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AUSGABE 5 28. Januar 2023 € 4,90 DAS MAGAZIN /// HIER SIND DIE FAKTEN /// SEIT 1993
Friedrich
Merz
Wo steht die
Union nach einem
Jahr Merz?
Pamela
Anderson
Was macht die
Marilyn Monroe der
Neunziger heute?
FASTENZEIT & VORSÄTZE
Die Kunst
des einfachen
Lebens
Wenn weniger mehr ist.
Ein Plädoyer für
maßvollen Konsum
Exklusiv: Papst Benedikts
letztes Geheimnis
Warum Joseph Ratzinger wirklich zurücktrat, an welcher Krankheit er litt
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E-PAPER LESEN:
EDITORIAL
Wird die Zeitenwende
zur Abwärtswende?
Von Robert Schneider, Chefredakteur
Foto: Peter Rigaud/FOCUS-Magazin
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
„Zeitenwende“ war das „Wort des Jahres“
2022. Wenn es nach mir ginge, könnte
die Gesellschaft für deutsche Sprache für
dieses Jahr die Suche einstellen und erneut
die „Zeitenwende“ küren. Denn ganz
überwiegend ist sie ausgeblieben, selbst
bei der Bundeswehr, für die Kanzler Olaf
Scholz den Begriff nach dem russischen
Überfall auf die Ukraine vor einem Jahr
geprägt hatte.
Zwar wurde ein Sondervermögen in
Höhe von 100 Milliarden Euro geschaffen,
doch bei den Streitkräften ist bislang
wenig angekommen. Heeresinspekteur
Alfons Mais diese Woche zum Ausrüstungsstand
der Truppe: „Die absolute
Blankheit hat zugenommen.“
Mais hatte im vergangenen Jahr Öffentlichkeit
und Politik mit dem Satz aufgeschreckt:
„Die Bundeswehr steht mehr
oder weniger blank da.“ Nur ein Beispiel:
1994 wusste der damalige Wehrbeauftragte
Alfred Biehle zu berichten, dass
wegen Munitionsmangels die Soldaten in
der Infanteriegefechtsausbildung „peng,
peng“ rufen mussten, statt zu schießen. So
schlimm ist es heute noch nicht, aber auch
drei Jahrzehnte später hat die Bundeswehr
immer noch massive Munitionsprobleme.
Vom Ziel der stärksten Armee Europas, das
der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius
ausgegeben hat, sind wir also noch
etwas entfernt. Da hilft auch der verstörende
Jubelschrei der grünen Bundestagsvizepräsidentin
Katrin Göring-Eckardt am
Dienstag auf Twitter nichts: „Die Leoparden
sind frei.“
Eine Wende ganz anderer Art droht dem
Wirtschaftsstandort Deutschland: eine
Abwärtswende. Im aktuellen Standort-
Länderindex der Familienunternehmen
belegt Deutschland den 18. Platz von
21 Rängen. Auf Platz neun, wo wir 2006
noch standen, stehen heute die Niederlande.
Nach USA und Kanada auf Platz
eins und zwei folgen Schweden, Schweiz
und Dänemark. Die Folgen der seit Jahren
anhaltenden Verschlechterung unse-
rer Standortfaktoren beschreibt auch die
staatliche Förderbank KfW in einer aktuellen
Studie: Das schwache Wachstum der
Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigem
(0,3 Prozent im vergangenen Jahrzehnt)
sowie der Facharbeitermangel könnten
eine Ära schrumpfenden Wohlstands für
Deutschland bedeuten.
Ein weiteres Signal für den Abwärts-
Alarm: Die Firma Biontech, der Deutschland
und die Welt den vielleicht besten
Corona-Impfstoff verdanken und deren
Gewerbesteuer-Millionen den Haushalt
der Stadt Mainz im Alleingang saniert
haben, verlagert wichtige Teile der Krebsforschung
nach Großbritannien. Weil
dort die Behörden mit Unternehmen eng
zusammenarbeiten und so neue Arzneien
schneller entwickelt
werden könnten (die Briten
liegen übrigens auf
Platz sieben des Standort-
Index). Hierzulande werden
Unternehmen häufig
vor allem mit reichlich
Bürokratie gequält. Biontech
ist nicht allein: Der Bayer-Konzern
will sein Pharma-Geschäft in die USA und
nach China auslagern, und die BASF baut
in Südchina ein Werk, das Zehntausende
Jobs in Ludwigshafen gefährdet.
Es ist mir unbegreiflich, wie Wirtschaftsminister
Robert Habeck bei der Vorstellung
des Jahreswirtschaftsberichts in dieser
Woche verkünden kann, die Lage sei
besser als erwartet. Ich weiß: Deutschland
schrammt wahrscheinlich an einer Rezession
knapp vorbei, die Gasspeicher sind
voll, und die Inflation schwächt sich ab.
Aber das sind doch nur Wellenbewegungen,
die Grundströmungen aber geben zu
großer Sorge Anlass. Der Ökonom Daniel
Stelter erinnert daran, dass der Anteil der
Industrieproduktion an der Wirtschaftsleistung
seit 2015 von 25 auf 19 Prozent
gesunken ist, weil die Unternehmen lieber
im Ausland als in Deutschland investieren.
Die Gründe dafür sind seit Langem bekannt:
zu hohe Steuern und Abgaben, zu
hohe Energiepreise, viel zu lange Genehmigungsverfahren,
eine sich immer verschlechternde
Infrastruktur und massive
Robert Habeck müsste
sich endlich zum
Innovations- und
Investitionsminister
wandeln
Rückstände bei der Digitalisierung. Für
nichts davon trägt der russische Präsident
Putin die Verantwortung, auch wenn viele
in der Politik das gerne hätten. Deutschland
wird als Investitionsstandort nach unten
durchgereicht – mit schwerwiegenden
Folgen für uns alle. Selbst im Mittelstand
tragen sich viele mit Abwanderungsgedanken,
wenn sich nicht bald etwas ändert.
Eine Zeitenwende, die den Namen verdient,
fängt in den Köpfen an. So müsste
sich Habeck zum Innovations- und Investitionsminister
wandeln, der die gewaltige
Kraft der internationalen Finanzmärkte für
Deutschland mobilisiert, statt im Wesentlichen
auf staatliche Not- und Hilfsprogramme
zu setzen. Und in wenigen Wochen
werden die letzten drei
deutschen Atomkraftwerke
stillgelegt. Gleichzeitig
freut sich der Chef der
Bundesnetzagentur, der
Grüne Klaus Müller, in
internen Sitzungen über
jedes Kernkraftwerk, das
in Frankreich gerade wieder ans Netz
geht. Und der Ausbau der erneuerbaren
Energien steht weiter nur auf dem Papier.
In der Realität aber kommt er kaum voran.
Da brauchen wir uns nicht zu wundern,
wenn wir auch in zehn Jahren noch ein
Standort mit Energie-Höchstpreisen, aber
immer weniger Produktion sein werden.
Deutschland hat als Exportnation und
Industriestandort viele Jahre von Globalisierung,
fetten Absatzmärkten in China
und billigem Gas aus Russland gut gelebt.
Die anstehende umfassende Transformation
des deutschen Geschäftsmodells stellt
daher keine geringere Herausforderung
dar als der Angriff Russlands auf die Ukraine
und damit auf die Nachkriegsordnung.
Die bange Frage lautet: Schaffen wir das?
Wenn nicht, hat vielleicht „Abwärtswende“
Chancen, in näherer Zukunft zum Wort
des Jahres zu werden.
Herzlich Ihr
FOCUS 5/2023
3
Politisch
Ein Jahr im Amt
und noch immer
orientierungslos.
CDU-Chef Friedrich
Merz polarisiert,
statt zu
modernisieren
Seite 28
Postalisch
2013 legte der
deutsche Papst
Joseph Ratzinger
sein Amt nieder.
Nun enthüllt ein
Brief den tragischen
Grund
Seite 52
Plastisch
Die immersive
Schau „Viva Frida
Kahlo“ zeigt
130 Werke der
Künstlerin als
360-Grad-
Erfahrung
Seite 84
Paritätisch
Anahita Thoms
und Laura Bornmann
(l.) haben
Karriere gemacht
und kämpfen
nun für eine faire
Arbeitswelt
Seite 58
Paradiesisch
1977 besuchte
die Queen ihre
Schwester Margaret
auf Mustique.
Die Insel der
Reichen und Verschwiegenen
Seite 98
Praktisch Der E-Mini Funky Cat kommt nach Deutschland Seite 109
4 FOCUS 5/2023
Seite 4
Seite 5
INHALT NR. 5 | 28. JANUAR 2023
Titelthema
52 Der Papst, der keine Ruhe fand
Ein Brief enthüllt den wahren Grund
für den Rücktritt von Benedikt XVI. und die
Geschichte eines Martyriums
Wirtschaft
Kultur
84 Pixel statt Pinsel
Monet, Kahlo, Klimt. Alle werden jetzt in
immersiven Ausstellungen gezeigt. Aber sind
digitale Bilder wirklich eindrucksvoller?
Titel: Stephan Boehme/EyeEm/Getty Images, action press
70 Gibt es die neue Lust am Entsagen?
Die Inflation zwingt viele zum Verzicht. Doch
immer mehr Menschen nehmen sich auch
freiwillig zurück. Woher kommt die Freude
am einfachen Leben, und wie gelingt es?
75 „Mobilität findet im Kopf statt“
Philosoph Konrad Liessmann erklärt, warum
der Mangel an Optionen Freiheit schenkt
Agenda
22 Sex, Wahrheit und Video
Vergessen Sie Prinz Harry: Jetzt erzählt
Pamela Anderson ihre Geschichte. Auch auf
Netflix. Über eine missverstandene Ikone
Politik
28 Friedrich der Grobe
Er sollte die CDU wieder stark machen.
Doch nach einem Jahr als Parteichef stellt
sich die Frage: Kann Merz mehr als Angriff?
58 Von Hürden und Chancen
Zwei erfolgreiche Managerinnen diskutieren,
was sich in der Arbeitswelt ändern muss.
Etwa der Zusammenhalt unter Frauen
64 Die Energiepioniere
Wie es drei Mittelständlern gelungen ist, sich
von fossilen Rohstoffen zu verabschieden
Wissen
78 Wie Stimmen stimmig werden
Hakt es beim Sprechen oder Schlucken, hilft
die Logopädie. Ein Report aus dem Behandlungszimmer.
Plus: FOCUS-Empfehlungsliste
83 Gala am Nachthimmel
Vom Comeback eines besonderen Kometen
Pornografisch
Das gestohlene Sextape
und die Ehe mit Tommy
Lee traumatisierten
Pamela Anderson. Nun
blickt sie zurück auf
ihr Leben, teilt ihre
Wahrheit mit der Welt
Seite 22
88 Mit Herz, Verstand und etwas Hirn
Unsere Kultur-Empfehlungen der Woche
90 Zeit der Unschuld
Der Film „Close“ zeigt eine Jungsfreundschaft,
die an den Konventionen zerbricht
Leben
98 Die Entdeckung der Sehnsucht
Die Karibikinsel Mustique bietet Royals,
Reichen und Stars vor allem eines: Diskretion
102 Parka mit Heizung
Wie Energydrink-Hersteller Red Bull seine
Modemarke Alphatauri positioniert
105 Alles so schön bunt hier
Ottolenghi kocht mit Granatapfelkernen
106 „Es tut richtig weh“
DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier sorgt
sich um die Zukunft des Skisports
109 Die Katze geht mausen
Great Wall aus China bringt den
Elektro-Mini Funky Cat nach Deutschland
Rubriken
Fotos: Peter Rigaud/laif, Donatella Giagnori/ddp images, Lennart Preiss/dpa, Steffen Roth für
FOCUS-Magazin, Anwar Hussein/ddp images, Jeff Kravitz/Getty Images
34 „Die CDU muss Lösungen anbieten“
Thomas de Maizière über Krisen und die
Selbstfindungsprobleme seiner Partei
37 Politischer Datenstrudel
Schinken für Gysi und Coq au Vin für Schulz
38 Fotografie. Macht. Politik.
Der Preis Rückblende feiert die politische
Fotografie: die besten Bilder im Überblick
40 Auf die Kette gekriegt
Deutschland unterstützt doch die Ukraine.
10 Fragen und Antworten zum Panzer-Drama
44 Ein Kampf um Führung in Europa
Die deutsch-polnischen Beziehungen
sind so angespannt wie seit 1989 nicht.
Doch woran liegt das?
46 „Putin ist paranoid“
Ein Kommunismusforscher
spricht über den Zustand Russlands
und den des Präsidenten
3 Editorial
6 Kolumne von
Jan Fleischhauer
9 Nachrichten
10 Fotos der Woche
82 Echt irre
89 Salon
93 Bestseller
93 Impressum
110 Die Einflussreichen
16 Grafik der Woche 112 Leserbriefe
Schneekanone
113 Nachrufe
18 Menschen
113 Servicenummern
67 Geldmarkt
114 Tagebuch
Titelthemen sind rot markiert
IKONE
Günter Bannas über Leben
und Sterben Petra Kellys
WUNDERWUMMSIS
Inge Kloepfer über
politische Neologismen
DER HAUPTSTADTBRIEF
Herausgegeben von Ulrich Deppendorf und Ursula Münch
Jetzt noch mehr Politik im digitalen Format
Der Hauptstadtbrief Der für FOCUS-Leser
Lesen Sie digital und kostenlos noch mehr
Osten
Analysen zur aktuellen Politik.
Über eine politische Himmelsrichtung
Von Gabriel Kords Seite 2
Scannen Sie dazu einfach diesen
QR-Code: 15. Oktober 2022 | #41
FOCUS 5/2023
5
POLITIK
-
Der Papst, der
keine Ruhe fand
Über den wahren Grund seines Rücktritts
schwieg Benedikt XVI. bis kurz vor seinem Tod.
In einem Brief enthüllte er sein Geheimnis –
und die Geschichte eines Martyriums
TEXT VON EVA KALLINGER UND MARKUS KRISCHER
52
KIRCHE
Letzter Blick
Der in der Kapelle des
vatikanischen Klosters
Mater Ecclesiae aufgebahrte
Leichnam Benedikts
am Neujahrstag 2023
Foto: Vatican Media/Reuters
FOCUS 5/2023
53
WISSEN
Gibt es eine neue
Lust am Entsagen?
70 FOCUS 5/2023
TITEL
Wir leisten uns eine Familie
Marco und Daniela Bolk mit ihren sechs
Kindern und zwei Hunden in ihrem
Wohnzimmer: Am Ende haben sie
es finanziell nochimmer hinbekommen
Krisenbedingt müssen wir zurzeit auf manches verzichten. Aber viele Menschen
beschränken sich freiwillig. Sie entdecken den Reiz des einfachen Lebens.
Forscher zählen schon jeden Siebten zu den „genügsam Konsumierenden“
TEXT VON SUSANNE KAILITZ UND KURT-MARTIN MAYER
Foto: Roman Pawlowski für FOCUS-Magazin
71
LEBEN
Bestlage Linus Straßer, 30, beim Slalom von Kitzbühel, wo er das Podium nur um eine Hundertstelsekunde verpasste
Fotos: AP Photo/Marco Trovati, imago images
106
FOCUS 5/2023