05.01.2023 Aufrufe

FOCUS 02/2023_Vorschau

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

AUSGABE 2 7. Januar 2023 € 4,90

Die Duelle

des Jahres

Baerbock gegen Habeck,

Wüst gegen Merz

und Faeser gegen alle

Benedikt

XVI.

Erinnerungen an

den deutschen Papst,

der die Kirche

erschütterte – und an

der Welt scheiterte

KAMPF UM

ROHSTOFFE

Lithium, Kobalt und

seltene Erden:

So kann Deutschland

seine Abhängigkeit

verringern


Alle FOCUS-Titel to go.

focus-shop.de

JETZT

E-PAPER LESEN:


EDITORIAL

Unser Staat – übermächtig und überfordert

Von Robert Schneider, Chefredakteur

Foto: Peter Rigaud/FOCUS-Magazin

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

sind Sie gut ins neue Jahr gekommen? Für

die allermeisten gilt wohl: besser als viele

Polizisten und Rettungssanitäter in Berlin

und Hamburg, aber auch in Hagen,

Bochum oder Essen. Womit wir beim ersten

großen Thema des neuen Jahres wären:

den Gewaltexzessen, zu denen Horden

zumeist junger Männer die Silvesternacht

missbraucht haben. Die Empörung darüber

schlug hohe Wellen. Die Forderungen

reichten vom bundesweiten Böllerverbot

über die Ausrüstung der Feuerwehr- und

Rettungskräfte mit Bodycams bis zur Verbesserung

der Integrationsanstrengungen.

Offensichtlich hat ein nicht geringer Teil

der Chaoten und Gewalttäter einen Migrationshintergrund.

Nebenbei bemerkt: Ich

darf das noch sagen, der Berliner Polizei

will ein neuer Sprech-Knigge verschiedene

Begriffe rund um die Migration (z. B.

das Wort „Asylbewerber“) untersagen.

Ich glaube allerdings nicht, dass Probleme

dadurch verschwinden, dass man sie

nicht mehr benennt.

Meine Befürchtung ist, dass das Gerede

der vergangenen Tage, das durch den beginnenden

Wahlkampf in Berlin zusätzlich

befeuert wurde, folgenlos bleibt. Diese

Sorge ist schon deshalb begründet, weil

gerade Berlin sich mit dem Phänomen der

Gewaltexplosion in Silvesternächten seit

2017 herumschlägt, die sich auch gegen

Polizei, Feuerwehr und Sanitäter – also

gegen unseren Staat – richtete. Damals

wurden die Gesetze verschärft, der Strafrahmen

auf fünf Jahre erhöht.

Mich würde interessieren, ob dieser

Strafrahmen jemals ausgeschöpft worden

ist. Die 145 von der Berliner Polizei

während der diesjährigen Silvesterrandale

Festgenommenen befanden sich kurz

danach bereits wieder auf freiem Fuß.

Juristisch mag das seine Richtigkeit haben,

aber ich kann jeden Feuerwehrmann und

jeden Rettungssanitäter verstehen, der sich

fragt, ob er sich diesen Job weiter antun

soll. Innenministerin Nancy Faeser (SPD)

meint, dass zusätzliche Verbote und schärfere

Gesetze wenig bringen.

Das ist schon deshalb richtig, weil vieles

schon jetzt verboten ist. So darf man

in Berlin nur von Silvester 18.00 Uhr bis

Neujahr 6.00 Uhr böllern, Verstöße können

mit bis zu 50 000 Euro geahndet werden.

Nicht nur Chaoten und Gewalttäter

lachen darüber sowie über die Ankündigung

der Polizei, man werde auf die strikte

Einhaltung dieser Böllerbegrenzung achten.

Man werde zudem „Brennpunkte“

wie Neukölln im Blick haben. Gebrannt

hat es dort trotzdem.

Und was ist mit dem deutschlandweiten

Verbot, Pyrotechnik in der Nähe von

Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und

Altenheimen abzubrennen? Ob das in

Berlin, Hamburg und anderen Großstädten

eingehalten wurde? Wir wissen es

schon deshalb nicht, weil es nicht durchgesetzt

wird. Doch Verbote, deren Einhaltung

nicht kontrolliert wird, bringen

nichts. Und so richtig es ist, den Migrationshintergrund

der Krawalle zu erhellen,

so illusionär ist die Forderung, die Integrationsarbeit

zu verstärken. Wer soll das

machen? Wir haben jetzt schon zu wenig

Lehrer, Polizisten, städtische Mitarbeiter,

ehrenamtliche Helfer.

Es offenbart sich ein deutsches Paradox:

Der Staat, der in der Corona- und der

Energiekrise übermächtig auftrat, erweist

sich häufig als überfordert. So beschließt

die Politik eine Erhöhung und Ausweitung

des Wohngeldes, doch es fehlen die

Mit arbeiter, damit es rechtzeitig umgesetzt

werden kann. Ähnlich das Bild bei

der Gaspreisbremse, die seit Sonntag gilt,

aber die Bürger erst rückwirkend nach

drei Monaten entlastet.

Derselbe Staat, der Bürger und Wirtschaft

mit einer rekordverdächtigen Bürokratie

belastet, sieht sich nicht in der Lage, die

Grenzen gegen illegale Einwanderung

zu schützen oder die Schulen mit ausreichend

vielen Lehrern zu versorgen. Und

es war die Politik verschiedener Regierungen,

die über viele Jahre durch eine

illusionistische Energiepolitik die Gasmangellage

und das Strompreisroulette

geschaffen hat, die sie jetzt mit Hilfspaketen

bekämpft. Wenige Monate nach der

„Zeitenwende“ durch Ukraine-Krieg und

100-Milliarden-Euro-Wumms für die Bundeswehr

fehlt es den Streitkräften weiter

an Munition – vom Ausfall der modernen

Puma-Panzer ganz zu schweigen. Die

Überforderung des Gesundheitssystems

angesichts der Pandemie, das Digitalisierungsdesaster

sowie die Defizite bei der

Bahn und im Straßennetz kommen hinzu.

Die Diagnose: Die einst weltberühmte

Infrastruktur Deutschlands reicht vorne

und hinten nicht mehr aus. Das ist wie

mit einer zu kurzen Bettdecke: Es macht

keinen Sinn, an ihr zu zerren, denn man

braucht eine größere Decke. Dafür sollte

der Staat das Geld der Steuerzahler ausgeben

und weniger für milliardenteure

Klimaschutzverträge, die Wirtschaftsminister

Robert Habeck jetzt mit Großunternehmen

abschließen will, damit sie auf

klimafreundliche Produktion umstellen.

Wenn die Technologien dafür vorhanden

sind und diese sich rechnen, werden die

Unternehmen das auch ohne Subventionen

machen.

Während ich diese Zeilen schreibe,

erreicht mich die Meldung, dass die von

den Grünen durchgesetzte Antidiskriminierungsbeauftragte,

Ferda Ataman, Menschen

nicht nur wegen ihres Alters, Krankheit,

Behinderung, Herkunft, Geschlecht,

Religion, Weltanschauung oder ihrer

sexuellen Orientierung vor Benachteiligung

schützen will, sondern künftig auch

vor Diskriminierung wegen ihres sozialen

Status, also wegen Armut. Denn, so Ataman,

viele Bürger bekämen keine Wohnung,

wenn sie Hartz-IV-Bezieher seien.

Und Eltern mit jüngeren Kindern würden

am Arbeitsmarkt diskriminiert, weil sie

nicht immer flexibel seien.

Das alles ist beklagenswert, doch glaube

ich nicht, dass der Staat Hartz-IV-

Empfängern per Gesetz zu Wohnraum

verhelfen kann, auch wenn das jetzt

Bürgergeld-Bezieher sind. Denen würde

es mehr helfen, wenn der Staat den

Wohnungsbau in Schwung bringen

würde. Die zuständige Ministerin Klara

Geywitz, die auch das Wohngeld verantwortet,

schafft leider die versprochenen

400 000 Wohnungen pro Jahr nicht – auch

deshalb nicht, weil es überall an Facharbeitern

und Handwerkern mangelt.

Herzlich Ihr

FOCUS 2/2023

3


Dramatischer Druck

Olaf Scholz ringt mit

seinen Versprechen.

Kann er 2023

der Zeitenwende

gerecht werden?

Seite 28

Royale Rache

Meghan und Harry

hadern mit dem

Königshaus. Auch in

seiner Autobiografie

teilt der Prinz aus

Seite 22

Kesse Kunst

Im Museum

Frieder Burda

verwirrt Jordan

Wolfsons

„Female Figure“

die Besucher

Seite 82

Eisige Expedition

Kreuzfahrer beobachten

die Unterwasser-Akrobatik

eines Seelöwen vor

Foyn Harbour in der

Antarktis

Seite 100

Religiöser Rebell

Sein Rücktritt

schockierte einst

die Kirche. Nun

nimmt die Welt

Abschied von Papst

Benedikt XVI.

Seite 46

Magic Mushrooms Ottolenghis Veganuary-Rezept Seite 105

4 FOCUS 2/2023


Seite 4

Seite 5

INHALT NR. 2 | 7. JANUAR 2023

Titelthema

66 Brille? Fielmann

Kurz vor Beginn der Pandemie

übernahm er das Optiker-Imperium von

seinem Vater. Wie Marc Fielmann

in die Zukunft blickt

70 Geldmarkt

Kultur

82 Was macht die Kunst, Puppe?

In der Ausstellung „Transformers“

in Baden-Baden kommunizieren Roboter

mit Meisterwerken aus der Sammlung

Frieder Burda

Titel: Svenja Kruse für FOCUS-Magazin, Fotos: action press,

Getty Images, Shutterstock (5)

Fotos: EPA, Courtesy of Netflix, imago, laif, Louise Hagger/Photography, Emily Kydd/Food Styling, Jennifer Kay/Prop Styling,

Katy Gilhooly/Food Stylist Assistant, Denis Elterman, Klaus Schultes

54 Die Neuvermessung der Welt

Um unseren Wohlstand zu sichern, ringen

Deutschland und Europa um Rohstoffe.

Denn ohne Metalle und Minerale werden

Energie- und Mobilitätswende scheitern.

Über die neue Landkarte der Macht

Agenda

22 Mit Schirm, Charme, ohne Krone

Prinz Harry war einst der beliebteste Royal.

Bis er öffentlich mit der Familie abrechnete.

Erst auf Netflix, nun in Buchform. Annäherung

an einen traumatisierten Menschen

Politik

28 Wer gegen wen?

Die spannendsten Duelle des Jahres: Kanzler

gegen Zeitenwende, Merz gegen Wüst oder

Wagenknecht gegen Linke. Wer 2023 die

besten Chancen hat, sich durchzusetzen

36 Ist die Zeit reif für 130 km/h?

Der Gründer der KlimaUnion findet, seine

Partei sollte beim Tempolimit umdenken

38 „Lassen wir uns enttäuschen!“

Ein Zukunftsforscher erklärt, warum 2023

in der Desillusionierung die Hoffnung liegt

41 Politischer Datenstrudel

Olaf Scholz sendet mysteriöse Grüße

und Marco Buschmann philosophiert

42 Kampfansage der Bosse

Vom fröhlichen Kifferparadies zum Zentrum

der Drogenmafia. Sind die Niederlande ein

warnendes Beispiel für Deutschland?

46 Grazie, Benedetto!

Sein Rücktritt schrieb Geschichte und erschütterte

die Kirche. Eine Reporterin, die ihn

gut kannte, erinnert an Papst Benedikt XVI.

Wirtschaft

64 Vom Fahrradhändler zum Broker

Nur Hilfsgelder halten Argentiniens Wirtschaft

noch am Laufen. Was bedeuten

100 Prozent Inflation für die Menschen dort?

Wissen

72 Eine teuflische Krankheit

Weltweit leiden Millionen Menschen

unter grotesken Schwellungen, an

Elefantiasis. Eine Mikrobiologin will

den Erreger nun ausrotten

77 Für mehr Gerechtigkeit

UNIDO-Chef Gerd Müller über

das Lieferkettengesetz, das weltweit

Standards setzen soll

79 Natur im Rampenlicht

Das sind die Tiere und Pflanzen des Jahres

Kämpferischer Kapitän

Mit 25 ist Johannes Golla der

jüngste Chef, den die Handball-

Nationalmannschaft je hatte.

Nun will er die WM gewinnen

Seite 106

86 Rückbesinnung und Neubeginn

Unsere Kino-, Buch- und Musikempfehlungen

zum Start ins neue Jahr

88 Ist ja irisch …

In „The Banshees of Inisherin“ zerstören sich

zwei Männer grundlos gegenseitig das Leben

Leben

100 Leinen los!

Die Kreuzfahrtbranche erwartet für 2023

ein neues Rekordjahr: die besten Tipps für

außergewöhnliche Routen und Schiffe

105 Magic Mushrooms

Ottolenghis Antwort auf Fleischhunger:

Pilze

106 „Ich bin eine Kampfsau“

Johannes Golla ist der jüngste Kapitän,

den die deutsche Handball-Nationalmannschaft

je hatte – und ihre große

Hoffnung bei der WM

109 Macrons Neuer

Die Pariser Premiummarke DS Automobiles

überzeugt mit dem DS 7 E-Tense 300

3 Editorial

6 Kolumne von

Jan Fleischhauer

9 Nachrichten

10 Fotos der Woche

16 Grafik der Woche

Termine für 2023

18 Menschen

78 Wir müssen reden

Rubriken

Titelthemen sind rot markiert

IKONE

Günter Bannas über Leben

und Sterben Petra Kellys

87 Salon

92 Bestseller

92 Impressum

110 Die Einflussreichen

112 Leserbriefe

113 Nachrufe

113 Servicenummern

114 Tagebuch

DER HAUPTSTADTBRIEF

Herausgegeben von Ulrich Deppendorf und Ursula Münch

WUNDERWUMMSIS

Inge Kloepfer über

politische Neologismen

Jetzt noch mehr Politik im digitalen Format

Der Hauptstadtbrief Der für FOCUS-Leser

Lesen Sie digital und kostenlos noch mehr

Osten

Analysen zur aktuellen Politik.

Über eine politische Himmelsrichtung

Von Gabriel Kords Seite 2

Scannen Sie dazu einfach diesen

QR-Code: 15. Oktober 2022 | #41

FOCUS 2/2023

5


WIRTSCHAFT

Die Neuvermessung der Welt

Um unseren Wohlstand zu sichern, sucht Deutschland

neue Wege, an kritische Rohstoffe zu gelangen – denn ohne Metalle und

Minerale werden Energie- und Mobilitätswende scheitern

TEXT VON A. FINK, R. KECK, M. JAUCH UND P. STEINKIRCHNER

Farbenspiel

In riesigen Becken

wird in der Atacama-

Wüste im Norden Chiles

Lithium gewonnen

Fotos: Foto: Ivan xxxxxx/FOCUS-Magazin Alvarado/REUTERS Bxxxxx xxxxx

54 FOCUS 2/2023


TITEL

Schatz in den Anden

60 Prozent der Lithium-

Vorkommen liegen in einem

Gebiet zwischen Bolivien,

Chile und Argentinien

Weißes Gold

So nennen manche inzwischen

das Lithium,

ein Leichtmetall, das

bedeutend sein wird

für unsere Zukunft.

Es steckt in fast jedem

Elektroauto. Ob wir

unsere Klimaziele

erreichen, hängt

also auch von seiner

Verfügbarkeit ab


Junior mit Durchblick

Eliteinternat, Top-Hochschule,

Lehrjahre im eigenen

Konzern – und doch

konnte Marc Fielmann nicht

ahnen, was in der Praxis

auf ihn zukommen würde

66


FAMILIENUNTERNEHMEN

„Man muss

loslaufen

und darf

nicht vor

Schreck

erstarren“

Kurz nachdem er das

Optik-Imperium seines

Vaters übernahm, kam

Corona. Trotzdem zeigt

sich Marc Fielmann

mehr denn je optimistisch

für die Zukunft

INTERVIEW VON THOMAS TUMA

FOTOS VON JEWGENI ROPPEL

Die Marzipantorte, die Marc

Fielmann zur Begrüßung

vorm Interview anbietet,

trägt den Schriftzug einer

Versicherung. War also

das Weihnachtsgeschenk

einer anderen Firma. Da

kann man mal sehen, wie

sparsam es hier zugeht beim Optiker-

Marktführer. Das Lachen des 33-Jährigen

dazu ist durchaus ansteckend, auch

wenn der junge Erbe sich den Generationswechsel

von seinem Vater, Firmengründer

Günther Fielmann, sicher weniger

holprig vorgestellt hat. Marc Fielmann

hatte kaum übernommen, da kam Corona.

Seither hat er viel gelernt – auch wo

man nicht sparen sollte. Und trotz Pandemie,

Krieg und Krisen wird dieses Jahr

mit einem leichten Umsatzplus auf rund

zwei Milliarden Euro gerechnet. Fielmann

betreut in europaweit 936 Niederlassungen

mit 22 640 Beschäftigten rund

27 Millionen Kunden. Im vergangenen

Geschäftsjahr 2021 verkaufte der Konzern

8,3 Millionen Brillen. 2025 sollen es über

zwölf Millionen sein. Der Junior scheint

den Durchblick nicht verloren zu haben.

Herr Fielmann, was haben Sie selbst

für eine Brillenstärke?

Gut zwei Dioptrien.

Weitsichtig?

Nein, kurzsichtig.

Müssten Sie als Chef des gleichnamigen

Optiker-Imperiums nicht auch dann

eine Brille tragen, wenn’s gesundheitlich

gar nicht nötig wäre? Als oberster

Werbeträger der Firma quasi?

(lacht) Wie gesagt: Ich brauche sie tatsächlich.

Ich kann Sie hier am Tisch ohne

Sehhilfe noch erkennen. Zum Autofahren

reicht das schon nicht mehr. Aber ja, die

Brille ist auch ein Mode-Accessoire.

Das wollen Sie uns weismachen, um eben

noch mehr zu verkaufen.

Oh, es gibt eine Vielzahl von Studien, die

belegen, dass man mit Brille zum Beispiel

kompetenter wahrgenommen wird. Dass

Sie damit bei Bewerbungsgesprächen besser

abschneiden. Und eine Brille ist ja auch

ein Schmuckstück wie eine Uhr oder eine

Halskette. Aber auch der Anteil der Fehlsichtigen

steigt wirklich signifikant.

So schlimm?

Bei den 20- bis 29-Jährigen hat sich der

Anteil der Brillenträger seit den fünfziger

Jahren mehr als verdoppelt.

Schuld ist sicher unsere Computer- und

Smartphone-Obsession, oder?

Die beiden Phänomene – Siegeszug der

Bildschirme und Sehprobleme – muss man

zumindest gemeinsam betrachten, ja. Bis

zum 25. Lebensjahr und auch darüber

hinaus verändert sich das Auge übrigens

noch, sodass es fast schon Zufall ist, wenn

jemand wirklich gestochen scharf seine

Umwelt sieht.

Klingt, als wenn auf Sie jedenfalls noch

gute Geschäfte zukommen.

Mittel- bis langfristig sind wir durchaus

optimistisch.

Wie war das abgelaufene Jahr für Fielmann?

Geprägt von einem Krieg, den wir nicht

vorhersehen konnten. Die Konsumstimmung

hat das niedrigste Niveau seit Aufzeichnung

erreicht. Als Preisführer gewinnen

wir Marktanteile in diesem Umfeld.

Generell sparen aber auch bei uns die

Kunden.

Wie wird 2023?

Ich bin guter Dinge, weil wir während

der Krise viele Neukunden begrüßen konnten.

Die gilt es jetzt mit unserem Service zu

halten. Im Schnitt kaufen die Leute ja alle

drei Jahre eine neue Brille. Auch da müssen

wir also langfristig denken …

… was Investoren eher selten mögen.

Ihr Aktienkurs erodiert seit dem Ausbruch

der Pandemie. Kürzlich senkten

Sie fürs Gesamtjahr erneut die Umsatz-

und Gewinnziele. Was ist da los?

Der Kurs sinkt, weil unsere Marge zurückgeht.

Wir agieren antizyklisch. Während

das Gros der Branche die Preise dieses

Jahr eher erhöht hat, senkten wir sie

bei vielen Produkten sogar. Das wird sich

auszahlen. Als Familienunternehmer müssen

wir da nicht auf jedes Quartal schauen.

„Wir“ – das sind Sie, Ihre Schwester und

Ihr Vater Günther Fielmann, der das

Unternehmen einst gegründet hat. Wie viel

Prozent der Aktien kontrollieren Sie drei?

Mehr als zwei Drittel, die überwiegend

von einer Stiftung gehalten werden.

Externe Investoren werden oft noch schneller

unruhig, wenn die Gewinne schmelzen.

Und es ist ja auch klar, dass wir langfristig

nicht auf dem aktuellen Renditeniveau

bleiben möchten. Zugleich bin ich aber

überzeugt, dass man nicht an der falschen

Stelle sparen sollte. Wir haben zum Beispiel

dieses Jahr auch die Gehälter unserer

Augenoptiker und Hörakustiker angehoben.

Auch das wird sich auszahlen.

Schon im Juli verkündeten Sie trotzdem

ein Kostensenkungsprogramm.

Was bedeutet das konkret?

Zunächst mal: Wir investieren überall

dort, wo wir für unsere Kunden einen

FOCUS 2/2023 67


WISSEN

Ödem am Bein

Ein 70-jähriger Patient:

Erst nach sehr vielen

Mückenstichen kann

sich der Erreger im

Körper festsetzen

Eine Krankheit, wie vom Teufel erfunden

Weltweit tragen 120 Millionen Menschen einen Parasiten in sich, der groteske

Schwellungen auslöst. Man stirbt nicht an der Elefantiasis, aber sie verschlimmert

die Armut. In Nepal arbeitet eine Mikrobiologin daran, den Erreger auszurotten

TEXT VON BERND HAUSER FOTOS VON SASCHA MONTAG

72 FOCUS 2/2023

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!