43_Ausgabe Januar 2007
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Vorwort Liebe Leserinnen, - Editorial<br />
Liebe Leser,<br />
Feste feiern, wie sie fallen. Die vergangenen<br />
Wochen haben es uns ja leicht<br />
gemacht, diesem alten Motto Genüge zu<br />
tun. Das ist ja auch kein Kunststück bei<br />
einer derartigen Häufung von kalendarisch<br />
verordneten Festivitäten. Die Geschenke<br />
sind ausgepackt, je nach Nützlichkeit<br />
und Gefallen auch wieder weggepackt<br />
und, unter Umständen, umgetauscht.<br />
Die Heiligen drei Könige sind<br />
zwar noch auf dem Weg nach Bethlehem<br />
und werden dort erst am 6. <strong>Januar</strong>, dem<br />
Epiphaniastag, einreiten, aber das findet<br />
ja kaum noch wirkliches Interesse.<br />
Anders sieht es da schon mit den guten<br />
Vorsätzen aus, die ja bekanntermaßen<br />
vor dem Jahreswechsel gefasst, nun<br />
ihrer Umsetzung harren. Da schauen wir<br />
dann doch genauer hin, ob einer das<br />
Rauchen tatsächlich eingestellt hat, statt<br />
Bier nur noch Tee trinkt oder endlich<br />
seinem Äußeren die notwendige Sorgfalt<br />
angedeihen lässt. Schließlich braucht<br />
man ja Gesprächsstoff, da die kommenden<br />
Wochen hierzulande der eher ereignisarmen<br />
Jahreszeit zuzurechnen sind -<br />
Karneval ist nun mal kein wirkliches<br />
Thema.<br />
Wie es aussieht, hätten Sie also allen<br />
Grund, sich in den Winterschlaf zu ver-<br />
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Einleitung<br />
senken, um aus selbigem erst im Frühjahr<br />
wieder aufzutauchen.<br />
Wie gut, dass es da StadtBILD gibt! Hier<br />
finden Sie genügend Stoff zur Unterhaltung,<br />
Wissenswertes zu Gespräch und<br />
Austausch und natürlich auch Humorvolles<br />
zum Amüsement.<br />
Der historisch interessierte Leser kann<br />
sich noch einmal den Sturm des Pönfalls<br />
ums Haupt wehen lassen. Der Reichenbacher<br />
Turm gibt seine Geheimnisse<br />
preis und, wie das Titelbild bereits verrät,<br />
laden wir Sie ein, den Spuren des “Alten<br />
Fritz” in Görlitz zu folgen. Ein gehöriger<br />
Blick schweift in die Oberlausitz hinein<br />
mit einem umfangreichen Artikel über die<br />
Entstehung Zittaus. Wer glaubt, dass das<br />
<strong>Januar</strong>wetter größere Spaziergänge unmöglich<br />
mache, kann sich ja mit Stadt-<br />
BILD auf einen literarischen Streifzug<br />
durchs Zittauer Gebirge begeben. Wer<br />
sich dagegen ungetrübter Reiselust<br />
erfreut, versuche es mit der StadtBILD-<br />
Leserreise. Der Kulturkalender beweist,<br />
dass auch der erste Monat eines Jahres<br />
besser ist als sein Ruf - ein Blick hinein<br />
wird Sie überzeugen.<br />
Viel Spaß also beim Lesen und bleiben Sie<br />
uns gewogen,<br />
Ihr Andreas Neumann-Nochten.<br />
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3
Friedrich der Große der<br />
in Große<br />
Görlitz<br />
in Görlitz<br />
Nun sind es nur noch fünf Jahre bis zum<br />
300. Geburtstag einer prägenden Persönlichkeit<br />
der deutschen und europäischen<br />
Geschichte. Man wird den Anlaß<br />
weidlich nutzen. Es wird<br />
Nachauflagen und Neuerscheinungen<br />
von Büchern<br />
geben, Ausstellungen<br />
und Filme, Rundreisen<br />
mit Busunternehmen,<br />
Gedenkmedaillen<br />
und Sonderbriefmarken.<br />
Bierflaschen und Schokoladenkügelchen<br />
mit<br />
dem Bildnis des Königs<br />
werden nicht fehlen.<br />
Potsdam, Berlin-Charlottenburg<br />
und Rheinsberg<br />
werden einen Touristenstrom<br />
erleben. Festredner<br />
und Fernsehkommentatoren<br />
werden Lobhudeleien<br />
oder Schmähungen<br />
verbreiten. Der<br />
200. Todestag 1986 gab<br />
uns einen Vorgeschmack<br />
davon, wie der außerge-<br />
wöhnliche König immer noch oder gerade<br />
jetzt die Gemüter bewegt.<br />
Friedrich der Große besuchte Görlitz<br />
neunmal. Die Stadt gehörte damals noch<br />
Porträt des Königs (Ausschnitt) von Franke, 1764<br />
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Titel
zum 295. 295. Geburtstag<br />
Geburtstag<br />
zu Sachsen, einem Gegner des preußischen<br />
Königs während der Kriege um<br />
Schlesien. 1840 bis 1842 erschien in Berlin<br />
zum 100. Geburtstag von Friedrichs<br />
Thronbesteigung ein sechsbändiges<br />
Werk "Tagebuch oder Geschichtskalender<br />
aus Friedrichs des Großen Regentenleben<br />
(1740-1786)". Alle genauen<br />
Daten, soweit sie sich ermitteln ließen,<br />
auch von den Besuchen in Görlitz, sind<br />
darin enthalten. Auch Görlitzer Historiker<br />
und Anekdotengräber waren um gesicherte<br />
Fakten bemüht.<br />
1745 wohnte der König vom 25. bis 26.<br />
November im Schloß Nieder-Moys, wo<br />
ihn die Bürgermeister Gehler und Riech<br />
aufsuchten. Wenig später wählte Friedrich<br />
das Haus der Witwe des Bürgermeisters<br />
Straphinus (später Obermarkt<br />
31) als Quartier vom 29. November bis 4.<br />
Dezember 1745. Während des Siebenjährigen<br />
Krieges wohnte er 1757 nochmals<br />
in diesem Haus, nämlich vom 28.<br />
bis 29. <strong>Januar</strong> und vom 1. bis 2. Februar.<br />
Nach der Schlacht bei Roßbach fand er<br />
vom 23. bis 25. November Unterkunft im<br />
Hause Peterstraße 8. Wenige Tage darauf<br />
errang er den welthistorischen Sieg<br />
bei Leuthen. 1758 hielt er sich nach den<br />
tragischen Ereignissen von Hochkirch in<br />
der Nacht des 26. Oktober im Hause der<br />
Frau Brehmer (heute An der Peterskirche<br />
1) auf, siedelte aber dann, um der<br />
Hausherrin keine weiteren Belastungen<br />
zuzumuten, in das Gartenhaus des Gymnasialrektors<br />
Baumeister (Heilig-Grab-<br />
Straße) um, wo er vom 27. bis 30. Oktober<br />
blieb. Bei der Rückkehr aus Neisse<br />
wohnte er vom 16. bis 17. November<br />
nochmals dort. Erst 1761, am 8. Mai, kam<br />
Friedrich der Große wieder nach Görlitz,<br />
und zum letzten Male reiste er am 17.<br />
März 1763 auf dem Wege nach Goldberg<br />
durch die Stadt. Fast alle Besuche waren<br />
von Truppendurchzügen und anderen<br />
Belastungen für die Zivilbevölkerung<br />
begleitet.<br />
Erst nach Tod und Verklärung des großen<br />
Königs richtete sich teilnehmende Aufmerksamkeit<br />
auf jene Örtlichkeiten, die<br />
mit seinen kurzen Aufenthalten in der<br />
Stadt verbunden waren. Bei dieser Gelegenheit<br />
erinnerte man sich auch daran,<br />
daß bekannte Zeitgenossen wie Leopold<br />
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Titel<br />
5
Friedrich der Große der<br />
in Große<br />
Görlitz<br />
in Görlitz<br />
von Anhalt-Dessau (der "Alte Dessauer"),<br />
Husarengeneral von Zieten oder der<br />
österreichische Feldmarschall Daun im<br />
Barockhaus Neißstraße 30 für kürzer<br />
oder länger wohnten. 1757 war die Leiche<br />
des bei Prag gefallenen preußischen<br />
Feldmarschalls von Schwerin am 27. Mai<br />
im "Weißen Roß" am Obermarkt aufgebahrt.<br />
Der am 7. September im Gefecht<br />
bei Moys schwer verwundete Generalleutnant<br />
von Winterfeldt starb in der<br />
Nacht darauf im Haus am Reichenbacher<br />
Tor (nach Abriß und Neubau heute Demianiplatz<br />
3).<br />
Erst etwa 100 Jahre nach dem Tod des<br />
Königs, inzwischen war Görlitz 1815 zu<br />
Preußen gekommen, wuchs das Interesse<br />
an der Gestalt des Königs enorm.<br />
Überall in der Provinz Schlesien gab es<br />
Standbilder oder Reiterdenkmäler Friedrichs<br />
des Großen, so in Breslau, Beuthen,<br />
Oppeln, Brieg, Schweidnitz, Liegnitz und<br />
Neisse. Schlesien erlebte unter preußischer<br />
Herrschaft einen beträchtlichen<br />
Modernisierungsschub, und das verband<br />
sich mit Dankbarkeit für den einstigen<br />
Eroberer der Provinz.<br />
In Görlitz gab es im öffentlichen Raum<br />
zahlreiche Denkmäler für Persönlichkeiten<br />
der preußischen Geschichte, erstaunlicherweise<br />
jedoch kein Standbild Fried-<br />
Gemälde von 1893 im Flur<br />
An der Peterskirche 1, Zustand 1938<br />
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Titel
zum 295. 295. Geburtstag<br />
Geburtstag<br />
richs des Großen; auch Straßen oder<br />
Plätze waren nicht nach ihm benannt.<br />
Gleichwohl nahmen nun die Bemühungen<br />
zu, auch hier an den bedeutendsten<br />
preußischen Herrscher zu erinnern. Besonders<br />
interessierten Gebäude, in denen<br />
sich der König aufgehalten hatte. Als<br />
1893 der damalige Kaiser Wilhelm II.<br />
nach Görlitz kam, um das Reiterstandbild<br />
seines Großvaters auf dem Obermarkt<br />
einzuweihen, beeilte man sich, an<br />
den berühmten Vorfahren dieser beiden<br />
Kaiser zu erinnern. Am Haus Heilig-Grab-<br />
Straße 20 wurde eine steinerne Gedenktafel<br />
angebracht. Der Text lautete: "Hier<br />
wohnte Friedrich d. Große zur Zeit des<br />
7jährigen Krieges 1758, 27.-30. October<br />
u. 16.-17. Novbr." Ende der 1980er Jahre<br />
beim Gebäudeabriß wurde die Tafel<br />
durch die Denkmalpfleger geborgen und<br />
könnte zu gegebener Zeit, also nach<br />
2010, in eine neue stadtgeschichtliche<br />
Dauerausstellung im Kaisertrutz eingegliedert<br />
werden.<br />
Eine mehr kuriose Episode bescherte der<br />
damalige Besitzer des Hauses An der<br />
Peterskirche 1, Fuhrunternehmer Louis<br />
Lehmann, der Stadt. Wie Stadthistoriker<br />
Richard Jecht berichtete, ließ er "den<br />
Alten Fritz schlecht und recht abmalen<br />
und hängte das Bild an die Stirnseite:<br />
jetzt sieht man es im Hausflur." Ob der<br />
Kaiser beim Besuch der Peterskirche das<br />
Bild wohlgefällig wahrnahm, ist nicht<br />
überliefert. Nach 1945 landete die eingerollte<br />
Leinwand mit dem Bild irgendwann<br />
auf dem Hausboden des Museums-<br />
Tafel am Haus Heilig-Grab-Straße 20<br />
von 1893, Zustand 1985<br />
Titel<br />
7
Friedrich der Große der<br />
in Große<br />
Görlitz<br />
in Görlitz<br />
gebäudes Neißstraße 30, könnte aber als<br />
Kuriosität im Flur des Hauses An der Peterskirche<br />
1 wieder gezeigt werden. Jetzt<br />
sieht man dort eine Kopie des bekannten<br />
Königsporträts von Anton Graff, auch<br />
"recht und schlecht abgemalt", aber wenigstens<br />
wird an den berühmten Besucher<br />
erinnert.<br />
Das Eckhaus Obermarkt 31/Fleischerstraße<br />
wurde bei Kriegsende 1945 zerstört<br />
und dort 1953/1954 ein Neubau in<br />
nachempfundenen barocken Formen errichtet.<br />
Im Friedrichsjahr 1986 kamen<br />
Mitglieder der Fördervereine "Lutherdenkmal"<br />
und "Heiliges Grab" in Berlin-<br />
West auf die<br />
Idee, an diesem<br />
Neubau eine Tafel<br />
mit Hinweis<br />
auf den königlichen<br />
Aufenthalt<br />
anzubringen.<br />
Der erste<br />
Versuch, die fertige<br />
Tafel forsch<br />
über die DDR-<br />
Grenze mitzubringen,<br />
scheiterte<br />
trotz der<br />
damaligen Preußen-Wiederbelebung.<br />
Wolfgang Liebehenschel mußte sie wieder<br />
zurückbringen. Der bekannte Brotfabrikant<br />
Eberhard Paech überreichte die<br />
Tafel dann vor reichlich Publikum am 17.<br />
<strong>Januar</strong> 1987 nach dem Vortrag "Der wiederentdeckte<br />
König" beim heimatgeschichtlichen<br />
Wochenende im Haus Neißstraße<br />
30 der Stadt Görlitz. Denkmalpfleger<br />
Michael Vogel fragte gar nicht<br />
erst irgendwo, sondern nahm alles auf<br />
die eigene Kappe und brachte die Tafel<br />
unmittelbar danach im Eingangsflur jenes<br />
Hauses an, wo sie noch heute zu<br />
sehen ist. Mehrfach wurde inzwischen<br />
Tafel von 1986 im Flur Obermarkt 30.<br />
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Titel
zum 295. 295. Geburtstag<br />
Geburtstag<br />
vorgeschlagen, sie an der Fassade den<br />
Touristen zu präsentieren, doch riet der<br />
Hauseigentümer davon ab und verwies<br />
auf die in der Altstadt besonders aufdringlichen<br />
kriminellen Graffiti- und Farbbeutel-Chaoten.<br />
Die Tafel ist ein Zeugnis<br />
für die unaufhaltsame Wiederentdeckung<br />
des Alten Fritz in der Spätphase<br />
Theaterprogramm ,,Die Preußen kommen"<br />
1987<br />
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Titel<br />
9
Friedrich der Große der<br />
in Große<br />
Görlitz<br />
in Görlitz<br />
Otto Gebühr in ,,Fritzische Rebellion", zeichnung<br />
von Otto Engelhardt-Kyffhäuser 1944<br />
der DDR mit ihren zeittypischen verschlungenen<br />
Wegen.<br />
Ebenfalls 1987 zeigte das hiesige Ger-<br />
hart-Hauptmann-Theater (ein Jahr vor<br />
dem Entzug des Namens durch Dresdener<br />
Kulturbürokraten) das damalige<br />
Erfolgsstück "Die Preußen kommen" von<br />
Claus Hammel, in dem "Eff zwo", wie<br />
man damals den König salopp nannte,<br />
als Hauptfigur auftrat. Das Programmheft<br />
des Theaters unter Intendant Roman<br />
Silberstein versprach eine Annäherung<br />
"ohne<br />
Eiertanz, Heuchelei<br />
und billigen<br />
Pragmatismus".<br />
Das waren<br />
vergnügliche<br />
Theaterabende.<br />
Über 40 Jahre<br />
davor, nämlich<br />
im April 1944,<br />
lief im hiesigen<br />
S t a d t t h e a t e r<br />
das Stück "Fritzische<br />
Rebellion"<br />
von Ernst<br />
Geyer, in dem Filmanzeige<br />
S t a a t s s c h a u - ,,Der alte Fritz" 1928<br />
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Titel
Sehnsucht nach einer starken Persönlichkeit,<br />
die einen Weg aus dem wirtschaft-<br />
zum 295. 295. Geburtstag<br />
Geburtstag<br />
spieler Otto Gebühr als Gast den alten<br />
König darstellte. Der Görlitzer Maler Otto<br />
Engelhardt-Kyffhäuser suchte den berühmten<br />
Künstler im Hotel "Prinz Friedrich-Karl"<br />
auf und zeichnete dort ein Porträt<br />
in Kostüm und Maske. Auch der<br />
Starfotograf Alfred Jäschke (damals<br />
Straßburg-Passage), mit Gebühr befreundet,<br />
kam ins Hotel und gestaltete<br />
Serien von Schwarz-Weiß-Fotos und farbigen<br />
Dias, die heute erlesene Kostbarkeiten<br />
der Görlitzer Theatergeschichte<br />
sind. Otto Gebühr hatte einst seine Bühnenlaufbahn<br />
am Görlitzer Stadttheater<br />
begonnen und war inzwischen durch seine<br />
eindrucksvollen Darstellungen Friedrichs<br />
des Großen in zahlreichen Filmen<br />
für jeden Deutschen zu einem Begriff<br />
geworden. Zehntausende von Görlitzern<br />
hatten in den Kinos (Ufa-Palast, Capitol,<br />
Union-Theater, Apollo, Passage-Lichtspiele)<br />
Filme wie "Der alte Fritz<br />
(1927/1928), "Das Flötenkonzert von<br />
Sanssouci" (1930), "Der Choral von Leuthen"<br />
(1933), "Fridericus" (1936) oder<br />
"Der große König" (1942) gesehen.<br />
Schon in den 1920er Jahren war die<br />
Otto Gebühr als Alter Fritz in Görlitz<br />
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Titel<br />
11
Friedrich der Große der<br />
in Große<br />
Görlitz<br />
in Görlitz<br />
lichen und politischen Chaos weisen sollte,<br />
auch in Görlitz verbreitet. Hinzu kam<br />
für die Schlesier die Sorge, die Provinz<br />
Schlesien könne dem geschwächten<br />
Deutschland entrissen werden. 1924 erschien<br />
im Verlag Görlitzer Nachrichten<br />
und Anzeiger das Heft "Der Schatten von<br />
Sanssouci und andere Gedichte von Erich<br />
Janke, Görlitz", mit einem Bild des Liegnitzer<br />
Malers Franz Dudde auf der Titelseite.<br />
Im ersten Text erschien der beschwörende<br />
Schatten des Königs, der die<br />
Zerreißung Schlesien beklagte und vor<br />
dem endgültigen Raub warnte. Als in der<br />
Oststadt 1926 an der Trotzendorfstraße<br />
die Kleiststele zur Erinnerung an das<br />
Festwagen ,,Der Müller von Sanssouci"<br />
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12<br />
Titel
wurde, sah man an der Rückseite des<br />
Obelisken eine Metalltafel mit einem<br />
Brustbildrelief des Königs mit dem typischen<br />
Dreispitz. 1927 fehlte beim Festzug<br />
der Oberlausitzer Festwoche nicht<br />
jener Wagen der Müller-Innung, auf dem<br />
der Müller Sieghard Schmidt aus Markersdorf<br />
in der Anekdote vom "Müller von<br />
Sanssouci" Friedrich den Großen in der<br />
bekannten Pose darstellte.<br />
In jenen Jahren fanden die Görlitzer<br />
Mädchen und Jungen in ihrem ,,Schlesischen<br />
Lesebuch" amüsante und einprägsame<br />
Gedichte und Geschichten<br />
über den Alten Fritz. Schon in ihrer<br />
kindlichen Phantasie war Friedrich der<br />
Große eine der bedeutendsten Gestalten<br />
deutscher Geschichte.<br />
1986 luden die Städtischen Kunstsammlungen<br />
am 20. September zum Heimatgeschichtlichen<br />
Wochende in das Barockhaus<br />
Neißstraße 30 ein. Unter dem<br />
Titel "Der vermarktete König" wurde mit<br />
Bild und Ton heiter-ironisch und zugleich<br />
ernsthaft nachgewiesen, wie nach des<br />
Königs Tod immer wieder mit Erfolg versucht<br />
wurde, sein Erbe politisch und wirt-<br />
zum 295. 295. Geburtstag<br />
Geburtstag<br />
Vaterländischer Gedichtband von Erich Janke<br />
Verlag Görlitzer Nachrichten 1924<br />
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Titel<br />
13
Friedrich der Große der<br />
in Große<br />
Görlitz<br />
in Görlitz<br />
Görlitzer Notgeldschein<br />
des Stahlhelmbundes<br />
der<br />
Frontsoldaten 1922<br />
Der Text drückt die<br />
damals verbreitete<br />
Sehnsucht nach<br />
einer starken<br />
Führungspersönlichkeit<br />
aus.<br />
schaftlich auszunutzen, eben zu vermarkten.<br />
Dieser Vortrag im überfüllten<br />
Raum wurde ein überraschender Erfolg<br />
und dann bis 1989 nicht weniger als<br />
25mal gehalten. Zuhörer gab es in Parteiveranstaltungen<br />
der Liberaldemokraten<br />
und der Bauernpartei, in Kirchengemeinden,<br />
in Schulklassen und Lehrerweiterbildung,<br />
in der Evangelischen Akademie<br />
im Beisein von Bischof Professor Dr. Rogge,<br />
in der Studentengemeinde Naumburg,<br />
beim Kulturbund in Görlitz und<br />
Niesky, in Betrieben (Waggonbau, Maschinenbau,<br />
Kema, Verkehrsbetriebe)<br />
und Altersheimen, vor Numismatikern<br />
und in Zittau vor Offiziersschülern, in<br />
Berlin bei einer Begegnungstagung der<br />
Evangelischen Akademien Görlitz und<br />
Oldenburg. So stark waren das Informationsdefizit<br />
und die Suche nach verschütteten<br />
Werten.<br />
Friedrich der Große blieb weit über seine<br />
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Gott schütze das ehrbare Handwerk<br />
14<br />
Titel
zum 295. 295. Geburtstag<br />
Geburtstag<br />
kurzen neun Aufenthalte hinaus lange<br />
und nachhaltig in Görlitz gegenwärtig,<br />
bis heute. In Berlin und Brandenburg<br />
besitzt der König noch heute durch<br />
Schlösser, Parks, Museen und Denkmäler<br />
eine ungeheure Anziehungskraft für Touristen<br />
aus aller Welt. Für die Einheimischen<br />
blieb der Alte Fritz eine unverzichtbare<br />
Identifikationsfigur. Es wäre<br />
wünschenswert, diese Seite unserer Geschichte<br />
auch in Görlitz für den Tourismus<br />
bewusster ins Spiel zu bringen.<br />
Das Jubiläum in fünf Jahren dürfte trotz<br />
der in Mode gekommenen antipreußischen<br />
Rüpeleien gewisser Tugendwächter<br />
in Presse und Fernsehen das Gespräch<br />
über den Mythos Friedrich beleben.<br />
Dieser Blick nach rückwärts könnte<br />
für den Blick nach vorn nur von Vorteil<br />
sein.<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
Ankunft des Königs auf dem Obermarkt.<br />
Zeichnung von Günter Hain 1983<br />
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einiger Zeit gibt es Bemühungen, diese<br />
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Klosterkirche Wahlstatt<br />
Auch hier finden wir barocke Baukunst in<br />
hoher Qualität. Allerdings war dieser Ort<br />
schon seit fast 500 Jahren bekannt, bevor<br />
die Kirche entstand. 1241 trafen hier<br />
ein schlesisches Ritterheer und mongolische<br />
Truppen aufeinander, und es gab die<br />
Schlacht bei Wahlstatt. Die kleinere, gotische<br />
Kirche ist heute eine Erinnerungsstätte<br />
an diesen Kampf, der mit einer<br />
Niederlage der Ritter endete. Trotzdem<br />
zogen die Mongolen ab. Rund 480 Jahre<br />
später wurde nach den Entwürfen des<br />
berühmten K. I. Dientzenhofer die Benediktinerkirche<br />
gebaut und der Hl. Hedwig<br />
geweiht. Die illusionistische Innenausmalung<br />
stammt von K. D. Asam, und<br />
auch der Orgelbauer trägt einen berühmten<br />
Namen: A. H. Casparini.<br />
Sie werden die Weihnachtskrippen bei<br />
den „Wundern“ des Barocks vermisst haben.<br />
Sie sind in aller Regel jünger als die<br />
Kirchen, in denen sie stehen, was aber<br />
nichts über ihren Glanz und ihre Vielfalt<br />
aussagt. Sie sind in Polen bis zum Fest<br />
Mariä Lichtmess aufgebaut und können<br />
deshalb auch noch im <strong>Januar</strong> von uns<br />
bewundert werden.<br />
Reisebegleitung: Michael Prochnow<br />
Am 20. <strong>Januar</strong> <strong>2007</strong> Abfahrt:<br />
Görlitz 8.00 Uhr am Kaisertrutz (nach Absprache<br />
können mit dem Zug ankommende<br />
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Leserreisen<br />
17
Weihnachtskrippen in barocken in<br />
Kirchen<br />
Kirchen<br />
Kurze Vorstellung der Reiseziele:<br />
Klosterkirche Liebenthal<br />
Die rund 270 Jahre alte Klosteranlage mit<br />
der prächtigen barocken Kirche zeugt<br />
von der Glanzzeit des Klosters. Die Ausmalung<br />
im Inneren stammt von G. W.<br />
Neunhertz, einem der bedeutendsten<br />
Barockmaler Schlesiens. Das Kloster gehörte<br />
zu den einflussreichsten Niederschlesiens<br />
und war der Mittelpunkt dieser<br />
Region. Hallenhäuser am sehr langgestreckten<br />
Marktplatz mit noch vorhandenen<br />
Lauben sind Beweise des<br />
einstigen Reichtums seiner Besitzer, der<br />
Leinenhändler. In neuerer Zeit wurde der<br />
Ort durch eine berühmte Fernsehserie<br />
bekannt. Ein kleines Filmmuseum und<br />
ein jährlich stattfindendes Festival erinnern<br />
daran.<br />
Gnadenkirche Hirschberg<br />
Die ab 1709 errichtete Kirche verblüfft<br />
den Besucher durch ihre Pracht vor<br />
allem, wenn man ihren evangelischen<br />
Ursprung bedenkt. Reiche Leinenhändler<br />
(die sogenannten Schleierherren) haben<br />
das Privileg, im katholisch beherrschten<br />
Schlesien eine evangelische Kirche<br />
bauen zu dürfen, genutzt für diesen<br />
Glaubensbeweis. Man sollte sehen, dass<br />
ihnen ihr Glauben etwas wert ist, auch im<br />
materiellen Sinne. Insgesamt gibt es<br />
sechs dieser Gnadenkirchen in Niederschlesien,<br />
Das Vorbild dieser von M.<br />
Frantz erbauten Kirche ist die Katharinenkirche<br />
in Stockholm.<br />
Klosterkirche Grüssau<br />
Den Spuren der Grüssauer Zisterzienser -<br />
Mönche begegnen wir fast überall in<br />
Niederschlesien. Sie gründeten Niederlassungen,<br />
entwickelten den „Kurbetrieb“<br />
in Warmbrunn und hinterließen<br />
viele bauliche Zeugnisse ihres Fleißes.<br />
Die beiden großen Kirchen im Mutterkloster<br />
sind ihre kunst- und kirchengeschichtlich<br />
wichtigsten Bauwerke. Der<br />
wohl berühmteste schlesische Barockmaler,<br />
M. Willmann, hat die Josephskirche<br />
gestaltet, G. W. Neunhertz´Arbeit<br />
finden wir in der Mariä-Himmelfahrt-<br />
Kirche, nur wenige Meter entfernt. Die<br />
Orgel wurde von Engler gebaut und ist<br />
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16<br />
Leserreise
Der Eisenbahnviadukt<br />
War das ein Jahr gewesen!<br />
Maurermeister Kießler, auf<br />
seinen Spazierstock gestützt,<br />
schaute vom Obermühlenberg<br />
zur Neiße, die<br />
unten zwischen den steilen<br />
Ufern ruhig dahinfloß.<br />
Von seinem Standort aus<br />
schwang sich weit hinüber<br />
der neue Neiße-Viadukt<br />
mit seinen 30 Rundbogen<br />
und seiner Länge von 475<br />
Metern. Es war vor allem<br />
sein Werk, das wußte<br />
Kießler, und er dachte daran,<br />
wie der “Görlitzer Anzeiger”<br />
die Brücke beschrieben<br />
hatte: “Der Viadukt stellt sich,<br />
nachdem er gänzlich vollendet ist und<br />
von seinen umhüllenden Gerüsten nach<br />
und nach befreit wird, in seiner großartig<br />
erhabenen Schönheit immer mehr dem<br />
Auge dar. Den Riesenkörper von rötlichem<br />
Granit krönt auf das zierlichste<br />
das Geländer von weißem Sandstein,<br />
und das letztere verleiht dem massenhaften<br />
und schweren Bogenbaue eine<br />
Bau des Eisenbahnviadukts, Zeichnung Günter Hain, 1983<br />
dem Auge überaus angenehme, anmutige<br />
Leichtigkeit, welche zu dem Erhabenen<br />
das Schöne auf das glücklichste<br />
fügt.” Kießler dachte zurück an das<br />
ereignisreiche Jahr 1847, das nun zur<br />
Neige ging.<br />
Für den Stadtverordneten Kießler mit<br />
seinen 37 Jahren war es schon eine Ehre,<br />
mit einer so seltenen Aufgabe betraut zu<br />
werden, dem Bau der Eisenbahnbrücke<br />
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Geschichte
Der Eisenbahnviadukt<br />
über die Neiße. Über drei Jahre zogen<br />
sich die Arbeiten hin, vom Juli 1844 bis<br />
zum August 1847. Die Niederschlesisch-<br />
Märkische Eisenbahngesellschaft drängte<br />
auf Tempo. Hier in Görlitz sollte die<br />
Verbindung zur Sächsisch-Schlesischen<br />
Eisenbahn geschlossen werden, möglichst<br />
bald, damit die Züge von Dresden<br />
nach Breslau oder über Kohlfurt nach<br />
Berlin rollen konnten. Doch die Herren<br />
der Gesellschaft dachten sich das zu<br />
einfach. 1000 Arbeiter und 80 Pferde<br />
mußten sie einsetzen. Am benachbarten<br />
Limasberge brachen sie den Granit und<br />
holten ihn mit Pferdefuhrwerken heran.<br />
Nach Schablonen wurden die Blöcke am<br />
Ufer behauen. Ein riesiges Gerüst überspannte<br />
den Fluß, dafür mochte ein kleiner<br />
Wald draufgegangen sein. Der<br />
schneereiche Winter 1846 verzögerte<br />
alles. Und der lockere Sand im Flußbett<br />
zwang zu tiefer Grundgrabung. Die Anlage<br />
der Bahnlinie machte das Heraussprengen<br />
von Felseinschnitten notwendig.<br />
Die Termine kamen durcheinander.<br />
Die Herren der Gesellschaft wurden<br />
nervös. Zusätzliche Arbeitskräfte und<br />
Geräte kamen von anderen Firmen.<br />
Nachtarbeit kam dazu. Prämien sollten<br />
die erschöpften Arbeiter ermuntern. In<br />
kurzer Zeit wurde viel erreicht.<br />
Am 26. Juni 1847 zogen die Bauarbeiter,<br />
von ihren Polieren angeführt, mit Musik<br />
auf das mit Kränzen und Fahnen geschmückte<br />
Baugerüst. Der Schlußstein<br />
kam in das letzte Gewölbe. Mit je drei<br />
Kellen Mörtel und drei Hammerschlägen<br />
besiegelten die Ehrengäste, daß der<br />
wichtigste Bauabschnitt bewältigt war.<br />
Kießler beschloß die Zeremonie mit den<br />
feierlichen Worten: “Der Stein steht in<br />
Lot und Waage, das Gewölbe ist geschlossen.”<br />
Dann ging der Ehrenbecher<br />
unter den Gästen reihum. Nachmittags<br />
bewirtete Kießler die Beamten der Gesellschaft,<br />
etliche Magistratsmitglieder<br />
und Stadtverordnete auf seine Kosten<br />
mit Braten und Wein, abends in drei<br />
Lokalen der Stadt die Maurer und<br />
Zimmerleute mit Bier, Musik und Tanz. Es<br />
blieb noch viel - die Gewölbe zu hintermauern,<br />
die Stirnmauern aufzuführen,<br />
die Entlastungsbögen und Abflußkanäle<br />
anzulegen, die Gewölberücken mit As-<br />
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Geschichte<br />
19
Der Eisenbahnviadukt<br />
phalt zu übergießen, die Gesimse und<br />
Geländermauern zu versetzen. Das restliche<br />
Material karrten die Arbeiter zum<br />
Dammbau auf das Ostufer, die Zimmerleute<br />
trugen das Gerüst ab.<br />
Unterdessen gab es am Bahnhofsgebäude<br />
viel zu tun. Bis Ende 1846<br />
waren erst der Baugrund planiert und die<br />
Fundamente für das Empfangsgebäude<br />
fertig. Auch die Sächsisch-Schlesische<br />
Gesellschaft wurde ungeduldig. In einem<br />
beängstigenden Tempo wuchsen Gebäude<br />
und Anlagen. Am 7. August 1847,<br />
es war Sonnabend, kam die festlich geschmückte<br />
Lokomotive Lusatia von<br />
Reichenbach nach Görlitz. Nach der<br />
sächsischen Seite war ein Triumphbogen<br />
aufgestellt. Auf dem Perron begrüßte das<br />
städtische Orchester die zahlreich versammelten<br />
Ehrengäste und Schaulustigen<br />
mit einem Festmarsch, es fehlte<br />
auch nicht an einem Festgedicht, einer<br />
Ansprache und einem Lebehoch. Am 26.<br />
August endlich, abends sechs Uhr, kam<br />
auch die erste Lokomotive der Niederschlesisch-Märkischen<br />
Gesellschaft über<br />
den fertigen Viadukt gefahren. Von den<br />
zwei Türmchen am Bahnhofsgebäude<br />
grüßten die preußische und die sächsische<br />
Flagge. Am 1. September wurde die<br />
Sächsisch-Schlesische und die Niederschlesisch-Märkische<br />
Eisenbahn dem<br />
Publikum übergeben. Für die Direktoren<br />
und Oberbeamten und die üblichen<br />
Ehrengäste gab die Stadt im “Rheinischen<br />
Hof”, dem Bahnhof gegenüber, ein<br />
Festessen. “Sinnige, zum Teil begeisterte<br />
Toasts,” schrieb die Zeitung, “wechselten<br />
mit dem Absingen von der Feier angemessenen<br />
Liedern, während der<br />
heitere, fröhliche Tag die Teilnahme der<br />
unzähligen Menge von Bahnhofsbesuchern<br />
erhöhte und dem Fest einen<br />
überaus fröhlichen Charakter verlieh.”<br />
Am 20. November, auf der Durchreise<br />
nach Sachsen, stieg König Friedrich Wilhelm<br />
IV. aus dem Zuge und sah sich den<br />
Viadukt vom Obermühlenberge aus an.<br />
Nun stand Maurermeister Kießler am<br />
gleichen Platze. Die Brücke war fertig.<br />
640 686 Taler hatte sie gekostet. Eine<br />
Tafel aus poliertem Granit mit den Namen<br />
der Bauleiter hatte auch angebracht<br />
werden sollen: Baudirektor Henz, Ober-<br />
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20 Geschichte
Der Eisenbahnviadukt<br />
ingenieur Weishaupt, Baumeister Fischer,<br />
Maurermeister Kießler. Die Gesellschaft<br />
hatte die fertige Tafel wegräumen<br />
lassen. Auf einer neuen las man, der<br />
Viadukt sei “erbaut von der Niederschlesisch-Märkischen<br />
Eisenbahngesellschaft<br />
1844 bis 1847 unter der Regierung<br />
Friedrich Wilhelms IV.”. Kießler kränkte<br />
das nicht. Für die Großen waren immer<br />
die Ehrenpforten, die Bankette und die<br />
Gedenktafeln. Er hatte aber mit seinen<br />
Leuten bei Regen und Schnee, bei Hitze<br />
und Wind, bei Tag und Nacht gearbeitet.<br />
Erst am 9. Mai war ein Wächter beim Absturz<br />
vom Gerüst tödlich verunglückt, am<br />
12. Mai waren drei Arbeiter beim Turmbau<br />
am Bahnhof abgestürzt, am 28. Mai<br />
war ein Arbeiter mit der Schubkarre abgestürzt,<br />
am 19. September ein Zimmergeselle<br />
beim Gerüstabbau, am 4. Oktober<br />
ein Zimmerpolier... Aber die Brücke<br />
war fertig. Die würde noch Städte und<br />
Länder verbinden, wenn niemand mehr<br />
an die Herren der Eisenbahngesellschaft<br />
dachte, Kießler ging heimwärts. Es gab<br />
noch viel zu bauen in Görlitz.<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
Geschichten aus Alt-Görlitz 1983<br />
Der Viadukt im<br />
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21
Der Reichenbacher Turm<br />
Turm<br />
Reichenbacher Turm um 1920<br />
Kaum eine andere Stadt in Deutschland<br />
vermag ein solches Stadtbild aufzuweisen<br />
wie Görlitz mit seinen mächtigen und<br />
zugleich anmutigen Türmen. Zu den<br />
schönsten zählt der Reichenbacher Torturm.<br />
Er hat die Anfänge unserer Stadt<br />
nicht gesehen. Erst bei der Stadterweiterung<br />
unter Otto III. von Brandenburg<br />
um 1255 wurden nach Westen hin, zum<br />
Schutz der “Neustadt”, das Reichenbacher<br />
Tor und der gleichnamige Turm<br />
geschaffen. Bereits 1376 wird er erstmalig<br />
im Görlitzer Stadtbuch urkundlich erwähnt.<br />
Aus dem 14. Jahrhundert stammt<br />
der vierkantige Unterbau bis zum achteckigen<br />
unteren Wehrgang, dessen Auskragung<br />
in der Mitte der Hauptseiten<br />
durch dreifache Steinbalken erfolgt ist.<br />
Zu Beginn war der Turm recht niedrig. In<br />
den Jahren 1419 und 1<strong>43</strong>2 wurde er, der<br />
Hussitengefahr wegen, stärker befestigt.<br />
Auf der Außenseite hatte er ein Fallgatter,<br />
das zwar heute vermauert, aber an<br />
seiner von Sandsteinquadern eingefaßten<br />
Rundbogennische noch erkennbar<br />
ist. 1485 wurde der zylindrische Aufbau<br />
mit dem oberen Wehrgang errichtet. Dadurch<br />
wurde der Turm höher und ansehnlicher,<br />
so wie wir ihn im wesentlichen<br />
heute vor uns haben. Früher hatte<br />
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22 Serie
Turmgeschichten Teil IV<br />
Teil IV<br />
Reichenbacher Turm, 2006<br />
das Dach jedoch ein anderes Aussehen.<br />
Es bestand aus einem hohen, spitzen,<br />
pyramidenähnlichen Sparrwerk, welches<br />
mit Kupfer gedeckt war. Zwischen diesem<br />
und dem Pultdach des oberen erkerartigen<br />
Umganges war eine Laterne, die<br />
oben mit “sieben Türmlein” verziert war.<br />
Bei der Belagerung der Schweden in<br />
Görlitz im Jahre 1641 hatte der Kurfürst<br />
Johann Georg von Sachsen die Absicht,<br />
den Turm zu fällen und mit seinem Schutt<br />
den Graben für den Sturm auszufüllen.<br />
Das Bauwerk wurde dabei stark beschädigt.<br />
Der Sturm unterblieb, aber der<br />
Turm stand mit seinen schweren Wunden<br />
bis zur Ausbesserung im Jahre 1652.<br />
Dabei wurden die “sieben Türmlein”<br />
weggenommen und der Erker mit Ziegeln<br />
gedeckt. 1782 wurde die hölzerne<br />
Bekrönung wegen Baufälligkeit abgetragen<br />
und durch die jetzige barocke<br />
Haube ersetzt. Sein 1836 zum Tode verurteilter<br />
Kriegskamerad, der Neißeturm,<br />
vermachte dem Reichenbacher Turm<br />
seinen Turmknauf, seine achtzig Kilogramm<br />
schwere Wetterfahne und seine<br />
10 Zentner wiegende Glocke. Bis 1848<br />
war der Turm durch zwei hohe Schildmauern<br />
mit dem gegenüberliegenden<br />
Kaisertrutz verbunden. 1869 wird der<br />
Geschichte<br />
23
Der Reichenbacher Turm<br />
Turm<br />
durch den Turm führende Durchgang angelegt.<br />
Farbenprächtige Stadtwappen<br />
des Sechsstädtebundes schmücken den<br />
51 Meter hohen Wehrturm auf der West-,<br />
Süd- und Ostseite. 1935 wurden entstandene<br />
Risse in mühevoller Kleinarbeit beseitigt.<br />
Seit 1953 wird der Reichenbacher<br />
Turm, die “Perle der schlesischen Türme”,<br />
als Museum genutzt. 165 Stufen<br />
führen über sieben Etagen nach oben,<br />
wo man bei schönem Wetter bis ins Riesengebirge<br />
blicken kann. (Verlagsarchiv)<br />
Reichenbacher Turm mit Kaisertrutz um 1970<br />
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Eng verbunden mit dem Denkmalschutz ...<br />
24 Serie
Görlitz im im<br />
Sturm Sturm<br />
des Pönfalls des<br />
(1547)<br />
Pönfalls<br />
Einmal am Zuge, riss der habsburgische<br />
König nun in den Wirbel des böhmischen<br />
Strafgerichts, des Pönfalls, auch die<br />
Sechsstädte der Oberlausitz hinein. Er<br />
nutzte die Gunst seiner Stunde, um dort<br />
endlich reinen Tisch zu machen - in dem<br />
Sinne, wie er das verstand. Die Hinhaltetaktik<br />
der vergangenen Kriegsmonate<br />
war dabei nichts anderes als der letzte<br />
Punkt einer endlos langen Liste von Auf-<br />
sässigkeit, Gehorsamsverweigerung,<br />
Halbherzigkeit, ständig wiederkehrender<br />
Querelen und was da mehr zu Buche<br />
stand.<br />
Bürgermeister und Richter, sämtliche<br />
Ratsherren und jeweils zehn Geschworene<br />
aus den Sechsstädten wurden<br />
durch königlichen Befehl nach Prag<br />
bestellt - für den 1. September 1547,<br />
morgens 7.00 Uhr (der König war ein<br />
Prag, Karlsbrücke, 19 Jh.<br />
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Serie<br />
25
Görlitz im Sturm im Sturm<br />
des Pönfalls des<br />
(1547)<br />
Pönfalls<br />
notorischer Frühaufsteher). Die Begründung<br />
für diese ungewöhnliche Vorladung:<br />
Sie hätten sich “ungehorsam,<br />
widerspenstig und untreu gegenüber<br />
ihrem König” verhalten. Sämtliche Urkunden<br />
über Privilegien und früher verliehene<br />
Rechte wären mitzubringen.<br />
Der Görlitzer Bürgermeister Jakob Rösler<br />
und seine Mannen nahmen fünf Säckchen<br />
Geld mit auf die Reise, “gedacht zur<br />
Zehrung, aber auch zur Ehrung” (wohl<br />
ein anderer Begriff für das, was man<br />
heutzutage Schmiergeld nennt). Insgesamt<br />
hatten sich etwa hundert Personen<br />
der Vorladung zu stellen. Eine sofort<br />
überreichte Verteidigungsschrift der<br />
Görlitzer blieb ohne Antwort. Das Argument,<br />
wonach die Städte außerhalb<br />
der Landesgrenzen keine Truppen zu<br />
stellen brauchten, sie hätten sich zudem<br />
selbst in bedrohlicher Gefahr befunden,<br />
klang überzeugend - hatte aber keinerlei<br />
Wirkung. Eine mit Nachdruck zu Papier<br />
gebrachte Feststellung, dass die Meuterer<br />
bestraft, die Spötter gegen Kaiser<br />
und König hart zur Verantwortung<br />
gezogen wären, wirkte beschwichtigend,<br />
Gruppe Berittene 16. Jh.<br />
war aber letztendlich nichts weiter als<br />
vergebliche juristische Mühe.<br />
Das Ende des Dramas folgte am 5. September<br />
1547 in der damaligen Prager<br />
Burg. Abermals traten die Delegierten<br />
vor den Landesherrn und dessen Räte.<br />
Dr. Franz Göritz aus Bautzen führte im<br />
Namen der Sechsstädte das Wort. Er betonte<br />
deren Untertänigkeit und Treue<br />
und bat um Entschuldigung für mögliche<br />
Versehen.<br />
Dann taten alle Abgesandten, wie man<br />
ihnen geraten, den Kniefall. Ein entscheidender<br />
Punkt aber fehlte der wohl-<br />
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26 Serie
Triumph und Niederlage<br />
IV. Triumph des Einen - Niederlage des Anderen<br />
gesetzten Rede des Dr. Göritz, der alles<br />
entscheidende Punkt überhaupt, letztes<br />
Zeichen für das noch immer nicht gebrochene<br />
Selbstbewusstsein und den<br />
Bürgerstolz der Lausitzer Städte, nämlich<br />
die Versicherung, dass man sich bedingungslos<br />
der Gnade oder Ungnade<br />
des königlichen Willens zu unterwerfen<br />
bereit sei.<br />
Eine nie dagewesene Demütigung war<br />
für die Abgesandten der Sechsstädte die<br />
Folge: Der König und seine Räte zogen<br />
sich zu einer Besprechung zurück, ohne<br />
die knieenden Männer weder eines Wortes<br />
noch eines Blickes zu würdigen. Drei<br />
lange Stunden sollen sie in dieser erzwungenen<br />
unwürdigen Haltung verharrt<br />
haben. Dann waren die Beratungen<br />
im Nebenraum zu Ende.<br />
Knieend hörten Bürgermeister und Ratsmannen<br />
aus der Lausitz mit steigendem<br />
Entsetzen die Verlautbarung des Königs.<br />
Nachdem sie sich auf einen Wink des<br />
Königs hin endlich hatten erheben dürfen,<br />
wurden sie als Gefangene abgeführt<br />
- Geiseln für einige Wochen, womit dem<br />
Willen des Herrschers spürbarer Nach-<br />
Landsknecht - Fähnlein 16. Jh.<br />
druck verliehen werden sollte.<br />
Die Strafmaßnahmen hatten, ähnlich wie<br />
in Böhmen, in den Sechsstädten den Zusammenbruch<br />
aller politischen und wirtschaftlichen<br />
Freiheit zur Folge. Das bedeutete<br />
das Ende der finanziellen und<br />
militärischen Macht, aller Privilegien und<br />
Rechte gegenüber den geltenden Gesetzen,<br />
die Enteignung des städtischen<br />
Landbesitzes, die Herausgabe der noch<br />
vorhandenen Kirchenschätze, zudem für<br />
Görlitz eine Strafsumme von 40.000<br />
Reichsgulden. Diese fiel höher aus als für<br />
Hilfe und Pflege -<br />
Betreuung und Beratung<br />
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Serie<br />
27
Görlitz im im<br />
Sturm Sturm<br />
des Pönfalls des<br />
(1547)<br />
Pönfalls<br />
die anderen Mitglieder des Sechsstädtebundes,<br />
hatten doch die Görlitzer viele<br />
Einnahmen aus dem früheren katholischen<br />
Kirchgut zweckentfremdet für den<br />
eigenen Stadtsäckel und für städtische<br />
Belange verwendet.<br />
Der Görlitzer Bürgermeister Jakob Rösler<br />
suchte noch einmal durch Verhandlungen,<br />
schließlich durch einen endgültig<br />
kapitulierenden Kniefall das Unheil abzuwenden.<br />
Seine Bemühungen blieben wirkungslos<br />
- Schall und Rauch.<br />
Man hatte nach der ehrlosen Rückkehr in<br />
die Neißestadt die geforderten Summen<br />
noch längst nicht verfügbar, da flatterten<br />
bereits neue Geldforderungen auf den<br />
Tisch des Rathauses. In einer mehr als<br />
kurzen Zeit war die Stadt hoffnungslos<br />
überschuldet, in höchst befremdlichem<br />
Maße kreditunwürdig, von hartnäckigen<br />
Gläubigern zudem ständig attackiert. Der<br />
finanzielle Ruin kroch aus jedem Straßenwinkel.<br />
Zwei Jahre vergingen. Dann allerdings<br />
erließ Ferdinand, als großmütige Geste<br />
des Landsherrn bezeichnet, die Zahlung<br />
der restlichen Schuldsumme. Sie hätte<br />
Prag, Ring 19. Jh.<br />
noch jemals etwas in seine Tasche fließen<br />
sollte.<br />
Die Görlitzer erhielten einige ihrer Privilegien<br />
zurück: Gebühren für die sofür<br />
längere Zeit ohnehin nur illusorisch<br />
auf dem Papier gestanden. Der König<br />
mochte endlich begriffen haben, dass die<br />
Wirtschaft der Stadt wieder angekurbelt<br />
werden musste, wenn von seinen unköniglichen<br />
Forderungen überhaupt<br />
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28 Serie
Triumph und Niederlage<br />
IV. Triumph des Einen - Niederlage des Anderen<br />
genannte Straßengerechtigkeit, Einnahmen<br />
aus dem Zoll, dem Tuch- und<br />
Waidhandel wie aus dem Salzmarkt und<br />
dem Weinkeller. Sie brauchten fortan<br />
nicht mehr nach Prag abgeführt zu werden.<br />
Das im Augsburger Religionsfrieden<br />
verbriefte Recht des Landesherrn, die<br />
Konfession seiner Untertanen zu bestimmen,<br />
setzte der katholische Ferdinand<br />
allerdings nicht durch. Vielleicht<br />
hielt er die Lösung dieses Problems für<br />
nicht so wichtig? Wer weiß das schon?<br />
Jedenfalls blieben Görlitz und das Gebiet<br />
des Sechsstädtebundes im Wesentlichen<br />
evangelisch.<br />
Unmittelbar nach dem Sturz der Neißestadt<br />
in eine nie dagewesene, zudem<br />
lang andauernde wirtschaftliche Krise<br />
und die damit verbundene desolate<br />
Finanzmisere liefen aber bereits Bemühungen<br />
an, die verlorenen Landgüter<br />
wieder zu erwerben, bildeten sie doch<br />
eine der wesentlichen Wirtschaftsgrundlagen<br />
für Görlitz. Es blieb für uns Heutige<br />
in höchstem Maße erstaunlich, mit welch<br />
respektabler Hartnäckigkeit und Tatkraft<br />
Landsknechte mit Feldhauptmann 16. Jh.<br />
- darin waren unsere Vorväter offenbar<br />
von eindrucksvoller Größe! - dem Löwen<br />
aus Prag die Beute Stück um Stück wieder<br />
aus dem unersättlichen Rachen gezogen<br />
wurde - und das über viele Jahre<br />
hinweg! Nicht alles gelang. Doch mancher<br />
Schachzug hatte in dieser Hinsicht<br />
Erfolg. Aber die alte Selbstständigkeit<br />
war nicht mehr zurückzugewinnen.<br />
Juristisch und finanziell blieb die Stadt in<br />
erheblichem Maße eingeschränkt, militärisch<br />
- dies wohl noch am ehesten zu<br />
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Serie<br />
29
Görlitz im im<br />
Sturm Sturm<br />
des Pönfalls des<br />
(1547)<br />
Pönfalls<br />
verschmerzen! - gänzlich bedeutungslos.<br />
Dass auch der Landadel nicht ungeschoren<br />
davonkam, steht auf einem andern<br />
Blatt, wurde in diesen Ausführungen aus<br />
Platzgründen aber nicht berücksichtigt.<br />
Ferdinand jedenfalls, nicht weniger zäh<br />
und ausdauernd im Wollen und Streben<br />
als das Stadtbürgertum, doch weitaus<br />
mächtiger, hatte die Herrschaft über seine<br />
Länder nunmehr fest in der Hand und<br />
seinen königlichen Willen auf Dauer und<br />
mit unnachgiebiger Härte durchgesetzt.<br />
Wenige Jahre danach dankte sein Bruder<br />
Karl V., innerlich von den Mahlsteinen der<br />
Politik zerrieben, als Deutscher Kaiser ab.<br />
Lebensmüde zog er sich vor der Zeit in<br />
ein spanisches Kloster zurück. An seiner<br />
Stelle trug fortan Ferdinand I. die Krone<br />
des Heiligen Römischen Reiches Deutscher<br />
Nation. Der neue Herrscher über<br />
Böhmen und die Lausitz hieß jetzt Maximilian<br />
II. Es zeigte sich bald, dass der<br />
Sohn aus weniger knorrigem Holz geschnitzt<br />
war als sein Vater.<br />
Die Görlitzer atmeten begreiflicherweise<br />
auf. Sie mögen sich aber kaum bewusst<br />
gewesen sein, dass der Niedergang ihrer<br />
einstmals hochangesehenen Stadt lediglich<br />
eine Episode war, die sich, allem Anschein<br />
zuwider, ganz am Rande eines<br />
furiosen Dramas von weltgeschichtlicher<br />
Dimension zugetragen hatte, keineswegs<br />
in dessen Zentrum.<br />
An der entscheidenden Auswirkung dieser<br />
brisanten Katastrophe aber ließ sich<br />
schon damals nicht rütteln: Der Pönfall<br />
von 1547 traf das alte Görlitz mitten ins<br />
Herz.<br />
Horst Wenzel<br />
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Die Entstehung Zittaus<br />
Zittaus<br />
Der Sage nach wurde Zittau von der Fürstin<br />
Zittavia, der Gemahlin Manfreds von<br />
Ringelsheim, gegründet. Sie soll im Jahre<br />
1021 gestorben und in einem von ihr<br />
gegründeten Benedictiner-Kloster begraben<br />
worden sein. Trotz jahrelanger<br />
Suche und Forschung wurden jedoch<br />
keinerlei Belege dafür gefunden, so dass<br />
es eine Sage bleibt. Im Jahre 1238 wird<br />
Zittau erstmalig schriftlich erwähnt. Damals<br />
wurde ein Herr Castolaus de<br />
Zittavia in einer Urkunde genannt. Nachdem<br />
die Oberlausitz jahrhundertelang<br />
von slawischen Stämmen besiedelt war,<br />
setzte im 11. Jahrhundert die deutsche<br />
Ostkolonisation ein.<br />
Die südliche Oberlausitz um Zittau und<br />
das Zittauer Gebirge war damals direkt<br />
böhmisches Land, die nördliche Oberlausitz<br />
um Bautzen und Görlitz hingegen<br />
unterstand als deutsches Lehen der<br />
böhmischen Krone. 1255 wurde Zittau<br />
durch den Böhmenkönig Ottokar II. zur<br />
Stadt erhoben und mit zahlreichen<br />
Privilegien ausgestattet, die dem Wohle<br />
der Stadt dienten.<br />
Zittau vor 1757 (Original im Rathaus)<br />
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32<br />
Geschichte
Die Entstehung Zittaus<br />
Zittaus<br />
Zittau lag an einer bedeutenden<br />
Handelsstraße, die sich im 35 km nördlich<br />
gelegenen Görlitz mit der wichtigen<br />
West-Ost-Handelsstraße, der Via-Regia,<br />
kreuzte.<br />
Frühzeitig entwickelte sich Zittau zu<br />
einer wichtigen Handelsstadt. Handel,<br />
Handwerk und Gewerbe begannen aufzublühen.<br />
1268 wurde das Zittauer<br />
Franziskanerkloster gestiftet. Von großer<br />
Bedeutung für die weitere Entwicklung<br />
war die Gründung des Oberlausitzer<br />
Sechsstädtebundes im Jahre 1346, als<br />
Bündnis der Städte gegen den Adel und<br />
zum Schutze des Landes vor Feinden jeder<br />
Art.<br />
Im Sechsstädtebund schlossen sich die<br />
Städte Bautzen, Görlitz, Löbau, Kamenz,<br />
Lauban und Zittau zusammen. Er wurde<br />
zur wesentlichen Grundlage der späteren<br />
Entwicklung Zittaus. Bedeutung erlangte<br />
Zittau während der Hussitenkriege, als<br />
die Prager Domherren vor den Aufständischen<br />
flüchteten und in der Stadt<br />
im Franziskanerkloster Unterkunft fanden.<br />
Für einige Jahre wurde Zittau auf<br />
Grund dessen zum Bischofssitz des Pra-<br />
Lorenz Heydenreich<br />
ger Erzbistums. So gelangten auch die<br />
wertvollen Prager Missalien, die Messbücher,<br />
mit ihren wunderschönen Buchmalereien<br />
des frühen 15. Jahrhunderts<br />
nach Zittau. Sie sind heute die Glanzstücke<br />
der Christian-Weise-Bibliothek. In<br />
der Stadt entstand damals sogar eine<br />
eigene Malschule, in der nicht nur wert-<br />
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33
Die Entstehung Zittaus<br />
Zittaus<br />
volle Buchmalereien geschaffen wurden.<br />
Durch die Hussitenkriege erlitt die<br />
Oberlausitz schwere Schäden. Die<br />
Reformation fasste in Zittau sehr schnell<br />
Fuß, bereits im Jahre 1521 predigte<br />
Lorenz Heydenreich in der Stadt<br />
erstmalig lutherisch. In der Mitte des 16.<br />
Jahrhunderts war Nikolaus von<br />
Dornspach einer der bedeutendsten<br />
Zittauer Bürgermeister. Dank seiner<br />
Bemühungen wurde die alte, bereits<br />
1310 erwähnte “Lateinschule” in ein<br />
Gymnasium umgewandelt. 1586<br />
gegründet, entwickelte sich das<br />
Gymnasium im 17. Jahrhundert zu einer<br />
auch aus dem Umland besuchten<br />
bedeutenden Bildungsstätte. Seinen<br />
Höhepunkt erlebte die Schule zweifellos<br />
unter seinem bedeutendsten Rektor<br />
Christian Weise (1642-1708). Der<br />
Zittauer Schulmann und Literat führte<br />
noch eine weitere Einrichtung zu neuen<br />
Höhen - die berühmte Zittauer<br />
Ratsbibliothek.<br />
Im Jahre 1635 wurden die Ober- und<br />
Niederlausitz und somit auch Zittau als<br />
Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges von<br />
Dornspach, zeitgenössische Darstellung<br />
Kaiser Ferdinand II. an das Kurfürstentum<br />
Sachsen übereignet. Somit endete<br />
die böhmische Zeit Zittaus, die bis heute<br />
ihre Spuren hinterlassen hat. Zittau wurde<br />
mehrfach durch Stadtbrände stark<br />
zerstört, u.a. 1608 und auch 1757, als die<br />
Stadt im Siebenjährigen Krieg von den<br />
Österreichern beschossen wurde. Damals<br />
versanken zwei Drittel der Stadt in<br />
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Geschichte
Die Entstehung Zittaus<br />
Zittaus<br />
Schutt und Asche, wertvolle alte Bauten<br />
wie das Rathaus und die Johanniskirche<br />
wurden zerstört. Es sprach für die wirtschaftliche<br />
Kraft der Stadt, dass diese<br />
Zerstörungen im Laufe weniger Jahrzehnte<br />
überwunden werden konnten. Im<br />
18. Jahrhundert kam es zu wichtigen<br />
Veränderungen in der wirtschaftlichen<br />
Struktur. In der Oberlausitz und rings um<br />
Zittau erlangte die Leinen- und Damastweberei<br />
zunehmend an Bedeutung.<br />
Nach 1850 erfolgte die wirtschaftliche<br />
Umstellung aufgrund der Industrialisierung.<br />
Zittau entwickelte sich zu einem<br />
Zentrum der Oberlausitzer und sächsischen<br />
Textilindustrie. Weitere bedeutende<br />
Industriezweige wie der<br />
Maschinen- und Fahrzeugbau hielten<br />
Einzug. Der wirtschaftliche ging einher<br />
mit dem gesellschaftlichen Aufschwung<br />
und einem Aufblühen der Stadt. Mit dem<br />
Abriss der alten Befestigungsanlagen<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Platz<br />
für neue wichtige städtische Bauten geschaffen,<br />
die bis heute eine große<br />
Bedeutung haben und das Gesicht der<br />
Stadt prägen: Die Bauschule, das neue<br />
Johanneum<br />
Gymnasium “Johanneum”, das Postamt,<br />
das Stadtbad, um nur einige zu nennen,<br />
entstanden in dieser Zeit. Gesellschaftliches<br />
und kulturelles Leben regte und<br />
entfaltete sich in unzähligen Vereinen<br />
und Gesellschaften, am Theater und im<br />
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35
Die Entstehung Zittaus<br />
Zittaus<br />
Zittau im Dreißigjährigem<br />
Krieg<br />
(Original im Stadtmuseum)<br />
Zirkus, in den Ballsälen,<br />
in der Stadtbibliothek<br />
und im<br />
Stadtmuseum, an den<br />
Bürgerschulen und<br />
dem Gymnasium.<br />
Bürgerliches Leben<br />
und Genießen prägte<br />
die Stadt, was noch<br />
heute an Gebäuden,<br />
in den Anlagen und<br />
nicht zuletzt in alten<br />
Schriften aufzufinden<br />
ist. Zunehmend wurde<br />
Zittau auch Ausgangspunkt<br />
für Touristen<br />
auf ihren Fahrten<br />
ins Zittauer Gebirge, nach Böhmen,<br />
ins Isergebirge und Riesengebirge. Die<br />
1890 eingeweihte Schmalspurbahn<br />
zwischen Zittau und den Kurorten Oybin<br />
und Jonsdorf brachte Flair nach Zittau.<br />
Die Oberlausitzer Gewerbe- und<br />
Industrieausstellung des Jahres 1902 in<br />
der Weinau und die Einweihung der<br />
Zittauer Straßenbahn setzten neue<br />
Akzente. Die sozialen Lebensbedingungen<br />
der Menschen in der Stadt verbesserten<br />
sich zunehmend, wozu die<br />
Regulierung von Mandau und Neiße im<br />
Stadtgebiet, die Eröffnung des Stadtbades,<br />
ein Licht- und Luftbad im Westpark<br />
und nicht zuletzt die Eröffnung des<br />
städtischen Krankenhauses 1884 beitrugen.<br />
Die Zeit des Dritten Reiches und<br />
des 2. Weltkrieges überstand Zittau<br />
relativ unbeschadet.<br />
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36<br />
Geschichte
Zittauer Gebirge<br />
Eine Wanderung ins Zittauer Gebirge<br />
Der Zittauer Oberlehrer<br />
i.R. Heidrich<br />
beschrieb seine Eindrücke<br />
über eine<br />
Wanderung ins Zittauer<br />
Gebirge in seinen<br />
Bildern aus der<br />
südlichen Oberlausitz<br />
vor 80 Jahren. Wir<br />
entnahmen diesem<br />
Werk die hier abgedruckte<br />
Beschreibung.<br />
Die Perle unseres Gebirges<br />
ist der Oybin.<br />
Dorthin lenken die meisten Wanderer, die<br />
unsere Gegend besuchen, ihre Schritte.<br />
Mit der Kleinbahn fährt man durch<br />
Olbersdorf nach dem Dorfe Oybin. Bei<br />
der Teufelsmühle ist der Eingang ins<br />
Oybiner Tal, aus dem der Berg wie eine<br />
ungeheure Glocke mit schroffen, zerklüfteten<br />
Wänden aufsteigt. Drei Wege<br />
leiten vom Dorfe aus zu ihm empor. Der<br />
eine führt auf Stufen hinauf, an dem<br />
Kirchlein des Dorfes vorbei, das sich dicht<br />
an den Felsen schmiegt, der zweite, eine<br />
Oybin vom Töpfer aus gesehen, alte Ansicht<br />
Fahrstraße, über die sogenannte Ritterbrücke,<br />
der dritte durch den felsigen<br />
Hausgrund.<br />
Sie treffen auf dem Sattel zusammen,<br />
der den Oybin mit dem nahen Schuppenberge<br />
verbindet. Gehen wir durch den<br />
Hausgrund, so kommen wir zu einem von<br />
Forellen belebten Teiche, in dem sich<br />
Ruinen des Berges spiegeln. Weiter oben<br />
vernehmen wir das Rauschen eines<br />
kleinen Wasserfalles und das Pochen<br />
eines Wasserwerkes, das vom Tale aus<br />
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Wandertipp<br />
37
Zittauer Eine Wanderung Gebirge<br />
ins Zittauer Gebirge<br />
das frische Gebirgswasser zur steilen<br />
Höhe treibt. Oberhalb des Sattels gelangen<br />
wir in den Bereich einer ehemaligen<br />
Burg, deren Ruinen neben<br />
denen eines Klosters und eines Kaiserschlößchens<br />
Karls IV. auf der Höhe des<br />
Berges aufragen. Aus den Steinen des<br />
unteren Tores hat man 1709 die Dorfkirche<br />
gebaut.<br />
Durch das zweite Tor schreitend, erblicken<br />
wir links die Reste eines unteren<br />
Burggebäudes (das “Schneiderstübel”),<br />
das einst die Knechte und Mägde des<br />
Klosters bewohnten.<br />
Durch den oberen, fünfeckigen Turm<br />
führt der Weg in den Burghof, und man<br />
schaut links, was von den oberen Burggebäuden<br />
und vom Kaiserhaus noch<br />
vorhanden ist. In einem turmähnlichen<br />
Bau befindet sich ein von A. Moschkau<br />
1879 gegründetes Museum. Es enthält<br />
eine Sammlung von Waffen und anderen<br />
Gegenständen aus alter Zeit, die für die<br />
Geschichte der Lausitz und des Oybins<br />
von Bedeutung sind. Rechts, neben dem<br />
Denkmal des heimischen Geschichtsforschers<br />
Pescheck, ist der Eingang zur<br />
Inneres der Kirchruine, alte Ansicht<br />
großartigen Klosterkirchruine. Einst ertönte<br />
hier frommer Mönchsgesang. Jetzt<br />
leuchtet der blaue Himmel in die verödeten<br />
Räume. Aber die hohen gotischen<br />
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38<br />
Wandertipp
Zittauer Gebirge<br />
Eine Wanderung ins Zittauer Gebirge<br />
Fenster mit dem<br />
kunstvoll gemeißelten<br />
Maßwerk zeugen<br />
noch von der<br />
einstigen Schönheit<br />
des stolzen Baues.<br />
Oberhalb der Kirche<br />
sind noch spärliche<br />
Turm- und Mauerreste<br />
einer älteren<br />
Burganlage sichtbar.<br />
Durch den<br />
Unterbau schreitend,<br />
der unter drei<br />
Kapellen neben der<br />
Kirche hinführt, gelangt man auf den<br />
weihevollen Friedhof des Dorfes Oybin.<br />
“Droben bringt man sie zu Grabe, die sich<br />
freuten in dem Tal.” An alten und neuen<br />
Grabhügeln vorüber lenken wir nun unsere<br />
Schritte zum nahen Bergwirtshaus<br />
und Gesellschaftsplatz, von wo aus der<br />
Blick ins Tal hinab und nach Zittau<br />
schweift. Ein Kranz von steilragenden<br />
Höhen bildet die schöne Umrahmung des<br />
Oybiner Tales. Der Pferdeberg bietet den<br />
schönsten Blick auf den Oybin. Zwischen<br />
Kirchhof-Ruine, alte Ansicht<br />
beiden Bergen finden wir als Stätte der<br />
Kunst das Waldtheater, wo im Sommer<br />
oft Gelegenheit geboten wird, mit dem<br />
Naturgenuß edle geistige Erholung zu<br />
verbinden.<br />
Der Ameisenberg ist der nördliche, der<br />
Töpfer der östliche Nachbarberg. Dieser<br />
zeigt merkwürdige Felsbildungen: das<br />
“Felsentor” neben der Baude, die<br />
“Schildkröte”, den “brütenden Adler”<br />
sowie den “Wackelstein”, einen großen<br />
Steinblock, der sich in schaukelnde Be-<br />
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Wandertipp<br />
39
Zittauer Eine Wanderung Gebirge<br />
ins Zittauer Gebirge<br />
wegung versetzen läßt. Eine<br />
vielbesuchte Felsenrotte am<br />
Töpfer ist die Gratzerhöhle.<br />
Am Scharfenstein, einem<br />
schroffen Felszacken, vorüber<br />
und durch die “Felsengasse”<br />
geht man vom Töpfer<br />
aus nach dem Hochwalde.<br />
Von seinen zwei Gipfeln trägt<br />
der nördliche den vom<br />
Zittauer Verein Globus 1879<br />
Der Wackelstein auf dem Töpfer, alte Ansicht<br />
erbauten “Carolaturm”, der<br />
südliche ein böhmisches und ein sich der Weg nach dem Mühlsteinberge<br />
sächsisches Einkehrhaus. (Von hier leitet ab. Der Sandstein desselben eignet sich<br />
eine Rodelbahn ins Oybiner Tal.) Vom trefflich zum Zerreiben von Getreide,<br />
Turme aus genießt man eine prächtige weshalb man mehr als 300 Jahre lang<br />
Aussicht, besonders nach dem waldreichen<br />
Böhmen mit seinen zahlreichen Blöcke dazu wurden oben auf der Höhe<br />
Mühlsteine daraus gefertigt hat. Die<br />
Bergkegeln. Der Kammweg, der die losgesprengt und auf einer Rutschbahn<br />
wichtigsten Punkte des Gebirges verbindet,<br />
führt vom Hochwalde nach dem den. Infolge der langen Minierarbeit<br />
ins Tal befördert, wo sie behauen wur-<br />
in halber Höhe des Berges gelegenen weist der Berg größere Hohlräume und<br />
Dörfchen Hain und weiterhin an dem unterirdische Gänge auf, die den Besucher<br />
an König Wichtels Reich ge-<br />
oberen Genesungsheim der Zittauer<br />
Allgemeinen Ortskrankenkasse vorbei mahnen. An vielen Stellen tritt bei<br />
nach dem Luftkurort Jonsdorf. Beim Jonsdorf der Sandstein frei zutage. Die<br />
Gasthause zum Schweizertale zweigt Felsen ragen oft steil in die Höhe und<br />
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40<br />
Wandertipp
Zittauer Gebirge<br />
Eine Wanderung ins Zittauer Gebirge<br />
nehmen, wie die am Töpfer,<br />
allerhand wunderliche Formen<br />
an. Zu den merkwürdigen<br />
Gebilden gehören der<br />
“Löwe”, der “Großvater”, die<br />
“3 Tische” und die “Kaffeemühle”.<br />
In der Nähe der<br />
Gondelfahrt erblickt man die<br />
malerische Gruppe der Nonnenfelsen,<br />
zu der eine enge<br />
Gasse emporleitet. Böllerschüsse<br />
wecken hier ein vielfaches,<br />
langhallendes Echo.<br />
Von hier aus gelangt man auf<br />
einem schönen Waldwege<br />
zur Paßhöhe zwischen Oberwaltersdorf<br />
und Lichtewalde. Zwischen zwei Grenzwirtshäusern,<br />
dem sächsischen “Rübezahl”<br />
und der böhmischen “Wache” hindurch<br />
führt der Pfad weiter und als steiler<br />
Zickzackweg endlich empor zum Lauschegipfel,<br />
wo man sich in dem halb<br />
sächsischen, halb böhmischen Gasthause<br />
von den Beschwerden des Aufstieges<br />
erholen kann. Die Lausche ist die<br />
Königin des Gebirgszuges. Von dieser<br />
nahezu 800 m hohen Aussichtswarte aus<br />
Der Nonnenfelsen, alte Ansicht<br />
schweift der Blick vom Valtenberge bei<br />
Bischofswerda bis zu den Bösigen im Innern<br />
Böhmens und vom Erzgebirge bis<br />
zum fernen Riesenkamme. Im Süden<br />
breitet sich das an Naturschönheiten so<br />
reiche Böhmen, im Norden die sächsische<br />
Lausitz mit ihren sanften Höhenzügen<br />
und belebten Flußtälern vor uns<br />
aus.<br />
Vom Töpfer aus setzt sich das Gebirge in<br />
südöstlicher Richtung als eine lange<br />
Kette fort. Östlich vom Heideberge führt<br />
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Wandertipp<br />
41
Zittauer Eine Wanderung Gebirge<br />
ins Zittauer Gebirge<br />
in großen Bogenlinien die<br />
Gabler Straße über den<br />
Gebirgskamm hinweg.<br />
Von Zittaus Südvorstadt<br />
aus leitet sie zunächst am<br />
Hartauer Braunkohlenrevier<br />
vorbei nach dem<br />
kleinen Luftkurort Eichgraben.<br />
Hier treten wir in<br />
den Hospitalforst. Nun<br />
wandern wir an den ehemaligen<br />
Schießständen<br />
des Zittauer Regiments<br />
vorüber, wo sich rechts<br />
die ältere Gebirgsstraße<br />
abzweigt, die über den “Stoß” (eine sehr<br />
steile Stelle) führt. Auf der linken, neueren<br />
Straße erreichen wir bald die König-<br />
Johann-Quelle. Weiter oben gewahrt<br />
man links am Wege einen steilen und<br />
breiten Felsen, der “Vogelbrussel” heißt.<br />
Auf seiner Höhe ragen, umrauscht von<br />
Buchenkronen, die spärlichen Reste der<br />
alten Zollburg Karlsfriede auf. Unweit des<br />
gastlichen Lückendorfer Forsthauses, wo<br />
Erdschanzen aus der Zeit Napoleons<br />
sichtbar werden, erklimmen wir die Paß-<br />
Die Lausche, alte Ansicht<br />
höhe (492 m). Nun führt der Weg talwärts<br />
nach dem Luftkurort Lückendorf,<br />
dem südlichsten Orte der Lausitz, und<br />
endlich nach dem böhmischen Städtchen<br />
Gabel. Über der Paßhöhe erhebt sich<br />
links der felsige, aussichtsreiche Gipfel<br />
des Straßberges (die “Fuchskanzel”).<br />
Als wichtiger Grenzberg trägt er gleich<br />
mehreren anderen Lausitzer Höhen<br />
(Lausche, Gickelsberg u. a.) einen<br />
Triangulierungsstein der sächsischen<br />
Landesvermessung. Tiefe Waldeinsam-<br />
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42<br />
Wandertipp
Zittauer Eine Wanderung Gebirge<br />
ins Zittauer Gebirge<br />
keit umfängt uns hier, denn dieser<br />
schöne Ostflügel des Gebirges liegt der<br />
breiten Verkehrsstraße der Gebirgswanderer<br />
fern. In der Gegend des Weißbachtales<br />
reckt hier und da ein säulenartiger<br />
Felsen gleich einem versteinerten Riesen<br />
sein starres Haupt über das grüne Geäst<br />
empor (”Uhusteine” und “Nackte Männer”).<br />
Östlich vom Straßberge steigt der<br />
Lindeberg aus felsiger Schlucht auf.<br />
Neben ihm erhebt sich als zweiter böhmischer<br />
Nachbarberg der Pfaffenstein (570<br />
m). Sein steiler Felsgipfel, den man auf<br />
einer schmalen Eisentreppe ersteigen<br />
kann, bietet ebenfalls eine schöne Rundsicht.<br />
Über den Passer Kamm gelangt man<br />
endlich zum Trögelsberge (5<strong>43</strong> m), wo<br />
man Versteinerungen von Kammmuscheln<br />
und anderen Meerestieren finden<br />
kann. Sie sagen uns, daß dieser Berg<br />
die älteste Sandsteinablagerung des<br />
Zittauer Gebirges ist. Die nun folgenden<br />
Höhen, der Kalkberg und der Langeberg,<br />
zeigen den Tonschiefer des viel älteren<br />
Jeschkengebirges. Auch die Berge, die<br />
unfern den Heimatgau im SO begrenzten,<br />
besonders der Gickelsberg, sind ein<br />
lohnendes Wanderziel. Sie bieten eine<br />
schöne Aussicht namentlich auf das Isergebirge.<br />
Unweit dieser Höhen und des<br />
großen Fabrikdorfes Reichenau liegt der<br />
Kurort Oppelsdorf, wo alljährlich zahlreiche<br />
Leidende (durchschnittlich 700<br />
bis 800) Genesung suchen. Die Kurmittel,<br />
die in diesem “Klein-Teplitz” angewandt<br />
werden, sind außer eisenhaltigem<br />
Wasser (Schwefeleisen- und Eisenmanganquelle)<br />
verschiedenartige Bäder,<br />
hauptsächlich Moorbäder, wozu das<br />
Moor von Christiansau (in Böhmen) und<br />
Seitendorf her den 5 Badehäusern zugeführt<br />
wird. Bereits 1802 entdeckte man<br />
die Heilzwecken dienende Eigenart der<br />
Oppelsdorfer Wässer, die durch die<br />
nahen mächtigen Braunkohlenlager bedingt<br />
sind. 1837 wurde die erste Badeanstalt<br />
errichtet.<br />
Quelle: Heidrich, Bilder der südlichen<br />
Oberlausitz, 1925<br />
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Wandertipp <strong>43</strong>
Die Geschichte der Görlitzer Straßenbahn<br />
Voranstellen möchte ich den weiteren<br />
Darlegungen eine Berichtigung einer Ungenauigkeit,<br />
die sich in mein Manuskript<br />
zur <strong>Ausgabe</strong> 42 des Stadtbildmagazins<br />
eingeschlichen hat und von Insidern<br />
längst bemerkt worden ist. Natürlich<br />
pendelten zwischen Rauschwalder Straße<br />
und Demianiplatz keine Einrichtungswagen,<br />
sondern Zweirichtungstriebwagen<br />
der Gotha- und Rekobauart. Ein<br />
ähnlicher Pendelbetrieb wurde übrigens<br />
zwischen Juni 1987 und Dezember 1991<br />
als Linie 3 zwischen Demianiplatz (später<br />
15. 07. 1987<br />
im Tagesverkehr ab Büchtemannstraße)<br />
und Virchowstraße betrieben. Hier kamen<br />
dann aber nur Gotha- Zweirichtungswagen<br />
zum Einsatz. Mit Wirkung<br />
vom 30.12.1986 ging die Endhaltestelle<br />
Königshufen ans Netz. Da<br />
aber die Wendeschleife noch nicht vollendet<br />
war, musste sie zunächst weiterhin<br />
mit Zweirichtungswagen angefahren<br />
werden. Zum Ende des Jahres 1986<br />
bestanden folgende Linien :<br />
1 Haus der Jugend- Königshufen<br />
2 Landeskrone- Platz der Befreiung.<br />
Die Züge der Linie 2<br />
wurden über das Gleisdreieck<br />
am Telegrafenamt<br />
gewendet. Am<br />
20.03.1987 konnte die<br />
lang ersehnte Wendeanlage<br />
am Wiesengrund<br />
in Königshufen<br />
in Betrieb genommen<br />
werden, die später für<br />
viele Jahre auch als<br />
Abstellanlage für nicht<br />
eingesetzte Fahrzeuge<br />
genutzt worden ist.<br />
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44<br />
Serie
XIX - Die - Die 1980er 1980er Jahre<br />
Jahre<br />
Ab 28.03.1987 verkehrten die Linie 1<br />
zwischen Goethestraße und Wiesengrund<br />
und die Linie 2 zwischen Landeskrone<br />
und Wiesengrund ohne umständliches<br />
Rangieren. Damit konnten<br />
theoretisch alle Kurse mit Einrichtungswagen<br />
gefahren werden. Mit der Vollendung<br />
der Gleisbauarbeiten im oberen<br />
Teil der Hlg. Grab- Straße kam ab<br />
01.06.1987 der oben bereits genannte<br />
Solopendel als Linie 3 hinzu , der mit Wirkung<br />
vom 17.08.1987 (Fahrplanwechsel)<br />
im Tagesverkehr bis Büchtemannstraße<br />
fuhr.<br />
Eine kurze Reaktivierung der Betriebsanlagen<br />
zwischen Demianiplatz und<br />
Rauschwalder Straße erfolgte im Juli<br />
1987 allerdings nur für innerbetriebliche<br />
Zwecke. Ein allerletztes Mal wurden neu<br />
angelieferte Straßenbahnfahrzeuge an<br />
der Anschlussstelle Rauschwalder Straße<br />
entgegengenommen und über ein Hilfsgleis<br />
in das Streckengleis gezogen und<br />
mit dem Arbeitswagen Nr. 101III (ex.<br />
TW. 1III) zum Betriebshof Zittauer Straße<br />
gefahren. Es handelte sich um die<br />
15. 07. 1987<br />
Kurzgelenkwagen KT4D mit den späteren<br />
Betriebsnummern 002 bis 007. Mit<br />
großer Wahrscheinlichkeit handelte es<br />
sich um die letztmalige offizielle Befahrung<br />
dieses Gleisabschnittes. Der Abbau<br />
der völlig verschlissenen Gleise zwi-<br />
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45
Die Geschichte der Görlitzer Straßenbahn<br />
schen Rauschwalder<br />
Straße und Rauschwalde<br />
war zu diesem<br />
Zeitpunkt bereits in<br />
vollem Gange und bis<br />
Herbst 1987 abgeschlossen.<br />
Am 17.08. 1987 wurde<br />
erstmals ein Solopendel<br />
im Verlauf der<br />
späteren Linie 4 zwischen<br />
Königshufen<br />
und Demianiplatz gefahren,<br />
allerdings noch ohne Linienkennzeichnung.<br />
Die Inbetriebnahme des GUW Königshufen<br />
(an der Haltestelle Friedhofstraße)<br />
am 06.11.1987 war eine der wichtigsten<br />
Voraussetzungen für den umfassenden<br />
Einsatz von KT4D Fahrzeugen. Am<br />
09.11.1987 wurde erstmals im Probebetrieb<br />
die Doppeltraktion mit KT4D , wie<br />
sie später zunächst auf der Linie 4 alltäglich<br />
wurde, gefahren. Kurze Zeit später<br />
erfolgte bis Dezember 1987 die<br />
05. 08. 1987<br />
schrittweise Inbetriebnahme der neu angelieferten<br />
sechs KT4D- Fahrzeuge.<br />
Ab 16.11.1987 gingen die HVZ- Linien 4<br />
(Demianiplatz- Königshufen ohne Halt an<br />
den Haltest. Schanze und Reichenbacher<br />
Turm) sowie 5 (Goethestraße<br />
Königshufen mit ZR - Solopendeln ab<br />
21.12.1987 verlängert bis Erich Weinert-<br />
Straße im Norden von Weinhübel), an<br />
das Liniennetz.<br />
Fortsetzung folgt<br />
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