BOGENSPORT MAGAZIN 1/2023

Seit 1995 ist das BOGENSPORT MAGAZIN die Fachzeitschrift für alle Freunde des Bogensports. Ob Nachrichten, Produktneuheiten, Wettkampfberichte oder Praxistipps, das BOGENSPORT MAGAZIN beleuchtet alle Bereiche dieser wunderbaren Sportart und ist sowohl für Profis als auch für Hobbysportler Unterhaltung, Information und Ratgeber zugleich. Seit 1995 ist das BOGENSPORT MAGAZIN die Fachzeitschrift für alle Freunde des Bogensports. Ob Nachrichten, Produktneuheiten, Wettkampfberichte oder Praxistipps, das BOGENSPORT MAGAZIN beleuchtet alle Bereiche dieser wunderbaren Sportart und ist sowohl für Profis als auch für Hobbysportler Unterhaltung, Information und Ratgeber zugleich.

kuhn.fachmedien
von kuhn.fachmedien Mehr von diesem Publisher
23.01.2023 Aufrufe

01 29. Jahrgang | Nr. 1 | Februar / März 2023 Preis Euro 5,50 | CHF 7,00 4 195092 005500 Das Titelbild zeigt Ella Gibson | Foto: Dean Alberga E 14037 PRODUKT- VORSTELLUNGEN UND TREFFER- AUSWERTUNGS- SYTEM IM TEST DENKMÄLER HISTORISCHER BESTLEISTUNGEN UND MEHR JUGENDELITE IM BOGENSPORT SCHUL- UND LEISTUNGSSPORT- ZENTRUM BERLIN HEIKLES THEMA »KÖNNEN WIR KURZ ÜBER PREISGELDER SPRECHEN. CHEN.« THE NEW KINGS AND QUEENS ARE CROWNED! KINGS OF ARCHERY SERIES – JVD OPEN UND VIELES MEHR.

01<br />

29. Jahrgang | Nr. 1 | Februar / März <strong>2023</strong><br />

Preis Euro 5,50 | CHF 7,00<br />

4 195092 005500<br />

Das Titelbild zeigt Ella Gibson | Foto: Dean Alberga<br />

E 14037<br />

PRODUKT-<br />

VORSTELLUNGEN<br />

UND<br />

TREFFER-<br />

AUSWERTUNGS-<br />

SYTEM<br />

IM TEST<br />

DENKMÄLER<br />

HISTORISCHER<br />

BESTLEISTUNGEN<br />

UND MEHR<br />

JUGENDELITE IM <strong>BOGENSPORT</strong><br />

SCHUL- UND<br />

LEISTUNGSSPORT-<br />

ZENTRUM BERLIN<br />

HEIKLES THEMA<br />

»KÖNNEN WIR KURZ<br />

ÜBER PREISGELDER<br />

SPRECHEN. CHEN.«<br />

THE NEW KINGS AND QUEENS<br />

ARE CROWNED!<br />

KINGS OF ARCHERY<br />

SERIES – JVD OPEN<br />

UND VIELES MEHR.


EDITORIAL<br />

VON KADERSCHMIEDEN,<br />

PLACEBO-EFFEKTEN UND<br />

MARKTGESETZEN<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

was haben unsere Top-Athletinnen Lisa Unruh, Elena Richter<br />

und Karina Winter gemeinsam – außer, dass sie sowohl auf<br />

nationalem als auch auf internationalem Parkett den Bogensport<br />

eindrucksvoll (re-)präsentieren? Ich darf diese Frage – wie meistens<br />

an dieser Stelle – selbst beantworten: Sie sind durch dieselbe<br />

Kaderschmiede gegangen, wurden jeweils am „SLZB“ ausgebildet.<br />

„SLZB“ steht für „Schul- und Leistungssportzentrum Berlin“ und<br />

dieses ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, als eine Eliteschule<br />

des Sports. Ganz nach dem Motto „früh übt sich“ werden die<br />

jungen Sportler*innen systematisch an den Bogensport herangeführt,<br />

Talente eruiert und für den Leistungssport vorbereitet. Dass<br />

es hier hochprofessionell zugeht, mag nicht weiter verwundern,<br />

wie systematisch sich die einzelnen Mosaikteile allerdings zu<br />

einem Gesamtkonzept fügen, ist nicht nur interessant sondern<br />

auch beeindruckend. Grund genug also, das Programm des Zentrums<br />

etwas ausführlicher vorzustellen. Günter Kuhr war für das<br />

BSM vor Ort.<br />

Sport im Allgemeinen (und Bogensport im Speziellen) ist immer<br />

auch Kopfsache, und zwar zu einem nicht unerheblichen Teil.<br />

Soweit nichts Neues. Der Placebo-Effekt beschreibt ebenfalls eine<br />

Kopfsache, nämlich das Eintreten einer Wirkung, ohne dass tatsächlich<br />

ein Wirkstoff verabreicht wurde. Demnach kann allein<br />

der Glaube an eine Wirkung diese auch auslösen. Wem es nun<br />

zu psychologisch wird, kann gerne aussteigen, ich würde aber<br />

empfehlen, das folgende Gedankenspiel (zumindest spaßeshalber)<br />

mitzuspielen: Würde man den Placebo-Effekt auf den Sport<br />

übertragen, ließen sich Leistungssteigerungen allein durch die<br />

Überzeugung erzielen, ein wirksames Mittel zur Ergebnisverbesserung<br />

gefunden zu haben. Dieses Mittel muss keineswegs ein<br />

Medikament sein, sondern kann ebenso gut ein neues Material<br />

oder eine neue Trainingsmethode darstellen. So bestätigt auch<br />

die anerkannte Sozialpsychologin Ellen Langer, dass der Placebo-<br />

Effekt im sportlichen Bereich eine wichtige Rolle bei der Verbesserung<br />

individueller Leistungen spielen kann. Und weiter:<br />

Dass es wichtig ist, die Möglichkeiten des Placebo-Effekts in der<br />

Sportpsychologie und -medizin zu erkunden und zu nutzen.<br />

Glücklicherweise kann das BSM bei solchen Themen auf einen<br />

besonders versierten Autor zugreifen. In diesem Sinne, lieber<br />

Markus Wagner: Vielen Dank, dass Sie die nicht ganz einfache<br />

Materie für uns aufbereitet haben.<br />

Am Ende bestimmen Angebot und Nachfrage über einen Preis.<br />

Diese Logik führt vor allem im Sport oft zu ungläubigem Kopfschütteln.<br />

Sei es, weil wir über wahnwitzige Beträge reden, wie<br />

zum Beispiel die Spielerablösen im Profifußball – oder sei es,<br />

weil die kommunizierten Beträge unser Gerechtigkeitsempfinden<br />

gehörig auf die Probe stellen. Genau so erging es unserer<br />

Autorin Anna Lena Gangluff, als sie sich für diese Ausgabe mit<br />

dem Thema „Preisgelder“ beschäftigt hat. Dass im Bogensport<br />

überwiegend deutlich geringere Preisgelder gezahlt werden, als<br />

in medienwirksameren Sportarten, mag sofort einleuchten. Aber<br />

dass beim selben Turnier Compound-Sieger mehr als Recurve-<br />

Sieger, Männer mehr als Frauen und Nichtbehinderte mehr als<br />

Parasportler erhalten, scheint erklärungsbedürftig. Wir sind dieser<br />

Frage auf den Grund gegangen und ich kann vorwegnehmen,<br />

dass es auch hierfür eine logische Erklärung gibt. Ob diese auch<br />

als fair oder gerecht empfunden wird, hängt wiederum sehr vom<br />

Blickwinkel des Betrachters ab. Marktwirtschaft eben …<br />

Liebe Leserinnen und Leser, soweit der kurze Überblick über die<br />

Themen unserer ersten Ausgabe des Jahres <strong>2023</strong>. Selbstredend<br />

ist dies nur ein kleiner Auszug, unsere Redaktion hat sich wieder<br />

einiges darüber hinaus einfallen lassen. Lassen Sie sich einfach<br />

überraschen. Ich wünsche Ihnen eine kurzweilige Lektüre und –<br />

weil es die erste Ausgabe des Jahres ist – noch ein fantastisches<br />

Bogensport-Jahr <strong>2023</strong>.<br />

Herzlichst,<br />

Ihr Axel Ziegler<br />

1/23 EDITORIAL <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 3


INHALT<br />

Anmerkungen,<br />

Berichte,<br />

Ideen oder Fragen? –<br />

HISTORY<br />

DER HORIZONT IST DAS ZIEL<br />

EINE KURZE GESCHICHTE<br />

LANGER SCHÜSSE.............................................6<br />

KOMPOSITBÖGEN<br />

WUNDERWERKE AUS HORN,<br />

HOLZ UND SEHNE............................................42<br />

MATERIAL<br />

BEITER MICROKLICKER<br />

DIE WEITERENTWICKLUNG DES TEC-HRO<br />

KLICKERS...........................................................10<br />

DIE PENDELSPINNE..........................................16<br />

NEUE PRODUKTE – GLÄNZEND<br />

NEUE AUSRÜSTUNG.......................................18<br />

RYNGDYNG<br />

AUTOMATISCHES TREFFER-<br />

AUSWERTUNGSSYSTEM................................38<br />

ORGANISATION<br />

»KÖNNEN WIR KURZ<br />

ÜBER PREISGELDER SPRECHEN?«..............22<br />

wir sehen die Produktion des<br />

<strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong>S<br />

als einen laufenden Prozess, bei dem man<br />

niemals auslernt und naturgemäß auch niemals<br />

am Ziel ankommen kann.<br />

In diesem Sinne freuen wir uns jederzeit über<br />

neue Ideen, sind offen für Ihre Kritik und begrüßen<br />

gerne weitere Autoren in unserem Team.<br />

Melden Sie sich bei uns unter<br />

redaktion@bogensport.de<br />

oder bei<br />

KARRIERE<br />

DIE BEHINDERUNG GAB<br />

OLSZEWSKA EINE NEUE PERSPEKTIVE.......30<br />

22 13<br />

UNSERE<br />

LIEBLINGS-<br />

MOTIVE<br />

2022<br />

WETTKAMPF<br />

KINGS OF ARCHERY SERIES –<br />

JVD OPEN...........................................................32<br />

TRAINING<br />

WARUM DIE MEISTEN<br />

BOGENSCHÜTZEN IN INDIEN<br />

MIT BAMBUSBÖGEN SCHIESSEN................46<br />

MATERIAL/TRAINING<br />

DER PLACEBO-EFFEKT IM SPORT<br />

DIE MACHT UNSERER GEDANKEN!...............50<br />

JUGEND<br />

BOGENSCHIESSEN<br />

AM SCHUL- UND LEISTUNGS-<br />

SPORTZENTRUM BERLIN...............................54<br />

IMPRESSUM<br />

Verlag: Kuhn Fachverlag GmbH & Co. KG, Marktplatz 7, 78054 VS-Schwenningen<br />

Telefon: 07720 / 394-111 Fax: 07720 / 394-294 E-Mail: magazin@bogensport.de<br />

Geschäftsführung: Axel Ziegler Anzeigen: Silvia Brändle<br />

Redaktionsleitung: Axel Ziegler Aboservice: Silvia Brändle<br />

Redaktionsassistenz: Ferah Noor Layout: Steffi Scherr Repro: Maritta Saller<br />

Alle oben genannten Personen sind unter der Verlagsanschrift erreichbar.<br />

Titelbild: Ella Gibson | Foto: Dean Alberga<br />

Redaktionelle Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />

Günter Kuhr (GK), Markus Wagner, Chris Wells (CW), Arne Metzlaff, Anna Lena Gangluff, Jan H. Sachers, Sebastian Rohrberg,<br />

Antonie Chichy, John Stanley, Priyanka Sharma<br />

Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Bilder und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen.<br />

Eine rechtliche Gewähr für die Richtigkeit der redaktionellen Beiträge und der Anzeigen wird nicht geleistet und<br />

eine Haftung nicht übernommen.<br />

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.<br />

Das Bogensport Magazin erscheint zwei-monatlich.<br />

Bezugspreis: 5,50 Euro, Jahresabonnement 30 Euro inkl. 7% MwSt.<br />

Das Abonnement ist mit einer Frist von einem Monat kündbar.<br />

Druck: Strube Druck & Medien GmbH<br />

Stimmerswiesen 3, 34587 Felsberg<br />

Vertrieb: DMV Der Medienvertrieb GmbH & Co. KG<br />

https://dermedienvertrieb.de<br />

NEWS<br />

AUF DEN SEITEN.........11, 12, 14, 15, 29, 37, 49<br />

46<br />

4 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> INHALT 1/23


Get the competitive advantage.<br />

Pick up a set of the world’s most winning arrows.<br />

Visit your Easton dealer today.<br />

EASTONARCHERY.COM


HISTORY<br />

DER HORIZONT IST DAS ZIEL<br />

EINE KURZE GESCHICHTE<br />

LANGER SCHÜSSE<br />

Von Jan H. Sachers<br />

Nicht nur Bögen und Pfeile haben sich im Lauf<br />

der Geschichte verändert. Auch die Ziele, auf<br />

die geschossen wurde, konnten die unterschiedlichsten<br />

Formen annehmen. Künstliche Vögel<br />

oder erdbedeckte Fässer (engl. butts), geflochtene<br />

Ringe oder Axtköpfe, Scheiben aus Stroh<br />

oder Tiere aus Schaumstoff: Schon immer waren<br />

Bogenschützen sehr kreativ bei der Frage, was<br />

es zu treffen gilt. Tiere zählten von Beginn an als<br />

legitime Ziele, und Menschen wohl leider auch.<br />

Doch wahrscheinlich schon ebenso<br />

lange wird eine Form des Bogenschießens<br />

praktiziert, die ganz ohne<br />

physisches Ziel auskommt.<br />

Distanz- oder Weitschießen ist nicht nur<br />

eine der ältesten Disziplinen des Bogenschießens,<br />

sondern auch die einfachste.<br />

Man benötigt dafür nichts weiter als einen<br />

Bogen, einen Pfeil und jede Menge Platz.<br />

Und zugleich die schwierigste, denn sie ist<br />

von brutaler Ehrlichkeit: Wenn man einen<br />

Pfeil in einem Winkel von ungefähr 45 Grad<br />

in die Luft schießt, offenbaren sich sofort<br />

jegliche Schlamperei beim Lösen, unpassender<br />

spine, ein schlecht ausbalancierter<br />

Schaft oder andere Unzulänglichkeiten.<br />

eines Bogens. Welcher Anteil der in den<br />

Wurfarmen gespeicherten Energie wird tatsächlich<br />

auf das Projektil übertragen? Wie<br />

gut oder schlecht verträgt die Konstruktion<br />

die enorme Belastung des wiederholten Lösens<br />

von Schüssen, die sich nur um wenige<br />

Gramm von Leerschüssen unterscheiden?<br />

Heute nutzen immer mehr traditionelle Bogenbauer<br />

das Distanzschießen, um Materialien<br />

und Bauweisen zu testen und die Leistungsfähigkeit<br />

ihrer Konstruktionen unter<br />

Beweis zu stellen – insbesondere, wenn sie<br />

die Geheimnisse berühmter historischer<br />

Vorbilder wie der osmanischen Kompositbögen<br />

ergründen und nachahmen wollen.<br />

HISTORISCHE BESTLEISTUNGEN<br />

Aber fangen wir am Anfang an. Wann fand<br />

das erste Weitschießen der Welt statt? Niemand<br />

kann es mit Sicherheit sagen, aber<br />

mit größter Wahrscheinlichkeit war es kurz<br />

nach der Erfindung des Bogens, also vermutlich<br />

rund 20-25.000 Jahre v.u.Z. „Wie<br />

weit dieser Pfeil wohl fliegt?“ oder „Mal sehen,<br />

ob mein Pfeil weiter kommt als deiner!“<br />

oder auch „Ich wette dieses Mammutsteak,<br />

dass du nicht über den Fluss schießen<br />

kannst!“ – Neugier und Wettkampfgeist waren<br />

schon immer mächtige Triebfedern für<br />

Entdeckungen und Innovationen.<br />

Das erhaltene Fragment einer Steinstele aus Olbia (5.-3. Jh.<br />

v.u.Z.) vezeichnet den Weitschussrekord des Anaxagoras,<br />

Sohn des Demagoras.<br />

Einen extrem leichten Pfeil über eine möglichst<br />

weite Distanz zu schießen ist zudem<br />

ein guter Test für die Leistungsfähigkeit<br />

Der älteste bekannte Nachweis für einen<br />

Wettbewerb im Weitschießen jedoch findet<br />

sich eingemeißelt in eine Steinstele in der<br />

griechischen Kolonie Olbia am Schwarzen<br />

Meer. Er wird in die klassische oder hellenistische<br />

Phase der Geschichte des antiken<br />

Griechenlands datiert, also etwa ins fünfte<br />

bis dritte Jahrhundert v.u.Z. Die Inschrift<br />

lautet übersetzt: „Ich verkünde, dass der<br />

berühmte Anaxagoras, Sohn des Demagoras,<br />

mit seinem Bogen 282 Orgyien weit<br />

6 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> HISTORY 1/23


HISTORY<br />

geschossen hat.“ Es ist nicht gesichert, welcher<br />

Entfernung eine Orgyia zu dieser Zeit<br />

entsprach. Im Byzantinischen Reich waren<br />

es ca. 1,87 Meter, so dass eine Distanz von<br />

282 Orgyien etwa 522 Metern entsprechen<br />

würde.<br />

Das ist eine beachtliche Weite, die darauf<br />

hindeutet, dass Anaxagoras einen zugstarken<br />

Kompositbogen verwendet haben<br />

dürfte, und die es wert erachtet wurde,<br />

buchstäblich in Stein gemeißelt zu werden.<br />

Leider handelt es sich um das einzige Monument<br />

dieser Art für eine lange Zeit.<br />

Bogenschützen im mittelalterlichen England<br />

praktizierten clout shooting und shooting<br />

at the marks. In beiden Disziplinen<br />

mussten Pfeile möglichst nah an eine weit<br />

entfernte Markierung heran geschossen<br />

werden. Das clout (von engl. cloth = Tuch)<br />

war ein Stück Stoff von meist 40 bis 50 Zentimetern<br />

Durchmesser, das in einer Entfernung<br />

von 160 bis 240 yards (ca. 146-220 m)<br />

auf der Erde befestigt wurde. Bei den marks<br />

handelte es sich um natürliche oder künstliche<br />

Markierungen wie Säulen aus Holz oder<br />

Stein, die über ein weiträumiges Gelände<br />

verteilt waren und aus unterschiedlichen<br />

Distanzen anvisiert wurden. Die berühmten,<br />

1498 errichteten Finsbury Fields in London<br />

verfügten zeitweise über 194 marks auf einer<br />

Fläche von etwa 4,5 Hektar mit Schussdistanzen<br />

zwischen 118 und 315 Metern.<br />

König Heinrich VIII. erließ 1542 ein Gesetz,<br />

nach dem niemand unter 24 Jahren mit einem<br />

prickshaft oder leichten flight-Pfeil auf<br />

Ziele unter einer Entfernung von 220 yards<br />

(ca. 200 m) schießen solle; bei einer Strafe<br />

von sechs Schilling und acht pence. Zwar ist<br />

nicht gesichert, wie diese Pfeiltypen genau<br />

definiert waren, aber sie dürften leichter, das<br />

heißt aus leichterem Holz wie zum Beispiel<br />

Pappel gefertigt und mit kürzerer und/oder<br />

flacherer Befiederung versehen gewesen<br />

sein, was wiederum eine leichtere Spitze<br />

erforderlich macht, damit der Pfeil im Flug<br />

nicht trudelt.<br />

Junge Männer im rekrutierfähigen Alter<br />

sollten also in der Lage sein, auch mit den<br />

regulären, schweren Kriegspfeilen mindestens<br />

200 Meter weit zielgenau schießen zu<br />

können. Strickland und Hardy beschreiben<br />

Experimente, bei denen ein Nachbau eines<br />

Bogens von der Mary Rose mit 150 Pfund<br />

Zuggewicht einen 53,6 Gramm schweren<br />

Pfeil 328 Meter und einen von 95,9 Gramm<br />

fast 250 Meter weit schoss. Joe Gibbs von der<br />

English Warbow Society erreichte 2015 mit<br />

einem livery arrow von 63,5 Gramm und einem<br />

170 Pfund-Bogen aus italienischer Eibe<br />

von Ian Coote eine Weite von 279,8 Metern<br />

und 284,37 Meter mit einem standard arrow<br />

von 965 grain (62,5 g) Gewicht.<br />

Im 16. Jahrhundert konnte man aber auch<br />

mit den leichteren Weitschusspfeilen Preise<br />

gewinnen: Acht pence für 20 score (365,76<br />

m), zwölf pence für 22 score (402,34 m), und<br />

20 pence für 24 score yards (438,91 m). Beeindruckende<br />

Distanzen auch dies!<br />

DIE LEIDENSCHAFT DER OSMANEN<br />

Doch so eindrucksvoll diese Zahlen auch<br />

erscheinen mögen, sie verblassen im Vergleich<br />

zu den Errungenschaften der Osmanen.<br />

Das Osmanische Reich (ca. 1299-1922)<br />

war berühmt für seine Bogenschützen zu<br />

Fuß und zu Pferde, die bei seiner enormen<br />

Expansion während des 14. bis 16. Jahrhunderts<br />

eine bedeutende Rolle spielten. Doch<br />

wie in England verloren auch hier Pfeil und<br />

Bogen schließlich ihren angesehenen Status<br />

als Kriegsgerät und wurden durch moderne<br />

Feuerwaffen ersetzt.<br />

Bogenschießen entwickelte sich zum Sport<br />

und Zeitvertreib: Jede größere Stadt, und<br />

zahlreiche kleinere, verfügten über mindestens<br />

einen Schießplatz oder ok meydan<br />

(„Feld der Pfeile“). Einige von ihnen umfassten<br />

eine „Loge der Bogenschützen“ (Okçular<br />

Tekkesi), die mit Bibliothek, Schlafsälen,<br />

Museum und Büroräumen ausgestattet war.<br />

Die osmanischen Bogenschützen praktizierten<br />

verschiedene Varianten des Zielschießens,<br />

meist auf Entfernungen zwischen 89<br />

und 265 Meter, doch die bei weitem beliebteste<br />

und angesehenste Disziplin war das<br />

Weitschießen.<br />

An der Schießlinie, die in der Regel durch<br />

eine Steinplatte oder -säule markiert wurde,<br />

verlor der soziale Rang an Bedeutung, und<br />

der Sultan schoss neben Beamten, Händlern<br />

und Handwerkern. Hingegen herrschte<br />

strenge Hierarchie unter den Bogenschützen.<br />

Ein Neuling hatte zunächst so lange<br />

zu üben, bis er 900 gez (594 m) mit einem<br />

pişrev- und 800 gez (528 m) mit einem<br />

azmayiş-Pfeil erreichte. Erst wenn diese<br />

Leistung durch mindestens vier Offizielle –<br />

zwei an der Schießlinie und zwei in der geforderten<br />

Entfernung – bestätigt war, wurde<br />

der Schütze mit einer Graduierungsfeier geehrt<br />

und sein Name ins Verzeichnis der Loge<br />

aufgenommen.<br />

In den Büchern der Logen, von denen einige<br />

erhalten sind, wurden auch Rekorde<br />

verzeichnet. Die mit 1281,5 gez (845,79 m)<br />

weiteste bekannte Distanz wurde im frühen<br />

16. Jahrhundert von Tozkoparan Iskender<br />

erreicht. Den Einträgen zufolge waren Schüsse<br />

über mehr als 800 Meter allerdings nicht<br />

selten.<br />

Zu Ehren von Rekordhaltern wurden auf den<br />

Schießplätzen Monumente aus Stein errichtet,<br />

auf denen in einer poetischen Inschrift<br />

der Name des Schützen, die erzielte Entfernung<br />

und das Datum festgehalten wurden.<br />

Einst existierten mehrere hundert solcher<br />

Zeugnisse, doch die meisten wurden inzwischen<br />

entfernt, überbaut, gestohlen oder im<br />

Zuge der Stadtentwicklung zerstört. Ein erhaltenes<br />

Exemplar von 1789, das sich heute<br />

vor dem Militärmuseum in Istanbul befindet,<br />

trägt ein Gedicht, das von Sultan Selim<br />

III. persönlich verfasst wurde und sinngemäß<br />

lautet:<br />

1/23 HISTORY <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 7


HISTORY<br />

Steinmonument von 1789 zu Ehren von Hüsameddin<br />

Ağa, oberster Kaffeebereiter des Sultans Selim III.,<br />

heute vor dem Militärmuseum in Istanbul.<br />

»Gottes Segen. Hüsameddin Ağa,<br />

guter oberster Kaffeebereiter des Sultans,<br />

der dieses Ziel erreichte.<br />

Er nahm seinen Bogen und unternahm den<br />

Versuch, obwohl er im Winter nicht genug geübt<br />

hatte …«<br />

Für einige osmanische Bogenschützen war<br />

das Weitschießen nicht nur Sport und Freizeitvergnügen,<br />

sondern eine Obsession, die<br />

ihr gesamtes Leben beherrschte. Ständig<br />

warteten und hofften sie auf den besten<br />

Wind, die perfekten Bedingungen für den<br />

perfekten Schuss, wie der Mann in einer bekannten<br />

Anekdote der Zeit:<br />

Er war auf dem Weg zur Beerdigung seines<br />

Sohnes, als plötzlich der lang ersehnte Nordwind<br />

einsetzte. Der Mann eilte zum Schießplatz,<br />

überließ es den Verwandten, seinen<br />

Sohn zu Grabe zu tragen, und schoss mit<br />

Tränen in den Augen einen neuen Rekord.<br />

Sir Ralph Payne-Gallwey schießt einen türkischen Kompositbogen mit „siper“ und mediterranem Auszug.<br />

Payne-Gallwey (1848–1916) selbst erzielte<br />

am 7. Juli 1905 unter kontrollierten Bedingungen<br />

367 yards (336 m) und bis zu 421<br />

yards (385 m) bei privaten Übungen mit<br />

einem türkischen Kompositbogen, und er<br />

erwähnt 340 yards (311 m) als die weiteste<br />

Distanz mit einem Englischen Langbogen,<br />

geschossen 1798 durch einen gewissen Mr.<br />

Troward.<br />

Türkische Kompositbögen und Weitschusspfeile<br />

aus Sir Ralph Payne-Gallweys Buch von 1907.<br />

Bei einem Wettkampf auf dem Strand von<br />

Le Touquet in Frankreich schoss der bekannte<br />

Bogenschütze und Sammler Ingo Simon<br />

(1875-1964) mit einem historischen türkischen<br />

Kompositbogen von geschätzten 100<br />

lbs. Zuggewicht einen Pfeil über 475 yards<br />

(434 m).<br />

Türkische Kompositbögen sind Meisterwerke<br />

der Handwerkskunst und bekannt dafür, viel<br />

DIE WIEDERBELEBUNG DER TRADITION<br />

Den Aufzeichnungen Sir Ralph Payne-<br />

Gallweys zufolge schoss Mahmoud Effendi,<br />

Sekretär des türkischen Botschafters in<br />

London, im Jahr 1795 einen 25,5 Zoll langen<br />

Weitschusspfeil über eine Distanz von<br />

480 yards (womit er im 16. Jahrhundert 20<br />

pence gewonnen hätte). Thomas Waring<br />

und andere anwesende führende Bogenbauer<br />

und -schützen Englands waren schwer<br />

beeindruckt, doch der Sekretär entschuldigte<br />

seine „mittelmäßige“ Leistung damit, dass<br />

sowohl der Bogen als auch er außer Übung<br />

seien, und bestätigte, dass die besten osmanischen<br />

Schützen 800 yards und mehr erreichen<br />

konnten.<br />

8 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> HISTORY 1/23


HISTORY<br />

Ingo Simon schießt unter den Blicken seiner Frau einen<br />

historischen osmanischen Kompositbogen mit Daumenring<br />

und „siper“.<br />

Energie in ihren relativ kurzen Wurfarmen zu<br />

speichern. Doch im Osmanischen Reich wurde<br />

den Pfeilen ebenso viel Aufmerksamkeit<br />

gewidmet – osmanische Weitschusspfeile,<br />

die heute in vielen Museen bestaunt werden<br />

können, zählen zu den filigransten Erzeugnissen<br />

des Handwerks. Sie bestehen meist<br />

aus leichtem Holz mit verjüngtem Schaft und<br />

winzigen Spitzen aus Bein und sind oftmals<br />

nicht mit Federn, sondern mit zwei oder drei<br />

parabolförmigen Stückchen Pergament von<br />

nicht mehr als ein bis zwei Zoll (2,5-5 cm)<br />

Länge „befiedert“. Viele erhaltene Exemplare<br />

messen nicht mehr als 60 Zentimeter. Um<br />

dennoch den vollen Auszug nutzen zu können,<br />

kam ein siper zum Einsatz, ein konkav<br />

gebogenes Stück Horn oder Schildpatt, das<br />

auf dem Daumen oder Handgelenk der Bogenhand<br />

getragen wurde.<br />

Bis zum Aufkommen neuer, synthetischer<br />

Materialien im 20. Jahrhundert blieb die<br />

Kompositbauweise (siehe Artikel ab Seite 42<br />

in dieser Ausgabe) mit Sehnenbelag am Rücken<br />

und Hornschicht am Bauch auf einem<br />

zusammengesetzten Holzkern die effizienteste<br />

Form des Bogenbaus, und die türkischen<br />

oder osmanischen Formen zählten zu<br />

den leistungsstärksten und erfolgreichsten.<br />

Seit den 1950er-Jahren fand das Weitschießen<br />

insbesondere unter Bogenbauern neue<br />

Anhänger, die ihre Konstruktionen und Materialien<br />

testen und verbessern wollten. Die<br />

gekrümmten Wurfarme des modernen Recurve<br />

beruhen ja auf der Jahrtausende alten<br />

Tradition des Kompositbogens, und beim<br />

Versuch, kürzere Pfeile mit vollen Auszug<br />

schießen zu können, experimentierten etliche<br />

moderne Bogenbauer wie Harry Drake<br />

mit verschiedenen Formen des overdraw,<br />

womit sie im Grunde den osmanischen siper<br />

des 17. Jahrhunderts kopierten.<br />

Die Szene der Anhänger des Distanzschießens<br />

ist heute eine stetig wachsende internationale<br />

Gemeinschaft mit regelmäßigen offiziellen<br />

und inoffiziellen Wettkämpfen auf der<br />

ganzen Welt. Die größte vom Weltverband<br />

World Archery (WA) anerkannte Veranstaltung<br />

findet jedes Jahr auf den Bonneville<br />

Salt Flats im US-Bundesstaat Utah statt und<br />

umfasst rund 180 verschiedene Kategorien,<br />

in denen Weltrekorde erzielt werden können.<br />

Die aktuelle Bestleistung mit einem Englischen<br />

Langbogen von 412,82 Metern wurde<br />

2017 von Jószef Mónus aus Ungarn erreicht.<br />

Der Norweger Ivar Malde schoss 2019 mit einem<br />

selbstgebauten Kompositbogen im türkischen<br />

Stil 566,83 Meter weit.<br />

Vergleicht man diese Distanzen mit jenen<br />

der historischen Quellen, scheinen wir ungeachtet<br />

vieler Jahrhunderte des Fortschritts<br />

in Wissenschaft und Technik, der Entwicklung<br />

immer neuer beeindruckender Hochleistungsmaterialien<br />

und Verbesserung von<br />

Produktionsprozessen noch immer ein gutes<br />

Stück davon entfernt, die erstaunlichen Leistungen<br />

der Bogenschützen der Vergangenheit<br />

zu erreichen oder gar zu übertreffen.<br />

Auch nach Tausenden von Jahren bleibt der<br />

Horizont das Ziel.<br />

Dr. Charles E. Grayson beim Distanzschießen mit einem<br />

experimentellen modernen Bogendesign.<br />

<br />

Quelle: Wikipedia/wikicommons<br />

Literatur:<br />

Mike Loades: The Longbow, Botley 2013.<br />

Ralph Payne-Gallwey: A Treatise on the Construction, Power<br />

and Management of Turkish and other Oriental Bows of<br />

Mediaeval and Later Times, 1907.<br />

Hugh D.H. Soar: Straight and True. A Select History of the<br />

Arrow, Yardley 2012.<br />

Ernst von Stern: Der Pfeilschuss des Olbiopoliten Anaxagoras,<br />

in: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes<br />

in Wien 4 (1901), Beiblatt, Sp. 57-60.<br />

Matthew Strickland and Robert Hardy: The Great Warbow.<br />

From Hastings to the Mary Rose, Stroud 2005.<br />

INFO<br />

Die Gruppe „Flight Archery“<br />

auf Facebook hat mehr als<br />

1600 Mitglieder und bietet<br />

wertvollen Austausch von<br />

Wissen, Ideen und Erfahrung.<br />

Informationen zu Terminen,<br />

Regeln und Ranglisten der<br />

Flight Archery Championships<br />

in Bonneville findet man auf<br />

www.usflightarchery.com/.<br />

Erhaltene Schäfte von historischen pişrev-Pfeilen: Zu beiden Enden verjüngt, mit<br />

Beinspitzen und Hornnocken, Befiederung fehlt.<br />

Dr. Murat Özveri erklärt die Verwendung eines<br />

„siper“. Havran/TR 2010. Foto: Jan H. Sachers<br />

1/23 HISTORY <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 9


MATERIAL<br />

BEITER MICROKLICKER<br />

DIE WEITERENTWICKLUNG DES TEC-HRO KLICKERS<br />

Von Arne Metzlaff<br />

Die Firma Beiter erweiterte Anfang 2022 ihr<br />

Produkt-Portfolio und veröffentlichte den Beiter<br />

MicroKlicker. Dabei handelt es sich allerdings<br />

um keine reine Neuentwicklung von Beiter,<br />

sondern eine Weiterentwicklung des bekannten<br />

TEC-HRO MicroClickers. Zu dieser Weiterentwicklung<br />

durch Beiter kam es, weil TEC-HRO<br />

keine Produkte mehr für das Bogenschießen<br />

anbietet.<br />

Der MicroKlicker ist eine Erweiterung<br />

des klassischen und simplen<br />

Klickers, der direkt am Mittelteil<br />

befestigt wird. Im Gegensatz dazu wird<br />

nun der gesamte MicroKlicker unter der<br />

Visierplatte am Mittelteil befestigt. Das eigentliche<br />

Klickerblech wird nun an der<br />

Grundplatte des MicroKlickers befestigt.<br />

Die Besonderheit und auch gleichzeitig der<br />

Vorteil bei der Verwendung des MicroKlickers<br />

ist, dass man den Klicker mit Hilfe<br />

einer Mikrometerschraube exakt einstellen<br />

kann. Durch die Skala auf der Mikrometerschraube<br />

kann die Position des Klickers<br />

exakt abgelesen werden. Dies kann einen<br />

schnellen Wechsel zwischen verschiedenen<br />

Pfeilen mit unterschiedlichen Längen<br />

erleichtern.<br />

Der Aufbau des MicroKlickers ist relativ<br />

simpel, es gibt eine Platte zur Befestigung<br />

unter der Visierplatte. Auf dieser Platte<br />

ist die Vorrichtung zur Befestigung des<br />

Klickerbleches mitsamt der Mikrometerschraube<br />

angebracht. Der Clou des Ganzen<br />

ist die Möglichkeit, den Klicker sehr fein<br />

und reproduzierbar einzustellen.<br />

Den MicroKlicker gibt es in zwei verschiedenen<br />

Längen. Die Länge bezieht sich dabei<br />

auf die „Breite“ der Grundplatte, die<br />

am Mittelteil befestigt wird. Je nach verwendetem<br />

Mittelteil passt die eine oder die<br />

andere Platte besser. Des Weiteren gibt es<br />

Ausführungen sowohl für Links- als auch<br />

für Rechtshand-Schützen. Im Lieferumfang<br />

enthalten sind die Grundplatte zur<br />

Befestigung, die variable Platte für den<br />

Klicker selbst, zwei Klickerbleche in den<br />

Dicken 0,25 und 0,20 mm, die bekannte<br />

Beiter-Klicker-Schraube zur Befestigung<br />

des Klickers, zwei verschiedene Längen an<br />

Schrauben, um den MicroKlicker am Mittelteil<br />

festzuschrauben (abhängig von der<br />

verwendeten Visierplatte), zwei Schrauben<br />

zur Befestigung der „variablen Klickerplatte“,<br />

eine Art spezieller Unterlegscheibe, die<br />

unter dem Klicker platziert wird und passendes<br />

Werkzeug für alle Schrauben.<br />

Wie bereits erwähnt, ist das grundlegende<br />

Prinzip des Microklickers relativ simpel,<br />

wird jedoch durch gewisse Zusätze optimiert.<br />

Diese betreffen insbesondere die<br />

Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen<br />

TEC-HRO Klicker. Hierzu gehört<br />

zum einen, dass die Langlöcher auf der<br />

Grundplatte Vorbohrungen für die Befestigungsschrauben<br />

haben und die Platte<br />

somit im korrekten Winkel angebracht<br />

werden kann. Zum anderen hat der Micro-<br />

Klicker-Körper Nuten, durch welche die<br />

spezielle „Unterlegscheibe“ für den Klicker<br />

eine exakte Winkelausrichtung ermöglicht.<br />

Zwischen den einzelnen Nuten liegen jeweils<br />

7,5 Grad in der Neigung des Klickers.<br />

Die Mikrometerschraube hat insgesamt einen<br />

verstellbaren Bereich von zehn Millimetern,<br />

der durch die verschiedenen möglichen<br />

Winkelstellungen des Klickers noch<br />

erweitert wird. Ein Klick bei der Verstellung<br />

über die Mikrometerschraube beträgt genau<br />

0,125 mm. Somit sind sehr präzise Verstellungen<br />

möglich.<br />

In der präzisen Welt des Bogensports bietet<br />

der MicroKlicker von Beiter mit den aufgeführten<br />

Verbesserungen ein wirklich tolles<br />

Produkt, um auch den Klicker präzise und<br />

wiederholbar einstellen zu können. Der<br />

Preis für den Mikroklicker liegt bei etwa<br />

100 Euro. Für einen Klicker ist dies ein vergleichsweise<br />

hoher Preis, doch kann ein<br />

herkömmlicher Klicker nicht mit diesem<br />

Produkt verglichen werden. Ob die Vorteile<br />

ausreichen, um diesen Preis für einen Klicker<br />

zu bezahlen, ist jedem selbst überlassen.<br />

Doch wenn man sich dazu entscheidet,<br />

erhält man ein Beiter-typisches qualitativ<br />

sehr hochwertiges Produkt. Alle bisherigen<br />

Beiter Klicker-Produkte sind mit dem<br />

MicroKlicker kompatibel. So könnten zum<br />

Beispiel auch ein 0,3 mm Klickerblech oder<br />

andere Klickerkappen verwendet werden.<br />

Ein weiterer Vorteil, den der MicroKlicker<br />

durch seine Art der Befestigung des Klickerbleches<br />

an der MicroKlicker-Grundplatte<br />

mit sich bringt ist, dass eine Verstellung<br />

beispielsweise beim Verstauen oder<br />

dem Transport des Bogens im Koffer oder<br />

Rucksack verhindert wird, und falls es doch<br />

einmal dazu kommen sollte, die Position<br />

exakt reproduzierbar ist.<br />

10 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> MATERIAL 1/23


NEWS<br />

MIKE SCHLOESSER – 2022<br />

SO TREFFSICHER WIE NOCH NIE<br />

Mike Schloesser hat sich bei allen<br />

sieben Etappen des Hyundai-Archery<br />

World Cups, die<br />

seit 2021 ausgetragen wurden,<br />

als Erstplatzierter qualifiziert.<br />

Er hat drei dieser sieben Events<br />

gewonnen und den Titel bei drei<br />

aufeinanderfolgenden World<br />

Cup-Finals seit 2019 (und vier<br />

in seiner Karriere) geholt. Die<br />

vergangene World Cup-Saison<br />

war großartig für den 28-jährigen<br />

niederländischen Profi ...<br />

und es könnte seine bisher beste<br />

gewesen sein.<br />

Schloesser stellte bei sechs Teilnahmen<br />

an Kontinental- und<br />

Weltmeisterschaften im Jahr<br />

2022 statistische Karrierehöchstwerte<br />

bei der Scoring-Leistung<br />

(9,88 Ringe pro Pfeil) und der<br />

Siegquote (90 %) auf. Wir hatten<br />

sehr viel Glück mit dem Wetter”,<br />

sagt er. „Ich hatte mit Sicherheit<br />

eines meiner besseren Jahre,<br />

und mit dem Wetter war es<br />

eine gute Kombination.” In der<br />

Qualifikation und im Matchplay<br />

hat „Mister Perfect” seit 2017 in<br />

jeder Saison im Durchschnitt<br />

mindestens 9,83 Ringe pro Pfeil<br />

erzielt. Diese Ringzahl entspricht<br />

knapp 708 Ringen bei einer<br />

Qualifikationsrunde mit 72<br />

Pfeilen. In dieser Saison brachte<br />

er es mit 9,88 auf mehr als 711<br />

Ringe. „Ich war stark im mentalen<br />

Bereich, vor allem zu Beginn<br />

der Saison, und das hilft bei den<br />

kurzen 15-Pfeil-Matches”, erklärt<br />

Mike.<br />

Es gibt allerdings eine Statistik,<br />

die bei ihm noch nicht optimal<br />

ist, die über die Tiebreaks. In<br />

seiner mehr als zehnjährigen<br />

internationalen Karriere hat der<br />

28-jährige Weltranglistenerste<br />

gerade einmal eine Gewinnquote<br />

von 33 Prozent, wenn<br />

Anzeige<br />

ein Match mit einem Stechpfeil<br />

endet. Seit 2017, der einzigen<br />

Saison, in der er mehr Tiebreaks<br />

gewonnen als verloren hat (drei<br />

Siege, zwei Niederlagen), liegt er<br />

bei 4:7 nach der Stechpfeilentscheidung.<br />

Und in diesem Jahr<br />

hatte er die meisten Stechpfeilentscheidungen<br />

seiner Karriere<br />

zu überstehen – sechs – mit<br />

einer ausgeglichenen Bilanz von<br />

drei Siegen und drei Niederlagen.<br />

„Ein Shoot-off ist manchmal<br />

wie ein Münzwurf. Ich habe<br />

zwei dieser Shoot-Offs sehr gut<br />

geschossen, aber mein Gegner<br />

hat schließlich doch einen<br />

besseren Pfeil geschossen, und<br />

darüber kann man sich nicht<br />

beschweren”, sagt Mike. „Und<br />

ich habe definitiv das Gefühl,<br />

dass manchmal das Beste in den<br />

Leuten zum Vorschein kommt,<br />

wenn sie gegen mich schießen.”<br />

Und warum sollte das nicht der<br />

Fall sein? Gegen den amtierenden<br />

Weltranglistenersten<br />

gibt es nichts zu verlieren. Als<br />

topgesetzter Athlet ist er immer<br />

der Favorit – und er ist schon so<br />

lange in dieser Position. Wenn<br />

ein Athlet im Matchplay gegen<br />

Mike unterliegt, wird das erwartet;<br />

wenn er gewinnt und für<br />

eine Überraschung sorgt, ist das<br />

einfach ein Bonus. „Manchmal<br />

habe ich das Gefühl, dass ich<br />

eine bessere Statistik schieße,<br />

weil ich diese Shoot-offs oft mit<br />

einem sehr guten Pfeil verliere”,<br />

fügt Schloesser hinzu. „Mister<br />

Perfect” mag seine statistischen<br />

Höchstwerte zumindest teilweise<br />

dem Wetter zuschreiben,<br />

aber wenn sich die Bedingungen<br />

seit 2017 nicht von Jahr zu<br />

Jahr verbessern, ist da sicherlich<br />

mehr im Spiel. In den letzten<br />

sechs Jahren hat er seine internationale<br />

Trefferquote von 9,83<br />

oder mehr nicht nur gehalten,<br />

sondern jedes Jahr verbessert.<br />

Nach 9,83 Ringen pro Schuss<br />

im Jahr 2017 lag sein Durchschnittspfeil<br />

2018 und 2019 bei<br />

konstanten 9,85. In der Saison<br />

2021 stieg er dann auf 9,86. Im<br />

Folgejahr 2022 auf 9,88 – das<br />

ist bereits ein neuer Rekord.<br />

Die Marke von 9,90 zu brechen,<br />

wäre stratosphärisch.<br />

„Ich hatte eine wirklich gute<br />

Saison”, sagte Schloesser nach<br />

dem Gewinn des vierten<br />

Hyundai-Bogenschieß-Weltcup-<br />

Finales in Tlaxcala. „Das ist die<br />

Kirsche auf dem Sahnehäubchen.”<br />

Heuer jährt sich Schloessers<br />

Sieg bei den Weltmeisterschaften<br />

zum zehnten Mal<br />

(er gewann sie 2013 in Belek,<br />

Türkei). Ein Jahrzehnt später<br />

bleibt Mike Schloesser der<br />

Goldstandard im Compoundbogenschießen.<br />

<br />

CW / Foto: Dean Alberga<br />

1/23 NEWS <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 11


NEWS<br />

WORLD CUPS WERDEN 2022 VON FAST<br />

150 MILLIONEN MENSCHEN VERFOLGT<br />

Laut einem unabhängigen<br />

Bericht der Datenagentur IRIS<br />

erreichte die Übertragung des<br />

Hyundai Archery World Cups<br />

2022 über lineare und digitale<br />

Plattformen mehr als 147<br />

Millionen Menschen, wobei<br />

die Zahl der Aufrufe in den<br />

sozialen Medien 180 Millionen<br />

überstieg. Mehr als 1500 Stunden<br />

Live-, zeitversetzte und<br />

Highlight-Berichterstattung<br />

wurden von den World Archery<br />

Broadcasting-Partnern in<br />

den wichtigsten Gebieten während<br />

der Saison ausgestrahlt,<br />

eine Steigerung von 60 Prozent<br />

gegenüber 2021. Die diesjährige<br />

World Cup-Saison bestand<br />

aus fünf Veranstaltungen: Vier<br />

Etappen in der Türkei, Korea,<br />

Frankreich und Kolumbien<br />

sowie ein Finale in Mexiko.<br />

Die wachsende Popularität des<br />

Sports in China, Indien, Chinesisch-Taipeh<br />

und neuerdings<br />

auch in der Türkei war der<br />

Auslöser für den Anstieg der<br />

Zuschauerzahlen. Nach dem<br />

historischen Sieg von Mete<br />

Gazoz bei den Olympischen<br />

Spielen in Tokio hat der türkische<br />

Fernsehsender TRT 2022<br />

zum ersten Mal eine komplette<br />

Saison in das Programm aufgenommen.<br />

SPOTV hat Anfang<br />

des Jahres die Rechte für das<br />

Bogenschießen in Korea und<br />

Südostasien übernommen.<br />

Dieser Vertrag läuft bis 2024.<br />

Claro Sports in Lateinamerika,<br />

SonyTEN auf dem indischen<br />

Subkontinent, der chinesische<br />

Staatssender CCTV und<br />

Eleven in Chinesisch-Taipeh<br />

übertrugen die Saison 2022 der<br />

Hyundai-Archery World Cup<br />

ebenfalls in voller Länge. Eurosport<br />

zeigte die Höhepunkte.<br />

Der internationale Verband<br />

kündigte die Einführung von<br />

archery+ an, einer maßgeschneiderten<br />

OTT-Plattform,<br />

die große Bogensportveranstaltungen<br />

in Ländern übertragen<br />

wird, in denen der Verband<br />

noch keine Rechte besitzt. Prof.<br />

Dr. Ugur Erdener, Präsident von<br />

World Archery, sagte: „Wir sind<br />

stolz darauf, dass die Zuschauerzahlen<br />

im Bogenschießen<br />

weltweit weiter steigen, nur ein<br />

Jahr nach den Olympischen<br />

Spielen in Tokio und nur ein<br />

Jahr vor dem Beginn der Qualifikation<br />

für Paris 2024. Nicht<br />

nur die Reichweite des Sports<br />

nimmt zu, sondern auch das<br />

Engagement unserer geschätzten<br />

Sendepartner, da mehr<br />

Stunden unserer wichtigsten<br />

Veranstaltungen im Fernsehen<br />

gezeigt werden als je zuvor.”<br />

CW / Foto: Dean Alberga<br />

WORLD ARCHERY-PRÄSIDENT IN DEN<br />

VORSTAND DER WORLD MASTERS GAMES GEWÄHLT<br />

Der Präsident von World Archery,<br />

Prof. Dr. Ugur Erdener,<br />

wurde im November 2022 bei<br />

der Generalversammlung der<br />

»International Masters Games<br />

Association« in den Vorstand<br />

gewählt. Er ist nun einer von<br />

sechs Vertretern der internationalen<br />

Sportverbände, die neben<br />

fünf unabhängigen Mitgliedern<br />

in diesem Gremium sitzen. Es<br />

handelte sich seit einer Umstrukturierung<br />

des Vorstands<br />

um die ersten Wahlen in der<br />

neuen Führungsstruktur.<br />

Die Kandidatur von Prof. Dr. Erdener<br />

wurde von World Archery<br />

eingereicht, um das medizinische<br />

Fachwissen zu ergänzen.<br />

Der angesehene Augenarzt Prof.<br />

Dr. Erdener ist auch Mitglied<br />

des Exekutivausschusses der<br />

Welt-Anti-Doping-Agentur und<br />

Vorsitzender der medizinischen<br />

Kommission des Internationalen<br />

Olympischen Komitees. Seit<br />

2005 ist er Präsident von World<br />

Archery. Die »International<br />

Masters Games Association« ist<br />

verantwortlich für die Förderung<br />

gesunder Aktivitäten<br />

unter älteren Sportlern durch<br />

die World Masters Games und<br />

ihre regionalen Pendants.<br />

Die ersten World Archery Masters<br />

Championships wurden<br />

2018 in Lausanne ausgetragen.<br />

Die Weltmeistertitel für die<br />

Altersgruppe 50+ sollten bei<br />

den World Masters Games in<br />

Kansai im Jahr 2021 vergeben<br />

werden – diese Veranstaltung<br />

wurde jedoch aufgrund der<br />

weltweiten Pandemie verschoben<br />

(letztendlich auf 2027). Die<br />

nächsten World Masters Games<br />

sind nun für 2025 in Chinese<br />

Taipei geplant, während die<br />

European Masters Games <strong>2023</strong><br />

in der finnischen Stadt Tampere<br />

stattfinden werden – www.<br />

emg<strong>2023</strong>.fi.<br />

CW / Foto: Screenshot<br />

worldarchery.sport<br />

12 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> NEWS 1/23


UNSERE<br />

LIEBLINGSMOTIVE<br />

2022<br />

Es war einfach ein wunderbares Jahr für unser deutsches Team. Ganz besonders<br />

aber für unser deutsches Damenteam. Ein Symbol, das uns da besonders in Erinnerung<br />

bleibt: definitiv die Banane.<br />

Dieses Bild stammt aus der Ausgabe 4/22 Seite 46<br />

<br />

Foto: Dean Alberga / WA<br />

Wir sind immer wieder begeistert, wenn wir die Gelegenheit bekommen live auf<br />

einem Event zu sein. Aber man kann nun einmal nicht bei jedem Turnier dabei sein.<br />

Umso wichtiger erscheint uns die mediale Berichterstattung. D.h. es gilt nicht nur<br />

dem was vor der Kamera geschieht die Ehre, sondern auch denjenigen dahinter.<br />

Dieses Bild stammt aus der Ausgabe 4/22 Seite 23<br />

<br />

Foto: WA / worldarchery.sport<br />

Körperliche Selbstbeherrschung ist A und O im Bogensport… aber wir sind immer<br />

wieder aufs Neue begeistert zu sehen wie dieses Konzept beim Berittenen Bogenschießen<br />

umgesetzt wird.<br />

Dieses Bild stammt aus der Ausgabe 1/22 Seite 23<br />

<br />

Foto: Hamid Shokouhi<br />

1/23 LIEBLINGSMOTIV2022 <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 13


NEWS<br />

SPORTTECHNOLOGIEN IM MITTELPUNKT<br />

DER ERSTEN TAIPEI OPEN<br />

Es hat lange gedauert, doch<br />

vom 10. bis zum 11. Dezember<br />

2022 war es endlich so weit.<br />

Die ersten Taipei Open, das<br />

erste große Turnier seit mehr als<br />

einem Jahrzehnt, das in einer<br />

der dominantesten asiatischen<br />

Bogensportnationen stattfand,<br />

fühlte sich wie der Beginn von<br />

etwas Neuem an. Das Turnier,<br />

das erstaunlicherweise in nur<br />

drei Monaten nach der vollständigen<br />

Wiedereröffnung von<br />

Chinesisch-Taipeh nach der<br />

Pandemie im Oktober auf die<br />

Beine gestellt wurde, war seit<br />

langem Teil einer breit angelegten<br />

Strategie zur Entwicklung<br />

des nationalen Interesses<br />

an diesem Sport – und des<br />

internationalen Interesses an<br />

der Bogensportgemeinschaft in<br />

Taipeh. Wie Sekretär Lin Cheng-<br />

Hsien sagte: „Wir wollen, dass<br />

die ganze Welt erfährt, was wir<br />

hier haben.” Das Teilnehmerfeld,<br />

das in der riesigen Arena<br />

der Sportuniversität der Stadt<br />

stattfand, zeichnete sich durch<br />

ein unglaublich junges Publikum<br />

aus. Bogenschießen wird<br />

in Taipeh in der Regel noch an<br />

Gymnasien und Universitäten<br />

ausgeübt, so dass das Durchschnittsalter<br />

aller Teilnehmer<br />

(sowohl in der Jugend- als auch<br />

in der Seniorenkategorie) bei<br />

nur 20 Jahren lag. Der jüngste<br />

Bogenschütze war gerade einmal<br />

sieben Jahre alt. Der straffe<br />

Zeitplan hatte zur Folge, dass<br />

nur eine Handvoll internationaler<br />

Bogenschützen aus Japan,<br />

Hongkong, der Mongolei, Indien<br />

und den Niederlanden angereist<br />

waren, um sich mit rund 300<br />

einheimischen Athleten (von<br />

den etwa 2000 aktiven Bogenschützen)<br />

zu messen.<br />

Taipeh ist als Hightech-Region<br />

bekannt – und das führte dazu,<br />

dass der Schwerpunkt auf neuen<br />

Technologien lag und einige<br />

brandneue Lösungen vorgestellt<br />

wurden, die noch nie zuvor bei<br />

einer Bogensportveranstaltung<br />

zu sehen waren. Auf dem Wettkampffeld<br />

wurde von Sponsor<br />

Funique ein außergewöhnliches<br />

Virtual-Reality-Übertragungssystem<br />

für die Veranstaltung<br />

gebaut. Wenn man sich ein<br />

Virtual-Reality-Headset aufsetzte,<br />

konnte man die Schießhalle<br />

von zwei wählbaren Positionen<br />

in der Mitte des Wettkampfeldes<br />

aus in einem 360-Grad-Rundumblick<br />

betrachten, so dass<br />

man sowohl die Bogenschützen<br />

als auch die Ziele sehen konnte.<br />

Ein grafisches Overlay lieferte<br />

die Ergebnisse. Das System, das<br />

vier separate Kameras miteinander<br />

verbindet, wurde ursprünglich<br />

für den Einsatz bei Konzerten<br />

entwickelt, hat aber eine<br />

zweite Heimat in der Sportwelt<br />

gefunden. Nachdem es bereits<br />

bei Basketball-, Volleyball- und<br />

Gewichtheberwettbewerben in<br />

Taipeh eingesetzt wurde, war<br />

dies das erste Mal, dass es beim<br />

Bogenschießen zum Einsatz<br />

kam. Über handelsübliche<br />

Virtual-Reality-Headsets oder<br />

über die 360-Funktion der mobilen<br />

YouTube-App konnten die<br />

frühen Phasen des Wettkampfs,<br />

insbesondere die Qualifikations-<br />

und Ausscheidungsrunden,<br />

auf sehr viel interessantere<br />

Weise verfolgt werden.<br />

Abseits des Wettkampffeldes, in<br />

einem Ausstellungsbereich im<br />

oberen Teil der Arena, gab es<br />

vielleicht sogar noch interessantere<br />

Technologien. Die<br />

Organisatoren hatten mit dem<br />

Unternehmen ITSport und den<br />

Behörden zusammengearbeitet,<br />

um ein automatisches Punktesystem<br />

für das Bogenschießen<br />

in der Halle zu entwickeln, das<br />

in Verbindung mit Projektoren<br />

und einer großen Schaumstoffwand<br />

ein aufregendes<br />

neues Format für den Sport<br />

darstellte. „Wenn wir den Sport<br />

fördern wollen, müssen wir die<br />

Aufmerksamkeit der Menschen<br />

erregen”, sagte ITSport-Direktor<br />

Show Chin An, „wir nutzen<br />

einen anderen Blickwinkel, um<br />

den Sport der Öffentlichkeit<br />

zu präsentieren. Dies ist ein<br />

Testlauf, um zu sehen, was wir<br />

tun können, um das Erlebnis<br />

weiter zu steigern. Neben<br />

formelleren Trainings- und<br />

Wettkampfprogrammen gab<br />

es auch einen Zombie-Modus,<br />

eine zeitgemäße Aktivität zum<br />

Thema Fußball und ein Minispiel,<br />

das schnelles Einnocken<br />

und Schießen belohnte. Das<br />

System wurde entwickelt,<br />

um den Leuten einen ersten<br />

Eindruck vom Bogenschießen<br />

zu vermitteln, und es findet<br />

daher in Bogenschießcafés und<br />

anderen Unterhaltungszentren<br />

Anwendung.<br />

Beide Systeme wurden während<br />

des gesamten Wochenendes<br />

von jüngeren Bogenschützen<br />

belagert, wobei ITSport<br />

schließlich eine Rangliste für die<br />

Profi-Teams von Chinese Taipei<br />

erstellte. Da die Taipei Open<br />

mindestens in den nächsten<br />

zwei Jahren (Ende <strong>2023</strong> und<br />

2024) wieder Teil der Indoor Archery<br />

World Series sein werden,<br />

wird es spannend sein zu sehen,<br />

wie sich diese Technologien<br />

weiterentwickeln. Mit ihrem<br />

Pioniergeist hat die Veranstaltung<br />

bereits das Potenzial<br />

gezeigt, neue Ideen in den Sport<br />

zu bringen.<br />

<br />

John Stanley<br />

Foto: Screenshot worldarchery.sport<br />

14 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> NEWS 1/23


NEWS<br />

BOGEN-WM BERLIN:<br />

TICKETVERKAUF GESTARTET<br />

Es ist das sportliche Highlight<br />

im nächsten Jahr, die Hyundai<br />

Bogensport-Weltmeisterschaften<br />

in Berlin. Vom 31. Juli bis<br />

6. August treten die weltbesten<br />

Recurve- und Compoundschützen<br />

in der deutschen Hauptstadt<br />

an, um die neuen Weltmeister<br />

zu ermitteln. Knapp<br />

sieben Monate vor Beginn des<br />

internationalen Spitzensportevents<br />

und damit noch pünktlich<br />

vor Weihnachten hat der<br />

Online-Ticketverkauf für die<br />

Finalwettkämpfe begonnen.<br />

Berlin ist mit der Weltcup-Serie<br />

2017 bis 2019 bereits Bogensport<br />

erprobt und somit bestens<br />

auf die wichtigste Veranstaltung<br />

des Weltverbandes World<br />

Archery vorbereitet. Diese<br />

hält im nächsten Jahr auch<br />

einige Besonderheiten bereit.<br />

Zum einen werden im eigens<br />

errichteten Finalstadion auf<br />

dem Olympischen Platz vor<br />

dem Berliner Olympiastadion<br />

nicht nur die WM-Medaillen,<br />

sondern auch die ersten Quotenplätze<br />

für die Olympischen<br />

Spiele 2024 in Paris vergeben.<br />

Zum anderen wird erstmals<br />

bei einer Weltmeisterschaft an<br />

drei Tagen das 1600 Zuschauer<br />

fassende Finalstadion genutzt.<br />

Denn neben den Einzel-Wettbewerben<br />

mit dem Compound-<br />

(Samstag, 5. August) und dem<br />

Recurvebogen (Sonntag, 6.<br />

August) fallen dort auch die<br />

Entscheidungen im Team- und<br />

Mixed-Wettbewerb (Freitag, 4.<br />

August).<br />

Neben den südkoreanischen<br />

Superstars, der US-Legende<br />

Brady Ellison oder den weltbesten<br />

Compound-Schützen Sara<br />

Lopez (COL) und Mike Schloesser<br />

(NED) gilt das Augenmerk<br />

natürlich auch den deutschen<br />

Athleten. Bei der diesjährigen<br />

Europameisterschaft in München<br />

nutzten Michelle Kroppen,<br />

Florian Unruh & Co. den Heimvorteil<br />

zu der Rekordausbeute<br />

von fünf Medaillen. Daran<br />

wollen sie auch bei den Weltmeisterschaften<br />

im eigenen<br />

Land anknüpfen und hoffen auf<br />

zahlreiche Unterstützer.<br />

Wer sich das sportliche Highlight<br />

im nächsten Jahr also<br />

nicht entgehen lassen und die<br />

Bogenstars hautnah erleben<br />

möchte, kann sich ab sofort Tickets<br />

bei Ticketmaster sichern.<br />

Der Besuch der Qualifikation<br />

auf dem Maifeld im Berliner<br />

Olympiapark ist für Zuschauer<br />

ebenfalls zugänglich und kostenfrei.<br />

<br />

DSB / Foto: Kuhr<br />

<br />

Die Infos, News und Tickets gibt es<br />

unter www.wm-bogen.de<br />

Anzeige<br />

1/23 NEWS <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 15


MATERIAL<br />

Fotos: Günter Kuhr<br />

DIE PENDELSPINNE<br />

Von Sebastian Rohrberg<br />

In den 1990er-Jahren wurde die Pendelspinne<br />

im Feldbogensport häufig eingesetzt, sowohl in<br />

Deutschland als auch in skandinavischen Ländern.<br />

Ich erhielt den für mich entscheidenden<br />

Impuls, dieses System zu testen, von meinem<br />

Trainer im SV Daulsen.<br />

Mich überzeugte die Pendelspinne,<br />

und seitdem setze ich dieses System<br />

ein. Im Feldparcours profitiere<br />

ich von einigen Vorzügen der Pendelspinne.<br />

TECHNISCHE MERKMALE<br />

Einige der wesentlichen Merkmale eines<br />

abgestimmten Stabilisatorensystems zeigen<br />

sich darin, dass der Bogen nicht kippelt und<br />

eine ruhige Zielphase ermöglicht. Nach dem<br />

Abschuss sollte der Bogen gerade aus der<br />

Hand kommen und nach vorne abkippen.<br />

Im Wesentlichen geht es um die Balance des<br />

Bogens. Hier spielt die Gewichtsverteilung<br />

eine Rolle. Bei der Pendelspinne sind die<br />

beiden seitlichen Stabilisatoren pendelnd<br />

gelagert und richten sich immer zum Boden<br />

aus. Sie pendeln synchron und mit einem<br />

relativ festen Widerstand. Die Stabilität des<br />

Systems wird durch diesen Widerstand gewährleistet<br />

und bietet so in der Zielphase<br />

die erforderliche Ruhe im System. Ob die<br />

Pendelspinne vorne oder hinten am Mittelteil<br />

montiert wird, ist eine persönliche Präferenz<br />

des Schützen und kann nur durch das<br />

Testen von Variationen festgestellt werden.<br />

Das alles steht im Zusammenhang mit der<br />

Balance und dem Schwerpunkt des Bogens.<br />

Dabei spielen die montierten Gewichte an<br />

den Stabilisatoren eine Rolle. Ich bevorzuge<br />

heute einen Bogen, der etwas kopflastig ist,<br />

hatte aber in den zurückliegenden Jahren<br />

mit verschiedenen Gewichten die Balance<br />

immer wieder variiert – von einem austarierten<br />

Bogen bis hin zu einem sehr kopflastigen<br />

System. Die Länge der Seitenstabilisatoren<br />

können bei der Pendelspinne bei rund<br />

18 Zoll beginnen, und wenn sie nicht so weit<br />

eingestellt sind, kann man sie bis 24, 26 oder<br />

sogar 28 Zoll einsetzen, ohne dass dabei der<br />

Nachbarschütze auf der Schießlinie behindert<br />

wird. Ich selbst favorisiere nach meinen<br />

Tests eine Länge von 22 Zoll.<br />

DER EFFEKT DER PENDELSPINNE<br />

Die besonderen Effekte der Pendelspinne<br />

möchte ich praxisbezogen darstellen. Eine<br />

starre Spinne erzeugt bei Bergauf- oder Bergabschüssen<br />

jeweils ein anderes Abschussgefühl<br />

als beim waagerechten Schießen.<br />

Die Pendelspinne kann das kompensieren<br />

und lässt den Bogen eher konstanter aus<br />

der Bogenhand springen. Ein weiterer Effekt<br />

kommt bei Bergauf-, Bergab-, bei Winkelschüssen<br />

oder am Hang zum Tragen. Bei<br />

diesen Geländemerkmalen neigen Schützen<br />

dazu, den Bogen zu verkannten, und erzeugen<br />

infolgedessen seitliche Trefferabweichungen.<br />

16 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> MATERIAL 1/23


MATERIAL<br />

Sebastian Rohrberg lotet im Parcours die Senkrechte mit dem Pfeil aus.<br />

Die Seitenstabilisatoren richten sich im Gelände immer zum Boden aus.<br />

Die Pendelspinne unterstützt mit den zum<br />

Boden ausgerichteten Seitenstabilisatoren<br />

die senkrechte Ausrichtung des Bogens. Das<br />

gelingt bei relativ eng beieinanderstehenden<br />

Seitenstabilisatoren noch besser, als<br />

wenn sie sehr weit eingestellt sind. Dennoch<br />

gewöhnt man sich mit der Zeit an diesen Effekt<br />

der Pendelspinne und kann dann den<br />

Bogen letztlich wieder verkanten. Daher ist<br />

es im Parcours immer wichtig zu wissen,<br />

wo die Senkrechte im Gelände liegt, um den<br />

Körper danach auszurichten. Das sind die<br />

wesentlichen Effekte, die ich wahrnehme<br />

und die mich überzeugt haben, die Pendelspinne<br />

über so viele Jahre zu schießen.<br />

Praktisch im Parcours ist dann noch die<br />

Möglichkeit, auf einen Bogenständer verzichten<br />

zu können, weil der Bogen einfach<br />

auf den Stabilisatoren abgestellt werden<br />

kann.<br />

Schwieriger ist mit der Pendelspinne allerdings<br />

das Lenken des Pfeils im Abschuss.<br />

Wenn ich also im Abschuss die Visiernadel<br />

nicht im Gold hatte, kann ich mit einer festen<br />

Spinne durch das „Rüberdrücken” des<br />

Bogens dem Pfeil besser eine korrigierende<br />

Richtung mitgeben. Das ist mit der Pendelspinne<br />

wesentlich schwieriger. Mit der<br />

Pendelspinne schießt du eher dorthin, wohin<br />

du gezielt hast. Bei den herkömmlichen Stabilisatorensystemen<br />

mit den festen Spinnen<br />

setzte vor einigen Jahren ein Trend ein, der<br />

aus den USA kam, und Brady Ellison war hier<br />

ein Vorreiter. Dabei werden relativ lange Seitenstabilisatoren<br />

an der festen Spinne ohne<br />

Vorbau montiert. Der Effekt beim Schießen<br />

kommt einer Pendelspinne sehr, sehr nahe.<br />

Das betrifft allerdings auch die Schwierigkeit<br />

beim Lenken des Pfeils im Abschuss. Die von<br />

mir eingesetzte Pendelspinne hatte ich vor<br />

Jahren zusammen mit No Name Archery entwickelt.<br />

Nach meinem Kenntnisstand ist das<br />

aktuell der einzige Hersteller in Deutschland,<br />

der die Pendelspinne produziert – vielleicht<br />

sogar weltweit. Diese Pendelspinne hat eine<br />

solide Mechanik, präzise Justiermöglichkeiten,<br />

und es werden Kugellager verbaut. Weil<br />

diese Pendelspinne nicht in einer Massenproduktion,<br />

sondern in Handarbeit hergestellt<br />

wird, hat sie mit 235 Euro ihren Preis.<br />

Dieser Preis relativiert sich, wenn man bedenkt,<br />

dass wir für ein präzises Visier bis zu<br />

600 Euro ausgeben. Ich weiß, dass nicht jeder<br />

Schütze von dem Effekt der Pendelspinne<br />

überzeugt sein wird. Als Schütze sollte man<br />

die beschriebenen Effekte also unbedingt<br />

selbst ausprobieren, bevor man sich für den<br />

Kauf einer Pendelspinne entscheidet. Aber<br />

das betrifft selbstverständlich auch andere<br />

Stabilisatorensysteme.<br />

Anzeige<br />

Schützenurlaub in Kärnten:<br />

FITA-Anlage mit Distanzen bis 120 Meter, wöchentliche Einführungskurse<br />

für Anfänger & 3D-Parkours mit 30 Tieren ganz in der Nähe.<br />

Für jeden ist etwas dabei: Gute Küche, Wellness, Schwimmbäder,<br />

Sport- & Freizeitangebote und viel Abwechslung für die ganze Familie.<br />

3 Tage/2 Nächte mit VP<br />

Neues DZ Komfort<br />

schon ab € 190 pro Person<br />

9771 Berg im Drautal<br />

hotel@glocknerhof.at<br />

www.glocknerhof.at<br />

1/23 MATERIAL <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 17


MATERIAL<br />

NEUE PRODUKTE<br />

GLÄNZEND<br />

NEUE AUSRÜSTUNG<br />

Von John Stanley<br />

KAUF MICH, BITTE!<br />

HOYT ATLAS SIDEBAR ADAPTER<br />

Hierbei handelt es sich um eine Zusammenarbeit<br />

mit der bekannten Firma Shrewd, die dieses Design<br />

für Hoyt herstellt. Das Hoyt Design beinhaltet<br />

einen harten CNC-gefrästen Kegel, der am Bogen<br />

montiert wird, direkt am Adapter anliegt und<br />

verhindert, dass er sich auf der Buchse um sich<br />

selbst dreht. Er ist für die Verwendung mit dem<br />

Hoyt HardLock-System konzipiert, und wenn das<br />

Ihr Ding ist, ist dies vielleicht genau das, was Sie<br />

brauchen.<br />

INFO / PREIS<br />

Erhältlich: ab sofort bei Bogensporthändlern<br />

Preis: ab 160 £ (182 Euro)<br />

www. hoyt.com<br />

BOHNING SHOOTER<br />

HOCKER / TASCHE<br />

Sebastien Flute war 1992 Olympiasieger im Einzel,<br />

und seine gleichnamige Marke wurde kürzlich<br />

wiederbelebt. Die in China hergestellten Wurfarme<br />

und Mittelteile der Neo-Serie richten sich vor<br />

allem an Anfänger – ein Markt, auf dem es eine<br />

starke Konkurrenz gibt.<br />

Die Wurfarme aus Holz und Glasfaser sind mit<br />

eleganten schwarzen Grafiken versehen (es sind<br />

auch Wurfarme mit Schaumstoffkern erhältlich).<br />

Das Mittelteil besteht aus einem 25-Zoll-ILF-<br />

Aluminiumgriff mit einem Gewicht von 1,2 Kilogramm,<br />

der laut Hersteller für Wurfarme bis zu 44<br />

lbs geeignet ist. Das Mittelteil im Wiawis-Stil wird<br />

mit einem ABS-Kunststoffgriff geliefert. Sie sagen:<br />

„Wir haben uns um ein moderates Gewicht,<br />

eine komfortable Handhabung und eine einfache<br />

Bedienung bemüht.” Probieren Sie sie bei Ihrem<br />

örtlichen Bogensporthändler aus und sehen Sie,<br />

ob sie der Aufgabe gewachsen sind.<br />

INFO / PREIS<br />

Erhältlich: ab sofort bei Bogensporthändlern<br />

Preis: um 45 £ (51 Euro)<br />

www.bohning.com<br />

SEBASTIEN FLUTE<br />

NEO WURFARME<br />

UND MITTELTEIL<br />

Die Tasche ist mit einer Netztasche mit Reißverschluss<br />

und einer eingebauten Kühlbox mit Klettverschluss<br />

ausgestattet, was sie zum idealen Begleiter für lange<br />

Feld- und 3D-Shootings – oder vielleicht auch nur für<br />

einen Campingausflug macht. Für mühelose Praktikabilität<br />

enthält sie außerdem zwei eingebaute 16 ½ Zoll<br />

Metallpfeilrohre. Mit den verstellbaren, gepolsterten<br />

Gurten lässt sie sich überallhin mitnehmen, und auch<br />

ein Schultergurt ist im Lieferumfang enthalten. Sie<br />

wiegt etwa 3,7 Kilogramm, ist 19” hoch und mit einer<br />

Breite von 16” und einer Tiefe von 14” eignet sie sich<br />

zum Sitzen für Bogenschützen bis 136 Kilogramm.<br />

INFO / PREIS<br />

Wurfarme: Carbon/Holz, erhältlich in den Größen<br />

Small/Medium/Large von 16 bis 38 lbs.<br />

UVP: 120 £ für die Wurfarme, 120 £ für das<br />

Mittelteil (jeweils 136 Euro)<br />

Jetzt verfügbar<br />

www.sebastienflute.com<br />

18 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> MATERIAL 1/23


MATERIAL<br />

HOYT AXIA WURFARME<br />

Die Axia setzt die leichte, schnelle und schmale<br />

Vorlage der Velos-Wurfarme fort, die sich bei Top-<br />

Bogenschützen als äußerst beliebt erwiesen haben,<br />

und verkauft sich mit einem „harzinfundierten Kern”,<br />

der von acht Lagen Karbon umgeben ist. Ziel war es,<br />

einen stärkeren, langlebigeren Wurfarm zu schaffen,<br />

der unterschiedlichen Wetterbedingungen besser<br />

standhält und die Torsionsstabilität (d. h. weniger<br />

Verdrehung) verbessert. Auch die Grafik wurde in ein<br />

ansprechendes, minimalistisches geometrisches Design<br />

geändert, das durch und durch modern aussieht.<br />

Großartiges Material, obwohl man bei den Preisen<br />

nicht weniger als eine außergewöhnliche Leistung<br />

erwarten würde.<br />

PREIS<br />

In kurz, mittel und lang von 22-50 lbs in 2-Pfund-<br />

Schritten. In ILF- und Formula-Ausführung<br />

Erhältlich: ab sofort bei Bogensporthändlern<br />

Preis: Ab 839 £ (954 Euro)<br />

www.hoyt.com<br />

HOYT FORMULA XD MITTELTEIL<br />

Die neueste Entwicklung der Formula-Marke ist vielleicht<br />

keine radikale Abkehr vom Design; sie steht fest in<br />

der Tradition früherer Mittelteile, aber ohne die ausgeprägten<br />

offenen „Korb”-Enden um die Wurfarmtaschen<br />

des Xi-Mittelteils. Er ist auf jeden Fall schlanker und unverkennbar<br />

Hoyt. Die Geometrie wurde leicht verändert,<br />

und der Griff wurde etwas nach unten verlagert, mit<br />

dem Ziel, die Stabilität bei vollem Auszug zu verbessern<br />

und einen fehlerverzeihenden und konsistenten Schuss<br />

zu ermöglichen.<br />

Der XD wird mit einer Gewichtsbuchse an jedem Ende<br />

geliefert, um die Balance des Bogens nach oben und unten<br />

zu unterstützen – diese können entfernt und angepasst<br />

werden. Jedes Mittelteil wird standardmäßig mit<br />

zwei Ein-Unze-Gewichten geliefert, eines im oberen und<br />

eines im unteren Teil. Aber man kann auch beide an einem<br />

Ende anbringen, wenn man das möchte. Hoyt sagt,<br />

dass beide Gewichte im unteren Teil den Mittelteil wieder<br />

ausbalancieren, so dass er eher einer „klassischen”<br />

Hoyt-Geometrie entspricht.<br />

Jede Wurfarmtasche ist mit einem „360 Dämpfer”<br />

aus robustem Gummi ausgestattet, der wie andere<br />

Dämpfer an Wurfarmen, Mittelteilen oder Visieren<br />

Vibrationen absorbiert und den Schuss beruhigt. Die<br />

Wurfarmtaschen verfügen auch über das einstellbare<br />

Deflex-System, das mit dem Xi eingeführt wurde und<br />

für fortgeschrittene Bogenschützen nützlich sein kann.<br />

Die einstellbaren VertaTune-Platten gehören zur Standardausstattung.<br />

Das Gewicht ist mit 1252 Gramm das<br />

gleiche wie beim Xi.<br />

Es handelt sich also eher um eine Evolution als um eine<br />

Revolution. Wir haben Hoyts Marketing-Genie Steve ‚Big<br />

Cat’ Anderson gebeten, ein paar Dinge zu erklären:<br />

Können Sie mir die „Dynamic Flex Control” für das<br />

XD-Mittelteil erklären? Ist da etwas zum Aluminium<br />

hinzugefügt?<br />

Dynamic Flex Control ist ein Konstruktionsprinzip, das<br />

von unserem Recurve Brand Manager und Designer<br />

Douglas Denton auf alle unsere Mittelteile angewendet<br />

wird. Im Grunde handelt es sich um eine Methode zur<br />

Kontrolle, wo, wie, wie stark und in welche Richtung<br />

sich das Mittelteil biegt. Ein Mittelteil, das sich zu stark<br />

oder in der falschen Ebene biegt, führt zu Unregelmäßigkeiten,<br />

und das Schussgefühl leidet. Ein Bogen, der<br />

sich überhaupt nicht biegt, ist extrem steif, aber unangenehm<br />

zu schießen und hat eine harte Schussrückmeldung.<br />

Indem wir den Flex in der Ebene und in den richtigen<br />

Bereichen des Bogens kontrollieren, können wir ein<br />

Mittelteil herstellen, der extrem konstant schießt und<br />

bei dem es ein Vergnügen ist, zu schießen. Wir haben<br />

dieses Konstruktionsprinzip auf viele Generationen von<br />

Hoyt-Bögen angewandt. Jede Generation erfordert ein<br />

spezielles strukturelles Design, um das Ziel zu erreichen,<br />

und dies wird durch Computermodellierung und strenge<br />

Tests unterstützt.<br />

Ist das eine neue Idee<br />

oder eine neue Ausführung?<br />

Es ist etwas, was wir in der Vergangenheit getan und<br />

darüber gesprochen haben, aber wir haben vielleicht<br />

den Vorhang geöffnet und bei der jüngsten Produkteinführung<br />

von Formula XD ein wenig mehr darüber gesprochen.<br />

PREIS<br />

Erhältlich: ab sofort im Bogensportfachhandel<br />

Preis: Ab 799 £ (909 Euro)<br />

Farben: Black Ink, Pink Champagne, Championship<br />

Red, Liquid Blue, Slate und Frost White<br />

www.hoyt.com<br />

1/23 MATERIAL <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 19


MATERIAL<br />

HOYT STRATOS 40 COMPOUNDBOGEN<br />

Mit einem Gewicht von 5,1 Pfund und einer ATA-Länge<br />

von 40 5/8 Zoll verspricht das neue Flaggschiff Stratos<br />

eine Geschwindigkeit von 318 fps und ein variables Letoff<br />

mit 65, 70 und 75%. Die Zuglängen können je nach<br />

Cam in Viertel-Zoll-Schritten zwischen 25,5 und 32”<br />

eingestellt werden. Es sind sechs verschiedene Zuggewichte<br />

erhältlich. Das Design selbst ist etwas brutal,<br />

bullig und gerade, was den Trend zu sehr stabilen, aber<br />

sehr hässlichen Bögen fortsetzt (natürlich können Ihre<br />

Erfahrungen hier variieren). Hoyt behauptet, dass die<br />

Balance und der Komfort besser als je zuvor sind. Die<br />

radikalste Neuerung ist die neue HBT-Cam, die hier<br />

seitenlang beschrieben werden könnte und besser in<br />

den verschiedenen Videos zu diesem Thema erklärt<br />

wird (ich empfehle die Suche nach ‚Stratos Shop Talk’<br />

auf YouTube).<br />

Auch hier haben wir Steve Anderson gefragt, was geändert<br />

wurde und warum:<br />

Ist die Cam die radikalste Änderung?<br />

Die HBT-Cam ist eine der wichtigsten Änderungen zwischen<br />

dem Invicta und dem Stratos. Allerdings werden<br />

Schützen, die den Stratos mit der SVX Cam schießen,<br />

die von der vorherigen Bogengeneration übernommen<br />

wurde, feststellen, dass er immer noch ein sehr<br />

lebendiges, aber weiches Schussgefühl vermittelt. Dies<br />

ist vor allem auf das Wurfarmdesign zurückzuführen,<br />

während das Design des Mittelteils eine große Rolle<br />

für das Feedback beim Schuss spielt. Der Invicta hatte<br />

mit seinem reflexartigen Mittelteil und den nach<br />

vorne geschobenen Taschen viel Masse vor der Hand<br />

des Schützen und verwendete ein längeres Wurfarmsystem,<br />

das an der Strebe meist parallel saß. Bei dem<br />

Stratos und seinem neutralen Mittelteil-Design liegt<br />

diese Masse wieder auf gleicher Höhe mit der Hand<br />

des Schützen, und der Stratos verwendet ein kürzeres<br />

Wurfarmsystem, bei dem der Winkel der Wurfarmspitzen<br />

im Anschlag aufrechter ist. Dadurch entsteht eine<br />

sehr angenehme, nach vorne gerichtete Schussbewegung,<br />

die so viele Menschen bevorzugen und die sie<br />

von einigen der legendärsten Zielbögen in der Geschichte<br />

von Hoyt kennen.<br />

Der HBT ist eine große Veränderung gegenüber allem,<br />

was Hoyt in den letzten 20 Jahren an Zielbögen entwickelt<br />

hat, und zwar aufgrund der Art des Cam-Systems.<br />

INFO / PREIS<br />

Es verwendet zwei Stromkabel anstelle von einem Buskabel<br />

und einem Steuerkabel. Die Reaktionen auf diese<br />

neue Cam von Leuten, die Bögen mit der HBT-Cam<br />

getestet haben, waren sogar noch positiver, als wir es<br />

uns hätten vorstellen können. Es ist eine Cam, die mit<br />

ihrem Verstellbereich für viele verschiedene Schützenprofile<br />

geeignet ist. Selbst einige der eingefleischtesten<br />

SVX-Cam-Schützen finden, dass die HBT-Cam eine<br />

hervorragende Cam ist, die einige Vorteile gegenüber<br />

dem bewährten SVX-Cam-System hat.<br />

Warum war jetzt der richtige Zeitpunkt<br />

für die Umsetzung?<br />

Es gab nie so einen guten Zeitpunkt wie den jetzigen.<br />

Die Anforderungen der Bogenschützen ändern sich,<br />

und das technische Verständnis wird bei immer mehr<br />

Menschen größer. Die Bogenschützen von heute haben<br />

ein besseres Verständnis für ihren Schussprozess<br />

und sind sich bewusst, wie sich das Gefühl eines Cam-<br />

Systems auf ihren Schießstil auswirkt. Mit der HBT-Cam<br />

und der SVX-Cam lässt sich der Stratos auf jeden Bogenschützen<br />

zuschneiden.<br />

Es gibt eine Vielzahl von Längen, Gewichten, Farben und Cams –<br />

fragen Sie Ihren Händler nach weiteren Einzelheiten<br />

Erhältlich: ab sofort im Bogensport-Fachhandel<br />

Preis: Ab 1600 £ (1820 Euro)<br />

www.hoyt.com<br />

Mit wem haben Sie zusammengearbeitet, um<br />

das Feedback der Benutzer einzuholen?<br />

Es ist immer wichtig, aus der eigenen Echokammer<br />

herauszukommen und unaufgeforderte Rückmeldungen<br />

von Leuten zu erhalten, die technisch sehr versiert<br />

sind, aber auch von solchen, die einfach nur begeisterte<br />

Bogenschützen sind und ihre Gefühle vielleicht auf<br />

andere Weise erklären.<br />

Wir haben mit einer Vielzahl von Personen zusammengearbeitet,<br />

um ihr Feedback zum Design der Cam<br />

einzuholen. Dazu gehören Männer und Frauen, lange<br />

und kurze Auszüge, Profis auf höchstem Niveau, sehr<br />

durchschnittlich begabte Bogenschützen und diejenigen,<br />

die Neulinge in diesem Sport trainieren und weitergeben<br />

können, was sie täglich von Leuten sehen,<br />

die versuchen, das Spiel zu verstehen.<br />

Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht jeder Mike Schloesser<br />

oder Jesse Broadwater ist, und dass das, was bei<br />

ihnen gut funktioniert, bei anderen nicht unbedingt<br />

gut funktioniert. Was für Mike gut<br />

funktioniert, funktioniert für Jesse<br />

nicht gut, aber beide sind in der<br />

Lage, Spitzenleistungen zu erbringen.<br />

Jesse, der vor seiner Rückkehr<br />

zu Hoyt von praktisch jedem<br />

Bogenhersteller um seine Dienste<br />

gebeten wurde, ist eine Person,<br />

die aufgrund ihrer Erfahrung mit<br />

anderen Marken hervorragende<br />

Informationen liefern kann.<br />

Eine Person wie er ist eine wichtige<br />

Hilfe bei der Entwicklung neuer<br />

Produkte. Mike Schloesser ist<br />

praktisch eine menschliche Schießmaschine.<br />

Im Vergleich zu einem<br />

durchschnittlichen Bogenschützen<br />

kann er Anomalien entdecken<br />

oder Überzeugungen in kürzester<br />

Zeit bestätigen.<br />

20 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> MATERIAL 1/23


NEWS<br />

BESCHLÜSSE DES EXEKUTIVAUSSCHLUSSES DER WORLD ARCHERY<br />

Die Städte, die von 2024 bis<br />

2027 Austragungsorte für die<br />

wichtigste internationale Wettkampfserie<br />

im Bogenschießen,<br />

den World Cups, sind, wurden<br />

während der Vorstandssitzung<br />

von World Archery im türkischen<br />

Belek ausgewählt. Die vier<br />

Vorstandsmitglieder Thomas<br />

Han (Korea), Zheng Lixun (China),<br />

Crystal Gauvin (USA) und<br />

Präsident Prof. Dr. Ugur Erdener<br />

(Türkei) nahmen nicht an der<br />

Diskussion oder Abstimmung<br />

teil, um Interessenskonflikte zu<br />

vermeiden.<br />

In der verkürzten Saison 2024<br />

werden die Wettkämpfe in<br />

Shanghai (China), Yecheon<br />

(Korea) und Antalya (Türkei)<br />

ausgetragen, wobei die Station<br />

in Antalya auch die letzte<br />

Qualifikationsmöglichkeit für<br />

die Olympischen Spiele in Paris<br />

ist. Die Etappen der Saisonen<br />

2025 bis 2027 werden in Haines<br />

City in Florida (USA), Shanghai<br />

(China), Antalya (Türkei) und<br />

Madrid (Spanien) ausgetragen.<br />

Die Turniere werden nach den<br />

angekündigten internationalen<br />

Terminblöcken angesetzt, wobei<br />

von April bis Juli (2024 im Juni)<br />

jeden Monat eine Etappe ausgetragen<br />

wird. Der Austragungsort<br />

für das Finale des Hyundai<br />

Archery World Cups wird zu<br />

einem späteren Zeitpunkt bekannt<br />

gegeben.<br />

Im Jahr <strong>2023</strong> wird die internationale<br />

Runde zum zweiten<br />

Mal in Folge in Mexiko enden –<br />

dieses Mal in der Stadt Hermosillo<br />

im nördlichen Bundesstaat<br />

Sonora. Zuvor werden vier<br />

Etappen in Antalya (Türkei),<br />

Medellín (Kolumbien) und<br />

Paris (Frankreich) sowie einer<br />

noch zu bestimmenden Stadt<br />

ausgetragen.<br />

Die Feldbogen-Weltmeisterschaften<br />

2024 wurden an Lac La<br />

Biche (Kanada) vergeben, wo<br />

2019 die 3D-Weltmeisterschaften<br />

stattgefunden hatten. Taipeh<br />

ist auch in den Jahren 2024 und<br />

2025 eine Station der Indoor<br />

Archery World Series. In der<br />

nächsten Saison findet außerdem<br />

ein 250er-Event im World<br />

Archery Excellence Centre in<br />

der Olympischen Hauptstadt<br />

Lausanne (Schweiz) statt.<br />

Der Exekutivausschuss der<br />

World Archery verabschiedete<br />

eine grundsätzliche Transgender-Politik,<br />

die dem im November<br />

2021 veröffentlichten<br />

Rahmen des Internationalen<br />

Olympischen Komitees folgt.<br />

Die Einzelheiten werden Anfang<br />

<strong>2023</strong> veröffentlicht. Eine Reihe<br />

von Statuten wurde ebenfalls<br />

angenommen, darunter die Vereinheitlichung<br />

der Mindestlänge<br />

von 150 Zentimetern für den<br />

Langbogen und die Aktualisierung<br />

mehrerer Regeln für das<br />

Para-Bogenschießen, vor allem<br />

die Änderung der Standardterminologie<br />

von „Hilfsmittel”<br />

in „adaptive Ausrüstung”. Die<br />

30-Sekunden-Regel für die<br />

Zeitmessung pro Pfeil wurde<br />

ebenfalls präzisiert. Bei nationalen<br />

Veranstaltungen werden<br />

standardmäßig 40 Sekunden<br />

verwendet, wobei die Möglichkeit<br />

besteht, die Zeit bei<br />

Weltranglistenwettkämpfen auf<br />

30 Sekunden zu reduzieren. Die<br />

genehmigten Statuten treten<br />

am 1. März <strong>2023</strong> in Kraft.<br />

Der Vorstand wurde über den<br />

aktuellen Stand des Verbandsbudgets<br />

informiert und genehmigte<br />

ein mehrjähriges Finanzprogramm.<br />

Er befasste sich mit<br />

den Veranstaltungen im Jahr<br />

2022 und den dazugehörigen<br />

Übertragungszahlen, bei denen<br />

der Hyundai Archery World<br />

Cup Rekordeinschaltquoten<br />

erzielte. Auch die Situation mit<br />

Russland und Weißrussland<br />

wurde erörtert. Das Vorstandsmitglied<br />

Vladimir Esheev war<br />

bei diesem Teil der Tagesordnung<br />

nicht anwesend. Der Vorstand<br />

beschloss, seine bisherige<br />

Position beizubehalten.<br />

Es war die erste Vorstandssitzung<br />

für Crystal Gauvin, die im<br />

September zur Vorsitzenden<br />

des Sportausschusses ernannt<br />

wurde. Die nächste Sitzung soll<br />

im Vorfeld des World Archery<br />

Congress in Berlin im Juli stattfinden.<br />

World Archery-Präsident<br />

Prof. Dr. Ugur Erdener sagte:<br />

„Es war ein Vergnügen, sich<br />

in Antalya/Türkei noch einmal<br />

persönlich zu treffen, um die<br />

unglaublichen Fortschritte zu<br />

besprechen, die der Sport und<br />

unsere Organisation in den<br />

Anzeige<br />

letzten, oft sehr herausfordernden<br />

Jahren gemacht haben.<br />

… Indem wir in die Zukunft<br />

blicken und die Austragungsorte<br />

für die Etappen World<br />

Cups im Bogenschießen für die<br />

nächsten fünf Jahre benennen,<br />

werden wir das Wohlergehen<br />

und den Erfolg der wichtigsten<br />

Veranstaltungen unseres<br />

Sports sicherstellen und den<br />

Mitgliedsverbänden, Nationalmannschaften<br />

und Athleten die<br />

Möglichkeit geben, auf noch<br />

größere Erfolge hinzuarbeiten.”<br />

<br />

CW/Foto: Dean Alberga<br />

1/23 NEWS <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 21


ORGANISATION<br />

Foto: Dean Alberga<br />

»KÖNNEN WIR KURZ<br />

ÜBER PREISGELDER SPRECHEN?«<br />

Von Anna Lena Gangluff<br />

Vielleicht kennen Sie das auch: Man liest etwas,<br />

hört etwas, macht sich Gedanken zu einem Thema<br />

und bildet sich eine Meinung. So ging es mir<br />

auch, als ich mich das erste Mal mit dem Thema<br />

Preisgeld im Bogensport beschäftigt habe.<br />

Ich habe Zahlen gesehen, dachte direkt:<br />

„Das ist doch unfair!“, und wollte einen<br />

Artikel schreiben. Was aber am Ende<br />

rauskam, nach langer Recherche und vielen<br />

Gesprächen, war nicht nur eine andere Meinung,<br />

sondern auch die Erkenntnis, Dinge<br />

von viel mehr Seiten zu betrachten, bevor<br />

man sich ein festes Bild macht. Machen Sie<br />

sich aber bitte Ihr eigenes Bild zu dem Thema.<br />

„Schneller, höher, stärker“ – dieses olympische<br />

Motto haben wohl die Meisten schon<br />

einmal gehört. Im Jahr 2022 konnte man<br />

mit Blick auf den Bogensport allerdings auch<br />

sagen: größer, besser und – mehr Preisgelder<br />

denn je! So kündigte beispielsweise der Weltverband<br />

schon gegen Ende 2021 an, dass die<br />

Preisgelder der 2022er World Cup-Saison<br />

alle Rekorde brechen werden. Genau bedeutete<br />

dies, dass auf jeder der vier Etappen eine<br />

Summe von insgesamt 30.400 Schweizer<br />

Franken (CHF; entspricht ca. 31.500 Euro)<br />

ausgeschüttet wurde. Das ist eine Steigerung<br />

um 220 Prozent im Vergleich zur World Cup-<br />

Saison 2019! Im World Cup-Finale selbst<br />

wird dann nochmal eine Summe von insgesamt<br />

202.000 CHF (entspricht ca. 209.000<br />

Euro) ausgeschüttet, auch hier eine Steigerung<br />

um gute 40 Prozent.<br />

Neben der World Cup-Serie gibt es aber auch<br />

die großen Preisgeldturniere, Spitzenreiter<br />

ist hier „The Vegas Shoot“, bei dem es 2022<br />

Preisgelder im Wert von insgesamt über<br />

400.000 US-Dollar zu gewinnen gab. Dabei<br />

konnte man alleine in der Open Championship<br />

Compoundklasse, in der Damen und<br />

Herren antreten dürfen, 50.000 Dollar gewinnen.<br />

Man muss aber nicht die halbe Welt<br />

umrunden. Auch in unserer Nähe gibt es<br />

mit den Hallenturnieren in Nîmes, Kings of<br />

Archery in den Niederlanden oder den Berlin<br />

Open in Deutschland Hallenturniere, die<br />

Preisgelder an die Gewinner ausschütten.<br />

Genau diese Gewinne machen Turniere für<br />

22 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> ORGANISATION 1/23


ORGANISATION<br />

viele Sportler zusätzlich interessanter, und<br />

so locken hohe Preisgelder oft Schützen aus<br />

aller Welt an.<br />

Schaut man sich beispielsweise das berühmt-berüchtigte<br />

„The Vegas Shoot“ genauer<br />

an, wird man feststellen, dass das<br />

Event mit einer ungefähren Gesamtsumme<br />

von 310.000 Dollar für Preisgelder diverse<br />

Sportlerherzen höherschlagen lässt. Schaut<br />

man genauer hin, stellt man fest, dass die<br />

größte Gewinnsumme in der genannten<br />

Compoundklasse zu gewinnen war (2022:<br />

130 000 $). Solche Summen lassen jeden<br />

Bogensportler doch aufhorchen? Na, aber<br />

hallo! Als Recurveschützin habe ich gleich<br />

mal nachgesehen, was denn so die Recurve-<br />

Damenklasse zu erwarten hat. Wenn Compounder<br />

so viel gewinnen können, müssen<br />

den Recurveschützen doch ähnliche Prämien<br />

zu winken – oder? Eine wilde Stimme im<br />

Kopf mag vielleicht jetzt schon herumspinnen:<br />

„Ich schmeiß alles hin, fahr nach Vegas<br />

und mach beim Vegas Shoot das große<br />

Geld!“<br />

Tja, diesen wilden Traum kann man aber<br />

ganz schön schnell wieder zurück in seine<br />

Schublade legen. In der Recurve-Damenklasse<br />

stand der Siegerin weniger als ein<br />

Zehntel, gerade einmal „nur“ 4000 US Dollar,<br />

zu. Ja, richtig gelesen. Und nein, das ist kein<br />

Schreibfehler. Nach der ersten Enttäuschung<br />

kam mir der zweite Gedanke: Ist das nicht<br />

verrückt? Nun sensibilisiert, fällt mir ständig<br />

auf, dass auch auf vielen anderen Turnieren<br />

den Damenklassen fast immer geringere<br />

Preisgelder zugewiesen werden als den Herrenklassen.<br />

Gerade jetzt oder im Jahr 2022,<br />

in dem die Preisgelder höher denn je waren,<br />

in dem Gleichberechtigung oder der sogenannte<br />

„Gender-Pay-Gap“ im öffentlichen<br />

Diskurs größere Rollen spielten denn je, liegt<br />

die Annahme doch nah, dass die Verteilung<br />

der Preisgelder insbesondere bei so namhaften<br />

Turnieren „fair“ sein sollte, oder nicht?<br />

Mich wurmt sofort der Verdacht: Ist hier ein<br />

eindeutiger Missstand nachzuweisen, oder<br />

steckt mehr hinter dieser Sache, als das Auge<br />

auf dem ersten Blick erkennt?<br />

1/23 ORGANISATION <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 23


ORGANISATION<br />

WOHER KOMMEN PREISGELDER ÜBERHAUPT?<br />

Um die Verteilung von Preisgeldern besser<br />

verstehen und einordnen zu können, musste<br />

ich erst einmal verstehen, wie sich diese<br />

Preisgelder zusammensetzen und wo das<br />

ganze Geld überhaupt herkommt. Stellen<br />

wir uns vor, wir wollen ein großes Preisgeldturnier<br />

ausrichten. Wie gehen wir vor, wo<br />

kommt das Geld her? Wir als Organisatoren<br />

wollen natürlich kein Minus mit dem Turnier<br />

machen. Das bedeutet, dass alle vorherigen<br />

Ausgaben, die für die Durchführung<br />

des Turniers nötig waren, gedeckt sein müssen.<br />

Darüber hinaus brauchen wir Geld, das<br />

gewonnen werden kann.<br />

Einnahmequelle Nummer eins sind hier die<br />

Startgelder der Sportler. Bei den richtig großen<br />

Turnieren fallen diese meist dreistellig<br />

aus. Weil große Gewinnsummen viele Sportler<br />

anziehen, sind auch die Teilnehmerzahlen<br />

dieser Turniere oft sehr hoch, und so ergibt<br />

sich eine einfache Rechnung: Je mehr<br />

Interesse, desto größer die Teilnehmerzahl.<br />

Je größer diese, desto höher die Einnahmen<br />

aus Startgeldern. Je höher die Einnahmen<br />

aus Startgeldern, desto mehr Geld, das den<br />

Veranstaltern zur Verfügung steht. Je mehr<br />

Geld für die Veranstalter, desto höher die<br />

Preisgelder, die vergeben werden können.<br />

Neben den Startgeldern sind aber auch die<br />

Gelder von Sponsoren und Partnern für diese<br />

Art von Turnieren essenziell. Schlüsseln<br />

wir diese Zusammenarbeit einmal auf: Für<br />

Unternehmen ist es attraktiv, große Preisgeldturniere<br />

zu sponsern, um sich selbst zu<br />

präsentieren. Die großen Preisgeldturniere<br />

ziehen wie erwähnt Sportler aus aller Welt<br />

an, was eine optimale Zielgruppe für Sponsoren<br />

ist. Unternehmen können sich dann<br />

präsentieren, durch Logoplatzierungen,<br />

Banner, Verkaufsstände oder auch durch<br />

Sportler, die für Unternehmen an den Start<br />

gehen und deren Kleidung tragen (Pro Staff<br />

Teams). Präsenz von Unternehmen nach außen<br />

steigert in der Regel deren Einnahmen.<br />

In diesem Zusammenhang findet man oft<br />

auf Websites zu Turnieren verschiedene<br />

Kategorien beziehungsweise Abstufungen<br />

von Partnern und Sponsoren wie Platinum-,<br />

Gold-, Silber- und Bronzepartner. Diese Kategorien<br />

sind abhängig davon, wie viel ein<br />

Sponsor zahlt und welchen Vereinbarungen<br />

er zustimmt. Man kann sich das vielleicht<br />

so vorstellen: Die großen Unternehmen<br />

wie Hoyt, Easton oder PSE sind in der Lage,<br />

mehr Geld in ein solches Turnier fließen zu<br />

lassen, als, am Beispiel von Kings of Archery,<br />

SIDEFACT<br />

Wer sich übrigens schon einmal gefragt hat, warum<br />

Startgelder oft von Jahr zu Jahr höher werden: Ein<br />

Aspekt ist sicherlich die Inflation. Gerade durch die<br />

Pandemie haben wir mit erheblichen Preissteigerungen<br />

und Kosten zu kämpfen, und das geht<br />

Organisatoren von Turnieren nicht anders. Diese<br />

Kosten können durch höhere Startgelder unter<br />

Kontrolle gehalten werden, aber man kann auch<br />

davon ausgehen, dass Sponsoren in dieser Hinsicht<br />

mehr Geld fließen lassen.<br />

Darüber hinaus entwickeln sich Turniere aber auch.<br />

Schauen wir erneut zum so nah liegenden Kings of<br />

Archery-Event: Als das Turnier vor Jahren ins Leben<br />

gerufen wurde, starteten überwiegend Schützen<br />

aus den Niederladen, vielleicht ein paar internationale<br />

Schützen, und man musste Sponsoren erst<br />

noch auf das Turnier aufmerksam machen. Heute,<br />

gute zehn Jahre später, reisen zum Beispiel die<br />

größten Namen der Bogensportszene wie Brady<br />

Ellison an, um dieses Turnier zu schießen. Auch die<br />

großen Namen der Bogensportunternehmen sind<br />

als Sponsoren vertreten. Durch diese Entwicklung<br />

im Laufe der Jahre und das Wachstum wurde das<br />

Turnier immer größer, man wechselte auch den<br />

Austragungsort, um eine größere Halle mit mehr<br />

Platz bieten zu können. Immer mehr Schützen<br />

wollten an einer Schießlinie mit den Profis stehen<br />

(wer kann es ihnen auch verübeln), und durch die<br />

steigenden Teilnehmerzahlen kommt automatisch<br />

mehr Startgeld in die Kasse des Turniers.<br />

So hat man wiederum auch mehr Geld, das man<br />

möglicherweise als Preisgeld gewinnen kann.<br />

Genau dieses Preisgeld sorgt auf der anderen Seite<br />

dann eben wieder für diese Aufmerksamkeit, vor<br />

allem auf internationaler Ebene, und zieht Schützen<br />

an. Es ist also ein Kreislauf von verschiedensten<br />

Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen. Dazu<br />

muss man dennoch sagen, dass beispielsweise<br />

Kings of Archery ein Turnier ist, das kaum Gewinn<br />

macht, finanziell gesehen. Alles, was am Ende als<br />

Plus in der Kasse ist, wird in die nächste Ausgabe<br />

des Events investiert.<br />

kleinere Unternehmen wie Legend oder<br />

Fairweather. Für das Geld, das die Unternehmen<br />

sponsern, wollen sie natürlich auch<br />

eine Gegenleistung, die in Vereinbarungen<br />

genau festgehalten sind. So wird genau beschrieben,<br />

wie oft das Logo eines Unternehmens<br />

gezeigt wird, wo es wie oft platziert<br />

wird. Oder auch, ob der Markenname in der<br />

ganzen Kommunikation und Werbung rund<br />

um ein Turnier aktiv genannt wird. Man<br />

kann sich sicherlich vorstellen, dass es für<br />

unsere Wahrnehmung einen Unterschied<br />

macht, ob man Logos die ganze Zeit direkt<br />

vor der Nase hat, oder ob sie nur einmal<br />

klein auf einer Sponsorenwand auftauchen.<br />

Sponsoren können aber auch entscheiden,<br />

ob sie das Turnier sponsern oder ob sie ein<br />

Kontingent anbieten wollen. Wenn man ein<br />

Turnier nur sponsert, kann man als Unternehmen<br />

selbst keinen Einfluss darauf nehmen,<br />

wofür das Geld eingesetzt wird, es<br />

fließt einfach in das Turnier. Die Veranstalter<br />

und Organisatoren können es nutzen.<br />

Bietet ein Unternehmen ein Kontingent an,<br />

also eine fest eingeteilte Menge an Objekten<br />

wie Sachpreisen oder Geldschecks, dann<br />

legen Unternehmen oft zu Beginn einer<br />

Saison fest, welche Klassen welche Summe<br />

in welcher Bogenklasse an Geld gewinnen<br />

können. Diese Summen variieren oft, abhängig<br />

vom Typ des Turniers (internationale<br />

Turniere, Nationalmeisterschaften, …).<br />

Zudem gibt es Sponsoren jeder Art; manche<br />

sponsern Sachpreise, andere Preisgelder, andere<br />

noch einmal was anderes. Die Möglichkeiten<br />

sind vielfältig.<br />

WARUM BEKOMMEN NUN HERREN<br />

HÖHERE PREISGELDER ALS DAMEN?<br />

Nachdem wir ein wenig beleuchtet haben,<br />

woher das Geld kommt, schlagen wir den<br />

Bogen zurück zur ungleichen Verteilung.<br />

Es gibt unzählige Turniere, und immer wieder<br />

fällt auf, dass Damen oft ein geringeres<br />

Preisgeld bekommen als die Herren. Das ist<br />

schon sehr auffällig, wie hier geschlechter-<br />

24 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> ORGANISATION 1/23


ORGANISATION<br />

spezifisch differenziert wird (siehe z.B. Vegas<br />

Shoot, Recurve: 7500 $ für Herren, 4000<br />

$ für Damen). Noch fragwürdiger wird das<br />

Ganze aber, wenn man zu der sowieso schon<br />

suspekten Gleichung den Parasport hinzuzieht.<br />

Parasportler bekommen noch einmal<br />

deutlich weniger Geld als Nicht-Parasportler.<br />

Und das war ja nicht nur 2022 so, das<br />

ganze Dilemma begleitet Sportler schon seit<br />

Jahren. Aber gerade im Jahr 2022, wo Sportler<br />

mit „ach so hohen“ Rekordpreisgeldern<br />

gelockt werden, findet man immer noch<br />

diese Ungleichheit? Egal wie ich es drehe<br />

und wende: Ist das wirklich diese „Fairness“,<br />

auf die alle so großen Wert legen?<br />

Ich wünschte auch hier, ich könnte diese<br />

Frage ganz einfach beantworten. Sagen, wie<br />

unfair die Verteilung ist, dass man von purer<br />

Diskriminierung sprechen kann. Es steckt<br />

aber einfach mehr dahinter, und man muss<br />

die Prozesse und Vorgänge hinter den Kulissen<br />

betrachten, die man als Sportler auf<br />

einem Turnier in der Regel nicht unbedingt<br />

mitbekommt. Alles dreht sich um das Geld,<br />

das eingeht und das bestimmt, wie viel Geld<br />

wiederum rausgehen kann. Oft legen Veranstalter<br />

sogar eine Preisgeldstruktur fest,<br />

bei der 50 Prozent des Preisgeldes gleichmäßig<br />

auf alle Klassen verteilt sind, und die<br />

anderen 50 Prozent richten sich nach den<br />

Teilnehmerzahlen in den jeweiligen Wettkampfklassen.<br />

Und natürlich wollen wir,<br />

dass Herren und Damen gleichberechtigt<br />

werden und dasselbe Einkommen, denselben<br />

Gewinn haben können. Wenn ich selbst<br />

bei den Damen an einem Preisgeldturnier<br />

teilnehmen würde, wäre ich wohl auch unzufrieden,<br />

wenn ich für die gleiche Platzierung<br />

wie ein Teilnehmer in der Herrenklasse<br />

eine geringere Gewinnsumme kriegen<br />

würde.<br />

Aber in den meisten Fällen starten mehr<br />

männliche Schützen bei solchen Turnieren.<br />

Fairerweise müssen wir es auch aus<br />

der Sicht eines männlichen Sportlers oder<br />

allgemein einer anderen Wettkampfklasse<br />

sehen: Ist es für diese Sportler fair, wenn am<br />

Ende des Tages ihr Preisgeld sinkt? Wenn<br />

die weibliche Starterin sich gegen 50 Gegnerinnen<br />

durchsetzen musste, während der<br />

männliche Starter sich gegen 250 Schützen<br />

durchsetzen musste, sollen alle „schön fair“<br />

die gleiche Prämie bekommen? Und das, obwohl<br />

man sich vermeintlich über viel mehr<br />

Hürden kämpfen musste? Sollte dieser Umstand<br />

wirklich gleich belohnt werden? Das<br />

bringt uns doch wieder zurück zu der Frage:<br />

Was bedeutet Fairness? Theoretisch, wenn<br />

wir es von einem ethischen Standpunkt aus<br />

diskutieren, ist doch die gleiche Verteilung<br />

der Preisgelder genauso fair wie zu sagen,<br />

dass man die Preisgelder in Relation zu den<br />

Teilnehmerzahlen verteilt. Das ist eine Frage<br />

für die Ethik, die ich hier nicht zu beantworten<br />

vermag. Vielleicht haben Sie bei der<br />

Beantwortung der Frage mehr Erfolg als ich.<br />

Auch aus wirtschaftlicher Sicht liegt es nah,<br />

dass Veranstalter etwaige Umsatzverluste<br />

machen würden, wenn man alleine auf eine<br />

gleiche Entlohnung aus ist und nicht nach<br />

der Nachfrage-Verteilung geht. Natürlich ist<br />

das ganze Thema speziell hinsichtlich der<br />

wirtschaftlichen Aspekte hier rabiat heruntergebrochen,<br />

aber am Ende dreht sich<br />

einfach alles darum, wie viel Geld zur Verfügung<br />

steht und in welchen Klassen wie viele<br />

Leute an den Start gehen. So viel muss man<br />

hier wohl oder übel akzeptieren.<br />

UND DIE PARASPORTLER?<br />

Einer der Initiatoren, dieses Thema zu beleuchten,<br />

waren für mich die Berlin Open.<br />

Ich konnte zunächst nicht verstehen, wie ein<br />

Turnier damit werben kann, dass körperlich<br />

beeinträchtigte Schützen mit nicht-beeinträchtigten<br />

Schützen an einer Startlinie stehen<br />

können (was ich persönlich absolut toll<br />

finde!), es „Aktion Mensch“ als Hauptsponsor<br />

hat, aber am Ende bekommen die Parasportler<br />

ein sehr viel geringeres Preisgeld. Ein<br />

Blick auf die aktuellen Preisgelder der Berlin<br />

Open 2022 bringt mich zum Schmunzeln:<br />

Tatsächlich werden hier in den Nicht-Pa-<br />

1/23 ORGANISATION <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 25


ORGANISATION<br />

rasport Klassen gleiche Preisgelder verteilt,<br />

egal ob Herren oder Damen, egal ob Recurve<br />

oder Compound – großartig! Damit gehen<br />

die Veranstalter ja genau auf die bisher besprochene<br />

Problematik ein. Für jeden ersten<br />

Platz gibt es 1500 Euro, 1000 Euro für den<br />

zweiten Platz, 500 Euro für Drittplatzierte<br />

und sogar noch 250 Euro für vierte Plätze.<br />

Ich lese das und freue mich über diese Entscheidung!<br />

Meine Freude findet aber mit<br />

dem Blick auf die Preisgelder der Parasportler<br />

einen stummen Halt: Die Erstplatzierten<br />

erhalten gerade einmal 50 Prozent von dem<br />

Preisgeld der Nicht-Parasportler, nämlich<br />

750 Euro. Platz zwei gerade mal so etwas<br />

mehr als ein Drittel mit 350 Euro, und Drittplatzierte<br />

bekommen 150 Euro. Keine Prämie<br />

für den vierten Rang. Das internationale<br />

Turnier, das bewirbt, inklusiv zu sein, zahlt<br />

solche unverhältnismäßigen Preisgelder?<br />

Ist das Ganze nicht problematisch, wenn<br />

nicht sogar paradox?<br />

Also habe ich nachgefragt, und die Antwort<br />

deckt sich mit dem Prinzip, das zuvor in diesem<br />

Artikel erklärt wurde. Von Seiten der<br />

Organisatoren wurde mir auch hier erklärt,<br />

dass sich die Preisgelder im Jahr 2021ausschließlich<br />

aus den Startgeldeinnahmen generiert<br />

haben. Das lag vor allem daran, dass<br />

es bis dato keine Sponsoren gab, die Preisgelder<br />

zur Verfügung stellen wollten. Denn,<br />

wie wir zuvor erfahren haben, bedeutet es<br />

nicht automatisch, dass man, nur weil man<br />

Sponsor ist, auch Preisgelder stellt oder stellen<br />

muss. So wird dem einen oder anderen<br />

vielleicht auch jetzt auffallen, dass Preisgelder<br />

oft erst so richtig konkret bekannt gegeben<br />

werden können, wenn die Meldefrist<br />

durch ist und der Veranstalter genau weiß,<br />

womit er rechnen kann. Im Falle der Berlin<br />

Open dachte ich dennoch, dass gerade wegen<br />

der Stiftung „Aktion Mensch“ mehr Geld<br />

für Paraschützen fließen müsse. Aber es<br />

wurde erläutert, dass für die Stiftung detailliert<br />

die Verwendung der zur Verfügung gestellten<br />

Mittel nachgewiesen werden muss,<br />

und dabei ist die Verwendung als Preisgeld<br />

nicht gestattet. Es gibt also keinen Bezug<br />

zwischen den ausgeschütteten Preisgeldern<br />

und der Stiftung.<br />

Um das Preisgeld zu beurteilen, kommen<br />

wir also wieder zu der Anzahl der Starter.<br />

Und da war es nun eben so, dass im Jahr<br />

2021 132 Recurve-Herren an den Start gingen,<br />

79 Recurve-Damen und, zum Bedauern<br />

der Organisatoren, fünf Recurve-Parastarter.<br />

Und wenn man dann aber noch genauer<br />

26 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> ORGANISATION 1/23


ORGANISATION<br />

hinsieht, erkennt man, dass doch was für die<br />

Paraklassen getan wird, denn das Startgeld<br />

der Parasportler ist mit 40 Euro niedriger als<br />

das der nicht-beeinträchtigten Starter mit 65<br />

Euro.<br />

OLYMPISCHE UND PARALYMPISCHE SPIELE<br />

Ein weiteres interessantes Beispiel für die<br />

Verteilung von Preisgeldern liefern die<br />

Olympischen sowie Paralympischen Spiele.<br />

Die Prämien für Medaillengewinne werden<br />

bei beiden Events von der Deutschen Sporthilfe<br />

zur Verfügung gestellt und ausgezahlt.<br />

Wer bisher dachte, dass man mit dem Olympiasieg<br />

reich wird, den muss ich leider enttäuschen.<br />

Für eine Goldmedaille bekommt<br />

man 20.000 Euro, 15.000 Euro für Silber und<br />

10.000 Euro für Bronze. Und: sollte man mehrere<br />

Medaillen erzielen, erhält man trotzdem<br />

nur einmalig die Prämie. Für Mannschaftsoder<br />

Staffelsportler fallen die Prämien geringer<br />

aus. Wer am Ende auf den Rängen<br />

vier bis acht landet, erhält auch noch einmal<br />

Prämien zwischen 5000 Euro und 1500 Euro.<br />

Vergleicht man das mit den Prämien anderer<br />

Länder, staunt man nicht schlecht: In Singapur<br />

erhält man für den Olympiasieg 630.000<br />

Euro, in Polen 50.000 Euro und eine monatliche<br />

lebenslange, steuerfreie Rente von 60<br />

Prozent des Durchschnittseinkommens ab<br />

dem 40. Lebensjahr. Auch in Italien profitieren<br />

die Gewinner von einmalig 150.000 Euro<br />

sowie zusätzlichen 120.000 Euro, verteilt<br />

über vier Jahresraten. Seien wir mal ehrlich:<br />

Im Vergleich bekommen deutsche Sportler<br />

fast nichts.<br />

Aber woran liegt das? „Als Deutscher muss<br />

man es sich leisten können, seine Sportart so<br />

professionell zu betreiben, um sich für Olympia<br />

zu qualifizieren. Das hängt zum einen mit<br />

den begrenzten Mitteln der Sportförderung<br />

zusammen. Zum anderen geht viel Geld in<br />

die berufliche Absicherung der Olympia-<br />

Starter. Viele sind zum Beispiel bei der<br />

Bundespolizei, Bundeswehr oder dem Zoll<br />

beschäftigt und werden für sportliche Maßnahmen<br />

freigestellt“, so die Sporthilfe. „Durch<br />

das Elite-Programm (Sponsor Mercedes-<br />

Benz) wird etwa ein Drittel der Mitglieder des<br />

deutschen Olympiateams mit jeweils 400 bis<br />

800 Euro pro Monat unterstützt. Knapp 50<br />

Sportler sind zudem im Eliteplus-Programm,<br />

das über maximal eineinhalb Jahre 1800<br />

Euro im Monat garantiert.“ Es gibt aber auch<br />

Länder wie Neuseeland oder Schweden, die<br />

laut dem Forbes Magazin überhaupt keine<br />

Geldprämien auszahlen.<br />

Blicken wir zu den Paralympischen Spielen,<br />

wie fallen hier die Preisgelder aus?<br />

Tatsächlich bekommen para-olympische<br />

Sportler seit 2014 die gleichen Prämien wie<br />

olympische Sportler. Das war aber nicht<br />

immer so: Im Jahr 2000 bekam man für<br />

eine Goldmedaille bei den Paralympics in<br />

Sydney gerade einmal 1350 Euro. Bis zu<br />

den Paralympics 2012 in London wurde<br />

diese Prämie allerdings kontinuierlich immer<br />

weiter angehoben, zwar nur gering,<br />

aber immerhin. Mit den Winterspielen in<br />

Anzeige<br />

Sotchi 2014 kam dann der Erfolg für die<br />

Paralympischen Sportler, die Prämien wurden<br />

angepasst. „Unsere Leistung ist genauso<br />

hoch zu bewerten wie die von nicht behinderten<br />

Sportlern, auch unser Training<br />

ist ebenso anspruchsvoll“, erläuterte damals<br />

die zwölffache Paralympics-Siegerin<br />

Verena Bentele gegenüber einer Zeitung:<br />

„Menschen mit Behinderung haben Anspruch<br />

auf Gleichbehandlung in der Gesellschaft.<br />

Gleiche Prämien sind dafür ein<br />

gutes Symbol.“<br />

1/23 ORGANISATION <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 27


ORGANISATION<br />

Duden verstehen wir unter Fairness ein<br />

„anständiges Verhalten; gerechte, ehrliche<br />

Haltung andern gegenüber“. Man kann<br />

nicht sagen, dass sich jemand nicht anständig<br />

verhält, nur weil er wirtschaften muss,<br />

oder? Genau so kann man aber auch in Frage<br />

stellen, wie gerecht das Ganze ist, wenn<br />

Anfrage und Angebot Ungleichheit schaffen.<br />

Letzten Endes gibt es doch kein pauschales<br />

Richtig oder Falsch. Was für die einen richtig<br />

scheint, erscheint den anderen falsch.<br />

Es ist doch ähnlich wie bei der Frage, was<br />

zuerst da war, das Huhn oder das Ei. Gab es<br />

zuerst das Preisgeld und dann keine/wenig<br />

Teilnehmer oder keine/wenig Teilnehmer<br />

und dann das Preisgeld?<br />

Und doch… ist es denn so problematisch,<br />

dass alle gleich belohnt werden? Ich möchte<br />

den Gedanken umdrehen: Wenn alle gleich<br />

bezahlt werden würden, würde das nicht<br />

mehr Teilnehmer für die anderen Klassen<br />

bedeuten? Ich gehe einen Schritt weiter:<br />

Was wäre, wenn Parasportler ebenfalls<br />

gleich hohe Preisgelder kriegen würden wie<br />

Damen und Herren? Wäre das nicht Motivation<br />

genug, den Sport intensiv zu praktizieren?<br />

Und noch einen Schritt: Wenn<br />

sich Sportler und Sportlerinnen, ob para<br />

oder nicht, eine Karriere mit ihrem Lieblingssport<br />

machen könnten, dann gäbe es<br />

sicherlich auch keine ungleichen Teilnehmeranzahlen<br />

pro Klasse… Ach. Wenn das<br />

Wörtchen „wenn“ nicht wäre…<br />

WAS IST DENN NUN FAIR UND RICHTIG?<br />

Wer jetzt eine konkrete Antwort erwartet,<br />

wird sie nicht finden, denn nach allem stelle<br />

ich mir nur noch mehr Fragen. Ich denke,<br />

man kann nun viele Faktoren besser verstehen,<br />

was die Verteilung von Preisgeldern<br />

auf „privaten“ Turnieren angeht. Aber was<br />

ist mit Olympia? Kann man wirklich wirtschaftliche<br />

Zwecke bei einem so großen<br />

sportlichen Event in den Vordergrund stellen?<br />

Natürlich ist es nur eine einfache Idee,<br />

die Preisgelder anzugleichen, das ist schnell<br />

und einfach gesagt. Dahinter stecken natürlich<br />

noch so viel mehr Faktoren.<br />

Ich kann alle Argumente verstehen, die<br />

Startgelder, die Teilnehmerzahlen… dass<br />

Anfrage die Gewinnausschüttung bestimmt…<br />

dass es einfach anders ist, wenn<br />

man sich gegen 300 Kontrahenten durchschlägt<br />

im Gegensatz zu 15… dass Sponsoren<br />

nicht selbstverständlich „Gelder“ zur<br />

Verfügung stellen… und und und.<br />

Und kommen wir noch einmal zurück auf<br />

diesen großen Begriff der Fairness. Laut<br />

Man kann sich all diesen Fragen stellen…<br />

und indem man Hintergründe beleuchtet<br />

und sich Wissen aneignet, näher verstehen,<br />

idealerweise sogar mögliche Antworten<br />

finden. Ich verstehe nun, warum diese Ungleichheiten<br />

heute im Bereich Bogensport<br />

und Turniere existieren – aber will ich diese<br />

auch einfach so akzeptieren? Ist es wirklich<br />

so utopisch, davon zu träumen, dass jeder<br />

Bereich im Bogensport gleich viel „wert“ ist?<br />

Und obwohl ich weiß, dass organisatorische<br />

und wirtschaftliche Faktoren überwiegen,<br />

und es vielleicht ja auch utopisch ist zu denken,<br />

dass ethische oder moralische Aspekte<br />

jemals gegen all die wirtschaftlichen Faktoren<br />

ankommen können… wünschte ich mir,<br />

es wäre nicht immer so.<br />

Aber träumen darf doch erlaubt sein, oder?<br />

Um es mit den Worten von Paulo Coelho zu<br />

sagen: „Die Möglichkeit, dass Träume wahr<br />

werden können, macht das Leben erst interessant.“<br />

28 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> ORGANISATION 1/23


NEWS<br />

BOGEN-WM BERLIN:<br />

JETZT ALS VOLUNTEER BEWERBEN!<br />

Der Deutsche Schützenbund<br />

sucht ehrenamtliche Helfer für<br />

die Weltmeisterschaft im Bogenschießen<br />

<strong>2023</strong>. Vom 31. Juli<br />

bis zum 6. August wird die WM<br />

in Berlin ausgetragen. Gesucht<br />

werden Freiwillige für alle<br />

Bereiche, sei es im Wettkampfbereich,<br />

in der Organisation<br />

oder beim Auf- und Abbau. Die<br />

Helfer erleben die WM-Stars<br />

hautnah „bei der Arbeit“.<br />

Bewerben können sich alle<br />

Personen, die zum Zeitpunkt<br />

der Weltmeisterschaft 16 Jahre<br />

oder älter sind und an mindestens<br />

vier zusammenhängenden<br />

Tagen zwischen dem 28. Juli<br />

und 7. August <strong>2023</strong> verfügbar<br />

sind. Für die Anmeldung als<br />

Helfer besuchen Sie bitte die<br />

Plattform www.germanvolunteers.de.<br />

Fragen zum Programm der Helfer<br />

beantwortet Julia Matheis vom DSB:<br />

matheis@dsb.de<br />

Auf Basis einer DSB-Veröffentlichung<br />

Foto: BSM Archiv<br />

BRADY UND TOJA ELLISON WERDEN<br />

BEI EINEM EINBRUCH DIE BÖGEN GESTOHLEN<br />

Der Weltranglistenzweite Brady<br />

Ellison hat auf seinem Instagram-Profil<br />

eine Videobotschaft<br />

gepostet, in der er mitteilt, dass<br />

die Bogensportausrüstung von<br />

ihm und seiner Frau Toja Ellison<br />

über Nacht am 21. November<br />

aus dem Keller seines Hauses<br />

in Billings, Montana, gestohlen<br />

wurde. Unter den gestohlenen<br />

Gegenständen befanden sich<br />

unter anderem Wettkampfbögen<br />

sowie eindeutig maßgeschneiderte<br />

Ausrüstung wie<br />

der abgebildete Köcher. Der<br />

langjährige US-Spitzenathlet<br />

appellierte an die Öffentlichkeit,<br />

auf den Verkauf von Bogensportausrüstung<br />

aus zweiter Hand<br />

zu achten – insbesondere auf<br />

Zubehör, das leicht als Eigentum<br />

des international ausgezeichneten<br />

Paares erkennbar sind.<br />

CW / Foto: Dean Alberga<br />

OLYMPIASIEGERIN LUANN RYON STIRBT<br />

IM ALTER VON 69 JAHREN<br />

Die Gewinnerin der Olympischen<br />

Spiele von Montreal<br />

1976, Luann Ryon, ist im<br />

Dezember 2022 gestorben. Sie<br />

wäre im Januar 70 Jahre alt<br />

geworden. Ryon schoss damals<br />

bei den Olympischen Spielen<br />

Rekorde für die 1440er-Runde<br />

(1282 Ringe) und die doppelte<br />

1440er-Runde (2499 Ringe). Sie<br />

dominierte die Frauenkonkurrenz<br />

bei den zweiten Olympischen<br />

Spielen seit der Rückkehr<br />

des Bogenschießens in dieser<br />

Multisportveranstaltung. Ein<br />

Jahr später gewann sie auch<br />

den Einzeltitel bei den Weltmeisterschaften<br />

in Canberra<br />

und führte das Frauenteam der<br />

USA zu Gold. Ihr letztes internationales<br />

Turnier waren die<br />

Weltmeisterschaften im Bogenschießen<br />

1983 in Los Angeles,<br />

in der Nähe ihres Geburtsortes,<br />

wo sie einen Großteil ihres<br />

Lebens verbrachte.<br />

<br />

CW<br />

Foto: Screenshot worldarchery.sport<br />

1/23 NEWS <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 29


KARRIERE<br />

DIE BEHINDERUNG GAB<br />

OLSZEWSKA EINE NEUE PERSPEKTIVE<br />

AUF DAS LEBEN – UND DEN SPORT<br />

Von Antoni Chichy<br />

Milena Olszewska ist die erfolgreichste Para-Bogenschützin aus Polen. Wo auch immer sie antritt,<br />

wird sie als eine der besten Teilnehmerinnen geführt.<br />

Das ist brillant für jemanden, der<br />

noch vor 15 Jahren keine Ahnung<br />

hatte, dass Bogenschießen ein Sport<br />

ist. Heute ist die 38-Jährige die Nummer<br />

zwei in der Weltrangliste der Para-Recurve-Damen.<br />

Bei den Paralympics in London<br />

und Rio de Janeiro holte sie zweimal Bronze.<br />

Anfang dieses Jahres holte Olszewska<br />

bei den Para-Weltmeisterschaften in Dubai<br />

2022 erneut Bronze und bewies damit<br />

ihre kontinuierliche Beständigkeit und ihre<br />

starke Stellung im Para-Bogensport.<br />

Foto: Dean Alberga<br />

Die polnische Bogenschützin schießt von<br />

einem Hocker aus. Ihr rechtes Bein wurde<br />

amputiert, als sie noch ein Teenager war.<br />

„Das passierte, als ich 15 Jahre alt war. Mein<br />

rechtes Bein war 30 Zentimeter kürzer als<br />

mein linkes. Es machte keinen Sinn, mit einem<br />

so kurzen Bein zu laufen, also wurde es<br />

amputiert”, erklärt sie. „Um ehrlich zu sein,<br />

gab es mehr Nachteile als Vorteile mit diesem<br />

Bein. Wie jedes vielbeschäftigte Kind<br />

bin ich viel gelaufen, und es war oft gebrochen.<br />

Andere Kinder waren in den Ferien<br />

draußen, und ich saß mit einem Gips zu<br />

Hause fest. Irgendwann wurde es dann lästig.<br />

… Meine Eltern trafen die Entscheidung,<br />

ich stimmte zu, und dann war es einfacher.<br />

Nach der Amputation war ich nur noch<br />

einmal im Krankenhaus, glaube ich.”<br />

Olszewska lebte mit einer Prothese weiter<br />

das energiegeladene Leben eines Kindes,<br />

das in der kleinen Stadt Czarnkow mit nur<br />

etwa 10.000 Einwohnern aufwuchs. „Vielleicht<br />

bin ich nicht auf Bäume geklettert,<br />

aber ich habe mit anderen Mädchen gespielt.<br />

Ich tat das, was meine Altersgenossen<br />

taten. Ich hatte solche Freunde, dass sie,<br />

selbst wenn ich etwas nicht konnte, die Regeln<br />

änderten, damit ich mitmachen konnte.<br />

In gewisser Weise haben sie die Spiele<br />

an meine Fähigkeiten angepasst”, sagt sie.<br />

Diese Fähigkeit, sich anzupassen, hat ihr<br />

geholfen, als sie zum Bogen griff. „Es hat<br />

mich gelehrt, dass man manchmal etwas<br />

nur aus einer anderen Perspektive betrachten<br />

muss, damit es möglich wird”, erklärt<br />

sie. Sport war in Milenas Leben präsent<br />

– aber es war ein Bereich, der eine andere<br />

Perspektive brauchte. Früher war Olszewska<br />

nur eine Zuschauerin. „Ich habe nie<br />

Sport getrieben. Ich war nur ein Fan. Ich<br />

habe mit meinen Eltern viel beim Sport zugesehen,<br />

verfolgte immer die Olympischen<br />

Spiele und war sehr aufgeregt, wenn polnische<br />

Sportler antraten. Aber ich hätte mir<br />

nie träumen lassen, dass ich einmal Sportlerin<br />

werde”, sagt sie.<br />

Wann kam der Wendepunkt? Milena studierte<br />

auf Lehramt und entdeckte dabei das<br />

Bogenschießen. Kurz vor dem Abschluss<br />

ihres Studiums erhielt sie ein Angebot. Ein<br />

Angebot, das ihr Leben veränderte. „Ich<br />

habe nicht nach einer Sportart gesucht.<br />

Ich wusste nicht einmal, dass Bogenschießen<br />

ein Sport ist. Die Bukanskis (darunter<br />

Coach Ryszard Bukanski) haben mich<br />

ermutigt, es zu versuchen, und es hat geklappt.<br />

Ich mochte Bogenschießen. Vielleicht<br />

lag es an der Präzision, der Wiederholung,<br />

die man lernen musste”, sagt sie.<br />

Olszewska erschien auf dem Trainingsplatz<br />

– und blieb. 15 Jahre später ist sie immer<br />

noch nicht weg und zählt nun zur Weltelite.<br />

30 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> KARRIERE 1/23


NEWS<br />

WORLD ARCHERY STARTET OTT-PLATTFORM<br />

FÜR ARCHERY + MIT STREAMVIRAL<br />

Der Weltverband World Archery<br />

wird Anfang <strong>2023</strong> im Rahmen<br />

einer neuen Partnerschaft mit<br />

dem Technologieunternehmen<br />

StreamViral eine Online-<br />

Streaming-Plattform namens<br />

archery+ starten. Die Plattform<br />

wird internationale Wettkämpfe<br />

im Bogenschießen für Zuschauer<br />

in Gebieten übertragen, die<br />

nicht durch die Rechtevereinbarungen<br />

von World Archery<br />

abgedeckt sind. Auf dem<br />

Programm stehen Großereignisse<br />

wie der Hyundai Archery<br />

World Cup, die Hyundai World<br />

Archery Championships und<br />

die bevorstehenden Qualifikationswettkämpfe<br />

für die Olympischen<br />

Spiele 2024 in Paris<br />

sowie Weltranglistenturniere<br />

der zweiten Kategorie. Archery+<br />

wird auch Reportagen, Dokumentationen,<br />

Lehrmaterialien<br />

und andere exklusive Inhalte<br />

enthalten, die von World Archery<br />

entwickelt wurden. Die<br />

Plattform wird zunächst auf<br />

Werbung und ein Freemium-<br />

Modell statt auf kostenpflichtige<br />

Abonnements setzen. Mit<br />

dem Start von archery+ wird<br />

World Archery seinen globalen<br />

Vertrieb der gesamten Inhaltspyramide<br />

des Bogenschießens<br />

nachhaltig ausbauen, erweiterte<br />

Einblicke in das Publikum gewinnen<br />

und neue und effektive<br />

Direct-to-Consumer-Marketingmodelle<br />

entwickeln.<br />

StreamViral ist ein Sport-OTT-<br />

Integrator, der Beratung zu<br />

Design, Produktion, Marketing<br />

und Monetarisierung anbietet<br />

und Sportvereinen, -ligen und<br />

-verbänden hilft, ihre eigenen<br />

maßgeschneiderten Sendekanäle<br />

zu entwickeln.<br />

World Archery ist der internationale<br />

Verband für die<br />

olympische und paralympische<br />

Sportart Bogenschießen. Die<br />

Organisation führt Großveranstaltungen<br />

durch, darunter<br />

Weltmeisterschaften in mehreren<br />

Disziplinen des Sports,<br />

und arbeitet mit ihren mehr<br />

als 150 nationalen Mitgliedsverbänden<br />

zusammen, um den<br />

Sport weltweit zu regulieren, zu<br />

entwickeln und zu fördern.<br />

Der Generalsekretär von World<br />

Archery, Tom Dielen, sagte<br />

zu dieser Entwicklung: „Der<br />

Vorstoß der World Archery in<br />

den OTT-Bereich ist ein weiterer<br />

Meilenstein in der Entwicklung<br />

des Sports als fanorientiertes<br />

Unterhaltungsprodukt. Dieses<br />

Projekt mit StreamViral wird einen<br />

exklusiven digitalen Raum<br />

für Bogensportinhalte schaffen<br />

– unabhängig davon, ob sie von<br />

World Archery produziert werden<br />

oder nicht – und es wird<br />

eine wertvolle Ressource für<br />

unser wachsendes weltweites<br />

Publikum darstellen.”<br />

Isobelle Benge, Mitbegründerin<br />

und Chief Technology Officer<br />

von StreamViral, sagte: „Wir<br />

freuen uns sehr, mit World<br />

Archery zusammenzuarbeiten<br />

und dem Verband mit unserer<br />

Erfahrung im Bereich Broadcast<br />

und Marketing beim Aufbau<br />

seiner neuen Marke zu helfen.<br />

Es handelt sich nicht nur um<br />

einen neuen Kunden, sondern<br />

auch um eine neue Sportart,<br />

die wir der StreamViral-Familie<br />

hinzufügen können, mit vielen<br />

Fans weltweit. Unser Ziel ist es,<br />

einen Kanal aufzubauen, der<br />

die Fangemeinde anspricht und<br />

das Engagement und die Popularität<br />

des Sports steigert.” CW<br />

Foto: Screenshot worldarchery.sport<br />

Foto: Dean Alberga<br />

WIR SUCHEN SIE!<br />

Unsere Redaktion sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/einen<br />

MITARBEITER (m/w/d) auf Honorarbasis<br />

Ihr Profil:<br />

• Sie wollen spannende Geschichten rund um unseren Lieblingssport erzählen und wesentlich<br />

dazu beitragen, dass sich unsere Leserschaft jedes Mal aufs Neue auf die aktuelle<br />

Ausgabe freut?<br />

• Sie haben Lust am Schreiben und Kenntnisse in der Fotografie?<br />

• Sie sind kontaktfreudig und in der Bogensport-Szene gut integriert?<br />

• Sie haben den Überblick über die wichtigsten Veranstaltungen, Menschen<br />

und Produktneuheiten?<br />

Dann zögern Sie bitte nicht, uns anzusprechen bzw. uns direkt Ihre aussagekräftigen<br />

Bewerbungsunterlagen zuzusenden. Wir freuen uns über jedes Feedback.<br />

<strong>BOGENSPORT</strong> <strong>MAGAZIN</strong><br />

Kuhn Fachverlag GmbH & Co. KG | Axel Ziegler Marktplatz 7 | 78054 Villingen-Schwenningen oder gerne auch per Mail an magazin@bogensport.de<br />

1/23 NEWS <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 31


WETTKAMPF<br />

THE NEW KINGS AND QUEENS ARE CROWNED!<br />

<strong>BOGENSPORT</strong>LER FEIERN DIE<br />

10. AUSGABE DER KINGS OF ARCHERY<br />

SERIES – JVD OPEN<br />

Von Anna Lena Gangluff<br />

Nachdem in der Außensaison in diesem Jahr wieder langsam aber sicher die gewohnte Normalität die Turniere bestimmte, kehrte auch nach zwei Jahren<br />

Zwangspause das international beliebte Kings of Archery Series – JVD Open Turnier - in den Niederladen zurück. Vom 11. bis zum 13. November 2022 fand<br />

das größte Hallenturnier der Niederlande in Eindhoven statt.<br />

ERGEBNISSE NACH DEM FINALE:<br />

COMPOUND HERREN<br />

1. Rishabh Yadav (IND)<br />

2. Mike Schloesser (NED)<br />

3. Mathias Fullerton (DEN)<br />

COMPOUND DAMEN<br />

1. Ella Gibson (GBR)<br />

2. Tanja Gellenthien (DEN)<br />

3. Elisa Roner (ITA)<br />

COMPOUND SENIOREN<br />

1. Wolfgang Wiener (AUT)<br />

2. Luc Verdeyen (BEL)<br />

3. Jens Asbach (GER)<br />

RECURVE HERREN<br />

1. Steve Wijler (NED)<br />

2. Sachin Gupta (IND)<br />

3. Federico Musolesi (ITA)<br />

RECURVE DAMEN<br />

1. Gaby Schloesser (NED)<br />

2. Penny Healey (GBR)<br />

3. Audrey Machinet (FRA)<br />

BLANKBOGEN HERREN<br />

1. Giuseppe Seimandi (ITA)<br />

2. Timo Durchdewald (GER)<br />

3. Daan Saft (NED)<br />

BLANKBOGEN DAMEN<br />

1. Carol-Anne Seez (GBR)<br />

2. Tatiana Khrustaleva (ISR)<br />

3. Olivia Elamsson (SWE)<br />

32 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> WETTKAMPF 1/23


WETTKAMPF<br />

Bereits 2020 sollte die zehnte Ausgabe<br />

des Hallenturniers stattfinden. Wegen<br />

der Pandemie musste das Ganze<br />

aber sowohl 2020 als auch 2021 verschoben<br />

werden. Umso größer war die Freude, als bekannt<br />

wurde, dass das Turnier 2022 wieder<br />

ausgerichtet werden kann.<br />

Von Jahr zu Jahr wuchs das Turnier und<br />

begeisterte immer mehr Bogensportler. Das<br />

Erfolgsrezept? Das Format. An der Schießlinie<br />

trifft man sowohl auf internationale<br />

Spitzensportler wie Mike Schloesser (NED),<br />

Kris Schaff (USA) oder Penny Healey (GBR),<br />

die bereits während der Außensaison immer<br />

wieder mit starken Leistungen auf sich<br />

aufmerksam machten. Genau so kann aber<br />

auch der „normale“ Breitensportler einen<br />

der begehrten Startplätze für das Turnier<br />

ergattern. Wann hat man schon die Chance,<br />

bei einem internationalen Preisgeldturnier<br />

die Besten der Bogensportszene zu sehen,<br />

mit ihnen zu sprechen oder gar mit ihnen<br />

auf einer Scheibe zu stehen? Solche Erfahrungen<br />

will sich niemand entgehen lassen.<br />

Gerade für deutsche Schützen kommt noch<br />

hinzu, dass sie den Austragungsort in den<br />

Niederladen recht schnell und unkompliziert<br />

erreichen können.<br />

Auch in den sozialen Netzwerken wird das<br />

Format gefeiert. „Das beste Turnier in Europa“<br />

liest man täglich. Für viele Bogenschützen<br />

ist Kings of Archery seit Jahren fester<br />

Bestandteil in ihren Terminkalendern. Die<br />

meisten von ihnen haben die Entwicklung<br />

von einem kleinen freundschaftlichen Turnier<br />

bis zu dem großen gefeierten Event,<br />

das es heute ist, hautnah miterlebt. Trotz<br />

des Wachstums haben es die Veranstalter<br />

geschafft, diese gewisse Atmosphäre beizubehalten.<br />

Für viele ist es eher ein Wiedersehen<br />

mit guten Freunden, und der Leistungsdruck<br />

nimmt nicht unbedingt überhand.<br />

SIDEFACT<br />

Wusstet ihr, worüber sich den meisten Teilnehmern<br />

den Kopf zerbrechten? Den Walk Up Song. Wer sich<br />

bei dem Turnier anmeldet, muss bei der Anmeldung<br />

einen Walk Up Song benennen, der gespielt<br />

wird, falls der entsprechende Starter in das Finale<br />

einzieht. Sander Doldermann ruft aber auch hier<br />

scherzend zu mehr Kreativität auf: „Jedes Jahr gibt<br />

es so viele Schützen, die „Thunderstruck“ von AC/<br />

DC wollen. Überlegt euch mal etwas Ausgefalleneres!“<br />

Wer also nächstes Jahr dabei sein will, sollte<br />

dieses Detail nicht unterschätzen und früh genug<br />

mit der Suche nach dem Song anfangen.<br />

Anzeige<br />

1/23 WETTKAMPF <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 33


WETTKAMPF<br />

Umso weniger verwundert es, dass über 900<br />

Startplätze in diesem Jahr innerhalb weniger<br />

Stunden ausgebucht waren. Insgesamt<br />

meldeten sich Schützen aus 42 Ländern<br />

an. Die meisten Anmeldungen kamen aus<br />

Deutschland. Doch Kings of Archery bietet<br />

neben dem eigentlichen Wettkampf noch<br />

viel mehr. So findet über das ganze Wochenende<br />

eine Art Messe um das Wettkampffeld<br />

statt, bei der über 20 Marken aus dem Bogensport<br />

ihre (neusten) Waren präsentieren<br />

und verkaufen. Hoyt, Beiter oder Win&Win<br />

sind nur einige der Aussteller. Zusätzlich<br />

gibt es noch ein kostenloses Seminarprogramm.<br />

Interessierte können beispielsweise<br />

Seminare von Hoyt besuchen, wo die neuen<br />

Bögen vorgestellt werden. Es gibt aber auch<br />

Seminare, die sich zum Beispiel mit Mentaltraining<br />

befassen. In diesem Jahr wurde<br />

auch eine Fragerunde mit Mike und Gaby<br />

Schloesser angeboten, bei der man die beiden<br />

alles fragen konnte, was man schon immer<br />

mal so wissen wollte.<br />

VON 25 ZU FAST 1000 STARTERN MIT ZEHN<br />

AUSGABEN – EINE ERFOLGSGESCHICHTE<br />

Weil im vorigen Jahr die zehnte Ausgabe<br />

des Formats zelebriert wurde, machen wir<br />

noch mal einen kleinen Sprung in die Vergangenheit<br />

und schauen uns die Entstehungs-<br />

und Erfolgsgeschichte an. Sander<br />

Doldermann, einer der Hauptverantwortlichen<br />

und Gründer, gewährt Einblicke in<br />

seinem Podcast mit Raymon Markus „Nerves<br />

of Steel“, benannt nach dem gleichnamigen<br />

Nebenevent während des Kings of<br />

Archery-Wochenendes. Inspiriert wurde<br />

Doldermann damals vom Vegas Shoot, an<br />

dem er selbst teilnahm. So lud er im ersten<br />

Jahr von Kings of Archery 25 seiner<br />

Freunde aus den Niederlanden, Belgien<br />

und Deutschland zu seinem Heimatverein<br />

ein, um ein kleines Turnier unter Freunden<br />

nach den Vegas-Regeln auszutragen.<br />

Schon damals wurde viel Wert darauf<br />

gelegt, dass jede Wettkampfklasse im Anschluss<br />

an die Quali-Runde ein Finale austragen<br />

kann. Diese Idee und die damals<br />

noch sehr intime Veranstaltung sorgten<br />

für Begeisterung in der Bogensportszene,<br />

sodass das Turnier im nächsten Jahr<br />

wiederholt wurde. Doldermann erinnert<br />

sich: „Ich glaube, wir waren drei Jahre bei<br />

meinem Heimatverein. Im letzten Jahr<br />

nahmen etwa 100 Sportler am Wettkampf<br />

teil. Für uns war das ein Wendepunkt: Wie<br />

sollten wir weitermachen?“ Man wollte,<br />

dass das Turnier wächst. Damit sind aber<br />

auch hohe Kosten verbunden: Man muss<br />

in Scheiben investieren, ein größerer Austragungsort<br />

musste her.<br />

Und diesen fand man. Unter den neuen<br />

Umständen konnte das Event nach und<br />

nach zu dem werden, was es heute ist.<br />

Aus dem kleinen familiären Schießen unter<br />

Freunden wurde langsam das, was wir<br />

heute unter Kings of Archery verstehen.<br />

Es konnten immer mehr Ideen umgesetzt<br />

werden, aus „Fehlern“ wurde gelernt, und<br />

die Teilnehmerzahlen stiegen mit jedem<br />

Jahr. Vor allem wurde das Event aber auch<br />

immer internationaler, denn mittlerweile<br />

kamen schon Schützen aus Amerika und<br />

aus den verschiedensten Ecken in Europa,<br />

um den Titel zu holen.<br />

Im Jahr 2017 war dann allerdings auch die<br />

neue Location innerhalb von ein bis zwei<br />

Stunden vollkommen ausgebucht – erneut<br />

musste eine neue Lösung her. „Kosten verfünf-<br />

oder versechsfachten sich teilweise,<br />

wenn wir es größer aufziehen wollten.<br />

Das war beängstigend!“, erinnert Doldermann<br />

sich. „Wir waren sogar einmal an<br />

dem Punkt, die Marke Kings of Archery zu<br />

verkaufen.“ Im Jahr 2018 entschloss sich<br />

aber JVD, einer der weltweit führenden<br />

Vertriebspartner im Bogensportbereich<br />

mit Sitz in den Niederlanden, nach langen<br />

Gesprächen dazu, einzusteigen. Die Firma<br />

spielte schon länger mit dem Gedanken,<br />

ein Turnier zu kreieren, das ihren Namen<br />

trägt und das Potenzial dazu hat, eines der<br />

größten in Europa zu werden. Von 340<br />

Startern kam man plötzlich an fast 1000<br />

Startplätze, die vergeben werden konnten.<br />

Dafür zog man in die neue Location in<br />

Eindhoven um, die bis heute noch Austragungsort<br />

ist.<br />

2018 fand auch zum ersten Mal die zusätzliche<br />

Messe mit Ausstellern rund um<br />

das Wettkampffeld statt. „Es war eine Win-<br />

Win-Situation für uns und JVD“, erinnert<br />

sich Doldermann, „wir möchten, dass die<br />

Teilnehmer das Turnier mit mehr Wissen,<br />

mit positiven Eindrücken, guten Gesprächen<br />

und auch vielleicht mit neuem<br />

Material verlassen. Und JVD möchte, dass<br />

ihre Kunden und Bogensportler direkten<br />

Kontakt mit Herstellern haben können.“<br />

In diesem Zug kamen auch die Seminare<br />

für Jedermann dazu. Nach einer erfolgreichen<br />

Ausgabe 2018 wurde 2019 alles noch<br />

einmal übertrumpft. Dann kam die Pandemie.<br />

Und was dann kam, lest ihr hier!<br />

DIE WERTUNG WÄHREND DER<br />

QUALIFIKATION SIEHT<br />

FOLGENDERMASSEN AUS:<br />

COMPOUND: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

RECURVE: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

BLANKBOGEN: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

Während der Finalrunde(n) ändert sich die<br />

Wertung dann noch einmal:<br />

COMPOUND<br />

1. und 2. Passe:<br />

(gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

Jede weitere Passe:<br />

(gelb) 10-9-9; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

RECURVE<br />

1. und 2. Passe:<br />

(gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

Jede weitere Passe:<br />

(gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

BLANKBOGEN<br />

1. und 2. Passe:<br />

(gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

Jede weitere Passe:<br />

(gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6<br />

IN WELCHEM MODUS WIRD DAS TURNIER<br />

EIGENTLICH GESCHOSSEN?<br />

The Vegas Shoot war eine der Vorlagen für<br />

das Turnier. In Eindhoven schießt jeder<br />

Teilnehmer 90 Pfeile. 60 Pfeile samstags,<br />

30 Pfeile sonntags, 900 Ringe sind als Maximum<br />

erreichbar. Alle Bogenschützen,<br />

mit Ausnahme von Blankbogenschützen<br />

und jenen, die von World Archery als sehbehindert<br />

eingestuft werden, schießen auf<br />

die einen Dreier-Spot. Blankbogenschützen<br />

haben die Möglichkeit, eine 40 Zentimeter-<br />

Auflage mit den Wertungsringen eins bis X<br />

zu wählen.<br />

Ins Finale ziehen die besten acht nach der<br />

jeweiligen Qualifikation ein – oder alle, die<br />

eine 900 geschossen haben.<br />

In diesem Jahr schossen insgesamt 28 Teilnehmer<br />

eine perfekte 900, unter ihnen ein<br />

Deutscher: Felix Wieser. Für ihn war es die<br />

erste Teilnahme an dem Format. „Es klingt<br />

einfach, man muss „nur“ das Gold treffen,<br />

um eine 900 zu erzielen. Gleichzeitig heißt<br />

es aber, du verlierst, wenn du nur eine Acht<br />

triffst. Und das bei 90 Pfeilen!“, sagte Wieser.<br />

Für manche scheint es einfacher auszusehen,<br />

aber dem Druck muss man auf die Distanz<br />

eben auch erst mal standhalten.<br />

Für einen Rekord sorgten die beiden Recurveschützinnen<br />

Penny Healey (GBR) und<br />

Laura van der Winkel (NED). Beide schossen<br />

als erste Recurvedamen ebenfalls eine<br />

perfekte 900 in der Qualifikationsrunde, das<br />

gab es bei Kings of Archery noch nie.<br />

34 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> WETTKAMPF 1/23


WETTKAMPF<br />

1/23 WETTKAMPF <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 35


WETTKAMPF<br />

Für alle, die sich nicht über die reguläre<br />

Qualifikation für das Finale qualifizieren,<br />

gibt es noch eine Jokerrunde, über die<br />

man einen Platz gewinnen kann. Das Finale<br />

wird wie in Vegas nach dem „last archer<br />

standing“-Prinzip geschossen, der Letzte,<br />

der noch steht, gewinnt.<br />

Wer es nicht nach Eindhoven schafft, kann<br />

die spannenden Finalrunden online live<br />

verfolgen oder nachschauen.<br />

WER ZEIGT NERVEN AUS STAHL?<br />

„Nerves of Steel ist ein Side Event an dem<br />

Wochenende. Wir sind aber nicht wirklich<br />

die Erfinder von einem solchen Format. Ich<br />

habe diese Art des Schießens bereits vor<br />

etwa 15 Jahren in einem Video gesehen“, erläutert<br />

Doldermann.<br />

Nerves of Steel ist eigentlich recht simpel<br />

erklärt: Man schießt einen Pfeil auf eine<br />

Scheibe, die mit einer Stahlplatte bedeckt<br />

ist. In der Mitte dieser Platte befindet sich<br />

ein Loch, die sogenannte „Safe Zone“. Trifft<br />

man diese Zone und damit die weiche<br />

Scheibe, ist man eine Runde weiter. Trifft<br />

man auf Stahl, verfehlt man die Safe Zone<br />

oder geht der Pfeil in irgendeiner Weise kaputt,<br />

ist man raus. Begonnen wird mit der<br />

größten Safe Zone, die einen Durchmesser<br />

von zwölf Zentimetern hat. Nach jeder Runde<br />

wird dieser Durchmesser verkleinert, bis<br />

das Minimum von zwei Zentimetern erreicht<br />

ist. Das Ganze läuft, bis nur noch ein<br />

Schütze übrig ist. Um es in den Worten von<br />

Doldermann zu sagen: „Go big or go home!<br />

Dieses Motto, Nerven aus Stahl zu haben,<br />

steht doch auch für so viel mehr, ob es jetzt<br />

den Bogensport oder das Leben betrifft.<br />

Dass man in aufregenden Zeiten die Nerven<br />

hat, das zu zeigen und zu leben, was man<br />

trainiert hat.“ In diesem Jahr hieß „the last<br />

archer standing“ Christian Gravesen aus<br />

Dänemark. „Für mich war das Turnier eine<br />

Erfahrung, die über vieles hinausgeht, was<br />

ich bisher ausprobiert habe“, erzählt der<br />

Compoundschütze. „Ich kam dort an und<br />

hatte einen Startplatz für Nerves of Steel. Ich<br />

wusste, dass ich es schaffen kann, und mein<br />

Ziel war es, zu gewinnen. Aber ich wollte<br />

vor allem auch mir selbst beweisen, dass<br />

ich mental ruhig bleiben kann, vor allem<br />

in dem Wissen, dass mein Pfeil zerstört sein<br />

wird, sobald ich das Ziel verfehle.“ Und ruhig<br />

blieb er bis zum Schluss. Zuvor scherzte<br />

er noch mit einem Freund darüber, dass er<br />

extra für Nerves of Steel neue Pfeile gekauft<br />

hatte. Ganz nach seinem Motto: „Sie gehen<br />

nur kaputt, wenn man nicht trifft, oder?“<br />

Wer Kings of Archery noch nicht auf seiner<br />

Liste stehen hat, sollte dies ändern und<br />

sich die Chance nicht entgehen lassen. Ob<br />

als Teilnehmer oder Zuschauer, dieses Wochenende<br />

bietet für jeden was! Der Termin<br />

für <strong>2023</strong> steht schon: Vom 10. bis zum 12.<br />

November werden die neuen „Kings of Archery“<br />

gesucht und gekrönt. Und auch den<br />

diesjährigen Nerves of Steel-Gewinner wird<br />

man dann wohl wiedersehen: „Ich werde<br />

nächstes Jahr zurückkommen, und ich<br />

würde wirklich jedem empfehlen, es auch<br />

zu tun und auszuprobieren.“ Wer die Wartezeit<br />

überbrücken will, kann bis dahin auf<br />

den gängigen Streamingplattformen den<br />

Nerves of Steel Podcast anhören. Bisher<br />

gibt es zwar nur zwei Folgen, aber auch hier<br />

können sich Fans auf weitere Fortsetzungen<br />

freuen.<br />

36 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> WETTKAMPF 1/23<br />

Fotos: Dean Alberga


NEWS<br />

GT OPEN IN STRASSEN – LUXEMBURG<br />

Das legendäre GT Open in<br />

Strassen/Luxemburg wurde<br />

vom 18. bis zum 20. November<br />

2022 ausgetragen. Der Indoor-<br />

Wettkampf mit der 18 Meter-<br />

Distanz ist eine Station auf dem<br />

Weg zum großen Finale der<br />

Indoor Archery World Series in<br />

Las Vegas. Geschossen wurden<br />

ausschließlich in den vier Klassen<br />

Recurve Herren und Damen<br />

sowie Compound Herren und<br />

Damen.<br />

222 Athletinnen und Athleten<br />

aus 25 Nationen gingen in<br />

Strassen an den Start. Thomas<br />

Chirault aus Frankreich setzte<br />

sich mit satten 596 Ringen an<br />

die Spitzenposition der Recurve-<br />

Qualifikationsrunde. Zu den Top<br />

3 mit über 590 Ringen zählten<br />

die Recurve-Schützen Steve<br />

Wijler aus den Niederlanden<br />

mit 595 und Sachin Gupta aus<br />

Indien mit 594 Ringen. Chirault<br />

siegte später im Bronzefinale,<br />

Gold holte sich sein Landsmann<br />

Florent Mulot mit 6:0 im Finale<br />

gegen Gupta. Bei den Damen<br />

erreichte Laura van der Winkel<br />

aus den Niederlanden mit 587<br />

Ringen die Spitzenposition der<br />

DIE SIEGER DES GT OPEN<br />

IM ÜBERBLICK<br />

RECURVE HERREN<br />

1. Florent Mulot – Frankreich<br />

2. Sachin Gupta – Indien<br />

3. Thomas Chirault – Frankreich<br />

RECURVE DAMEN<br />

1. Gaby Schloesser – Niederlande<br />

2. Jennifer Devaux – Frankreich<br />

3. Polina Rodionova – Ukraine<br />

COMPOUND HERREN<br />

1. Nicolas Girard – Frankreich<br />

2. Mike Schloesser – Niederlande<br />

3. Robin Jaatma – Estland<br />

COMPOUND DAMEN<br />

1. Ella Gibson – Großbritannien<br />

2. Lisell Jaatma – Estland<br />

3. Tanja Gellenthien – Dänemark<br />

Qualifikation.<br />

Sie<br />

unterlag später im Bronzefinale<br />

mit 3:7 gegen Polina Rodionova<br />

aus der Ukraine. Gaby Schloesser<br />

sicherte sich im Finale mit<br />

7:1 gegen Frankreichs Jennifer<br />

Devaux das Gold der Recurve-<br />

Damen.<br />

Mike Schloesser (Niederlande),<br />

Nicolas Girard (Frankreich)<br />

und Braden Gellenthien (USA)<br />

belegten ringgleich mit 597<br />

Ringen die Top 3-Positionen<br />

der Compounder zum Ende der<br />

Qualifikation. Im Goldfinale<br />

unterlag Mike Schloesser mit<br />

148:150 und überließ das Gold<br />

Nicolas Girard. Bronze sicherte<br />

sich im Goldfinale Robin<br />

Jaatma (Estland), als er nach<br />

149:149 gegen Mathias Fullerton<br />

(Dänemark) seinen Stechpfeil<br />

besser im Zehnerring platzierte.<br />

Vier Damen knackten mit dem<br />

Compound die Grenze von 590<br />

Ringen. Angeführt wurde das<br />

Feld von Tanja Gellenthien aus<br />

Dänemark mit 595 Ringen. Sie<br />

unterlag später im Semifinale,<br />

siegte dann aber im Bronzefinale<br />

mit 146:145 gegen Belgiens<br />

Sarah Priels. Gold sicherte sich<br />

die Zweitplatzierte der Qualifikationsrunde,<br />

Ella Gibson aus<br />

Großbritannien, nach einem<br />

Sieg über Lisell Jaatma (Estland)<br />

mit 147:144 Ringen.<br />

GK / Foto: Dean Alberga / Archivfoto<br />

HEALEY BRICHT DEN 18-METER-WELTREKORD<br />

DER UNTER 18-JÄHRIGEN<br />

Die britische Nummer 24 der<br />

Welt, Penny Healey, hat den<br />

Recurve-Weltrekord der unter<br />

18-Jährigen für die Qualifikationsrunde<br />

auf 18 Meter<br />

gebrochen. Sie erreichte bei den<br />

britischen Hallenmeisterschaften<br />

594 Ringe. Das ist ein Ring<br />

mehr als die bisherige Weltbestleistung<br />

von Casey Kaufhold<br />

aus dem Jahr 2020. „Ich bin<br />

überglücklich. Das war mein<br />

Ziel, seit ich wieder in der Halle<br />

trainiere. Das war auch meine<br />

allerletzte Chance, es zu schaffen”,<br />

sagte Healey. „Ich habe vor<br />

dem Wettkampf mein mentales<br />

Programm geändert, und es hat<br />

einfach funktioniert.” Healey<br />

wurde zur britischen Hallenmeisterin<br />

gekürt.<br />

Die 17-Jährige hatte 2022<br />

ein bahnbrechendes Jahr. Im<br />

Februar gewann sie das Finale<br />

der Indoor Archery World Series<br />

der Erwachsenen. Zwei Monate<br />

später hatte sie beim Saisonauftakt<br />

ihr Debüt beim Hyundai<br />

Archery World Cup. Auf der<br />

dritten Etappe in Paris erreichte<br />

sie erstmals das Final Four und<br />

wurde schließlich Vierte. Healey<br />

hält nun sowohl den Hallen- als<br />

auch den Freiluft-Weltrekord<br />

der Qualifikationsrunde, jeweils<br />

in der Recurve-Kategorie der<br />

unter 18-Jährigen. Im September<br />

schoss sie 687 Ringe mit<br />

72-Pfeilen auf 60-Meter und<br />

übernahm damit den Freiluft-<br />

Rekord von der früheren Inhaberin,<br />

der amtierenden Olympiasiegerin<br />

An San.<br />

<br />

CW / Foto: Archery GB<br />

1/23 NEWS <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 37


MATERIAL<br />

RYNGDYNG<br />

AUTOMATISCHES TREFFER-<br />

AUSWERTUNGSSYSTEM UND NOCH VIEL MEHR<br />

Von Arne Metzlaff<br />

In der heutigen Zeit findet eine immer stärkere<br />

Digitalisierung und Automatisierung statt.<br />

Diese macht auch vor der Trefferauswertung<br />

beim Bogenschießen keinen Halt. Genau hier<br />

kommt nämlich das RyngDyng zum Einsatz.<br />

Es ermöglicht mit Hilfe eines Kamera-<br />

Systems und einem kleinen Computer<br />

die automatische Trefferaufnahme<br />

und auch Analyse der Gruppierung und<br />

bietet darüber hinaus noch einige weitere<br />

Funktionen. Doch wie funktioniert das Ganze,<br />

und welcher Aufwand ist notwendig, um<br />

dieses System nutzen zu können?<br />

Grundsätzlich ist das RyngDyng-System<br />

sehr simpel aufgebaut. Das gesamte System<br />

befindet sich in einem etwa 95 Zentimeter<br />

langen, 25 Zentimeter breiten und zehn<br />

Zentimeter hohen Bogenkoffer, der einigen<br />

sicherlich noch vom Beginn ihrer eigenen<br />

Bogensportkarriere bekannt sein dürfte.<br />

In diesem Koffer sind drei Kameras fest verbaut,<br />

die zur Aufnahme der Scheibe genutzt<br />

werden. Dabei sind die Kameras in einem<br />

festen Winkel angebracht, sodass sie nicht<br />

aus dem Koffer entnommen werden müssen,<br />

sondern der Koffer in einem Abstand<br />

von etwa drei Metern (also dreimal die Länge<br />

des Koffers) vor der Scheibe auf den Boden<br />

gelegt werden kann. Dank der integrierten<br />

Höhenverstellung können die Kameras<br />

sehr leicht auf die jeweilige Scheibenhöhe<br />

ausgerichtet werden.<br />

Das RyngDyng gibt es derzeit in zwei verschiedenen<br />

Ausführungen. Zum einen das<br />

RD600, das mit einem kleinen, mit einer<br />

Powerbank betriebenen Mini-PC ausgestattet<br />

ist. Zum anderen noch das RD720. Dies<br />

ist das umfangreiche System, das mit einem<br />

leistungsstärkeren Computer ausgestattet<br />

ist. Dieser hat jedoch einen höheren Strombedarf,<br />

weswegen zusätzlich eine externe<br />

Stromversorgung benötigt wird.<br />

Neben der Verkabelung der Kameras und<br />

des Computers, die ordentlich unter einer<br />

fest verschraubten Abdeckung geführt wird,<br />

und den nivellierbaren Füßen zur korrekten<br />

Ausrichtung des Systems beinhaltet der Koffer<br />

nicht viel mehr. Tatsächlich befindet sich<br />

sogar noch etwas Stauraum zwischen den<br />

Kameras, um das notwendige Zubehör wie<br />

externe Stromversorgung oder Powerbank<br />

zu verstauen.<br />

Auf den ersten Blick also ein sehr kompaktes<br />

System. Dahinter steckt natürlich eine<br />

ausgeklügelte Software, das eigentliche Auswertungsprogramm,<br />

um mit Hilfe der drei<br />

Kameras die auf der Scheibe aufgetroffenen<br />

Pfeile auswerten zu können. Dabei ist eine<br />

der Kameras zentral im Koffer platziert und<br />

38 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> MATERIAL 1/23


MATERIAL<br />

die anderen beiden jeweils am Rand des<br />

Koffers, sodass aus jeweils drei verschiedenen<br />

Winkeln die Scheibe aufgenommen<br />

wird. Damit kann eine höhere Genauigkeit<br />

in der Erkennung der Treffer erreicht werden.<br />

Dabei ist das ganze System über ein<br />

Smartphone oder Tablet ansprechbar. Mit<br />

Hilfe einer eigens dafür programmierten<br />

Website, die als App auf dem Homescreen<br />

des jeweiligen Gerätes hinterlegt wird, kann<br />

das RyngDyng gesteuert und können auch<br />

die Treffer angezeigt oder andere Funktionen<br />

genutzt werden.<br />

Zum RyngDyng-System gehört ein kleiner<br />

Router, der ein drahtloses Netzwerk aufbaut,<br />

mit dem sich die RyngDyngs verbinden.<br />

Mit diesem Netzwerk muss auch das<br />

Endgerät verbunden werden, das zur Anzeige<br />

der Trefferauswertung genutzt werden<br />

soll. Mittels des drahtlosen Netzwerks können<br />

je nach örtlichen Begebenheiten über<br />

eine längere Distanz „die Treffer“ übertragen<br />

werden. Die Übermittlung erfolgt nahezu<br />

in Echtzeit, abhängig von der Entfernung<br />

zwischen RyngDyng, Router und Endgerät.<br />

Somit kann unmittelbar nach dem Auftreffen<br />

des Pfeils auf der Scheibe bereits die<br />

erreichte Ringzahl angezeigt werden. Dabei<br />

analysiert das RyngDyng die Trefferlage des<br />

Pfeiles und gibt diese in einer 2D-Grafik aus.<br />

Zusätzlich wird der Wert der Treffer der jeweiligen<br />

Passe angezeigt. Hierbei werden<br />

„kritische“ Treffer, die eventuell den höheren<br />

Ring angekratzt haben, mit einem Sternchen<br />

(z.B. 9*) markiert, um zu signalisieren,<br />

dass dieser nicht eindeutig zuzuordnen war.<br />

Neben der grafischen Darstellung der Treffer<br />

ist es ebenfalls möglich, das tatsächliche Kamerabild<br />

anzeigen zu lassen. Diese Anzeige<br />

erfolgt über die eigene RyngDyng-App, über<br />

die auch alle weiteren Funktionen auswählbar<br />

und nutzbar sind.<br />

Die RyngDyng-App kann zwar nicht über<br />

einen App Store heruntergeladen werden,<br />

jedoch über den QR-Code auf dem beiliegenden<br />

Schnelleinrichtungs-Leitfaden über<br />

den Browser geöffnet und anschließend auf<br />

dem Home-Screen des jeweiligen Gerätes<br />

abgespeichert und über diesen Shortcut wie<br />

eine herkömmliche App geöffnet werden.<br />

Darüber hinaus steht auch auf der Ryng-<br />

Dyng-Website immer der aktuelle Link oder<br />

QR-Code zur derzeit verfügbaren App-Version<br />

bereit. Die App dient zur Einrichtung<br />

und Kalibrierung des RyngDyngs und bietet<br />

darüber hinaus noch viele weitere Möglichkeiten.<br />

So geht das RyngDyng System über<br />

die „einfache“ Anzeige der Treffer hinaus und<br />

Der Minicomputer ist leicht<br />

anzuschließen und bleibt während<br />

der Aufnahme, zusammen mit den<br />

Kamaras, im Koffer.<br />

bietet Trainingsmodi sowie die Möglichkeit<br />

des Bogentunings, beispielsweise über die<br />

Walk-Back-Methode.<br />

Dieses System bietet nicht nur für Finals bei<br />

Turnieren eine tolle Möglichkeit, sondern<br />

es kann auch ohne großen Aufwand bei jedem<br />

Training genutzt werden. Insbesondere<br />

bei Verwendung einer Powerbank für die<br />

Stromversorgung des Mini-PCs im Ryng-<br />

Dyng und des Routers. Somit ist keine externe<br />

Stromquelle erforderlich, und das System<br />

ist sehr mobil und variabel einsetzbar.<br />

Bei einem Standortwechsel muss lediglich<br />

die Kalibrierung der Scheibe neu durchgeführt<br />

werden.<br />

Bereits nach wenigen Schritten ist das System<br />

einsatzbereit, und die Einrichtung erfolgt mit<br />

Hilfe der App. Der Koffer muss drei Meter von<br />

der Zielscheibe entfernt auf dem Boden positioniert<br />

werden. Zur Vermessung des richtigen<br />

Abstandes des RyngDyngs zur Scheibe<br />

Beide angebotenen Systeme befinden sich<br />

jeweils in einem Bogenkoffer.<br />

Minicomputer<br />

Kamera<br />

kann der Koffer selbst genutzt werden, da<br />

der Abstand zur Scheibe etwa dreimal die<br />

Kofferlänge beträgt. Bei der Positionierung<br />

sollte auf eine waagerechte Lage des Koffers<br />

geachtet werden, die mit Hilfe der eingebauten<br />

Füße im RyngDyng-Koffer einstellbar ist.<br />

Für die Einrichtung benötigt sowohl das<br />

RyngDyng als auch der Router Strom. Nachdem<br />

eine Stromversorgung aufgebaut wurde,<br />

stellt der Router automatisch ein WLAN bereit.<br />

Der Router muss nicht an eine Internetverbindung<br />

angeschlossen werden, sondern<br />

dient nur der Übertragung der Daten. Sollte<br />

jedoch ein Update durchgeführt werden, benötigt<br />

das System eine Internetverbindung,<br />

indem der Router per Ethernetkabel an ein<br />

vorhandenes Netzwerk angeschlossen wird.<br />

Das WLAN ist bereits vorkonfiguriert. Dies<br />

erleichtert die spätere Verbindung der RyngDyngs<br />

mit dem mobilen Endgerät (z.B. Tablet).<br />

1/23 MATERIAL <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 39


MATERIAL<br />

Nachdem der Router und das RyngDyng mit<br />

Strom versorgt wurden, kann eine WLAN-<br />

Verbindung zwischen Router und mobilem<br />

Endgerät hergestellt werden. Anschließend<br />

kann nach dem Starten der RyngDyng-App<br />

in dieser ganz einfach eine Verbindung zu<br />

den verfügbaren Geräten hergestellt werden.<br />

Nachdem diese Verbindung aufgebaut<br />

wurde, muss das RyngDyng noch konfiguriert<br />

werden. Hierfür wählt man die verwendete<br />

Scheibengröße aus und führt eine<br />

sogenannte Schachbrettkalibrierung mit<br />

Hilfe der mitgelieferten „Kalibrierungstafeln“<br />

durch. Im Anschluss an diese Kalibrierung<br />

ist das RyngDyng einsatzbereit.<br />

Nun kann der gewünschte Modus ausgewählt<br />

werden, in dem das RyngDyng genutzt<br />

werden soll. Hier stehen verschiedene<br />

Möglichkeiten bereit. Von dem reinen Zählen<br />

der Treffer mit Auswertung der Pfeilgruppierung<br />

über die Aufnahme der Position<br />

der Treffer bis hin zu verschiedenen<br />

Tuning-Möglichkeiten. Je nach Methode<br />

muss eine weitere „Kalibrierung“ durchgeführt<br />

werden. Genauer gesagt ist es notwendig,<br />

dass die verwendete Scheibe oder<br />

Auflage erkannt wird, damit die Trefferlage<br />

ausgewertet werden kann. Dies geschieht<br />

dabei mit Hilfe der ebenfalls automatisch<br />

durchlaufenden Scheibenerkennung.<br />

Besonders gut gelungen ist die Zusammenfassung<br />

der Trefferlage innerhalb aller Passen<br />

oder nur bestimmten ausgewählten<br />

Passen. Dies ermöglicht eine sehr genaue<br />

Analyse der Treffer und auch Verschiebung<br />

der Trefferlage über mehrere Passen hinweg.<br />

Dies kann zum Beispiel sehr gut genutzt<br />

werden, um im Training verschiedene Einstellungen<br />

des Bogens miteinander zu vergleichen.<br />

Grundsätzlich sind die gebotenen Möglichkeiten<br />

sehr umfangreich und können einen<br />

großen Mehrwert bieten. Jedoch ist die<br />

Mit diesen Tafeln führt man eine Schachbrettkalibrierung durch.<br />

Einrichtung je nach örtlicher Begebenheit<br />

nicht ohne weiteres möglich. Während der<br />

anfänglichen Tests war das Herstellen einer<br />

Verbindung zwischen dem WLAN und<br />

den RyngDyngs fehlerbehaftet und teilweise<br />

nicht möglich. Dies wurde jedoch dank<br />

einer neuen Software-Version für die RyngDyngs<br />

behoben und funktionierte nach<br />

dem Update absolut problemlos.<br />

Als weitere Schwierigkeit erwies sich die<br />

automatische Auflagenerkennung. So muss<br />

insbesondere bei der Verwendung im Inneren<br />

wie beispielsweise einer Sporthalle auf<br />

ausreichend Beleuchtung geachtet werden.<br />

Auch kommt es teilweise beim Ziehen der<br />

Pfeile, zum Beispiel durch eine Hand, welche<br />

die Scheibenauflage berührte, zu falsch<br />

erkannten Treffern, wenn die automatische<br />

Erkennung von Personen nicht korrekt<br />

funktionierte. Hierbei fällt auf, dass insbesondere<br />

der Modus der schnellen Treffererkennung<br />

insgesamt fehleranfälliger ist. Zum<br />

einen treten hierbei die bereits erwähnten<br />

„Geistertreffer“ beim Ziehen der Pfeile auf,<br />

Zum RyngDyng-System gehört ein kleiner Router.<br />

zum anderen eine ungenauere Analyse der<br />

Position des erkannten Pfeils oder Treffers.<br />

Die Genauigkeit kann hier deutlich erhöht<br />

werden, wenn nicht der schnelle Modus verwendet<br />

wird. Sollte es trotzdem einmal zu<br />

einer fehlerhaften Erkennung von Treffern<br />

gekommen sein, kann dies manuell in der<br />

RyngDyng-App sehr einfach korrigiert werden,<br />

da die falsch erkannten Treffer einzeln<br />

löschbar sind. Auch im Falle, dass einmal ein<br />

erkannter Pfeilwert nicht korrekt ist, kann<br />

dieser im Nachhinein leicht korrigiert werden.<br />

Hierbei ist jedoch schade, dass nicht die<br />

exakte Position des Pfeils beibehalten wird<br />

oder korrigiert werden kann, sondern nur<br />

der Wert des Pfeils korrigiert wird. Dadurch<br />

verschiebt sich jedoch die erkannte Trefferlage<br />

und stimmt nicht mehr mit der tatsächlichen<br />

Position überein. Hier wäre eine individuelle<br />

Möglichkeit zur Verschiebung des<br />

Treffers hilfreich, damit die korrekte Position<br />

aller Treffer erhalten bleibt. Auch reagiert<br />

das System teilweise empfindlich, wenn mal<br />

auf dem Weg von der oder zur Scheibe ein<br />

Schütze leicht gegen den Koffer stößt und<br />

das RyngDyng dabei verschoben wird. Dies<br />

kann im schlimmsten Fall zur Folge haben,<br />

dass die vorher durchgeführte Kalibrierung<br />

nicht mehr wirksam ist, die Auflagen nicht<br />

mehr erkannt werden und somit keine Trefferaufnahme<br />

mehr möglich ist.<br />

Das „einfache“ System mit dem Mini-PC<br />

kann nur für die Auswertung einer Scheibe<br />

mit bis zu zwei Auflagen auf einer Scheibe<br />

genutzt werden. Das umfangreichere System<br />

kann bis zu vier Auflagen auf einer<br />

Scheibe erkennen sowie bei der Verwendung<br />

eines Routers untereinander mit 250<br />

40 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> MATERIAL 1/23


MATERIAL<br />

anderen RyngDyngs gekoppelt werden. Viel<br />

mehr ist die maximale Anzahl an Geräten<br />

im WLAN auf 249 Geräte, egal ob RyngDyng<br />

oder Endgerät zur Anzeige der Treffer, beschränkt.<br />

Mit Hilfe einer sogenannten Management-Software<br />

kann auch eine größere<br />

Anzahl an Geräten miteinander vernetzt<br />

werden. Somit wäre es möglich, 249 Scheiben<br />

parallel auszuwerten, mit der Management-Software<br />

sogar eine beliebige Anzahl<br />

an Scheiben. Dies ermöglicht beispielsweise<br />

die Nutzung des RyngDyngs-Systems, um<br />

einen kompletten Wettkampf auszuwerten,<br />

und liefert eine automatisch erstellte Ergebnisliste.<br />

INFO<br />

• 2 Varianten (RD600 und RD720)<br />

Größe beider System ca. 95 x 25 x 10 cm<br />

Selbe App<br />

• 3 Kameras<br />

• 1 Computer (verschiedene Ausführung, ob RD600<br />

oder RD720)<br />

• WLAN-Router (Autark mit Powerbank)<br />

• Kalibrierungstafeln notwendig<br />

• Start-Kit enthält neben RD600 bzw. RD720:<br />

-Kalibrierungstafeln (Schachbrett-Tafeln)<br />

- WLAN-Router<br />

- USB-C Netzteil bzw. Computer-Netzteil<br />

- benötigte Kabel<br />

- Sonnenblenden für die Kameras<br />

• RD600 (Mini-PC, kann autark<br />

mit Powerbank verwendet werden)<br />

- 2 Auflagen auswertbar<br />

- Preis Starter-Kit 1.161 €<br />

• RD720 (benötigt externe Stromversorgung)<br />

- 4 Auflagen auswertbar<br />

- Kopplung über einen Router mit bis zu 249<br />

anderen RyngDyngs (mit zusätzlicher Software<br />

noch erweiterbar)<br />

- Preis Starter-Kit 2.178 €<br />

Die Powerbank ist nicht im Lieferumfang enthalten.<br />

Während der Tests wurde eine Powerbank mit<br />

einer Kapazität von 15.600 mAh verwendet. Über<br />

die Powerbank wurden sowohl der Mini-PC des<br />

RyngDyngs als auch der WLAN-Router für mehrere<br />

Stunden betrieben.<br />

Mit der App kann das System leicht eingerichtet und die Schüsse analysiert werden.<br />

Besonders interessant ist das System auch<br />

für die Verwendung während eines Finals.<br />

Hierbei können unmittelbar nach dem<br />

Schuss bereits der Treffer und der dazugehörige<br />

Pfeilwert angezeigt werden. Dies kann<br />

über Monitore/Leinwände vor Ort präsentiert<br />

oder für einen möglichen Livestream<br />

online verwendet werden.<br />

Der Preis für das RD600 liegt derzeit bei 1125<br />

Euro und der für das RD720 bei 2151 Euro,<br />

als Starter-Kit Variante bei 1161 und 2178<br />

Euro. Natürlich sind die RyngDyngs damit<br />

nicht gerade ein Schnäppchen. Aber wenn<br />

man bedenkt, welche Funktionen geboten<br />

werden, und dies in einer sehr kleinen Bauform<br />

und unter Berücksichtigung des Entwicklungsaufwands<br />

für die App und des gesamten<br />

Systems, scheint dies durchaus ein<br />

gerechtfertigter Preis zu sein.<br />

Weitere Verbesserungen (Updates) des Systems<br />

werden im Laufe der Zeit immer wieder<br />

veröffentlicht werden, durch eine neue Version<br />

der App, aber insbesondere durch neue<br />

Firmware-Versionen für die RyngDyngs<br />

selbst. Somit sollten einige der Kinderkrankheiten<br />

im Laufe der Zeit ausgebessert und<br />

die Nutzbarkeit und insbesondere auch die<br />

Bedienerfreundlichkeit verbessert werden.<br />

Das notwendige Zubehör, das im Lieferumfang<br />

enthalten ist, kann im Nachhinein<br />

auch einzeln als Ersatzteil über den Online-<br />

Shop erworben werden.<br />

Die RyngDyngs sind ein spannendes System,<br />

das tatsächlich die Digitalisierung<br />

im Bogensport vorantreiben könnte und<br />

sicherlich, sobald die Fehleranfälligkeit<br />

reduziert ist, in der Zukunft noch auf sich<br />

aufmerksam machen wird. Bereits in der<br />

Vergangenheit wurde das RyngDyng-<br />

System bei Wettkämpfen eingesetzt. So<br />

verwendete der deutsche Schützenbund<br />

die RyngDyngs für die Live-Erfassung der<br />

Ergebnisse beim letztjährigen Bundesliga-<br />

Finale in Wiesbaden. Auch von der World<br />

Archery wurden die RyngDyngs auf internationalen<br />

Wettkämpfen wie den Welt<br />

Cups erfolgreich eingesetzt. Hierbei lösten<br />

die RyngDyng das vorher verwendete Falcon-Eye<br />

ab.<br />

Insbesondere im Vergleich mit diesem System,<br />

das auf die Scheiben aufgesetzt werden<br />

musste, fällt die sehr kompakte Bauweise<br />

der RyngDyngs auf. Dies ist definitiv ein<br />

Alleinstellungsmerkmal, und kombiniert<br />

mit der einfachen Handhabung über eine<br />

eigene App ist es eine sehr gelungene Idee.<br />

1/23 MATERIAL <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 41


HISTORY<br />

KOMPOSITBÖGEN<br />

WUNDERWERKE AUS HORN,<br />

HOLZ UND SEHNE<br />

Von Jan H. Sachers<br />

Kompositbögen wurden im Lauf der Geschichte<br />

in einer faszinierenden Vielfalt unterschiedlicher<br />

Formen und Größen gebaut und verwendet.<br />

Doch alle hatten eines gemeinsam: Statt aus<br />

einem einzigen Stück Holz (self bows) oder<br />

Laminaten aus „mehreren Lagen von im Wesentlichen<br />

gleichartigen Materialien“ (laminated<br />

bows) waren sie aus „drei oder mehr Lagen<br />

unterschiedlicher Materialien zusammengesetzt“,<br />

so die klassische Definition von W.F.<br />

Paterson in der „Encyclopedia of Archery“ (1984,<br />

Übers. d. Verf.). Die Kombination verschiedener<br />

natürlicher Materialien mit unterschiedlichen<br />

Eigenschaften bringt beim Bau möglichst effizienter<br />

Bögen viele Vorteile.<br />

Kompositbögen existieren in allen Formen und Größen. Von oben nach unten: Koreanisch, nordindisch, osmanisch,<br />

mandschurisch (Sehnenbrücken fehlen). Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Peter Dekker/Mandarin Mansion<br />

Bei einem Bogen handelt es sich mechanisch<br />

betrachtet um eine Feder.<br />

Wird die Sehne gespannt, entsteht<br />

auf der Außenseite, dem Bogenrücken, eine<br />

Zugbelastung, während die Innenseite, der<br />

Bogenbauch, unter Druck gerät. Naturmaterialien<br />

wie Holz können nur eine gewisse,<br />

sehr begrenzte Menge an solchem physischem<br />

Stress absorbieren, bevor sie versagen<br />

und brechen oder reißen. Um einen längeren<br />

Auszug zu ermöglichen, muss daher<br />

auch der Bogen entsprechend länger gebaut<br />

werden. Das Zuggewicht ist im Wesentlichen<br />

vom Umfang des Bogenstabs und den<br />

individuellen Eigenschaften des verwendeten<br />

Holzes abhängig, und es steigt während<br />

des Auszugs in einer Kurve mehr oder weniger<br />

stetig an, bis der Punkt erreicht ist, an<br />

dem sich der Bogen nicht weiter krümmen<br />

lässt und reißt oder bricht.<br />

MECHANISCHE VORTEILE<br />

Aufgrund ihrer Konstruktion und Gestalt<br />

gelten diese Beschränkungen nicht in gleichem<br />

Maße für Bögen in Kompositbauweise.<br />

Im Allgemeinen besteht ihr Bauch<br />

aus einer Schicht Horn, vorwiegend von<br />

Ibex (Steinbock) oder Wasserbüffel, das<br />

besonders druckresistent ist. Der Rücken<br />

hingegen ist mit mehreren Schichten Rücken-<br />

oder Beinsehne verschiedener Tiere<br />

bedeckt, die wiederum sehr gut auf Zugbelastung<br />

reagieren.<br />

Bauch und Rücken werden auf einen meist<br />

mehrteiligen Holzkern geleimt, der dem<br />

Bogen Form und Stabilität verleiht. Kompositbögen<br />

wurden in der Regel reflex gebaut,<br />

das heißt, in ungespanntem Zustand zeigen<br />

die Tips vom Schützen weg. Während der<br />

Trocknung des Leims zieht sich die Sehne<br />

auf dem Bogenrücken zusammen, was so<br />

weit führen kann, dass sich die Tips berühren<br />

oder sogar überlappen, der ungespannte<br />

Bogen also fast einen Kreis bildet. Physikalisch<br />

handelt es sich um eine vorgespannte<br />

Feder, was bedeutet, dass eine gewisse Kraft<br />

und besondere Technik erforderlich sind,<br />

um den Bogen überhaupt aufzuspannen.<br />

Als Klebstoff wurde meist Fischleim verwendet,<br />

der sehr langsam trocknet, so dass<br />

der gesamte Herstellungsprozess oftmals<br />

länger als ein oder gar zwei Jahre benötigte,<br />

was Kompositbögen zu teuren und hoch<br />

geschätzten Waffen machte. Andererseits<br />

waren sie aber auch sehr empfindlich und<br />

mussten vor dem Aufspannen erwärmt<br />

werden, neigten zu Verdrehung der Wurfarme,<br />

was vor dem Schießen zuerst korrigiert<br />

werden musste, und sollten am besten<br />

bei gemäßigter Temperatur und konstanter<br />

Luftfeuchtigkeit gelagert werden.<br />

42 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> HISTORY 1/23


HISTORY<br />

Dank der Kombination zug- und druckresistenter<br />

Materialien und der gekrümmten<br />

Form konnten Kompositbögen kürzer gebaut<br />

werden als Holzbögen, aber dennoch<br />

über die gleiche oder auch höhere Kraft<br />

verfügen. Ihre mechanischen Eigenschaften<br />

unterscheiden sich allerdings<br />

erheblich: Ein Kompositbogen befindet<br />

sich im aufgespannten Zustand bereits<br />

unter erheblicher Vorspannung, so dass<br />

sein Zuggewicht anfänglich höher ist als<br />

bei einem geraden Stabbogen. Beim Auszug<br />

biegen sich nur relativ kurze Bereiche<br />

der Wurfarme, während die reflexen Wurfarmenden<br />

wie Hebel funktionieren und die<br />

Kraft, die zum Ziehen der Sehne erforderlich<br />

ist, reduzieren.<br />

Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn<br />

die Wurfarmenden steif sind und in einem<br />

scharfen Winkel vom Schützen weg zeigen,<br />

wofür sich die arabische Bezeichnung siyahs<br />

etabliert hat. In diesem Fall liegt die Sehne<br />

des aufgespannten Bogens zunächst auf so<br />

genannten Brücken am Knick des Winkels,<br />

dem Knie. Zu Beginn des Auszugs muss der<br />

Schütze den hohen Zugwiderstand überwinden,<br />

der durch die effektiv verkürzte Sehne<br />

entsteht. Doch sobald diese von den Brücken<br />

abhebt, wird die erforderliche Kraft durch die<br />

einsetzende Hebelwirkung spürbar reduziert.<br />

Dieser als let-off bekannte Effekt kommt<br />

auch bei Compound-Bögen zum Tragen, wo<br />

er durch exzentrische Rollen erzeugt wird<br />

(vgl. BSM 2/22, S. 6-9).<br />

Um sie vor Feuchtigkeit zu schützen, waren<br />

Kompositbögen für gewöhnlich mit Birkenrinde,<br />

Rohhaut oder dünnem Leder überzogen,<br />

mitunter zusätzlich mit einer Lackschicht<br />

versehen und nicht selten aufwändig<br />

dekoriert. Dass sie in feuchtem oder kaltem<br />

Klima nicht funktionieren, ist ein Mythos,<br />

der schon durch die Tatsache widerlegt wird,<br />

dass Kompositbögen in praktisch ganz Asien<br />

und Europa unter jeglichen Wetter- und<br />

Klimabedingungen sehr erfolgreich genutzt<br />

wurden und auch europäische Armbruste im<br />

Spätmittelalter oftmals mit Bögen in Kompositbauweise<br />

mit Horn und Sehne ausgestattet<br />

waren.<br />

Ein Skythe bespannt seinen Kompositbogen. Bronzevase<br />

aus dem Kurgan Kul-Oba auf der Krim (4. Jh. v.u.Z.).<br />

St. Petersburg, Eremitage.<br />

BÖGEN IN ALLEN FORMEN UND GRÖSSEN<br />

Kompositbögen werden heute in erster<br />

Linie mit Reiternomaden aus der Eurasischen<br />

Steppe und dem Einsatz zu Pferde<br />

in Verbindung gebracht. Es lässt sich nicht<br />

mit Sicherheit sagen, wann, wo, von wem<br />

oder gar warum die Kompositbauweise zuerst<br />

zur Anwendung kam. War ein Mangel<br />

an geeignetem Bogenholz der Grund? Oder<br />

eher der Wunsch nach einem kurzen aber<br />

zugstarken Bogen, der von berittenen Schützen<br />

problemlos genutzt werden konnte?<br />

Sehr wahrscheinlich führten Experimente<br />

mit verschiedenen natürlichen Materialien<br />

zunächst zur Entdeckung sehnenbelegter<br />

Holzbögen, wie sich auch von amerikanischen<br />

Ureinwohnern und aus anderen Kulturräumen<br />

bekannt sind. Später wurde dann<br />

wohl die Hornschicht hinzugefügt, um die<br />

Zugkraft zu erhöhen.<br />

Die ältesten bekannten Kompositbögen<br />

werden der Völkergruppe der Skythen zugeschrieben<br />

und sind von besonderer Art. Vor<br />

allem in der griechischen Kunst wurden sie<br />

häufig dargestellt, lange Zeit aber eher als<br />

Phantasieprodukte denn als funktionierende<br />

Waffen angesehen. Erst die Entdeckung bis<br />

zu 3000 Jahre alter, gut erhaltener Exemplare<br />

in Xinjiang im Nordwesten Chinas, deren<br />

sorgfältige Untersuchung durch Experten<br />

wie Stephen Selby und Nachbauten durch<br />

Jack Farrell, Adam Karpowicz und andere erfahrene<br />

Bogenbauer brachten den Nachweis,<br />

dass es sich um funktionale und überaus effektive<br />

Bögen handelte.<br />

In jedem Wurfarm befindet sich ein durchgehender,<br />

stehend verleimter Streifen<br />

Ibexhorn, der diesen Bögen ihre typische<br />

Form verleiht. Links und rechts davon<br />

sind mehrere Stücke Holz miteinander<br />

verspleißt, mit mehreren Sehnenschichten<br />

am Rücken und zudem komplett mit Sehne<br />

und Birkenrinde umwickelt. Der Querschnitt<br />

ist dreieckig oder diamantförmig,<br />

wobei die breitere Basis zum Bogenrücken<br />

zeigt. Die steifen Tips sind vom Schützen weg<br />

gekrümmt, und die Sehne verläuft auf ihrer<br />

Bauchseite in einer Kerbe.<br />

Von dieser frühen skythischen Form sehr<br />

verschieden sind die Bögen, die der hunnischen<br />

Völkergruppe zugerechnet werden.<br />

Da es sich bei Horn, Holz und Sehne um<br />

natürliche und damit vergängliche Materialien<br />

handelt, konnten sich archäologische<br />

Überreste früher Kompositbögen nur unter<br />

außergewöhnlichen Bedingungen erhalten.<br />

Bei jenen der hunnischen und später der magyarischen<br />

Formen waren jedoch die Seiten<br />

und manchmal auch die Bauchseiten der siyahs<br />

sowie der Griffbereich durch speziell geformte<br />

Beinplatten verstärkt. Diese wurden<br />

in recht ansehnlicher Zahl überwiegend in<br />

antiken und frühmittelalterlichen Gräbern<br />

geborgen und beweisen, dass solche Bögen<br />

über viele Jahrhunderte in weiten Teilen Europas,<br />

Zentralasiens und dem Nahen Osten<br />

in Gebrauch blieben.<br />

Die Hunnenbögen waren nicht die effizientesten,<br />

aber dafür robust, zuverlässig und<br />

dank ihrer vergleichsweise großen Bauart<br />

einfach zu benutzen. Noch größer waren die<br />

Bögen der Mandschu, die von 1644 bis 1912<br />

über China herrschten. Sie hatten breite<br />

Wurfarme, lange, steife siyahs und Sehnenbrücken<br />

aus Horn, Geweih oder Holz und<br />

waren darauf ausgelegt, lange, schwere Pfeile<br />

mit extrem langer Befiederung zu schießen.<br />

Die heutigen Bögen der Mongolen sind etwas<br />

kleinere Nachfahren dieser Bauform,<br />

wohingegen die Bögen der Heere Dschingis<br />

Khans kürzer waren und über breite Wurfarme,<br />

lange gekrümmte siyahs und einen aus-<br />

Darstellung eines skythischen Bogenschützen auf einer<br />

griechischen Tonvase (6. Jh. v.u.Z.). London, British Museum,<br />

GR 1837.6-9.59.<br />

1/23 HISTORY <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 43


HISTORY<br />

Die seit dem 18. Jahrhundert verwendeten mongolischen<br />

Bögen sind leicht verkleinerte Nachfahren der Mandschu-<br />

Bögen.<br />

Der türkische Bogenbauer Cem Dönmez zeigt einen seiner<br />

in Arbeit befindlichen exquisiten Weitschussbögen.<br />

Die kurze Bauweise der türkischen und anderer Kompositbögen machen<br />

sie ideal für den Gebrauch zu Pferde. Fotos: Jan H. Sachers<br />

44 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> HISTORY 1/23


HISTORY<br />

Skizzen eines osmanischen Bogens von Sir Ralph Payne-Gallwey.<br />

Querschnitte eines osmanischen Bogens.<br />

Skizzen von Sir Ralph Payne.Gallwey.<br />

geprägten Kamm (kasan) zur Verstärkung<br />

zwischen den steifen Tips und dem arbeitenden<br />

Teil der Wurfarme verfügten.<br />

Die koreanischen Bögen zählen zu den kürzesten<br />

Beispielen und sind extrem reflex gebaut,<br />

so dass sich die Tips im ungespannten<br />

Zustand oft berühren oder überlappen. Sie<br />

sind sehr leicht und für extreme Leistung<br />

sowie präzise Schüsse über weite Distanzen<br />

mit leichten Bambuspfeilen optimiert. Durch<br />

die schmalen Wurfarme und den extremen<br />

Reflex neigen sie zum Verdrehen oder Umschlagen<br />

und erfordern sorgfältige Pflege<br />

und Lagerung.<br />

Das gleiche gilt für die nach Ansicht vieler<br />

Experten am höchsten entwickelte Form<br />

des Kompositbogens, den türkischen beziehungsweise<br />

osmanischen Weitschussbogen.<br />

Seine Bezeichnung hilal kuram bedeutet<br />

„Halbmondform“ und bezieht sich auf sein<br />

Erscheinungsbild in ungespanntem Zustand.<br />

Er biegt sich fast ausschließlich in einem<br />

kleinen Bereich der Wurfarme ober- und<br />

unterhalb des charakteristischen vorgesetzten<br />

Griffs, während die siyahs und der lange<br />

kasan dazwischen steif bleiben, was zwar die<br />

mechanische Effizienz erhöht, allerdings auf<br />

Kosten der Stabilität beim Schuss.<br />

Der hilal kuram war für das Weitschießen<br />

mit leichten Spezialpfeilen optimiert. Viele<br />

erhaltene Exemplare können in Museen auf<br />

der ganzen Welt bewundert werden und sind<br />

oft aufwändig dekoriert. Osmanische Bögen<br />

für das Zielschießen und den Krieg waren<br />

hingegen länger, weniger stark gekrümmt<br />

und mit den so genannten krimtartarischen<br />

sowie den breiteren indo-persischen „Krabbenbögen“<br />

verwandt.<br />

Literatur:<br />

DAS VERMÄCHTNIS DES KOMPOSITBOGENS<br />

Im Lauf der Weltgeschichte wurden zahlreiche<br />

weitere Formen von Kompositbögen<br />

entwickelt, wie etwa der assyrische Angularbogen,<br />

der indo-persische Mughal-Bogen, die<br />

Bögen der chinesischen Ming-Dynastie und<br />

so fort. In seinem Buch bietet Mike Loades<br />

einen kompakten Überblick über ihre Entstehung,<br />

Konstruktionsweisen, Eigenschaften<br />

und Verwendung. Sie unterschieden sich in<br />

Größe, Form, mechanischen Eigenschaften<br />

und anderen Details, doch sie funktionierten<br />

alle nach dem gleichen Prinzip, nämlich der<br />

möglichst effizienten Kombination der drei<br />

Materialien Horn, Holz und Sehne.<br />

Wenngleich Kompositbögen charakteristischer<br />

Bestandteil der Bogenkulturen des Nahen,<br />

Mittleren und Fernen Ostens waren und<br />

sind, kamen sie auch im Westen zum Einsatz,<br />

sei es als Beute, Geschenk oder Handelsware,<br />

etwa über die berühmte Seidenstraße durch<br />

Zentralasien. Ihre typischen gekrümmten<br />

Formen sind in mittelalterlichen Buchmalereien<br />

und Kunstwerken der Renaissance<br />

zu entdecken, und archäologische Überreste<br />

stammen zum, Beispiel aus wikingerzeitlichen<br />

Fundkomplexen wie Birka in Schweden.<br />

Im Spätmittelalter übernahmen europäische<br />

Armbrustmacher die Kompositbauweise, um<br />

ihre Waffen mit Bögen auszustatten, die stärker<br />

waren als die früheren Holzbögen, ehe<br />

diese dann wiederum durch Stahlbögen abgelöst<br />

wurden.<br />

Doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die<br />

alte, zeitaufwändige Kunst der Herstellung von<br />

Kompositbögen auf der gesamten Welt praktisch<br />

vollkommen in Vergessenheit geraten.<br />

Historische Aufnahme eines Bogenschützen der Mandschu.<br />

Man beachte die extrem lange Befiederung.<br />

In den 1930er bis 50er-Jahren dürfte Helmut<br />

Mebert aus Stuttgart vielleicht der einzige<br />

Mensch gewesen sein, der noch Bögen aus<br />

Horn, Holz und Sehne herstellte und sogar<br />

ein Patent auf seine vereinfachte Methode<br />

zum Bau von Kompositbögen im osmanischen<br />

Stil erwarb.<br />

Doch sieht man einmal von modernen synthetischen<br />

Materialien wie Aluminium, Glasfaser<br />

und Carbon sowie schnelltrocknenden<br />

Superklebern ab und übergeht die Pistolengriffe,<br />

Schießfenster und Pfeilauflagen, dann<br />

ist der heutige laminierte Recurve nichts<br />

anderes als ein später Nachkomme des Kompositbogens,<br />

der sich noch immer der gleichen<br />

Prinzipien – der kurzen reflexen Form<br />

und der optimalen Kombination geeigneter<br />

Werkstoffe – bedient.<br />

Allerdings finden sich inzwischen auf der<br />

ganzen Welt immer mehr Bogenbauer, die<br />

Kompositbögen in skythischer, türkischer,<br />

mongolischer, koreanischer oder anderer<br />

historischer Bauweise nach den überlieferten<br />

Methoden herstellen. Einige von ihnen<br />

wie Lukas Novotny oder Adam Karpowicz erfreuen<br />

sich bereits internationaler Bekanntheit,<br />

andere gelten noch als Geheimtipp, und<br />

auch in Deutschland entstehen mittlerweile<br />

in so mancher Kellerwerkstatt wahre Wunderwerke<br />

aus nichts anderem als Horn, Holz<br />

und Sehne, mit Fischleim verbunden und<br />

von Rinde, Rohhaut oder Leder umhüllt.<br />

Adam Karpowicz: Osmanische Kompositbogen. Konstruktion & Design, Ludwigshafen …. | Mike Loades: The Composite Bow, Botley 2016 | W.F. Paterson: Encyclopedia of Archery, London 1984.<br />

Ralph Payne-Gallwey: A Treatise in the Construction, Power and Management of Turkish and other Oriental Bows of Mediaeval and Later Times, 1907 | Jan H. Sachers: Der Bogenbauer Helmut Mebert. Ein vergessener<br />

Pionier des Kompositbogens aus Deutschland, in: Traditionell Bogenschießen 104 (Mai 2022), S. 28-37 | Stephen Selby & Adam Karpowicz: Scythian Bow from Xinjang, in: Journal of the Society of Archer-<br />

Antiquaries 53 (2010), pp. 94–103.<br />

1/23 HISTORY <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 45


TRAINING<br />

Foto: Dean Alberga<br />

WARUM DIE MEISTEN<br />

BOGENSCHÜTZEN IN INDIEN<br />

MIT MODERN AUSSEHENDEN<br />

BAMBUSBÖGEN SCHIESSEN<br />

Atanu Das als Jugendlicher in Indien.<br />

Foto: Atanu Das<br />

Von Priyanka Sharma<br />

auf Basis der WA-Berichterstattung<br />

Die Bogenschützen Deepika Kumari und Atanu<br />

Das werden nostalgisch, wenn sie sich an ihre<br />

Anfänge in diesem Sport erinnern.<br />

Die Emotionen sind offensichtlich,<br />

wenn sie über das Schießen mit traditionellen<br />

Bambusbögen und Pfeilen<br />

in einem Format sprechen, das landesweit<br />

als indische Runde bekannt ist.<br />

„Das waren die guten alten Zeiten”, erklärt<br />

der zweifache Olympiateilnehmer Das, der<br />

2006 im Calcutta Archery Club mit diesem<br />

Sport begann. „Das Schießen mit dem Bambusbogen<br />

hat sehr viel Spaß gemacht. Es<br />

war auch knifflig, da sich der Zustand der<br />

Pfeile je nach Wetterlage änderte. Aber ich<br />

habe es genossen, damit zu spielen.”<br />

Die indische Runde ist eine Kombination<br />

aus Ausrüstung und Wettkampfregeln –<br />

die Bogenschützen verwenden Bögen aus<br />

Bambus, die jedoch moderner Ausrüstung<br />

ähneln, mit Stabilisatoren und Visiereinrichtungen,<br />

und schießen in der Regel auf<br />

kürzere Entfernungen. Bei der indischen<br />

Runde für Erwachsene werden zum Beispiel<br />

50 und 30 Meter geschossen.<br />

Das nahm als junger Bogenschütze an zwei<br />

nationalen Meisterschaften in diesem Format<br />

teil, das vom nationalen Verband anerkannt<br />

und geregelt wird, bevor er zu in-<br />

46 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> TRAINING 1/23


Official FITA Target Face – 40 cm<br />

Printed by Krüger - FITA Target License # 10<br />

Serial Number 40-10/12<br />

Schießscheiben<br />

Targets·Cibles·Blancos<br />

Telefon 0 68 31/975-118<br />

www.best-targets.com<br />

40 cm Target Face<br />

110232_Hallenscheibe_425x425_cs5.pdf 1 29.04.15 14:56<br />

Offizielle<br />

Hallenscheibe<br />

Deutscher Feldbogen-Sport-Verband e.V.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Best.-Nr.: 110232<br />

Best.-Nr.: 8016<br />

©<br />

TRAINING<br />

ternationalen Wettbewerben wechselte. Er<br />

schätzt diese Erfahrungen noch immer. Kumari<br />

trainierte fast ein Jahr lang mit einem<br />

Bambusbogen bei der Saraikela-Kharsawan<br />

Archery Association in Jharkhand, einem<br />

Bundesstaat im Osten Indiens. Sowohl<br />

sie als auch Das schrieben sich 2008 an der<br />

Tata Archery Academy in Jamshedpur ein.<br />

„Das Training war immer lustig. Wenn man<br />

zum Beispiel drei Pfeile hat und auf den<br />

inneren gelben Kreis zielt, treffen alle drei<br />

Pfeile in unterschiedlichen Positionen”,<br />

erzählt Kumari, bevor sie die wichtigste<br />

Eigenschaft des traditionellen Bambusbogens<br />

hervorhebt: sein geringes Gewicht.<br />

Das leichtere Zuggewicht hat vielen Bogenschützen<br />

in Indien geholfen, ihre Technik<br />

zu beherrschen.<br />

„Das leichte Gewicht ist ein Faktor, den ich<br />

sehr schätze”, sagt Komalika Bari, eine Jugendweltmeisterin<br />

und internationale Kollegin<br />

von Kumari in den letzten Saisons.<br />

Spitzenschützen aus ganz Indien haben<br />

alle die gleiche Vorliebe für die indische<br />

Runde. Schließlich hat sie die Grundlage<br />

für ihr heutiges Können geliefert.<br />

DER URSPRUNG<br />

Die indische Runde und ihre Bambusbögen<br />

sind erschwinglich und verfügbar und<br />

bilden die Grundlage für aufstrebende<br />

Sportler aus dem ganzen Land. Sie hat den<br />

Sport vor allem für diejenigen zugänglich<br />

gemacht, die aus weniger wohlhabenden<br />

Verhältnissen stammen oder in Stammesgebieten<br />

beheimatet sind.<br />

Der Generalsekretär des indischen Bogensportverbandes,<br />

Pramod Chandurkar, war<br />

einer der Begründer des indischen Bogenschießens,<br />

als es 1989 ins Leben gerufen<br />

wurde. Chandukar sagte, dass die indische<br />

Runde aufgrund ihrer geringen Kosten und<br />

der Schwierigkeiten, die viele Bogenschützen<br />

beim Import von Recurve-Ausrüstung<br />

aus Übersee hatten, zwei wichtigen Zwecken<br />

diente. Sie ermöglichte den Athleten<br />

den Zugang zu Ausrüstung und bewahrte<br />

gleichzeitig einen Teil der langen Geschichte<br />

des Landes mit diesem Sport.<br />

„In den 1980er-Jahren musste die Bogensportausrüstung<br />

aus den USA oder Korea<br />

importiert werden, und die indische Importpolitik<br />

war damals nicht sehr reibungslos.<br />

Die Überführung dauerte Monate, und<br />

die Kosten waren viel zu hoch”, erklärt er.<br />

„Die Spieler hatten unter der langen Wartezeit<br />

zu leiden. Der Grundgedanke bei der<br />

Atanu Das und Deepika Kumari .<br />

Einführung der indischen Runde war, den<br />

Spielern eine kostengünstige und leicht zugängliche<br />

Ausrüstung anzubieten. Die traditionellen<br />

Bambusbögen dienten diesen<br />

Zwecken. Gleichzeitig werden der traditionelle<br />

Sport bewahrt und seine Spieler, die<br />

Bogenschützen der Stammesgebiete des<br />

Landes, gefördert.”<br />

Es war die Lösung für ein Problem, das das<br />

langfristige Wachstum des indischen Bogenschießens<br />

hemmte. „Wir dachten, wenn<br />

der indische Bogensport weiterentwickelt<br />

werden soll, muss dieses Problem bald angegangen<br />

werden”, sagt Chandukar.<br />

Die Runde entstand bei einem Besuch der<br />

Poloplätze in Shillong, Meghalaya, einem<br />

der sieben nordöstlichen Bundesstaaten<br />

Indiens, wo der ehemalige Trainer während<br />

der Ausbildung für die Sportkompanie der<br />

indischen Armee im Rahmen der Sports<br />

Authority of India, die für die Entwicklung<br />

der Elitesportler des Landes zuständig ist,<br />

eingesetzt war.<br />

„Ich wurde Zeuge, wie eine Gruppe von<br />

etwa 20 einheimischen Bogenschützen<br />

Pfeile auf ein kleines Ziel schoss. Sie benutzten<br />

traditionelle Bambusbögen und<br />

-pfeile, und ich war erstaunt über die Flexibilität<br />

und die Menge der Pfeile, die<br />

sie schossen”, erinnert sich Chandurkar.<br />

Foto: Dean Alberga<br />

„Da kam mir die Idee, warum nicht diese<br />

traditionellen Holzbögen an die Bedürfnisse<br />

unserer Spieler anpassen?” Bambus<br />

ist nicht nur billig, sondern hat sich seit<br />

Tausenden von Jahren als effektives – und<br />

flexibles – Material für die Herstellung von<br />

Bögen bewährt.<br />

DIE GESCHICHTE<br />

Die Idee war, die von den Stämmen praktizierte<br />

Herstellung traditioneller Bambusbögen<br />

und -pfeile auf eine modernere<br />

Technik und ein moderneres Design zu<br />

übertragen.<br />

Anzeige<br />

Wettkampf Training Fun<br />

www.krueger-scheiben.de<br />

Beste Qualität und exzellenter Service - Made in Germany<br />

1/23 TRAINING <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 47


TRAINING<br />

Training in der Tata Arcerhy Academy in Indien.<br />

<br />

Jugendturnier: Indische Runde.<br />

Fotos: Purnima Mahato/Tata Archery Academy<br />

Traditionelle Bögen und Pfeile werden in<br />

Indien aus bestimmten Bambusarten hergestellt,<br />

die nur im Nordosten des Landes,<br />

in Bundesstaaten wie Meghalaya und Manipur,<br />

vorkommen. Die besten Bögen, so heißt<br />

es, werden aus dem Bambus geschnitzt, der<br />

in dem tückischen Gelände und den Hügeln<br />

von Manipur zu finden ist. Das Rohmaterial<br />

für die besten Pfeile wiederum wird an den<br />

Koubru-Hängen von Manipur und Meghalaya<br />

gesammelt.<br />

Die Herstellung von Pfeil und Bogen aus<br />

Bambus ist mit einem tiefen kulturellen<br />

Erbe verbunden. Die Meetei-Gemeinschaft<br />

in Manipur ist für ihre Fähigkeiten als Bogenbauer<br />

bekannt, während der Tensubam-Clan<br />

die Kunst des Bogenschießens beherrscht.<br />

Während eine moderne Bogenausrüstung<br />

über 1500 US-Dollar kosten kann, kostet ein<br />

Bambusbogen etwa zwölf Dollar oder 1000<br />

indische Rupien. „Dies diente dem Ziel, den<br />

Sport in ganz Indien zu entwickeln”, sagt<br />

Chandukar. „Außerdem könnte er im Land<br />

hergestellt werden, was sich unsere einheimischen<br />

Bogenschützen leisten könnten.”<br />

1988 oder 1989 wurde ein Vorschlag an den<br />

indischen Bogensportverband geschickt,<br />

um die Idee zu formalisieren. Es dauerte<br />

nicht lange, bis das Konzept ankam. Die<br />

Ausrüstung und die dazugehörigen Wettkampfformate<br />

erhielten bald den patriotischen<br />

Namen, und 1997 feierte die indische<br />

Runde ihr Debüt bei den nationalen Meisterschaften.<br />

Chandukar räumt ein, dass die Genauigkeit<br />

der Bambusbögen nicht mit der von<br />

modernen Geräten mithalten kann. „Aber<br />

sie werden im ganzen Land immer noch<br />

bevorzugt, weil sie eine solide Basis für das<br />

Bogenschießen bieten”, sagt er. „Dank der<br />

indischen Runde konnte der indische Bogensportverband<br />

seine Mission ‚har ghar<br />

archery, har gaon archery’ fördern.” Bogenschießen<br />

in jedem Haus, Bogenschießen in<br />

jedem Dorf.<br />

VERMÄCHTNIS<br />

Der Bogenschützentrainer und internationale<br />

Sportkommentator Pankaj Athawale<br />

handelt seit 2017 mit Bambus-Bogenschießausrüstung<br />

aus Manipur, Rajasthan<br />

und Kolkata für seine TS Academy in Thane,<br />

Maharashtra. Jedes Jahr nimmt er etwa 50<br />

neue Schüler auf, von denen viele bereits<br />

bei Wettbewerben auf Bezirksebene brilliert<br />

haben.<br />

„Fast jeder Bogenschütze im Land beginnt<br />

mit der indischen Runde”, sagt er. „Das Zuggewicht<br />

eines modernen Recurve-Bogens<br />

liegt im Idealfall bei etwa 40 Pfund, während<br />

der indische Rundbogen nur eine<br />

Kraft von 18 bis 20 Pfund erfordert. Ein Bogenschütze<br />

wird mit dem indischen Rundbogen<br />

vertraut, bevor er schließlich zum<br />

Recurve- oder Compoundbogenschießen<br />

wechselt.”<br />

Die Menschen in Indien haben eine starke<br />

kulturelle Verbindung zu diesem Sport,<br />

da er in der Mythologie und der alten Geschichte<br />

weit verbreitet ist. „Bogenschießen<br />

ist ein Sport, den Menschen aus allen<br />

Gesellschaftsschichten erlernen wollen. Ich<br />

habe Schüler und Studenten, Berufstätige<br />

und ältere Menschen, die eher die Fertigkeiten<br />

erlernen als an Wettkämpfen teilnehmen<br />

wollen, und auch solche, die eine<br />

Karriere daraus machen wollen”, sagt Athawale.<br />

Die indische Runde erleichtert die<br />

Teilnahme auf allen Ebenen.<br />

Derzeit gibt es in ganz Indien etwa 30 Hersteller<br />

von Bambusbögen und -pfeilen.<br />

Chandukar besitzt ein Unternehmen zur<br />

Herstellung von Ausrüstung namens Ruth<br />

India, das 2001 gegründet wurde und sich<br />

auf die Ausrüstung spezialisiert hat, die er<br />

vor mehr als 30 Jahren mitentwickelt hat.<br />

Es ist nach Chouba Singh aus Manipur der<br />

zweitälteste Hersteller, der indische Rundbogenausrüstung<br />

verkauft. Chandukar hat<br />

inzwischen nicht nur Käufer aus Indien,<br />

sondern auch aus Übersee. Die Preise für<br />

ein komplettes Set reichen von etwa 60 bis<br />

1200 Dollar. (Auch am oberen Ende der<br />

Preisskala gibt es immer eine Nachfrage.)<br />

Ein einzelner Pfeil kann nur einen Dollar<br />

kosten.<br />

Der Appetit auf große internationale Erfolge<br />

ist in Indien groß. Die Bogenschützen<br />

des Landes stehen seit langem kurz<br />

davor, einen der prestigeträchtigen Titel<br />

in diesem Sport zu gewinnen. Es gibt keine<br />

Abkürzungen zu solchen Ergebnissen,<br />

und sie werden zweifellos kommen. Wenn<br />

dieses entscheidende Ergebnis für das indische<br />

Bogenschießen eintritt – ein Ergebnis,<br />

das Kumaris Sieg bei den Commonwealth<br />

Games 2010 übertrifft – werden der Bambusbogen,<br />

der Bambuspfeil und die indische<br />

Runde eine nicht unwesentliche Rolle<br />

gespielt haben.<br />

Quelle: WA<br />

48 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> TRAINING 1/23


NEWS<br />

WORLD ARCHERY ERKENNT MEXIKANISCHEN <strong>BOGENSPORT</strong>-<br />

VERBAND NICHT MEHR AN<br />

Der mexikanische Bogensportverband<br />

Federacion Mexicana<br />

de Tiro con Arco wird nicht<br />

mehr als nationaler Mitgliedsverband<br />

von World Archery in<br />

Mexiko anerkannt. Dies geht<br />

aus einer offiziellen Mitteilung<br />

an die mexikanische Sportministerin<br />

Ana Gabriela Guevara<br />

und der nationalen Sportkommission<br />

CONADE hervor.<br />

Damit wird auf den Ausgang<br />

eines Gerichtsverfahrens gegen<br />

den ehemaligen Präsidenten<br />

des Verbandes, Efi Sanchez, reagiert,<br />

der wegen Missbrauchs<br />

öffentlicher Gelder zu einer<br />

Haftstrafe verurteilt wurde.<br />

Das Urteil bedeutet, dass der<br />

nationale Verband keine Gelder<br />

mehr von der nationalen<br />

Sportkommission CONADE<br />

erhalten kann, die für die<br />

Entsendung von Mannschaften<br />

zu internationalen Wettkämpfen<br />

verwendet werden, so dass<br />

eine völlig neue Organisation<br />

gegründet werden muss, die<br />

den Grundsätzen einer guten<br />

Verbandsführung entspricht.<br />

World Archery hat empfohlen,<br />

zwei Ausschüsse einzurichten,<br />

um den Sport nach dem<br />

Entzug der Anerkennung des<br />

mexikanischen Verbandes zu<br />

verwalten. Ein Ausschuss, der<br />

sich aus ehemaligen Athleten,<br />

aktuellen technischen Beratern<br />

und einem CONADE-Vertreter<br />

zusammensetzt, soll das Budget<br />

des Ministeriums für die<br />

Nationalmannschaft verwalten,<br />

die Auswahlverfahren durchführen<br />

und die Anmeldungen<br />

zu internationalen Turnieren<br />

verwalten. Das soll die<br />

Teilnahme der mexikanischen<br />

Bogenschützen an wichtigen<br />

Veranstaltungen sicherstellen,<br />

einschließlich der Mitte <strong>2023</strong><br />

beginnenden Kampagne zur<br />

Olympiaqualifikation.<br />

Für die Gründung eines neuen<br />

mexikanischen Bogensportverbands<br />

wird ein Übergangsausschuss<br />

zuständig sein,<br />

dem Vertreter von CONADE,<br />

World Archery, World Archery<br />

Americas, des mexikanischen<br />

Olympischen Komitees und<br />

mexikanische Sportler angehören.<br />

Das Komitee wird eine<br />

Satzung und einen Strategieplan<br />

für die Gründung des<br />

Verbandes ausarbeiten und die<br />

erste Generalversammlung abhalten,<br />

bei der auch die Wahl<br />

der Funktionäre stattfinden<br />

wird. World Archery wird die<br />

Zusammensetzung der beiden<br />

Ausschüsse auf Vorschlag von<br />

CONADE genehmigen.<br />

Mexiko war in den letzten<br />

zehn Jahren eine der erfolgreichsten<br />

Bogensportnationen<br />

und hat seit 2012 drei Medaillen<br />

bei den Olympischen<br />

Spielen gewonnen. Bei den<br />

jüngsten Panamerikanischen<br />

Meisterschaften führte das<br />

Land den Medaillenspiegel an<br />

und gewann sechs der zehn<br />

Titel in Santiago. Das Finale<br />

der Hyundai-Bogensport-<br />

Weltmeisterschaft 2022 wurde<br />

in der mexikanischen Stadt<br />

Tlaxcala ausgetragen.<br />

CW / Foto: Dean Alberga<br />

MANOLO ROMERO VERSTORBEN<br />

Der Präsident von World Archery,<br />

Prof. Dr. Ugur Erdener,<br />

gab nach der Nachricht vom<br />

Tod des Gründers von Olympic<br />

Broadcasting Services, Manolo<br />

Romero, folgende Erklärung<br />

ab: „Mein tiefes Beileid gilt<br />

der Familie zu diesem traurigen<br />

Verlust. Manolo war eine<br />

Schlüsselfigur in der Geschichte<br />

der olympischen Bewegung<br />

und leistete einen wesentlichen<br />

Beitrag zur Entwicklung des<br />

Bogensports im 21. Jahrhundert.<br />

… Sein Fachwissen war<br />

von unschätzbarem Wert für<br />

die Entwicklung der Matchplay-Runde,<br />

und er hinterlässt<br />

ein wichtiges Vermächtnis für<br />

das Übertragungsformat des<br />

Bogensports.”<br />

Romero war der erste Verantwortliche<br />

für die Übertragung<br />

der Olympischen Spiele seit Los<br />

Angeles 1984. Er war bereits<br />

seit 1968 daran beteiligt und<br />

gründete Anfang der 2000er<br />

Jahre zusammen mit dem<br />

Internationalen Olympischen<br />

Komitee die Sendeorganisation<br />

„Olympic Broadcasting Services“<br />

für die Spiele. Ihm wird<br />

die fachliche Beratung bei der<br />

Entwicklung eines zuschauerfreundlichen<br />

Wettbewerbs für<br />

den Bogensport bei den Olympischen<br />

Spielen zugeschrieben,<br />

der bis heute in der Form eines<br />

Kopf-an-Kopf-Formates durchgeführt<br />

wird.<br />

CW<br />

1/23 NEWS <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 49


MATERIAL/TRAINING<br />

INNOVATION ODER<br />

MANIPULATION?<br />

DER PLACEBO-<br />

EFFEKT IM SPORT<br />

DIE MACHT UNSERER GEDANKEN!<br />

Von Markus Wagner<br />

PLACEBO –<br />

Diesen Begriff kennen wir in erster Linie aus der<br />

Medizin. Hier wird zum Beispiel ein Medikament<br />

oder eine Therapie ohne Arznei- oder Wirkstoffe<br />

verabreicht, es kommt aber dennoch zu einer<br />

psychischen oder körperlichen Reaktion.<br />

Neben Medikamenten werden auch<br />

Behandlungen wie Scheinoperationen<br />

an Patienten durchgeführt, die<br />

dann eine lindernde oder gar heilende Wirkung<br />

haben. In Medikamenten-studien zur<br />

Erprobung ihrer Wirkung wird in der Regel<br />

immer auch mit Placebos gearbeitet. In sogenannten<br />

Blindstudien, bei denen der Patient<br />

nicht weiß, ob er nun das Medikament bekommt,<br />

welches den Wirkstoff enthält oder<br />

nicht. Daneben gibt es noch die Doppelblindstudien,<br />

bei denen auch der Arzt selbst nicht<br />

weiß, was er da nun gerade verabreicht. Somit<br />

wird sichergestellt, dass die Ergebnisse<br />

durch keinerlei andere Umstände als das Medikament<br />

selbst beeinflusst werden.<br />

Der Placebo-Effekt wurde erstmals im 18.<br />

Jahrhundert von dem italienischen Arzt und<br />

Wissenschaftler Benito Mendoza beschrieben,<br />

der beobachtete, dass Patienten, die ein<br />

Placebo erhielten, ähnliche Verbesserungen<br />

der Symptome zeigten wie diejenigen, die ein<br />

wirksames Medikament erhielten. Seitdem<br />

haben viele Studien gezeigt, dass der Placebo-Effekt<br />

bei vielen verschiedenen Arten von<br />

Erkrankungen auftreten kann, einschließlich<br />

Schmerzen, Depressionen und Angstzuständen.<br />

Der Placebo-Effekt wird oft als „innovative”<br />

Behandlungsmethode angesehen, da er darauf<br />

beruht, dass unser Gehirn die Symptome<br />

verbessern kann, indem es die eigene Körperchemie<br />

verändert, die auf den Erwartungen<br />

und Gedanken des Menschen basieren.<br />

Einige Studien haben gezeigt, dass bestimmte<br />

Hormone und Neurotransmitter, die von<br />

unserem Gehirn produziert werden, bei der<br />

Auslösung des Placebo-Effekts eine Rolle<br />

50 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> MATERIAL/TRAINING 1/23


MATERIAL/TRAINING<br />

Anzeige<br />

spielen können. Zum Beispiel wurde beobachtet,<br />

dass der Placebo-Effekt in manchen<br />

Fällen durch die Freisetzung von Endorphinen,<br />

den körpereigenen Schmerzstillern,<br />

ausgelöst wird. Andere Studien haben gezeigt,<br />

dass während der Placebo-Behandlung<br />

Veränderungen in der Aktivität bestimmter<br />

Gehirnareale auftreten können, die möglicherweise<br />

für den Placebo-Effekt verantwortlich<br />

sind.<br />

Es ist wichtig zu beachten, dass der Placebo-<br />

Effekt ein komplexes Phänomen ist und dass<br />

es noch viel zu lernen gibt, um genau zu<br />

verstehen, wie es die Körperchemie verändert.<br />

Es wird jedoch immer deutlicher, dass<br />

der Placebo-Effekt eine wichtige Rolle bei<br />

der Veränderung von Symptomen und dem<br />

Verständnis von Erkrankungen spielen kann<br />

und dass er weiter untersucht werden sollte.<br />

Einige Menschen glauben, dass der Placebo-<br />

Effekt ein Beispiel dafür ist, wie mächtig unser<br />

Gehirn ist und wie es uns dazu bringen<br />

kann, Dinge zu glauben, die nicht wahr sind.<br />

Andere sehen den Placebo-Effekt jedoch als<br />

Form der Manipulation an, da er darauf beruht,<br />

dass Menschen dazu gebracht werden,<br />

etwas zu glauben, das nicht der Wahrheit<br />

entspricht. Kritiker argumentieren, dass der<br />

Placebo-Effekt zwar kurzfristig Symptome<br />

verbessern kann, aber keine dauerhafte Heilung<br />

bietet, und dass er möglicherweise sogar<br />

schädlich sein kann, wenn er dazu führt, dass<br />

Menschen wirksame Behandlungen ablehnen.<br />

Nun kommt hier sicher die Frage:<br />

„Was hat das mit unserem Sport zu tun?“<br />

Vorab muss ich dazu sagen, dass es hier nicht<br />

um Medikamente geht, die eventuell die<br />

Leistungsfähigkeit steigern. Es geht nicht um<br />

Doping. Es geht um unser Material und auch<br />

um Trainingsmethoden.<br />

Im Januar <strong>2023</strong> findet wieder die alljährliche<br />

ATA (Archery Trade Association) Bogensportmesse<br />

in Indianapolis (USA) statt. Es ist<br />

die größte Messe rund um den Bogensport<br />

weltweit. Alle namhaften Hersteller dieser<br />

Welt stellen dort ihre neuen Produkte vor, die<br />

sie selbst oft als innovativ bezeichnen. Viele<br />

dieser Produkte wurden bereits vor Wochen<br />

auf den Internetseiten der Hersteller und in<br />

den sozialen Medien beworben und liegen<br />

zum Teil schon bei unseren deutschen Händlern.<br />

Neue Wurfarme, die einen noch besseren<br />

Aufbau haben, damit sie noch schneller<br />

sind und sich noch besser und weicher ziehen<br />

lassen. Neue Mittelteile, die noch effektiver<br />

wirken und noch mehr kleine Details beinhalten,<br />

die das Treffen der Zehn erleichtern<br />

sollen. Das gleiche gilt für fast alle Produkte,<br />

die in ihren jeweiligen Sparten auf den Markt<br />

gebracht werden. Alles wird immer besser<br />

und macht es uns leichter, in unserem Sport<br />

das Bestmögliche zu erreichen. Aber stimmt<br />

das wirklich? Ist das Nachfolgemodell wirklich<br />

so viel besser als der Vorgänger? Wie<br />

weit geht diese Entwicklung?<br />

Schauen wir dann mal neben die Räumlichkeiten<br />

der Messestände, finden wir dort Seminarräume.<br />

Dort finden wir Topschützen,<br />

die zu ihren Karrieren befragt werden, wie<br />

sie es geschafft haben so erfolgreich zu werden,<br />

und wie ihre Trainingsmethoden sind.<br />

Auch mal Hersteller, die ihre Produkt-innovationen<br />

detaillierter vorstellen. Aber auch<br />

Coaches und Trainer, die neue Trainingsmethoden<br />

erklären, die es uns leichter machen<br />

sollen, unsere eigenen Fähigkeiten noch besser<br />

einsetzen zu können, um erfolgreich zu<br />

sein.<br />

Ich selbst halte ja nun auch Seminare, Trainingslager<br />

und Workshops, in denen ich<br />

Trainingsmethoden vorstelle und erkläre, die<br />

es jedem einzelnen Schützen ermöglichen<br />

sollen, das Beste aus sich herauszuholen. Und<br />

natürlich bin auch ich davon überzeugt, dass<br />

diese Trainingsmethoden wirken und zur<br />

Verbesserung der eigenen Leistung beitragen<br />

können. Die Frage, die sich nun bei allem<br />

aber stellt:<br />

„Liegt es an der Trainingsmethode, dem Material,<br />

wenn sich eine Verbesserung einstellt?<br />

Oder liegt es an dem Glauben daran, dass es<br />

wirkt?“<br />

1/23 MATERIAL/TRAINING <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 51


MATERIAL/TRAINING<br />

ZITAT VON<br />

MARIE VON EBNER-ESCHENBACH:<br />

»WENN ES EINEN GLAUBEN GIBT,<br />

DER BERGE VERSETZEN KANN,<br />

SO IST ES DER GLAUBE AN<br />

DIE EIGENE KRAFT.«<br />

Mit diesem Thema hat sich die bekannte Sozialpsychologin<br />

und Professorin Ellen Langer<br />

an der Harvard University befasst. Sie<br />

konzentriert sich auf die Themen Gedächtnis,<br />

Bewusstsein und die Auswirkungen von<br />

Einstellungen und Verhaltensweisen auf<br />

die Gesundheit und das Wohlbefinden von<br />

Menschen. In ihren Arbeiten hat Ellen Langer<br />

aufgezeigt, dass der Placebo-Effekt auch<br />

im sportlichen Bereich wirksam sein kann.<br />

Sie argumentiert, dass Menschen, die glauben,<br />

dass eine bestimmte Art des Coachings<br />

oder der Trainingsmethode ihre Leistung<br />

verbessern wird, tatsächlich eine verbesserte<br />

Leistung zeigen können. Dies kann auf die<br />

Erwartungen und Überzeugungen der Person<br />

zurückzuführen sein, die dazu führen,<br />

dass sie sich besser konzentrieren, motivierter<br />

und weniger ängstlich sind, was wiederum<br />

die Leistung verbessert.<br />

Ellen Langer gibt jedoch auch zu bedenken,<br />

dass der Placebo-Effekt nicht unbedingt auf<br />

die Erwartungen und Überzeugungen der<br />

Person beschränkt ist, sondern auch auf die<br />

Möglichkeit, dass die eventuell neue Art des<br />

Coachings wie ein Placebo wirkt und Veränderungen<br />

im Verhalten und in den biologischen<br />

Prozessen des Körpers bewirken kann.<br />

Sie sagt, dass diese Placebos nicht nur dazu<br />

beitragen können, dass Menschen sich besser<br />

fühlen, sondern auch tatsächlich die Leistung<br />

verbessern können.<br />

Ein Beispiel für den Placebo-Effekt im sportlichen<br />

Bereich ist das sogenannte „Runner’s<br />

High”, das manche Läufer während oder nach<br />

einem Lauf beschreiben. Diese positive Stimmung<br />

kann auf die Erwartungen und Überzeugungen<br />

der Läufer zurückzuführen sein,<br />

dass das Laufen sie glücklich und entspannt<br />

macht, aber es kann auch durch die Veränderungen<br />

im Körper ausgelöst werden, die<br />

während des Laufens auftreten, wie zum Beispiel<br />

die Freisetzung von Endorphinen.<br />

Insgesamt argumentiert Ellen Langer, dass<br />

der Placebo-Effekt im sportlichen Bereich<br />

eine wichtige Rolle bei der Verbesserung<br />

der Leistung von Menschen spielen kann<br />

und dass es wichtig ist, die Möglichkeiten<br />

des Placebo-Effekts in der Sportpsychologie<br />

und -medizin zu erkunden und zu nutzen.<br />

Die Gehirnforschung hat gezeigt, dass der<br />

Placebo-Effekt auf komplexen Mechanismen<br />

beruht, die im Gehirn stattfinden, wenn wir<br />

ein Placebo erhalten oder glauben, dass wir<br />

eine wirksame Behandlung erhalten. Diese<br />

Mechanismen umfassen die Freisetzung von<br />

Botenstoffen, die die Symptome verbessern<br />

können, und die Art und Weise, wie unser<br />

Gehirn Erfahrungen verarbeitet und speichert.<br />

In Bezug auf die Einführung neuer Produkte<br />

auf dem Markt ist es möglich, dass der Placebo-Effekt<br />

eine Rolle bei der „Wirksamkeit“<br />

dieser Produkte spielen kann. Wenn ein Produkt<br />

als besser, gar innovativ beworben wird<br />

und wenn die Menschen positive Erwartungen<br />

haben, dass es wirklich so sein wird,<br />

kann dies dazu führen, dass sie tatsächlich<br />

die gewünschten (verbesserten) Ergebnisse<br />

erzielen, obwohl das neue Produkt unter<br />

52 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> MATERIAL/TRAINING 1/23


MATERIAL/TRAINING<br />

Umständen keine so großen Veränderungen<br />

gegenüber dem Vorgängermodell hat. Hierzu<br />

bezieht sich Ellen Langer in ihren Arbeiten<br />

auf die Möglichkeit, dass das Material und<br />

die Geräte, die von Sportlern verwendet werden,<br />

den Placebo-Effekt hervorrufen können.<br />

Wie bei den vermeintlich besseren Trainingsmethoden<br />

gilt auch hier, dass der Sportler,<br />

wenn er daran glaubt, eben auch motivierter,<br />

konzentrierter ist und somit seine Leistung<br />

wirklich verbessern kann.<br />

Es fällt auch auf, dass neuere Firmen, die ein<br />

Produkt am Markt einführen, es hier schwerer<br />

haben, neue Kunden zu gewinnen, als<br />

die Firmen, die schon seit Jahren oder gar<br />

Jahrzehnten am Markt etabliert sind. Auch<br />

spielt es eine große Rolle, welches Material<br />

diejenigen Sportler verwenden, die ganz<br />

oben in der Weltspitze agieren. Sie sind TOP,<br />

also muss deren Material ja auch TOP sein,<br />

oder? Oder dass der Sportler an sich, wie ich<br />

selbst ja auch, Fan einer bestimmten Marke<br />

ist. Es ist eben einfacher, bereits bestehendes<br />

Vertrauen zu vertiefen, zu stärken, als neues<br />

Vertrauen aufbauen zu müssen.<br />

Noch einmal in Bezug auf (neue) andere<br />

als bisher angewandte Trainingsmethoden<br />

sagt Ellen Langer, dass der Placebo-Effekt<br />

bei neuen sportlichen Trainingsmethoden<br />

auf verschiedene Weise auftreten kann. Zum<br />

einen können das Selbstvertrauen und die<br />

Motivation der Sportler durch die Annahme<br />

einer neuen Trainingsmethode gestärkt werden,<br />

was zu einer Verbesserung der Leistung<br />

führen kann. Zum anderen kann die Erwartungshaltung<br />

der Sportler eine wichtige Rolle<br />

bei der Wirkung von Placebos spielen. Wenn<br />

Sportler erwarten, dass eine neue Trainingsmethode<br />

effektiv(er) ist, kann dies dazu beitragen,<br />

dass sie tatsächlich besser abschneiden.<br />

Langer betont auch, dass der Placebo-Effekt<br />

nicht nur bei positiven Erwartungen auftreten<br />

kann, sondern auch bei negativen. Wenn<br />

Sportler beispielsweise erwarten, dass eine<br />

neue Trainingsmethode nicht wirksam ist,<br />

kann dies dazu führen, dass sie schlechter<br />

abschneiden, als sie es sonst vielleicht getan<br />

hätten. Dies bezeichnet man dann als Nocebo-Effekt.<br />

Insgesamt argumentiert Langer, dass der Placebo-Effekt<br />

eine wichtige Rolle bei der Wirkung<br />

von neuen Trainingsmethoden spielen<br />

kann.<br />

Hier zeigt sich für mich auch die Wichtigkeit<br />

der Trainer-Schützen-Verbindung. Ein gutes<br />

Trainer-Schütze-Verhältnis kann für den Placebo-Effekt<br />

von großer Bedeutung sein, da<br />

die Beziehung zwischen Trainer und Schütze<br />

eine wichtige Rolle bei der Erwartungshaltung<br />

und dem Selbstvertrauen der Sportler<br />

spielt.<br />

Ein Trainer, der vertrauensvoll, motivierend<br />

und unterstützend ist, kann dazu beitragen,<br />

dass Schützen positive Erwartungen haben<br />

und ihr Selbstvertrauen stärken. Dies kann<br />

wiederum dazu führen, dass sie besser auf<br />

neue Trainingsmethoden reagieren und ihre<br />

Leistung verbessern.<br />

Umgekehrt kann ein Trainer, der kritisch,<br />

demotivierend oder nicht unterstützend<br />

ist, dazu beitragen, dass Schützen negative<br />

Erwartungen haben und ihr Selbstvertrauen<br />

schwächen. Dies kann dazu führen, dass<br />

sie schlechter auf neue Trainingsmethoden<br />

reagieren und ihre Leistung verschlechtert<br />

wird. (Nocebo-Effekt)<br />

Insgesamt ist es wichtig, dass Trainer und<br />

Schütze ein gutes Verhältnis haben, um das<br />

Selbstvertrauen und die Erwartungshaltung<br />

der Sportler zu stärken und damit den<br />

Placebo-Effekt zu nutzen. Diese muss immer<br />

ehrlich und vertrauensvoll sein. Sobald hier<br />

zwischenmenschliche Differenzen vorhanden<br />

sind, wird der Schütze eher mit einer<br />

negativen Erwartungshaltung das Training<br />

absolvieren, was eben dann auch zu einem<br />

Leistungsabfall oder sogar Leistungseinbruch<br />

führen kann.<br />

Sicher werden unter uns viele sein, die dem<br />

widersprechen. Das liegt ganz einfach daran,<br />

dass der Placebo-Effekt nicht bei allen Menschen<br />

gleich wirksam ist und dass es individuelle<br />

Unterschiede in der Empfänglichkeit<br />

für Placebos gibt. Einige Menschen reagieren<br />

stärker auf Placebos als andere, was möglicherweise<br />

auf genetische Faktoren oder<br />

frühere Erfahrungen mit Placebos zurückzuführen<br />

ist. Grundsätzlich gilt zu sagen, dass<br />

es bis dato recht wenige Studien in Bezug auf<br />

den Placebo-Effekt bei sportlichen Trainingsmethoden<br />

gibt, und die Ergebnisse sind auch<br />

schon mal widersprüchlich.<br />

Abschließend zusammengefasst: Der Placebo-Effekt<br />

kann sowohl beim Equipment/<br />

Material als auch bei (neuen) Trainingsmethoden<br />

großen Einfluss nehmen. Es ist wichtig<br />

zu beachten, dass der mentale Faktor eine<br />

sehr große Rolle spielt. Deshalb sollten wir<br />

Bogenschützen nicht blind auf teures Equipment<br />

oder spezielle/neue Trainingsmethoden<br />

setzen, sondern uns auf unsere Fähigkeiten<br />

und Potenziale konzentrieren. Durch<br />

eine positive Einstellung und mentale Stärke<br />

können wir am ehesten diese Potenziale erkennen<br />

und ausschöpfen und damit unsere<br />

Leistungen verbessern.<br />

Der Placebo-Effekt (und auch der Nocebo-<br />

Effekt) sind keine „Tricks“, sondern sind auf<br />

die Erwartung, Erfahrung und die mentale<br />

Stärke des einzelnen zurückzuführen. Auch<br />

der soziale Kontext kann hier eine Rolle spielen.<br />

Das Equipment der Top-Schützen und<br />

die Trainingsmethoden der Top-Trainer kann<br />

die eigene Erwartung und Motivation stark<br />

beeinflussen.<br />

Es gilt, wie bei Vielem, sehr gut in sich hineinzuhören,<br />

aber eben auch Dinge einmal von<br />

der wissenschaftlichen Seite zu betrachten<br />

und dann für sich Entscheidungen zu treffen.<br />

Für das kommende (Sport-)Jahr wünsche<br />

ich euch viel Erfolg beim Anstreben und Erreichen<br />

eurer Ziele.<br />

1/23 MATERIAL/TRAINING <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 53


KOOPERATION JUGEND ZWISCHEN SCHULE UND <strong>BOGENSPORT</strong><br />

BOGENSCHIESSEN<br />

AM SCHUL- UND LEISTUNGS-<br />

SPORTZENTRUM<br />

BERLIN<br />

Foto: Günter Kuhr<br />

Von Günter Kuhr<br />

Das Bogenschießen am heutigen Schul- und<br />

Leistungssportzentrum Berlin (SLZB) wird bereits<br />

seit 20 Jahren betrieben und stetig weiterentwickelt.<br />

Ein ganzer Trainerstab führt dieses<br />

Schulsportprojekt am Bundesstützpunkt des<br />

Bogensports auf höchstem Niveau. Bemerkenswert<br />

ist das System der Talentsichtung, das wir<br />

in diesem Artikel vorstellen. Wir geben einen<br />

Einblick in das Training, das mit der inhaltlichen<br />

Struktur die talentiertesten Sportschüler bis in<br />

den Bundeskader bringt. Bekannte Namen wie<br />

Lisa Unruh, Elena Richter und Karina Winter<br />

haben zu Beginn ihrer Karriere genau diesen<br />

Ausbildungsweg absolviert. Aktuell haben acht<br />

der Sportschülerinnen und Sportschüler ihren<br />

Sprung in den Bundeskader geschafft, davon<br />

zwei in den Perspektivkader, fünf in den NK 1<br />

und eine Sportschülerin in den NK2. Die Einblicke<br />

in dieses Schul- und Trainingssystem halten<br />

viele Inspirationen für den Aufbau der regionalen<br />

Talentförderung bereit.<br />

Das Berliner Schulsportprojekt im<br />

Bogenschießen startete 2002 an der<br />

ehemaligen Werner-Seelenbinder-<br />

Schule und wurde vom damaligen Bundesnachwuchstrainer<br />

Martin Frederick und<br />

dem Vorsitzenden der Bogensportabteilung<br />

der damaligen Sportgemeinschaft BB Berlin,<br />

Alfred Grzondziel, auf den Weg gebracht.<br />

Die Werner-Seelenbinder-Schule fusionierte<br />

später mit dem Coubertin-Gymnasium<br />

zum heutigen Schul- und Leistungssportzentrum<br />

Berlin (SLZB). Weil heute an diesem<br />

Schulsportprojekt Athleten des Bundes-<br />

und Landeskaders trainieren, sind<br />

sowohl der Olympiastützpunkt Berlin (OSP)<br />

als auch der Landessportbund Berlin (LSB)<br />

– und somit auch der Landesfachverband<br />

(Schützenverband Berlin-Brandenburg) mit<br />

seinem LLZ – eingebunden. Diplom-Trainerin<br />

Sandra Dehn vom OSP Berlin leitet den<br />

Bundesstützpunkt der Bogensportler und ist<br />

auch die Koordinatorin und Ansprechpartnerin<br />

für das Schulsportprojekt.<br />

DAS BERLINER SICHTUNGSSYSTEM<br />

In Berlin nehmen Grundschülerinnen und<br />

Grundschüler der dritten Klasse an den<br />

sogenannten Talentiaden des Landessportbundes<br />

Berlin teil. Im Vorfeld durchlaufen<br />

die Grundschüler bereits allgemeinsportliche<br />

Tests, die vom Landessportbund an den<br />

Grundschulen durchgeführt werden. Den<br />

sportlich talentierten Grundschülern werden<br />

nun die Disziplinen der Talentiaden vorgestellt,<br />

zu denen auch das Bogenschießen<br />

zählt. Grundschüler, die sich für das Bogenschießen<br />

interessieren, haben die Möglichkeit,<br />

an einem Schnuppertraining am Bundesstützpunkt<br />

in Berlin teilzunehmen. Die<br />

Bogensporttrainer treffen auf der Grundlage<br />

der vorliegenden Talentdaten eine Auswahl<br />

von Grundschülern, die dann das Angebot<br />

erhalten, im zweiten Halbjahr der dritten<br />

Klasse an einem Grundkurs im Bogenschießen<br />

teilzunehmen. Wer hier Talent zeigt und<br />

Freude am Bogenschießen entwickelt, kann<br />

anschließend an einem Sichtungskurs am<br />

Bundesstützpunkt teilnehmen, der in der<br />

vierten Klasse beginnt. Im ersten Halbjahr<br />

der vierten Klasse warten drei Sichtungsprüfungen<br />

auf die Grundschüler. Schüler,<br />

die hier gute Leistungen zeigen, erhalten<br />

eine Talentbescheinigung und können nun<br />

an einer sportmedizinischen Untersuchung<br />

teilnehmen. Ist dieser Abschluss erfolgreich,<br />

haben diese Nachwuchstalente alle Voraus-<br />

54 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> JUGEND 1/23


DAS SLZB IST EINE<br />

ELITESCHULE DES SPORTS<br />

JUGEND<br />

Mit dem Nullbogen trainieren die Sporteinsteiger<br />

die Bewegungstechnik ohne Zugbelastung.<br />

<br />

Foto: SLZB<br />

setzungen für die Aufnahme als künftige<br />

Sportschüler erfüllt. Sie können ab der fünften<br />

Klasse zum SLZB wechseln und am täglichen<br />

Bogensporttraining teilnehmen, das<br />

in den Schulalltag integriert ist. Dieses Sichtungssystem<br />

kennzeichnet den typischen<br />

Weg der Berliner Schüler für die Aufnahme<br />

in dem Bogensportprojekt am Bundesstützpunkt.<br />

Für die Sportschüler wurde im Jahre<br />

2022 ein spezieller Verein gegründet, der<br />

Bogensportausbildung e.V.<br />

SPORTARTENWECHSLER<br />

Eine andere Möglichkeit für die Aufnahme<br />

im Bogensportprojekt am Bundesstützpunkt<br />

betrifft Sportartenwechsler, die bereits<br />

zuvor Schüler des SLZB waren, nun<br />

aber von einer anderen Sportdisziplin zum<br />

Bogenschießen wechseln möchten. Das<br />

betrifft Schüler der fünften, sechsten oder<br />

siebten Klasse, die dann an einem Probetraining<br />

im Bogenschießen über zehn bis 14<br />

Trainingseinheiten teilnehmen. Bei diesem<br />

Probetraining erhalten sie eine intensive<br />

Betreuung durch einen Bogensporttrainer<br />

und absolvieren zum Abschluss ein Prüfungsverfahren.<br />

Bestehen sie diese sportartspezifische<br />

Prüfung, wechseln sie in die<br />

Bogensportklassen der Schule und werden<br />

ab diesem Zeitpunkt in das reguläre Schulsporttraining<br />

im Bogenschießen integriert.<br />

So kann also beispielsweise ein ehemaliger<br />

Schwimmer oder ein Turner mit seinen<br />

bereits angelegten athletischen Voraussetzungen<br />

in das Bogensportprojekt überführt<br />

werden.<br />

AUFNAHME VON SCHÜLERN AUS<br />

ANDEREN REGIONEN<br />

Schüler, die bisher außerhalb von Berlin<br />

wohnen und zum SLZB wechseln möchten,<br />

werden zwei Mal zum Probetraining<br />

nach Berlin eingeladen, durchlaufen hier<br />

drei Schultage und lernen das Internat und<br />

somit den kompletten Alltag kennen. Sie<br />

nehmen in dieser Zeit an Probetrainings im<br />

Bogenschießen teil. Diese Probetrainings<br />

sind Bestandteil eines Aufnahmeverfahrens,<br />

bei dem eine Analyse der aktuellen Schießtechnik<br />

sowie eine sportmedizinische Untersuchung<br />

erfolgen. Weitere Kriterien des<br />

Aufnahmeverfahrens sind die bisherigen<br />

Schießleistungen sowie der aktuelle Kaderstatus.<br />

Erfolgt nach der erfolgreichen Aufnahmeprüfung<br />

eine Aufnahme im SLZB,<br />

können diese Schüler auch weiterhin für<br />

Das Schul- und Leistungssportzentrum Berlin (SLZB)<br />

ist eine vom Deutschen Olympischen Sportbund<br />

(DOSB) ausgezeichnete Eliteschule des Sports. Das<br />

SLZB wird gemäß des Schulgesetzes für Berlin als<br />

Schule mit besonderer pädagogischer Prägung<br />

mit Schwerpunkt Sport bezeichnet. Es besteht die<br />

Möglichkeit, alle Abschlüsse der Berliner Schule<br />

abzulegen.<br />

Einige Besonderheiten des SLZB, die zur optimalen<br />

Entwicklung der Schüler beitragen, sind unter<br />

anderem:<br />

• eine flexible Gestaltung von Unterricht und<br />

Training<br />

• die Ganztagsbetreuung<br />

• geringe Klassenfrequenzen<br />

• Teamteaching in den Kernfächern (Deutsch,<br />

Englisch, Mathematik)<br />

• ein besonderes schulisches Förderkonzept<br />

• kurze Wege zwischen Schul- und Trainingsort<br />

Das SLZB besteht aus der Grundstufe (Klasse 1 - 6),<br />

der Sekundarstufe I (Klasse 7 - 10) und der aus vier<br />

Semestern bestehenden gymnasialen Oberstufe,<br />

die sich aufgrund der hohen sportlichen Belastung<br />

über drei Jahre erstreckt.<br />

Weitere Infos zum SLZB finden Sie im Internet:<br />

www.slzb.de<br />

den Heimatverein ihres Landesverbandes<br />

die Wettkämpfe schießen oder zu einem<br />

Berliner Verein wechseln. Im ersten Fall<br />

schießt der Schüler die jeweiligen Meisterschaften<br />

bei seinem Landesverband und<br />

organisiert die Fahrten und die Unterbringung<br />

jeweils selbständig. Die Teilnahme an<br />

den zusätzlichen Trainingsmaßnahmen des<br />

1/23 JUGEND <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 55


JUGEND<br />

Durch die Streckung der Klassen neun und zehn am SLZB<br />

können von den Sportschülern Trainingsumfänge von bis zu<br />

1500 Pfeile pro Woche realisiert werden. Quelle: BSM<br />

Landeskaders des Schützenverbandes Berlin-Brandenburg,<br />

wie etwa das einwöchige<br />

Trainingscamp im Sommer, ist allerdings<br />

grundsätzlich nur für die Schüler möglich,<br />

deren Verein Mitglied dieses Landesverbandes<br />

ist. Ansprechpartnerin für die Aufnahme<br />

in dem Schulsportprojekt ist die Diplomtrainerin<br />

Sandra Dehn.<br />

SCHULE, INTERNAT UND DAS HAUS<br />

DER ATHLETEN<br />

Ein besonderes Merkmal des SLZB ist die<br />

Streckung der Schulzeit. Das betrifft die<br />

Jahrgangsstufen neun und zehn, die auf drei<br />

Schuljahre gestreckt werden. Die Belastung<br />

der Schüler im Hinblick auf die Lehrinhalte<br />

der Schule wird durch diese Streckung kompensiert.<br />

Die Schüler haben während der<br />

Streckung lediglich vier Unterrichtsstunden<br />

pro Schultag, und so steht mehr Zeit für die<br />

Trainingseinheiten am Vor- und Nachmittag<br />

zur Verfügung. Aktuell sind 35 Schülerinnen<br />

und Schüler aus insgesamt sechs Schulklassen<br />

und vier Semestern der Abiturphase des<br />

SLZB in das Bogensportprojekt eingebunden.<br />

„Der meisten unserer Sportlerinnen<br />

und Sportler kommen aus Berlin und fahren<br />

zum Ende des Schul- und Trainingstages<br />

nach Hause“, sagt die Koordinatorin Sandra<br />

Dehn und ergänzt, dass „aktuell nur zwei<br />

der 35 Schüler im Internat untergebracht<br />

sind.“ Im Schulinternat wird eine altersgerechte<br />

Betreuung der Kinder und Jugendlichen<br />

angeboten. Es kann von Schülern des<br />

Bogensportprojekts ab der siebten Klasse bis<br />

zur Abiturphase (18 Jahre) genutzt werden.<br />

Im Wohnbereich des Schulinternats gibt es<br />

getrennte Etagen für die Mädchen und die<br />

Jungen. Die Schüler können die Schulmensa<br />

nutzen, die während des gesamten Tages<br />

für Frühstück, Mittag- und Abendessen zur<br />

Verfügung steht. Ab einem Alter von 18 Jahren<br />

wechseln die Sportler mit einem Bundeskaderstatus<br />

zum »Haus der Athleten«<br />

und haben hier sogar eigene Möglichkeiten<br />

für die Zubereitung ihrer Mahlzeiten.<br />

Für die Kinder und Jugendlichen, die an<br />

dem Bogensportprojekt teilnehmen, fallen<br />

lediglich die Mitgliedsgebühren des jeweiligen<br />

Bogensportvereins an. Wird eine Internatsunterbringung<br />

erforderlich, fallen<br />

Kosten für Einzel- oder Doppelzimmer an.<br />

Eine Einzelzimmerunterbringung kostet<br />

rund 250 Euro, eine Unterbringung im Doppelzimmer<br />

rund 100 Euro monatlich. Die<br />

Kosten für die Verpflegung werden von der<br />

Mensa abgerechnet und belaufen sich bei<br />

Nutzung aller drei Mahlzeiten auf knapp<br />

über zehn Euro pro Tag. Für Schüler, die<br />

einem Berliner Bogensportverein angehören,<br />

zahlt die Sporthilfe einen Internatszuschuss.<br />

Für die Bundeskaderathleten zahlt<br />

der Deutsche Schützenbund in Zusammenarbeit<br />

mit der Deutschen Sporthilfe eine Internatsförderung.<br />

RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DAS TRAINING<br />

• KURZE WEGE<br />

Die Schule, die Mensa, das Schulinternat<br />

und das Haus der Athleten liegen räumlich<br />

in unmittelbarer Nähe zum Trainingsstandort<br />

am Bundesstützpunkt und können zu<br />

Fuß in zehn Minuten erreicht werden. Die<br />

Schüler mit einem Bundeskaderstatus nutzen<br />

für das Athletiktraining den Kraftraum<br />

des OSP. Alle anderen Schüler führen das<br />

Athletiktraining in der geräumigen Bogen-<br />

56 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> JUGEND 1/23


JUGEND<br />

Beim Seitstütz trainieren die Sportschüler die spezielle Kraft, die sie beim Schießen<br />

benötigen. <br />

Fotos: SLZB<br />

Das Krafttraining hat einen hohen Stellenwert, weil damit die athletischen Voraussetzungen<br />

für die Entwicklung einer stabilen Schießtechnik geschaffen werden. <br />

halle durch. Für das Lauftraining werden<br />

das Leichtathletikstation oder die entsprechenden<br />

Außenanlagen genutzt.<br />

• ARBEIT MIT PROFITRAINERN<br />

Das Training im Bogenschießen wird aktuell<br />

von zwei Trainern mit einer Vollzeitanstellung<br />

abgedeckt. Sie erhalten eine<br />

Unterstützung von zwei Assistenztrainern<br />

sowie einem Athletiktrainer, die jeweils<br />

auf Minijob-Basis mit den Schülerinnen<br />

und Schülern arbeiten. Hinzu kommen<br />

eine Trainerin sowie eine Sportpsychologin,<br />

die auf Honorarbasis arbeiten. Der<br />

Bundesnachwuchstrainer Marc Dellenbach<br />

arbeitet am Bundesstützpunkt überwiegend<br />

mit den NK1-Bundeskaderathleten.<br />

• BEREITSTELLUNG DES EQUIPMENTS<br />

Bis zur achten Schulklasse wird den Sportschülern<br />

das komplette Equipment vom<br />

Trainingsstützpunkt bereitgestellt. Ab der<br />

achten Klasse müssen die Sportschüler Teile<br />

des Equipments, wie etwa die Pfeile, selbst<br />

finanzieren, bekommen aber noch die Bögen<br />

bereitgestellt. Im Laufe der folgenden<br />

Jahre schaffen sie sich das gesamte Equipment<br />

selbst an, erhalten bei einem Bundeskaderstatus<br />

eine Unterstützung von Seiten<br />

des DSB.<br />

Zu den Rahmenbedingungen des Trainings<br />

zählen die Sportstätten am Sportforum Berlin.<br />

Einen kritischen Bericht zum Zustand<br />

dieser Sportstätten veröffentlichte das Bogensport<br />

Magazin in der Ausgabe 4/2020<br />

mit dem Titel „Spitzensport am Sportforum<br />

Berlin – Sportstätte im erschreckenden Zustand“.<br />

Planungen zur Verbesserung der<br />

Sportanlagen liegen zwar vor, wurden aber<br />

bis dato nicht umgesetzt.<br />

DAS TRAINING DER SPORTSCHÜLER<br />

Das Training ist in den Stundenplan der<br />

Schule integriert, die Trainingsumfänge<br />

sind altersabhängig. Schüler B schießen<br />

300 bis 350 Pfeile in der Woche, in der<br />

Altersklasse der Schüler A gehen die wöchentlichen<br />

Pfeilzahlen hoch auf 500 bis<br />

600. Schüler der Klassen neun und zehn<br />

befinden sich in der Streckung, und hier<br />

steht mehr Zeit für das Training zur Verfügung.<br />

Bei diesen Schülern liegen die wöchentlichen<br />

Pfeilzahlen zwischen 800 und<br />

1200 pro Woche. Die Abiturjahrgänge und<br />

die NK1-Bundeskaderathleten liegen bei<br />

rund 300 Pfeilen pro Tag und rund 1500<br />

Pfeilen pro Woche.<br />

DER AUFBAU IM GRUNDLAGENTRAINING<br />

Eine hohe Professionalität im Training<br />

kennzeichnet dieses Bogensportprojekt.<br />

Daher lohnt es sich, einen Blick auf die<br />

Trainingsinhalte des Grundlagentrainings<br />

zu werfen. Dieses Training durchlaufen in<br />

Berlin beispielsweise Sportartenwechsler.<br />

An zehn bis zwölf Probetrainingstagen startet<br />

hier der Einstieg in das Bogenschießen.<br />

1. einer Eins-zu-eins-Betreuung lernt der<br />

Sporteinsteiger die Grundlagen der Bewegungstechnik<br />

zunächst ohne Hilfsmittel.<br />

Die Bewegungstechnik wird hier in Form<br />

einer Imitation zunächst ohne Bogen und<br />

ohne Theraband durchgeführt. Die Bewegungs-<br />

und Positionsphasen werden auf<br />

der Basis des Positionsphasenmodells geschult.<br />

2. Ab der zweiten oder dritten Trainingseinheit<br />

trainiert der Sportschüler die Bewegungsfolge<br />

mit einem leichten Gummiband.<br />

Anzeige<br />

1/23 JUGEND <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 57


JUGEND<br />

Der Stundenplan der Klassen fünf und sechs zeigt beispielhaft, wie das tägliche Training in den Schulalltag<br />

integriert ist. Quelle: SLZB<br />

3. Relativ schnell erfolgt dann der Wechsel zu<br />

einem »Nullbogen«, der eine Sehne, jedoch<br />

nahezu kein Zuggewicht hat.<br />

4. Ab der vierten oder fünften Einheit folgt<br />

das Training mit einem Einsteigerbogen<br />

und einem Zuggewicht von etwa zehn bis<br />

zwölf Pfund. Dieser Bogen besitzt noch<br />

kein Visier, ist aber bereits mit einem Monostabilisator<br />

ausgestattet.<br />

5. Ab der sechsten oder siebten Trainingseinheit<br />

wird das Schießen mit dem Visier<br />

geschult.<br />

6. Ab der zehnten Trainingseinheit wechselt<br />

der Sportschüler dann zum Bogen mit einem<br />

Metallmitteilteil und einem erhöhten<br />

Zuggewicht von rund 16 Pfund.<br />

7. Ab der elften Trainingseinheit beginnt das<br />

Training mit dem Klicker.<br />

Wann genau der Wechsel zwischen diesen<br />

Lernstufen erfolgt, ist abhängig von der individuellen<br />

Qualität der Bewegungstechnik.<br />

Gelingt es dem Sportschüler beispielsweise<br />

nach einem Wechsel nicht mehr so gut, die<br />

Qualität der Bewegungsausführung umzusetzen,<br />

geht er einen Schritt zurück. Bei<br />

diesem Training steht also ausschließlich<br />

die Qualität der Bewegungs- und Positionsphasen<br />

im Vordergrund. Beispielhaft dafür<br />

ist der Wechsel zum Schießen mit einem Visier:<br />

Erst wenn der Sporteinsteiger die Technikumsetzung<br />

gut beherrscht, wird der Zielvorgang<br />

trainiert und der Bogen dafür mit<br />

einem Visier ausgestattet.<br />

TRAINING INNERHALB EINER<br />

EINFACHPERIODISIERUNG<br />

Die Trainingsinhalte und die jeweiligen<br />

Schwerpunkte wechseln im Verlauf der Saison.<br />

Die Darstellung der gesamten Saison<br />

wäre hier zu komplex. Daher werden hier am<br />

Beispiel der Schüler A die Trainingsschwerpunkte<br />

im Dezember vorgestellt, während<br />

sich die Sportschüler in der Vorbereitungsperiode<br />

1 (VP 1) befinden. Die<br />

Sportschüler am SLBZ schießen während der<br />

Hallensaison keine Wettkämpfe, weil so der<br />

Fokus voll auf die Technikentwicklung gerichtet<br />

werden kann. Das Ziel ist hierbei, die<br />

Technikentwicklung einschließlich der Technikstabilisierung<br />

bis zum Beginn der Freiluftsaison<br />

abzuschließen. Von Oktober bis in<br />

den Dezember hinein ist der Schwerpunkt<br />

auf die Optimierung von Technikelementen<br />

gerichtet. Die Schüler A trainieren während<br />

der VP1 mit Nullbögen und mit Bögen, die<br />

leichte Zuggewichte haben. In dieser Trainingsetappe<br />

wird auch das Eigengewicht der<br />

Bögen reduziert, und Sportschüler schießen<br />

nur noch mit ihrem Monostabilisator – verzichten<br />

also auf alle weiteren Stabilisatoren<br />

und Gewichte.<br />

Etwa Mitte Dezember ist diese Arbeit an den<br />

Technikelementen so weit abgeschlossen,<br />

dass mit der Stabilisierung der Schießtechnik<br />

begonnen werden kann. Dieser Prozess wird<br />

durch das ideomotorische Training unterstützt,<br />

bei dem sich die Sportschüler immer<br />

wieder in die optimale Bewegungsausführung<br />

hineinfühlen, ohne die Bewegung dabei<br />

tatsächlich auszuführen. Dieses psychologische<br />

Training festigt die Bewegungsschleifen<br />

im Gedächtnis und hilft, die Bewegung später<br />

auch beim Schießen mit dem Bogen optimal<br />

auszuführen.<br />

Mitte Dezember wechselt auch der Schwerpunkt<br />

vom allgemeinen hin zum speziellen<br />

Krafttraining, bei dem die Muskulatur<br />

aufgebaut wird, die die Sportschüler beim<br />

Schießen einsetzen. Schrittweise werden bis<br />

zum Beginn der Freiluftsaison auch das Zuggewicht<br />

sowie das Eigengewicht durch den<br />

Einsatz der Stabilisatoren wieder erhöht und<br />

gesteigert. Die Sportschüler gehen dann mit<br />

einer stabilen Schießtechnik und ihrem individuell<br />

angepassten Zuggewicht in die Freiluftsaison.<br />

Dieses System verdeutlicht den<br />

Verzicht auf die Doppelperiodisierung im<br />

Training, die ehemals auf zwei Wettkampfsaisons<br />

(Sommer und Winter) ausgerichtet<br />

war. Die heute umgesetzte Einfachperiodisierung<br />

bietet im Winter mehr Zeit für die<br />

Technikentwicklung und zielt auf die volle<br />

Leistungsentwicklung bei den Wettkämpfen<br />

der Freiluftsaison ab. Hallenwettkämpfe<br />

haben für die Sportschüler des SLZB keine<br />

Priorität und werden lediglich zum Ende der<br />

Hallensaison als Wettkampfvorbereitung für<br />

die Freiluftsaison genutzt.<br />

EINSATZ VON VIDEOTECHNIK<br />

Bei der Entwicklung der Schießtechnik setzt<br />

das Trainerteam immer wieder Videotechnik<br />

ein. Im Bundesstützpunkt stehen bis zu neun<br />

mobile Videostationen auf den Distanzen<br />

von fünf bis 40 Metern sowie eine Videostation<br />

für die Distanzen 60 und 70 Meter zur<br />

Verfügung. Beim Einsatz der Videotechnik<br />

kommen drei Methoden zum Einsatz:<br />

1. VIDEOANALYSE DER SCHIESSTECHNIK<br />

Die Videoanalyse bietet im Training spezielle<br />

Funktionen, wie etwa die Betrachtung<br />

der Bewegungen in Zeitlupe und die<br />

Standbildfunktion für die Analyse von<br />

Positionsphasen. Unterstützend können<br />

hier Hilfslinien eingezeichnet werden. Die<br />

Videoanalyse sowie daraus resultierende<br />

Aufgaben für das Techniktraining werden<br />

mit den Sportschülern besprochen.<br />

2. VIDEO-LIVE-TRAINING<br />

Beim Video-Live-Training steht der Sportschüler<br />

vor einer Leinwand. Eine Kamera<br />

überträgt die Bewegungsausführung, die<br />

vom Sportschüler im Live-Modus beobachtet<br />

wird. Soll der Schüler beispielsweise die<br />

niedrige Schulterposition trainieren, steht<br />

die Kamera in seinem Rücken und filmt die<br />

Schulterhöhe. In der Videosoftware wird die<br />

optimale Schulterhöhe markiert. Diese Markierung<br />

ist auf der Leinwand sichtbar. Die<br />

Aufgabe des Sportschülers besteht bei diesem<br />

Beispiel darin, den Bogenarm anzuheben und<br />

dabei das Schulterdach an der Markierung zu<br />

halten (vgl. Abb. zum Video-Live-Training).<br />

3. VIDEO-DELAY-TRAINING<br />

Video-Delay ist eine Technologie, bei der das<br />

Video zeitversetzt wiedergegeben wird. Der<br />

Sportschüler kann unmittelbar nach Abschluss<br />

der Bewegungsausführung die Videosequenz<br />

sehen und dabei selbstständig<br />

die Bewegungsqualität bewerten. Auch hier<br />

können Hilfslinien eingezeichnet werden.<br />

58 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> JUGEND 1/23


JUGEND<br />

Haltezeiten. Andere Varianten dieses<br />

speziellen Krafttrainings sind etwa die<br />

Erhöhung des Zuggewichts mit einem<br />

Zusatzgummi oder das Schießen mit<br />

einer Gewichtsmanschette am Armgelenk.<br />

8. Zum Ende des Schießtrainings folgt das<br />

Ausschießen.<br />

9. Nun gehen die Sportschüler erneut in<br />

das spezielle Krafttraining, das hier unter<br />

Punkt 5 beschrieben wurde.<br />

10. Wenn es das verfügbare Zeitfenster zulässt,<br />

wird das Training mit einem Athletiktraining<br />

abgeschlossen, bevor die<br />

Sportschüler dann wieder in den Schulunterricht<br />

gehen.<br />

Beim Video-Live-Training verfolgt der Bogenschütze seine Bewegungsausführung in Echtzeit. In der Abbildung<br />

wurde die Kamera im Rücken des Sportlers platziert. Sie filmt die Position der Bogenschulter. Auf der Leinwand<br />

signalisiert eine grüne Markierung die tiefe Schulterposition, die der Sportler halten soll. <br />

Foto: BSM<br />

EINE BEISPIELHAFTE TRAININGSEINHEIT<br />

Dieses Beispiel wirft einen Blick auf die<br />

Struktur einer Trainingseinheit eines Schülers<br />

A im Dezember. Hier befinden sich die<br />

Sportschüler noch im Kraftaufbau. Das<br />

Krafttraining hat für die Verletzungsprophylaxe<br />

eine besondere Bedeutung.<br />

1. Die Sportschüler der Jahrgangsstufen<br />

sieben und acht starten ihr tägliches<br />

Training mit einem allgemeinen Kraftprogramm<br />

von zehn Minuten. Dazu<br />

zählen in der Regel Klimmzüge, der<br />

Seitstütz, Liegestütze und haltende Liegestütze.<br />

2. Nun erfolgen vorbereitend auf das Techniktraining<br />

verschiedene Dehn- und<br />

Lockerungsübungen sowie ein speziell<br />

für den Bogensport ausgearbeitetes<br />

Thera-Band-Programm.<br />

3. Es folgt eine Übung des Techniktrainings<br />

vor einem Spiegel. Die Sportschüler<br />

tragen dabei Gewichtsmanschetten<br />

von 0,5 bis zwei Kilo am Armgelenk<br />

und trainieren das langsame Anheben<br />

des Bogenarms bei niedriger und stabiler<br />

Schulter mit einem vorgegebenen<br />

Zeitrhythmus (z.B. sechs Sekunden zum<br />

Anheben, sechs Sekunden zum Halten<br />

und sechs Sekunden zum Absenken).<br />

Um muskuläre Dysbalancen zu vermeiden,<br />

wird diese Übung beidseitig ausgeführt.<br />

4. Im folgenden Abschnitt folgt die Technikausführung<br />

mit dem Nullbogen vor<br />

einem Spiegel.<br />

5. Es folgt nun ein spezielles Krafttraining<br />

mit dem Bogen. Zehnmal in Folge wird<br />

der Bogen für jeweils zehn Sekunden<br />

bei niedriger Schulterposition angehoben<br />

und gehalten. Es folgt jeweils eine<br />

Pause von zehn Sekunden. Danach folgt<br />

im gleichen Rhythmus zehnmal das<br />

Ausziehen des Bogens, der nun für zehn<br />

Sekunden in der Halteposition (PP 3)<br />

gehalten wird.<br />

6. Das Einschießen wird auf fünf Meter<br />

ohne Zielbild begonnen. Dabei steht<br />

wieder die Qualität der Bewegungsausführung<br />

im Fokus.<br />

7. Bei dem folgenden Schießtraining werden<br />

Belastungen gesteigert, etwa das<br />

Schießen einer hohen Pfeilzahl pro Passe<br />

oder das Schießen mit verlängerten<br />

Das Beispiel verdeutlicht, dass jede Trainingseinheit<br />

mit verschiedenen Inhalten<br />

strukturiert ist. Im Saisonverlauf ändern<br />

sich die Trainingsschwerpunkte. Mit dem<br />

Beginn der Freiluftsaison wird die Schießtechnik<br />

im Techniktraining stabil gehalten,<br />

und das Wettkampftraining gewinnt zunehmend<br />

an Bedeutung.<br />

DAS WETTKAMPFPROGRAMM<br />

DER SPORTSCHÜLER<br />

Die Sportschüler der Altersklasse Schüler A<br />

konzentrieren sich auf die Vereins-, Kreis-,<br />

Landes- und die Deutsche Meisterschaft<br />

des DSB. Die Schüler B, die noch nicht an<br />

einer Deutschen Meisterschaft teilnehmen<br />

können, treten bei der Ostdeutschen Meisterschaft<br />

an. Sportschüler der Altersklassen<br />

Schüler B und Schüler A nehmen darüber<br />

an den Wettkämpfen der Deutschen Schützenjugend<br />

teil, wie etwa an der Schulmeisterschaft<br />

oder dem Shooty Cup. Hier werden<br />

Teamwettbewerbe durchgeführt. Im letzten<br />

Jahr der Schüler A bei den Jugendlichen und<br />

Junioren kommen die Ranglisten des DSB<br />

hinzu. Einige der Sportschüler erhalten über<br />

Qualifikationswettbewerbe die Zulassung<br />

zu internationalen Wettkämpfen. Insgesamt<br />

haben die Wettkämpfe einen besonderen<br />

Stellenwert während der Freiluftsaison.<br />

Die Sportschüler nutzen während der Freiluftsaison<br />

auch regionale Turniere, um ihre<br />

Wettkampfroutinen entwickeln zu können.<br />

Am Bundesstützpunkt werden darüber hinaus<br />

drei interne Wettkämpfe durchgeführt,<br />

die speziell für die Bogensportler des Bundesstützpunktes<br />

ausgerichtet sind und von<br />

Kampfrichtern begleitet werden. Bei diesen<br />

Wettkämpfen können die Sportschüler Normen<br />

für ihre Leistungsvorgaben erfüllen.<br />

1/23 JUGEND <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 59


JUGEND<br />

Beim Bogenhalten vor einem Spiegel wird die Haltekraft bei sauberer Technikausführung<br />

trainiert. <br />

Foto: SLZB<br />

Sportschülerin Lisa Lucks aus Berlin beim internationalen Vergleichskampf der Nachwuchsathleten<br />

in Frankreich. <br />

Foto: BSM<br />

ENTWICKLUNG DES SCHULPROJEKTES<br />

In der Vergangenheit wurden ausschließlich<br />

Schüler ab der siebten Klasse in das Bogensportprojekt<br />

aufgenommen. Seit 2019<br />

können nun schon Schüler ab der fünften<br />

Klasse beim Bogenschießen am Bundesstützpunkt<br />

einsteigen. Das ist ein Beispiel<br />

für die Fortentwicklung dieses Projekts. Ein<br />

langfristiges Ziel ist die Realisierung von<br />

Schulklassen am SLZB, die ausschließlich<br />

von Bogenschützen besetzt werden. Aktuell<br />

handelt es sich um Klassen, in denen die<br />

Bogenschützen mit Turnern und Eiskunstläufern<br />

vermischt werden. Die Größe der<br />

Schulklassen liegt am SLZB bei etwa zehn<br />

bis zwölf Schülern. Projektkoordinatorin<br />

Sandra Dehn weiß, dass für die Besetzung<br />

ganzer Schulklassen mit Bogenschützen<br />

eine Erhöhung der Sportschülerzahl sowie<br />

eine Aufstockung des Trainerpersonals erforderlich<br />

werden. Auch das SLZB muss im<br />

Vorfeld organisatorische Anpassungen vornehmen,<br />

bevor dieses Ziel realisiert werden<br />

kann.<br />

Dieser Artikel über das Bogensportprojekt am Schulund<br />

Leistungssportzentrum Berlin (SLZB) ist die letzte<br />

Etappe unserer Artikelserie über die Schulsportprojekte,<br />

auch wenn nicht alle Projekte in Deutschland berücksichtigt<br />

werden konnten. Es folgt eine Zusammenfassung<br />

der vorgestellten Schulsportprojekte mit Tipps<br />

für die Realisierung Ihres eigenen Schulsportprojektes<br />

in Ihrer Region.<br />

DER WEG EINES NACHWUCHSSPORTLERS NACH BERLIN<br />

Schüler ab der siebten Klasse nehmen bis<br />

spätestens Januar des jeweiligen Jahres Kontakt<br />

mit der Bundesstützpunktleiterin Sandra Dehn<br />

auf. Gemeinsam wird in Absprache mit dem<br />

SLZB ein Termin für eine dreitägige Sichtung in<br />

Berlin vereinbart.<br />

Der Schüler lernt in dieser Zeit den Schulalltag<br />

sowie das Internat kennen und nimmt am<br />

Bogensporttraining teil. Zusammen mit dem<br />

Bundesnachwuchstrainer erfolgt eine erste<br />

Analyse der Schießtechnik, und es gibt Hinweise<br />

zur Technikoptimierung. Anschließend werden<br />

bereits Korrekturen an der Schießtechnik<br />

vorgenommen. Innerhalb des Athletiktrainings<br />

werden die athletischen Voraussetzungen geprüft.<br />

Nach diesen drei Sichtungstagen fährt der<br />

Schüler zurück zu seinem Wohnort und hat nun<br />

Zeit, die gesammelten Eindrücke auf sich wirken<br />

zu lassen, um letztlich die Entscheidung zu treffen,<br />

ob er langfristig in dieses Bogensportprojekt<br />

einsteigen möchte. Diese Zeit nutzt er, um seine<br />

Schießtechnik auf Basis der Empfehlungen zu<br />

optimieren. Ist das Interesse bei dem Schüler<br />

auch weiterhin vorhanden, erfolgt im April oder<br />

Mai eine zweite Sichtung, bei der geprüft wird,<br />

ob der Schüler an seiner Technikumsetzung<br />

gearbeitet hat. Passen zum Ende der zweiten<br />

Sichtung alle Voraussetzungen, kann ab dem<br />

folgenden Schuljahr die Aufnahme im SLZB<br />

erfolgen.<br />

60 | <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> JUGEND 1/23


JUGEND<br />

STELLENAUSSCHREIBUNG TRAINER<br />

Der Landessportbund Berlin e.V. sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt:<br />

TRAINER*IN (m/w/d)<br />

in der Sportart Bogenschießen<br />

HIER BEWEISEN SIE AUSDAUER UND TALENT<br />

• Zentrale Verantwortung und Mitarbeit beim<br />

Trainingsprozess und der Betreuung der<br />

Landeskaderathlet*innen im Landesstützpunkt<br />

• Führung einer Trainingsgruppe von<br />

Sportschüler*innen des SLZB<br />

• Enge Kooperation und Koordination mit dem<br />

„Schul- und Leistungssportzentrum Berlin“<br />

(Eliteschule des Sports), Vereinstrainer*innen,<br />

Bundesnachwuchstrainer*innen und der Bundesstützpunktleitung<br />

• Erarbeiten und Anpassen von Nachwuchstrainingskonzeptionen<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

dem Spitzenverband und deren Umsetzung auf<br />

Landesebene und Mitwirkung bei der Weiterentwicklung<br />

dieser Konzeptionen<br />

• Initiierung, Organisation und Kontrolle von<br />

Sichtungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit<br />

Schule und Vereinen<br />

• Sportfachliches Führen des<br />

Verbandstrainer*innen-Teams nach den Richtlinien<br />

des Spitzenverbandes<br />

• Verantwortungsbewusste Mitarbeit bei der Ausund<br />

Weiterbildung von Übungsleiter*innen und<br />

Trainer*innen der Vereine<br />

• Wissenschaftliche Arbeitsdokumentation<br />

• Übernahme organisatorischer und verwaltungstechnischer<br />

Arbeiten des Aufgabengebietes<br />

DAMIT KÖNNEN SIE BEI UNS PUNKTEN<br />

• Hochschulabschluss Sport/Pädagogik,<br />

Diplomtrainer*in oder Trainer*in A-Lizenz<br />

• Nachgewiesene pädagogische Erfahrungen und<br />

erfolgreiche Arbeit im Nachwuchsleistungssport<br />

• Ausgeprägte Kompetenzen im Hinblick auf<br />

Kommunikationsfähigkeit<br />

• Motivationsfähigkeit von jungen Menschen,<br />

Belastbarkeit, Leistungsfähigkeit, Selbständigkeit<br />

sowie Teamfähigkeit<br />

• Kooperatives, zielorientiertes und konzeptionelles<br />

Arbeiten sowie ein sehr gutes Aufgaben- und<br />

Zeitmanagement<br />

SPORT ALS ARBEITGEBER:<br />

STARTSCHUSS FÜR IHRE KARRIERE<br />

Entdecken Sie einen Arbeitgeber, der Familienfreundlichkeit<br />

großschreibt, bei dem echter Teamgeist<br />

zählt und Sie sich individuell weiterentwickeln<br />

können! Darüber hinaus erwarten Sie viele weitere<br />

Vorteile: Freuen Sie sich auf eine attraktive Vergütung<br />

nach der Betriebsvereinbarung für Landestrainer<br />

samt Jahressonderzahlung mit umfangreichen<br />

Sozialleistungen wie Betriebliche Altersvorsorge,<br />

Gesundheitsmanagement mit interessanten Angeboten,<br />

sowie Firmenlaptop. Jetzt heißt es: Bahn frei<br />

für Ihren Einstieg bei uns – wir heißen Sie herzlich<br />

WILLKOMMEN IN UNSEREM TEAM!<br />

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden<br />

(6-Tage Woche). Die Stelle ist vorerst für 2 Jahre<br />

nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zu<br />

besetzen. Eine unbefristete Weiterbeschäftigung<br />

wird angestrebt.<br />

Vielfalt ist ein Teil von uns! Wir freuen uns unabhängig<br />

von Geschlecht, Nationalität, ethnischer<br />

und sozialer Herkunft, Religion, Weltanschauung,<br />

Behinderung, Alter sowie sexueller Orientierung<br />

und Identität auf Ihre Bewerbung.<br />

DAS KLINGT NACH EINER<br />

HERAUSFORDERUNG FÜR SIE?<br />

Dann fehlt jetzt nur noch eines: Ihre Bewerbung!<br />

Wir freuen uns auf Ihre Unterlagen - am besten<br />

per Mail - an bewerbung@lsb-berlin.de. Sie<br />

haben noch Fragen? Ihre Ansprechpartnerin Aline<br />

Viezens gibt Ihnen unter 030 - 30002-134 gerne<br />

die passenden Antworten. Wir sind gespannt, von<br />

Ihnen zu hören!<br />

Landessportbund Berlin e.V. | Direktion – Stabsstelle Recht und Personal | Jesse-Owens-Allee 2 | 14053 Berlin<br />

DRSPOT – UNSER EXPERTENTEAM<br />

Du hast eine Frage rund um den Bogensport?<br />

Zögern Sie nicht diese zu stellen! Einfach per Mail an unsere Dr-Spot-Adresse<br />

schreiben und einer unserer Experten beantwortet Ihre Frage!<br />

www.bogensport.de/dr-spot-ein-expertenteam-fuer-ihre-fragen/<br />

1/23 JUGEND <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> | 61


AKTIONSABO<br />

FÜR NUR 25 EURO<br />

SECHS AUSGABEN LESEN – FÜNF ZAHLEN<br />

PLUS <strong>BOGENSPORT</strong>-BRILLEN-<br />

PUTZTUCH SICHERN!<br />

<br />

JETZT<br />

TESTEN<br />

UND SPAREN<br />

PLUS GESCHENK<br />

SICHERN!<br />

INFOS ÜBER DIE NATIONALE UND INTERNATIONALE SZENE | TESTBERICHTE | TIPPS FÜR TRAINING UND WETTKAMPF | REPORTAGEN | INTERVIEWS | PORTRÄTS<br />

JETZT TESTEN UND SPAREN!<br />

Ja, ich möchte das <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> kennenlernen.<br />

Bitte senden Sie mir die nächsten sechs Ausgaben zum Vorzugspreis von 25,00 Euro zu*.<br />

Als Dankeschön erhalte ich ein hochwertiges Bogensport-Brillenputztuch.<br />

Name, Vorname<br />

Geburtsdatum<br />

Ausfüllen, ausschneiden<br />

und im Briefumschlag senden, faxen oder mailen!<br />

* Das Angebot gilt einmalig und nur für Nichtabonnenten. Wenn ich Ihnen innerhalb von 30<br />

Tagen nach Erhalt der fünften Ausgabe keine gegenteilige Mitteilung mache, möchte ich<br />

nach Ablauf des Aktionsabos ein reguläres Jahresabonnement beziehen. Dieses beinhaltet<br />

sechs Ausgaben zum Preis von nur 30,00 Euro pro Jahr.<br />

Das Jahresabonnement ist jederzeit mit einer Frist von einem Monat schriftlich kündbar.<br />

Ich habe das Recht, diese Bestellung innerhalb von 14 Tagen bei der Kuhn Fachverlag<br />

GmbH & Co. KG, Marktplatz 7, 78054 VS-Schwenningen, schriftlich zu widerrufen.<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Wohnort<br />

Datum<br />

Unterschrift<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Ich bezahle bequem per Bankeinzug:<br />

IBAN<br />

BIC/SWIFT<br />

Institut<br />

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass das <strong>BOGENSPORT</strong><strong>MAGAZIN</strong> mich<br />

künftig per Telefon und/oder postalisch über interessante Angebote und Aktionen<br />

informiert. Meine Daten werden nicht an verlagsfremde Unternehmen weitergegeben.<br />

<br />

Unterschrift<br />

Kuhn Fachverlag GmbH & Co. KG<br />

Marktplatz 7 · 78054 VS-Schwenningen · Fax: 0 77 20 / 39 42 94 · Mail: abonnement@bogensport.de


MINIMIERTER<br />

DREHMOMENT<br />

SCHAUMKERN<br />

HOLZKERN<br />

SPEZIELLE FARBE<br />

BLOCKIERT<br />

INFRAROTSTRAHLEN<br />

MIT EHS-<br />

DÄMPFUNGSSYSTEM<br />

SPEZIALKUNSTSTOFF-<br />

KOMPONENTE FÜR DEN<br />

ALUMINIUM-HYBRID-BLOCK


STronghold Targets<br />

X-SERIE<br />

Du Suchst die Perfekte ZIelscheibe? Mit zuverlässiger<br />

stoppwirkung?<br />

Pfeile und Bolzen lassen sich trotzdem ganz easy ziehen?<br />

Dann hast du mit der X-SERIES von Stronghold Targets dein<br />

Ziel gefunden!<br />

• Pfeile und BoLzen werden mehr als zuverlässig gestoppt<br />

• Dringen maximal bis zu einem Viertel ihrer Länge ein,<br />

selbst bei stärksten Bögen und HIGH-end Armbrüsten mit<br />

Geschwindigkeiten von bis zu 500fps<br />

• lebensdauer von 100.000 Schuss<br />

• Auch Mobil einsetzbar dank schultergurt

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!