MK-0223
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ZKZ 4937<br />
2 I 2023<br />
MAGAZIN FÜR DAS MÖBEL-BUSINESS<br />
„Ein wahres<br />
Möbel-Festival“<br />
Die Einrichtungsmessen in<br />
Köln nehmen an Fahrt auf<br />
Mehr Mut<br />
So kann der Möbelhandel seinen<br />
Auftritt attraktiver gestalten<br />
Foto: DecoTeam<br />
EXTRA: PALÄSTE 2023<br />
GROSSFLÄCHEN<br />
MIT 6,3 MIO. QM<br />
Whirlpool/Arçelik: Mega-Deal<br />
KBIS Las Vegas: Flagge zeigen<br />
Heimtextil: Kraftvoll zurück<br />
Ikea-Report: Homing macht glücklich<br />
Tikamoon: Expansiv mit Slow Furniture<br />
Energie-Effizienz: Sparprofis voran!
PERSÖNLICHKATRIN REISCHL<br />
Frau Reischl, hat Sie das Angebot,<br />
1 Storeleiterin zu werden, überrascht?<br />
Wie sah die Vorbereitung aus?<br />
Katrin Reischl: Als ich vor rund 18<br />
Monaten bei Team 7 begonnen habe,<br />
war es schon mein Ziel, zukünftig<br />
auch die Teamleitung für einen der<br />
Stores zu übernehmen. Das Angebot<br />
für die Leitung eines neu eröffneten<br />
Küchenstores, noch dazu in München,<br />
war aber definitiv eine Überraschung<br />
für mich – natürlich eine<br />
sehr positive!<br />
Bevor es für mich in München<br />
losging, durfte ich einige unserer<br />
Stores in Österreich und Deutschland<br />
besuchen. Dabei konnte ich mich mit<br />
meinen Kolleg:innen intensiv über<br />
Ausstellungsplanung und Teamstruktur,<br />
aber auch über alltägliche, organisatorische<br />
Themen austauschen<br />
und wertvolle Eindrücke gewinnen.<br />
2<br />
Kannten Sie Ihr Team vorher, bzw.<br />
hatten Sie Einfluss, wer dabei ist?<br />
Katrin Reischl: Nach dem Soft Opening<br />
im September 2022 bin ich erstmals<br />
allein gestartet. Meine Kolleg:innen<br />
vom Münchner Flagshipstore und<br />
aus St. Johann haben mich seitdem<br />
großartig unterstützt. Glücklicherweise<br />
habe ich kürzlich eine tolle<br />
und sehr kompetente Mitarbeiterin<br />
gefunden – ab Februar geht es also<br />
in München mit verstärkter Frauen-<br />
Power weiter!<br />
3<br />
Sie sind Innenarchitektin, woher rührt<br />
Ihre Affinität für das Thema Küche im<br />
Allgemeinen und für Team 7-Küchen im<br />
Speziellen? Kochen Sie selbst gern?<br />
Katrin Reischl: Ja, tatsächlich koche ich<br />
selbst sehr gerne. Kochen wirkt auf<br />
mich enorm entschleunigend. Außerdem<br />
liebe ich es, die traditionelle und<br />
authentische Küche fremder Länder<br />
beim Reisen kennenzulernen und<br />
dadurch die Werte anderer Kulturen<br />
zu verstehen. Auch wenn ich daheim<br />
leider (noch) keine Team 7-Küche<br />
habe, weiß ich deren Vorzüge trotzdem<br />
zu schätzen, denn in den Stores<br />
kochen Kolleg:innen gern frisch und<br />
essen dann gemeinsam zu Mittag.<br />
Wenn ich eine hochwertige Küche<br />
plane, ist es essenziell, bestmöglich<br />
auf die individuellen Vorlieben und<br />
den persönlichen Lebensstil des<br />
einzelnen Menschen einzugehen. Es<br />
erfordert ein gewisses Feingefühl und<br />
gute Menschenkenntnis, um wirklich<br />
zu verstehen, wie dieser eine Kunde,<br />
dieses Ehepaar oder diese Familie tagtäglich<br />
leben und wie ein Küchenentwurf<br />
aussehen muss, damit sie sich<br />
später darin wiederfinden. Von der<br />
ersten Idee bis zur fertigen Montage<br />
gestaltet sich jeder Planungsprozess<br />
etwas anders. Der persönliche Bezug<br />
zu den Kund:innen, die Abwechslung<br />
und die gemeinsame Leidenschaft<br />
für das Kochen sind nur drei von<br />
vielen Gründen, warum ich diesen<br />
Job mit so großer Begeisterung ausführe.<br />
Ich habe viel Zeit auf dem<br />
Bauernhof meiner Großeltern verbracht<br />
und mein Onkel ist Tischler,<br />
das hat meine eigene Wahrnehmung<br />
und Wertschätzung von Regionalität<br />
und traditionellem Handwerk<br />
geprägt. Nachhaltigkeit ist für mich<br />
kein aktueller Trend, sondern eine<br />
Lebenshaltung. Team 7 steht für ehrliche<br />
Werte und lebt diese Nachhaltigkeit.<br />
Damit identifiziere ich mich<br />
persönlich stark und erreiche deshalb<br />
bestimmt auch unsere Kund:innen.<br />
4<br />
Inwieweit wurden Sie in die Storegestaltung<br />
einbezogen?<br />
Katrin Reischl: Zum Zeitpunkt meines<br />
Eintritts als Storeleiterin war die<br />
Grundkonzeptionierung der Storeplanung<br />
beinahe zur Gänze abgeschlossen.<br />
Die dafür verantwortlichen<br />
Kolleg:innen vom Interior<br />
Design haben sich aufgrund der<br />
räumlichen Gegebenheiten für die<br />
Präsentation von nur drei Naturholzküchen<br />
entschieden. Das verleiht<br />
den einzelnen Küchenmodellen<br />
– „Linee“, „Echt.Zeit“ und<br />
„K7“ – Raum zum Wirken und hat<br />
sich schon jetzt als perfektes Konzept<br />
bewährt. Die Bemusterung der<br />
Materialien und die Auswahl der<br />
Einbaugeräte sowie des Küchenzubehörs<br />
konnte ich frei entscheiden.<br />
Dekorative Elemente wie Leuchten,<br />
Teppich, kleinere Beimöbel, etc.<br />
habe ich in enger Abstimmung mit<br />
dem Interior Design getroffen.<br />
5<br />
Welche besonderen Features zeichnen<br />
Team 7-Küchen aus?<br />
Katrin Reischl: Eine Team 7 Naturholzküche<br />
ist von Grund auf schon<br />
aus dem perfekten Material gefertigt,<br />
denn naturbelassenes Holz wirkt<br />
antibakteriell und geruchsbindend.<br />
Gleichzeitig sorgen die geölten Holzoberflächen<br />
mit ihrer natürlichen<br />
Schönheit für Wärme und Behaglichkeit.<br />
Durch den Verzicht auf Lacke<br />
oder sonstige chemische Inhaltsstoffe<br />
bleibt das Holz frei von Schadstoffen.<br />
So fördern unsere Küchen<br />
ein gesundes Kochumfeld. Die Korpusse<br />
unserer Küchen fertigen wir<br />
zu 100 Prozent aus Massivholz. Das<br />
22 möbel kultur 2/2023
Team 7-Küchenstoreleiterin Katrin Reischl<br />
Unser Engagement<br />
für eine „grüne Fabrik“<br />
überrascht alle<br />
Mit der Eröffnung des zweiten reinen Küchenstores in München reagiert Team 7 auf das überdurchschnittliche<br />
Wachstum des Segments Küche und verleiht ihm in Toplage mehr Sichtbarkeit. Von Storeleiterin Katrin Reischl<br />
wollte die „möbel kultur“ wissen, was Team 7-Küchen so besonders macht, wie vertraut potenziellen Kund:innen<br />
die Unternehmens-DNA ist und welche Ziele sie sich für 2023 gesetzt hat.<br />
macht sie besonders stabil und langlebig.<br />
Für die Fronten verwenden<br />
wir formstabile 3-Schicht-Massivholzplatten.<br />
Diese Technologie eröffnet<br />
uns einzigartige Möglichkeiten<br />
in puncto Design und Funktion.<br />
Und auch bei der Ausstattung achten<br />
wir auf modernste Technik für<br />
ein Höchstmaß an Ergonomie und<br />
Komfort.<br />
6<br />
Wie vertraut sind potenzielle Kund:innen<br />
mit der Philosophie von Team 7?<br />
Katrin Reischl: Viele unserer Kund:innen<br />
kennen Team 7 im Wesentlichen<br />
und wissen wofür wir stehen: für<br />
hochwertige, nachhaltig gefertigte<br />
Naturholzmöbel und -küchen aus<br />
Österreich. Aber fast alle sind überrascht<br />
und fasziniert, wenn sie im<br />
Zuge einer persönlichen Beratung<br />
oder intensiveren Recherche erkennen,<br />
wie weit unsere Leidenschaft<br />
für Holz tatsächlich geht und wie<br />
groß unsere Anstrengungen bei der<br />
Verwirklichung der „grünen Fabrik“<br />
sind. Der schonende und verantwortungsvolle<br />
Umgang mit wertvollen<br />
Ressourcen gehört schon seit Jahrzehnten<br />
zum Fertigungsalltag bei<br />
Team 7. Ebenso die Herstellung von<br />
Produkten mit einer hohen Lebenserwartung.<br />
Denn wirklich nachhaltig<br />
ist nur, was lange hält und ein Leben<br />
lang Freude schenkt.<br />
7<br />
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit und<br />
die Möglichkeit darzustellen, dass<br />
Team 7 vom eigenen Wald bis zum Möbel<br />
die komplette Wertschöpfungskette in<br />
eigenen Händen hat?<br />
Katrin Reischl: Diese Möglichkeit ist<br />
maßgeblich für den Erfolg von Team 7.<br />
Wir betreiben kein Greenwashing<br />
oder drücken unseren Möbeln<br />
einen grünen Stempel auf. Unser<br />
Slogan „Wir waren schon öko, als<br />
es noch out war“ kommt daher,<br />
weil wir wahrhaftig seit über 40<br />
Jahren nachhaltig arbeiten und als<br />
Öko-Pionier eine Vorreiterrolle einnehmen.<br />
Der komplette Produktionsprozess<br />
erfolgt in den eigenen<br />
Werken in Oberösterreich: von der<br />
natür lichen Trocknung und Reifung<br />
des Holzes bis zur Fertigstellung der<br />
Möbel und Küchen in traditioneller<br />
Handwerkskunst. Durch diese<br />
Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette<br />
und die auftragsbezogene<br />
Maßanfertigung können wir<br />
eine umweltschonende Herstellung<br />
und hohe Qualität sowie die eigene<br />
Unabhängigkeit sicherstellen.<br />
8<br />
Das „Reifen von Holz“ oder das „Malen<br />
mit Holz“ sind beides Team 7-Qualitätsmerkmale<br />
und sehr anschauliche Bilder<br />
für ein Storytelling. Haben Sie ein noch<br />
paar Tipps für eine emotionale Ansprache<br />
von potenziellen Kund:innen?<br />
Katrin Reischl: Für eine emotionale<br />
Ansprache bedarf es in unserem Fall<br />
nur weniger Worte. Denn wenn Kunden<br />
zur Tür reinkommen, erstmals<br />
den Geruch des Holzes wahrnehmen<br />
und über die Holzoberflächen und<br />
Natursteinplatten streichen, braucht<br />
es nicht viel Erklärung. Sie spüren<br />
die einzigartige Haptik des Holzes<br />
sofort und nehmen zudem auch<br />
das angenehme Raumklima wahr.<br />
Dabei weiß man direkt, dass man<br />
etwas Besonderes vor sich hat, etwas<br />
Authentisches: Naturmaterialien und<br />
echtes, traditionelles Handwerk.<br />
9<br />
Offene Küchen und ganzheitliche<br />
Wohnkonzepte sind gefragt und<br />
Team 7 kann aus einem Guss einrichten,<br />
inwieweit ist es da ein Nachteil, ein reiner<br />
Küchenstore zu sein, oder können Sie die<br />
ganzheitliche Kompetenz von Team 7 auf<br />
120 qm zeigen?<br />
Katrin Reischl: Mit der Eröffnung des<br />
Küchenstores wollen wir die Aufmerksamkeit<br />
bewusst auf unsere<br />
Naturholzküchen lenken und unsere<br />
Kompetenz auf diesem Gebiet unterstreichen.<br />
Mit einem Wachstum von<br />
14 Prozent im vergangenem Jahr ist<br />
es nur logisch, dass wir auf die steigende<br />
Nachfrage am Markt reagieren<br />
und dem Thema Küche mehr<br />
Sichtbarkeit einräumen. Für den<br />
bestehenden Flagshipstore in der<br />
Herzogspitalstraße ist das eine großartige<br />
Bereicherung. Da beide Standorte<br />
nur wenige Minuten fußläufig<br />
voneinander entfernt liegen, ergänzen<br />
sich die Stores optimal. Dadurch<br />
können wir unseren Kund:innen die<br />
Vielfalt von Team 7 bestmöglich präsentieren<br />
und trotzdem auf einzelne<br />
Wohnbereiche individuell eingehen.<br />
In Wien hat Team 7 vor knapp vier<br />
10Jahren den ersten reinen Küchenstore<br />
eröffnet. Profitieren Sie von dort<br />
gemachten Erfahrungen und wenn ja, wie?<br />
Katrin Reischl: Der Küchenstore in<br />
Wien ist sehr erfolgreich angenommen<br />
worden und hat uns bestätigt,<br />
dass dieses Konzept zukunftsfähig<br />
ist. Natürlich kann man hier Parallelen<br />
ziehen und sich an den Erfahrungswerten<br />
von Wien orientieren.<br />
Ähnlich wie Wien ist auch München<br />
eine sehr internationale Stadt. Viele<br />
Kund:innen leben in München und<br />
richten sich einen Zweitwohnsitz<br />
im Ausland ein oder umgekehrt. Die<br />
Planung für ein Ferienapartment<br />
in den Tiroler Alpen erfordert eine<br />
andere Handschrift als für eines auf<br />
Sylt oder eines Stadtlofts in Zürich.<br />
Der Designanspruch ist ein ganz<br />
anderer. Um dem gerecht zu werden,<br />
bedarf es einer durchdachten<br />
Präsentation unserer Ausstellungsküchen.<br />
Auf kleiner Ausstellungsfläche<br />
zeigen wir deshalb eine gut<br />
selektierte Auswahl an hochwertigen<br />
Einbaugeräten oder exklusiven<br />
Arbeitsplattenmaterialien wie<br />
Naturstein und Keramik.<br />
Was haben Sie sich für 2023 hin-<br />
des Küchenstores für Ziele<br />
11sichtlich<br />
gesetzt?<br />
Katrin Reischl: Mein oberstes Ziel<br />
ist es im ersten Jahr, dass der neue<br />
Standort als Kompetenzzentrum für<br />
Naturholzküchen wahrgenommen<br />
wird und an Bekanntheit gewinnt.<br />
Die hervorragende Lage in Sichtweite<br />
der Maximilianstraße und<br />
die Markenbekanntheit durch den<br />
bestehenden Flagshipstore sind<br />
beste Voraussetzungen dafür. Neben<br />
dem Erreichen des angestrebten<br />
Umsatzzieles ist es im Hintergrund<br />
für mich persönlich auch wichtig,<br />
die Kompetenzen im Team auszubauen<br />
und das Niveau von Beratung<br />
und Kundenservice weiter anzuheben.<br />
Und das Allerwichtigste: viele<br />
Menschen für die Nachhaltigkeit<br />
und Qualität einer Team 7-Naturholzküche<br />
zu begeistern!<br />
SUSANNE KRAFT<br />
www.team7-home.com<br />
2/2023 möbel kultur 23
TOP-THEMA/PALÄSTE 2023<br />
Wachstum<br />
auf qualitativer Ebene<br />
Die Großflächenanbieter kannten in den letzten 20 Jahren nur einen Weg: Mit noch mehr Fläche und dementsprechend<br />
größerem Angebot den Kampf im Verdrängungswettbewerb aufnehmen. So stieg die Zahl der<br />
Möbelpaläste in diesem Zeitraum von 122 auf 179 und damit die gesamte VK-Fläche von 4,090 Mio. auf 6,338<br />
Mio. qm. Was immerhin einem Flächenwachstum um fast 55 Prozent entspricht. Doch damit ist jetzt Schluss.<br />
Auch in den kommenden Jahren sieht es nicht so aus, als ob noch einmal eine neue Dynamik entfacht werden<br />
könnte. Was allerdings nicht bedeutet, dass der Konzentrationsprozess abebben wird.<br />
2023<br />
179 Paläste<br />
6,338 Mio. qm<br />
2013<br />
166 Paläste<br />
5,775 Mio. qm<br />
2003<br />
122 Paläste<br />
4,090 Mio. qm<br />
Definition Möbelpaläste: mindestens 25.000 qm VK-Fläche<br />
24 möbel kultur 2/2023
TOP-THEMA/POS-INSZENIERUNG<br />
Iris Waltemode ist<br />
seit 37 Jahren in<br />
der Möbelbranche<br />
aktiv und verfügt<br />
mit ihrem Team<br />
damit über langjähriges<br />
Know-how,<br />
maßgeschneiderte<br />
Lösungen für den<br />
Möbelhandel zu<br />
entwickeln und<br />
umzusetzen.<br />
Krisen hat es immer<br />
gegeben. Wenn man heute<br />
ein mittelständisches<br />
Möbelgeschäft engagiert<br />
betreibt, braucht man sich<br />
um die Umsätze nicht<br />
all zu große Sorgen<br />
zu machen.<br />
möbel kultur: Frau Waltemode, Sie haben<br />
im Moment viele Kundentermine. Das deutet<br />
für mich darauf hin, dass der Möbelhandel<br />
investiert. Für welche Dinge nimmt<br />
der Handel Geld in die Hand?<br />
Iris Waltemode: Schon in der zweiten<br />
Jahreshälfte 2022 hatten wir viel zu<br />
tun und das scheint sich 2023 fortzusetzen.<br />
Dabei handelt es sich aber<br />
nicht um Riesen-Umbauprojekte,<br />
sondern um die Optimierung von<br />
Flächen überwiegend bei mittelständischen<br />
Möbelhäusern. Darin geht es<br />
auch darum, Sortimente zu hinterfragen<br />
und gegebenenfalls sogar darauf<br />
zu verzichten oder auch Flächen<br />
zu verkleinern. Ein Beispiel dafür<br />
sind Kleinmöbel. Auf der Großfläche<br />
funktioniert die Vermarktung gut,<br />
aber für viele mittelständische Häuser<br />
ist das Thema durch. Kommoden für<br />
99 Euro werden nicht unbedingt in<br />
diesen Geschäften gekauft.<br />
möbel kultur: Ist das ein Trend, die<br />
betriebswirtschaftliche Notwendigkeit<br />
von Sortimenten in diesen Zeiten mehr zu<br />
hinterfragen?<br />
Iris Waltemode: Das sind sehr individuelle<br />
Entscheidungen, die unterschiedlichste<br />
Bereiche betreffen<br />
können. Möbel Schaumann hat sich<br />
z.B. von der Fachsortimentsabteilung<br />
getrennt und mit dem Trendhopper-<br />
Konzept, in dem auch Wohnaccessoires<br />
integriert sind, einen völlig<br />
neuen Auftritt gewagt. Sich anders<br />
darzustellen und dies konsequent<br />
über alle Kanäle zu spielen, halte<br />
ich für einen sehr wichtigen Punkt,<br />
um am Markt beachtet zu werden.<br />
Natürlich ist solch ein neues Konzept<br />
auch kein Selbstläufer, sondern man<br />
muss damit Erfahrungen sammeln<br />
und aus diesen lernen.<br />
möbel kultur: Heißt das auch, dass man<br />
Vollsortiment heute vielleicht anders interpretieren<br />
muss?<br />
Iris Waltemode: Ja, ich glaube schon. Die<br />
Möbler denken oft noch sehr in den<br />
klassischen Strukturen. Wir brauchen<br />
immer Jahre, um gute Konzepte, z. B.<br />
aus Holland, in Deutschland an den<br />
Markt zu bringen. Neue City-Store -<br />
Konzepte sind dafür ein gutes Beispiel.<br />
Diese werden nicht überall<br />
funktionieren, trotzdem verdienen<br />
solche Konzepte eine Chance, weil<br />
der Handel dringend neue Impulse<br />
braucht, um das eigene Image aufzupolieren.<br />
Deshalb feilen wir im<br />
Moment an der Flächenoptimierung<br />
in jeglicher Form. Große Flächen<br />
auf einmal umzubauen, wird kaum<br />
noch praktiziert. Wir erstellen in der<br />
Regel einen Masterplan und setzen<br />
die erarbeiteten Konzepte Stück für<br />
Stück innerhalb von zwei bis drei<br />
Jahren um. Das halte ich nach wie<br />
vor für eine gute Herangehensweise.<br />
möbel kultur: Wie haben sich die Preise für<br />
Umbaumaßnahmen entwickelt?<br />
Iris Waltemode: Die Preise für Baumaterialien<br />
und Monteure sind unfassbar<br />
gestiegen. Wenn man allein die<br />
Gewerke Trockenbau, Lüftung und<br />
Technik betrachtet, haben sich die<br />
Kosten um 30 bis 50 Prozent erhöht,<br />
wobei die Löhne für Monteure auch<br />
perspektivisch nicht mehr runter<br />
gehen werden. Wir arbeiten nach wie<br />
vor gerne mit unseren polnischen<br />
Subunternehmen zusammen, die wir<br />
schon seit den 1990er Jahren unter<br />
Vertrag haben, und die einfach sehr<br />
gute Arbeit leisten. Es hat sich gerade<br />
in der Pandemie gezeigt, wie wertvoll<br />
die langjährigen Kontakte waren.<br />
möbel kultur: Welche Stimmung nehmen<br />
Sie insgesamt im Möbelhandel aktuell<br />
wahr?<br />
Iris Waltemode: Die Stimmung ist positiv,<br />
keine Spur von Kopf in den Sand<br />
stecken.<br />
möbel kultur: Liegt das noch daran, dass<br />
die Pandemiejahre für den Möbelhandel<br />
gut gelaufen sind?<br />
Iris Waltemode: 2020 und 2021<br />
waren alles in allem gute Möbeljahre.<br />
2022 war natürlich herausfordernd,<br />
weil Corona immer noch präsent<br />
war. Dann kam am 24. Februar der<br />
Ukraine- Krieg, im Sommer die große<br />
Hitzewelle, es folgte die Gaskrise und<br />
eine Inflation von über zehn Prozent.<br />
Die Wirtschaftsprognosen waren<br />
eigentlich sehr schlecht, aber zum<br />
Jahresende waren die Möbelhändler,<br />
mit denen ich es zu tun habe, durch<br />
die Bank sehr zufrieden. Im Vergleich<br />
dazu ist die Entwicklung in der Gastronomie<br />
oder Modebranche sehr<br />
viel schwieriger.<br />
Krisen hat es immer gegeben.<br />
Wenn man heute ein mittelständisches<br />
Möbelgeschäft engagiert<br />
betreibt, braucht man sich um die<br />
Umsätze nicht all zu große Sorgen<br />
zu machen. Die Inflation wird zwar<br />
sicherlich noch etwas länger hoch<br />
bleiben, aber der Konsum wird<br />
nicht so stark einbrechen, wie die<br />
ursprünglichen Prognosen dies prophezeit<br />
haben. Ich glaube, dass gerade<br />
das mittelpreisige Segment weiter<br />
laufen wird.<br />
26 möbel kultur 2/2023
Mehr Mut<br />
auf den Flächen<br />
Highlight-Flächen sorgen für<br />
Aufmerksamkeit am PoS.<br />
möbel kultur: Worauf kommt es Ihrer<br />
Meinung nach jetzt im Möbelhandel an?<br />
Iris Waltemode: Dass der Möbelhandel<br />
positive Stimmung verbreitet. Wenn<br />
Möbelhäuser die Heizungen und das<br />
Licht runterdrehen, um Energiekosten<br />
zu sparen, können sie nicht<br />
erwarten, die Kund:innen damit<br />
zu begeistern. Das kann nicht der<br />
Weg sein.<br />
möbel kultur: Das große Stichwort war in<br />
den letzten Jahren, mehr Emotionen an<br />
den PoS zu bringen. Wo sehen Sie da noch<br />
Nachholbedarf?<br />
Iris Waltemode: Da passiert noch viel<br />
zu wenig, besonders in den kleinen<br />
Gesten, die letztendlich den Unterschied<br />
machen. Das fängt schon<br />
damit an, wie ich die Kund:innen<br />
begrüße und nach ihren Wünschen<br />
frage, so wie ich es zu Hause auch mit<br />
Gästen tun würde. Da glaube ich ist<br />
noch viel Spielraum nach oben, um<br />
die Kund:innen einfach noch mehr<br />
abzuholen.<br />
möbel kultur: Und in den Ausstellungen<br />
selbst?<br />
Iris Waltemode: Auch in den Milieus<br />
kann man mehr Dramaturgie reinbringen.<br />
Da gehört das Thema Merchandising<br />
dazu. Insgesamt müsste<br />
noch mehr am PoS passieren, indem<br />
man z. B. kleine Lounges einrichtet,<br />
wo die Kund:innen erst einmal einen<br />
Espresso trinken können und ganz<br />
nebenbei dort schon animiert werden.<br />
Darüber hinaus findet Nachhaltigkeit<br />
nach wie vor im Möbelhandel<br />
kaum statt, obwohl sich besonders<br />
junge Leute sehr für das Thema interessieren,<br />
was wir an den Demonstrationen<br />
für das Klima regelmäßig an<br />
Flächenoptimierung steht bei vielen im Möbelhandel<br />
auf der Agenda. Nicht nur in diesem Punkt gibt<br />
es noch viel Luft nach oben, sagt Iris Waltemode,<br />
Geschäftsführerin von Schleifenbaum Design &<br />
Project. Auch was die Kundenansprache angeht<br />
gäbe es Verbesserungspotenzial, verrät die Expertin<br />
der „möbel kultur“ im Exklusivinterview.<br />
2/2023 möbel kultur 27
TOP-THEMA/IKEA LIFE AT HOME REPORT<br />
Homing<br />
macht glücklich<br />
„Trautes Heim – Glück<br />
allein“: Das Sprichwort ist<br />
so aktuell wie lange nicht.<br />
Das Zuhause als Rückzugsort<br />
gewinnt sogar nach<br />
dem Wegfall der Corona-<br />
Beschränkungen an Bedeutung.<br />
Dies bestätigt der<br />
„Ikea Life at Home Report<br />
2022“. Mit gezielten Fragen<br />
an 37.000 Menschen aus<br />
37 Ländern hat er zudem<br />
analysiert, worauf Konsument:innen<br />
beim Homing<br />
jetzt besonders achten.<br />
Fotos: Inter Ikea Systems B.V.<br />
Für den „Life at Home Report<br />
2022“ wurden 37.000 Menschen<br />
in 37 Ländern nach ihren<br />
Homing-Bedürfnissen und<br />
-Erfahrungen befragt. Einige<br />
wurden sogar zuhause besucht,<br />
darunter Karin in Deutschland.<br />
Ihre Devise: Es gibt nichts<br />
besseres als allein zu leben und<br />
sich mit Lieblingsstücken zu<br />
umgeben.<br />
Umso schwieriger die äußeren<br />
Umstände, desto wertvoller<br />
wird das eigene Zuhause.<br />
Während Inflation, finanzielle Einbußen<br />
und Kostendruck auf die<br />
Menschen einwirken, steigt das<br />
Bedürfnis nach der Kuschelzone.<br />
In der von Ikea veranlassten YouGov-<br />
Studie im Juli/August 2022 gaben<br />
66 Prozent der Befragten weltweit<br />
an, dass die wirtschaftliche Lage und<br />
61 Prozent die finanzielle Situation<br />
zu den Hauptthemen gehören, die<br />
sie derzeit bewegen. Die Folgen des<br />
Klimawandels erreichen mit 56<br />
Prozent Platz 3 auf dem Sorgen-<br />
Barometer, während ein Fünftel (21<br />
Prozent) Angst vor Arbeitsplatzverlust<br />
hat.<br />
Aufgrund der stark gestiegenen<br />
Lebenshaltungskosten verwerfen<br />
oder verschieben mehr als ein Drittel<br />
(35 Prozent) der Befragten weltweit<br />
zugleich ihre Renovierungspläne<br />
zu Hause. Jede/r Zehnte geht sogar<br />
davon aus, dass sich die finanziellen<br />
Einschränkungen auf wichtige<br />
Lebensereignisse wie Heirat oder<br />
Familienplanung auswirken werden.<br />
30 möbel kultur 2/2023
Auf der anderen Seite stellt Katie<br />
McCrory, verantwortlich für den<br />
„Life at Home Report“ fest: „Nach<br />
zwei Jahren, die durch Lockdowns<br />
zum Schutz unserer Gesundheit<br />
geprägt waren, sehen viele<br />
Menschen nun die Notwendigkeit,<br />
vermehrt zu<br />
Hause zu bleiben, um Kosten<br />
zu sparen. Das hat zur<br />
Folge, dass unser Zuhause<br />
jetzt mehr leisten muss als<br />
jemals zuvor. Alarmierend ist<br />
jedoch, dass nur die Hälfte<br />
der Befragten weltweit (56<br />
Prozent) bestätigt, sich im<br />
eigenen Zuhause wohlzufühlen.“<br />
Was zugleich die Chancen<br />
vergrößert, das Thema<br />
Cocooning und Einrichtung<br />
noch stärker ins Bewusstsein<br />
zu rufen: Wenn das Zuhause<br />
die eigene Persönlichkeit widerspiegelt,<br />
sei die Wahrscheinlichkeit fast<br />
doppelt (1,7-mal) so hoch, dass die<br />
Menschen es als Quelle für mentales<br />
Wohlbefinden empfinden.<br />
Immerhin: Vier von zehn Personen<br />
sagen, dass sie ihr Zuhause positiver<br />
wahrnehmen als zur gleichen<br />
Zeit im Jahr zuvor. Viele Menschen<br />
nutzen ihr Zuhause außerdem multifunktionaler<br />
als bisher. Arbeiten,<br />
Entspannen, Spielen, Sport und<br />
noch vieles mehr findet in verschiedenen<br />
Räumen im Zuhause statt.<br />
Acht Prozent der Befragten weltweit<br />
haben in den letzten 12 Monaten<br />
sogar teilweise im Badezimmer<br />
gearbeitet, fand die Studie heraus.<br />
„Es gibt viele Methoden und<br />
Kniffe, mit denen wir unsere Lieblingsstücke<br />
in Szene setzen und<br />
Räume so optimieren können, dass<br />
sie unsere Persönlichkeit widerspiegeln.<br />
Bei Ikea wissen wir durch die<br />
jahrelange Arbeit am Life at Home<br />
Report, dass wir uns umso wohler<br />
fühlen, je besser uns auch unser<br />
Zuhause gefällt“, schlussfolgert daraus<br />
Katie McCrory und signalisiert<br />
damit zugleich, dass die Potenziale<br />
für die individuelle Einrichtung –<br />
trotz aller Sorgen um die finanzielle<br />
Situation – noch lange nicht ausgereizt<br />
sind.<br />
<br />
HEIKE LORENZ<br />
https://lifeathome.ikea.com/<br />
Ein Zuhause, das<br />
zu uns passt, tut uns<br />
auch mental gut.<br />
Fazit aus dem „Life at Home Report“ 2022<br />
WAS DAS ZUHAUSE WERTVOLL MACHT<br />
❯ 4 von 10 Personen weltweit haben im Vergleich zu<br />
2021 ein positiveres Bild von ihrem Zuhause,<br />
während sie sich Sorgen um die Wirtschaft, ihre<br />
Finanzen und die Auswirkungen des Klimawandels<br />
machen.<br />
❯ Nur 58 % haben das Gefühl, dass ihr Zuhause<br />
wirklich zeigt, wer sie sind. Bei jungen Menschen<br />
sind es nur 51 %.<br />
❯ Sicherheit und Komfort, das Gefühl von Zugehörigkeit<br />
und ein gesundes Maß an Privatsphäre sind die<br />
Grundzutaten für ein gutes Zuhause-Gefühl. Durch<br />
die Pandemie wurden zudem Freude und Erfolg zu<br />
wichtigeren Bedürfnissen.<br />
❯ Was zu Hause am meisten für Frust sorgt:<br />
1. ein unsauberes und unordentliches<br />
Zuhause (25 %)<br />
2. Haushaltspflichten (23 %)<br />
3. zu viele Dinge ohne einen festen Platz (21 %)<br />
4. kein Platz, um Dinge zu verstauen (19 %)<br />
5. unterschiedliche Ansichten, was „Unordnung“<br />
ist (17 %)<br />
❯ 89 % der Menschen sagen, dass es wichtig ist, sich<br />
zu Hause wohlzufühlen, aber nur 56 % fühlen<br />
sich auch wirklich wohl zu Hause. Bei Hausbesitzer:innen<br />
sind es 60 %.<br />
❯ 28 % haben in Deutschland ein positiveres Bild<br />
von ihrem Zuhause als noch zum selben Zeitpunkt<br />
im Jahr zuvor.<br />
❯ 37 % der Deutschen erwarten, dass ihre Hobbys<br />
und Interessen außerhalb ihres Zuhauses am<br />
meisten leiden werden, wenn die Lebenshaltungskosten<br />
deutlich steigen.<br />
❯ 1 von 10 Befragten weltweit geht davon aus,<br />
dass die aktuellen Herausforderungen negative<br />
Auswirkungen auf ihre Familienplanung haben<br />
werden.<br />
❯ 1 von 5 Befragten hat sich zu Hause einsam<br />
gefühlt. Bei den Alleinerziehenden sind es sogar<br />
mehr als 1 von 4 Personen.<br />
❯ Mehr als 1 von 4 Befragten gab an, dass er oder<br />
sie keine der gängigen Medien nutzt, um sich für<br />
das eigene Zuhause inspirieren zu lassen.<br />
Demgegenüber fühlen sich Menschen weltweit<br />
am meisten inspiriert durch:<br />
1. Renovierungssendungen im TV (24 %)<br />
2. den Besuch von Einrichtungshäusern (22 %)<br />
3. das Zuhause von Freund:innen (19 %)<br />
(Auszüge „Ikea Life at Home Report“, Juli/Aug. 2022)<br />
2/2023 möbel kultur 31
IMM COLOGNE<br />
„Das wird ein wahres<br />
Möbel-Festival“<br />
Jetzt ist es raus: Die „imm cologne“ wird 2024 wieder Anfang des Jahres stattfinden. Verkürzt an fünf Tagen,<br />
vom 14. bis 18. Januar, will die Koelnmesse dafür sorgen, dass sich die Branche endlich wieder zum<br />
regulären Termin in der Domstadt trifft. Zum warm werden geht vorher, vom 4. bis 7. Juni 2023, die<br />
„imm Spring Edition“ an den Start. Die Sonderausgabe der „imm“ nimmt gerade richtig an Fahrt auf,<br />
wie die beiden Messemacher Bernd Sanden und Matthias Pollmann der „möbel kultur“ erläutern.<br />
Pure Galleries, das neue Format für High End Design (Halle 11.2) gibt Raum<br />
zum Netzwerken und sorgt für eine Atmosphäre wie in einer Kunstgalerie.<br />
Bernd Sanden (Foto)<br />
startet gemeinsam mit<br />
Dick Spierenburg als<br />
Führungsdoppel für die<br />
„imm cologne“ in das<br />
Messejahr 2023.<br />
Der Januar-Termin<br />
der „imm cologne“ ist<br />
im Messekalender fest<br />
verankert.<br />
Fotos: Koelnmesse / imm cologne<br />
Bernd Sanden<br />
möbel kultur: Herr Sanden, seit kurzem<br />
steht fest, dass es im 2024 wieder eine<br />
reguläre „imm cologne“ im Januar (14.-<br />
18.01.) geben soll. Was war ausschlaggebend<br />
dafür, dass sich die Koelnmesse<br />
nun wieder für den angestammten Termin<br />
entschieden hat?<br />
Bernd Sanden: Zum einen haben<br />
wir immer kommuniziert, dass die<br />
diesjährige „imm Spring Edition“<br />
im Juni eine einmalige Veranstaltung<br />
ist. Zum anderen hat sich in<br />
den Gesprächen mit der Industrie,<br />
national und insbesondere international,<br />
herauskristallisiert, dass der<br />
Januar-Termin der „imm cologne“<br />
im Messe kalender fest verankert ist.<br />
Das hat sich in den letzten Monaten<br />
sogar immer deutlicher gezeigt, als<br />
wir mit den Marktteilnehmern über<br />
das künftige Konzept der Einrichtungsmesse<br />
gesprochen haben.<br />
möbel kultur: Wie sind die Feedbacks auf<br />
die Ankündigung?<br />
Matthias Pollmann: Die Resonanz auf<br />
den Januar-Termin ist wirklich positiv.<br />
Viele haben uns bestärkt, dass<br />
das jetzt die richtige Entscheidung<br />
ist. Aber die Ankündigung kam auch<br />
nicht ganz überraschend, diese<br />
erfolgte in enger Abstimmung mit<br />
der Industrie. Die Dynamik zum<br />
Jahresbeginn, die verkaufsstarke Zeit,<br />
hat der „imm cologne“ immer gut<br />
getan. Aber es ging nicht nur um<br />
32 möbel kultur 2/2023
den Termin, sondern auch darum,<br />
wie wir die „imm cologne“ in die<br />
Zukunft führen wollen. Gut bewertet<br />
wurde beispielsweise auch die kürzere<br />
Dauer von Sonntag bis Donnerstag,<br />
also ohne die Publikumstage am<br />
Wochenende und der dadurch ganz<br />
starke Fokus auf die Fachbesucher.<br />
möbel kultur: Wer zählte alles zu den<br />
Gesprächspartnern?<br />
Bernd Sanden: Dazu gehörte selbstverständlich<br />
die Möbelindustrie, die<br />
Hersteller im In- und Ausland – hier<br />
können wir international auf ein<br />
großes Vertreter-Netzwerk bauen,<br />
dass die Key-Player kennt – aber<br />
selbstverständlich auch die entsprechenden<br />
Industrie-Verbände.<br />
möbel kultur: Wie sieht es mit der Küchenmöbelindustrie<br />
aus? Das heißt, wird es 2024<br />
auch wieder eine Living Kitchen geben?<br />
Bernd Sanden: Für die Living Kitchen<br />
wollen wir für 2025 ein neues<br />
Angebot unterbreiten. Jetzt ging es<br />
erst einmal darum, für die „imm<br />
cologne“ Klarheit zu schaffen. Wir<br />
wollten frühzeitig den Termin für<br />
2024 festlegen, damit alle Beteiligten<br />
wissen, woran sie sind und frühzeitig<br />
planen können. Gleichwohl schließen<br />
wir Küchenanbieter, die 2024 zur<br />
„imm cologne“ oder sogar schon<br />
2023 zur „imm Spring Edition“<br />
kommen wollen, nicht mehr aus.<br />
Doch erst für 2025 wird es Planungen<br />
für eine Living Kitchen geben,<br />
das ist auch der aktuelle Gesprächsstand<br />
mit der Industrie.<br />
möbel kultur: Insgesamt wird es auf der<br />
„Spring Edition“ trotzdem nicht nur Möbel<br />
zu sehen geben.<br />
Matthias Pollmann: Nein, wir haben<br />
die Messe ja bereits bei den letzten<br />
Veranstaltungen, noch vor der Pandemie,<br />
von einer reinen Produktshow<br />
zu einer Plattform für Einrichtungskonzepte<br />
entwickelt, die sich an die<br />
gesamte Home & Living-Branche<br />
richtet. Wir müssen immer die<br />
Anforderungen und Bedürfnisse der<br />
Zielgruppen im Blick haben. Dazu<br />
zählt nicht nur die Möbelindustrie,<br />
sondern auch die vielen planerischen<br />
Berufsgruppen, die Architekten und<br />
Innenarchitekten und die Designer,<br />
die nach Köln kommen und denen<br />
wir hier ein gutes Netzwerk bieten<br />
wollen. Diesen Weg werden wir<br />
weitergehen.<br />
möbel kultur: Zum Jahresstart haben u.a.<br />
schon die Heimtextil, die Domotex und die<br />
Ambiente stattgefunden. Allesamt von<br />
Optimismus geprägt, das heißt mit einer<br />
ordentlichen Teilnehmerzahl und einer<br />
überraschend guten Orderlaune. Nun ist die<br />
„imm cologne“ in dieser Riege die einzige<br />
Messe, die 2023 nicht wieder wie gewohnt<br />
im Januar gestartet ist, sondern sich bereits<br />
Ende August 2022 entschieden hatte, 2023<br />
ausnahmsweise in den Juni zu gehen.<br />
Warum fehlte der Koelnmesse der Mut?<br />
Matthias Pollmann: Wir wollten im<br />
letzten Jahr frühzeitig eine Aussage<br />
treffen und nicht das Risiko eingehen,<br />
ein weiteres Mal die „imm<br />
cologne“ im Januar absagen zu müssen.<br />
Die Entscheidung wurde damals<br />
von der Industrie absolut mitgetragen.<br />
Noch im Sommer hieß es,<br />
dass es eine weitere Corona-Welle<br />
mit einer „Killer-Variante“ geben<br />
könnte. Mit dem Wissen von heute<br />
hätten wir das sicherlich anders<br />
entschieden. Wir dürfen aber auch<br />
Matthias Pollmann,<br />
Geschäftsbereichsleiter<br />
Messemanagement<br />
für die Themen<br />
Möbel, Einrichten und<br />
Design setzt auf die<br />
„imm“ als Impulsgeber<br />
für die Branche.<br />
Mit der „imm Spring Edition“ haben<br />
wir uns ganz bewusst entschieden, ein<br />
inspirierendes, kompaktes Format auf<br />
die Beine zu stellen.<br />
Matthias Pollmann<br />
nicht vergessen, dass die Aussteller<br />
auf einer Einrichtungsmesse im Vergleich<br />
zu den Veranstaltungen, die Sie<br />
jetzt aufgezählt haben, in der Vielzahl<br />
größere Stände aufbauen, bei denen<br />
ein anderer Planungs horizont vonnöten<br />
ist. Die frühzeitige Entscheidung<br />
war deshalb auch aus heutiger<br />
Sicht richtig.<br />
Ich denke außerdem, dass es gut<br />
ist, den Restart mit einer „Special<br />
Edition“ zu verbinden, so wie wir<br />
das jetzt im Juni mit der „imm<br />
Spring Edition“ vorhaben. Es braucht<br />
seine Zeit, das gesamte Netzwerk<br />
wieder zu mobilisieren.<br />
möbel kultur: Einige Premiumhersteller<br />
wollten aber nicht warten, sondern<br />
haben Ende Januar auf der „Destination:<br />
Design“, einer kleinen Messe in Eindhoven,<br />
ausgestellt.<br />
Bernd Sanden: Ja, und das sehen wir<br />
als Beweis dafür, dass der Termin<br />
im Januar der richtige ist. Wir wissen<br />
aus Gesprächen, dass sich die<br />
Hersteller eben deshalb für eine<br />
Teilnahme dort entschieden haben,<br />
weil es keine „imm“ im Januar gab.<br />
Und inzwischen kann ich Ihnen mit<br />
Cor, KFF, Kettnaker, Leolux, Bielefelder<br />
Werkstätten, Raumplus, Artisan,<br />
Schönbuch, Brühl, Freifrau und<br />
Janua schon einige Hochwertanbieter<br />
nennen, die sich für die „imm<br />
Spring Edition“ und auch bereits<br />
für die „imm cologne“ 2024 angemeldet<br />
haben.<br />
Wohn- und Polstermöbel stellen den<br />
Schwerpunkt auf der „imm Spring<br />
Edition“ im Juni 2023 und der<br />
„imm cologne“, die 2024 wieder<br />
im Januar stattfinden wird.<br />
2/2023 möbel kultur 33
GO GREEN<br />
Mit rund 200 Mitarbeiter:innen<br />
konnten die Tikamoon-CEOs<br />
Arnaud Vanpoperinghe (l.) und<br />
Thibault Deslorieux (r.) im<br />
Jahr 2022 einen Umsatz von<br />
100 Mio. Euro generieren.<br />
Tikamoon: Hält ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich<br />
Auf Expansionskurs<br />
mit Slow Furniture<br />
Der Kurs ist klar: Die Tikamoon-CEOs Arnaud Vanpoperinghe und Thibault Deslorieux<br />
haben die Mission, das Unternehmen zur führenden Marke für nachhaltige Möbel in<br />
Europa zu machen. Dafür wurde das ehrgeizige Projekt „TikaGreen“ ins Leben gerufen.<br />
Was das bedeutet und warum der Onlinehändler nun auch auf stationäre Stores setzt,<br />
erklären die beiden im Interview mit der „möbel kultur“.<br />
möbel kultur: Herr Vanpoperinghe und<br />
Herr Deslorieux, Tikamoon will die<br />
führende Marke für nachhaltige Möbel<br />
werden und setzt daher auf Slow Furniture.<br />
Was genau bedeutet das?<br />
Thibault Deslorieux: Wir beobachten<br />
verstärkt, dass Menschen ihre Konsummuster<br />
aus der Mode- oder<br />
Food-Branche auch auf Möbel übertragen.<br />
Das heißt, sie richten sich<br />
immer häufiger nach den neuesten<br />
Trends ein. Wir halten diese ständige<br />
Erneuerung von Einrichtungsgegenständen<br />
(„Fast Furniture“) für<br />
nicht mehr zeitgemäß und möchten<br />
unseren Teil dazu beitragen, dass die<br />
Ressourcen unserer Welt sparsamer<br />
eingesetzt und geschont werden.<br />
Unter „Slow Furniture“ verstehen<br />
wir moderne, zeitlose Möbel, die<br />
aus nachhaltigen Ressourcen stammen,<br />
handwerklich fair verarbeitet<br />
werden, reparierfähig sind und eine<br />
hohe Lebensdauer haben. Dadurch<br />
möchten wir so klimaschonend wie<br />
möglich sein. Seit der Gründung<br />
von Tikamoon im Jahr 2008 setzen<br />
wir auf Massivholz, da es ein<br />
natür licher CO2-Speicher ist und<br />
bei guter Pflege ein Leben lang hält.<br />
möbel kultur: 2020 haben Sie das CSR-<br />
Programm „TikaGreen“ ins Leben gerufen.<br />
Wie sieht dieses aus und wie trägt es zur<br />
nachhaltigen Entwicklung bei?<br />
Arnaud Vanpoperinghe: Das „Tika-<br />
Green“-Programm ist für uns ein<br />
wichtiges Instrument, um unsere<br />
Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen<br />
und neue Innovationen zu fördern.<br />
Die Entwicklung hat über ein Jahr<br />
gedauert, da wir alle Bereiche<br />
unserer Wertschöpfungskette einbezogen<br />
haben. Wenn Tikamoon-<br />
Möbel beim Kunden vor der Tür<br />
stehen, war „TikaGreen“ ganzheitlich<br />
integriert. Wir haben sechs<br />
Öko-Kriterien – darunter den Einsatz<br />
von Massivholz aus FSC-zertifizierten<br />
Wäldern oder den Verzicht<br />
auf Verbundstoffe – definiert. Konkret<br />
bedeutet das, dass wir ständig<br />
die Umweltverträglichkeit anhand<br />
einer Lebenszyklusanalyse ermitteln.<br />
Wir evaluieren alle Herstellungsphasen,<br />
um unseren ökologischen<br />
Fußabdruck so gering wie möglich<br />
zu halten. Praktisch bedeutet das<br />
beispielsweise, dass wir zur Vermeidung<br />
von Abfall den Verschnitt,<br />
der normalerweise verloren geht,<br />
wiederverwenden und daraus beispielsweise<br />
Trennwände und Schubladenböden<br />
herstellen. Der regelmäßige<br />
Austausch mit staatlichen<br />
Stellen und Organisationen wie dem<br />
WWF oder der UNO Global Impact<br />
Initiative runden diese Arbeit ab.<br />
möbel kultur: Bis 2024 sollen 95 Prozent<br />
der Tikamoon-Möbel aus Massivholz<br />
bestehen und 75 Prozent das FSC-Siegel<br />
tragen. Welche Aufwendungen waren bzw.<br />
sind dafür nötig, um dieses ehrgeizige Ziel<br />
umzusetzen?<br />
Arnaud Vanpoperinghe: Das sind ehrgeizige<br />
Ziele, aber zusammen mit<br />
„TikaGreen“ und unseren Partnern<br />
glauben wir, dass wir das erreichen<br />
können. Damals suchten wir nach<br />
einem Siegel, das vertrauenswürdig<br />
und international anerkannt ist,<br />
weil wir schon zu dem Zeitpunkt<br />
knapp 50 Prozent unseres Umsatzes<br />
im Ausland erzielten. Wir sind<br />
seit 2020 Mitglied von FSC Frankreich<br />
und FSC International. Unsere<br />
erste Zertifizierung erhielten wir<br />
38 möbel kultur 2/2023
2018. Nicht nur für das Produkt<br />
an sich, sondern für die gesamte<br />
Wertschöpfungskette. Neue Prozesse<br />
wurden etabliert und müssen stets<br />
überarbeitet und optimiert werden,<br />
damit wir unser Ziel erreichen. Dazu<br />
gehört auch der enge Austausch mit<br />
unseren Lieferanten, Herstellern<br />
und Stakeholdern, bei denen wir<br />
immer noch viel Überzeugungsarbeit<br />
leisten. Getragen wird das<br />
Ganze durch eine Menge Enthusiasmus,<br />
den wir täglich mitbringen,<br />
um den Anteil an FSC-zertifizierten<br />
Möbeln zu erhöhen.<br />
möbel kultur: Woher beziehen Sie die<br />
Rohstoffe? Gibt es aufgrund der geopolitischen<br />
Lage ein Problem mit den<br />
Beschaffungsmärkten?<br />
Thibault Deslorieux: Wie alle Unternehmen<br />
müssen auch wir uns mit<br />
der Pandemie, Inflation, Logistikproblemen,<br />
Ressourcenknappheit,<br />
der Energiekrise und den Auswirkungen<br />
des Krieges in der Ukraine<br />
auseinandersetzen. Aber wir sind<br />
trotz aller Krisen auf Kurs geblieben.<br />
Keine Frage, der Online-Shopping-<br />
Boom hat uns dabei geholfen, dass<br />
Tikamoon bekannter wurde, aber<br />
langfristig müssen wir umdenken,<br />
nicht nur um unabhängiger zu werden,<br />
sondern auch um die Umwelt<br />
zu schonen. Wir möchten zunehmend<br />
auf europäische Lieferanten<br />
und Produzenten zurückgreifen.<br />
Unser Ziel ist es, innerhalb von<br />
drei Jahren ein Drittel unserer Produktion<br />
nach Europa zu verlagern,<br />
aktuell sind wir in Verhandlungen<br />
mit Produzenten in Portugal, Polen<br />
und Italien. Neben unserer Produktion<br />
in Osteuropa haben wir zwei<br />
Partnerschaften mit französischen<br />
Unternehmen, die traditionelle Verarbeitungstechniken<br />
nutzen, bereits<br />
geschlossen. Außerdem möchten<br />
wir so bald wie möglich vermehrt<br />
FSC-zertifizierte Hölzer aus Europa<br />
anbieten.<br />
möbel kultur: Darüber hinaus wollen Sie<br />
den Lebenszyklus der Möbel verlängern.<br />
Wie verändert dies das Produktdesign?<br />
Arnaud Vanpoperinghe: Die Herausforderung<br />
beim Design ist, ein Möbelstück<br />
zu kreieren, das so lange hält,<br />
wie ein Baum nachwächst. Jedes<br />
Möbelstück ist so konzipiert, dass<br />
es nachhaltig, reparierbar, wiederverwendbar,<br />
anders nutzbar und<br />
recycelbar ist.<br />
In unserem Upcycling-Atelier<br />
wird dieser Kreislaufgedanke aufgenommen.<br />
Retournierte oder<br />
be schä digte Möbelstücke werden<br />
restauriert und in einem B-Warenverkauf<br />
in Frankreich veräußert.<br />
Letztes Jahr haben wir allein 7.000<br />
Möbel stücken ein zweites Leben<br />
geschenkt. Ebenfalls werden restaurierte<br />
Möbel an gemeinnützige<br />
Institutionen gespendet und an<br />
andere Organisationen weitergegeben,<br />
damit auch Menschen, die sich<br />
in einer finanziell schlechten Lage<br />
befinden, sich einrichten können.<br />
So wurden letztes Jahr weitere 6.000<br />
Möbel noch einem sinnvollen Zweck<br />
zugeführt. Nicht mehr reparierfähige<br />
Möbel werden komplett auseinandergenommen<br />
und von uns<br />
aufwendig recycelt. Wiederverwendbare<br />
Einzelteile werden eingesetzt,<br />
um Tikamoon-Möbel instand zu setzen,<br />
nicht benötigte Teile kommen<br />
in unser Ersatzteillager. Außerdem<br />
überlegen wir bei jedem Entwurf,<br />
wie Möbel bei unseren Kund:innen<br />
ein zweites Leben führen können. Ein<br />
Beispiel: Eine Tikamoon-Kommode<br />
kann später noch als Waschtisch<br />
verwendet werden. Wir animieren<br />
unsere Community ständig dazu, ihre<br />
Möbel weiterzugeben oder sie anders<br />
zu nutzen.<br />
möbel kultur: Tikamoon ist als Onlinehändler<br />
bereits in sieben Ländern vertreten.<br />
Was ist der Hauptmarkt und welchen<br />
Umsatzanteil macht dieser aus?<br />
Thibault Deslorieux: Unsere Wurzeln<br />
haben wir zwar in Frankreich,<br />
jedoch sind wir in Hamburg mit<br />
einer Niederlassung bereits seit über<br />
zehn Jahren vertreten. In Frankreich<br />
gehören wir mittlerweile zu den<br />
bekannteren Möbelmarken. 55 Pro <br />
zent unseres Umsatzes machen<br />
wir jedoch außerhalb des Landes.<br />
Deutschland ist für uns der zweitgrößte<br />
Markt in Europa, gefolgt von<br />
Großbritannien auf dem dritten<br />
Platz trotz des Brexits. Danach folgen<br />
Spanien, Italien und die Schweiz.<br />
Kürzlich sind wir in den Niederlanden<br />
gestartet und in den nächsten<br />
fünf Jahren sollen Polen und die<br />
nordischen Länder dazukommen. In<br />
den USA haben wir eine erfolgreiche<br />
Testphase abgeschlossen und auch<br />
hier wollen wir Tikamoon stärker<br />
etablieren. Wir merken in unseren<br />
Gesprächen und Marktanalysen,<br />
dass es immer mehr Menschen auf<br />
der Welt gibt, die Lust auf Massivholzmöbel<br />
haben, die verantwortungsvoll<br />
produziert werden und<br />
vormontiert sind.<br />
möbel kultur: Und auch im stationären<br />
Einzelhandel haben Sie bereits Ihre Fühler<br />
ausgestreckt und einen Pop-up-Store<br />
eröffnet. Wie erfolgreich ist das gelaufen<br />
und gibt es weitere Pläne, um auch stationär<br />
zu expandieren?<br />
Arnaud Vanpoperinghe: Als Digital Native<br />
Vertical Brand war es sehr aufregend<br />
für uns, weil wir vorher noch nie eine<br />
Ladenfläche betrieben haben. Im Rahmen<br />
der Pariser Design Week haben<br />
wir dann in einem Pariser Kaufhaus<br />
einen Pop-up-Store eröffnet. Für<br />
uns waren das wichtige gewonnene<br />
Eindrücke, um zu sehen, wie Menschen<br />
unsere Möbel begutachten<br />
und sie ausprobieren. Wir sind mit<br />
dem Ergebnis zufrieden und sehen<br />
uns bestärkt, weitere Shop-Flächen<br />
zu eröffnen. Tikamoon hat in Lille<br />
seinen Hauptsitz, deswegen wollen<br />
wir in diesem Jahr hier unser erstes<br />
Ladengeschäft eröffnen. Danach folgen<br />
weitere Standorte in Frankreich<br />
und Deutschland. Überall dort, wo<br />
Tikamoon online zu erleben ist, soll<br />
es bis 2027 von Tikamoon auch eine<br />
stationäre Präsenz geben. Aktuell sind<br />
wir in der Planung und optimieren<br />
unser Shop-Konzept, suchen Partner<br />
und geeignete Flächen. Hier könnten<br />
wir uns vorstellen, dass Hamburg, wo<br />
wir eine Niederlassung haben, ein<br />
erster idealer Standort in Deutschland<br />
sein könnte.<br />
Die Truhe „Suzette“ (o.) aus Teakholz<br />
bietet viel Platz. Das massive Holz<br />
stammt aus nachhaltig bewirtschafteten<br />
Wäldern. So auch der TV-Schrank<br />
„Thaki Black“ (u.) aus Kiefernholz.<br />
möbel kultur: Worin liegen die größten<br />
Unterschiede zwischen Online und stationärem<br />
Handel?<br />
Thibault Deslorieux: Die größte Herausforderung<br />
ist unsere Vielfalt. Auf<br />
der deutschen Website Tikamoon.de<br />
beispielsweise sind rund 1.000 Produkte<br />
zu finden, davon 200 aus dem<br />
Dekobereich. Im vergangenen Jahr<br />
haben wir noch eine Jugend- und<br />
Kinderzimmermöbel-Kollektion gelauncht.<br />
Die Frage, die wir uns jetzt<br />
stellen, lautet: Wie können wir das<br />
alles im echten Leben so präsentieren<br />
wie online? In unserem Pop-up-<br />
Store in Paris hatten wir uns auf 40<br />
qm erst einmal auf unsere Klassiker<br />
und Topseller konzentriert. Aber wir<br />
wissen, dass das nicht ausreichen<br />
wird, denn die Kundschaft ist in den<br />
letzten Jahren immer anspruchsvoller<br />
und besonders im stationären<br />
Handel umworben und verwöhnt<br />
worden.<br />
Eine weitere Aufgabe wird sein,<br />
die künftigen Tikamoon-Shops im<br />
Rahmen unseres „TikaGreen“-Programms<br />
nachhaltig aufzustellen.<br />
Auch hier wollen wir Verantwortung<br />
zeigen. Es sind noch viele Fragen zu<br />
beantworten, an denen wir zurzeit<br />
arbeiten.<br />
KRISTINA TAPKEN<br />
www.tikamoon.de<br />
2/2023 möbel kultur 39
KÜCHE<br />
Whirlpool/Arçelik: Wie der türkische Konzern seine Marktmacht in Europa ausbaut<br />
Mega-Deal unter türkischamerikanischer<br />
Flagge<br />
Ob Haier, Midea oder Samsung: Vor allem die asiatischen Global Player wollen immer größere Stücke vom<br />
europäischen Hausgeräte-Kuchen. Da kam dem türkischen Arçelik-Konzern die Offerte von Whirlpool zum<br />
Verkauf des EMEA-Geschäfts gerade recht. Zumindest 75 Prozent sicherte sich die ambitionierte Gruppe<br />
(u.a. Beko, Grundig) im künftigen Gemeinschaftsunternehmen. Mit dem Ziel, noch weiter an die<br />
hart umkämpfte Spitze der Europa-Liga vorzurücken.<br />
50 möbel kultur 2/2023
Hierzulande ist der Arçelik-<br />
Konzern vor allem mit den<br />
Marken Beko und Grundig<br />
vertreten – mit der stärksten<br />
Wachstumsdynamik im<br />
Hausgerätesektor, wie immer<br />
wieder betont wird. Bei der<br />
deutschen Tochtergesellschaft<br />
in Eschborn sind<br />
aktuell rund 200 Mitarbeiter:innen<br />
beschäftigt.<br />
Spannend wird die Frage<br />
der Markenabstimmung mit<br />
Whirlpool/Bauknecht.<br />
Global betrachtet, sind die<br />
Plätze im Ranking der Big<br />
Player längst eindeutig verteilt.<br />
Ganz vorn stehen in der Kategorie<br />
weiße Ware die beiden chinesischen<br />
Mischkonzerne Midea und Haier.<br />
Europa hingegen entpuppt sich als<br />
harte Nuss. Als klare Nr. 1 kann sich<br />
hier weiterhin die BSH behaupten,<br />
während es auf den weiteren Positionen<br />
schon wackeliger wird. Hinter<br />
Electrolux ordnet sich Arçelik bereits<br />
auf Platz 3 ein. Auch Whirlpool hatte<br />
2014 einen Vorstoß durch die Übernahme<br />
der italienischen Indesit-<br />
Gruppe gewagt. Doch die Integration<br />
in den Konzernverbund war ein<br />
Kraftakt, der Kapazitäten einforderte<br />
und nicht zuletzt auch das deutsche<br />
Werk in Stuttgart und die Marke<br />
Bauknecht schwächte. Umsatz und<br />
Marge blieben hinter dem Erwartungsdruck<br />
der Whirlpool-Aktionäre<br />
zurück, sodass Whirlpool<br />
EMEA mit einem Marktvolumen<br />
von rund 5 Mrd. Euro (2021) ins<br />
Verkaufsregal gestellt wurde.<br />
Am 17. Januar wurde schließlich<br />
die Entscheidung öffentlich: Unter<br />
den zum Schluss zwei Bewerbern<br />
setzte sich der türkische Arçelik-<br />
Konzern (Koç-Gruppe) durch. Während<br />
die Aktivitäten in Afrika und<br />
im Nahen Osten komplett für etwa<br />
20 Mio. Euro verkauft werden, will<br />
Whirlpool im Rahmen eines Joint<br />
Ventures 25 Prozent der Anteile<br />
weiter behalten. Der Umsatz des<br />
gemeinsamen Unternehmens mit<br />
mehr als 20.000 Mitarbeitenden,<br />
in das die Großgerätemarken von<br />
Whirlpool (also auch Bauknecht,<br />
Privileg und Ignis) ebenso wie die<br />
Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik<br />
und Klimatechnik von Arçelik<br />
eingehen, wird mit 6 Mrd. Euro<br />
Umsatz beziffert.<br />
Vorbehaltlich der Zustimmung<br />
der Behörden wird der Deal in der<br />
zweiten Jahreshälfte abgeschlossen.<br />
Arçelik will dann seine komplette<br />
europäische Tochtergesellschaft<br />
unter dem Namen Ardutch in das<br />
neue Unternehmen einbringen.<br />
2/2023 möbel kultur 51
KÜCHE<br />
A<strong>MK</strong>/VDM: Networking in Amerika<br />
Flagge zeigen für<br />
„Made in Germany“<br />
Die Küchenbranche sucht nach neuen Exportchancen, um sich<br />
in Zeiten der Inflation und politischen Unsicher heiten breiter<br />
aufzustellen. Entsprechend wächst das Interesse an der Messe<br />
KBIS, die den Zugang zu einem der größten Absatzmärkte der Welt<br />
verspricht. Zum zweiten Mal zeigte nun die deutsche Küchenund<br />
Zulieferindustrie in Las Vegas auf einem Gemeinschaftsstand,<br />
was in „Made in Germany“ steckt. Parallel sorgte die A<strong>MK</strong>-<br />
Delegation-Tour fürs deutsch-amerikanische Networking.<br />
Der deutsche Gemeinschaftsstand<br />
war ein voller Erfolg“,<br />
stellte VDM- Geschäftsführer<br />
Jan Kurth nach drei Tagen KBIS angesichts<br />
der hohen Besucherzahlen<br />
und viel positivem Feedback fest.<br />
Der Auftritt für „Made in Germany“<br />
auf der größten nordamerikanischen<br />
Küchen- und Badshow (31.1. bis<br />
2.2.) habe sich mehr als gelohnt,<br />
denn: „Die Unternehmen haben<br />
nicht nur viele, sondern auch gute<br />
Gespräche mit Designern, Architekten<br />
und potenziellen Handels-<br />
partnern geführt.“ Selbst wenn die<br />
Marktsituation in den USA in den<br />
kommenden Monaten vermutlich<br />
nicht einfacher werde, beeinträchtigt<br />
dies laut Kurths Einschätzung nicht<br />
die Exportchancen für deutsche<br />
Küchen.<br />
Die volatile Weltsituation liefert<br />
schließlich genug Gründe, den für<br />
Deutschland so wichtigen Export auf<br />
möglichst viele Stützbeine zu stellen.<br />
Vor allem auch durch die politischen<br />
Dissonanzen mit China gilt es, neue<br />
Alternativen zu finden. Aus Sicht der<br />
475 Aussteller und<br />
40.000 Fachbesucher:innen<br />
trafen<br />
sich zur KBIS 2023<br />
in Las Vegas. Unter<br />
dem Dach des<br />
„German Pavilion“<br />
zeigten diesmal<br />
zwölf Küchen- und<br />
Zulieferbetriebe<br />
ihr Können auf der<br />
größten Küchenund<br />
Badshow<br />
Nordamerikas.<br />
54 möbel kultur 2/2023
deutschen Küchenmöbelhersteller<br />
steht der US-Markt bislang erst auf<br />
dem 10. Platz unter den Exportländern.<br />
Ausgehend von der relativ<br />
niedrigen Basis wurden 2022 bis<br />
einschließlich Q3 (letzte Statistik)<br />
Küchenmöbel für 33 Mio. Euro in die<br />
Staaten geliefert, immerhin mit 26<br />
Prozent Plus. Vor allem im Premiumsegment<br />
bieten sich viele Chancen,<br />
wie die jüngste, durch den VDM veranlasste<br />
Studie bestätigt (s. Kasten).<br />
Gerade weil der deutsche Anteil<br />
in den USA noch sehr gering ist,<br />
besteht also auch viel Luft nach oben<br />
in einem Markt, der mit etwa 36,6<br />
Mrd. Euro (Küchen-/Esszimmermöbel<br />
laut Statista) beziffert wird.<br />
Auch wenn das europäische, eher<br />
puristische Design noch längst<br />
nicht dem gängigen Geschmack der<br />
Amerikaner entspricht – abgesehen<br />
von den Inch-Maßen und Big Size-<br />
Formaten – und ebenso die Wertigkeit<br />
der hochindustriell produzierten<br />
Importe aus Deutschland nicht<br />
auf Anhieb wahrgenommen wird.<br />
Es ist also noch viel Überzeugungsarbeit<br />
nötig, um den US-Markt zu<br />
erobern. Dafür bot die KBIS nun die<br />
passende Gelegenheit. Als Teil der<br />
Design & Construction Week (mit<br />
ca. 200.000 Besucher:innen), die<br />
alljährlich fünf Fachmessen rund<br />
ums Bauen und Wohnen bündelt,<br />
konnte die Kitchen & Bath Industry<br />
Show 40.000 Fachbesucher:innen<br />
im Las Vegas Convention Center<br />
empfangen. Ein Rekord, wie es<br />
heißt. Zum zweiten Mal hatten jetzt<br />
A<strong>MK</strong> und VDM, durch Bundesmittel<br />
gefördert und von der Leipziger<br />
Messe International umgesetzt, den<br />
German Pavilion platziert. Mit 1.000<br />
qm doppelt so groß wie bei der<br />
Premiere im Vorjahr, präsentierten<br />
sich hier zwölf Unternehmen der<br />
Küchen-, Zulieferer- und Dienstleisterszene:<br />
Ballerina, der Importeur<br />
Bauteam (u.a. Bauformat), Burnout,<br />
Elektra, Häcker, Hettich, Imos,<br />
In2Aqua, Kesseböhmer, W. Kirchhoff,<br />
Nobilia und Vauth-Sagel. Eine<br />
deutsche Insel auf dem 400.000<br />
qm-Areal, inmitten von 475 Ausstellern<br />
meist amerikanischer Herkunft.<br />
Begleitend zur Fachmesse hatte die<br />
A<strong>MK</strong> zudem mit Unterstützung der<br />
Koelnmesse und gemeinsam mit dem<br />
Branchenverband NKBA (National<br />
Kitchen and Bath Association) eine<br />
Delegationstour organisiert. Für die<br />
33 Teilnehmer:innen ergab sich so die<br />
Möglichkeit zu weiteren Kontakten:<br />
zum einen in Form eines geführten<br />
Messerundgangs zu amerikanischen<br />
Produzenten, gezielt für deutsche<br />
Handelsunternehmen gedacht, zum<br />
anderen boten Besuche beim Handelsunternehmen<br />
Lowe’s und der<br />
Baumarktkette Home Depot Einblicke<br />
in die Vertriebsstrukturen – die sich<br />
ebenfalls von den deutschen stark<br />
unterscheiden. Denn neben exklusiven<br />
Markenstudios sind es in den USA<br />
eher Baumärkte und Planer:innen<br />
bzw. Innenarchitekt:innen für den<br />
Immobiliensektor („Designer“), die<br />
den Küchenabsatz dominieren. Wichtige<br />
Brückenfunktion für den Markteinstieg<br />
erfüllten für die deutschen<br />
„Delegierten“ vor allem die Treffen<br />
mit der NKBA – zu deren Vorstand<br />
übrigens Jan Heck, President & CEO<br />
Miele USA, und Mikael Åkerberg, CEO<br />
von Nobilia North America, gehören.<br />
„Die rege Beteiligung am deutschen<br />
Gemeinschaftsstand zeigt, wie<br />
groß das Wachstumspotenzial in<br />
Nordamerika eingeschätzt wird“,<br />
hatte A<strong>MK</strong>-Geschäftsführer Volker<br />
Irle schon im Vorfeld der KBIS festgestellt.<br />
Für VDM-Geschäftsführer Jan<br />
Kurth ist indes klar, dass die deutsche<br />
Küchenbranche nächstes Jahr vom<br />
27. bis 29.2.2024 wohl mit noch<br />
größerer Präsenz nach Las Vegas<br />
kommen wird – und stellt zudem<br />
weitere German Pavilions in China,<br />
Japan und den Vereinigten Arabischen<br />
Emiraten in Aussicht.<br />
HEIKE LORENZ<br />
kbis.com<br />
German Clean Chic trifft auf<br />
amerikanische Opulenz und<br />
Country Style (o): Während<br />
sich die deutsche Industrie<br />
auf der Messe präsentierte,<br />
nahmen die Teilnehmer:innen<br />
der A<strong>MK</strong> Delegation Tour am<br />
POS Einblicke in den American<br />
Way of Living. Auch die von<br />
den Branchenverbänden A<strong>MK</strong><br />
und NKBA organisierten<br />
Treffen (l.) sorgten für<br />
wertvollen Austausch.<br />
Fotos: u.a. A<strong>MK</strong>, VDM<br />
NEUE USA-<br />
STUDIE<br />
❯ Einen Überblick über die Strukturen<br />
des nordameri kanischen Möbelmarkts,<br />
insbesondere Vertriebskanäle<br />
inklusive Onlinehandel, sowie<br />
konkrete Tipps für den Markteintritt<br />
vermittelt die Studie „Möbelmarkt<br />
Nordamerika“, die auf Veranlassung<br />
des VDM durch die Unternehmensberatungen<br />
Conneum und Modenus<br />
Media durchgeführt wurde.<br />
❯ Verbandsmitglieder erhalten<br />
die Studie kostenlos.<br />
Nicht-Mitglieder zahlen 999 Euro<br />
plus Mehrwertsteuer.<br />
❯ Kontakt:<br />
a.oswald@moebel industrie.de.<br />
2/2023 möbel kultur 55
DIENSTLEISTER<br />
Zur Inspiration und zur Kaufvorbereitung<br />
nutzen die User:innen die Plattformen<br />
„kaufDA“ und MeinProspekt.<br />
Bonial: Digitale Angebotskommunikation<br />
Online informieren –<br />
offline kaufen<br />
Eine Brücke schlagen zwischen der digitalen Welt und dem stationären Geschäft – das<br />
ist die Kompetenz von Bonial. Mit 12 Mio. Nutzer:innen ist das Unternehmen mit den<br />
Plattformen „kaufDA“ und MeinProspekt Marktführer in der digitalen Angebotskommunikation.<br />
Auch das Potenzial für den Möbelhandel ist groß, betont Sebastian Kerkhoff.<br />
Der Senior Vice President Home & Living erklärt, wie die User:innen ticken, ob Print-<br />
Prospekte nach wie vor wichtig sind und wie Bonial den stationären Einzelhandel stärkt.<br />
werden sollen. Unsere Kund:innen<br />
sehen nur die Angebote aus ihrem<br />
Umfeld und nutzen unsere Apps erstens<br />
zur direkten Kaufvorbereitung<br />
und zweitens, um sich inspirieren<br />
zu lassen. Dabei haben wir einen<br />
unschlagbaren Vorteil: Wir sind<br />
ein Pull-Medium. Die User:innen<br />
informieren sich bei uns freiwillig<br />
und proaktiv über Handelsangebote.<br />
Die Werbung wird nicht als störend<br />
wahrgenommen, sondern ist der<br />
Inhalt unserer Apps. Eine Kundin<br />
meinte einmal, dies sei endlich eine<br />
App ohne Werbung. Da mussten wir<br />
natürlich schmunzeln, aber es sagt<br />
viel über die Stärke der Plattform<br />
aus. Die Nutzer:innen setzen sich<br />
mit der Werbung auseinander und<br />
haben dann einen höheren Warenkorb.<br />
Das bestätigen Studien.<br />
möbel kultur: Aber Möbel werden weiterhin<br />
vor allem stationär gekauft. Warum<br />
sind solche digitalen Tools trotzdem wichtig<br />
für den Handel?<br />
Sebastian Kerkhoff: Wir treffen den<br />
Zeitgeist eines digitalen Mediennutzungs-<br />
und Kommunikationsverhaltens.<br />
Nur, weil man ein Smartphone<br />
benutzt, heißt das ja nicht,<br />
dass man nur online einkauft. Im<br />
Gegenteil: Wir schlagen die Brücke<br />
zwischen der digitalen Welt und<br />
dem stationären Geschäft. Drive-tostore<br />
heißt unser Ziel, wir wollen<br />
also die Kund:innen in den Laden<br />
kriegen. Natürlich bieten wir auch<br />
möbel kultur: Herr Kerkhoff, Ihre User:innen<br />
sind im Schnitt zwischen 20 und 59<br />
Jahre alt, einkommensstark und konsumbereit.<br />
Wie ist bei dieser Zielgruppe die<br />
aktuelle Stimmung?<br />
Sebastian Kerkhoff: Nach den großen<br />
Bedenken, die unsere Nutzer:innen<br />
im vergangenen Jahr hatten,<br />
hellt sich die Stimmung aktuell auf.<br />
Es wird wieder konsumiert, aber<br />
teilweise weniger und bewusster.<br />
Inflation und Energiepreise beeinflussen<br />
weiterhin die Entscheidungen.<br />
Unsere User:innen vergleichen<br />
noch stärker und überlegen länger,<br />
bevor sie etwas kaufen. Konsumiert<br />
wird dabei nicht nur im gehobenen<br />
Segment, sondern in allen<br />
Preisbereichen.<br />
möbel kultur: Wie tragen Sie dazu bei, die<br />
Konsumfreude zu stärken?<br />
Sebastian Kerkhoff: Wir sind der<br />
Marktführer im Bereich der digi-<br />
talen Angebotskommunikation. Auf<br />
unseren Plattformen „kaufDA“ und<br />
MeinProspekt bekommen die Nutzer:innen<br />
auf sie zugeschnittene<br />
Angebote angezeigt. Wir sind ein<br />
location-based Anbieter. Das heißt,<br />
der Händler stellt seine Angebote,<br />
Aktionen und Prospekte ein und<br />
entscheidet, in welchem Umkreis<br />
oder PLZ-Gebiet diese ausgespielt<br />
Sebastian Kerkhoff, Senior Vice<br />
President Home & Living bei<br />
Bonial, und sein Team wissen,<br />
wie ihre Nutzer:innen ticken.<br />
Die dominante<br />
Stellung des gedruckten<br />
Prospekts gehört<br />
der Vergangenheit an.<br />
Sebastian Kerkhoff<br />
58 möbel kultur 2/2023
Multichannel- Möglichkeiten der<br />
Vernetzung mit dem Onlineshop<br />
des Händlers. Aber grundsätzlich<br />
informieren und inspirieren sich<br />
die User:innen online und kaufen<br />
stationär. So stärken wir den Handel<br />
vor Ort.<br />
möbel kultur: Hat denn der Möbelhandel<br />
dieses Potenzial bereits erkannt?<br />
Sebastian Kerkhoff: Durchaus. Das<br />
Home&Living-Segment hat bei unseren<br />
User:innen einen sehr hohen<br />
Stellenwert. Dies nutzen bereits rund<br />
150 Händler – von den Branchenriesen<br />
wie Ikea und XXXLutz sowie<br />
den Baumärkten über regionale Größen,<br />
zum Beispiel Inhofer, bis hin<br />
zum mittelständischen Einrichter<br />
und sogar Nischenanbieter. Wichtig<br />
dabei zu wissen: Die Nutzung<br />
unserer Apps ist vergleichbar mit<br />
Social-Media-Content – die User:innen<br />
scrollen sich durch die Angebote.<br />
Viele legen sich Favoriten zu<br />
bestimmten Themen an, aber nur<br />
wenige suchen nach speziellen Produkten<br />
wie Sofa oder Tisch.<br />
möbel kultur: Im Möbelhandel sind Print-<br />
Prospekte nach wie vor sehr beliebt. Halten<br />
Sie diese inzwischen für überflüssig?<br />
Sebastian Kerkhoff: Der gedruckte<br />
Prospekt ist immer noch ein wichtiges<br />
und gut funktionierendes Marketinginstrument.<br />
Schließlich wurde<br />
er jahrzehntelang optimiert. Aber<br />
ich bin überzeugt, dass die dominante<br />
Stellung dieses Werbemittels<br />
der Vergangenheit angehört. Händler<br />
brauchen eine Angebotskommunikation,<br />
die idealerweise flexibel, dynamisch,<br />
lokal und nachhaltig ist. Eine<br />
Verschiebung von Print zu Online<br />
gab es bereits vor der Pandemie.<br />
Durch Corona wurde diese Entwicklung<br />
beschleunigt. Nun kommen<br />
Aspekte wie steigende Papierpreise,<br />
sinkende Papierverfügbarkeit, steigende<br />
Zustellkosten und der Wegfall<br />
vieler Anzeigenblätter hinzu. Der<br />
Handel sucht nach digitalen Alternativen.<br />
Nicht ohne Grund endet<br />
gerade bei Rewe und Obi die Ära der<br />
Print-Prospekte. Im Möbelsegment<br />
jetzt schon komplett auf gedruckte<br />
Werbemittel zu verzichten, halte<br />
ich für schwierig. Aber die Händler<br />
sollten sich rechtzeitig mit digitalen<br />
Angeboten auseinandersetzen.<br />
möbel kultur: Wie wichtig sind in den<br />
digitalen Prospekten Preisangaben?<br />
Sebastian Kerkhoff: Sehr wichtig.<br />
Immer wieder stellen wir anhand<br />
Die deutliche Mehrheit bevorzugt es,<br />
im Geschäft Möbel einzukaufen<br />
Wo kaufst du Möbel und Einrichtungsgegenstände lieber ein:<br />
online oder vor Ort in einem Geschäft?<br />
63 %<br />
59 %<br />
In einem Geschäft<br />
32 %<br />
der Klickraten fest, dass Werbemittel<br />
dann am besten funktionieren,<br />
wenn sie Produkte, Preise und<br />
Rabatte enthalten.<br />
möbel kultur: Lohnt es sich trotzdem, auch<br />
Werbemittel ohne Preise zu realisieren?<br />
Sebastian Kerkhoff: Ja. Die Kombi<br />
macht‘s. Die Nachfrage nach lokaler<br />
Angebotskommunikation war noch<br />
nie so hoch wie in den vergangenen<br />
zwölf Monaten. Der Bedarf, sich zu<br />
informieren, ist riesig. Unsere Userzahl<br />
ist enorm gestiegen. Unsere<br />
Plattformen werden, wie gesagt, zur<br />
Kaufvorbereitung und zur Inspiration<br />
genutzt. Und genau hier können<br />
Möbelhändler ansetzen, indem<br />
sie einerseits regelmäßig Angebote,<br />
Kampagnen und Aktionen zeigen<br />
und andererseits mit saisonalen<br />
Themen und Highlights das Interesse<br />
wecken. Dabei profitieren sie<br />
davon, dass wir nur den Prospekt<br />
berechnen, der angeklickt wird. Sie<br />
können also Angebote und Inspiration<br />
kombinieren, ohne zu viel Geld<br />
investieren zu müssen. Denn bei<br />
uns sparen sich die Händler ja die<br />
Druck- und die Verteilkosten.<br />
möbel kultur: Wie groß ist denn der<br />
Aufwand für einen Händler, der Ihre<br />
Plattformen nutzen möchte?<br />
34 %<br />
Beides gleich gern<br />
5 %<br />
2022<br />
2021<br />
Online<br />
7 %<br />
Quelle: Bonial In-App-Befragung, Oktober 2021 & 2022, Anzahl der Befragten 2021/2022:<br />
2.011/1.086 Nutzer:innen von „kaufDA“ und MeinProspekt.<br />
Sebastian Kerkhoff: Gering. Wir<br />
benötigen die klassischen Informationen<br />
wie Standorte und<br />
Öffnungszeiten. Das Werbemittel<br />
selbst kann dann ein klassischer<br />
Print-Prospekt sein, den wir entweder<br />
so veröffentlichen, wie er<br />
ist, oder ihn digital „veredeln“.<br />
Das heißt, wir setzen Links. Dafür<br />
müssen wir vom Händler wissen,<br />
wohin die Links führen sollen.<br />
Darüber hinaus gibt es bei uns die<br />
Möglichkeit, rein digital zu werben.<br />
Wir haben eine eigene Grafikabteilung,<br />
die Online-Prospekte erstellt.<br />
Zudem bieten wir mit „Bonial<br />
dynamic“ ein Feed-basiertes Werbemittel<br />
an. Dies nutzt zum Beispiel<br />
Ikea, um jede Woche einen neuen<br />
rein digitalen Prospekt bei uns zu<br />
veröffentlichen.<br />
FACTS<br />
❯ Plattformen: „kaufDA“, MeinProspekt<br />
❯ Kunden (Händler): ca. 1.500<br />
❯ User:innen: mehr als 12 Mio., davon<br />
76 % zwischen 20 und 59 Jahre alt<br />
sowie 69 % mit Haushalts-Nettoeinkommen<br />
von über 2.500 Euro<br />
❯ App-User-Wachstum:<br />
+31 % in 2021 und +57 % in 2022<br />
❯ Click-Wachstum:<br />
+20 % in 2021 und +45 % in 2022<br />
❯ Nutzung der Plattformen:<br />
85 % zur Einkaufsvorbereitung,<br />
75 % zur Inspiration,<br />
96 % nutzen die Apps zu Hause<br />
www.bonial.de<br />
möbel kultur: Und woher wissen Kunden<br />
wie Ikea, dass sich das lohnt? Haben Sie<br />
Tools, mit denen Sie das Nutzungsverhalten<br />
der User:innen analysieren können?<br />
Sebastian Kerkhoff: Natürlich. Während<br />
ein Print-Prospekt ja quasi mit<br />
der Gießkanne ausgekippt wird und<br />
Werbemittel<br />
funktionieren am besten,<br />
wenn sie Preise und<br />
Rabatte enthalten. Sebastian Kerkhoff<br />
der Händler nur weiß, dass er funktioniert,<br />
aber nicht wie, kann er<br />
seine Kund:innen mit uns genau<br />
kennenlernen. Wir wissen, welche<br />
Möbel angesagt sind, wann und<br />
wie oft ein Prospekt geklickt wurde<br />
und welche Produkte im Prospekt<br />
das meiste Interesse hervorgerufen<br />
haben. Außerdem sind unsere<br />
User:innen sehr auskunftsfreudig,<br />
sodass wir regelmäßig Umfragen<br />
starten. Wer also wissen will, wie<br />
die Verbraucher:innen ticken, ist bei<br />
uns richtig. SILJA BERNARD<br />
2/2023 möbel kultur 59
INDUSTRIE<br />
Foto: Messe Frankfurt / Thomas Fedra<br />
Heimtextil: „Place-to-be“ für Textilien<br />
Green<br />
Love-<br />
Affairs<br />
„Grüne“ Aufbruchstimmung! Viel<br />
Neues, durchweg sichtbares Bemühen<br />
um Nachhaltigkeit und endlich wieder<br />
Face-to-Face-Kontakte machten die<br />
Heimtextil in Frankfurt vier Tage im<br />
Januar zum Place-to-be für die Textilindustrie.<br />
Rund 44.000 Besucher:innen<br />
bei ca. 2.400 Ausstellern aus 129<br />
Nationen sorgten für lang vermisstes<br />
Messefeeling.<br />
„Modern Elegance“ –<br />
in Szene gesetzt mit GOTSzertifizierter<br />
Bettwäsche<br />
und Samtkissen von Apelt<br />
sowie Zubehör von Bandex,<br />
einem Teppich von Paulig und<br />
Tapeten im Betonlook von<br />
Architect Papers.<br />
Gebr. Munzert launchte<br />
erstmals auch Vorhangstoffe<br />
für seine nachhaltige<br />
Marke Sensus.<br />
Die akustisch wirksamen,<br />
schwer entflammbaren<br />
Stoffe „FR Eco Spectrum“<br />
und „FR Eco Noise“ bestehen<br />
zu 70 Prozent aus<br />
recyceltem Polyester.<br />
Zertifikate, wohin man auch<br />
sah. Es gab kaum einen Aussteller,<br />
der keine Bemühungen<br />
um Nachhaltigkeit zur Schau stellte.<br />
Die Heimtextil, die sich inspirierend<br />
zurückmeldete, veranschaulichte,<br />
wie weit die Transformation in der<br />
Textilbranche bereits vorangeschritten<br />
ist. Während Stoffe aus recyceltem<br />
PET und recycelter Baumwolle<br />
beinahe nichts Besonderes mehr<br />
sind, riefen Materialien aus Pilzen<br />
oder Pflanzenfasern und natürlich<br />
gefärbt, wie sie im „Trend Space“<br />
zu sehen waren, Wow-Effekte hervor.<br />
Caroline Till, Co-Gründerin der britischen<br />
Zukunftsagentur Franklin Till,<br />
hatte ihn materialorientiert kuratiert.<br />
Trevira zeigte im acht Stationen<br />
umfassenden „Path of Sustainability“<br />
sogar schon einen Prototypen,<br />
der zum Großteil aus chemisch<br />
recyceltem Rohstoff stammt – für<br />
diese neue Technologie ist ein Patent<br />
angemeldet – und sich so anfühlte<br />
wie der Originalstoff. Bewährt hat<br />
sich die Weiterverarbeitung recycelteter<br />
Trevira CS-Stoffe zu Vliesen<br />
oder „Nonwovens“, die zur Isolierung<br />
oder für das Innenleben von<br />
Akustikpaneelen eingesetzt werden,<br />
zumal letztere häufig mit Trevira<br />
CS Stoffen verkleidet werden. Dass<br />
Kunstfasern nachhaltig sein können,<br />
sofern sie im chemischen Kreislauf<br />
bleiben, wird zunehmend verstanden.<br />
Ein Highlight war die Sonderschau,<br />
in der Künstlerin Angelika<br />
Vienken Zusatzfunktionen insze-<br />
Teppichfliesen von Tarkett<br />
sind Nachhaltigkeits-<br />
Helden. Da die Rücknahme<br />
organisiert ist, funktioniert<br />
das Kreislaufsystem.<br />
68 möbel kultur 2/2023
Traumhaft – ein Monet-Gemälde diente Angelika<br />
Vienken, Innenarchitektin und Künstlerin, als Vorlage<br />
für diese Installation aus Trevira CS-Stoffen.<br />
nierte. Ebenso sehenswert waren<br />
die DecoTeam-Kojen zum Thema<br />
„Green Affairs“, die zeigten, wie stylisch<br />
und schick sich Stil- und Farbkonzepte<br />
wie „Summer Vibes“ oder<br />
„Modern Elegance“ mit nachhaltigen<br />
Materialien umsetzen lassen.<br />
Gute Partner sind ein Schlüsselfaktor<br />
auf dem Weg zur Nachhaltigkeit.<br />
Marcel Beucke, Marketingleiter<br />
bei Neutex, fand viel Lob für das<br />
Start-up OceanSafe, mit dem das vollstufig<br />
in Deutschland produzierende<br />
Unternehmen jetzt zusammenarbeitet.<br />
Per QR-Code lässt sich die Produktion<br />
nachverfolgen.<br />
Auf 330 qm präsentierte Lalee<br />
erstmals die nachhaltige Teppich-<br />
Kollektion „Glamour“ – sowie<br />
Decken und Kissen. 2022 erzielte<br />
Lalee laut DACH-Vertriebsleiter Rüdiger<br />
Speicher ein Plus von 30 Prozent.<br />
Über Neukunden freute sich<br />
Antonio Romera, Area Manager Bliss<br />
by Citel aus Spanien. Sicher wieder<br />
dabei ist 2024 auch die Oberbadische<br />
Bettfedernfabrik, wie Geschäftsführerin<br />
Petra Schweigert versicherte.<br />
Denn „die Heimtextil ist der perfekte<br />
Ort, neueste Trends bei Produkten<br />
und Materialien der Textilindustrie<br />
zu erleben“, so Rakesh Bali, Marketingleiter<br />
bei Reliance Industries aus<br />
Indien.<br />
SUSANNE KRAFT<br />
www.heimtextil.de<br />
Lalee launchte seine erste<br />
Kollektion aus recyceltem<br />
PET (l.). Nachhaltig sind<br />
die Stoffe von Neutex durch<br />
Fasern und Garne von Ocean-<br />
Safe, die kreislauffähig und<br />
kompostierbar sind (r.).<br />
EOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIMTEXTIL // PEOPLE HEIM<br />
Green-Tour-Stopp bei<br />
Karupannya Rangpur aus<br />
Bangladesch. CEO Shafiqul<br />
Alam Selim (l.) kann sich<br />
über die Auszeichnung vom<br />
UN Habitat als nachhaltigstes<br />
Unternehmen weltweit<br />
freuen. Zu den Hauptkunden<br />
gehören Ikea, H&M oder<br />
Jysk. Material für die Korbwaren<br />
sind schnellwachsende<br />
Wasserhyazinthen.<br />
Beschäftigt werden auch<br />
ältere Menschen und ganz<br />
junge, die sonst keine<br />
Arbeit finden und sich so<br />
wertgeschätzt fühlen.<br />
„Die herausragende<br />
Internationalität zeigt: Die<br />
Heimtextil ist in Zeiten<br />
geopolitischer Herausforderungen<br />
der wichtigste<br />
,Place-to-be‘ der globalen<br />
Heimtextilbranche – sowohl<br />
für neue Geschäftskontakte<br />
und Marktchancen als auch<br />
für die Neudefinition von<br />
Lieferketten sowie wichtige<br />
Kooperationen zur Bewältigung<br />
der Produktionsengpässe“,<br />
versicherte<br />
Messe-Geschäftsführer<br />
Detlef Braun.<br />
Hotspot DecoTeam:<br />
„Kreativität entsteht<br />
nicht beim<br />
Videocall“, so Birgit<br />
Schlenker (r.), die<br />
sich über tatkräftige<br />
Unterstützung ihrer<br />
Tochter Anna (l.)<br />
freute. Den Beweis<br />
lieferten die „Green<br />
Affairs“-Kojen mit<br />
Produkten von zehn<br />
DecoTeam-Partnern.<br />
Das erstmals<br />
praktizierte Konzept<br />
mit einem Gemeinschaftsstand<br />
kam<br />
bestens an und wird<br />
beibehalten.<br />
Elastisch und weich,<br />
aber dennoch haustiergeeignet<br />
und waschbar<br />
sind die Polster- und<br />
Kissenbezüge von<br />
Paulato. Durch den<br />
Crinclé-Effekt wirken<br />
sie besonders plastisch.<br />
„Dafür haben wir<br />
ein Patent“, erklärte<br />
Cristiano Paulato, der<br />
als Vertriebsleiter ins<br />
Familienunternehmen<br />
aus Bergamo eingestiegen<br />
ist.<br />
2/2023 möbel kultur 69
INTERNATIONAL<br />
Maison & Objet: Zurück im Januar<br />
Die Heimat von<br />
„Haute Facture“<br />
Die Maison & Objet machte Laune auf das Einrichtungsjahr<br />
2023, denn die Industrie reagiert mit Einfallsreichtum<br />
und Kreativität auf die allgegenwärtigen Krisen. Der<br />
Messe gesellschaft SAFI gelang es, mit Sonderarealen und<br />
Themen schwerpunkten den richtigen Rahmen zu setzen.<br />
Platz verteidigt! Die Pariser<br />
Einrichtungsmesse Maison &<br />
Objet rückte mit ihrer Winterausgabe<br />
wieder auf den angestammten<br />
Januar-Termin. Insbesondere das<br />
internationale Publikum nutzte die<br />
fünf Messetage zur Standortbestimmung<br />
zum Jahresbeginn.<br />
Auch wenn ein Streik im öffentlichen<br />
Nahverkehr die Anreise zum<br />
Messegelände erschwerte, ließen<br />
sich die Besucher:innen davon nicht<br />
die Laune vermiesen. Was bedeutet<br />
schon eine ausgefallene S-Bahn angesichts<br />
der großen Negativ themen in<br />
der Welt? Und so herrschte vom<br />
19. bis zum 23. Januar im Parc des<br />
Expositions de Paris-Nord (Villepinte)<br />
eine ausgesprochen positive<br />
und freundliche Atmosphäre als<br />
Krisen-Kontrastprogramm.<br />
Mit mehr als 67.000 Fachbesucher:innen,<br />
von denen fast 45<br />
Prozent aus dem Ausland – davon<br />
beachtliche 2.152 aus Deutschland<br />
– nach Paris kamen, untermauerte<br />
die Maison & Objet ihren Anspruch<br />
als internationale Trendschau.<br />
Das ist sicher auch eine Folge<br />
davon, dass die von der SAFI orga -<br />
nisierte Messe während der Corona-<br />
Krise großen Durchhaltewillen<br />
gezeigt hat. Schließlich war es nun<br />
schon die vierte M&O-Edition seit<br />
der ersten Covid-Welle. Einige Länder<br />
wie Italien, Portugal sowie die<br />
Nationen des Nahen Ostens waren<br />
zahlenmäßig sogar noch stärker vertreten<br />
als vor 2020. Auch mehr als<br />
1.400 Nordamerikaner, die traditionell<br />
eine enge Bindung an die Stadt<br />
Paris haben, ließen sich endlich wieder<br />
blicken. In den meisten Fällen<br />
war es für sie der erste Überseetrip<br />
seit dem Ausbruch der Pandemie.<br />
Mehr als 2.300 Marken in sieben<br />
Hallen zeigten, was die Maison &<br />
Objet auszeichnet: Ein gekonnt kuratiertes<br />
Ausstellerfeld mit sorgfältig<br />
gestalteten Set-Designs und innovativen<br />
Kollektionen von Big Names,<br />
aber auch aufstrebenden Marken aus<br />
allen Interieur-Bereichen. Die Produkte<br />
reichen von Möbeln, Leuchten<br />
und Teppichen über Kochgeschirr,<br />
Deko & Accessoires bis hin zu Papeterie<br />
und Geschenkartikeln.<br />
Die französische Industrie, die<br />
vom Verband Ameublement Français<br />
vertreten wird, zeigt in der eigenen<br />
Hauptstadt natürlich besonders gern,<br />
was „Haute Facture“ bedeutet. Unter<br />
den 996 einheimischen fanden sich<br />
Labels wie Atelier Alain Ellouz, la<br />
Manufacture des Emaux de Longwy<br />
oder Taillardat. „Wir können hier<br />
unter Beweis stellen, wie kreativ und<br />
Paula Baúlde Portas,<br />
International Market<br />
Managerin des Messeveranstalters<br />
SAFI,<br />
freute sich über die<br />
große mediale Aufmerksamkeit<br />
für die<br />
Winter-Edition.<br />
72 möbel kultur 2/2023
Oben: Adrian Blanc, Art Director von<br />
Hartô Design aus Frankreich.<br />
Unten: Spek takulärer Stand von<br />
Objet de Curiosité<br />
Kurzes Durchatmen<br />
inmitten des Besucheransturms<br />
von Patrick<br />
L‘hoste von Pulpo<br />
Design.<br />
Farbenfreude und Extravaganz<br />
gab es in Paris an vielen Ständen<br />
zu sehen – wie zum Beispiel bei<br />
Popus Editions aus Paris.<br />
einzigartig die französische Design-<br />
Szene ist“, sagte Adrian Blanc, Art<br />
Director von Hartô.<br />
Zu den Top-Ausstellernationen<br />
nach Frankreich zählten in diesem<br />
Winter Italien (314), Spanien<br />
(119), Belgien (113), Dänemark<br />
(96) und Deutschland (86).<br />
Das M&O-Motto lautete dieses<br />
Mal „Take Care!“. Es wurde auf<br />
vielen Aktions- und Sonderflächen<br />
mit Leben erfüllt – wie zum Beispiel<br />
in der zauberhaften „Apothem<br />
Lounge“, einem Ort der Ruhe und<br />
Meditation inmitten des Messetrubels,<br />
die von Raphael Navot,<br />
FACTS<br />
❯ Maison & Objet Paris auf dem<br />
Messegelände von Villepinte<br />
❯ Datum: 19. bis 23. Januar 2023<br />
(nächste Sommer-Edition vom<br />
7. bis 11. September 2023)<br />
❯ Aussteller: 2.337<br />
❯ Besucher:innen: 67.429 aus 144<br />
Ländern, davon die Top 5 (exklusive<br />
Frankreich): Italien (4.657), Belgien<br />
(2.256), UK (2.220), Spanien (2.195),<br />
Deutschland (2.152)<br />
www.maison-objet.com<br />
dem Designer des Jahres, entworfen<br />
wurde.<br />
Ein Highlight der Messe war<br />
die Halle 7 mit dem „Signature“-<br />
Bereich, in dem Marken aus unterschiedlichen<br />
Einrichtungssegmenten<br />
ausstellten, darunter Pulpo aus Weil<br />
am Rhein mit Firmeninhaber Patrick<br />
L’hoste, der mit neuen Entwürfen<br />
von Sebastian Herkner und Sylvain<br />
Willenz die Erfolgsgeschichte des<br />
„Pulpo Planet“ um ein Pariser Kapitel<br />
fortschreiben konnte: „Diese<br />
Messe war für uns ein internationaler<br />
Erfolg und wir haben hier jede<br />
Menge neue Kunden gewonnen“,<br />
freute sich der Firmengründer.<br />
Ebenfalls sehenswert und als<br />
Brexit-Gegensatz sehr wohltuend:<br />
die Sonderfläche „British Capsule“,<br />
die unter Beweis stellte, dass die<br />
Design-Szene in UK nach wie vor<br />
international vernetzt ist.<br />
Und das große Auftritte auch auf<br />
kleiner Fläche möglich sind, zeigte<br />
das spanische Vorzeige-Label Andreu<br />
World mit der Präsentation seiner<br />
neuen, von Philippe Starck entworfenen<br />
Cradle-to-Cradle-Kollektion.<br />
Überhaupt wurde das Thema<br />
Nachhaltigkeit auf viele Arten veranschaulicht.<br />
Ein Zusammenschluss<br />
von dänischen Herstellern organisierte<br />
in Kooperation mit Laurence<br />
Carr, einem Experten für Design<br />
und Kreislaufwirtschaft, eine Aus-<br />
stellung mit elf beispielhaften Häusern<br />
unter dem Motto „Circularity<br />
in Action“. Für die Eröffnung kam<br />
sogar die dänische Prinzessin Mary<br />
nach Paris.<br />
Auch in der Stadt findet die<br />
Maison & Objet mit dem „In the<br />
City“-Programm zunehmend Mitstreiter,<br />
denn an fast 100 offiziellen<br />
und genauso vielen inoffiziellen<br />
Adressen öffnen Dekorateure, Innen -<br />
architekten, Galerien, Kunsthandwerker<br />
und Showrooms ihre Türen,<br />
womit Paris als vielseitige Metropole<br />
ihre Trümpfe auf dem gesamten<br />
Stadtgebiet ausspielt.<br />
Und wer es auf analogem Wege<br />
nicht nach Paris schafft, dem stellen<br />
die Veranstalter inzwischen viele<br />
digitale Andockmöglichkeiten zur<br />
Verfügung. Die M&O-Community<br />
zählt inzwischen fast eine Million<br />
Mitglieder auf Facebook, Instagram,<br />
Twitter, LinkedIn, Xing, WeChat und<br />
neuerdings auch TikTok.<br />
Ebenfalls ein digitales Extra: Auf<br />
dem B2B-Marktplatz MOM – Maison<br />
& Objet and More – sollen nun<br />
auch das ganze Jahr über Handelsgeschäfte<br />
betrieben werden können.<br />
Weiter geht es dann analog in<br />
Paris Anfang September und im<br />
kommenden Winter vom 18. bis<br />
22. Januar – genau zwischen der<br />
„imm cologne“ und der Ambiente.<br />
SASCHA TAPKEN<br />
Unten: Das Rohleder-Team mit Monique<br />
Gebauer, CRM, Marc-Oliver Jayme, Sales<br />
Manager, und Dominik Herth, Gebietsverkaufsleiter.<br />
Darunter: Ana Maria Calderón<br />
Kayser, Inhaberin von Ames Living.<br />
2/2023 möbel kultur 73
Werbung, die man<br />
sehen will!<br />
Mit Bonial, Ihrem Partner für<br />
digitales Handelsmarketing,<br />
platzieren Sie Ihre Angebote da,<br />
wo sie gesehen werden.<br />
> 12 Mio. Nutzer*<br />
1.500 Kunden<br />
14 Jahre Expertise<br />
Werben Sie zukunftsorientiert – mit oder ohne Prospekt –<br />
auf unseren Plattformen kaufDA und MeinProspekt.<br />
*Quelle: Bonial Sales Intelligence<br />
Die Drive-to-Store Plattform für den deutschen Einzelhandel.<br />
Jetzt entdecken: www.bonial.de