern eines Hubschraubers lässt sich für eine<br />

Weile erahnen, dann wird es wieder ruhig.<br />

Er geht an der Reihe der Gewächshäuser entlang und bleibt<br />

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