Leseprobe "Spinnennetz" von Lars Kepler
»Hier versteckst du dich also«, sagt sie und kommt zu ihm. »Was ist denn passiert?« »Die Beine sind abgebrochen«, sagt er und zeigt darauf. »Ich kümmere mich morgen darum … das Essen ist fertig.« Er hebt die drei Fotografien vom Boden auf und gibt sie ihr. »Da wurde Papa vierzig«, sagt Valeria und zeigt ihm ein Studioporträt ihrer ganzen Familie. »Du solltest es einrahmen.« »Oder dieses hier«, schlägt sie mit einem Lächeln vor. Sie reicht ihm eine blasse Farbfotografie. Valeria ist vielleicht fünf Jahre alt, sie lächelt mit großen Zähnen und hat einen Fußball unter den Arm geklemmt. »Cool«, sagt er und sieht sie an. Sie steht mit gerunzelter Stirn da und betrachtet die letzte Fotografie. Drei Teenagermädchen mit offenem Haar und weißen Kleidern sind ins Wasser hinausgewatet. Sie tragen eine große hellblaue Skulptur, die eine Frau mit einem durchsichtigen Kleid und einem Schleier aus Perlen darstellt. »Bist du das da in der Mitte?«, fragt er. »Nein … das verstehe ich nicht … das hier ist ein bestimmtes Ritual … Mãe de Água, alle kennen es, aber meine Familie hat sich nie damit abgegeben, Papa war da ziemlich streng.« »Sind das deine Freunde?« »Nein … also, ich habe keine Ahnung, ich habe dieses Bild noch nie zuvor gesehen«, sagt sie nachdenklich. 62 * Brandon hat eine Kebab-Pizza Millennium mit extra Soße gegessen und beendet gerade sein fünftes großes Pils im Blå Krogen. Er sitzt dort mit dem Telefon in der Hand, springt von einem
Datingdienst zum anderen und hält die Gespräche am Laufen. Aber niemand ist bereit, sich heute Abend mit ihm zu treffen. Er denkt oft darüber nach, ob er nicht nach Uppsala zurückziehen sollte, schafft es aber nicht richtig, sein Leben in den Griff zu bekommen, und der Job im Seniorenzentrum Kristinagården ist eigentlich ganz in Ordnung. Er hat beschlossen, nie wieder zur Kirche zu gehen, aber seine Gedanken können sich nicht von dem geharkten Kiesplatz lösen, von den schmalen Wegen und den Parkbänken in der Dunkelheit zwischen den Laternenpfählen. Dort hatte er Erik getroffen. Er war Brandons einzige längere Beziehung. Sie hatte sieben Monate gedauert, bis zu dem Sommer, in dem Erik Interrail machen und frei sein wollte. Seit Brandon aufgehört hat zu hoffen, dass Erik zurückkommen würde, begann er beinahe zwanghaft in den Park an der Kirche zurückzukehren. Aber nichts, was es dort gibt, hilft ihm weiter, es stärkt nicht das Selbstwertgefühl, gibt keinen Trost und ist nicht einmal sexuell befriedigend. Im besten Fall intensiv und anstrengend genug, dass er einschlafen kann, wenn er nach Hause kommt. Seine alten Freunde halten sich am Fußballplatz oder im Zentrum von Hallstavik auf. Er möchte ihnen auf gar keinen Fall begegnen, darum hat er sich eine Zuflucht in diesem Teil der Stadt gesucht. Er trinkt den letzten Schluck, steht auf und schiebt den grünen Stuhl an den Tisch, stützt sich mit der Hand an einer der fleckigen Säulen ab, geht über den knirschenden Boden, bedankt sich beim Wirt und verabschiedet sich. Die Spätsommerluft trägt noch den Abendduft der großen Ferien mit sich, der Himmel ist schwarz, ein GB-Eismann aus 63
- Seite 11 und 12: Er zittert bis ins Mark und weicht
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- Seite 61: vor dem letzten stehen, das Valeria
- Seite 65: Ein schwerer Regentropfen, der wie
Datingdienst zum anderen und hält die Gespräche am Laufen.<br />
Aber niemand ist bereit, sich heute Abend mit ihm zu treffen.<br />
Er denkt oft darüber nach, ob er nicht nach Uppsala zurückziehen<br />
sollte, schafft es aber nicht richtig, sein Leben in den<br />
Griff zu bekommen, und der Job im Seniorenzentrum Kristinagården<br />
ist eigentlich ganz in Ordnung.<br />
Er hat beschlossen, nie wieder zur Kirche zu gehen, aber<br />
seine Gedanken können sich nicht <strong>von</strong> dem geharkten Kiesplatz<br />
lösen, <strong>von</strong> den schmalen Wegen und den Parkbänken in<br />
der Dunkelheit zwischen den Laternenpfählen.<br />
Dort hatte er Erik getroffen.<br />
Er war Brandons einzige längere Beziehung. Sie hatte sieben<br />
Monate gedauert, bis zu dem Sommer, in dem Erik Interrail<br />
machen und frei sein wollte.<br />
Seit Brandon aufgehört hat zu hoffen, dass Erik zurückkommen<br />
würde, begann er beinahe zwanghaft in den Park an der<br />
Kirche zurückzukehren.<br />
Aber nichts, was es dort gibt, hilft ihm weiter, es stärkt nicht<br />
das Selbstwertgefühl, gibt keinen Trost und ist nicht einmal sexuell<br />
befriedigend.<br />
Im besten Fall intensiv und anstrengend genug, dass er einschlafen<br />
kann, wenn er nach Hause kommt.<br />
Seine alten Freunde halten sich am Fußballplatz oder im<br />
Zentrum <strong>von</strong> Hallstavik auf. Er möchte ihnen auf gar keinen<br />
Fall begegnen, darum hat er sich eine Zuflucht in diesem Teil<br />
der Stadt gesucht.<br />
Er trinkt den letzten Schluck, steht auf und schiebt den grünen<br />
Stuhl an den Tisch, stützt sich mit der Hand an einer der<br />
fleckigen Säulen ab, geht über den knirschenden Boden, bedankt<br />
sich beim Wirt und verabschiedet sich.<br />
Die Spätsommerluft trägt noch den Abendduft der großen<br />
Ferien mit sich, der Himmel ist schwarz, ein GB-Eismann aus<br />
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