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Schwein gehabt? - Provieh

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12 TITELTHEMA<br />

In Deutschland ist es noch immer<br />

Gang und Gebe, männliche<br />

Ferkel ohne Betäubung zu<br />

kastrieren. Hauptgrund für die<br />

Kastration ist, dass etwa 10 %<br />

der männlichen <strong>Schwein</strong>e<br />

(Eber) mit Erreichen der Geschlechtsreife<br />

(ab einem Alter<br />

von ca. fünf Monaten) den so<br />

genannten Ebergeruch entwickeln.<br />

Dieser wird in erster<br />

Linie durch das Pheromon Androsteron<br />

sowie durch ein mikrobielles<br />

Abbauprodukt im<br />

Dickdarm, Skatol, bewirkt. Der<br />

Ebergeruch wird erst beim Erhitzen,<br />

also beim Kochen oder<br />

Braten, wahrgenommen. Anhand<br />

eines Kochtests könnte<br />

somit im Schlachthof kontrolliert<br />

werden, ob das Fleisch den von<br />

vielen als unangenehm empfundenen<br />

Geruch entwickelt. Ist<br />

dies der Fall, könnte dieses<br />

Fleisch zu Wurstwaren oder<br />

Rohschinken verarbeitet werden.<br />

Bei diesen Produkten wird<br />

der Ebergeruch nicht wahrgenommen.<br />

Dieses Verfahren<br />

wird in der Schweiz bereits erprobt.<br />

In der Bevölkerung bestehen<br />

hinsichtlich der Wahrnehmung<br />

regionale Unterschiede. Es<br />

heißt, dass die Deutschen besonders<br />

sensibel reagieren,<br />

weswegen in Deutschland nur<br />

Kastraten gemästet werden. In<br />

anderen Ländern, z.B. Spanien<br />

und Großbritannien, wird traditionell<br />

auch unkastriert gemästet.<br />

Norwegen hat ab dem<br />

Die Qual der Jungs – Betäubungslose Ferkelkastration<br />

1. Januar 2009 ein Kastrationsverbot<br />

erlassen, seit 1.<br />

August 2003 darf nur noch<br />

unter Schmerzausschaltung<br />

und durch Tierärzte kastriert<br />

werden. Auch in der<br />

Schweiz ist eine betäubungslose<br />

Kastration ab<br />

dem Jahr 2009 nicht mehr<br />

zulässig. Auf EU-Ebene gewinnt<br />

dieses Thema an Bedeutung.<br />

Am 29. Januar<br />

fand in Brüssel ein Workshop<br />

statt, auf welchem sich<br />

die europäische Kommission<br />

mit Veterinärexperten der<br />

EU-Mitgliedsstaaten und Interessenverbänden<br />

über Alternativen<br />

zu betäubungsloser<br />

Kastration verständigte.<br />

Ein weiteres Seminar zu diesem<br />

Thema findet voraussichtlich<br />

im November 2007<br />

in Brüssel statt.<br />

Wenige Tage alt:<br />

Obwohl die betäubungslose Kastration von Wirbeltieren grundsätzlich<br />

durch das deutsche Tierschutzgesetz verboten ist, gelten für<br />

Jungtiere Ausnahmen. Demnach dürfen <strong>Schwein</strong>e bis zu einem Alter<br />

von sieben Tagen ohne Betäubung kastriert werden. Diese Regelung<br />

wurde unter der Annahme getroffen, dass das Schmerzempfinden<br />

bei Jungtieren noch nicht so weit ausgeprägt sei. Allerdings<br />

ist mittlerweile aufgrund von Studien zweifelsfrei erwiesen,<br />

was man mit gesundem Menschenverstand schon lange wusste: Die<br />

betäubungslose Kastration bedeutet für die Tiere erhebliche<br />

Schmerzen.<br />

Bereits 2004 wurden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />

(EBLS) Alternativen zur betäubungslosen Kastration<br />

dargelegt. Auch auf dem DGSG-Symposium „Tierschutz in der<br />

<strong>Schwein</strong>ehaltung“ am 15. Mai in Bakum wurden von verschiedenen<br />

Referenten unterschiedliche Methoden als Alternativen erläu-<br />

Qualvoller Eingriff ohne Betäubung<br />

tert. Im Folgenden werden Alternativen dargestellt:<br />

1. Einsatz von Betäubungsmitteln oder<br />

Narkotika vor der Kastration<br />

a) Allgemeinanästhesie (Vollnarkose): Man unterscheidet<br />

die Inhalationsnarkose von der<br />

Injektionsmethode. Die kurze Inhalationsnarkose<br />

scheint im Vergleich der beiden Methoden<br />

besser geeignet.<br />

b) Örtliche Betäubung (Lokalanästhesie): Der<br />

Stressfaktor wird nicht verringert, zudem ist<br />

die Injektion schmerzhaft.<br />

2. Immunokastration: Eine Substanz (Antikörper),<br />

die die Bildung von Testosteron und<br />

seines Nebenprodukts Androstenon unterbindet,<br />

wird zweimal injiziert. Dieses Verfahren<br />

wird unter anderem schon in Australien praktiziert,<br />

in Deutschland gibt es noch keine Zulassung.<br />

3. Spermasexing: Hierbei sollen mittels Untersuchungen<br />

vor der Befruchtung der Eizelle<br />

das Geschlecht des Spermas festgestellt werden,<br />

um so gezielt männliche oder weibliche<br />

Nachkommen zu erzeugen. In der Praxis ist<br />

dieses Verfahren noch nicht anwendbar.<br />

4. Genetische Selektion: Tests bewiesen,<br />

dass es linien- und rassebedingte Unterschiede<br />

bezüglich des Ebergeruchs gibt. Allerdings<br />

besteht hier noch viel Forschungsbedarf.<br />

5. Ebermast: Es besteht die Möglichkeit der<br />

Schlachtung vor der Geschlechtsreife. Damit<br />

soll der Ebergeruch vermieden werden. Die<br />

Benutzung der „Elektronischen Nase" am<br />

Schlachthof soll zudem verwendet werden um<br />

geruchlich auffälliges Eberfleisch zu identifizieren.<br />

Das Gerät ist noch nicht praxistauglich<br />

(zu langsam) und sehr teuer, könnte aber auch<br />

zur Feststellung von Atemwegserkrankungen<br />

genutzt werden.<br />

Es muss nicht extra betont werden, dass PROVIEH<br />

selbstverständlich die Ebermast favorisiert, da<br />

dies die Lösung ist, die das Tier am wenigsten beeinträchtigt.<br />

Christina Söhner, Büro Brüssel<br />

Anne Isensee, Fachreferentin Nutztiere<br />

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