172_StadtBILD_November_2017
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Aus: Günter Hain Kalender 2018, Monat Oktober
Vorwort<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Ehre, wem Ehre gebühret! Diesen in unserem<br />
Lande verbreiteten Grundsatz bezogen unsere<br />
Vorfahren nach dem I. Weltkrieg auf die vielen<br />
als Frontkämpfer gefallenen Mitbürger. Während<br />
die Linksparteien, Pazifisten und radikalen Kirchenvertreter<br />
die Kriegsprofite der Rüstungsindustrie<br />
anprangerten und schließlich den 1. August,<br />
Datum des Kriegsbeginns 1914, mehrmals<br />
als „Antikriegstag“ gestalteten, sammelten sich<br />
zahlreiche ehemalige Kriegsteilnehmer in einer<br />
vielzahl von Traditionsverbänden ehemaliger<br />
Waffengattungen oder Regimenter der Alten<br />
Armee. Anstand und patriotische Dankbarkeit<br />
für jene, die Gesundheit oder Leben geopfert<br />
hatten, führten zu einer verbreiteten Teilnahme<br />
an Gedenkveranstaltungen, insbesondere<br />
am damals eingeführten alljährlichen „Volkstrauertag“.<br />
Traditionstreffen führten ehemalige<br />
Kriegskameraden zusammen, um Erinnerungen<br />
auszutauschen. In vielen Landgemeinden errichtete<br />
man Gedenksteine mit den Namen der<br />
im Kriege gefallenen Mitbürger, wie das schon<br />
nach den Kriegen 1866 und 1870/71 geschehen<br />
war. Namentlich 1925, als durch eine Volksabstimmung<br />
Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten<br />
gewählt worden war, kam es zu zahlreichen<br />
Neugründungen von Traditionsverbänden,<br />
die mit Wiedersehenstreffen, Publikationen und<br />
Kundgebungen an die Öffentlichkeit traten und<br />
bei der Kriegsgeneration noch Gehör fanden.<br />
Insbesondere der nun gegründete Volksbund<br />
für Kriegsgräberfürsorge, der sich auch um die<br />
deutschen Soldatenfriedhöfe im vormaligen<br />
Feindesland kümmerte, konnte mit Aufmerksamkeit<br />
und Hilfsbereitschaft rechnen. Erst die<br />
Generation der vergnügungsfreudigen „goldenen<br />
Zwanzigerjahre“ wollte lieber nicht mehr an<br />
die schwere Kriegszeit erinnert werden. Nach<br />
der Niederlage von 1945 und den politischen<br />
Sprachregelungen der Besatzungsmächte geriet<br />
die Deutsche Wehrmacht in Verruf und allmählich<br />
in Vergessenheit. Das waren über 70 Jahre<br />
Nachkriegszeit. Uns damalige kindliche Zeitzeugen<br />
schmerzt es, wenn heute gar auf Weisung<br />
einer überforderten Ministerin in Kasernen geschnüffelt<br />
wird, ob es noch Spuren der „umstrittenen“<br />
Wehrmacht gibt. Ansprachen an den<br />
Volkstrauertagen mit unverbindlichen, beliebig<br />
zu anderen Anlässen austauschbaren Texten<br />
verraten fehlendes Einfühlungsvermögen und<br />
Mangel an Mut. In Millionen Familien lebt die<br />
Erinnerung an die im II. Weltkrieg gefallenen<br />
Väter, Brüder, Ehemänner und Söhne fort. Erst<br />
kürzlich hielt ich zwei winzige Amateurfotos von<br />
1936 und 1940 in der Hand, in den Wirren von<br />
Flucht und Vertreibung bei Kriegsende zufällig<br />
gerettet. Darauf erkannte ich meinen ältesten<br />
Cousin Joachim, der als Achtzehnjähriger 1945<br />
noch kurz vor Kriegsende fiel. Sein Gesicht steht<br />
vor mir, wenn ich alljährlich am Volkstrauertag<br />
um 11 Uhr an der Gedenkstele am Ständehaus<br />
einen Kranz des früheren Traditionsverbandes<br />
der Görlitzer Garnisontruppen niederlege.<br />
Die Teilnahme steht jedem Görlitzer, auch den<br />
Jüngeren, gut zu Gesicht. Ehre, wem Ehre<br />
gebühret.<br />
Ernst Kretzschmar<br />
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Einleitung<br />
3
Die Bobertalbahn –<br />
„Achtung Zug“!<br />
Arbeiter an einem Zug mit Dampflok der Firma Krauss & Co. in der Nähe des Ortes Mauer, 1904-1912 (Foto: MJG)<br />
100 Jahre alte Fotoaufnahmen zeigen<br />
Bahnstreckenbau in Schlesien<br />
Schlesisches Museum zu Görlitz eröffnet<br />
Sonderpräsentation<br />
Unter dem Titel „Die Bobertalbahn – Mit<br />
der Eisenbahn von Hirschberg nach Löwenberg“<br />
werden 32 historische Fotografien<br />
aus dem Bestand des Muzeum<br />
Karkonoskie w Jeleniej Górze (Riesengebirgsmuseum<br />
Hirschberg) gezeigt.<br />
Die Fotoausstellung bereichert bis zum<br />
14. Januar 2018 die große Schau zur<br />
175-jährigen Geschichte der Eisenbahn<br />
in Schlesien, die das Schlesische Mu-<br />
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4<br />
Sonderausstellung
Mit der Eisenbahn von Hirschberg nach Löwenberg<br />
„Achtung Zug“!<br />
Zug mit Baumaterial nahe des Ortes Mauer, ca 1904-1912 (Foto: MJG)<br />
seum präsentiert. Während ihrer Laufzeit<br />
bis zum Herbst 2018 sind mehrere<br />
Sonderpräsentationen geplant, um das<br />
spannende und umfangreiche Thema<br />
immer wieder neu zu beleuchten.<br />
Die jetzt ausgestellten Aufnahmen vom<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts dokumentieren<br />
den Bau der Eisenbahnstrecke<br />
Hirschberg – Löwenberg, die am 28.<br />
September 1909 in Betrieb genommen<br />
wurde. Ihre langwierige Entstehung ist<br />
eng mit dem Bau der Bobertalsperre<br />
verbunden. Die eindrucksvollen Aufnahmen<br />
verdeutlichen den Fortschritt des<br />
Vorhabens und die Herausforderungen<br />
für Mensch und Maschine.<br />
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Sonderausstellung<br />
5
Die Bobertalbahn –<br />
„Achtung Zug“!<br />
Bau des Bahnviadukts bei Mauer, ca. 1908 (Foto: MJG)<br />
Schon seit den 1880er Jahren gab es<br />
Pläne zum Bau einer Eisenbahnlinie von<br />
Hirschberg nach Löwenberg, doch waren<br />
diese wegen der geografischen Lage<br />
entlang des Tales mit seinen Gefällen<br />
und Bergen zu kostspielig. Sie sollten<br />
erst zwei Jahrzehnte später verwirklicht<br />
werden, als man nach dem verheerenden<br />
Jahrhunderthochwasser des Bobers<br />
und seiner Zuflüsse von 1897 endlich<br />
beschloss, eine Talsperre bei Mauer zu<br />
errichten. Seit 1902 wurden die Talsperre<br />
und die Bahnlinie parallel gebaut,<br />
wobei die Eisenbahn das wichtigste<br />
Transportmittel für die Baumaterialien<br />
der Talsperre war. Die größte Herausfor-<br />
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6<br />
Sonderausstellung
Mit der Eisenbahn von Hirschberg nach Löwenberg<br />
„Achtung Zug“!<br />
Montage des Eisenbahnviadukts über dem zukünftigen Stausee, 1908/09 (Foto: MJG)<br />
derung stellte der Abschnitt in der Nähe<br />
der Talsperre bis nach Lähn dar, wo drei<br />
Tunnel geschlagen und mehrere Viadukte<br />
errichtet werden mussten.<br />
Die Fotografien aus der Bauzeit sind ergänzt<br />
um aktuelle Bilder von der Strecke.<br />
Die Präsentation wurde vom Schlesischen<br />
Museum und dem Hirschberger<br />
Partnermuseum gemeinsam vorbereitet.<br />
Es erscheint eine Broschüre mit allen<br />
Aufnahmen und einem Aufsatz von<br />
Robert Rzeszowski zur Genese der Bobertalbahn.<br />
Das Projekt wurde durch Mittel des Europäischen<br />
Fonds für regionale Entwicklung<br />
Interreg Polen-Sachsen gefördert.<br />
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Sonderausstellung<br />
7
Die Bobertalbahn –<br />
„Achtung Zug“!<br />
Tunnelbau unter dem Hofeberg, 1909 (Foto: MJG)<br />
„Die Bobertalbahn – Mit der Eisenbahn<br />
von Hirschberg nach Löwenberg“<br />
Sonderpräsentation vom<br />
15.10.<strong>2017</strong>-14.01.2018<br />
Schlesisches Museum zu Görlitz<br />
Schönhof, Brüderstraße 8<br />
02826 Görlitz<br />
Tel. +49 (0) 3581 87910<br />
kontakt@schlesisches-museum.de<br />
www.schlesisches-museum.de<br />
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8<br />
Sonderausstellung
Mit der Eisenbahn von Hirschberg nach Löwenberg<br />
„Achtung Zug“!<br />
Bau der Talsperre und des Wasserwerkes, 1912 (Foto: MJG)<br />
Termine:<br />
5.11., 15.00 Uhr, Führung durch die Sonderpräsentation „Die Bobertalbahn“<br />
17.11., 19.00 Uhr, Vortrag von Wolf-Dieter Fiedler über die Geschichte<br />
der Eisenbahn in Görlitz<br />
26.11. und 1.1.2018, jeweils 15.00 Uhr, Führungen durch die Ausstellung<br />
„Achtung Zug! 175 Jahre Eisenbahn in Schlesien“<br />
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Sonderausstellung<br />
9
Jugenderinnerung<br />
Sylvia, einst Mädchen vom Dorf –<br />
Faschingsumzug des Kindergartens um 1958<br />
Im Alter von drei Jahren ging ich in unseren<br />
Kindergarten. An diese Zeit habe<br />
ich nur wenige Erinnerungen. Zu DDR-<br />
Zeiten wurden für den Kindergartenbesuch<br />
keine Elternbeträge erhoben.<br />
Lediglich das Mittagessen kostete 35<br />
Pfennig. Das Frühstück brachte jedes<br />
Kind in der Brottasche mit, einer kleinen<br />
Umhängetasche. Das Mittagessen wurde<br />
in der Schulküche der Schule (früheres<br />
Schloss) gekocht. Wir holten es in<br />
Kübeln auf einem kleinen Handwagen.<br />
Zwei Kinder der großen Gruppe zogen<br />
an der Deichsel und eine Erzieherin<br />
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10<br />
Geschichte
weiß Jugenderinnerungen zu erzählen (Teil II)<br />
schob den Waagen. An Geburtstagen<br />
brachte das jeweilige Geburtstagskind<br />
einen Kuchen mit. Oma buk meistens<br />
einen Apfelkuchen. Als Geburtstagskind<br />
durfte ich mir meinen Tischnachbarn<br />
selbst aussuchen. In der Faschingszeit<br />
veranstalteten wir kostümierte lustige<br />
Umzüge durch das Dorf. Im Winter hatten<br />
wir viel Spaß beim Rodeln auf dem<br />
Kindergartengelände. Mein Vater fuhr<br />
damals mit seinem LKW die Milchkanne<br />
in die Görlitzer Molkerei. Manchmal<br />
durfte ich ein Stück mitfahren, um dann<br />
am Kindergarten auszusteigen. Es kam<br />
aber auch vor, dass ich ihn überredete,<br />
mit in die Stadt fahren zu dürfen. Zum<br />
60jährigen Bestehen des Kindergartens<br />
im Jahre 2011 waren erfreulicherweise<br />
auch zwei meiner damaligen Erzieherinnen<br />
gekommen. So konnten wir alte<br />
Erinnerungen austauschen.<br />
Mein Vater bescherte mich zu Weihnachten,<br />
ich war wohl so fünf Jahre alt,<br />
mit einer von ihm selbst gebauten Puppenstube,<br />
bestehend aus Küche, Wohnstube<br />
und einer kleinen Schlafstube mit<br />
Treppe ins Obergeschoss zur Veranda.<br />
Die Räume belegte er mit einem Holzparkett.<br />
Er hatte die kleinen Sprossenfenster<br />
auch selbst angefertigt und legte<br />
Licht in die Puppenstube. Die Oma<br />
nähte mir Gardinchen für die kleinen<br />
Fenster. Einige Möbel von damals, Puppen,<br />
das Waschbecken, die Küchenmöbel<br />
und der kleine blaue Küchenherd aus<br />
Metall, den ich mit einer Kerze beheizte,<br />
existieren heute noch. Das sind alles so<br />
liebe Erinnerungen an eine Kindheit.<br />
Mit meiner Freundin, die in der Nachbarschaft<br />
aufwuchs, waren wir unzertrennlich.<br />
Wir spielten miteinander Brett- und<br />
Kartenspiele, Federball und Hoppe oder<br />
kullerten uns einfach den Wiesenhang<br />
hinunter. Wir liehen uns in der Gemeindebücherei<br />
regelmäßig Bücher aus und<br />
fuhren mit den Rädern in die Fichtenhöhe<br />
an der Nieskyer Chaussee baden.<br />
Als Kindern bereitete uns aber auch der<br />
Weiße Schöps Badevergnügen. Beliebte<br />
Badestellen in Kunnersdorf waren an<br />
der Frömter-Mühle oberhalb des Wehres<br />
und hinter der Niederdorfbrücke auf<br />
der linken Seite des Schöpses nach Torga.<br />
Dort lernte ich das Schwimmen.<br />
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Geschichte 11
Jugenderinnerung<br />
Sylvia, einst Mädchen vom Dorf –<br />
Nur wenige besaßen damals ein Auto.<br />
Mit dem Bus fuhr man nach Görlitz zur<br />
Arbeit, zu Besorgungen oder zum Arzt.<br />
Er war schon am Kirchplatz gut besetzt,<br />
so dass die Fahrgäste an der nächsten<br />
Station bereits Stehplätze einnehmen<br />
mussten. Ich erinnere mich, dass der<br />
Bus manchmal sogar mit Anhänger fuhr<br />
und eine Schaffnerin mit umgehängter<br />
Schaffnertasche das Fahrgeld kassierte.<br />
Unsere Eltern und Großeltern hatten uns<br />
eingeschärft, im Bus den Erwachsenen<br />
unsere Plätze anzubieten und im Dorfe<br />
zu grüßen, allerdings nicht mit dem<br />
heute üblichen „Hallo!“.<br />
Im Gastronom auf dem Postplatz gönnten<br />
wir uns manchmal eine Bockwurst.<br />
Einmal passierte es bei dem Biss in die<br />
Wurst, dass die Wurstbrühe auf die Kleidung<br />
unseres Tischnachbarn spritzte.<br />
Er war natürlich nicht sehr erfreut und<br />
wollte sich wegen Schadenersatz bei<br />
uns melden. Der Mann hatte uns gehörig<br />
Angst eingejagt, ließ aber zum Glück<br />
nichts mehr von sich hören!<br />
Einen Fernseher schafften wir uns Anfang<br />
der sechziger Jahre an. Sehr gern<br />
sah ich die Kinderfilme in der wöchentlichen<br />
Sendung „Bei Professor Flimmerich“,<br />
die beliebten Kindersendungen<br />
„Flax und Krümel“, „Meister Nadelöhr“<br />
und den Abendgruß mit dem Sandmännchen<br />
als Rahmenfigur. Es wurde noch in<br />
schwarz-weiß gesendet. Auch liebte ich<br />
es, die Kinderhörspiele im Rundfunk zu<br />
verfolgen.<br />
Das Bücherangebot war zu meiner Kindheit<br />
nicht so umfangreich wie heute.<br />
Manchmal bekam ich zum Geburtstag<br />
oder zu Weihnachten Bücher geschenkt,<br />
die ich heute noch besitze, z. B. das große<br />
Wilhelm-Busch-Album und Robinson<br />
Crusoe. Im Vergleich zu heute besaßen<br />
wir nicht so viel Spielzeug, waren aber<br />
trotzdem zufrieden und schätzten das<br />
wenige.<br />
Riesig freute ich mich über meinen ersten<br />
Fotoapparat, eine „Pouva Start“.<br />
Der Film (Rollenfilm) hatte nur wenige<br />
Bilder, aber was störte das schon? Die<br />
Hauptsache war, man konnte wichtige<br />
Ereignisse im Bild festhalten! Sicher<br />
wurde schon damals der Grundstein für<br />
mein fotografisches Interesse geweckt.<br />
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12<br />
Geschichte
weiß Jugenderinnerungen zu erzählen (Teil II)<br />
Schulanfang, September 1959<br />
In den 1950er und -60er Jahren kam der<br />
Landfilm wöchentlich einmal in unsere<br />
Dörfer. Das Kino fand im großen oder<br />
kleinen Saal des Gerichtskretschams<br />
Kunnersdorf (Inhaber Ernst Leutert)<br />
statt. Es lief je eine Nachmittag- und<br />
Abendveranstaltung für Kinder und Erwachsene.<br />
Auch ich war mit meiner<br />
Freundin eine begeisterte Kinobesucherin.<br />
Die Eintrittspreise betrugen für<br />
Erwachsene 85 Pfennig, für Rentner 40<br />
und für Kinder 25. Genauso wie damals<br />
mein Vater lachten wir herzlich über die<br />
Stummfilme. Die Edgar-Wallace-Filme<br />
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Geschichte<br />
13
Jugenderinnerung<br />
Sylvia, einst Mädchen vom Dorf –<br />
Faschingsumzug des Kunnersdorfer Kindergartens um 1960<br />
erregten so großen Zuspruch, dass sogar<br />
die Galerie im großen Saal besetzt<br />
war. Es gab immer Filmprogramme des<br />
gerade laufenden Filmes für 10 Pfennig<br />
zu kaufen mit Informationen über die<br />
Handlung und das Schauspielerensemble.<br />
Ich sammelte die Programme mit Begeisterung,<br />
die wir zu zwei Bänden binden<br />
ließen. Als das Fernsehen ab 1960<br />
immer mehr in den Wohnungstuben<br />
flimmerte, wurde die Besucherzahl der<br />
Veranstaltungen rückläufiger, was leider<br />
zur Einstellung des Landkinos führte.<br />
Von 1959 bis 1967 besuchte ich die<br />
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14<br />
Geschichte
weiß Jugenderinnerungen zu erzählen (Teil II)<br />
Schule im Kunnersdorfer Schloss. Die<br />
Einschulungsfotos wurden meist auf der<br />
Freitreppe gemacht. Damals trugen wir<br />
Lederranzen. Eine Schiefertafel lernte<br />
ich nicht mehr kennen. Wir schrieben<br />
ausschließlich in Schulhefte.<br />
Wir benutzten zwei Schulwege, durch<br />
das Oberdorf am Hofeteich vorbei und<br />
über den Schlosspark. Auf dem Heimweg<br />
machten wir mitunter Halt an der<br />
Grabstätte der Familie von Stockhausen<br />
(Gutsbesitzer) im Park und erledigten<br />
auf den zugewachsenen Gruftplatten<br />
unsere Hausaufgaben. Über das Kapitel<br />
der Enteignungen wurde damals wenig<br />
gesprochen, und so machten wir uns<br />
keine Gedanken über unseren „Schreibtisch“.<br />
In den Hofpausen begaben wir<br />
uns über die Freitreppe (Parkseite) auf<br />
den Schulhof, wo wir unsere Brotschnitten<br />
verzehrten. Auch konnten wir Milch<br />
in Halbliterglasflaschen bestellen. Nach<br />
der Pause mussten wir klassenweise in<br />
Zweierreihen vor der Treppe antreten.<br />
Wir wurden vom pausenaufsichtshabenden<br />
Lehrer aufgerufen, uns in die Klassenräume<br />
zu begeben.<br />
Im 1. Schuljahr trat ich den Pionieren<br />
bei, wie wohl alle Schüler meiner Klasse.<br />
Zu Wochenbeginn fand immer ein Fahnenappell<br />
vor dem Schulgebäude statt,<br />
an dem alle Klassen teilnehmen mussten.<br />
Die Leitung hatte die Pionierleiterin<br />
unserer Schule. Die Gruppenratsvorsitzenden<br />
meldeten dem Freundschaftsratsvorsitzenden,<br />
dass die Klassen zum<br />
Appell angetreten waren. Zum Appell erfolgte<br />
die Bekanntgabe der außerschulischen<br />
Veranstaltungen der kommenden<br />
Woche (z. B. Arbeitsgemeinschaften,<br />
Altstoffsammlungen). Die blaue Pionierfahne<br />
der Pionierfreundschaft „Florian<br />
Geyer“ wurde am Fahnenmast hochgezogen<br />
und zum Wochenende wieder<br />
eingeholt.<br />
Einmal im Jahr gab es eine Puppentheaterveranstaltung<br />
in der Turnhalle, die ich<br />
sehr gerne besuchte. Der Puppenspielerin<br />
Frau Lux kam vom Görlitzer Haus der<br />
Pioniere. Am letzten Schultag vor den<br />
Ferien lasen uns die Lehrer aus Büchern<br />
vor, worauf wir uns immer freuten.<br />
In den Ferien nutzte ich das Angebot<br />
der Ferienspiele. Das war eine sinnvol-<br />
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Geschichte 15
Jugenderinnerung<br />
Sylvia, einst Mädchen vom Dorf –<br />
le Freizeitbeschäftigung in den Ferien.<br />
Die Klassenzimmer waren ausgeräumt.<br />
Nachmittags ruhten wir in den Klassenräumen.<br />
Wir machten Ausflüge in<br />
den Tierpark, zur Landeskrone, fuhren<br />
baden oder spielten und trieben Sport.<br />
Das Mittagessen nahmen wir in der<br />
Schulküche ein.<br />
In der Unterstufe (Klasse 1 bis 4) war<br />
Nadelarbeit mein Lieblingsfach, wir<br />
lernten z.B. Löcher stopfen, Knöpfe annähen,<br />
sticken und Topflappen häkeln.<br />
Auch das Fach Singen mochte ich. Die<br />
Leichtathletik, besonders das Laufen,<br />
egal ob Kurzstrecken oder Ausdauerlauf,<br />
liebte ich nicht so sehr. Dafür aber freute<br />
ich mich auf das Geräteturnen. Der heutige<br />
Festsaal, den man für Feiern mieten<br />
kann, war unsere damalige Turnhalle.<br />
Dort gab es eine Sprossenwand, und<br />
es konnten Barren, Reck, Kasten und<br />
Schwebebalken aufgebaut werden. Die<br />
Rolle auf dem Schwebebalken war für<br />
den Rücken ganz schön schmerzhaft!<br />
Für das Bodenturnen rollten wir eine<br />
Matte aus.<br />
Mein Sportlehrer in der Oberstufe war<br />
Bernfried Baron. Er beteiligte sich 1962<br />
an einem Reporterwettbewerb der<br />
Sportredaktion des DDR-Fernsehens. Es<br />
musste auch eine Porträt der Bewerber<br />
erstellt werden. So kam der Fernsehfunk<br />
nach Kunnersdorf und filmte die Wirkungsstätte<br />
von B. Baron. Die Fernsehleute<br />
machten von uns Filmaufnahmen<br />
in den Klassenräumen und beim Sportunterricht.<br />
Das alles wurde im Fernsehen<br />
übertragen. Herr Baron ging bei<br />
diesem Wettbewerb als Sieger hervor.<br />
Daraufhin bewarb er sich beim Fernsehfunk<br />
als freischaffender Mitarbeiter<br />
in der Sportredaktion und arbeitete dort<br />
bis 1991. Zu meiner Schulzeit gab es<br />
noch schneereiche Winter. Im Schulsport<br />
machten wir auch Wintersport. Ich kann<br />
mich noch an Übungsstunden oder gar<br />
Meisterschaften im Skiabfahrtslauf am<br />
Kunnersdorfer Geierberg erinnern.<br />
Ab dem 5. Schuljahr war Russisch<br />
Pflichtfach. Es reizte mich, eine Fremdsprache<br />
zu erlernen. Ich gab mir Mühe<br />
und erzielte gute Noten. Die Russischkenntnisse<br />
kamen mir leider nur bei den<br />
Fahrten in die damalige Sowjetunion zu-<br />
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16<br />
Geschichte
weiß Jugenderinnerungen zu erzählen (Teil II)<br />
gute. Darüber hinaus konnte ich mein<br />
gelerntes Russisch nicht anwenden. Bei<br />
den manchmal stattfindenden deutschsowjetischen<br />
Jugendfestivalen bekam<br />
ich jedenfalls nie einen russisch sprechenden<br />
Menschen zu Gesicht.<br />
Im 7. und 8. Schuljahr (1965 bis 1967)<br />
hatten wir UTP (Unterricht in der Produktion).<br />
In diesem Schulfach arbeitete<br />
ich z. B. im Kuhstall und in der Tabakproduktion<br />
in den Feldhäusern. Die Tabakfelder<br />
lagen an der ehemaligen Poststraße<br />
in der Nähe der Schönfelderlinde.<br />
Wir blätterten die unteren reifen hellgrünen<br />
Tabakblätter ab und bekamen dabei<br />
schwarze klebrige Hände. Die Blätter<br />
kamen dann in die Tabaktrocknung auf<br />
dem heutigen Gelände der Gärtnerei<br />
Czyron. Wir Schüler wurden auch in der<br />
Kartoffelernte eingesetzt. Ein Siebkettenroder<br />
rodete die Kartoffeln und legte<br />
sie in Reihen ab. Wir Erntehelfer lasen<br />
sie in Körbe. Für jeden gefüllten Kartoffelkorb<br />
bekamen wir vom Abträger Alu-<br />
Marken, die nach dem Einsatz gegen<br />
Geld (20 Pfennig pro Korb) abgerechnet<br />
wurden. Zum Abschluss der Ernte wurden<br />
durch das Eggen noch die letzten<br />
verborgenen Kartoffeln an die Oberfläche<br />
geholt, die es aufzulesen galt. Diese<br />
Eggenkartoffeln waren bei uns Schülern<br />
nicht so beliebt. Man bezahlte sie zwar<br />
besser, jedoch war es mühsamer und<br />
zeitaufwändiger, einen Korb zu füllen.<br />
Obendrein schmerzte noch der Rücken<br />
vom ständigen Bücken.<br />
Der Schulalltag wurde auf angenehme<br />
Weise durch Wandertage unterbrochen,<br />
meist auch mehrtägig mit Übernachtungen.<br />
Wir fuhren z. B. ins Zittauer Gebirge<br />
nach Hain und Jonsdorf. Einmal war fast<br />
die gesamte Schule in der Burg Hohnstein<br />
einquartiert. Ich erinnere mich,<br />
dass wir manchmal maulten, wenn es<br />
an das Wandern ging. Aus heutiger<br />
Sicht unverständlich!<br />
Ich bin getauft, ging in die Christenlehre<br />
und in den Konfirmandenunterricht.<br />
Im Unterricht benutzten wir das reich<br />
bebilderte Lehrbuch „Christenlehre für<br />
die evangelische Jugend“. Ich besitze es<br />
heute noch und blättere gerne in ihm.<br />
Nun spornte mich mein Vater an, auf die<br />
Erweiterte Oberschule (EOS) zu gehen,<br />
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Geschichte 17
Jugenderinnerung<br />
Sylvia, einst Mädchen vom Dorf –<br />
um das Abitur zu machen. Die Lehrer<br />
unterrichteten meinen Vater, dass dies<br />
nur mit Jugendweihe möglich sei. Die<br />
Jugendweihe war die atheistische Alternativfeier<br />
zur Konfirmation mit einem<br />
Gelöbnis zum Staat und zum Sozialismus.<br />
Die Feier fand in der Turnhalle unserer<br />
Schule statt. Wir waren etwa nur<br />
fünf Teilnehmer, die anderen gingen zur<br />
Konfirmation. Wir erhielten neben der<br />
Jugendweiheurkunde das Buch „Weltall,<br />
Erde, Mensch“. Ich war sehr traurig,<br />
nicht zur Konfirmation gehen zu dürfen.<br />
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass<br />
man auch ohne Jugendweihe zur EOS<br />
gehen konnte. Die Konfirmation holte<br />
ich vor 35 Jahren nach. So konnte ich<br />
<strong>2017</strong> gemeinsam mit meinen Goldenen<br />
Konfirmanden an der Jubelkonfirmation<br />
teilnehmen. Sogar unsere damalige<br />
Klassenlehrerin, zu der wir seit der<br />
Schulzeit guten Kontakt haben, war erfreulicherweise<br />
anwesend.<br />
Am Ende meiner Schulzeit waren Poesiealben<br />
große Mode. Schulkameraden,<br />
Lehrer und Verwandte trugen sich mit<br />
sinnreichen Sprüchen und Lebensweis-<br />
Sylvia Vieweg, Ortschronistin von Kunnersdorf<br />
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18<br />
Geschichte
weiß Jugenderinnerungen zu erzählen (Teil II)<br />
heiten ein, manchmal ergänzt durch ein<br />
Passbild. Mein Poesiealbum halte ich<br />
auch heute noch in Ehren.<br />
Nun habe ich Sie, liebe Leser, zu einem<br />
kleinen Ausflug in die Jahre meiner Kindheit<br />
mitgenommen. Ich habr die Dinge<br />
aus meiner Sicht geschildert, wie ich sie<br />
erlebte. 1967 verließ ich Kunnersdorf<br />
wegen Abitur, Studium und aus beruflichen<br />
Gründen. 1981 kehrte ich auf den<br />
Bauernhof meiner Vorfahren zurück, wo<br />
ich heute noch gerne mit meinem Mann<br />
lebe.<br />
Zum Abschluss meiner Ausführungen<br />
für meine Leser noch eine Kostprobe<br />
aus meinem Poesiealbum. Es sind Zeilen<br />
von Beethoven, die mir einst ein Lehrer<br />
in Poesiealbum schrieb.<br />
„Wohltun, wo man kann,<br />
Freiheit über alles lieben,<br />
Wahrheit nicht verleugnen“<br />
Sylvia Vieweg, Kunnersdorf<br />
Sylvia Vieweg, August <strong>2017</strong><br />
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Geschichte<br />
19
Ausstellungen im Landratsamt –<br />
Bernd Lange, Landrat Görlitz<br />
Die schöne alte Stadt Görlitz ist reich<br />
an Baudenkmalen vieler Epochen. Ein<br />
großartiges Museumsangebot aus vielen<br />
Bereichen erstaunt immer wieder<br />
die Besucher. Aber wie schaut es mit<br />
Kulturhäusern, mit Ausstellungsräumen<br />
moderner Kunst, mit Galerien aus? Hier<br />
ist bis auf eine kleine Galerie in der Brüderstraße<br />
leider Fehlanzeige angesagt.<br />
Große, teils leerstehende, historische<br />
Hallenhäuser wären eine ideale Kulisse<br />
für einen lebendigen Kunst- und Kulturbetrieb<br />
in der Stadt, die einstmals<br />
sogar Kulturhauptstadt Europas werden<br />
wollte...<br />
Hier ist es nun das Verdienst des Landratsamtes<br />
Görlitz unter seinem Leiter<br />
Bernd Lange und dem immer rührigen<br />
Kulturamtsleiter Joachim Mühle, seit<br />
nunmehr 10 Jahren gemeinsam mit<br />
den vielen in der Region beheimateten<br />
Künstlern Arbeitswochen (Plain Airs) an<br />
den verschiedensten Orten in der Oberlausitzer<br />
Industrie- und Kulturlandschaft<br />
sowie im benachbarten Ausland organisiert<br />
zu haben. Mangels geeigneter Ausstellungsräume<br />
wurde das Landratsamt<br />
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20<br />
Ausblick
Ausstellungen<br />
aus der Not eine Tugend gemacht<br />
Horst Jurst, Altstadtfest Görlitz<br />
Görlitz einfach zur größten Gemäldegalerie<br />
zwischen Dresden und Breslau umfunktioniert.<br />
So finden wir in allen Gängen ständig<br />
wechselnde Ausstellungen heimischer<br />
und ehemals hier lebender Künstler, die<br />
hier eine ungewöhnliche Möglichkeit haben,<br />
inmitten des laufenden Dienstbetriebes<br />
des Landratsamtes einer breiten<br />
Öffentlichkeit ihre vielseitigen Werke zu<br />
präsentieren.<br />
Zusätzlich zur profanen Atmosphäre des<br />
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Ausblick<br />
21
Ausstellungen im Landratsamt –<br />
Egbert Kasper, Künstler<br />
Landratsamtes wurde gemeinsam mit<br />
der vor den Toren der Stadt liegenden<br />
Gemeinde Königshain das hübsche Barockschloß<br />
Königshain zu einem weiteren<br />
Kultur- und Ausstellungsensemble umgestaltet.<br />
So finden in den historischen<br />
Räumen ebenfalls ständig wechselnde<br />
Ausstellungen und Konzerte mit Werken<br />
hiesiger Künstler statt.<br />
Derzeit befindet sich im Schloß eine außergewöhnliche<br />
sehenswerte Ausstellung<br />
des aus Görliitz stammenden und jetzt in<br />
Kamenz lebenden Künstlers Egbert Kasper<br />
aus Anlass seines 60. Geburtstages<br />
zum Thema Wucherungen.<br />
Das Thema veranschaulicht schon des<br />
Künstlers enge Verbindung zur heimischen<br />
Natur, wo er schon als Kind<br />
Pflanzen, Steine, Äste und andere „Wucherungen“<br />
sammelte und künstlerisch<br />
als Plastiken bearbeitete oder abstrakte<br />
Grafiken nach den Vorbildern der Natur<br />
schuf. Die hervorragend gestaltete Ausstellung<br />
gibt einen ziemlich umfassenden<br />
Überblick über das umfangreiche Schaffen<br />
und die Entwicklung des Ausnahmekünstlers<br />
Egbert Kasper.<br />
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22<br />
Ausblick
Ausstellungen<br />
aus der Not eine Tugend gemacht<br />
Egbert Kasper, Zeichnung O.T., 2011<br />
Während die Werke der frühen Periode<br />
bis Ende der 90er Jahre sich noch an<br />
figürlichen Themen orientierten, können<br />
wir in den Werken ab dem neuen<br />
Jahrtausend in manchen wellenförmigen<br />
Zeichnungen den Einfluß der Oberlausitzer<br />
Landschaft erkennen. Egbert Kasper<br />
wurde in dieser Zeit von den Einflüssen<br />
Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich<br />
Claus geprägt. Seit 2003 wird der Ausdruck<br />
in Kaspers Grafiken kräftiger, und<br />
Acrylfarben werden verstärkt eingesetzt.<br />
<br />
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<br />
Ausblick<br />
<br />
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<br />
23
Ausstellungen im Landratsamt –<br />
Zecherpaar am Klosterplatz - Diesen schönen Brunnen<br />
schuf die Görlitzer Künstlerin Gisela Mauermann<br />
Natürlich kann die Ausstellung nur einen<br />
kleinen Einblick in das Wirken des<br />
unermüdlichen Künstlers gewähren, der<br />
auch selbst ein großer Sammler zeitgenössischer<br />
Kunst und Artefacte ist. Aber<br />
auch als fachkundiger und einfühlsamer<br />
Restaurator (Naumburg) hat sich Egbert<br />
Kasper einen guten Ruf erworben.<br />
Doch machen Sie sich am besten selbst<br />
ein Bild vom Wirken des Künstlers und<br />
besuchen Sie die Ausstellung im Schloß<br />
Königshain!<br />
Bereits im Januarheft des StadtBild haben<br />
wir ausführlich das Wirken der Görlitzer<br />
Künstlerin Gisela Mauermann vorgestellt,<br />
welchem wir überall im Stadtbild<br />
der Stadt Görlitz begegnen können.<br />
Während Gisela Mauermanns Wirken in<br />
ihrer aktiven Zeit sich vorwiegend auf das<br />
plastische Schaffen beschränkte, mußte<br />
die Künstlerin später aus persönlichen<br />
Gründen die bildhauerische Tätigkeit<br />
aufgeben und schuf dafür sehenswerte,<br />
ausdrucksstarke Grafiken und Gemälde,<br />
die vorwiegend die künstlerische Darstellung<br />
der schönen Oberlausitz zum<br />
Inhalt haben.<br />
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24<br />
Ausblick
Ausstellungen<br />
aus der Not eine Tugend gemacht<br />
Gisela Mauermann mit<br />
Zwillingsschwester vor ihrer Diplomarbeit<br />
Gisela Mauermann ist eine sehr vielseitige,<br />
begabte Künstlerin, so dass man oft<br />
schon glaubte, dass nicht alle Werke aus<br />
Ihrer Hand stammen.<br />
Aber dem ist nicht so, obwohl Gisela<br />
noch eine zum Verwechseln ähnliche<br />
Zwillingsschwester hat, stammen alle<br />
bildhauerischen und bildnerischen Werke<br />
allein aus ihrer Hand.<br />
Wer sich näher mit dem künstlerischen<br />
Schaffen der Görlitzer Künstlerin beschäftigen<br />
möchte, dem sei das Stadt-<br />
Bild, Ausgabe Januar <strong>2017</strong>, empfohlen.<br />
Diese Ausstellung mit Gisela Mauermanns<br />
neuesten Werken können Sie in<br />
der 1. Etage des Landratamtes besichtigen.<br />
Aber auch in den anderen Etagen des<br />
Landratsamtes finden wir einheimische<br />
Kunst. So finden wir im EG sowie in<br />
den oberen Etagen eine große Auswahl<br />
des bekannten Weißwasseraner Künstlers<br />
Horst Jurtz, die einen umfassenden<br />
Überblick über rund 60 Jahre künstlerischen<br />
Schaffens vermittelt. Diese ausdruckstarken<br />
Bilder mit den kräftigen<br />
Farben lassen den Besucher in die jah-<br />
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Ausblick<br />
25
Ausstellungen im Landratsamt –<br />
Gisela Mauermann, Inga Arnold-Geierhos, Gabriele Beinlich, Gudrun Feuerriegel, Horst Jurtz,<br />
Marika Strobl, Gerd Hallaschk (von links nach rechts)<br />
reszeitlichen Schönheiten der Oberlausitz<br />
eintauchen.<br />
Horst Jurtz ist schon weit über die 80,<br />
aber immer noch voller Ideen für weiteres<br />
künstlerisches Schaffen. Horst Jurtz<br />
begann seine Ausbildung in den Glaswerken<br />
Weißwasser und war als Glas- und<br />
Porzellanmaler tätig. Um all das Schöne,<br />
was es in der Natur zu entdecken gibt,<br />
zu gestalten, entdeckte er für sich erst<br />
das Aquarell, danach die Ölmalerei und<br />
Druckgrafik. Aber Horst Jurtz ist ein un-<br />
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26<br />
Ausblick
Ausstellungen<br />
aus der Not eine Tugend gemacht<br />
ruhiger Geist, der nicht bei einem Duktus<br />
stehenbleiben kann und ständig mit<br />
neuen Farben und Materialien experimentiert.<br />
Diese Vielfalt seines Könnens spiegelt<br />
die Ausstellung im Landratsamt Görlitz<br />
überzeugend wider.<br />
Leider haben wir im StadtBild nicht die<br />
Möglichkeit, auf alle Details ausführlich<br />
einzugehen, weswegen ich Ihnen unbedingt<br />
einen Besuch des Landratsamtes<br />
Görlitz sowie des Barockschlosses Königshain<br />
ans Herz legen darf.<br />
Die Arbeiten nebenstehender Künstler<br />
sind im Haus B, 2. Obergeschoss zu sehen.<br />
Übrigens können die meisten Originalwerke<br />
der Künstler auch käuflich<br />
erworben werben. Hier kann Ihnen Frau<br />
Neugebauer aus dem Kulturamt fachkundige<br />
Auskunft geben.<br />
Bertram Oertel<br />
Das Landratsamt Görlitz befindet sich in der<br />
Bahnhofstraße 24 (gegenüber dem Bahnhof)<br />
und ist werktags zu den üblichen Behördenzeiten<br />
geöffnet.<br />
Das Barockschloß Königshain ist Dienstag bis<br />
Donnerstag von 11-15 Uhr und Samstag, Sonntag<br />
und an Feiertagen von 14-17 Uhr geöffnet.<br />
Horst Jurst, Straßenszene in Brüssel<br />
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Ausblick<br />
27
Horst<br />
Ein unvergessener<br />
Wenzel<br />
Görlitzer –<br />
Der mit 83 Jahren verstorbene Görlitzer<br />
Lehrer Horst Wenzel hätte <strong>2017</strong> seinen<br />
90. Geburtstag begangen. Er war mein<br />
Klassenlehrer in der 5. und 6. Klasse an<br />
der Schule I der Schulstraße in Görlitz.<br />
Damals bestand großer Lehrermangel,<br />
geschuldet dem Krieg, der im September<br />
1939 von Deutschland begonnen und am<br />
8. Mai 1945 ein Chaos des Gesellschaftlichen<br />
Lebens innerhalb der sowjetischen<br />
Besatzungszone hinterlassen hatte. Das<br />
Berufsleben von Horst Wenzel als Lehrer<br />
begann ähnlich eines Quereinsteigers<br />
als Neulehrer. Nach kurzer Schulung,<br />
sprich Schnellbesohlung, u.a. in Lauba<br />
bei Löbau, unterrichteten die Neulehrer<br />
die Schüler. Die Klassenstärke betrug<br />
zum Teil bis zu 40 Schülern, resultierend<br />
durch die Vertreibung der deutschen Bürger<br />
aus den Gebieten östlich der Neiße<br />
und die Kriegsflüchtlinge, die hofften,<br />
wieder in ihre Heimat östlich der Neiße<br />
nach Kriegsende zurückkehren zu können.<br />
Der Schulbeginn nach Kriegsende<br />
war der 1. Dezember 1945. Schulunterricht<br />
am Nachmittag war Normalität. Einige<br />
Schüler in unseren Klassen hatten<br />
1 bis 2 Jahre keinen Schulunterricht. Die<br />
Mütter nicht weniger Mitschüler waren Alleinerziehende,<br />
da ihre Männer im Krieg<br />
gefallen waren oder sich in den Kriegsgefangenlagern<br />
in der Sowjetunion befanden.<br />
Es fehlten Schulbücher, Kreide,<br />
Schreibutensilien, Schulhefte u.a.m.. Es<br />
bestand ein Mangel an Lebensmitteln,<br />
Bekleidung und Schuhwerk. Aufgrund<br />
dessen trug Wenzel eine Jacke, die Teil<br />
seiner Uniform war, die er im Krieg als<br />
Soldat trug. Ein weiteres Markenzeichen<br />
von ihm waren Knickerbocker. Infolge<br />
des Schulbuchmangels bereitete er den<br />
Unterricht vor, indem er die vorhandenen<br />
Tafeln beschrieb. Diesen Text schrieben<br />
wir dann ab, oder es stand für 2 Schüler<br />
ein Schulbuch zur Verfügung, das sie sich<br />
austauschen mussten. Unter Aufsicht der<br />
Sowjetischen Militäradministration wurden<br />
ihre Inhalte vorher geprüft, ob sie<br />
nicht Texte enthielten, die der Ideologie<br />
vor dem 8. Mai. 1945 nahe waren. Nach<br />
der Prüfung wurden sie mit einem Stempel<br />
versehen. Trotz dieser Bedingungen<br />
kam kein Schüler auf den Gedanken,<br />
den Schulbesuch abzubrechen, denn wir<br />
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28<br />
Geschichte
Horst<br />
Klassenlehrer Horst Wenzel<br />
Auf dem Hof der Schule 1 für Knaben, Schulstraße um 1947<br />
wussten um die lateinische Spruchweisheit:<br />
Non scholae, sed vitae, Nicht für die<br />
Schule, sondern fürs Leben.<br />
Horst Wenzel unterrichtete die Fächer<br />
Deutsch, Mathematik, Biologie, Sport,<br />
Russisch und Erdkunde. Nie war sein<br />
Unterricht unvorbereitet. Stets war sein<br />
Unterricht interessant, sodass es keine<br />
Disziplinprobleme gab. Er war ein begnadeter<br />
Pädagoge, der uns Schüler stets<br />
begeistern konnte. Über sein ruhiges,<br />
ausgeglichenes Naturell wirkte er immer<br />
schlichtend ein, wenn es Probleme gab.<br />
Er führte uns in die Theaterliteratur ein.<br />
Immerhin trug das Theater in Görlitz, den<br />
Namen Gerhart Hauptmann. Darum war<br />
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Geschichte<br />
29
Horst<br />
Ein unvergessener<br />
Wenzel<br />
Görlitzer<br />
es damals für das Theater in Görlitz eine<br />
Selbstverständlichkeit, jede Spielzeit ein<br />
Bühnenwerk von diesem schlesischen Literaturpreisträger<br />
aufzuführen, was beim<br />
Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-<br />
Zittau Mangelware ist. Er motivierte uns<br />
Schüler, die Stadtbibliothek aufzusuchen,<br />
indem er uns Aufgaben zu bestimmten<br />
Themen erteilte. Von den gegenwärtigen<br />
Lernbedingungen für Schüler konnten<br />
wir damals nur träumen. Er organisierte<br />
Elternabende, die wir Schüler selbst<br />
gestalteten. Jeder Schüler erhielt eine<br />
Aufgabe, sich bei diesem Elternabend<br />
auf irgendeine Weise einzubringen, z. B.<br />
Vortrag eines Gedichts, Vorlesung einer<br />
Geschichte, musikalische Darbietungen<br />
als Trio, Klavier, Violine und Blockflöte,<br />
oder es trug ein Schüler, der aus Österreich<br />
stammte, auf der Zither das Lied<br />
„Es war im Böhmerwald“ vor. Es erfolgte<br />
durch Schüler die Aufführung des Märchens<br />
„Der Teufel mit den 3 goldenen<br />
Haaren“. Der Text wurde unter Anleitung<br />
von Honst Wenzel durch einen Schüler<br />
verfasst. Er vermittelte uns die Geschichte<br />
von Görlitz und Schlesien beiderseits<br />
der Neiße. Dadurch leistete er einen Beitrag<br />
zur Heimatverbundenheit mit Görlitz<br />
und mit Schlesien östlich und westlich der<br />
Neiße. Dies geschah, obwohl es damals<br />
nicht erwünscht war, über Schlesien zu<br />
sprechen, geschweige Kenntnisse zu vermitteln.<br />
Übermittelte man Kenntnis oder<br />
sprach man über Schlesien, geriet man<br />
in den Verdacht, ein Revanchist zu sein.<br />
Horst Wenzel brachte sich wie andere<br />
Lehrer außerschulisch bei der Trümmerbeseitigung<br />
der durch den Krieg zerstörten<br />
Gebäude in Niesky ein. Nie machte<br />
er als Lehrer einen Hehl daraus, dass<br />
er der evangelischen Jungen Gemeinde<br />
zugehört. Als großartiger Lehrer und<br />
Pädagoge in der Stadt Görlitz und durch<br />
sein Vorbild half er vielen heranwachsender<br />
Generationen in Görlitz, die Reife zu<br />
erlangen, die eine solide Grundlage war,<br />
ihr Leben erfolgreich zu meistern. Horst<br />
Wenzel hat als Lehrer, Pädagoge und Jugendliteraturautor<br />
es durchaus verdient,<br />
dass die Stadt Görlitz ernsthaft darüber<br />
nachdenken sollte, eine Schule in dieser<br />
Stadt nach ihm zu benennen.<br />
Dr. Jürgen Wenske<br />
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30<br />
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Redaktionsschluss: 20. <strong>November</strong> <strong>2017</strong><br />
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