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Aktionsforschungsskizze Agent*in im Gemeinwesen

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Harald Sickinger<br />

Aktions-Forschungs-Skizze i<br />

<strong>Agent*in</strong> <strong>im</strong> <strong>Gemeinwesen</strong>!?<br />

Soziale Arbeit auf dem Weg zur Aussicht auf ein gutes Leben


Ausgangsfragen und Ausgangsannahmen<br />

Wenn wir davon ausgehen, dass Soziale Arbeit eine Profession ist, die sich auf die Arbeit an<br />

sozialen Problemen und auf die Arbeit für ein gelingendes (Zusammen-) Leben <strong>im</strong> <strong>Gemeinwesen</strong><br />

bezieht, in wie weit und wodurch können dann professionelle Sozialarbeiter*innen zu<br />

einer nachhaltigen <strong>Gemeinwesen</strong>-Entwicklung beitragen?<br />

Wenn wir nachhaltige <strong>Gemeinwesen</strong>-Entwicklung als einen Prozess verstehen, bei dem es<br />

darum geht, allen heutigen und allen zukünftig lebenden Menschen die Aussicht auf ein gutes<br />

Leben zu bewahren oder zu ermöglichen, in wie fern und wodurch können professionelle<br />

Sozialarbeiter*innen dann <strong>Agent*in</strong>nen für nachhaltige <strong>Gemeinwesen</strong>-Entwicklung sein oder<br />

werden?<br />

<strong>Agent*in</strong>nen, wie man sie von <strong>Agent*in</strong>nen-Thrillern her kennt, das sind Leute, die etwas<br />

erkunden. <strong>Agent*in</strong>nen, wie sie professionelle Künstler*innen haben, das sind solche, die<br />

vermitteln. <strong>Agent*in</strong>nen <strong>im</strong> <strong>Gemeinwesen</strong> sind sowohl Erkunder*innen als auch Vermittler*innen.<br />

Wonach sie suchen und wozu sie Verbindungen herzstellen, das sind Perspektiven<br />

für ein gutes Leben.<br />

Je nachdem, von welchem Standpunkt aus die Probleme betrachtet werden, entstehen diese<br />

Perspektiven oder jene Perspektiven.<br />

Wo zum Beispiel das „Ausbrennen“ der Menschen, die Überhitzung der Erde, die Zerstörung<br />

von Lebensgrundlagen oder auch mehr oder weniger unüberwindliche Barrieren be<strong>im</strong> Zugang<br />

zu dem (bzw. etwas von dem), was die Menschen für ein gutes Leben brauchen, als Probleme<br />

der einzelnen Betroffenen betrachtet werden, da erscheinen nicht die problematischen<br />

Rahmenbedingungen, sondern diejenigen, die darin leben (müssen) problematisch, darum<br />

bearbeitungsbedürftig und individuelle Bearbeitungsstrategien, wie z. B. „Work-Life-Balance-<br />

Seminare“, Belehrungen für ein „nachhaltiges Konsumverhalten“ oder auch „Fit machen“, um<br />

hinein zu kommen, hinein zu passen bei der Bildung, be<strong>im</strong> Arbeiten, be<strong>im</strong> Wohnen ..., be<strong>im</strong><br />

Leben in unangemessenen Rahmenbedingungen, scheinen so gesehen zielführend zu sein.<br />

Wo hingegen die unangemessenen Rahmenbedingungen problematisiert werden, da stellen<br />

sich Fragen nach einem angemessenen gesellschaftlichen Rahmen, nach angemessenen<br />

Verhältnissen und in diesem Zusammenhang auch nach angemessenen Beziehungsweisen <strong>im</strong><br />

Verhältnis der Menschen zu sich selbst, zueinander und zu ihrer Umwelt insgesamt.<br />

Die Art und Weise, wie die Menschen in einer Gesellschaft sich selbst, einander und ihre<br />

Umwelt betrachten, nennen wir ihre Kultur. Die Art und Weise, wie sie das Verhältnis zu sich<br />

selbst, zueinander und zu ihrer Umwelt organisiert haben, bezeichnen wir als ihre<br />

Sozialstruktur.<br />

<strong>Agent*in</strong>nen für nachhaltige <strong>Gemeinwesen</strong>-Entwicklung(en) versuchen Standpunkte bzw.<br />

Betrachtungsweisen und Organisationsmöglichkeiten zu erkunden und zu vermitteln, die<br />

Kulturen und Strukturen bzw. insgesamt Rahmenbedingungen entstehen lassen (können),<br />

durch welche möglichst alle gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen die Aussicht auf<br />

ein gutes Leben haben.<br />

Fragen, die das gute (Zusammen-) Leben der Menschen <strong>im</strong> <strong>Gemeinwesen</strong> bzw. die damit<br />

zusammenhängenden Probleme betreffen, können in der Sozialen Arbeit nicht nachhaltig<br />

bearbeitet werden, wenn die Perspektiven der einzelnen Betroffenen, Adressat*innen,<br />

Zielgruppenangehörigen oder wie auch <strong>im</strong>mer man jene Menschen jeweils bezeichnet, deren<br />

Perspektiven derartige Fragen für die Soziale Arbeit aufwerfen und Interventionen von<br />

Sozialarbeiter*innen veranlassen, nicht jeweils mit den Perspektiven der anderen relevanten<br />

2


Akteur*innen und mit den deutungs-und handlungsleitenden Rahmenbedingungen in ihrem<br />

<strong>Gemeinwesen</strong> zusammen gesehen und angegangen werden.<br />

Nachdem sich diese Erkenntnis in den fachlichen Diskursen der Sozialen Arbeit mehr und mehr<br />

durchgesetzt hatte, wurde in den letzten Jahrzehnten die Orientierung auf den Sozialraum<br />

und das Prinzip <strong>Gemeinwesen</strong>arbeit auch in den Praxiskonzepten zumindest einiger<br />

Handlungsfelder in der Sozialen Arbeit <strong>im</strong>mer prägender. Damit korrespondiert eine Zunahme<br />

einschlägiger Inhalte in der Ausbildung von Sozialarbeiter*innen sowie das Auflegen von<br />

Weiterbildungen zur <strong>Gemeinwesen</strong>arbeit bzw. Sozialraumorientierung, die teilweise auch<br />

explizit darauf abzielten bzw. abzielen, einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des<br />

<strong>Gemeinwesen</strong>s zu leisten.<br />

Nichts desto trotz scheinen in der Praxis, insbesondere unter Zeitdruck und / oder unter<br />

anderen problematischen Rahmenbedingungen, individualisierende Deutungsmuster und<br />

Handlungsstrategien in der Arbeit an sozialen Problemen bzw. für ein gelingendes<br />

(Zusammen-) Leben <strong>im</strong> <strong>Gemeinwesen</strong> (noch <strong>im</strong>mer) sehr verbreitet zu sein.<br />

Angesichts von <strong>im</strong>mer deutlicher erkennbar werdenden sozialen, ökonomischen und<br />

ökologischen Krise(n) in Verbindung mit den das globale <strong>Gemeinwesen</strong> dominierenden,<br />

systematisch nicht nachhaltigen Kulturen, Strukturen und Praktiken erscheint die Frage, in wie<br />

weit und wodurch Sozialarbeiter*innen als <strong>Agent*in</strong>nen <strong>im</strong> <strong>Gemeinwesen</strong> zur Erkundung und<br />

Vermittlung besserer Aussichten auf ein gutes Leben beitragen (können), gegenwärtig<br />

wichtiger denn je.<br />

Wie sieht es jetzt aus? Wie war es früher? Wie könnte es später einmal sein? Es kommt darauf,<br />

wie wir es betrachten und was wir daraus machen. Je nachdem entsteht diese Geschichte<br />

oder jene Geschichte.<br />

Wenn wir davon ausgehen, dass die Mitglieder der Profession Soziale Arbeit, ebenso wie die<br />

Mitglieder anderer Professionen unter anderem dadurch, dass sie damit beauftragt sind, mehr<br />

oder weniger verbindliche Deutungen von sozialen Situationen bzw. Konstellationen zu<br />

erbringen, über eine gewisse Macht verfügen (können), dass sie beeinflussen (können), wer<br />

oder was zählt, wer welche Geschichte(n) erzählt, und wie das Ganze in der Folge weitergeht,<br />

in wie weit und wodurch könnten wir Soziale Arbeit dann ein Stück weiter bringen auf dem<br />

Weg zur Aussicht auf ein gutes Leben?<br />

Zielstellung<br />

Ziel des (soziokulturellen) Aktions-Forschungs-Vorhabens ist es, Deutungs- und Handlungsspielräume<br />

von Sozialarbeiter*innen als <strong>Agent*in</strong>nen für nachhaltige <strong>Gemeinwesen</strong>-<br />

Entwicklung(en) <strong>im</strong> Zusammenhang mit der schrittweisen Entwicklung einer diesbezüglichen<br />

Weiterbildung auszuloten, auszuprobieren und die dabei gesammelten Erfahrungen und<br />

Erkenntnisse in multi-medialer Form zu vermitteln.<br />

In Schrift, Bild und Ton werden vielfältige „Aktions-Forschungs-Geschichten“ rund um Soziale<br />

Arbeit auf dem Weg zur Aussicht auf ein gutes Leben produziert und präsentiert. Dabei wirken<br />

sowohl Menschen mit, die auf dem Weg zur Aussicht auf ein gutes Leben durch<br />

unangemessene Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft behindert werden, als auch<br />

Sozialarbeiter*innen, die als <strong>Agent*in</strong>nen auf dem Weg zur Aussicht auf ein gutes Leben in<br />

ihrem jeweiligen Praxiszusammenhang versuchen, andere Perspektiven zu erkunden und zu<br />

vermitteln.<br />

3


Deutungs- und Handlungsspielräume, die von <strong>Agent*in</strong>nen <strong>im</strong> <strong>Gemeinwesen</strong> genutzt werden<br />

(könnten), um einen Beitrag dafür zu leisten, dass Menschen, die dabei bisher behindert<br />

werden, ihre Geschichte (mehr) selbst (mit) „in die Hand nehmen“ können und dass die<br />

Geschichte <strong>im</strong> Großen und Ganzen gut weiter geht, sollen <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem<br />

Wirkungsgefüge der förderlichen und hinderlichen Kräfte, die auf die Erkundungs- und<br />

Vermittlungstätigkeit von Soziarbeiter*innen als <strong>Agent*in</strong>nen für nachhaltige <strong>Gemeinwesen</strong>-<br />

Entwicklung <strong>im</strong> Spannungsfeld zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen, Kulturen und<br />

Strukturen <strong>im</strong> <strong>Gemeinwesen</strong> einwirken, dargestellt werden.<br />

Vorgehen<br />

Aktion → Reflexion → Aktion → Reflexion → und so weiter − In dieser Weise hin- und her<br />

schwingend zwischen praxisorientierter Aktion und systematischer Reflexion, wollen wir uns<br />

zusammen mit Co-Aktions-Forscher*innen mit Behinderungserfahrungen und aus der Sozialen<br />

Arbeit auf den Weg machen, um einerseits in der Wirklichkeit weiterführende Wege zur<br />

Aussicht auf ein gutes Leben zu (er)finden und andererseits ein Forschungsvorhaben<br />

durchzuführen, unsere Erfahrungen und Erkenntnisse dabei zu reflektieren, soweit wie<br />

möglich zu verallgemeinern und u. a. auch für die Aus- und Weiterbildung von Sozialarbeiter*-<br />

innen nutzbar zu machen.<br />

Bei diesem Vorgehen, das einerseits <strong>im</strong> Bezugssystem der Praxis und andererseits <strong>im</strong><br />

Bezugssystem der Wissenschaft begründet ist, versuchen wir Schritt für Schritt mehr und<br />

mehr über Deutungs und Handlungsmöglichkeiten für Sozialarbeiter*innen als <strong>Agent*in</strong>nen<br />

für nachhaltige <strong>Gemeinwesen</strong>-Entwicklung zu verstehen und diese Möglichkeiten auch zu<br />

nutzen.<br />

Als Datenmaterial kommen für die Untersuchung grundsätzlich alle Arten von Daten in Frage,<br />

die einen diesbezüglichen Erkenntnisgewinn versprechen. Die Datenerhebung soll sich dabei<br />

vor allem an den Erkenntnisinteressen und am Prinzip der min<strong>im</strong>alen und max<strong>im</strong>alen<br />

Kontrastierung orientieren. Durch die Verschränkung von Forschung und Weiterbildung,<br />

kommt hierbei der Verschränkung der Erkenntnisinteressen <strong>im</strong> Aktions-Forschungs-Prozess<br />

insgesamt mit den Forschungs-und Entwicklungssinteressen in den einzelnen Aktions-<br />

Forschungs-Prozessen der einzelnen Weiterbildungsteilnehmer*innen große Bedeutung zu.<br />

Beginnen soll unsere Aktions-Forschung für eine Soziale Arbeit auf dem Weg zur Aussicht auf<br />

ein gutes Leben mit Erhebungen über die einschlägigen Erfahrungen von Teilnehmer*innen<br />

einer Weiterbildung zur <strong>Gemeinwesen</strong>arbeit. Über diese Entscheidung hinaus, soll (bzw. kann)<br />

die weitere Richtung der Datensammlung <strong>im</strong> Aktions-Forschungs-Verlauf erst Schritt für<br />

Schritt jeweils auf der Grundlage der bereits gewonnenen Erkenntnisse und der sich daraus<br />

ergebenden Folgefragen best<strong>im</strong>mt werden.<br />

Pfullingen, <strong>im</strong> Juni 2022<br />

i Diese Aktions-Forschungs-Skizze entstand <strong>im</strong> Rahmen des Entwicklungsvorhabens „Die Kooperative für andere<br />

Perspektiven“. Gefördert von<br />

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