34_Ausgabe September 2005
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Görlitzer Geschichte leben <strong>Ausgabe</strong> <strong>34</strong><br />
Die Görlitzer<br />
Stadthalle Teil II<br />
Zeppelin-Landung<br />
in Görlitz<br />
Zum 40. Todestag:<br />
Otto Engelhardt-Kyffhäuser
Liebe StadtBILDleser,<br />
Vorwort<br />
kaum eine andere Stadt in Deutschland vermag eine historische<br />
Altstadt wie Görlitz aufzuweisen. Davon haben sich Tausende<br />
von Touristen und Görlitzer Bürger zum Tag des offenen<br />
Denkmals überzeugt. Die Gäste informierten sich auch über das<br />
Finale um den Titel “Kulturhauptstadt 2010”. Die Redaktion des<br />
StadtBILD-Verlages wird auch weiterhin dieses einzigartige und<br />
prächtige historische Ambiente unserer Heimatstadt reflektieren.<br />
Mit Otto Engelhardt-Kyffhäuser setzen wir die Würdigung Görlitzer<br />
Persönlichkeiten fort. Weitere interessante Beiträge<br />
befinden sich in dieser <strong>Ausgabe</strong>.<br />
StadtBILD möchte sich bei all denjenigen Lesern bedanken, die<br />
mit ihren Zuschriften, Anregungen und ihrer großen Liebe zu<br />
ihrer Heimatstadt unser Magazin noch interessanter gestalten.<br />
In diesem Sinne schrieb uns die StadtBILDleserin Ursula Hanke<br />
aus Kaiserslautern:”Wunderschön sind Ihre Heftchen<br />
“Stadtbild”. Meine Freunde schenkten mir sofort das Neueste mit<br />
den Worten:”Schau Ulla, da steht was von den Griechen in<br />
Görlitz.” Na, das war eine besondere Freude. Ich wurde nämlich<br />
als Görlitzer Mädel als das “kleine Griechenmädel” betitelt.”<br />
Viel Spaß beim Lesen<br />
wünscht die Stadtbildredaktion<br />
Herausgeber (V.i.s.d.P.):<br />
StadtBILD-Verlag<br />
Inh. Thomas Oertel<br />
Carl-von-Ossietzky-Str. 45<br />
02826 Görlitz<br />
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Fax: 0 35 81/ 40 13 41<br />
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Verantwortlicher Redakteur:<br />
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Redaktion:<br />
Jenny Schreier<br />
Katja Baller<br />
Layout: Jenny Schreier<br />
Katja Baller<br />
Marnie Willig<br />
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Für unverlangt eingesandte Fotos<br />
und Manuskripte wird keine<br />
Haftung übernommen.<br />
Nachdruck von Anzeigen und<br />
Layouts nur mit ausdrücklicher<br />
Genehmigung des Herausgebers.<br />
Alle Artikel sind urheberrechtlich<br />
geschützt. c <strong>September</strong> <strong>2005</strong><br />
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4<br />
Unsere Stadthalle in 99 Jahren ihrer Geschichte - Teil II<br />
Unsere Stadthalle in 99 Jahren ihrer Geschichte - Teil II<br />
Die Musikhalle<br />
Obwohl die Stadthalle mit großem Saal,<br />
Kammermusiksaal, Gaststätte und Garten<br />
vielseitig verwendbar war, wurde sie jedoch<br />
hauptsächlich als Musikhalle geplant und<br />
erbaut. Die erfolgreichen und mittlerweile<br />
stark beachteten Schlesischen Musikfeste<br />
(1878 erstmals in Görlitz) sollten endlich<br />
einen würdigen Rahmen bekommen. Das<br />
Konzertpause 1911<br />
war man auch der aufblühenden Hauptstadt<br />
der preußischen Oberlausitz schuldig.<br />
Mit dem Schlesischen Musikfest 1911 unter<br />
dem Dirigenten Dr. Karl Muck, Berlin, begann<br />
nun für das ansehnliche Bauwerk eine<br />
Serie unvergesslicher Höhepunkte im schlesischen<br />
Musikleben. Zum letzten Male im<br />
kaiserlichen Deutschland vereinten sich<br />
1913 Mitwirkende und Zuhörer in der ge-<br />
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Eine Brücke,<br />
die verbindet.<br />
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wohnten glanzvollen Atmosphäre. Neben<br />
der königlichen Kapelle (dann Philharmonie)<br />
Berlin waren es insbesondere die niederschlesischen<br />
Chorvereine, die den Erfolg<br />
der Aufführungen garantierten. Monatelang<br />
bereiteten sich die Chöre intensiv in<br />
ihren Heimatorten vor, bevor es dann zu den<br />
abschließenden gemeinsamen Proben in<br />
Görlitz kam. Ohne die Stadthalle und die<br />
Konzerte dort wäre Görlitz schwerlich zu<br />
ihrem Ruf als Musikstadt gekommen. Auch<br />
der Verein der Musikfreunde zu Görlitz,<br />
1875 gegründet, hatte nun eine ideale Spielstätte<br />
für seine alljährlichen Konzertzyklen.<br />
Immerhin zwölf Jahre mussten vergehen,<br />
bis nach der erzwungenen Unterbrechung<br />
durch Weltkrieg, Revolution und Nachkriegsnot<br />
an die Fortsetzung der Schlesischen<br />
Musikfeste zu denken war. In den Jahren<br />
1925, 1928 und 1931 war es besonders<br />
das Philharmonische<br />
Orchester<br />
Berlin unter Dr.<br />
Wilhelm Furtwängler,<br />
das mit<br />
dem Festchor aus<br />
dem ganzen Niederschlesien<br />
alten<br />
Glanz wiederaufleben<br />
ließ, aber<br />
auch dem Neuen<br />
Raum gab. Jüngere<br />
5<br />
Dirigenten und Solisten<br />
wagten mo-<br />
Wilhelm Furtwängler<br />
dernere Interpretationen und stellten neben<br />
den bewährten und nach wie vor gefragten<br />
Klassikern auch zeitgenössische Komponisten<br />
vor. Der Publikumskreis erweiterte<br />
sich. Hatten vorher Bürgertum und Adel die<br />
Feste geprägt, so ließen sich nun auch Angestellte,<br />
Arbeiter und Jugend zum Zuhören<br />
und Mitgestalten anregen. Volkstümliche<br />
Musizierformen, Einführungsvorträge und<br />
Ausstellungen erleichterten den Zugang zu<br />
alter und neuer Musik. Dennoch blieb der<br />
festliche Charakter der Stadthallenkonzerte<br />
Gemeinsam<br />
sind wir für die Sanierung<br />
der Stadthalle stark.<br />
Reinhard W. Fröhlich - Mitglied im Förderverein Stadthalle<br />
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6<br />
durchaus gewahrt. Man<br />
empfand die Würde als angemessen,<br />
keineswegs als<br />
steif und angestaubt. Auch<br />
der Organist der Peterskirche,<br />
Eberhard Wenzel, ein<br />
Meister des Chorgesangs,<br />
bereicherte nun als Dirigent<br />
und mit Orgelkonzerten das<br />
Programm.<br />
Zum Musikfest 1937 erfuhr<br />
der große Saal bauliche<br />
Korrekturen. Dekorative<br />
Elemente der Rangbrüstungen<br />
verschwanden hinter glatten Flächen.<br />
Die Beleuchtung wurde moderner. Geglättete<br />
Saalwände sollten eine bessere Akustik<br />
Furtwängler nach einem<br />
Konzert in der Stadthalle<br />
Schlesisches Musikfest 1925<br />
(auch für Tonaufnahmen) sichern. Auch der<br />
Zeitgeschmack war nüchterner geworden.<br />
Die Musikfeste 1937, 1940 und 1942 folgten<br />
bei starkem Besucherandrang,<br />
volkstümlicher Aufführungspraxis<br />
und stärkerer<br />
Hinwendung zur schlesischen<br />
Musiktradition vor<br />
allem staatlichen ideologischen<br />
Vorgaben.<br />
Nach 1945 war jahrzehntelang<br />
nicht mehr an Schlesische<br />
Musikfeste zu denken.<br />
Es gab jedoch zwischen<br />
1946 und 1957 neun Görlitzer<br />
Musikwochen, die mit<br />
örtlichen Kräften und hoch-<br />
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angigen Gästen bestritten wurden. Bedeutende<br />
Klangkörper waren bei dieser Gelegenheit<br />
in der Stadthalle zu Gast, die Staatskapelle<br />
Berlin, die Dresdener Philharmonie,<br />
das Gewandhausorchester Leipzig, der<br />
Dresdener Kreuzchor. Dirigenten wie<br />
Abendroth, Bongartz, Konwitschny und<br />
Mauersberger sorgten für höchste Qualität.<br />
Die traditionellen Sinfoniekonzerte mit<br />
dem städtischen Orchester wurden jahrzehntelang<br />
ununterbrochen fortgeführt. Namen<br />
von Musikdirektoren wie Walter<br />
Schartner, Rolf Kleinert, Robert Hanell und<br />
Alfred Schönfelder sind unvergessen.<br />
Durch eine mutige Bürgerinitiative wurden<br />
die Schlesischen Musikfester 1996 wiederbelebt.<br />
Nach der Unterbrechung während<br />
des Krieges sind nun wiederum fünf Musikfeste<br />
(von insgesamt 31) mit Erfolg gelaufen,<br />
allerdings seltener oder gar nicht<br />
mehr in der Stadthalle. Freilich widerspricht<br />
das der ursprünglichen Bestimmung des<br />
Bauwerkes, zumal auch die Sauer-Orgel<br />
nach der Restaurierung 1991 wieder nutzbar<br />
ist. Immerhin gab die Neue Lausitzer Philharmonie<br />
unter Christof Escher und<br />
Eckehard Stier hier umjubelte Sinfoniekonzerte.<br />
Wie immer eine Zukunft<br />
der Stadthalle<br />
aussehen mag, sie<br />
wird auch Konzerthalle<br />
bleiben müssen.<br />
7<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
Der Dresdener<br />
Kreuzchor 1951<br />
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8<br />
Vor 75 Jahren - Zeppelin-Landung in Görlitz<br />
Vor 75 Jahren - Zeppelin-Landung in Görlitz<br />
Selten hat ein Ereignis in Görlitz die Gemüter<br />
so stark bewegt wie die Landung des<br />
Luftschiffs “Graf Zeppelin” am 5. Oktober<br />
1930. Das war die Zeit der Weltwirtschaftskrise.<br />
Schon zählte man hier in der Stadt<br />
über 10000 Arbeitslose. Der lange vorbereitete<br />
“Zeppelintag” sollte die trübe Stimmung<br />
etwas aufbessern helfen. Das gelang<br />
wohl auch. Die Görlitzer Tageszeitungen<br />
schwärmten in ihren<br />
ausführlichen Berichten<br />
und nannten<br />
erstaunliche Zahlen,<br />
die so recht nach<br />
dem Geschmack jener<br />
sensationshungrigen<br />
Generation<br />
waren.<br />
Obwohl es vorher<br />
stundenlang regnete<br />
und der heftige<br />
Wind die Landung<br />
fraglich erscheinen ließ, sollen 120000<br />
Schaulustige rund um den Flugplatz an der<br />
Gebirgsdorfer Straße versammelt gewesen<br />
sein. Hausdächer und Fenster waren überall<br />
dicht besetzt. Die Straßenbahn meldete<br />
43000 Fahrgäste. Die fahrplanmäßigen Züge<br />
und 31 Sonderzüge brachten 45000<br />
Auswärtige zum Ereignis des Jahres in das<br />
Zentrum der preußischen Oberlausitz. Sie<br />
kamen aus Sachsen, Schlesien, Böhmen, der<br />
Niederlausitz und den Städten und Dörfern<br />
des Landkreises. Gastwirte und Kaufleute<br />
rieben sich die Hände, denn trotz der Notzeit<br />
saß das Geld für diesen Tag etwas lockerer.<br />
Allerlei Zeppelinandenken waren im<br />
Handumdrehen verkauft. In Tabakläden und<br />
Lebensmittelgeschäften leerten sich die Regale.<br />
Reklameflugzeuge,<br />
die für verschiedene<br />
Zigarettensorten<br />
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warben, lenkten die<br />
Blicke nach oben.<br />
Mittags setzte sich<br />
der Menschenstrom<br />
zum Flugplatz in<br />
Bewegung.<br />
Etwa 6000 Autos sollen sich durch das<br />
Gewühl gequält haben. Schirme, Hüte und<br />
Regenmäntel hielten die Nässe ab; auch<br />
Sitzhocker und Decken wurden vorsorglich<br />
mitgeschleppt. Sogar die Landeskrone war<br />
stark bevölkert, denn mancher hoffte auf einen<br />
besseren Überblick von dort. Viele<br />
Pferdefuhrwerke, Lastwagen und Motorrä-<br />
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der bahnten sich mühsam einen Weg durch<br />
Menschenknäuel und Pfützen.<br />
Die Ankunft des Zeppelins war für 15 Uhr<br />
angekündigt. Aber schon eine Stunde vor<br />
der Zeit tauchte er aus den Regenwolken<br />
auf. Trotz heftiger Windstöße landete er um<br />
14.15 Uhr auf dem Flugplatz. Angehörige<br />
der Reichswehr-Garnison und Mitglieder<br />
des Vereins “Luftfahrt Görlitz” hatten Mühe,<br />
die Halteseile zu beherrschen. Die<br />
Menge durchbrach die Absperrungen,<br />
9<br />
stürzte über durchnässte Felder und Wiesen,<br />
stürmte auf das Rollfeld.. Polizei und Ordner<br />
bekamen zu tun. 32 Fahrgäste aus Leipzig<br />
verließen die Kanzel, 29 stiegen mit<br />
Oberbürgermeister Dr. Wiesner ein zum<br />
Rückflug nach Friedrichshafen, versorgt<br />
auch mit “Landskronbier”. Die Sammler<br />
hatten wegen der Sonderstempel “Zeppelinpost”<br />
aufgegeben, die nun mit auf die Reise<br />
ging. Nach einer halben Stunde erhob sich<br />
das Luftschiff wieder und kreuzte noch eine<br />
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Stunde lang über der Stadt und der Landeskrone,<br />
für kurze Zeit sogar im Sonnenlicht.<br />
So kamen alle Schaulustigen und Fotografen<br />
doch noch auf ihre Kosten. Das Gedränge<br />
der froh gestimmten Zeppelinfreunde<br />
hielt noch bis in die Nachtstunden an, während<br />
die Auswärtigen schon längst wieder<br />
auf der Heimreise waren. Wie Märchenkulissen<br />
waren Kaisertrutz, Rathaus, Peterskirche<br />
und Ruhmeshalle von farbigen<br />
Scheinwerfern angestrahlt. Menschenströme<br />
wälzten sich in die Altstadt, durch die<br />
Berliner Straße oder zu den Vororten.<br />
Familientreffen mit den angereisten Verwandten<br />
dauerten bis in die Morgenstunden.<br />
Straßenbahnen trieben mit heftigem<br />
Gebimmel die Passanten auseinander.<br />
Strassenverkäufer wurden umringt; man riss<br />
ihnen Zigaretten und warme Würstchen aus<br />
den Händen.<br />
Die ausführlichen und reich illustrierten<br />
Zeitungsberichte schnitt man sich aus. In<br />
den Schaufenstern der Drogerien gab es Fotos<br />
zu betrachten. Die Leistungen deutscher<br />
Wissenschaftler und Techniker galten nun<br />
wieder etwas, nachdem die Illusionen von<br />
der belebenden USA-Wirtschaftshilfe angesichts<br />
der verheerenden Krise zerplatzt waren.<br />
Ansichtskarten und Fotoserien vom Zeppelinbesuch<br />
waren schnell vergriffen und wanderten<br />
in die Familienalben, wo sie von den<br />
Urenkeln noch heute mit Staunen betrachtet<br />
werden.<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
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Wer wird Kulturhauptstadt Europas 2010?<br />
Der weitere Weg zur Entscheidung<br />
Die Europastadt Görlitz/Zgorzelec steht,<br />
gemeinsam mit der Stadt Essen, die sich<br />
stellvertretend für das gesamte Ruhrgebiet<br />
bewirbt, im Finale um den Titel „Kulturhauptstadt<br />
Europas 2010".<br />
Wir stehen vor entscheidenden Monaten,<br />
denn spätestens im November 2006 soll<br />
der Titelträger feststehen. Wie geht es nun<br />
weiter? Wie sieht der Zeitplan zur<br />
Entscheidung aus?<br />
Es ist vorgesehen, dass im April 2006 eine<br />
europäische Jury, die sich aus hochrangi-<br />
Leipzigs OB Tiefensee auf dem Weg<br />
zum Ausschuss der Regionen.<br />
13<br />
gen Kulturexperten zusammensetzt, beide<br />
Bewerber bewertet. Benannt werden die<br />
Jurymitglieder von den Gremien der<br />
Europäischen Union in Brüssel. Dabei werden<br />
zwei Mitglieder vom Rat der EU, zwei<br />
von der Europäischen Kommission, zwei<br />
vom Europaparlament und ein Vertreter<br />
vom Ausschuss der Regionen nominiert.<br />
Als erste Institution hat der Europäische<br />
Rat seine beiden Jurymitglieder benannt.<br />
Es handelt sich um Sir Jeremy Isaacs aus<br />
Großbritannien und Claude Frisoni aus Luxemburg.<br />
Beide Herren sind absolute Kenner<br />
der europäischen Kultur und Kulturpolitik;<br />
die anderen, noch zu benennenden<br />
fünf Jurymitglieder werden von ähnlicher<br />
Klasse sein.<br />
Das weitere Prozedere auf dem Weg zum<br />
Titel gestaltet sich wie folgt:<br />
Ein Besuch der Städte, wie zuletzt beim innerdeutschen<br />
Entscheid, war zunächst nicht<br />
vorgesehen. Die endgültige Entscheidung<br />
sollte, wie schon erwähnt, im November<br />
2006 fallen. Nun scheint aber auch ein verkürztes<br />
Auswahlverfahren möglich.<br />
Während einer gemeinsamen Pressekonferenz<br />
am 2. Juni <strong>2005</strong> in der Akademie der<br />
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14<br />
Künste Berlin hatten die beiden Finalisten<br />
darauf gedrungen, die Entscheidung nicht<br />
„vom grünen Tisch aus" zu fällen. Zudem<br />
hatten die Vertreter aus Essen und Görlitz/<br />
Zgorzelec den geplante Termin für die Entscheidung<br />
als zu spät kritisiert, denn eine<br />
kommende Kulturhauptstadt soll laut den<br />
EU-Statuten eine Vorbereitungszeit von<br />
vier Jahren für die Ausrichtung des Kulturhauptstadtjahres<br />
zur Verfügung haben.<br />
Eine offizielle Stellungnahme von Seiten<br />
der EU gab es zu diesem Aufruf nicht, es<br />
scheint aber Bewegung in das Verfahren zu<br />
kommen. Professor Olaf Schwencke erklärte<br />
kürzlich gegenüber der Deutschen Presseagentur,<br />
dass es nun wohl doch einen Besuch<br />
der Jury in Görlitz/Zgorzelec und Essen und<br />
der ungarischen Bewerberstadt geben solle,<br />
und zwar Anfang 2006. Mit der Bekanntgabe<br />
der Entscheidung sei dann voraussichtlich<br />
schon im zweiten Quartal 2006 zu rechnen.<br />
Fest steht das alles freilich nicht; die Informationsquellen<br />
des Präsidenten der<br />
deutschen Vereinigung der Europäischen<br />
Kulturstiftung haben sich in der Vergangenheit<br />
jedoch zumeist als verlässlich erwiesen.<br />
In jedem Fall sollten die Bewerber auf beide<br />
Varianten gefasst sein.<br />
Die Aktivitäten des Kulturhauptstadtbüros<br />
konzentrieren sich nun verstärkt auf die<br />
Brüsseler Entscheidungsträger. Als erste<br />
Aktion wird es am 5. Oktober <strong>2005</strong> eine gemeinsame<br />
Präsentation mit der Stadt Essen<br />
in Brüssel geben. Das dortige Goethe-Institut<br />
hat die Konkurrenten eingeladen, sich<br />
vorzustellen, und zwar gleichzeitig.<br />
Schließlich muss das Institut unparteiisch<br />
bleiben.<br />
Kai Grebasch<br />
Im Mai tagte der Ausschuss der Regionen<br />
in Wroclaw - Auch hier war Lobbyarbeit<br />
gefragt. Die Tagungsteilnehmer wurden<br />
mit Kulturhauptstadt-Schokoladenherzen<br />
an die Europastadt erinnert<br />
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ist am 2. <strong>September</strong> <strong>2005</strong> im Alter von<br />
87 Jahren verstorben.<br />
Grafiken, Aquarelle und Illustrationen<br />
für Bücher und andere Druckerzeuginsse<br />
standen im Mittelpunkt<br />
seines künstlerischen Schaffens.<br />
Er entwickelte mit Vorliebe Arbeiten<br />
mit farbiger Stroh-und Emailtechnik.<br />
Höhepunkte in seinem Leben<br />
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im Görlitzer Kaisertrutz, im<br />
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Die drei herausragenden Kunst- und<br />
Schriftmaler Otto Engelhardt-Kyffhäuser,<br />
Hans Schummers und Sylvester<br />
Schrammek waren seine<br />
großen Vorbilder.<br />
Wir werden ihn in guter Erinnerung<br />
behalten .<br />
Das Team des StadtBILD-Verlages
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16<br />
Vor 40 Jahren starb Otto Engelhardt-Kyffhäuser<br />
Vor 40 Jahren starb Otto Engelhardt-Kyffhäuser<br />
Wie so viele Persönlichkeiten, die für die<br />
Geschichte der Stadt Görlitz wichtig waren,<br />
kam Otto Engelhardt-Kyffhäuser von auswärts.<br />
Geboren wurde er am 8.1.1884 im<br />
thüringischen Artern als Sohn eines Kaufmanns.<br />
Er war das fünfte<br />
von acht Kindern in der<br />
Familie. Seine Studien in<br />
Kassel, Berlin und Weimar<br />
schloß er 1907 als Kunsterzieher<br />
für höhere Schulen<br />
ab. Drei Jahre lang<br />
konnte er Kunstzentren in<br />
Europa bereisen und so<br />
Maßstäbe für sein eigenes<br />
Schaffen gewinnen. Er sah<br />
sich in Deutschland, Holland,<br />
Belgien, Dänemark,<br />
Schweden, Österreich und<br />
der Schweiz um. 1910<br />
wurde er Mitglied im<br />
Deutschen Künstlerbund<br />
und nahm auf Empfehlung von Max Liebermann<br />
den Künstlernamen Engelhardt-Kyffhäuser<br />
(Hinweis auf die Landschaft seiner<br />
Herkunft) an. In Burg bei Magdeburg begann<br />
er 1912 als Lehrer und Kunstmaler.<br />
Der Kriegsdienst als Soldat an der Westund<br />
Ostfront (Reserve-Jäger-Bataillon<br />
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Nr.4) unterbrach seinen beruflichen Reifeprozeß.<br />
Das Erlebnis des Kriegsalltags<br />
gab jedoch entscheidende Anstöße für seine<br />
künstlerische Entwicklung als “Görlitzer<br />
Maler zwischen den Weltkriegen”.<br />
1919 kam Otto Engelhardt-Kyffhäuser<br />
nach<br />
Görlitz, das bis 1945 zu<br />
seiner neuen Heimat werden<br />
sollte. Als Kunsterzieher<br />
an der Luisenschule<br />
am Wilhelmsplatz gehörte<br />
er bald zu den beliebtesten<br />
Lehrern an dieser höheren<br />
M ä d c h e n s c h u l e . I m<br />
Kunstverein der Lausitz<br />
und in der Görlitzer<br />
Künstlerschaft war er bald<br />
eine der prägenden<br />
Persönlichkeiten des hiesigen<br />
Kunstlebens neben<br />
Johannes Wüsten, Arno<br />
Henschel, Fritz Neumann-<br />
Hegenberg und Edmund Bautz. Auch in der<br />
Oberlausitzi-schen Gesellschaft der<br />
Wissenschaften zu Görlitz (seit 1924) und<br />
als Mitbegründer des Görlitzer Rotary-<br />
Clubs (1930) beteiligte er sich am regen<br />
geistigen Fortschreiten in die-sem<br />
Leben<br />
wie<br />
Gott<br />
in<br />
Sachsen.
lausitz. Mit einer Vielzahl von Gemälden,<br />
Radierungen und Zeichnungen überlieferte<br />
er uns das Bild der Stadt und der Landschaft<br />
zwischen Isergebirge und Lausitzer Bergland.<br />
Er war ein gefragter Porträtmaler und<br />
schuf die Bildnisse der Oberbürgermeister<br />
Georg Snay, Dr. Georg Wiesner und Wilhelm<br />
Duhmer für den kleinen Sitzungssaal<br />
im Rathaus, auch Bildnisse von Ratsarchi-<br />
17<br />
var Professor Dr. Jecht, Museumsdirektor<br />
Feyerabend. Porträtskizzen von Gerhart<br />
Hauptmann, Wilhelm Furtwängler, Otto<br />
Gebühr und Eberhard Wenzel sind zu nennen.<br />
Die zwei Weltkriege, an denen der Künstler<br />
als Frontsoldat und dann als kriegsdienstverpflichteter<br />
Maler und Chronist teilnahm,<br />
rückten das Kriegsgeschehen in den Mittel-<br />
Porträt, Ratsarchivar Prof. Dr. Jecht<br />
Wandbild Luisenschule (Jacob Böhme)<br />
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18<br />
punkt seines Schaffens und bestimmten<br />
wesentlich das spätere offizielle Urteil über<br />
sein Werk. 1933 zeigte das Kaiser-Friedrich-Museum<br />
in der Ruhmeshalle die Ausstellung<br />
“Vorn” mit Bildern des Künstlers<br />
aus dem 1.Weltkrieg. 1939/1940 entstanden<br />
Bilder und Buch über den vom Künstler begleiteten<br />
“Großen Treck”, die Rückführung<br />
der Deutschen aus dem Osten in das Reichsgebiet.<br />
Bilder von den Kriegsschauplätzen<br />
in Polen, Belgien, Holland, Frankreich und<br />
der Sowjetunion waren in Ausstellungen<br />
Der “Große Treck”<br />
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(auch in Görlitz) zu sehen und wurden<br />
durch die Behörden propagandistisch<br />
genutzt.<br />
1945 wurde ein Großteil der Bilder, vorher<br />
ostwärts ausgelagert, durch die Kampfhandlungen<br />
und danach vernichtet.<br />
In seinen letzten Lebensjahren im westlichen<br />
Deutschland verarbeitete der Künstler<br />
Eindrücke in Rom, in Ägypten und im<br />
Ruhrgebiet, wo er Stahlindustrie und Bergbau<br />
als neue Motive entdeckte. Unter den<br />
politischen Bannflüchen der Besatzungszeit<br />
mit ihrer “Umerziehung” geriet sein<br />
Name ins Zwielicht. In der künstlerischen<br />
Selbstfindung der Nachkriegsjahre blieb für<br />
ihn kein Platz mehr. Fern von seiner<br />
Wahlheimat Görlitz starb Otto Engelhardt-<br />
Kyffhäuser am 7.6.1965 in Göttingen.<br />
Dennoch waren auch nach 1945 Werke des<br />
Künstlers in Ausstellungen und Veröffentlichungen<br />
in Görlitz immer wieder zu finden.<br />
Aber erst 1993 war im Kaisertrutz in Görlitz<br />
die erste Ausstellung des vielseitigen Lebenswerkes<br />
- soweit erhalten - mit Malerei,<br />
Grafik und Buchillustrationen zu sehen.<br />
Die letzte derartige Gesamtschau hatte es<br />
1944 im Kaiser-Friedrich-Museum in der<br />
Ruhmeshalle gegeben. In den Militärmuseen<br />
Dresden und Ingolstadt werden einige<br />
Arbeiten des Künstlers zu militärge-<br />
Seit 1928 Kraftfahrzeugmeisterbetrieb<br />
in familiärer Tradition<br />
Ein<br />
Bauernkopf<br />
aus Wolfhynien<br />
19<br />
schichtlichen Themen aufbewahrt. Manches<br />
befindet sich in Privatbesitz.<br />
Trotz aller Schmähungen durch die Spätmoderne<br />
und durch die ideologischen Globalisierer<br />
ist eine bodenständige, wirklichkeitsverbundene<br />
Kunst nicht am Ende. In<br />
der Ausstellung “Revision” über Görlitzer<br />
Kunstströmungen im 20. Jahrhundert, die in<br />
diesem Jahr im Kaisertrutz gezeigt wird, ist<br />
auch Engelhardt-Kyffhäuser mit seinem<br />
Werk vertreten. Selbstverständlich.<br />
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20<br />
Vom Stadtgraben zum Hightech-Lebensraum<br />
Vom Stadtgraben zum Hightech-Lebensraum<br />
Der Keller des Staatlichen Museums für Naturkunde Görlitz II<br />
Am 7. November 2003 wurde das neue Naturkundemuseum<br />
und mit ihm das Vivarium<br />
eröffnet.<br />
Heute beherbergt das Vivarium rund 40<br />
Tierarten, die in zehn naturnah eingerichteten<br />
Großpaludarien – einer Kombination<br />
aus Aquarium und Terrarium – ausgestellt<br />
Das Rasterelektronenmikroskop ermöglicht<br />
die Untersuchung winzig<br />
kleiner Strukturen bei 200.000 facher<br />
Vergrößerung.<br />
werden. Zum Teil recht seltene und bizarre<br />
Geschöpfe, wie der Smaragdwaran aus Neuguinea,<br />
die Schwarznarbenkröte aus Südostasien<br />
oder der Bunte Stelzenläufer, ein Leguan<br />
aus Südamerika, haben hier eine Heimat<br />
gefunden. Einheimische Tiere wie die<br />
Gruppe Zwergmäuse, die Ringelnatter oder<br />
ein Schwarm Oberlausitzer Teichfische in<br />
dem 8000 Liter fassenden Großaquarium<br />
sind sehr selten in Schauvivarien zu sehen.<br />
Die gute Pflege spiegelt sich im zahlreichen<br />
Nachwuchs wider, so jüngst bei den Jemenchamäleons.<br />
Die Neubürger werden, bevor<br />
sie in die großen Becken umgesiedelt oder<br />
an andere Einrichtungen abgegeben werden,<br />
in den Baby-Vitrinen im Eingangsbereich<br />
gezeigt. Hier wohnen auch skurrile Gliedertiere<br />
wie die Wandelnden Blätter und riesige<br />
Vogelspinnen. Es gibt immer etwas Neues<br />
zu entdecken! Wer sich in ein Tier oder gar<br />
ein Becken verliebt hat oder anderen eine<br />
Freude bereiten möchte, hat die Möglichkeit,<br />
eine Patenschaft zu erwerben. Der jährliche<br />
Beitrag wird für Futter- und Tierarztkosten<br />
aufgewendet und trägt so zur optimalen<br />
Pflege der Tiere bei. Tierpaten haben die<br />
Möglichkeit, ihre „Patenkinder“ zu besuchen<br />
und dabei einen Blick hinter die Kulissen<br />
des Vivariums zu werfen. Dies ist meist<br />
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auch bei Schaufütterungen, Kinderferienveranstaltungen<br />
oder Kindergeburtstagen<br />
möglich. Ein Großteil des Kellers ist nämlich<br />
dem „normalen“ Besucher nicht zugänglich.<br />
Hier befinden sich die Futtertierzuchten,<br />
Kranken- und Quarantänereviere<br />
sowie die Technikräume.<br />
Die Wasseraufbereitungsanlage wälzt täglich<br />
mehrere Kubikmeter Wasser um, filtert<br />
schädliche Stoffe heraus, reichert es mit<br />
Sauerstoff an und sorgt für die passende<br />
Wassertemperatur in den verschiedenen<br />
Becken. Der Betrieb des Vivariums wird<br />
von dessen Leiter, einem Biologen, einer<br />
Wissenschaftlichen Volontärin und einer<br />
Mitarbeiterin im Freiwilligen Ökologischen<br />
Jahr gewährleistet.<br />
Im Keller des Museums wird aber auch geforscht.<br />
Die bodenzoologische Abteilung<br />
des Museums unterhält hier ein Rasterelektronenmikroskop.<br />
Mit dieser Technik werden<br />
winzige Objekte mittels eines Elektronenstrahls<br />
abgetastet, bis zu 200.000fach<br />
vergrößert und auf einem Monitor sichtbar<br />
gemacht. Auf diese Weise können Strukturen<br />
untersucht werden, an deren Auflösung<br />
lichtmikroskopische Verfahren<br />
scheitern. Die Wissenschaftler nutzen diese<br />
Technik zur Unterscheidung winzig kleiner<br />
Bodentierarten wie Milben oder Springschwänze<br />
oder auch zur Bestimmung der<br />
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21<br />
Funktion kleinster Körperstrukturen der<br />
Tiere.<br />
Das Vivarium ist Di – So von 10.00 – 17.00<br />
Uhr geöffnet.<br />
Schaufütterungen ohne Voranmeldung gibt<br />
es jeden 1. Donnerstag im Monat um 16.00<br />
Uhr.<br />
Quelle: Staatliches Museum für<br />
Naturkunde Görlitz<br />
Dieser bodenbewohnende, 2 – 4 mm große<br />
spinnenverwandte Moosskorpion jagt in<br />
der Laubschicht unserer Wälder, rasterelektronenmikroskopische<br />
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22<br />
Moritz Böttcher - Turnvater der Oberlausitz<br />
Moritz Böttcher -Turnvater der Oberlausitz<br />
Vor 40 Jahren war sein Grabstein noch auf<br />
dem städtischen Friedhof zu finden. Aber<br />
den Namen wußte kaum noch jemand. Dabei<br />
war August Moritz Böttcher einer der<br />
bedeutendsten Lehrer, die je in Görlitz wirkten.<br />
Geboren am 5.März 1820 als Sohn<br />
eines Predigers in Herzogswalde<br />
bei Züllichau in der Neumark<br />
(östlich von Frankfurt/Oder),<br />
besuchte er in Berlin das<br />
Gymnasium. Nach einigen<br />
Jahren im Forstdienst wurde<br />
der begeisterte Anhänger<br />
von Turnvater Jahn selbst<br />
Turnlehrer. Seit 1843 widmete<br />
er sich ausschließlich<br />
der Schuljugend und dem<br />
Freizeitsport der Erwachsenen.<br />
Ab 1.Januar 1847 wurde<br />
er durch den Görlitzer Magistrat<br />
für den Turn-, Fecht- und<br />
Schwimmunterricht in allen städtischen<br />
Turnanstalten angestellt. Im<br />
gleichen Jahre wurde auf dem Gelände des<br />
früheren Jakobsspitals der erste städtische<br />
Turnplatz eingeweiht (Bereich der heutigen<br />
Schulstraße). 1867 mußte dieser Platz dem<br />
Neubaugebiet weichen und entstand weit-<br />
räumiger an der Heilig-Grab-Straße, später<br />
eng verbunden mit der Jahnschule.<br />
Vorbildliche Leistungen erzielte Böttcher im<br />
Turnunterricht am Gymnasium Augustum,<br />
an der höheren Bürgerschule (Langenstraße,<br />
dann Elisabethstraße) und auch an der<br />
höheren Mädchenschule (Fischmarkt).<br />
Noch war der Turnunterricht<br />
freiwillig und mußte<br />
bezahlt werden. Für die Jungen<br />
wurde 1861 das Pflichtturnen<br />
eingeführt, für die<br />
Mädchen 1875. Auch am<br />
Waisenhaus (Annengasse)<br />
bekamen 32 Jungen<br />
und Mädchen Turnunterricht.<br />
Beim Neubau 1856<br />
erhielt das Gymnasium am<br />
Klosterplatz eine Turnhalle,<br />
1871 die Annenschule (unter<br />
der Aula). Böttcher erteilte<br />
Schwimmunterricht in der<br />
Schülerbadeanstalt an der Neiße,<br />
u n t e r s t ü t z t d u r c h d r e i<br />
Schwimmlehrer (meist Unteroffiziere der<br />
Garnison).Etwa ein Viertel der Schüler<br />
wurden Schwimmer. 1854 gab es das erste<br />
Prüfungsturnen der Vorturner. Für die<br />
achtklassigen Volks-schulen wurden<br />
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dem Sport für Kinder und Jugendliche sollten<br />
die jungen Leute auf die hohen Anforderungen<br />
im Arbeitsprozeß (bei bis zu<br />
zwölfstündiger Arbeitszeit, Sonntagsarbeit,<br />
ohne Jahresurlaub) und im Militärdienst<br />
gerüstet werden.<br />
Seine Erfahrungen faßte Böttcher in mehreren<br />
Veröffentlichungen zusammen. Die<br />
Titel waren: “Sämtliche Turnspiele in<br />
stufenmäßiger Entwicklung” (Görlitz<br />
1848), “Unterrichtsbuch für das Mädchenturnen”<br />
(Görlitz 1851), “Turnunterricht für<br />
die Volksschule” (Görlitz 1861) “Das<br />
Schulturnen und die Einweihung des neuen<br />
Turnplatzes in Görlitz” (Breslau 1867),<br />
“Turnunterricht für Gymnasien und Realschulen.<br />
In Klassenzielen aufgestellt.”<br />
Böttcher begründete auch den Erwachsenensport<br />
in Görlitz. 1847 entstand der erste<br />
Turnverein in Görlitz. Seit 1903 nannte er<br />
sich “Alter Turnverein 1847” und besteht<br />
noch heute unter diesem Namen. Unter den<br />
40 Gründungsmitgliedern waren Handwerker<br />
und Kaufleute, die sich für den anstrengenden<br />
Berufsalltag leistungsfähig<br />
halten wollten. Bereits 1848 bildete sich der<br />
“Turn- und Rettungsverein” mit 60 Mitgliedern.<br />
(Damit bekam Görlitz als vierte deutsche<br />
Stadt eine freiwillige Feuerwehr, die<br />
erst 1888 selbständig wurde.) Beim “Verbrüderungsfest<br />
der Lausitzer” 1848 in Gör-<br />
23<br />
litz erregten Mädchenturnen und Familienturnen<br />
die Aufmerksamkeit der Gäste.<br />
1861 vereinte ein Turnfest auf der Landeskrone<br />
Sportler aus Preussen, Sachsen und<br />
Österreich-Ungarn, aus dem “Dreiländereck”<br />
also. 1883 hatte der alte Böttcher noch<br />
die Freude, ein für ganz Deutschland bedeutsames<br />
Ereignis mitzuerleben. Landtagsabgeordneter<br />
von Schenckendorff und<br />
Gymnasialrektor Dr. Eitner gründeten in<br />
Görlitz den “Verein zur Förderung von<br />
Handfertigkeit und Jugendspiel in Görlitz”<br />
und veranstalteten an den Sonntagnachmittagen<br />
Spiele. Unter dem Motto “Mit Herz<br />
und Hand fürs Vaterland” verbreitete sich<br />
diese Bewegung rasch über ganz Deutschland<br />
und begeisterte junge Leute aus allen<br />
Bevölkerungsschichten.<br />
Böttcher starb am 13.2.1907 in Görlitz. Ob<br />
es an seinem 100. Todestag ein Gedenksportfest<br />
rund um die neue Sporthalle bei der<br />
Jahnschule geben wird?<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
Turnfest auf der Landeskrone<br />
im Jahre 1861<br />
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Eine Stadtwanderung durch Görlitz<br />
im 19. Jahrhundert - Teil V<br />
Der neue Friedhof, der sich weit in der Richtung<br />
nach Norden erstreckt, ist wegen der<br />
köstlichen Aussichten auf die Stadt mit ihren<br />
Türmen eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten<br />
von Görlitz. Den im Amte gestorbenen<br />
Oberbürgermeistern<br />
von<br />
Görlitz: Demiani,<br />
Jochmann und Gobbin<br />
sind im westlichen<br />
Teile mächtige<br />
Granitwürfel, die nur<br />
ihren Namen tragen,<br />
als Denksteine gesetzt.<br />
Von hier aus<br />
lässt sich das heilige<br />
Grab, eine 1481-<br />
Das<br />
Heilige Grab<br />
1489 von Georg Emrich erbaute Nachbildung<br />
des Kuppelbaues in Jerusalem neben<br />
der Kapelle des heiligen Grabes leicht erreichen,<br />
wenn man am Südwestende den Friedhof<br />
verlassend, die Schanze hinuntersteigt<br />
und an der heiligen Grabstraße rechts wenige<br />
Stufen zu dem einst von Hunderttausenden<br />
besuchten Wallfahrtsorte, dem früheren<br />
Wahrzeichen von Görlitz, emporsteigt, dessen<br />
Einzelheiten der Kustos auf das Genaueste<br />
auseinander setzt.<br />
Nach vollendeter Besichtigung tritt man den<br />
Weg zum Demianiplatz an, vorüber an der<br />
städtischen Gasanstalt, der von der Stadt erbauten<br />
Kaserne im Granitrohbau, den grünen<br />
Graben mit seinen freundlichen Vorgärten<br />
entlang, wenn man nicht einen Abstecher<br />
nach dem am Jüdenring in der Nähe der<br />
Kaserne gelegenen städtischen Altertumsund<br />
Kunstmuseum machen will, das wöchentlich<br />
zweimal geöffnet ist und einen<br />
längeren Besuch verdient.<br />
In ersterem Falle gelangt man zunächst an<br />
das Gewerbevereinshaus im Renaissancestyl<br />
(mit Restauration) neben dem architektonisch<br />
hochinteressanten um 1490 errichteten<br />
Reichenbacher Turme, und dann<br />
vorüber an dem 1850 nach einem Entwurfe<br />
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25<br />
Friedrich Wilhelms IV. zur Hauptwache<br />
und zum Arsenal umgebauten Kaisertrutz,<br />
einer alten Bastei von 1490, die im dreißigjährigen<br />
Kriege dem Angriff der Kaiserlichen<br />
trutzte; zu dem originellen Kriegerdenkmale<br />
von 1870 und 1871, einer aus<br />
Ziegelsteinen erbauten Exedra, deren innere<br />
Wand der für den Sockel der Germania<br />
beim Berliner Einzuge gearbeitete Siemerring´sche<br />
Fries, die Erhebung des Volks auf<br />
den Ruf des Königs darstellend, von March<br />
in Charlottenburg in Ton gebrannt,<br />
schmückt.<br />
Über dem Friese steht der Spruch;” Wir lassen<br />
Pflug und Hammer, Wir lassen Buch und<br />
Kammer, In Arbeit einig und in Wehr, Mit<br />
Gott und unserm Kaiser Ein Haus, ein Volk,<br />
ein Heer.”<br />
Vor der Exedra steht die der Stadt von Kaiser<br />
Wilhelm 1871 geschenkte Kanone Le Douai<br />
mit zerschossenem Rade, das erste im Kriege<br />
gegen Frankreich von deutschen Truppen<br />
genommene französische Geschütz, das eine<br />
Abteilung “Görlitzer Jäger” in dem Gefecht<br />
von Weißenburg erobert hat.<br />
Demianiplatz mit Kaisertrutz und Moserdenkmal,<br />
im Hintergrund der Reichenbacher Turm<br />
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26<br />
Am 1850-51 erbauten und 1883 erweiterten<br />
Stadttheater mit seiner Gartenrestauration<br />
vorüber, gelangt man dann wieder auf den<br />
Marinenplatz und von dort auf der engen<br />
Struvestraße an dem Wilhelmtheater (Sommertheater)<br />
und der 1851- 53 erbauten katholischen<br />
Kirche mit schönen Glasmalereien<br />
vorbei auf die elegante Friedrich Wilhelmstraße.<br />
An ihr liegen das Ressourcengebäude<br />
und in der Uferstraße führenden<br />
Kahle das Bethaus der apostolischen Gemeinde,<br />
das Evangelische Vereinshaus mit<br />
der Herberge zur Heimat, das Schwesternhaus<br />
katholischen barmherzigen Schwestern<br />
und die Freimaurerloge zur gekrönten<br />
Schlange friedlich nebeneinander, ein Symbol<br />
der in Görlitz vor jeden Glauben.<br />
Am Südende der Friedrich Wilhelmstraße<br />
nimmt der städtische Park seinen Anfang,<br />
Kriegerdenkmal am Kaisertrutz<br />
der sich von dort am weitem Bogen an dem<br />
Flusse entlang bis zur Zittauerstraße im Südwesten<br />
der Stadt hinzieht. In dem vierten<br />
Jahrzehnt dieses Jahrhunderts auf Demianis<br />
Anregung angelegt, ist dieser mit Recht von<br />
den Görlitzern hochgeschätzte und wohlgepflegte<br />
Park mit seinem Wechsel von Tal und<br />
Hügel, Rasenflächen und Wald, mit seinen<br />
schattigen Wegen, Springbrunnen und Bildwerken<br />
eine vielbeneidete Zierde der Stadt<br />
geworden. Kinderspielplätze sind auch hier<br />
im Vordergrunde; mir dem hölzernen Porticus<br />
beginnt die durch für Baumreihen beschattete<br />
Promenade, die zum Blockhause<br />
führt. Ehe wir sie betreten, werden wir uns<br />
links zum Humboldplatze mit seinem grossem<br />
Springbrunnen, unter dem zwischen<br />
vier prachtvollen, immer grünen Wellingtonien<br />
die Bronzebüste Alex. v. Humboldts auf<br />
einem altarähnlichen Sandsteinpostamente<br />
sich erhebt. Herrliche Koniferen in großer<br />
Auswahl bilden den Hintergrund- wie denn<br />
die Nadelhölzer hier vorzüglich gedeihen.<br />
Weiter nach Osten zu erhebt sich in der Nähe<br />
des botanischen Gartens, in dem etwa 3000<br />
meist technisch wichtige Pflanzen und auf<br />
einer Alpenanlage in der Nähe des reizend<br />
gelegenen Parkinspektorhauses etwa 600<br />
seltene Hochgebirgspflanzen kultiviert werden,<br />
das Denkmal des in Afrika auf der<br />
Heuglinschen Expedition 1863 gestorbenen<br />
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Heuglinschen Expedition 1863 gestorbenen<br />
Naturforschers Dr. Hermann Steudner, eine<br />
Marmorbüste von Luerssen in Berlin auf<br />
einem Syenitpostamente mit bronzenen<br />
Sphinxen. Die unter der Widmung eingehauene<br />
Pflanze ist eine Steudneria. Dem<br />
Steudnerdenkmale schräg gegenüber ist das<br />
schlichte Denkmal an 1813, ein auf dem<br />
sogenannten “Franzosenkirchhofe” errichteter<br />
epheuumrankter Granitblock mit<br />
schwarzem Kreuz und 1813. Links abwärts<br />
gehend, gelangt man zum Goldfischteiche<br />
und zu den Terrassen an der Neiße, von<br />
denen aus man die Hoffmann´sche und die<br />
städtische Badeanstalt, sowie jenseits der<br />
Neiße die chemische Fabrik des Dr. Th.<br />
Schuchardt erblickt. Ihr gegenüber liegt<br />
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diesseits des Flusses die dem Komitee für<br />
die schlesischen Musikfeste gehörige unscheinbare<br />
Musikhalle, in welcher die Musikfeste<br />
von 1878, 1880, und 1885 abgehalten<br />
wurden und im August 1887 das Herring´<br />
sche Lutherfestspiel Tausende von Zuhörern<br />
versammelte. An einem Vogelhause mit seltenen<br />
Fasanen vorüber führt der nach dem<br />
Reitplatze und zur neuen, mit einem Kostenaufwande<br />
von fast 600,000 Mark 1875 erbauten<br />
steinernen Neißebrücke. Auf dem<br />
jenseitigen Neißeufer sind große Plätze für<br />
Jugendspiele und Volksfeste, sowie neue<br />
Parkanlagen unter Benutzung der verlassenen<br />
Steinbrücke noch im Werden begriffen.<br />
Quelle: Europäische Wanderbilder Görlitz<br />
von Dr. Friedrich Blau<br />
Riesengebirgssektion,<br />
Görlitz um 1890<br />
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28<br />
Ausdruck für den Wohlstand in Görlitz<br />
waren auch die zahlreichen Brunnen, die es<br />
am Ende des 19. Jahrhunderts hier gab.<br />
Beginnen wir mit dem Neptun-Brunnen.<br />
Der Neptunbrunnen ziert seit 1756 die Südseite<br />
des Untermarktes. Vorher fand man an<br />
dieser Stelle eine schmuckreiche Anlage<br />
von Wendel Roskopf d.J. (1565/66), dann<br />
(seit Ende des 17.Jh.) eine Röhrbütte. Den<br />
Neptunbrunnen entwarf der Freiberger<br />
Geologe Charpentier ; Steinmetz war Jo-<br />
Görlitzer Brunnen Teil I<br />
Görlitzer Brunnen Teil I<br />
hann Georg Mattausch aus der Löwenberger<br />
Gegend. Die barocke Anlage erntete anfangs<br />
herbe Kritik, passt aber dennoch zu den Renaissance-<br />
und Barockhäusern am Platz. Die<br />
in den 1930er Jahren gepflanzten Bäumchen<br />
zu beiden Seiten standen nur wenige Jahre.<br />
Jahrzehntelang zierten Blumenkästen den<br />
Brunnenrand. Der Meeresgott, hier wie auch<br />
anderswo in Schlesien “Gabeljürge” genannt,<br />
könnte manches erzählen über Brautpaare<br />
und Touristen, Zechbrüder und Sommertheater.<br />
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Zum ersten künstlerischen Schmuck für die<br />
aufblühende Südstadt wurde 1902 der Goethe-Brunnen<br />
am Beginn der vornehmen<br />
Goethestraße. Seine Gesamtanlage stammt<br />
von dem Berliner Bildhauer Johannes<br />
Pfuhl, der in Görlitz bereits mit mehreren<br />
bedeutenden Werken vertreten war. Dekorative<br />
Elemente zeigten den Einfluss des<br />
“Jugendstils”. Die Büste und weitere Metallteile<br />
verschwanden 1942. Eine neue<br />
29<br />
Büste (nach Rauch), nun in Stein, entstand<br />
zum Goethejahr 1949. Der Brunnen wurde<br />
leider zugeschüttet und in ein Blumenbeet<br />
verwandelt. Selbst die bescheidenen<br />
Überbleibsel zeugen vom hohen kulturellen<br />
Anspruch der Görlitzer von damals.<br />
(Ebenfalls 1902 war die Einweihung der<br />
“Ruhmeshalle”, an deren Ausgestaltung J.<br />
Pfuhl ebenfalls beteiligt war.)<br />
Goethe-Brunnen-Anlage<br />
Mit dem Denkmalschutz eng verbunden!<br />
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30<br />
Bald nachdem das Theater 1851 eröffnet<br />
worden war, begann die Stadt das Umfeld<br />
zwischen Rademarkt und Kaisertrutz als<br />
Gartenanlage zu gestalten. Erst kurz davor<br />
war mit dem Abtragen der Stadtmauer und<br />
dem Verfüllen der Gräben die Baufreiheit<br />
dafür geschaffen worden. Vor dem Theaterneubau<br />
führten vier schräg angelegte<br />
Wege zu einem Kunstbrunnen. In der Mitte<br />
der steinernen Schale erhob sich aus der<br />
Wasserfläche ein Aufbau in Zinkguss. Eine<br />
bekleidete Mädchenfigur umklammerte einen<br />
Stamm mit einer Fontäne, deren Wasser<br />
die Figur einhüllte und in eine mittelgroße<br />
Schale fiel, die sich wiederum über eine Anzahl<br />
von kleinen Wasserspeiern in die untere<br />
Schale entleerte. Um 1910 kam es zum Umund<br />
Ausbau des Theaters. Wege und Brunnen<br />
verschwanden. Eine weitläufige Rasenfläche<br />
eröffnete den Durchblick zur Frontseite.<br />
Einziger Schmuck der Grünanlage war<br />
nun das Moser-Denkmal (1908) für den<br />
erfolgreichen Görlitzer Lustspielautor.<br />
Brunnen vor dem Theater<br />
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Die Görlitzer Schuhmacher setzten 1898 ihrem<br />
weltbekannten Berufskollegen ein<br />
Denkmal.<br />
Der Schuster-Philosoph, dessen äußeres<br />
Erscheinungsbild uns nur durch schriftliche<br />
Beschreibung überliefert ist, wird durch den<br />
Bildhauer Johannes Pfuhl in dramatischer<br />
Pose dargestellt, die aufgeschlagene Bibel<br />
auf dem Knie, die Hand mit dem Griffel auf<br />
das Herz gelegt, den Blick in die Ferne gerichtet.<br />
Aus dem Sockel der Figur lief Wasser<br />
in die Brunnenschale, Hinweis auf Böhmes<br />
Naturverbundenheit. Später versiegten<br />
die Wasserstrahlen, die Schale ist seitdem<br />
mit Erde gefüllt und bepflanzt und so auf andere<br />
Art ein Stück Natur. Anfangs mit Blick<br />
nach Osten vor der Reichenberger Brücke<br />
(heute Stadtbrücke) aufgestellt, mußte die<br />
im Krieg unversehrte Anlage nach 1970<br />
wegen der Bauarbeiten am Grenzübergang<br />
nun in den nahen Stadtpark umziehen, dort<br />
leider kaum beachtet durch den Tourismus.<br />
Aus: Dr. Ernst Kretzschmar<br />
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32<br />
Wie die Muschelminna zum Postplatz kam Teil I<br />
Wie die Muschelminna zum Postplatz kam Teil I<br />
Es begann mit einem Spaziergang. Die zwei<br />
älteren Herren, die 1877 da nur durch das<br />
Stadtzentrum zu schlendern schienen, ähnelten<br />
einander, denn sie trugen nach neuer<br />
Mode Backenbärte, die seitwärts in lange<br />
Spitzen ausliefen.<br />
Einen von ihnen grüßten die Leute ehrerbietig,<br />
denn es war ihr Oberbürgermeister<br />
Johannes Gobbin (18<strong>34</strong>-1881). Sein Begleiter,<br />
hochgewachsen und etwas steif,<br />
sollte bald in Berlin zu einiger Berühmtheit<br />
kommen als preußischer Innenminister unter<br />
Bismarck. Jetzt kam er als neuer Oberpräsident<br />
der Provinz Schlesien aus Breslau<br />
zum Antrittsbesuch nach Görlitz. Er hieß<br />
Robert von Puttkamer (1828-1900), und<br />
dieser Besuch wurde für den Postplatz und<br />
die Stadt folgenreich. Sichtlich beeindruckt<br />
durch die Neubauten rund um den Postplatz,<br />
bedauerte Puttkamer gegenüber Gobbin,<br />
die Kiesfläche zwischen den Häusern<br />
wirke öde und ärmlich. Er regte an, den<br />
Postplatz durch einen Kunstbrunnen auf<br />
seiner Mitte zu verschönern. Auf den - zu jeder<br />
Zeit üblichen - Einwand des Stadtoberhauptes,<br />
es mangele an Geld in der kommunalen<br />
Kasse, sagte sein Gast in Gönnerlaune<br />
zu, seine guten Beziehungen zu<br />
nutzen und einiges zu beschaffen. Mög-<br />
licherweise war er es auch, der den Breslauer<br />
Bildhauer Robert Toberentz (1849-1895),<br />
Leiter des Meisterateliers für Bildhauerei<br />
am Schlesischen Provinzialmuseum Breslau,<br />
als geeigneten Gestalter vorschlug. Als<br />
oberster Ordnungshüter in Preußen war Robert<br />
von Puttkamer später jahrelang beliebtes<br />
Objekt boshafter Karikaturen. Görlitz<br />
sollte seinen Namen nicht vergessen.<br />
Robert von Puttkamer, um 1880<br />
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Tatsächlich lief alles gut an. Vom Kultusministerium<br />
in Berlin kamen 78000 Mark,<br />
von der Stadt (nun unter moralischem<br />
Druck) weitere 45000 Mark, als Spenden<br />
der Görlitzer 15000 Mark.<br />
Der Künstler ging ernsthaft an die ehrenvolle<br />
Aufgabe, studierte die räumlichen<br />
Verhältnisse und Blickbeziehungen auf<br />
dem Postplatz gründlich, stellte auch technische<br />
Versuche an, um den Brunnen wirkungsvoll<br />
und harmonisch in das Platzensemble<br />
einzuordnen. Wegen eines Modells<br />
für die obere Brunnenfigur bekam er,<br />
so wurde getuschelt, Ärger mit seiner Frau.<br />
1885 kamen aus staatlichen und städtischen<br />
Mitteln nochmals über 25000 Mark. Es zog<br />
sich hin. Stadtbaurat Oskar Kubale hörte<br />
spöttisches Gelächter der Umstehenden, als<br />
er eines Tages am Bauzaun vor dem Brunnenstandort<br />
lesen mußte: “Kubale, Kubale,<br />
wird’s nu bale?”<br />
Immerhin lieferte Toberentz das Modell für<br />
die Brunnenfigur, die in Lauchhammer gegossen<br />
wurde. Die Berliner Bildhauerfamilie<br />
Ochs, obwohl mit Aufträgen überhäuft,<br />
übernahm es dann, den Marmorsockel<br />
mit Brunnenschale und allegorischen<br />
Randfiguren zu liefern. Am Ende waren<br />
zehn Jahre zwischen Idee und Einweihung<br />
vergangen. So etwas soll vorkommen,<br />
auch heute noch.<br />
Wir helfen Ihnen<br />
bei der Suche<br />
33<br />
Rückblickend beschrieb Max Kwiecinski 15<br />
Jahre nach der Einweihung den Brunnen:<br />
“Drei Stufen, umgeben von einem Bassin<br />
aus Zement, führen zu einer breiten Trittfläche<br />
hinauf. Inmitten des inneren Marmorbassins...<br />
erhebt sich das Monument. An<br />
einem breiten unteren Würfel, der ganz glatt<br />
gearbeitet ist, befindet sich in der Mitte jeder<br />
Seite eine Muschel, über denen je ein<br />
wasserspeiender Satyrkopf angebracht ist.<br />
Ein zweiter Würfel ist dem ersten aufgesetzt,<br />
so zwar, daß von der oberen Fläche desselben<br />
so viel frei hervorragt, als der Verjüngung<br />
des Ganzen angemessen. Auf dieser<br />
Fläche nun lagern vier Gestalten von außer-<br />
Oberbürgermeister Johannes Gobbin<br />
(links) und Stadtbaurat Oskar Kubale<br />
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<strong>34</strong><br />
ordentlicher Schönheit, je eine an jede Ekke<br />
des oberen Würfels gelehnt. Romantik,<br />
Nutzen, Veränderlichkeit und Kraft hat sie<br />
der Künstler benannt. An dem Hauptgesimse,<br />
das mit Korallenstöcken, Perlenschnüren<br />
etc. geschmackvoll geziert, befinden<br />
sich wieder in der Mitte jeder Seite<br />
wasserspeiende Masken. Die Krönung des<br />
Ganzen aber, demselben eine außerordentliche<br />
Wirkung verleihend, bildet ein die Natur<br />
vertretendes Weib, aus Erz gegossen, 9<br />
Fuß hoch, mitten aufstehend auf dem oberen<br />
Würfel. Die schöne, in ungezwungener<br />
Haltung aufgerichtete Gestalt trägt auf<br />
ihrem Haupte, unterstützt durch die zierlich<br />
erhobenen Arme und Hände, eine große<br />
Oberbürgermeister Clemens<br />
Reichert hielt die Weiherede<br />
für den Kunstbrunnen auf<br />
dem Postplatz und konnte<br />
damit ein gelungenes Platzensemble<br />
der Öffentlichkeit<br />
übergeben.<br />
Fotografie aus dem Magistratsalbum<br />
(links) Illustriertenabbildung<br />
nach einer Foto<br />
einer Fotografie 1887<br />
(rechts)<br />
Muschel, deren tiefen Ausbuchtungen an<br />
festlichen Tagen Wasserläufe entfallen...”<br />
Mancher bemängelte zwar, daß die Bronzedame<br />
den Ankömmlingen aus Richtung<br />
Bahnhof ihr Hinterteil präsentierte, andere<br />
wandten ein, die Geste gelte wohl dem hinter<br />
ihr liegenden Gericht. Irgendwann und<br />
ungeklärt tauchte der Name “Muschelminna”<br />
auf und hat sich bis heute erhalten.<br />
Minna nannte man seinerzeit gern sein<br />
Dienstmädchen, die Köchin oder Waschfrau,<br />
denn es war ein landläufiger Vorname,<br />
und so sollten wir uns darüber freuen, daß<br />
der anonymen großen Schar dienstbarer<br />
Geister auf diese Weise ein Denkmal gesetzt<br />
ist.<br />
Aus unserer Veröffentlichung:<br />
Der Postplatz im Herzen von Görlitz<br />
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Geschichte der Görlitzer Straßenbahn Teil XIII<br />
Die 1960er Jahre<br />
Bereits in der zweiten Hälfte der fünfziger<br />
Jahre bestand bei der Görlitzer Straßenbahn<br />
eine betriebliche Besonderheit,<br />
welche in dieser Form in Deutschland<br />
einmalig war und heute weitgehend in Vergessenheit<br />
geraten ist, weshalb etwas näher<br />
darauf eingegangen werden soll.<br />
Mit dem 1949 der Deutschen Post in der<br />
DDR übertragenen Vertiebsmonopol für<br />
Zeitungen konnte man den Abonnenten<br />
35<br />
pünktlich ihre Zeitung zur Verfügung<br />
stellen - nur mit einer kombinierten Brief,-<br />
und Zeitungszustellung. Die in Görlitz<br />
seinerzeit durch eine Landkraftpostlinie<br />
(Üp) bedienten Zustell-Postämter Görlitz 5,<br />
6 und 7 in den Stadtteilen Weinhübel,<br />
Rauschwalde und Biesnitz konnten damals<br />
zeitweilig mangels verfügbarer Kraftfahrzeuge<br />
vormittags nicht bedient werden,<br />
weshalb man sich entschloss, die Postbeutel<br />
mit bestimmten Kursen der Linie 1<br />
bzw. 2 transportieren zu lassen.<br />
Hierzu wurden in den Haltestellen<br />
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Straßenbahnfahrer jeweils am Postamt Görlitz<br />
ein Schlüssel zusammen mit dem Postbeutel<br />
übergeben wurde. Einen zweiten<br />
Schlüssel besaßen die betreffenden Zustell-<br />
Postämter. Weitere Details der Betriebsabwicklung<br />
und auch der Zeitpunkt, wann dieses<br />
Verfahren eingestellt wurde, sind leider<br />
nicht belegt. Hingegen ist aber bekannt,<br />
dass dies nicht das erste Mal war, dass die<br />
Görlitzer Straßenbahn zusammengearbeitet<br />
bzw. sich gegenseitig unterstützt haben.<br />
Bereits aus der Anfangszeit der Straßenbahn<br />
sind Fahrmarken für Post- und Telegrafenbeamte<br />
bekannt. Belegt ist auch eine<br />
Postbeutelbeförderung mit der Straßenbahn<br />
vom Bahnhof zur Landeskrone im Jahre<br />
1923. Zum Beginn der sechziger Jahre war<br />
der Fuhrpark der Görlitzer Straßenbahn<br />
hoffnungslos veraltet und wenig geeignet,<br />
auch künftig den Anforderungen gerecht zu<br />
werden. Infolge der bereits genannten Einschränkung<br />
an Investitionsmitteln wegen<br />
der in Aussicht gestellten Stilllegung der<br />
Bahn hatten gemäß einer Analyse der vorgesetzten<br />
Bahnbehörden in Dresden und Cottbus<br />
vom 27.06.1961 die zu diesem Zeitpunkt<br />
im Personenverkehr eingesetzten 27<br />
Motorwagen und 21 Anhänger einschließlich<br />
der bis dahin in Betrieb genommenen elf<br />
Neubaufahrzeuge ein durchschnittliches Alter<br />
von mehr als 37 Jahren erreicht. Die ältesten<br />
Fahrzeuge (von denen damals immerhin<br />
noch fünf Triebwagen im Linienverkehr<br />
eingesetzt werden mussten) stammten in ihrer<br />
Grundsubstanz sogar noch aus dem Jahre<br />
1897. Die eben angeführte Auswertung war<br />
Bestandteil einer Untersuchung im Betrieb,<br />
welche in Auswertung jenes schweren Un-<br />
1971<br />
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falls an der Louis-Braille-Straße vom 20.<br />
02.1961, bei dem TW. 17II umgekippt war,<br />
durchgeführt wurde. Mit der Aufhebung des<br />
Ratsbeschlusses von 1956 standen für Investitionen<br />
zusätzlich jährlich zwischen 440<br />
und 660 TM zur Verfügung. Dies führte insbesondere<br />
zur Inbetriebnahme der fabrikneuen<br />
Gothazüge TW. 5III/BW. 57II und<br />
TW. 6III / BW. 58II (10.09.1961) sowie der<br />
gebraucht aus Plauen umgesetzten TW. 66-<br />
68 sowie BW. 5,7,8 (Inbetriebnahme im August/<strong>September</strong><br />
1962 als TW.<br />
Brautwiesenplatz<br />
1959<br />
37<br />
7III (Bj. 1957), 8III (Bj. 1961) und BW. 59<br />
III, 60III, 61III (alle: Bj. 1960). In den Jahren<br />
darauf folgten die Einrichtungszüge 10<br />
III- 62III, 11III- 63III (Oktober 1964) und 12<br />
III-64III (Februar 1966) - alles Gotha T2-62<br />
bzw. B2-62, die 1958 gebauten Hallenser<br />
Gotha-Zweirichtungs-Trieb- und - Beiwagen<br />
521 bis 523 bzw. 339 bis <strong>34</strong>1 (Inbetriebnahme<br />
Februar / März 1968, als TW. Nr. 14<br />
IV, 15III, 13IV sowie BW.-Nr. 66II, 65II und<br />
67II. Fortsetzung folgt Andreas Riedel,<br />
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Süß, aber nicht zum Kuscheln:<br />
Junge Rote Pandas im Görlitzer Tierpark<br />
Mit einem giftigen Fauchen und "Prankenhieben"<br />
empfingen die zwei am<br />
19. Juni im Naturschutz - Tierpark Görlitz<br />
geborenen Roten Pandas Tierpflegerin Steffi<br />
Riedel bei der regelmäßigen Gesundheitskontrolle.<br />
Diese Begrüßung ist ein<br />
gutes Zeichen, zeigt sie doch, dass sich die<br />
anfangs etwa 100 Gramm schweren<br />
Fellknäuel inzwischen gut entwickelt haben.<br />
Mit ihrem noch nicht voll ausgebildeten<br />
Milchgebiss könnten sie einem möglichen<br />
Feind zwar keinen Schaden zufügen, aber<br />
das plötzlich und laut hervorgestoßene<br />
Fauchen schreckt durchaus ab. Dies ist<br />
wichtig, denn Mutter "Mei Li" (chin. "Die<br />
Schöne") ist bereits seit der dritten Lebens-<br />
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39<br />
woche tagsüber nur noch selten bei ihren<br />
Jungen. Obwohl sie jetzt die dreifache Menge<br />
an Bambus und außerdem mehr tierische<br />
Nahrung zu sich nimmt wie sonst, kann sie<br />
mit ihrem Raubtier-Verdauungssystem<br />
nicht so viel/so inhaltsreiche Milch produzieren<br />
wie andere Arten vergleichbarer<br />
Größe.<br />
Deshalb wachsen junge Rote Pandas auch<br />
wesentlich langsamer als beispielsweise<br />
Waschbären. Erst im Alter von 3 Monaten<br />
werden sie anfangen, ihre Geburtshöhle,<br />
einen etwa 4 m langen Baumstamm, zu<br />
verlassen. Mit 4 Monaten werden sie dann<br />
auch tagsüber bei ihrer Mutter sein und mit<br />
ihr (zunächst noch ziemlich tollpatschig) in<br />
deren Lieblingsbaum klettern. Bis dahin<br />
müssen sie sich die neugierigen Blicke der<br />
Pfleger in ihre gemütliche Höhle allerdings<br />
noch gefallen lassen.<br />
Dr. Axel Gebauer<br />
Naturschutz-Tierpark Goerlitz e. V.<br />
Roter Panda<br />
4 Tage alt<br />
Dipl.-Pharm.<br />
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Romantik ist angesagt<br />
Schlesisches Museum zu Görlitz<br />
Foto: Stefanie Seile (Klasse 9), ohne<br />
Titel, Federzeichnung und Aquarell<br />
Hier ist kein Spiderman - wohl aber ein Drache<br />
zu sehen, kein Skater, aber eine Tänzerin,<br />
noch nicht einmal Graffiti sind zu finden<br />
- stattdessen vielfältige Maltechniken,<br />
mit denen Jugendliche das „Romantische"<br />
in ihrem Leben dargestellt haben. Angeregt<br />
durch die Dichtung Joseph von Eichendorffs,<br />
gestalteten Schüler der 8. bis 13.<br />
Klassen aus drei Gymnasien in Köthen und<br />
Aken (Sachsen-Anhalt) Bilder und Gedichte,<br />
die in einer Ausstellung vom 11. <strong>September</strong><br />
bis 16. Oktober <strong>2005</strong> gezeigt werden.<br />
Das Schlesische Museum lädt besonders<br />
herzlich junge Menschen zu einem Besuch<br />
der Ausstellung in den frisch restaurierten<br />
Räumen des Görlitzer Schönhofes ein.<br />
Die poetische Welt des schlesischen Dichters<br />
(geb. 1788 auf Schloss Lubowitz bei Ratibor,<br />
gest. 1857 in Neisse) vermag man auch<br />
in unserer heutigen Welt wieder zu entdekken.<br />
Dass es sich lohnt, auf die Suche zu gehen,<br />
zeigen diese Schülererarbeiten. Märchengestalten,<br />
Schlösser und Burgen, Liebende,<br />
Mond- und Winternacht, Reisende,<br />
Berge und Abgründe wurden von den Schülern<br />
ins Bild gesetzt. Feder- und Bleistiftzeichnungen,<br />
Aquarelle und Bilder mit Ölkreide,<br />
Tempera- oder Acrylfarben entstanden.<br />
In selbstverfassten Gedichten schrieben<br />
die Jugendlichen von ihren Hoffnungen,<br />
Enttäuschungen und Sehnsüchten.<br />
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Der Versuch, Schülern das Leben und Werk<br />
des Spätromantikers nahe zu bringen, war<br />
Teil der Vorbereitungen einer Eichendorff-<br />
Ehrung in Köthen im Mai dieses Jahres.<br />
Mag Eichendorff für die ältere Generation,<br />
besonders den Schlesiern unter ihnen, ein<br />
vertrauter und beliebter Dichter sein, so<br />
bleibt er heute für viele jüngere Menschen<br />
meist „inkognito" in Liedern, die allgemein<br />
als Volkslieder gelten. Unter den Jugendlichen<br />
dürfte das Wissen über das Leben des<br />
Dichters spärlich sein. Nur wenig ist über<br />
seine kurzen Aufenthalte in Köthen bekannt.<br />
Nachdem er während der Unruhen<br />
41<br />
1849 aus Dresden für wenige Tage in die<br />
Kleinstadt geflüchtet war, kam er 1855 noch<br />
einmal für einige Monate in das Haus seiner<br />
Tochter Therese. Es ist heute das einzige erhalten<br />
gebliebene Eichendorff-Haus; das<br />
Köthener Museum verfügt über einen kleinen<br />
Bestand an Handschriften des Dichters.<br />
Das Motto der Köthener Festtage „Und keiner<br />
mehr kennt mich auch hier", die letzte<br />
Zeile aus Eichendorffs Gedicht „In der<br />
Fremde" (1833), hat sich für die Teilnehmer<br />
ins Gegenteil gekehrt. Nun sind alle Görlitzer<br />
und die Gäste der Stadt eingeladen, auf<br />
eine Entdeckungsreise in das Reich der romantischen<br />
Poesie zu<br />
gehen.<br />
„Romantik ist angesagt.<br />
Schülerarbeiten<br />
zur Dichtung Eichendorffs"<br />
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42<br />
Das aktuelle Gespräch<br />
Das aktuelle Gespräch<br />
Im Blickpunkt - Michael Vogel<br />
Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde<br />
Red.: Wie ist Ihre Einschätzung zum Tag<br />
des offenen Denkmals?<br />
M.V.: Der Tag des offenen Denkmals ist erneut<br />
in hoher Qualität ausgerichtet worden.<br />
Das bundesweite Thema ”Krieg und Frieden”<br />
wurde auch in Görlitz aufgegriffen.<br />
Rund sechzig Gebäude konnten in Görlitz<br />
und Zgorzelec besichtigt werden. Tausende<br />
Touristen und Görlitzer haben diese Denkmale<br />
besichtigt. Unter den ausgewählten<br />
Bauwerken waren auch viele Kirchen, die<br />
als Orte des Friedens einen besonderen Bezug<br />
zum diesjährigen Thema hatten.<br />
Red.: Wie ist der Stand zur erneuten Beantragung<br />
für die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste?<br />
M.V.: Zur Zeit arbeiten wir mit der polnischen<br />
Schwesterstadt an einem gemeinsamen<br />
Antrag. Beide Städte haben dazu eine<br />
gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet und einen<br />
Beirat berufen. Weltkulturerbe ist immer<br />
auch Ländersache. Das heißt, es müssen<br />
die dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen<br />
eingehalten werden. Die Bedingungen<br />
für die Beantragungen haben<br />
sich geändert. Wir müssen nun kurzfristig<br />
entsprechend den neuen Bedingungen den<br />
Antrag erarbeiten und bis zum 31.12.<strong>2005</strong><br />
einreichen. Der Einzugsbereich für die ent-<br />
Die Wehrkirche in Ludwigsdorf<br />
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Red.: Wie ist der Stand der Realisierung<br />
des Konzeptes für den Abriss von Häusprechenden<br />
Kulturdenkmale ist relativ<br />
groß. Dazu gehören die historische Altstadt,<br />
die Friedhöfe, Teile der Südvorstadt, Nikolaivorstadt<br />
und die Uferzonen (von der Vierradenmühle<br />
bis zum Volksbad). Für das polnische<br />
Gebiet haben wir einen Vorschlag erarbeitet,<br />
der zur Zeit mit den polnischen<br />
Kollegen beraten wird. Zum Einzugsbereich<br />
gehören Moys, die Kasernen, der<br />
Bereich der Neißeinseln bis über den Viadukt<br />
hinaus, aber auch historische Gebäude<br />
der Innenstadt.<br />
Neißeufer, um 1900<br />
43<br />
sern in der Altstadt?<br />
M.V.: Für den Stadtumbau gibt es nach wie<br />
vor das integrierte Stadtentwicklungskonzept.<br />
Wie ich immer behaupte, ist der Stadtumbau<br />
eine Generationsaufgabe. Die Frage<br />
ist, ob in der Innenstadt aufgrund der demografischen<br />
Entwicklung, Häuser abgerissen<br />
werden.<br />
Entsprechend der derzeitigen Gesetzlichkeiten<br />
gibt es eine eindeutige Festlegung,<br />
Einzelfallprüfungen durchzuführen. Wenn<br />
einem Abbruch stattgegeben werden muß,<br />
dann wird die Stadt Görlitz<br />
die bestehenden Gesetze<br />
nicht brechen. Es gibt<br />
Rahmen des Stadtumbaus<br />
auch Festlegungen der<br />
Bundesregierung und der<br />
Landesregierungen. Es wird<br />
d e m n ä c h s t ü b e r d e n<br />
“Deutschen Städtetag” eine<br />
Resolution zum Stadtumbau<br />
beschlossen werden.<br />
Dazu habe ich als Leiter einer<br />
Unterarbeitsgruppe des<br />
“Deutschen Städtetages”<br />
eine Zuarbeit gemacht.<br />
Diese Erklärung muss die<br />
Interessen der alten und<br />
neuen Bundesländer berücksichtigen. Auf<br />
Ihre Frage ob es zur Reichertstraße weitere<br />
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44<br />
Abbruchanträge gibt, muß ich dies<br />
bestätigen. Zur Reichertstraße möchte ich<br />
folgendes sagen. Hier gibt es Anträge des<br />
Eigentümers für den Abriss von Häusern,<br />
die aber bis zum heutigen Tag noch nicht<br />
entschieden sind.<br />
Red.: Wie ist der Stand der Sanierung<br />
des Freisebades und des<br />
Weinberghauses?<br />
M.V.: Über das Freisebad kann ich<br />
keine Auskunft geben, da es komunales<br />
Eigentum ist. Ich bin dafür nicht<br />
zuständig. Das Gebäude ist gesichert<br />
worden, und es werden Kontrollen<br />
durchgeführt. Zum Weinberghaus gibt<br />
es einen Erbbaurechtsvertrag. Der Eigentümer<br />
hat dort seit zwei Jahren mit<br />
den Sicherungsarbeiten angefangen.<br />
Das Objekt ist weitestgehend gesichert.<br />
Es gibt ein Betreibermodell.<br />
Weil der Eigentümer nicht selber<br />
betreibt, hat er zur Zeit große Schwierigkeiten,<br />
die weitere Finanzierung<br />
kreditiert zu bekommen. Gemeinsam<br />
mit dem Eigentümer haben wir uns<br />
noch in diesem Jahr die Einweihung<br />
vorgestellt. Ob uns das mit dem<br />
jetzigen Stand gelingt, ist eher<br />
fragwürdig. Es zeichnet sich aber eine<br />
Lösung für den Aussichtsturm ab, so<br />
dass dieser wieder begehbar wird.<br />
Das Weinberghaus soll als Ausflugsgaststätte,<br />
der Turm als Aussichtsturm genutzt<br />
werden. Dazu gibt es ein vernünftiges und<br />
realistisches Betreiberkonzept.<br />
Die Redaktion dankt für das Gespräch.<br />
Fußgängerbrücke am<br />
Weinberghaus, um 1910<br />
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Auch der mehrfache Territorialwechsel gehört<br />
zur Geschichte des kleinen Dorfes am<br />
Fluss, eingebettet freilich in die größere der<br />
Lausitz: 1635 von der jahrhundertelangen<br />
Zugehörigkeit zu Böhmen nach Sachsen;<br />
1815 durch den Federstrich des Wiener<br />
Kongresses von Sachsen zu Preußen und<br />
damit zu Schlesien; 1945 zum Bezirk Dresden<br />
und damit wiederum zu Sachsen. Man<br />
könnte im Blick auf diese historischen Veränderungen<br />
in abgewandelter Form den<br />
Historiker Theodor Mommsen zitieren:<br />
“Fast scheint es, als ob die Menschen in<br />
Weinhübel immer dabei gewesen wären,<br />
wenn die Weltgeschichte<br />
um die Ecke bog.”<br />
Die Entwicklung des Verkehrswesens<br />
im 19. Jh.<br />
führte mit dem Bau der<br />
Bahnlinie Görlitz-Zittau<br />
1875 zur Anlage des ortseigenen<br />
Bahnhofs, allerdings<br />
in ungünstiger Randlage<br />
zum Wohngebiet.<br />
1930 bekamen die Weinhübler<br />
eine Anbindung an<br />
die Görlitzer Straßenbahn,<br />
die bis zum damaligen<br />
“Schweizerhaus” führte,<br />
700 Jahre Weinhübel Teil II<br />
700 Jahre Weinhübel Teil II<br />
47<br />
einer längst abgerissenen Gaststätte an der<br />
heutigen Ampelkreuzung beim Deutsch-<br />
Ossig-Ring. Dass das kleine Dorf in den ersten<br />
Jahrzehnten des 20. Jh. zwischen dem<br />
prunkvollen “Drei-Kaiser-Saal” am südlichen<br />
Ortsausgang, dem beliebten “Café Roland”<br />
(Kulturhaus in der DDR-Zeit) und<br />
dem in einer Brandkatastrophe untergegangenen<br />
“Reichshof” in der Ortsmitte sowie<br />
dem “Zeltgarten” am stadtwärts gelegenen<br />
Ortseingang mehr als ein Dutzend Gaststätten<br />
aufzuweisen hatte, zeugt von der Beliebtheit<br />
Weinhübels als damals viel genutztes<br />
Ausflugsziel. Wer aber kennt noch<br />
Gaststätte “Reichshof” Ansicht<br />
vom Parkplatz am heutigen<br />
“Kaufland” Richtung Osten<br />
über die Zittauer Straße<br />
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das “Café Sylt” oder die Restauration “Stadt<br />
Coburg”? Ohne Übertreibung darf vermerkt<br />
werden, dass die gesamte Stadt Görlitz<br />
auf Gedeih und Verderb von ihrem südlichen<br />
Vorort abhängig ist: Das Wasserwerk<br />
von 1878, inzwischen technisch hochmodernisiert,<br />
sorgt zuverlässig seit mehr als<br />
hundert Jahren auf kürzestem Wege für die<br />
Versorgung von Bevölkerung und Betrieben<br />
mit dem unverzichtbaren Nass.<br />
Mit der industriellen Entwicklung um die<br />
Wende vom 19. zum 20. Jh. siedelten sich in<br />
Weinhübel einige mittelständische Betriebe<br />
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an, so z. B. eine Jutespinnerei, eine Möbelfabrik,<br />
eine Produktionsstätte für Luft- und<br />
Wärmetechnik, ein Sauerstoffwerk, eine<br />
kleine Tuchfabrik an der Neiße, die deren<br />
Wasserkraft zur Energiegewinnung nutzte.<br />
Die Arbeitsplätze dieser Betriebe gaben<br />
nicht wenigen Weinhübler Einwohnern Arbeit<br />
und Brot. Geblieben davon ist derzeit<br />
nur eine kleinere Produktionsstätte für den<br />
Bau von Elektro-Anlagen und eine für Stahlbau<br />
im Bereich der alten Dorfaue, vormals<br />
Standort des Dominiums. Die wirtschaftlichen<br />
Strukturen haben sich längst in<br />
erheblichem Maße gewandelt; das zeigt sich<br />
derzeit vor allem in der Dominanz von etwa<br />
einem halben Dutzend Kaufhallen im Ortsgebiet<br />
wie auch einem vielfältigen Angebot<br />
im Bereich des Dienstleistungssektors.<br />
Ein dunkles Kapitel in der Weinhübler Geschichte<br />
war im Frühjahr 1933 die Umwandlung<br />
der längst stillgelegten Tuchfabrik an<br />
der Neiße in ein provisorisches Konzentrationslager,<br />
ständiger Zwangsaufenthalt von<br />
etwa 300 Häftlingen. Zunehmender Protest<br />
der Bevölkerung soll dann allerdings im<br />
darauffolgenden August zu einer unerwartet<br />
raschen Auflösung der Marterstätte geführt<br />
haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden<br />
die drei verbliebenen großen Güter des Dorfes,<br />
also auch das Dominium (in früheren<br />
Zeiten der Sitz des jeweiligen Grundherrn),<br />
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49<br />
im Zuge der Bodenreform in Neubauernstellen<br />
umgewandelt, aus denen sich dann<br />
in den 50er Jahren gemeinsam mit den<br />
alteingesessenen Bauern eine landwirtschaftliche<br />
Produktionsgenossenschaft entwickelte.<br />
Mit dem ausgehenden 20. Jh. aber<br />
kam für das landwirtschaftlich geprägte<br />
Weinhübel das Ende aller bäuerlichen Tätigkeit.<br />
Unbekümmert um diesen unaufhaltsamen<br />
Gang der Dinge wuselt zuweilen<br />
noch eine kleine Schar glücklicher Hühner<br />
über die weite Dorfaue, begleitet von einem<br />
herausfordernden Hahnenschrei. Die Inschrift<br />
an der Giebelwand eines stattlichen<br />
Gehöfts aber wird hoffentlich noch lange an<br />
das tatenfrohe Bauerngeschlecht des einstigen<br />
Dorfes erinnern: “Das schönste Wappen<br />
von der Welt / das ist der Pflug im Akkerfeld.”<br />
1956 begann der Bau von mehrgeschossigen<br />
Wohnhäusern westlich der Zittauer<br />
Straße, um der damals herrschenden<br />
Wohnungsnot Herr zu werden. Der ursprünglich<br />
dörfliche Charakter blieb damit<br />
im engeren Sinne nur noch im Umfeld der<br />
Auferstehungskirche gewahrt, die 1987 die<br />
650-Jahr-Feier ihrer urkundlichen Ersterwähnung<br />
beging.<br />
Im Schillerjahr <strong>2005</strong> nun erleben die Menschen<br />
des Ortes, dass das alte Wort aus dem<br />
“Tell” nichts von seiner zeitlos gültigen<br />
Wahrheit eingebüßt hat: “Was Hände bau-<br />
ten, können Hände stürzen.” Zwei der drei<br />
Schulen aus der DDR-Zeit wurden wegen<br />
Schülermangels bereits geschlossen. Die<br />
überdimensionierten Wohnblöcke am<br />
Deutsch-Ossig-Ring wie auch das kurz vor<br />
der Wende aufgetürmte Ungetüm eines Arbeiterwohnheimes,<br />
das wegen der Stilllegung<br />
des Kraftwerks Hagenwerder nie genutzt<br />
wurde, verfallen dem Abriss. Das wird<br />
auch für einige der lange schon leerstehenden<br />
Mehrgeschosser gelten. Nicht wenige<br />
der Wohnblöcke aber wurden im vergangenen<br />
Jahrzehnt sachkundig restauriert und<br />
farblich ansprechend neu gestaltet. Was<br />
bleibt, ist eine freundliche, ländlich anmutende<br />
Gartenvorstadt an der Neiße, in der es<br />
sich gut und gern leben lässt, mitunter geprägt<br />
von einer gewissen Beschaulichkeit -<br />
was sich nicht zuletzt darin widerspiegelt,<br />
dass die Straßenbahn wie einst vor 75 Jahren<br />
noch immer im gemächlichen 20-Minuten-<br />
Takt zum Mitfahren einlädt, wenn auch auf<br />
einer inzwischen veränderten Streckenführung<br />
und mit modernen Großraumwagen.<br />
Gar nichts geblieben ist von dem Wein, der<br />
im 19. Jh. auf dem nahe gelegenen Hübel angebaut<br />
wurde, dem Weinberg über der Weinlache.<br />
Hier liegt der eigentliche Namensgeber<br />
für die wohl fantasievollpoetische, doch<br />
keineswegs sachlichexakte Benennung des<br />
700-jährigen Weinhübel. Horst Wenzel<br />
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ISG Hagenwerder - Ein See bekommt nun ein Gesicht<br />
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Wenn nun der “Berzdorfer See” mit seiner<br />
ca. 400 ha großen Wasserfläche vor uns<br />
liegt, kann man schon ahnen, welch ein<br />
Kleinod am Stadtrand von Görlitz und vor<br />
dem Hintergrund der Jauernicker Berge und<br />
der Landeskrone entsteht.<br />
Was für ein Moment war es, als zum 3. Erlebnistag<br />
- am 25.06.<strong>2005</strong> - erstmals acht<br />
Segelboote zu Wasser gelassen wurden, die<br />
weißen Segel gesetzt waren und sozusagen<br />
die “Jungfernfahrt” auf dem leicht stürmischen<br />
See bei einer Windstärke von drei bis<br />
fünf vollzogen wurde.<br />
Als sich dann die ersten weißen Tupfer auf<br />
dem See abzeichneten, bekam im wahrsten<br />
Sinne der See ein neues Gesicht.<br />
Unter den Klängen von Seemannsliedern<br />
und Shantys fand die Eröffnungsveranstaltung<br />
und anschließende Bootstaufe statt.<br />
- Dank auch den Sponsoren (Lindenapotheke,<br />
Hanf- und Drahtseilerei Goltz und<br />
Graphik Werbung Design, Görlitz), die den<br />
Kauf eines weiteren Bootes für die ISG<br />
Hagenwerder ermöglichten.<br />
Den feierlichen Auftakt bildete die Bootstaufe<br />
von BEDOS 3, die von Staatsminister<br />
Tillich und dem Görlitzer Oberbürgermeister<br />
Prof. Dr. Karbaum unter Teilnahme<br />
von zahlreichen Ehrengästen vollzogen<br />
wurde.<br />
Symbolisch auch für die Zukunft,<br />
war die Teilnahme von unseren<br />
polnischen Seglern vom<br />
“Witka-Stausee” und der<br />
tschechischen Sportfreunde<br />
vom nahe gelegenen “Krystina-See”.<br />
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Wer noch nicht unter Segeln aufs Wasser<br />
wollte, hatte die einmalige Gelegenheit, mit<br />
den Motorbooten des DLRG eine “Schnupperfahrt”<br />
zu unternehmen.<br />
Nun schauen alle Wassersportfreunde und<br />
Gäste dem 4. Erlebnistag erwartungsvoll<br />
entgegen. Weiter voraus schauen jedoch<br />
schon die Segelsportfreunde der ISG Hagenwerder,<br />
die Lausitz Wassersportfreunde<br />
und alle Mitglieder des Koordinierungskreises<br />
Wassersport beim Stadtsportbund<br />
51<br />
Görlitz, denn mit vollendeter Flutung und<br />
demzufolge Nutzung des neuen Yachthafens<br />
soll das “Erste Internationale Segel- und<br />
Schulungszentrum” (ISZ) entstehen.<br />
Um bei diesem sichtbaren Gedanken zu bleiben,<br />
wird dann unser Berzdorfer See sein<br />
vollendetes Gesicht bekommen und mit einem<br />
freudigen Strahlen alle Wassersportfreunde<br />
und ihre Gäste zu einer Bootsfahrt<br />
einladen.<br />
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Aus der Geschichte der Ludwigsdorfer Wehrkirche<br />
Aus der Geschichte der Ludwigsdorfer Wehrkirche<br />
Aufzug der<br />
neuen Glocke<br />
am 27.06.1921<br />
Die Wehrkirche liegt ziemlich am nördlichen<br />
Ende des Niederdorfes, auf einer markanten<br />
Spornlage zur Neißeaue. Urkunden<br />
über deren Erbauung sind nicht vorhanden.<br />
Bisher dachte man, nach Schätzungen von<br />
Baufachverständigen, dass die spätromanische<br />
Wehrkirche, wie auch der Friedhof, etwa<br />
um 1250 entstanden seien, da die Dorfbewohner<br />
zu damaliger Zeit stets in unmittelbarer<br />
Nähe der Kirche ihre Toten begruben.<br />
Neuesten Erkenntnissen einer Holzuntersuchung<br />
zufolge wurden die ältesten Teile<br />
der Dachkonstruktion jedoch auf 1192/93<br />
datiert, also muss die Grundsteinlegung im<br />
letzten Viertel des 12. Jhds. erfolgt sein. Damit<br />
zählt die Kirche zu den ältesten Gebäuden<br />
der Region, insbesondere der Dachstuhl<br />
zu den frühesten erhaltenen und datierten<br />
Holzkonstruktionen Deutschlands. Nur der<br />
Turm wurde vermutlich erst in der zweiten<br />
Hälfte des 13. Jhds. aufgesetzt. Die bauliche<br />
Anordnung Saal-Chorturm-Apsis ist in unserer<br />
Region einmalig. 1<strong>34</strong>6 gehörte die<br />
Kirche zum Erzpriesterstuhl Görlitz. Sie war<br />
der heiligen Jungfrau Maria und der heiligen<br />
Katharina geweiht. Nach der Reformation<br />
zu Beginn des 16. Jh. trat der erste<br />
evangelische Pfarrer in Ludwigsdorf sein<br />
Amt an.<br />
Es gab zwei Altäre. Die Kirche wurde als romanische<br />
Saalkirche mit Balkendecke erbaut<br />
und um 1540 gotisch eingewölbt. Neue<br />
gotische Fenster brach man zwischen den<br />
romanischen aus. Unter dem mittelalterlichen<br />
Dachstuhl kann man das sehen. Eine<br />
Besonderheit dieser Kirche ist der Ostturm<br />
über dem Chor. An der Nordseite des<br />
Chores, hoch gelegen, ist das wohl älteste<br />
Fenster aus erster Bauzeit zu sehen. Äußerlich<br />
wirkt die Kirche wuchtig und gedrun-<br />
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gen. Betritt man sie, dann tut sich ein breiter<br />
einschiffiger Raum mit Netzgewölbe auf,<br />
an den sich der Chor mit Kreuzgewölbe im<br />
Joch und eine halbrunde Apsis anschließen.<br />
In der Apsis wurden bei der Rekonstruktion<br />
der romanischen Fenster zwei Sakramentsnischen<br />
entdeckt und freigelegt. An der<br />
Decke der Apsis und an der Nordwand des<br />
Schiffes sind unter dem Anstrich alte Malereien<br />
vorhanden. Seit der Neuausmalung<br />
der Kirche 1946, nach Beseitigung der<br />
Kriegsschäden, steht über dem zugespitzten<br />
Apsisbogen der Spruch: “Freuet euch in<br />
dem Herrn allewege, und abermals sage<br />
ich, freuet euch!” Mit diesem Vers sollen alle<br />
Leser ermuntert werden, am Worte Gottes<br />
festzuhalten. Zwei Taufsteine stehen im<br />
Chorraum. Der ältere stammt aus spätgotischer<br />
Zeit und wurde 1744 nachdatiert. Auf<br />
seinem zinnernen Taufbecken von 1766<br />
kann dem Betrachter durch den eingravierten<br />
Spruch:”Wer da glaubet und getauft<br />
wird, der wird selig werden. Wer aber nicht<br />
glaubet, der wird verdammet werden”, die<br />
Ernsthaftigkeit der Verbindung von Taufe<br />
und einem Leben im Glauben nahe kommen.<br />
Der marmorne Taufstein wurde 1891<br />
gestiftet. Auf einer Tafel an der Nordwand<br />
erinnern sich die Ludwigsdorfer an Gemeindeglieder,<br />
die den Schrecken des 1.<br />
Weltkrieges zum Opfer fielen.<br />
53<br />
Chor und Kirchenschiff sind durch einen<br />
spitzbogigen Triumphbogen getrennt. Im<br />
Triumphbogen führt die Treppe zur Kanzel<br />
nach oben.<br />
Die erst später errichteten Emporen tragen<br />
die Jahreszahlen 1587, 1653 und 1674. Der<br />
aus Holzschnittwerk bestehende Altaraufsatz<br />
musste wegen Wurmfraß 1878 entfernt<br />
werden, dagegen ist die aus der Reformationszeit<br />
stammende Kanzel mit reichem<br />
Holzschnitzwerk, renoviert 1732 und 1869,<br />
erhalten geblieben. Diese Kanzel ist ein<br />
schönes Holzschnitzwerk aus der zweiten<br />
Hälfte des 17. Jhds. Zwischen Säulen sind<br />
die Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas<br />
und Johannes auf ihr dargestellt. In ihrer<br />
Mitte steht Moses mit den Gesetzestafeln,<br />
die die zehn Gebote Gottes symbolisieren.<br />
Der erste evangelische Pfarrer, Franziskus<br />
Benisch, der 1527 seinen Dienst in Ludwigsdorf<br />
antrat, hat noch nicht von ihr aus gepredigt.<br />
Neben der Kanzel hängt eine Kanzeluhr<br />
- eine interessante Merkwürdigkeit<br />
aus dem 17. Jhd. An ihr war die Länge der<br />
Predigt des Pfarrers für die versammelte Gemeinde<br />
abzulesen.<br />
Die Emporen stammen aus dem 16. und 17.<br />
Jhd. Ursprünglich befanden sich, so wie an<br />
der Westseite, zwei übereinander. Und im<br />
Chorraum gab es Patronatslogen an beiden<br />
Seiten. Patronatslogen sind die oberen Em-<br />
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poren an der Nord- und Südseite. Diese entfernte<br />
man 1946 im Zuge der Renovierung,<br />
als nach 1945 der Sandsteinaltar gesprengt<br />
worden war. Auch die Kronleuchter von<br />
1880/81 nahmen durch den 2. Weltkrieg<br />
Schaden. Auf der zweiten Empore an der<br />
Westseite ist die Orgel zu sehen. Sie wurde<br />
1872 von der Orgelbaufirma Schlag und<br />
Söhne aus Schweidnitz in Schlesien gebaut.<br />
Orgelbauer und Kantoren sind fasziniert<br />
von dieser Schleifladenorgel mit rein<br />
mechanischer Traktur und ihrem Klang.<br />
1917 musste man die Zinnpfeifen im Prospekt<br />
zu Kriegszwecken abgeben. Sie wurden<br />
durch aluminierte Zinkpfeifen ersetzt.<br />
1992 bekam die Orgel wieder zinnerne<br />
Prospektpfeifen. Von den drei 1869 in Hoyerswerda<br />
umgegossenen Glocken sind die<br />
beiden größten dem Weltkrieg zum Opfer<br />
gefallen. Es hängt nur noch die kleinste<br />
Bronzeglocke im Glockenstuhl, die mit der<br />
Hand zu läuten ist. 1821 wurde ein neues<br />
Dreigeläut aus Bronze von der Firma Gaittner,<br />
Breslau, beschafft. Drei Stahlglocken<br />
rufen seit 1952 zum Gottesdienst.<br />
Trotz großer Schwierigkeiten zur Zeit der<br />
DDR herrschte ab 1981 rege Bautätigkeit an<br />
der Kirche. Bei der Vorbereitung zum Neuabputz<br />
wurde an der Südseite ein frühgotisches<br />
Spitzbogenportal freigelegt, das 1849<br />
vermauert wurde, als der Eingang an der<br />
Westseite entstand. Dieses Portal baute das<br />
Baugeschäft “Bielatal” aus Pfaffroda aus<br />
den noch vorhandenen Teilen 1991 wieder<br />
auf.<br />
Im Jahr 2000 wurde das Podest für das Gestühl<br />
an der Nordseite erneuert und die Wand<br />
unter der nördlichen Empore durch Putzund<br />
Malerarbeiten renoviert.<br />
Eine Teufelssage, die in das 19. Jh. datiert<br />
wird, verbindet die Kirche von Ludwigsdorf<br />
mit denen von Rengersdorf und Nieder<br />
Seifersdorf. Aus Wut warf Luzifer einen<br />
Stein nach der Ludwigsdorfer Kirche und<br />
traf dabei auch die anderen zwei. Seit dieser<br />
Zeit besitzen deren Türme keine spitzen<br />
Dächer mehr. Aus unserer Veröffentlichung:<br />
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