Junia 02/2023
Junia ist das Mitgliedermagazin des kfd-Bundesverbandes. Mehr unter: www.junia-magazin.de
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MÄRZ/APRIL 2<strong>02</strong>3<br />
FRAU UND MUTTER HAT JETZT EINEN NAMEN –<br />
DIE SORGE<br />
UM DIE<br />
Sorge<br />
... PFLEGENDE<br />
ANGEHÖRIGE<br />
HABEN IN<br />
DEUTSCHLAND<br />
KAUM EINE<br />
LOBBY. WIE ES<br />
IHNEN GEHT UND<br />
WAS SICH<br />
ÄNDERN MUSS.<br />
MEHR UNTERSTÜTZUNG<br />
Gastbeitrag von Verena Bentele<br />
(VdK) zur Nächstenpflege<br />
MEDITATION ZU OSTERN<br />
Der Geistliche Impuls lädt<br />
zur Gedankenreise ein<br />
DIE SCHÖPFUNG ERWACHT<br />
Ein machtvoller<br />
Ruf ertönt
Sorgen Sie<br />
bitte dafür,<br />
dass …!<br />
Spinne am Morgen<br />
bringt Kummer<br />
und Sorgen.<br />
Spinne am Abend<br />
erquickend<br />
und labend.<br />
Erklärung:<br />
Hier geht es nicht um<br />
die achtbeinigen Tiere,<br />
sondern um das Spinnen.<br />
Wenn man am Morgen schon<br />
spinnen musste, war man<br />
von Beruf Spinnerin. Damit<br />
konnte man aber sehr wenig<br />
Geld verdienen. Das hieß<br />
also, man hat Sorgen, weil<br />
man wenig Geld hat.<br />
Wenn man am Abend<br />
erst gesponnen hat, dann<br />
tat man das sozusagen<br />
als Hausarbeit, zum<br />
Zeitvertreib, um abends<br />
noch etwas Sinnvolles<br />
zu tun.<br />
SORGE<br />
ist ein Ortsteil der<br />
Stadt Oberharz am<br />
Brocken im Harz im<br />
Landkreis Harz<br />
(Sachsen-Anhalt).<br />
„Sorge dich<br />
nicht,<br />
lebe“<br />
1948 erschien „How to Stop<br />
Worrying and Start Living!<br />
(dt.: Sorge dich nicht – lebe!)<br />
des US-Bestsellerautors Dale<br />
Carnegie (* 24. November 1888,<br />
† 1. November 1955)<br />
EQUAL CARE DAY<br />
Equal Care meint die faire und gleichwertige<br />
Verteilung von Sorgearbeit; fair nicht nur im<br />
Hinblick auf die Verteilung zwischen den<br />
Geschlechtern, sondern auch zwischen arm und<br />
reich, alt und jung, zugezogen und alteingesessen.<br />
Care-Arbeit ist überwiegend „unsichtbare Arbeit“.<br />
Sie wird, genau wie der Schalttag 29. Februar, oft<br />
übergangen. Daher findet der Equal Care Day am<br />
29. Februar in Schaltjahren und in allen anderen<br />
Jahren am 1. März statt.<br />
Jemandem<br />
die Sorgen<br />
nehmen<br />
ENGLISCH: CARE<br />
Care-Arbeit beschreibt die unbezahlten<br />
und bezahlten (re-)produktiven Tätigkeiten<br />
des Sorgens und Sich-Kümmerns.<br />
Sorge<br />
, die<br />
SORGENFALTEN<br />
Umsorgen,<br />
versorgen,<br />
sorgsam<br />
sein<br />
CARE-PAKET<br />
1. durch eine<br />
unangenehme,<br />
schwierige,<br />
gefahrvolle Situation<br />
hervorgerufene<br />
quälende Gedanken;<br />
bedrückendes Gefühl<br />
der Unruhe und Angst<br />
_sich um jemanden,<br />
etwas sorgen,<br />
[keine] Sorgen machen<br />
_drückende, ernste<br />
Sorgen, wirtschaftliche,<br />
gesundheitliche,<br />
häusliche Sorgen<br />
2. Bemühen um<br />
jemandes Wohlergehen,<br />
um etwas;<br />
Fürsorge<br />
_die Sorge füreinander<br />
_für etwas/jemanden<br />
sorge/Sorge tragen<br />
Diese<br />
Sorge sind<br />
wir los!<br />
Guten<br />
Morgen,<br />
liebe Sorgen,<br />
seid ihr auch<br />
schon alle da?<br />
Habt ihr<br />
auch so gut<br />
geschlafen?<br />
Na dann ist<br />
ja alles klar!<br />
Von Jürgen von der Lippe, 1987<br />
ICH SORGE VOR!<br />
mittelhochdeutsch „sorge“,<br />
althochdeutsch „sorga“, germanisch<br />
„surgō“ „Sorge“. Das Wort ist seit<br />
dem 8. Jahrhundert belegt.<br />
Sorgenfresser<br />
kleine Puppe, an die Kinder ihre<br />
Sorgen abgeben können<br />
Reinhard Johannes Sorge<br />
(* 29. Januar 1892 in Rixdorf, heute Berlin-<br />
Neukölln; † 20. Juli 1916 in Ablaincourt,<br />
Département Somme) war ein deutscher<br />
Schriftsteller. Mit seinem Stück „Der Bettler“<br />
gilt er als Begründer des<br />
expressionistischen Dramas.<br />
SORGE-<br />
RECHT<br />
Die elterliche Sorge ist in § 1626 Abs. 1 BGB<br />
definiert. Sie umfasst die Pflicht und das Recht<br />
der Eltern, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen.<br />
Die elterliche Sorge besteht aus der Personenund<br />
der Vermögenssorge. Dabei geht es jeweils<br />
vor allem darum, Entscheidungen für das Kind zu<br />
treffen, seine Rechte zu schützen und durchzusetzen<br />
sowie das Kind zu vertreten.<br />
DAS LASS NUR MEINE SORGE SEIN!<br />
Text: Isabelle De Bortoli, Gestaltung: Christina Claßen<br />
MUTTERSPRACHE
Editorial<br />
Sorge um<br />
unsere Nächsten<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
es vergeht wahrscheinlich kein Tag, an dem wir uns keine<br />
Sorgen machen. Von kleinen bis großen, von berechtigten<br />
bis unberechtigten Sorgen ist alles dabei. Wir sorgen uns um<br />
uns, um unsere Angehörigen, um Freundinnen und Freunde,<br />
aber auch um die Gesellschaft und nicht zuletzt um die Natur.<br />
Mit einigen Sorgen können wir besser umgehen, einige<br />
können wir verdrängen, andere fressen uns<br />
auf. Wer Kinder im Umfeld hat, kennt vielleicht<br />
die kleinen Tiere, die sich „Sorgenfresser“ nennen.<br />
Wie gerne würden auch wir Erwachsenen<br />
manchmal unsere Sorgen einfach auffressen und<br />
somit verschwinden lassen! Sorgen begleiten<br />
uns unser ganzes Leben. Das ist auch nicht nur<br />
schlecht, führt es doch häufig dazu, dass wir uns<br />
kümmern, Probleme konstruktiv angehen oder<br />
unzureichende oder schlechte Handlungen vermeiden.<br />
In Deutschland werden ungefähr 3,1 Millionen<br />
Menschen von ihren Angehörigen gepflegt,<br />
überwiegend von Frauen. Diese sorgen sich dabei nicht nur<br />
um ihre Angehörigen, sondern häufig auch um ihre eigene<br />
finanzielle Situation. Die Herausforderungen sind oftmals gewaltig<br />
und beginnen schon mit einer nicht ausreichend vorhandenen<br />
Beratung.<br />
Gudrun Born und Bettina Hellmann, kfd-Frauen und<br />
Buchautorinnen, haben ihre eigenen Erfahrungen zur Pflege<br />
von Angehörigen gemacht. Davon berichten sie in ihren<br />
Büchern und möchten so vor allem Frauen Mut machen,<br />
diese Zeit der Pflege gut zu gestalten. Sie appellieren daran,<br />
sich selbst, bei all der Fürsorge für andere, nicht zu vernachlässigen<br />
und Unterstützung einzufordern. Das<br />
kann zum Beispiel bei Evelin Bellen geschehen,<br />
die als Pflegeberaterin sowohl Angehörige als<br />
auch pflegebedürftige Menschen unterstützt.<br />
Im Interview mit <strong>Junia</strong> beantwortet sie konkrete<br />
Fragen zu diesem Thema. Wir möchten<br />
mit diesen Beiträgen Mut machen und Hilfen<br />
aufzeigen, die es Ihnen ermöglichen, diese Herausforderungen<br />
zu bewältigen. Lassen Sie sich<br />
von Ihren Sorgen nicht auffressen – suchen Sie<br />
Unterstützung!<br />
Mit schnellen Schritten bewegen wir uns<br />
auf die Osterzeit zu. Lassen Sie sich im geistlichen Impuls<br />
von Ulrike Göken-Huismann und Andreas Paul inspirieren,<br />
um hoffnungsvoll in die österliche Zeit zu blicken. In unserer<br />
Reihe „Was sagt die Bibel zu …“ finden Sie weitere biblische<br />
Impulse, um mit Sorgen konstruktiv umzugehen. Auch biblische<br />
Texte können Mut machen.<br />
Wir wünschen Ihnen eine hoffnungsvolle Osterzeit, in<br />
der Sie auch Momente des Durchatmens finden und sich Zeit<br />
für sich nehmen können.<br />
Friederike Frücht<br />
Chefredakteurin<br />
Folgen Sie uns<br />
Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands
FRAUENFRAGEN<br />
Von<br />
den<br />
Sorgen<br />
um<br />
die<br />
Sorge<br />
3,1 Millionen Deutsche<br />
werden von ihren Angehörigen<br />
zu Hause gepflegt. Überwiegend,<br />
nämlich zu drei Vierteln,<br />
erledigen Frauen diese Arbeit.<br />
Dabei bereitet die Sorge<br />
um den Angehörigen vielen<br />
Menschen Sorge: Denn<br />
einerseits geraten pflegende<br />
Angehörige häufig in eine<br />
schlechtere finanzielle Lage.<br />
Einem Viertel der pflegenden<br />
Frauen droht Armut. Außerdem<br />
gibt es kaum Beratung<br />
oder Hilfe für die Pflegenden.<br />
<strong>Junia</strong> gibt Einblicke in den<br />
Alltag von Pflegenden und<br />
lässt Expertinnen zu Wort<br />
kommen. Denn die Situation<br />
der pflegenden Angehörigen<br />
muss sich verbessern – sonst<br />
kollabiert das deutsche<br />
Pflegesystem.
Gudrun Born<br />
Bettina Hellmann<br />
Sich selbst<br />
NICHT VERLIEREN<br />
Gudrun Born und Bettina Hellmann haben beide langjährige eigene<br />
Pflegeerfahrungen, beide sind kfd-Frauen und Buchautorinnen. Sie wollen<br />
andere Frauen unterstützen, gut durch die Zeit der Pflege zu kommen.<br />
VON ISABELLE DE BORTOLI<br />
Es ist eine Arbeit, die von Staat und Gesellschaft kaum gesehen,<br />
völlig unterschätzt und erst recht nicht bezahlt wird: die Pflege<br />
von Angehörigen. Während die Pflege in Heimen der Gesellschaft<br />
Tausende Euro jeden Monat wert ist, bekommen die Angehörigen für<br />
die Pflege zu Hause bisher finanziell fast nichts. Dabei werden 3,1 Millionen<br />
von insgesamt 4,1 Millionen Pflegebedürftigen zu Hause versorgt,<br />
überwiegend, nämlich zu fast drei Vierteln, von Frauen.<br />
Jede und jeder dritte pflegende Angehörige plagt sich zusätzlich zu<br />
der Belastung durch die Pflege mit finanziellen Sorgen, so das Ergebnis<br />
einer aktuellen Studie des Sozialverbandes VdK (siehe auch Gastbeitrag<br />
auf Seite 11). Obwohl die Angehörigen professionelle Unterstützung,<br />
etwa durch einen Pflegedienst, bräuchten, verzichtet mehr als die Hälfte<br />
darauf, weil sie zu viel zuzahlen müssten.<br />
Das Thema „Armut durch Pflege“ beschäftigt auch Gudrun Born.<br />
Die 91-jährige kfd-Frau lebt in Frankfurt am Main und hat sich nach<br />
dem Tod ihres Mannes vorgenommen, pflegende Angehörige zu informieren<br />
und zu unterstützen. Dazu hat sie mehrere Bücher geschrieben<br />
(unter anderem „Balanceakt, pflegende Angehörige zwischen Liebe,<br />
Pflichtgefühl und Selbstschutz“ und „Klartext – Armut durch Pflege<br />
ist ein Skandal, wann wird er abgeschafft?“). Sie selbst pflegte ihren<br />
Mann von 1982 bis 1999 nach einem Hirninfarkt zu Hause – fast ohne<br />
Unterstützung, denn die Pflegeversicherung wurde erst 1995 eingeführt.<br />
„Heute lotse ich Betroffene durch den Paragrafen-Dschungel der<br />
Pflegeversicherung und helfe denen, die Widerspruch gegen einen Pflegebescheid<br />
einlegen wollen“, sagt Born. „Ich gebe die Hoffnung nicht<br />
auf, zu gerechteren Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige<br />
beitragen zu können.“<br />
Die Aussage „alle sind pflegeversichert“ erwecke den Eindruck,<br />
damit sei bestens vorgesorgt, so Gudrun Born. „Was aber viele nicht<br />
ahnen und viel zu spät realisieren: Die Pflegeversicherung deckt pflegebedingte<br />
Kosten für professionell geleistete Pflege (zu Hause oder<br />
im Heim) nur ,teilkasko' ab, also nur teilweise. Die Pflegebedürftigen<br />
bekommen Pflegegeld nur, wenn eine Privatperson verbindlich zusagt,<br />
die Pflege sicherzustellen. Zudem wird es gekürzt oder gestrichen,<br />
wenn professionelle Hilfe genutzt wird. Pflegende Angehörige (Pflegepersonen)<br />
dürfen maximal 30 Stunden pro Woche erwerbstätig sein<br />
und müssen ihren Lebensunterhalt selbst aufbringen, auch wenn sie<br />
wegen der Schwere einer Pflege ihre Erwerbstätigkeit ganz aufgeben<br />
müssen. Die Realität ist: Wer Schwerst- oder Demenzkranke zu Hause<br />
pflegt, hat an 365 Tagen 24 Stunden Präsenzpflicht.“<br />
Gudrun Borns größtes Anliegen: „Wer zu Hause pflegt, darf nicht<br />
arm werden. 65 Prozent der Pflegehaushalte nehmen keine Sach-<br />
FRAUENFRAGEN – SORGE 9
leistungen in Anspruch, weil ihnen dann das<br />
Pflegegeld gekürzt wird. Wenn sie die Zusatzkosten<br />
für Kurzzeit-, Tages- oder Nachtpflege<br />
nicht stemmen können, erhalten Pflegepersonen<br />
keine Entlastung.“ Problematisch sei, dass<br />
häufig Frauen, die ohnehin finanziell schlecht<br />
gestellt seien, die Pflege übernähmen. „Besonders<br />
unfair: Wer nicht zu Hause pflegt, muss<br />
erst ab einem Vermögen von 100.00 Euro die<br />
im Heim zu pflegenden Angehörigen finanziell<br />
unterstützen. Wer zu Hause pflegt, hat<br />
dagegen selbst kein Einkommen mehr und<br />
dennoch etliche Kosten“, so Born.<br />
Seit 1995 gibt es – unter bestimmten Vorrausetzungen<br />
– immerhin Rentenbeiträge für<br />
pflegende Angehörige. Die zu erzielenden<br />
Rentenerhöhungen liegen, je nach Pflegegrad,<br />
für ein Jahr Pflegearbeit zwischen sechs und<br />
34 Euro pro Monat. Aber: Die Rentenbeiträge<br />
werden gekürzt, sobald fachliche Hilfe in Anspruch<br />
genommen wird. „Dann<br />
hat man ja weniger Arbeit“, sagt<br />
Gudrun Born sarkastisch.<br />
Die kfd-Frau prangert vor<br />
allem an, dass viele pflegende<br />
Angehörige von all dem nichts<br />
ahnen, wenn sie die Pflege übernehmen.<br />
„Sie tun dies, weil sie<br />
sich um ihre Angehörigen sorgen.<br />
Und das ginge auch gar<br />
nicht anders, denn die Situation<br />
am Pflegemarkt ist katastrophal.<br />
Was passiert, wenn in<br />
den nächsten Jahren gut ausgebildete<br />
Frauen im ,Pflegealter' nicht mehr<br />
bereit sind, unter solchen Bedingungen zu<br />
pflegen oder sogar ihre Berufstätigkeit aufzugeben?“<br />
Nur wenn zumindest Pflegepersonen<br />
mit einem Einkommen unterhalb einer auszuhandelnden<br />
Einkommensgrenze einen angemessenen<br />
finanziellen Ausgleich erhielten,<br />
würde die Pflegebereitschaft der Bevölkerung<br />
auch künftig zu erhalten sein, prognostiziert<br />
Gudrun Born in ihrem Buch. „Die Menschen<br />
werden über vieles nicht informiert. Pflegepersonen<br />
haben keine geregelten Arbeitszeiten,<br />
keinen Anspruch auf Pausen oder Erholung –<br />
ein Recht, das allen Erwerbstätigen zugestanden<br />
wird. Und sie wissen oft gar nicht, was<br />
ihnen zustehen würde.“<br />
Tatsächlich werden nach Angaben des Sozialverbands<br />
VdK jedes Jahr Leistungen für die<br />
Pflege zu Hause im Wert von zwölf Milliarden<br />
Euro nicht abgerufen, häufig auch deswegen,<br />
weil sie nicht bekannt sind, ihre Beantragung<br />
zu zeitraubend ist oder die Angebote am Ort<br />
nicht vorhanden sind, wie etwa Kurzeitpflegeplätze.<br />
Viele der pflegenden Angehörigen<br />
fühlen sich extrem belastet und könnten die<br />
Was passiert,<br />
wenn in den<br />
nächsten Jahren<br />
die gut ausgebildeten<br />
Frauen in die<br />
Situation kommen<br />
sollen, ihre Jobs<br />
für die Pflege eines<br />
Angehörigen<br />
aufzugeben, ahnt<br />
niemand.<br />
Pflege ihrer Angehörigen nur unter Schwierigkeiten<br />
oder gar nicht mehr bewältigen. Ein<br />
Thema, mit dem sich auch Bettina Hellmann<br />
beschäftigt hat, kfd-Frau und Autorin des Buches<br />
„Eule oder Nachtigall – Resilienz für pflegende<br />
Angehörige“. Resilienz, ein Begriff, der<br />
die psychische Widerstandskraft meint. Bettina<br />
Hellmann pflegte 21 Jahre lang ihre mehrfach<br />
schwerbehinderten Zwillinge zu Hause.<br />
„Als pflegende Angehörige hat man auch die<br />
Pflicht, an sich selbst zu denken. Man muss<br />
gut auf sich aufpassen. Wenn wir nicht mehr<br />
können, wer hilft dann den Pflegebedürftigen?“<br />
Und dazu sei es zwingend notwendig,<br />
andere mit ins Pflege-Boot zu holen und die<br />
eigenen Bedürfnisse zu äußern. „Zum Beispiel<br />
haben unsere Angehörigen mit angepackt,<br />
um meinem Mann und mir<br />
freie Abende zu ermöglichen“,<br />
sagt Bettina Hellmann. „Alleine<br />
schafft man es nicht!“<br />
Oft verspürten die Angehörigen<br />
auch einen Druck von Familie<br />
und Gesellschaft, die Pflege<br />
übernehmen zu müssen. „Da<br />
ist es wichtig, die eigene Grenze<br />
zu kennen und Stopp-Signale<br />
zu senden. Gerade, wenn ich<br />
die Pflege nur aus Pflichtgefühl<br />
übernehme, wird es schwieriger.<br />
Mein persönlicher Rettungsanker<br />
in der Pflegezeit war immer die Antwort<br />
auf die Frage: Warum mache ich das? Es war<br />
die große Liebe zu meinen Kindern. Das gab<br />
mir immer einen Energieschub.“<br />
Hellmann plädiert dafür, sich immer auch<br />
mit dem Szenario zu beschäftigen, an dem es<br />
zu Hause eben nicht mehr weitergehen kann:<br />
„Man muss ans Loslassen denken. Die pflegenden<br />
Angehörigen werden in der Zeit der<br />
Pflege älter. Und irgendwann verschlechtert<br />
sich auch der Zustand der Pflegeperson so<br />
sehr, dass es einfach nicht mehr geht. Eine innere<br />
Bereitschaft zu entwickeln, zuzugeben,<br />
dass man nicht mehr kann, ist eben auch ein<br />
Teil der Pflege.“ Schnell einen guten Ort, ein<br />
Pflegeheim zu finden, sei utopisch, so Hellmann.<br />
„Besser ist es, sich frühzeitig mit dieser<br />
Frage zu beschäftigen. Denn sie wird mit der<br />
Zeit drängender.“<br />
kfd SETZT<br />
SICH FÜR KUREN<br />
FÜR PFLEGENDE<br />
ANGEHÖRIGE EIN<br />
Ebenso wie Mütter und<br />
Väter leisten pflegende<br />
Angehörige wertvolle<br />
Sorgearbeit in Familien.<br />
Als Teil der KAG (Katholischen<br />
Arbeitsgemeinschaft)<br />
Müttergenesung hat sich<br />
die kfd gemeinsam mit<br />
den Verbänden der<br />
Freien Wohlfahrtspflege<br />
und dem Müttergenesungswerk<br />
für Kuren für pflegende<br />
Angehörige eingesetzt.<br />
„Es gibt vier Häuser, die speziell<br />
auf Kuren für pflegende Angehörige<br />
ausgelegt sind“, sagt<br />
Lucia Lagoda, Bundesvorsitzende<br />
der KAG Müttergenesung<br />
und Mitglied des kfd-<br />
Bundesvorstands. „Das<br />
sind die Kliniken auf Norderney,<br />
Borkum, in Winterberg<br />
und Wertach im Allgäu.“<br />
Die Beratungsstellen der<br />
KAG Müttergenesung,<br />
die es in ganz Deutschland<br />
gibt, beraten pflegende<br />
Angehörige (ebenso wie<br />
natürlich Mütter und Väter)<br />
rund um den Antrag für<br />
die Kur und unterstützen<br />
bei Fragen zur Betreuung der<br />
Pflegeperson während der Kur.<br />
„Die Beratungsstellen schauen<br />
auf die individuelle Situation,<br />
und auch in den Kliniken werden<br />
die Menschen ganzheitlich<br />
gesehen und behandelt“, so<br />
Lagoda. Mehr Informationen<br />
sowie die Nummer der<br />
Beratungshotline unter<br />
www.kag-muettergenesung.de<br />
10<br />
FRAUENFRAGEN – SORGE
AUS DEM VERBAND<br />
Unter dem Motto „Frauen, wir halten zusammen“<br />
stellt die <strong>Junia</strong> in Zukunft weitere Projekte von kfd-<br />
Diözesanverbänden und Gruppen vor Ort vor, die<br />
zeigen, wie viel die kfd als Gemeinschaft bewirken<br />
kann. Das Motto wurde während der Flutkatastrophe<br />
im Ahrtal geprägt, wo betroffene Frauen Hilfe von<br />
kfd-Gruppen aus ganz Deutschland erhielten.<br />
NETZ DER kfd FREIBURG<br />
HILFT SEIT 50 JAHREN<br />
VON ISABELLE DE BORTOLI<br />
2,8 Millionen Euro für Frauen in Not<br />
Es ist eines der Erfolgsprojekte der kfd im DV Freiburg und das<br />
perfekte Beispiel dafür, wie eine starke Frauengemeinschaft<br />
vor Ort etwas verändern, das Leben von Frauen verbessern<br />
kann: Seit 50 Jahren gibt es im DV Freiburg das kfd-Netz „Frauen<br />
in Not“, das im Jahr 1973 noch unter dem Namen „Mütter<br />
in Not“ gegründet wurde. Das Prinzip: Mit Spendengeldern wird<br />
Frauen, die sich in einer finanziellen Notlage befinden, schnell<br />
und unbürokratisch geholfen.<br />
„Bei der Gründung des Netzes standen zunächst Frauen im<br />
Mittelpunkt, die sich gegen eine Abtreibung und für ein Kind entschieden<br />
haben“, sagt Gabi Fuchs-Bechinger, Bildungsreferentin<br />
der kfd Freiburg. Diesen oft alleinerziehenden Müttern wollte<br />
man helfen. Im Jahr 1995 wurde das Netz dann in „Frauen in<br />
Not“ umbenannt und der Blick geweitet auf Frauen in allen<br />
Lebenslagen.<br />
Die Hilfe für Frauen in Not funktioniert wie<br />
folgt: Bedürftige Frauen melden sich entweder<br />
direkt bei der kfd. „Da das Thema aber mit viel<br />
Scham einhergeht, ist es eher so, dass unsere<br />
Ehrenamtlichen von Fällen erfahren, in denen<br />
Frauen in eine finanzielle Notlage geraten. Etwa<br />
über Schulsozialarbeiterinnen, Erzieherinnen,<br />
über die Gemeinde oder eben andere kfd-Frauen“,<br />
sagt Gabi Fuchs-Bechinger. „Das Netzwerk<br />
unserer Ehrenamtlichen ist entscheidend für die Hilfe<br />
vor Ort.“ Fälle, in denen das Netz hilft, sind beispielsweise<br />
Mieten oder Stromrechnungen, die nicht mehr bezahlt<br />
werden können; häufig wird auch Geld für Möbel benötigt,<br />
etwa nach einer Trennung. Oder der Herd oder der Kühlschrank<br />
sind kaputt und es fehlt das Geld für eine Neuanschaffung.<br />
Mehr zum kfd-Netz<br />
„Frauen in Not“<br />
gibt es beim<br />
DV Freiburg unter<br />
www.kfd-freiburg.de<br />
32 ehrenamtliche kfd-Frauen repräsentieren das kfd-Netz<br />
„Frauen in Not“ derzeit in den Dekanaten des DV Freiburg. Eine<br />
von ihnen ist Gabi Schroeder-Hofmann, die bereits seit 1997 dabei<br />
ist. „Wir Ehrenamtlichen werden jährlich für unsere Aufgabe<br />
geschult“, berichtet sie. „Denn schließlich erlebt man oft auch<br />
belastende Situationen. Zudem ist es wichtig, dass man sich gut<br />
vernetzt.“ Denn die Ehrenamtlichen informieren auch darüber,<br />
wo es weitergehende Hilfe gibt, begleiten Frauen zum Sozialamt<br />
oder zur Suchtberatung, stellen Kontakt zum Frauenhaus her oder<br />
vernetzen mit einer psychologischen Beratung.<br />
In den vergangenen 50 Jahren konnten die kfd-Frauen im<br />
DV Freiburg die unglaubliche Summe von 2,8 Millionen Euro als<br />
Spenden sammeln und damit rund 4700 Frauen in Not helfen –<br />
im Schnitt also etwa 100 Frauen pro Jahr. Das Geld sammeln die<br />
kfd-Frauen bei klassischen Basaren, wo Selbstgemachtes verkauft<br />
wird, bei Adventsfeiern und Wallfahrten, aber auch, indem<br />
sie vor Ort beispielsweise gemeinsam mit dem<br />
Einzelhandel Spendenaktionen ins Leben rufen.<br />
„Die Frauen, denen wir helfen, sind von 20 bis<br />
90 Jahre alt, und es spielt keine Rolle, wo sie<br />
herkommen oder welche Religion sie haben“,<br />
betont Gabi Fuchs-Bechinger.<br />
Für die Vergabe der Gelder gibt es klare Kriterien:<br />
So liegt der Höchstsatz bei 1200 Euro<br />
und jeder Frau kann nur einmal geholfen werden.<br />
Zudem ist der persönliche Kontakt zwischen<br />
der Hilfsbedürftigen und den Ehrenamtlichen der<br />
kfd wichtig: Sie sorgen dafür, dass das Geld genau an<br />
die richtige Stelle gezahlt wird, für das, was wirklich gebraucht<br />
wird. „So leisten wir eine schnelle und unbürokratische,<br />
aber eben auch sehr persönliche Hilfe“, so die beiden kfd-Frauen.<br />
„Eben echte Hilfe von Frauen für Frauen.“<br />
kfd AKTUELL – AUS DEM VERBAND 13
AUS DEM VERBAND<br />
ALLES<br />
AUF<br />
PURPUR<br />
Die kfd und der Synodale Weg<br />
Spätestens nach den<br />
erschütternden Ergebnissen<br />
der sogenannten MHG-<br />
Studie, die 2018 Hunderte<br />
Missbrauchsfälle im<br />
Umfeld der katholischen<br />
Kirche aufdeckte, wurden<br />
Rufe nach Aufklärung<br />
und Erneuerung immer<br />
lauter. Die Deutsche<br />
Bischofskonferenz (DBK)<br />
entschied daher gemeinsam<br />
mit dem Zentralkomitee<br />
der deutschen Katholiken<br />
(ZdK), einen Reformprozess<br />
in Gang zu bringen: den<br />
Synodalen Weg. Im März<br />
findet die letzte der insgesamt<br />
fünf Versammlungen<br />
statt – und in Sachen<br />
Reformen heißt das:<br />
jetzt – oder wann?<br />
VON ROMINA CAROLIN STORK<br />
Der Prozess begann Anfang Dezember<br />
2019 und war zunächst auf zwei Jahre<br />
angelegt, wurde wegen der Corona-Pandemie<br />
aber bis März 2<strong>02</strong>3 verlängert.<br />
Gut 230 Synodal*innen beraten seitdem bis<br />
zu zwei Mal im Jahr, wie es mit der katholischen<br />
Kirche in Deutschland weitergehen<br />
könnte. Vom 9. bis 11. März dieses Jahres<br />
findet die fünfte und somit letzte sogenannte<br />
Synodalversammlung statt. Dort diskutieren<br />
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die aus<br />
katholischen Verbänden, der Jugendarbeit,<br />
vom ZdK und der DBK entsendet wurden,<br />
Texte, die zuvor in Kleingruppen erarbeitet<br />
worden sind. Sie befassen sich mit den Themen<br />
„Macht und Gewaltenteilung in der Kirche<br />
– Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe<br />
am Sendungsauftrag“, „Leben in gelingenden<br />
Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und<br />
Partnerschaft“, „Priesterliche Existenz heute“<br />
und „Frauen in Diensten und Ämtern in der<br />
Kirche“.<br />
Die Texte werden vom Plenum beschlossen<br />
– und brauchen dafür auch eine Zweidrittelmehrheit<br />
der Bischöfe – oder abgelehnt.<br />
„Dabei ist es selbstverständlich, die Einheit<br />
der Kirche zu bewahren. Beschlüsse, deren<br />
Themen einer gesamtkirchlichen Regelung<br />
vorbehalten sind, werden daher dem Apostolischen<br />
Stuhl als Votum des Synodalen Weges<br />
übermittelt“, heißt es auf der Internetseite<br />
zum Reformprozess.<br />
14<br />
kfd –AUS DEM VERBAND
Vor jeder Versammlung wird es<br />
Purpur: kfd-Frauen aus dem gesamten<br />
Bundesgebiet kommen zusammen, um<br />
mit Purpurkreuzen, Postkarten und<br />
Plakaten für die Anliegen der Frauen<br />
in der Kirche einzustehen und allen<br />
Synodal*innen Mut zuzusprechen,<br />
sich auch dafür einzusetzen.<br />
GLEICH<br />
+<br />
BERECHTIGT!<br />
Was bisher geschah<br />
Bislang wurden sieben Texte verabschiedet:<br />
der Orientierungstext „Auf dem Weg der<br />
Umkehr und der Erneuerung. Theologische<br />
Grundlagen des Synodalen Weges der katholischen<br />
Kirche in Deutschland“, die Grundtexte<br />
„Macht und Gewaltenteilung in der Kirche<br />
– Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am<br />
Sendungsauftrag“ und „Frauen in Diensten<br />
und Ämtern in der Kirche“ sowie die Handlungstexte<br />
„Einbeziehung der Gläubigen in<br />
die Bestellung des Diözesanbischofs“, „Synodalität<br />
nachhaltig stärken“, „Lehramtliche<br />
Neubewertung von Homosexualität“ und<br />
„Grundordnung des kirchlichen Dienstes“.<br />
Jeder Bischof ist aufgerufen, die Beschlüsse in<br />
seinem Bistum umzusetzen – rechtlicht verpflichtet<br />
ist allerdings niemand.<br />
Einen großen Eklat gab es bei der vierten<br />
Synodalversammlung im September 2<strong>02</strong>2: Direkt<br />
zu Beginn wurde der Grundtext „Leben<br />
in gelingenden Beziehungen – Grundlinien<br />
einer erneuerten Sexualethik“ beraten. Mit<br />
über 80 Prozent stimmte die Mehrzahl der Synodal*innen<br />
zwar für die Annahme des Textes<br />
– die benötigte Zweidrittelmehrheit der<br />
Bischöfe allerdings erhielt er nicht; er wurde<br />
somit abgelehnt. Viele Teilnehmer*innen und<br />
Beobachter*innen waren enttäuscht und werteten<br />
dies als Zeichen der Bischöfe, gar nicht<br />
an Reformen interessiert zu sein.<br />
Mittendrin statt nur dabei<br />
Selbstverständlich ist auch die kfd mittendrin<br />
statt nur dabei. Vier Synodalinnen<br />
vertreten die Anliegen von Frauen in der Synodalversammlung:<br />
Anges Wuckelt (stellvertretende<br />
Bundesvorsitzende), Ulrike Göken-<br />
Huismann (Geistliche Leiterin), Lucia Lagoda<br />
(Mitglied im Bundesvorstand) und Brigitte<br />
Vielhaus (Bundesgeschäftsführerin).<br />
Zudem wird es vor jeder Versammlung<br />
purpurn: kfd-Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet<br />
kommen zusammen, um mit Purpurkreuzen,<br />
Postkarten und Plakaten mit<br />
Sprüchen wie „Predigerinnen – Viele Wege<br />
führen nach Rom, unserer direkt auf die Kanzel!“<br />
oder „Leben ist Vielfalt – Wir lieben<br />
bunt!“ für die Anliegen einzustehen und allen<br />
Synodal*innen Mut zuzusprechen, sich auch<br />
dafür einzusetzen. An kfd-Frauen kommt niemand<br />
vorbei!<br />
Die fünfte und letzte Versammlung<br />
Auch vor der kommenden Synodalversammlung<br />
im März sind Aktionen geplant:<br />
Möglichst viele kfd-Frauen sollen die Synodal*innen<br />
in Frankfurt am Main empfangen,<br />
mit ihnen ins Gespräch kommen und für eine<br />
geschlechtergerechte Kirche werben.<br />
Am Nachmittag sind bundesweit Gottesdienste<br />
geplant, bei denen purpurfarbene kfd-<br />
Sitzkissen zeigen: HIER gehören wir Frauen<br />
hin, in die Kirche, in die Gottesdienste, an<br />
den Altar – und ohne uns wäre die Kirche leer.<br />
Dieser Slogan ziert nun<br />
auch purpurfarbene<br />
kfd-Sitzkissen. Sie zeigen<br />
in Gottesdiensten, die<br />
bundesweit von kfd-<br />
Gruppen gefeiert werden,<br />
dass genau HIER der<br />
Platz von Frauen ist.<br />
Der Gottesdienst in<br />
Frankfurt am Main wird<br />
um 15.30 Uhr im Dom<br />
gehalten. Auf der<br />
Homepage des kfd-Bundesverbandes<br />
gibt es eine<br />
interaktive Karte, auf der<br />
die Orte gekennzeichnet<br />
sind, an denen Gottesdienste<br />
gefeiert werden.<br />
Nehmen auch Sie daran teil<br />
und unterstützen so die<br />
Forderung nach einer<br />
geschlechtergerechten<br />
Kirche!<br />
www.kfd.de/synodalerweg<br />
WIR<br />
GRATULIEREN:<br />
+++<br />
kfd St. Nikolaus<br />
Traben-Trarbach, DV Trier:<br />
40 Jahre<br />
+++<br />
kfd Rohrhof, DV Freiburg:<br />
50 Jahre,<br />
Feier im März<br />
+++<br />
kfd Sankt Martinus Hagen<br />
a.T.W., DV Osnabrück:<br />
100 Jahre,<br />
Feier am 19.3.23<br />
kfd –AUS DEM VERBAND 15
EIN<br />
MACHTVOLLER<br />
Ruf<br />
ER<br />
22<br />
MUTTER ERDE
MUTTER ERDE<br />
Serie<br />
SPIRITUALITÄT IN DER NATUR<br />
DIE SCHÖPFUNG IM JAHRESLAUF<br />
TÖNT<br />
Wenn sich feine, grüne<br />
Lanzen den Weg durch dunklen<br />
Boden bahnen, dann beginnt<br />
die Schöpfung ganz leise das<br />
neue Jahr ihres Wachsens<br />
und Blühens. Und: Schöpfung<br />
als innigster Verbund alles<br />
Lebenden hat einen<br />
Aufforderungscharakter.<br />
VON MARIA ANNA LEENEN<br />
Gerade noch schien alles wie tot zu sein. Nackte Erde,<br />
Reste von Schnee und zerbröselndem, altem Laub –<br />
alles irgendwie müde, wenig reizvoll, eine verführerische<br />
Einladung, den Winterschlaf der letzten Wochen ohne<br />
Pause fortzusetzen. Man könnte meinen, alles Leben, alles<br />
Licht hätte sich draußen zugleich mit Freude und Frohsinn<br />
für immer verabschiedet. Aber stimmt das? Die Schöpfung<br />
mutet manchmal an wie ein verschmitzter Gaukler, ein Jahrmarktskünstler,<br />
ein Taschenspieler. Gerade noch scheint alles<br />
verschwunden zu sein, die Hände sind leer, alles vergangen,<br />
vergessen, so als wären alle Uhren abgelaufen. Doch dann,<br />
total unvermutet, ja, wirklich wie ein bisschen Zauberei,<br />
wie Magie, beginnt sich die Stimmung zu verändern. Eigentlich<br />
merkt man es nicht sofort. Noch ist die Müdigkeit unverändert,<br />
man starrt lustlos aus dem Fenster, während die<br />
Finger am Fensterglas trommeln. Doch dann fällt der Blick<br />
auf den einen kleinen Fleck im Vorgarten oder auf eine Stelle<br />
am Wegrand im Park. Da war es doch gestern noch so düster,<br />
so dunkel, so abgestorben. Und jetzt? Wie feine Risse im<br />
weichen Boden fältelt sich die Erde auf. Da, jetzt kann man<br />
es genau sehen. Wie eine feine grüne, überaus zarte Spitze<br />
schiebt sich eine helle Zacke empor, eine Lanze, ein Speer,<br />
den Beginn der Wintervertreibung anzuzeigen.<br />
MUTTER ERDE<br />
23
MUTTER ERDE<br />
Eine unwiderstehliche Regung<br />
Die Schöpfung beginnt das neue Jahr ihres Wachsens und Blühens<br />
nicht mit Böllerschüssen und Jubelschreien. Sie beginnt es sehr leise,<br />
kaum spürbar und tief verborgen. In jeder Wurzel, in jeder Knolle,<br />
in Baumrinde und Graswurzelwerk fängt es an. Es ist wie eine tief<br />
verborgene Kraft, die spürbar wird, eine unwiderstehliche Regung, so<br />
als wäre eine Art machtvoller Ruf an alle und alles ergangen, aufzuwachen<br />
aus Winterstarre, Dunkelheit und müdem Rückzug. Die ersten<br />
Reaktionen sind unsichtbar. Sie geschehen tief versteckt<br />
im dunklen Erdreich, manchmal zu ahnen,<br />
selten zu beobachten. Wie ein Pendant, wie ein<br />
Spiegelbild zum sich aufhellenden Firmament über<br />
der Erde beginnt sich tief unten im Boden etwas<br />
zu verändern. Hier leben die wichtigsten Helfer für<br />
Wachstum, Blütenpracht und Fruchtfülle. Millionen<br />
und Abermillionen fleißige Helfer stellen hier die<br />
Grundlagen zur Verfügung, um Wachstum möglich<br />
zu machen. Den meisten Menschen sind sie unbekannt,<br />
und leider werden sie oft mit Missfallen<br />
und Abscheu betrachtet, wenn sie per Zufall einmal<br />
in der Nähe von Wohnungen auftauchen. Aber sie<br />
sind unverzichtbar, die Asseln, die Springschwänze,<br />
die Regenwürmer, Tausendfüßler und Amöben. Im<br />
engen Zusammenspiel mit verschiedenen Bakterien<br />
sind sie es, die das Bodenleben aktivieren, vitalisieren<br />
und so Wachstum überhaupt möglich machen.<br />
Fast alle Pflanzen auf dem Planeten Erde sind angewiesen<br />
auf diese unermüdlichen Untergrundarbeiter*innen.<br />
Sie verwerten alles, spalten es auf,<br />
wandeln es um, damit Wurzeln, Knollen, Baumrinden,<br />
Graswurzeln und jegliche pflanzliche Leitungsbahnen<br />
Nährstoffe dorthin bringen können, wo sie<br />
benötigt werden. Es ist ein faszinierender Kreislauf,<br />
denn nichts wird verschwendet, alles kann aufbereitet<br />
und angeboten werden, damit auf der Oberfläche<br />
Wachstum geschehen kann.<br />
Eine überaus verletzliche Hülle<br />
Ob in den oberen zehn Zentimetern oder in den tiefsten Erdschichten<br />
– welche die Eichen- und Buchenwurzeln erreichen können –,<br />
es ist ein Organismus, ein Ökosystem, eine lebendige Hülle, die den<br />
ganzen Erdball umgibt. Eine Hülle, über deren lebensvolle und Leben<br />
gebende Energie man immer wieder staunen darf. Aber! Diese Hülle<br />
ist auch außerordentlich verletzlich. Sie braucht Schutz, denn sie ist<br />
ebenso eine sehr begrenzte Ressource. Täglich verliert sie auf vielen<br />
Quadratkilometern an Energie und Widerstandskraft durch Versiegeln,<br />
Verdichten, Versalzen und Austrocknen.<br />
Wer sich Zeit und Muße nimmt, diesem Geheimnis, das sich<br />
unter den Füßen der Menschen beständig vollzieht, nachzuspüren,<br />
wird nicht lange warten müssen, um Parallelen zu finden. Parallelen<br />
zum persönlichen Leben und zum Leben aus dem Glauben. Es genügt<br />
meist schon, sich einfach einmal in die jetzt aufbrechende Natur zu<br />
setzen. Still, ohne Ablenkung, und sich zu öffnen.<br />
Diesem<br />
geheimnisvollen<br />
Wirken und<br />
Arbeiten des<br />
Bodens unter<br />
den Füßen<br />
nachzuspüren,<br />
kann den inneren<br />
Blick öffnen.<br />
Gerade jetzt zu Beginn des Frühlings, wo manchmal mit einer<br />
Schnelligkeit, die überrascht und begeistert, das Grün zu sprießen beginnt,<br />
Knollen und Blütenknospen anschwellen und das frische Grün<br />
der Blattspitzen vorwitzig herausblinzelt, steigen natürlich Lebensfreude<br />
und eine neue Lust am Sein bei Mensch und<br />
Tier. Diese Freude als Denkanstoß zu nehmen, als<br />
Impuls, als Ansporn, diesem geheimnisvollen Wirken<br />
und Arbeiten des Bodens, der Erde unter den<br />
Füßen, nachzuspüren, kann den Blick, kann vor<br />
allem den inneren Blick öffnen und scharf stellen<br />
für eine fundamental wichtige Erkenntnis: Nicht<br />
nur das Ökosystem Boden ist Schöpfung. Nicht nur<br />
die schwellenden Knospen, das neu sprießende Gras<br />
und die zaghaft sich öffnenden ersten Blüten sind<br />
Schöpfung. Auch der Mensch, auch ich bin es.<br />
Ich bin gewollt und geschaffen, eingebunden,<br />
tief verwurzelt in dieses wundervolle Gesamt der<br />
Schöpfung durch den, der es erschaffen hat. Durch<br />
Gott, durch den Schöpfer. Diese Gedanken zuzulassen,<br />
sich darauf einzulassen bedeutet auch, sich<br />
auf eine besonders intensive Weise mit den Grundlagen<br />
allen Lebens auf diesem Planeten zu befassen.<br />
Nicht unbedingt auf eine wissenschaftliche,<br />
rationale Art. Diese meditative Vorgehensweise<br />
schenkt eine andere Sicht, es ist eine Seh-Schule,<br />
eine Wahrnehmung, die Einsichten schenkt, ein Begreifen<br />
von Welt, von Schöpfung und der eigenen<br />
Person mit allen Sinnen. Es ist tiefe Freude, wenn<br />
das einem Menschen bewusst wird. Es macht auf<br />
eine besonders innige Weise die Grundlagen des<br />
Lebens sichtbar. Es ist ein innerliches Begreifen,<br />
das den Geschenkcharakter allen Lebens, die Geschöpflichkeit<br />
der Welt im Herzen aufleuchten<br />
lässt. Dieses Begreifen ist Freude, ja, aber auch Verantwortung.<br />
Denn was ich kenne, liebe und wertschätze, muss ich<br />
auch schützen. Die Sorge für das, was sich gerade jetzt vor unseren<br />
Augen und Ohren, vor all unseren Sinnen beginnt auszubreiten, ist<br />
keine Nebensächlichkeit, die vielleicht dann, wenn gerade einmal<br />
Zeit dafür übrig ist, im Tagesplan ein Plätzchen findet. Schöpfung als<br />
innigster Verbund alles Lebenden hat einen Aufforderungscharakter.<br />
Nicht nur in Bezug auf ihre Wahrnehmung und Wertschätzung. Wenn<br />
Schöpfung, wenn die ganze Erde Geschenk des Schöpfers an seine<br />
Geschöpfe ist, bedeutet das auch, sie zu schützen und zu bewahren<br />
für diejenigen, die nach uns kommen. Die Schönheit und Fülle des<br />
uns umgebenden pulsierenden Lebens, die faszinierenden Zusammenhänge<br />
mit Sorgfalt zu erhalten, ist keine mögliche Option, sondern<br />
Pflicht.<br />
24<br />
MUTTER ERDE
Kolumne<br />
MEINE TOCHTER, DIE KIRCHE UND ICH<br />
LASSET DIE KINDER<br />
ZU MIR KOMMEN –<br />
oder doch nicht?<br />
VON ISABELLE DE BORTOLI<br />
Wie lebt es sich als<br />
katholische Familie in Zeiten,<br />
in denen Skandale die Kirche<br />
erschüttern, immer mehr<br />
Menschen austreten und<br />
immer noch keine<br />
Gleichberechtigung herrscht?<br />
An dieser Stelle schreibt<br />
die stellvertretende<br />
Chefredakteurin der <strong>Junia</strong>,<br />
Isabelle De Bortoli, über die<br />
aktuellen Herausforderungen<br />
rund um Glauben und Kirche.<br />
Sie lebt mit ihrem Mann und<br />
ihrer 8-jährigen Tochter in<br />
Neuss, DV Köln.<br />
Im Gottesdienst im Rahmen der Kommunionvorbereitung neulich wurde es einem Geschwisterkind<br />
langweilig: Nachdem er dreißig Minuten tapfer in der Bank ausgehalten hatte, wälzte<br />
sich der Dreijährige im Mittelgang hin und her. Schmunzelnde Blicke der anwesenden<br />
Eltern, jaja, hat man alles schon erlebt, verständnisvolles Nicken in Richtung der Eltern des<br />
Jungen. Überhaupt: Im Rahmen von Familiengottesdiensten natürlich alles kein Problem, Geschrei,<br />
Geflüster, Aufstehen – alles gut. Dieses Bild von Verständnis gegenüber Eltern ändert<br />
sich allerdings, sobald man eine normale Durchschnitts-Messe besucht. So kürzlich geschehen<br />
mit meiner Freundin und ihrer einjährigen Tochter. Meine Freundin ist sehr gläubig, der Kirchgang<br />
ist ihr ein wichtiges wöchentliches Anliegen. Und auch ihre Tochter soll von klein auf<br />
Kirche als einen Ort erleben, an dem sie willkommen ist. In der Theorie ein hehres Ziel, in der<br />
Praxis nicht einfach. Denn: Ein Kleinkind stört.<br />
„Da brachte man Kinder zu<br />
ihm, damit er sie berühre.<br />
Die Jünger aber wiesen die Leute<br />
zurecht. Als Jesus das sah,<br />
wurde er unwillig und sagte zu<br />
ihnen: Lasst die Kinder zu mir<br />
kommen; hindert sie nicht daran!<br />
Denn solchen wie ihnen gehört<br />
das Reich Gottes. Amen, ich<br />
sage euch: Wer das Reich Gottes<br />
nicht so annimmt wie ein Kind,<br />
der wird nicht hineinkommen.<br />
Und er nahm die Kinder<br />
in seine Arme; dann legte er ihnen<br />
die Hände auf und segnete sie.“<br />
(Markus 10,13-15,<br />
auch bei Matthäus 19,13-15<br />
und bei Lukas 18,15-17)<br />
Zumindest den durchschnittlichen Kirchgänger<br />
sonntags um 10 Uhr. Die Einjährige krakeelt,<br />
lässt Rasseln auf den Boden fallen, schmeißt<br />
ihre Trinkflasche runter und möchte am liebsten<br />
durch die Kirche laufen, anstatt möglichst<br />
ruhig sitzen zu bleiben. Und ja, das nervt offenbar<br />
die eine und den anderen. Empörte Blicke<br />
treffen die Mutter. Und nun die knifflige Frage:<br />
Ist ein Gottesdienst deshalb nicht der richtige<br />
Ort für Familien? Beziehungsweise: Sollten Familien<br />
nur in extra Familien-Gottesdienste gehen?<br />
Schwierig zu beantworten, finde ich, und<br />
ich freue mich auf Ihre Einschätzungen, liebe<br />
Leserinnen und Leser. Denn einerseits: Kirche<br />
braucht Nachwuchs, und spätestens, wenn<br />
dieser dem Familiengottesdienst entwachsen<br />
ist, lautet die Wahrheit: Kirche ist eben nicht<br />
immer ein kreativer und interaktiver Ort. Es<br />
gibt nicht permanent ein Rollenspiel, ein Lied<br />
mit Choreografie, andere Kinder, die etwas vorlesen.<br />
Um das zu erkennen, hilft es, auch mal Gottesdienste<br />
abseits der eigens für Familien konzipierten Angebote zu besuchen. Andererseits:<br />
Warum sollen Kinder Kirche als langweilig erleben? Wenn sie von vornherein keine Lust haben,<br />
in die Kirche zu gehen, dort für ihr kindliches Verhalten böse Blicke ernten – wieso sollten sie<br />
später freiwillig in den Gottesdienst gehen? Vergangenes Jahr habe ich mit meiner Tochter und<br />
einem hübsch geschmückten Palmstock die Messe zu Palmsonntag besucht. Sechs Bänke waren<br />
komplett mit Kindern und ihren Palmstöcken gefüllt. Einbezogen in den Gottesdienst wurden<br />
sie: null. Denn dieser war nicht als Familiengottesdienst angelegt, und dementsprechend unflexibel<br />
agierte das Personal. Die Kinder mit den Palmstöcken um den Altar stellen, um das<br />
Vaterunser gemeinsam zu beten – Fehlanzeige! Eine kleine Geste, die durchaus spontan drin gewesen<br />
wäre. Stattdessen: Die selbst für Erwachsene schwer erträgliche Passionslesung aus dem<br />
Matthäus-Evangelium. Als ich später den für Familien zuständigen Pastoralreferenten ansprach,<br />
lautete die lapidare Antwort: Kinder müssen sich auch mal langweilen.<br />
Ist das so? Kann Kirche sich das noch leisten?<br />
Ich finde: Nein. Was meinen Sie?<br />
KOLUMMNE<br />
25
GENERATION<br />
Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv,<br />
kirchennah und kirchenfern: Die Serie „Generation K“<br />
widmet sich jungen Frauen, die sich die Fragen von<br />
Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.<br />
Marie Lacaille (l.) und<br />
Theresa Lennartz<br />
haben auf der „Roten<br />
Bank“ vor dem Erzbischöflichen<br />
Seelsorgeamt<br />
in Freiburg Platz<br />
genommen und setzen<br />
so ein Zeichen gegen<br />
Gewalt an Frauen.<br />
ZUSAMMEN<br />
FÜR JEDE EINZELNE<br />
Sie sind jung und engagieren sich aus Überzeugung hauptamtlich im Vorstand der<br />
kfd Freiburg: Büroleiterin Theresa Lennartz organisiert auf Diözesanebene den<br />
mitgliederstarken Verband. Als Geistliche Leiterin bestärkt Marie Lacaille Frauen<br />
darin, sich im Glauben und im Leben zu unterstützen.<br />
VON JULIA PÜTZ<br />
D<br />
emokratisch, partizipativ, gemeinsam<br />
und auf Augenhöhe: In der Katholischen<br />
Frauengemeinschaft wird Kirche<br />
so gelebt, wie es sich Theresa Lennartz<br />
und Marie Lacaille wünschen. Beide sind im<br />
Diözesanvorstand Freiburg aktiv, für die kfd<br />
hauptamtlich tätig und engagieren sich aus<br />
Überzeugung im Frauenverband, der aus<br />
mehr als 300 kfd-Pfarrgruppen besteht. „Es<br />
ist wichtig, für Frauen jeden Alters einen Ort<br />
zu schaffen, an dem sie Gemeinschaft erfahren<br />
und füreinander da sein können. Gleichzeitig<br />
erhalten sie durch die kfd eine Stimme<br />
im kirchlichen Kontext, die sie außerhalb des<br />
Verbands als Laiin vielleicht nicht hätten“, erklärt<br />
Theresa Lennartz. Seit November 2<strong>02</strong>1<br />
leitet die 26-Jährige das Diözesanbüro in Freiburg.<br />
„Eine spannende Nische“, die für die<br />
gebürtige Düsseldorferin vieles vereint, das<br />
sie unterstützt: „kfd, das sind engagierte, ehrenamtlich<br />
tätige Frauen in der Kirche, organisiert<br />
in einem demokratisch strukturierten<br />
Verband, der sich für wichtige Themen einsetzt.“<br />
Seit Juni 2<strong>02</strong>2 verstärkt Marie Lacaille<br />
das Team um die Diözesanvorsitzende Monika<br />
Bohn. Die 31-Jährige wurde von der Diözesanversammlung<br />
zur neuen Geistlichen<br />
Leiterin der kfd Freiburg gewählt. „Auch im<br />
Jahr 2<strong>02</strong>2 müssen Frauen in Gesellschaft<br />
und Kirche immer noch für gleiche Rechte<br />
kämpfen, vieles ist für sie noch nicht selbst-<br />
verständlich“, sagt Marie Lacaille. Daher sei<br />
es hilfreich, dass es solch eine starke Gemeinschaft<br />
wie die kfd gebe. „In ihr lernen Frauen,<br />
ihre eigene Position zu beziehen, ihre Bedürfnisse<br />
zu formulieren und auszusprechen. Was<br />
sie im Verband lernen, können sie leichter in<br />
die Orte bringen, in denen sie sich engagieren.“<br />
An ihren unterschiedlichen Wohnorten<br />
sei es zudem wichtig, dass Frauen einen<br />
geschützten Rahmen vorfänden, in dem sie<br />
zusammenkommen und aufeinander achten<br />
können.<br />
Marie Lacaille stammt aus der Nähe von<br />
Trier. Zusammen mit Theresa Lennartz hat<br />
sie Theologie in Freiburg studiert. Eine anschließende<br />
pastorale Ausbildung kam für<br />
26<br />
GENERATION K
eide aufgrund von Zweifel und Kritik an der<br />
Institution Kirche zunächst nicht infrage. Im<br />
kfd-Diözesanverband haben sie eine Aufgabe<br />
im Dunstkreis der katholischen Kirche gefunden,<br />
in der sich beide wiederfinden und zu<br />
der beide stehen können. „Im Verband hat<br />
Frau zu vielen Dingen eine andere Position<br />
als das kirchliche Lehramt“, erklärt die Geistliche<br />
Leiterin, die sich mit den Forderungen<br />
nach einer geschlechtergerechten Kirche, der<br />
Gleichberechtigung von Frauen<br />
in Politik und Gesellschaft<br />
sowie dem Einsatz für Nachhaltigkeit<br />
und Ökumene identifizieren<br />
kann.<br />
Wie Marie Lacaille schätzt<br />
auch Theresa Lennartz den<br />
Austausch auf Augenhöhe und<br />
die Gemeinschaft in der kfd.<br />
„Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt,<br />
wie die Frauen in unserem Diözesanverband<br />
aufeinander achtgegeben haben. Das war<br />
wirklich beeindruckend“, berichtet die Büroleiterin.<br />
Das Spektrum von Fürsorge bis hin<br />
zu politischem Engagement, das in der kfd gelebt<br />
werde, empfinden beide jungen Frauen<br />
als Mehrwert.<br />
In enger Zusammenarbeit mit dem Diözesanvorstand<br />
Freiburg verfolgen Lacaille und<br />
„Wir jungen<br />
Frauen können<br />
viel von<br />
den älteren<br />
lernen.“<br />
Lennartz eine besondere Philosophie im Verband.<br />
Aus dem siebenköpfigen Team heraus<br />
werden gezielt Themen gesetzt. „Die Ideen<br />
kommen von der Basis, von den kfd-Frauen,<br />
die sich dafür interessieren oder etwas<br />
dazu anbieten wollen, oder aus dem ehrenamtlichen<br />
Vorstand sowie der Diözesanversammlung,<br />
dem Diözesanausschuss und den<br />
Ständigen Ausschüssen“, erläutert Theresa<br />
Lennartz. Im vergangenen Jahr gab es zum<br />
Beispiel eine Veranstaltungsreihe<br />
zum Thema „Gewalt an<br />
Frauen und Femizide“ – teilweise<br />
im Online-Format. „Wir<br />
hatten eine Kooperation mit<br />
der Freiburger Fachstelle Intervention<br />
gegen Häusliche Gewalt.<br />
kfd-Frauen konnten auf<br />
einer sogenannten Roten Bank<br />
vor dem Erzbischöflichen Seelsorgeamt Platz<br />
nehmen, sich fotografieren lassen und so ein<br />
Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen“,<br />
berichtet die Büroleiterin. Zudem nahm die<br />
Freiburger kfd an der Europäischen Woche<br />
der Abfallvermeidung teil oder sammelte ökofaire<br />
Ausflugsziele in der Region. „Über das<br />
jeweilige Thema finden Frauen jeden Alters<br />
und aus allen Teilen der Diözese zusammen“,<br />
weiß Lennartz. „Wir möchten gerne und mit<br />
möglichst vielen Frauen ins Gespräch kommen.“<br />
Digitale Angebote, ein Instagram-Profil<br />
sowie aktuelle Themen und Anlässe machen<br />
es möglich.<br />
Eine weitere Freiburger Besonderheit sind<br />
die Quellenwochen und -wochenenden. Das<br />
Angebot richtet sich von Frauen an Frauen,<br />
die gemeinsam erholsame und inspirierende<br />
Tage für Körper, Geist und Seele verbringen<br />
möchten: „In Gesprächsrunden gehen hier<br />
Frauen aller Altersgruppen zusammen Lebensthemen<br />
an und erhalten neue Impulse<br />
für ihren Alltag“, erklärt Lacaille. Auch hier<br />
zieht sich jedes Jahr thematisch ein „roter<br />
Faden“ durch alle Veranstaltungen. In 2<strong>02</strong>3<br />
greift der Freiburger Diözesanvorstand das Positionspapier<br />
des Bundesverbandes „Frauenleben<br />
sind vielfältig. kfd-Positionen zu Sexualität<br />
und Beziehungen“ in den Quellenwochen<br />
und -wochenenden auf.<br />
„Die Vielfalt der Themen, die Zusammenarbeit<br />
mit Ehrenamtlichen und im Team machen<br />
einfach Spaß“, zieht Theresa Lennartz<br />
Bilanz. Während sie als Büroleiterin geschäftsführende<br />
Aufgaben übernimmt, ist Marie Lacaille<br />
zudem für die Fort- und Weiterbildung<br />
von Frauen zu Geistlichen Leiterinnen auf Dekanats-<br />
und Pfarrebene zuständig. Als Geistliche<br />
Leiterin setzt sie eine lange Tradition im<br />
kfd-Verband fort. Denn das Amt wird in Freiburg<br />
seit dem Jahr 2000 durch Frauen wahrgenommen<br />
– ein Verdienst von kfd-Frauen,<br />
die über Jahre dafür gekämpft haben. Lacaille:<br />
„Wir jungen Frauen können viel von den älteren<br />
lernen. Mich fasziniert vor allem die große<br />
Überzeugung, mit der Frauen Aufgaben in<br />
den traditionellen Ortskirchen wahrnehmen,<br />
obwohl ihnen einiges nicht erlaubt ist.“<br />
Für die Zukunft wünscht sich Theresa<br />
Lennartz eine katholische Kirche, „die mehr<br />
auf die Verbände schaut“: „Seht, wie diese<br />
schon seit Jahrzehnten demokratisch strukturiert<br />
sind, und schaut, wie sie Menschen<br />
erstnehmen, befähigen und ermutigen, stark<br />
zu sein.“ Und auch Marie Lacaille fordert eine<br />
„diskriminierungsfreie Kirche“, in der alle<br />
„und damit nicht nur (Cis-)Männer, faktisch<br />
eine Stimme haben“.<br />
Anmerkung der Redaktion: Cis ist eine Bezeichnung<br />
für Menschen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem<br />
körperlichen Geschlecht übereinstimmt.<br />
Die Generation K finden Sie auch hier: www.kfd.de/generation-k<br />
GENERATION K<br />
27