22-10-28 Bericht Führung Tonhalle Zürich
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ZRV
Zürcher
Seniorenund
Rentnerverband
Bericht zur Führung in der
renovierten Tonhalle Zürich
Führung in der renovierten Tonhalle stiess auf viel Zuspruch
Die Tonhalle Zürich zählt akustisch bis heute zu den besten Musikhallen Europas. Die
wechselvolle architektonische Entwicklung des Gebäudes fasziniert. Rund 50 Teilnehmende
nahmen an der spannenden rund zweistündigen Führung vom 28. Oktober 2022
teil. Herr Lehmann führte mit viel Fachkenntnis durch das Gebäude.
Die „Neue“ Tonhalle am See
1895: die „Neue“ Tonhalle am See
Die Anfänge der Zürcher Tonhalle und Ihres Orchesters reichen bis 1867 zurück. Damals wurde
das Zürcher Kornhaus auf dem heutigen Secheläutenplatz zur Konzerthalle umgebaut. Das
Gebäude genügte den aufstrebenden, grosstädtischen Vorstellungen des gehobenen Bürgertums
aber bald nicht mehr. Und so wurde der Standort an den neuen, noblen General-Guisan-Quai
verlegt. Das neue Musikhaus am See wurde nach den Entwürfen der Wiener Architekten
Fellner und Helmer erbaut, welche 1891 bereits das Zürcher Stadttheater (heutige Opernhaus)
realisiert hatten. Das pompöse, etwas verspielte Gebäude mit zwei Türmen entsprach
ganz dem damaligen Baustil der Gründerzeit, dem Historismus, und erinnerte an das damalige
Palais du Trocadéro in Paris, Zwei Konzertsäle und ein kleinerer mit einer kuppelbedeckter
Musikpavillion für leichtere musikalische Unterhaltung machten die damalige Tonhalle zum
Treffpunkt des Zürcher Bürgertums. Die Innenausstattung war reich verziert mit vielen Ornamenten
und viel glänzendem Blattgold.
Der Umbau in den 30er Jahren verlieh dem Gebäude ein neues Gesicht
Im Verlaufe Zeit zeigte nagte der Zahn der Zeit am Gebäude und die architektonischen Vorstellungen
der Stadtoberen und die Ansprüche der Stadt an das Gebäude änderten sich. Im Hinblick
auf die Landesausstellung von 1939 entschied man sich, einen Teil der Tonhalle durch ein
modernes Kongresshaus zu ersetzen. 1937 wurde dieses eingeweiht. Diesem Umbau fielen
nicht nur weite Teile des Geäubdes zum Opfer, sondern auch die beiden markanten Türme.
Zusätzlich erhielten die verbleibenden Gebäudeteile der Tonhalle eine starke Umgestaltung im
Innern. Die ursprünglich reichen Verzierungen und glänzenden Malereien wichen einem eher
puritanisch anmutenden gedämpften Farbkonzept. Der Eingangsbereich wurde ganz im Stil der
30er Jahre erneuert: Davon zeugen die grafisch gestalteten schwarz-weissen Bodenbeläge und
die Deckenbeleuchtung. Die marmorenen rosa Säulen stammen noch aus der ursprünglichen
Bauphase von 1895. Ein bemerkenswertes Detail dazu: Im Erdgeschoss sind diese Säulen aus
Marmor. In den oberen Geschossen lediglich aus bemaltem Holz.
Herr Lehmann begrüsste die Teilnehmenden im Eingangsbereich im Namen
der Tonhalle und führte eloquent und mit viel Fachwissen durch das Haus.
Grosser Konzertsaal
Der grosse Saal der Zürcher Tonhalle wurde anlässlich der letzten Renovation von 2017 -
2021umfassend restauriert. Der Saal umfasst über 1'500 Plätze. Die kostbaren Gemälde und
Gipsverzierungen erhielten nach sorgfältiger Reinigung einen neuen Anstrich; nicht ganz im
ursprünglichen Glanz von 1895, aber doch gleich in der Farbgebung, mit einem Hauch natürlich
scheinender Alterung. Den grossen Konzertsaal schmücken fünf markante Deckmalereien mit
verschiedenen szenischen Musikdarstellungen. Im Zentrum steht eine Darstellung des «Komponistenhimmels
mit den Bildnissen der damals berühmtesten Kompnisten: Bach, Händel,
Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven, Wagner und Brahms.
Deckengemälde: Darstellung des Komponistenhimmels
Der Saal erhielt eine neue Orgel, welche von der gleichen Firma gebaut wurde wie die
ursprüngliche, von der Firma Kuhn AG in Männedorf. Bemerkenswert ist, dass der Orgeltisch
zum Spielen des Insgtruments nicht wie üblich vis-à-vis der Orgel platziert ist, sondern etwas
weiter entfernt im 90 Grad-Winkel versetzt. So kann der Orgelspieler die Anweisungen des
Dirigenten und die übrigen Musiker unmittelbar sehen und kehrt ihnen nicht den Rücken zu. Die
Konzertbühne wurde gegenüber vorher um einige Zentimeter gesenkt, so dass (aus Sicherheitsgründen)
keine Abschrankung mehr nötig ist. Dies verbessert für die Zuschauer die Sicht
auf das Orchester. Der Parkettboden wurde neu verlegt und nun wieder durchgehend angeordnet,
auch unter der Konzertbühne. Was für den Betrachter kaum sichtbar ist, verbessert für den
Zuhörer aber merklich die Akustik und die Schwingung des Klangs im Saal. Das Gestühl
erscheint nun neu in dunklem Braun statt wie früher im noblen satten Samtrot. Für die Musiker
hat dies den Vorteil, dass für sie nicht so klar ersichtlich ist, wie stark der Saal besetzt ist. Hinter
und unter der Bühne findet sich nun neu ein Abstellraum für die Instrumente, der klimatisch
immer ähnliche Luftfeuchtigkeit und Temperatur aufweist. Dies ist für die Klangqualität der Instrumente
von Bedeutung.
Neue Orgel und veränderte Architektur der Konzertbühne
Reiche Stuckatur-Verzierungen erscheinen in neuer Pracht.
Kleiner Konzertsaal
Der Kleine Konzertsaal wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts restauriert. Dieser ist für Kammerorchester
oder kleinere Formationen gedacht. Er ist weit weniger opulent dekoriert als der
grosse Saal, erscheint aber ebenfalls in vornehmen Glanz. Er umfasst rund 600 Plätze. Hier
waren keine Eingriffe nötig. Technisch ging man bei der neuesten Renovation Kompromisse ein.
So kann der Flügel des kleinen Saals wie auch der Flügel des grossen Saals nur gezügelt
werden, indem man diese demontiert und am neuen Ort wieder neu zusammenbaut. Eine
Lösung mit Lift wäre technisch zwar sehr wünschenswert gewesen, deren Umsetzung aber zu
kostspielig. Auch die Überwachung durch die Techniker im Hintergrund muss nach wie vor
durch die Beobachtung des Geschehens hinter der Türe in der Bühnenwand erfolgen und kann
nicht über Bildschirme verfolgt werden.
Die Besucher folgen aufmerksam den Erläuterungen von Herrn Lehmann im kleinen Saal.
Blick auf die Galerie des kleinen Saals.
Die Teilnehmenden der Führung gingen an diesem Freitagnachmittag mit vielen neuen Eindrücken
und Erkenntnissen auf den Heimweg. Bestimmt werden sie beim nächsten Besuch der
Tonhalle das Gebäude mit ganz anderem Blick wahrnehmen.
Text und Bilder: Cäcilia Hänni, Präsidentin des ZRV