Bertel-Express 50
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<strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong> <strong>50</strong> Cover
EDITORIAL<br />
Vorwort und Inhaltsverzeichnis<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Willkommen zur neuen Ausgabe des <strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong>es!<br />
Eine schwere Geburt war diese Ausgabe – immer wieder mussten wir das Veröffentlichungsdatum<br />
verschieben, denn eine Jubiläumsausgabe sollte ja auch etwas Besonderes bieten. Wir<br />
hoffen, dass uns das hiermit gelungen ist.<br />
Durch die lange Entstehungszeit kam es dazu, dass die Ausgabe einen weiten Rahmen abdeckt.<br />
BE-Gründer Karsten Bracker blickt nicht nur auf die Anfänge des Fanzines zurück, sondern liefert<br />
auch einen fantastischen Reisebericht, der auch (aber nicht nur) die Disney-Comics im arabischen<br />
Raum begutachtet. Außerdem bekamen wir Post!<br />
Winterlich geht es in dieser Ausgabe auch zu: In dieser Ausgabe zeigen wir euch wieder einen<br />
Barks-Comic mit Barney Bear und Benny Burro, die ihr schon aus dem BE-Spezial 5 kennt. Zusätzlich<br />
gehen wir zu dessen 75. Geburtstag ausführlich auf Dagobert Duck ein, indem wir alphabetisch<br />
seinen Charakter durchleuchten.<br />
Viel Aufruhr gab es unter Comicfans, als Don Rosa eine E-Mail von Disney veröffentlichte, laut<br />
der Kapitel 11 von Dagoberts Biographie „Sein Leben, seine Milliarden” und „Lebensträume”<br />
nicht mehr nachgedruckt werden dürfen. Wir behalten diese Situation im Auge und liefern bei<br />
gegebenem Anlass mehr Details zu dieser bizarren Entscheidung.<br />
Außerdem schickt uns Ronald Ruck schon einmal etwas verfrüht in den April. Kein Aprilscherz<br />
dagegen ist das Gewinnspiel, bei dem alle herzlich eingeladen sind, mitzumachen!<br />
Die <strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong>-RedDUCKtion<br />
2 EDITORIAL<br />
5 CARTOON: Was läuft gerade in Entenhausen<br />
6 ARTIKEL: Die herrliche Entenkomödie<br />
14 COMIC: Schi wie nie<br />
22 ARTIKEL: Disney in Arabien<br />
35 CARTOON: Donalds Alpträume: Botanischer Besuch<br />
36 CARTOON: Was läuft gerade in Entenhausen<br />
37 REZENSION: Der Jahresrückblick 2022 auf das MMM<br />
und das TGDDSH<br />
46 COMIC: Winter-Workaholic<br />
49 COMIC: Verstehst du Spaß?<br />
<strong>50</strong> ARTIKEL: Dagobert Duck von A bis Z<br />
65 COMIC: Mode, Musik und Make-up<br />
71 ARTIKEL: Die Maus der Moderne<br />
81 INTERNES<br />
84 IMPRESSUM<br />
2
Recht spontan hat man mich jetzt noch gebeten, einen kurzen Überblick über die Geschichte<br />
des <strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong>’ zu verfassen. Nun ist das ganze inzwischen schon fast 17 Jahre her.<br />
Als Schüler mit sehr großem Fokus auf Nachmittagsfreizeit und der Bevorzugung von Comic- statt<br />
der öden Schulbücher hatte ich mich Anfang 2006 im damals noch recht aktiven „Donald-Club”-<br />
Forum angemeldet. Da mir und vielleicht auch einigen anderen, aber sicherlich am ehesten mir, die<br />
eigene Unwichtigkeit noch nicht sonderlich bewusst war, machte ich mich nach einigen Monaten<br />
daran, den – sehr kreativ – <strong>Bertel</strong>-Club zu gründen, mit allem, was der Donald-Club damals auch<br />
hatte, mit Ausnahme eines Mailnewsletters, der dann an die paar Forenmitglieder ging. Bis, so<br />
meine ich, Ausgabe 31 bestand dieser dann aus mehr oder weniger gelungen illustrierten Mails<br />
bzw. einseitigen PDFs. Anschließend meinte ich dann, damit so erfolgreich zu sein, dieses auf 3-4<br />
seitige PDFs ausdehnen zu müssen. Nebst Infos zu den Geschehnissen im Forum gab es vor allem<br />
Rezensionen und kürzere Duckipedia-Infos. Wenn man etwas sehr kleines hat, wird man, jugendliche<br />
Naivität vorausgesetzt, schnell auch mal übermütig und sicherlich ein wenig aus diesem Antrieb<br />
heraus entsteht der erste „BE”: mit einem kurzen Überblick über die französischen Comichefte,<br />
„Comicmodernisierung” und ein bereits veröffentlichtes Duckipedia-Interview mit der Übersetzerin<br />
Constanze Maier, die heute auch keiner mehr kennt.<br />
Wie dem auch sei, ein Anfang war gemacht und von da an versuchte ich mit einigen Mitstreitern –<br />
besonders David Bühring sei hier für seine langjährigen Schreib- und Recherchearbeiten herzlich<br />
gedankt, aber auch Robert Gruhne, Kevin Kyburz, Michael und Markus Ott, Betti Auschra, Adriano<br />
Kleiner, Arne Voigtmann, Bastian Kladny, Chris Köcher, Manuel Schumann, Jano Rohleder, Mathis<br />
Wendorff, Alexander Juhrich, Janina Kanschat, Wolfgang Kern, Moriz Stangl, Stefan und Thea Binter,<br />
Daniel Wagner, Isabella di Leo und Matthias Müller waren in den ersten Jahren an so vielen<br />
Ausgaben beteiligt. Danke dafür und all die anderen, die hier jetzt nicht gelistet sind.<br />
3
EDITORIAL<br />
Vorwort und Inhaltsverzeichnis<br />
Was großem Enthusiasmus und der anfänglich recht locker erreichten monatlichen Erscheinungsweise<br />
folgte, waren dann neue Ideen wie Interviews und Comics und der Versuch der Qualitätssteigerung.<br />
Schließlich war man dann zumindest bei einer gefühlt größeren Themenvielfalt, deutlich<br />
größeren Abständen bei Veröffentlichungsterminen irgendwann auch bei deutlich „dickeren”<br />
Ausgaben angelangt. Viele von uns fingen zwischen 2011 und 2013 ihr Studium an – zu Schulzeiten<br />
gab es irgendwie bedeutend mehr Zeit – oder hatten deutlich mehr für andere Dinge zu tun, sodass<br />
vor 10 Jahren dann die Entscheidung reifte, dass man mit einer größeren Ausgabe 29 das Ganze<br />
einstellen würde. Dass man drei Jahre später dann auf mich zukam, um das Ganze von neuem zu<br />
beginnen, machte mir eine Freude und im April 2018 war ich dann positiv überrascht, was man alles<br />
erreicht hatte.<br />
Glückwunsch zu <strong>50</strong> Ausgaben!<br />
– Karsten Bracker<br />
Zeichnung: Debbie Perry, Übersetzung & Koloration: Spectaculus (Entstehung: 2021)<br />
4
CARTOON<br />
Was läuft gerade in Entenhausen<br />
Zeichnungen: Silvia Ziche, Übersetzung: Luis Bärenfaller<br />
5
ARTIKEL<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
Adaptionen und Parodien im Disney-Comic<br />
von McDuck<br />
„Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in<br />
keiner Not uns waschen und Gefahr!” – viele<br />
Leserinnen und Leser von Disney-Comics werden<br />
diesen Satz gut kennen, mit dem Tick, Trick<br />
und Track ihr Zusammenhalten gegen den<br />
Waschzwang verordnenden Feind – ihren Onkel<br />
Donald – schwören. Der Satz ist aber zugleich<br />
eine wunderbare Abwandlung eines berühmten<br />
Zitates aus einem Klassiker der<br />
deutschsprachigen Literatur: dem Drama Wilhelm<br />
Tell von Friedrich Schiller. Und er zeigt,<br />
dass die Literatur stark in die Disney-Comics<br />
hineinwirkt.<br />
Der Comic, aus dem das gerade genannte Zitat<br />
kommt, hat mit Schillers Wilhelm Tell kaum etwas<br />
am Gesslerhut. Wohl aber eine Geschichte<br />
von Guido Scala, in der der wackere Schweizer<br />
Donald Tell sich letztlich eher unfreiwillig den<br />
berüchtigten Schränkliknackern in den Weg<br />
stellt und durch einen Trick erfolgreich den Apfel<br />
auf dem Kopf seiner Neffen entzweischießt.<br />
Dass der gar nicht schusssichere Armbrustschütze<br />
beim Training glatt noch den Käsevorrat<br />
seines Onkels durchlöchert und en passant<br />
den Appenzeller erfindet, lässt Freude aufkommen.<br />
Denn eine Adaption oder Parodie –<br />
denn um eine solche handelt es sich bei der<br />
Geschichte „Donald Tell” – soll ja auch lustig<br />
sein und die ernsteren Passagen der Vorlage<br />
mit einem Augenzwinkern neu deuten. Selbst<br />
gestandene Tragödien wie Hamlet, in der in<br />
Shakespeares Original eine ganze Menge<br />
Leute inklusive der Hauptfigur versterben,<br />
kann in der Parodie zur Komödie verkommen<br />
und, in der Umsetzung Giovan Battista Carpis,<br />
in einer Zucchinischlacht münden. Lachen oder<br />
nicht lachen, das ist hier die Frage.<br />
Parodien selbst sind eine uralte Literaturgattung.<br />
Eine der ältesten Parodien<br />
stammt aus dem alten Griechenland, wo in<br />
epischen Worten die gigantische (eintägige)<br />
Schlacht der Mäuse gegen die Frösche<br />
beschrieben und der Heldenmut der<br />
heroischen Tiere beschworen wird. Dieses<br />
völlig überzeichnete Epos parodiert die<br />
Ilias von Homer und damit den Krieg um<br />
Troja. Die Ilias war das meistgelesene und<br />
einflussreichste Werk der griechischen<br />
Antike und damit der ideale Anknüpfungspunkt<br />
einer solchen Parodie. Interessanterweise<br />
ähnlich beginnt die Geschichte der<br />
Parodien im Disney-Comic. Nach den Verheerungen<br />
des Zweiten Weltkriegs, der<br />
die blühende italienische Comicproduktion<br />
fast vollständig eliminiert hatte, erfanden<br />
Guido Martina und Angelo Bioletti den italienischen<br />
Disney-Comic neu – und lieferten<br />
1949 als ihr zweites gemeinsames<br />
Werk eine Adaption des berühmtesten<br />
und zugleich ersten wirklich italienischen<br />
6
ARTIKEL<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
Werks überhaupt ab, nämlich „Die Göttliche<br />
Komödie” von Dante Alighieri.<br />
Wenn man des Inhalt eines Werkes in ein anderes<br />
Medium überträgt, etwa aus einem Buch<br />
einen Film oder aus einem Film einen Comic,<br />
spricht man von einer Adaption. Adaptionen<br />
haben im Comic ebenfalls eine lange Tradition,<br />
denn bereits in der Zwischenkriegszeit lassen<br />
sich die ersten, relativ werktreuen Umsetzungen<br />
anderer Werke in Panels und Sprechblasen<br />
finden. Im Disney-Comic ist der Übergang<br />
von einer einigermaßen werktreuen Adaption<br />
zur verulkenden Parodie fließend. Manche Geschichten<br />
wie „Graf Phantula” von Bruno Enna<br />
und Fabio Celoni fangen gekonnt den größten<br />
Teil der Handlung und die düstere Stimmung<br />
des Originals ein, sodass sie hinter der Schauerromantik<br />
nicht zurückstehen müssen. Etliche<br />
Geschichten garnieren Werktreue mit genügend<br />
komischen Elementen. Auf der anderen<br />
Seite des Spektrums stehen klar erkennbare<br />
Parodien. Wenn Johann Goofy Strauß senior,<br />
seines Zeichens k.u.k. Wurstfabrikant, seines<br />
missratenen musikalischen Filius' Talent in der<br />
Würstlfabrik verwursten will, weil ihm der Donauwalzer<br />
schlichtweg wurst ist, dann hat dies<br />
mit der Lebensgeschichte des Wiener Walzerkönigs<br />
und berühmten Komponisten gar nichts<br />
mehr zu tun. Das muss es aber auch nicht. In<br />
den extremsten Formen nehmen die Parodien<br />
auch nur einige kleine Elemente der Vorlage<br />
und stopfen diese mit soviel anderen Storyelementen<br />
voll, bis eine ganz neue wohlschmeckende<br />
Comicwurst entsteht.<br />
Adaptionen und Parodien in Disney-Comics<br />
haben ein ganz eigenes Charakteristikum, das<br />
ziemlich einmalig ist. Sonst werden in Adaptionen<br />
die Figuren der Vorlage übernommen und<br />
vielleicht etwas adaptiert. In Disney-Adaptionen<br />
schlüpfen Disney-Figuren in diese Rollen.<br />
Das ist keine triviale Bemerkung. Denn Donald<br />
ist und bleibt (zumindest zu einem gewissen<br />
Grade) Donald, auch wenn er in die Haut literarischer<br />
Figuren schlüpft und plötzlich als<br />
Romeo, als Odysseus, als Faust oder als Don<br />
Quichotte über die Comicseiten spaziert. Donald<br />
verhält sich auch in diesen Rollen wie Donald.<br />
Donald Quichotte etwa hat Donalds unverwechselbares<br />
Temperament. Und natürlich<br />
schlüpft nicht nur Donald in diesen Geschichten<br />
in eine andere Rolle, die dennoch unverwechselbar<br />
Donald ist, sondern auch die anderen<br />
Entenhausener. Donald Romeo interagiert<br />
mit Daisy Julia und Gustav Paris genauso, wie<br />
7
ARTIKEL<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
Donald eben mit Daisy und Gustav interagieren<br />
würde. Die Figuren des Originals werden da<br />
auch schon mal soweit zurechtgebogen, dass<br />
sie gut zu den Entenhausenern passen, die sie<br />
verkörpern sollen. Donald-Siegfried ist weniger<br />
heldenhaft, sondern eher aufschneiderisch<br />
und ergreift, als er des Drachen gewahr wird,<br />
lieber das Hasenpanier. Dagobert alias Wotan<br />
wiederum sorgt sich vor allem um sein Gold,<br />
während Kriemhild glatt zu Gundel Gaukeley<br />
wird, hinter Wotans Gold herhext und damit mit<br />
der Figur des originalen Nibelungenlieds nicht<br />
mehr viel zu tun hat.<br />
Aber kehren wir zum Ausgangspunkt und damit<br />
zur ersten Adaption in Disney-Comics zurück.<br />
„Mickys Inferno”, die Umsetzung des ersten<br />
Teils von Dantes Göttlicher Komödie, war<br />
für den italienischen Disney-Comic ein großer<br />
Durchbruch und avancierte schnell zum Klassiker,<br />
der zahlreiche Nachdrucke erhielt. Doch<br />
zunächst stand dieser Klassiker im luftleeren<br />
8
ARTIKEL<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
Adaptionenraum und war ein Unikum im Disney-Comic-Universum,<br />
in dem ansonsten Micky<br />
immer nur Micky und Donald immer nur<br />
Donald war. Es dauerte sieben Jahre, bis die<br />
Leser und Leserinnen des Topolino ihr Lieblingsheft<br />
aufschlagen und auf dessen Seiten<br />
eine weitere Adaption eines literarischen Klassikers<br />
lesen durften: „Don Quichotte”. Es war<br />
erst diese Geschichte, die die Redakteure des<br />
Topolino davon überzeugte, dass das neue<br />
Konzept der Literaturadaptionen zukunftsträchtig<br />
war. Seitdem ist kaum ein Jahr ohne<br />
neue Adaption respektive Parodie vergangen.<br />
Aber ich greife schon wieder vor. Zwar war der<br />
Autor der zweiten Disney-Adaption, ebenjener<br />
Geschichte „Don Quichotte”, derselbe wie der<br />
von „Mickys Inferno”. Aber der Disney-Comic<br />
an sich hatte sich in den sieben Jahren, in denen<br />
Guido Martina keine Adaption mehr verfasst<br />
hatte, gewandelt. Zuvor war noch Micky<br />
Maus das Aushängeschild der Disney-Comics<br />
gewesen und die ersten italienischen Comics<br />
hatten stets Micky als Titelhelden gehabt, der<br />
in seinen Abenteuern auf eine Vielzahl an Disney-Figuren<br />
traf. Ab den 19<strong>50</strong>ern rückte nun<br />
Donald immer stärker in den Fokus und Guido<br />
Martina entdeckte den watschelnden, aber<br />
höchst sympathischen Wüterich für sich, der<br />
ihm nach eigenem Bekunden deutlich lieber<br />
war als der Mäuserich. Was Wunder, dass Martina<br />
nun Donald als Helden seiner zweiten Parodie<br />
wählte und ihn die Rolle des Don Quichotte<br />
verkörpern ließ, für die Donald wie geschaffen<br />
schien. Und Donald dann auch noch in<br />
der nächsten Parodie zum Helden der Handlung<br />
emporhob. Und in der übernächsten. Und<br />
in der darauffolgenden. Und, welch große<br />
Überraschung, auch in unzähligen weiteren<br />
Geschichten. Dank Martina wurde die Parodie<br />
zum Aushängeschild der italienischen Disney-<br />
Comics und Donald zum literarischen Laiendarsteller<br />
par excellance.<br />
Es gibt aber noch einen weiteren wesentlichen<br />
Unterschied zwischen „Mickys Inferno” und<br />
„Don Quichotte”. Als sich der studierte Literaturexperte<br />
Guido Martina Dantes berühmte<br />
Höllenfahrt zu Herzen nahm und diese in eine<br />
Disney-Geschichte umarbeitete, bemühte er<br />
sich, nahe an der Vorlage zu bleiben und sogar<br />
die dichterische Sprache und das Versmaß des<br />
Originals einzufangen. Und ganz wie die mittelalterlichen<br />
Misshandlungen in der Vorlage<br />
werden auch in der Adaption im Inferno die<br />
Sündigen gequält und malträtiert. „Don Quichotte”<br />
ist da ganz anders. Martina läutete 1956<br />
eine ganz andere Art von Parodie ein, die sich<br />
weit weniger stark an der Vorlage orientiert und<br />
diese zudem ins heutige Entenhausen transportiert.<br />
Don Quichotte seufzt im Himmel der<br />
Helden, weil die Nachwelt ihn vergessen habe<br />
und wirft deshalb seinen Schild hinunter auf die<br />
Erde, der einen zweiten Don Quichotte finden<br />
soll. Dieser trifft wenig überraschend Donald<br />
auf den Kopf, der fortan sich für den Ritter von<br />
der traurigen Entengestalt hält und gemeinsam<br />
mit seinem treuen Knappen Sancho Goofy<br />
Pansa in der heutigen Zeit dieselben Eskapaden<br />
nacherlebt, die Quichotte einst anrichtete.<br />
Da werden schon mal friedliche Fischer für säbelschwingende<br />
Sarazenen und Reklametafeln<br />
haltende Männer auf Stelzen für richtige<br />
Riesen gehalten und entsprechend bekämpft.<br />
Die Kombination<br />
aus Donald und<br />
Goofy erweist sich<br />
in dieser Geschichte<br />
als ideal<br />
für eine solche Parodie<br />
und dies<br />
könnte der Grund<br />
sein, dass Martina<br />
Goofy auch in einigen<br />
darauffolgenden<br />
Parodien gemeinsam<br />
mit den<br />
Ducks auftreten<br />
ließ, so etwa in der<br />
9
ARTIKEL<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
Ilias-Adaption „Kampf um die Reistafel”, die<br />
ebenfalls die Ereignisse im Kampf um Troja geschickt<br />
umdeutet, neuinterpretiert und in die<br />
Entenhausener Gegenwart transferiert, oder<br />
auch in der Geschichte „El Cid Pampeador”. Die<br />
letztere Geschichte verlagert das Geschehen<br />
des spanischen Nationalepos, das den Abwehrkampf<br />
des christlichen mittelalterlichen<br />
Spanien gegen die Mauren besingt, diesmal<br />
nicht in das Entenhausen der Gegenwart, sondern<br />
in die argentinischen Pampas. Also auch<br />
hier zeigt sich die Bereitschaft Guido Martinas,<br />
relativ frei mit dem literarischen Stoff umzugehen<br />
und diesen nach Gutdünken neu zu deuten.<br />
Weitere Geschichten von Martina aus dieser<br />
Phase und in dieser Art sind bspw. „Der Löwenbändiger”,<br />
„Im Kielwasser der schnen Leokadia”<br />
oder „Baron Donald von Münchhausen”.<br />
beruhen. In diesen Geschichten ist Donald ein<br />
kühner Ritter und Franz sein nicht ganz so kühner<br />
Knappe, während Daniel Düsentrieb als Alchemist<br />
und die Hexe Hicksi als, nun ja, Hexe,<br />
ein wenig Unordnung in das Geschehen bringen<br />
dürfen. Wie schon in „Doktor Duckenfaust”<br />
nimmt es Bottaro mit der Treue zur literarischen<br />
Vorlage in seinen Geschichten nicht sehr<br />
ernst. Da wird schon mal der Fauststoff komplett<br />
abgewandelt und ein Krieg zwischen<br />
Dagobert und den Knackern heraufbeschworen,<br />
gegen den der altersgreise Duckenfaust<br />
ein Friedensserum zu suchen gedenkt. Und<br />
statt dass Isolde ein Liebestrank verabreicht<br />
wird, verwandelt Hicksi die tatkräftige Daisolde<br />
glatt in einen Frosch. Und natürlich wimmelt es<br />
in Bottaros Parodienkosmos von wilden Wesen<br />
Als Zeichner dieser Parodien waren anfangs<br />
vor allem Pier Lorenzo De Vita und<br />
Luciano Bottaro im Einsatz, die sämtlichen<br />
13 in den 19<strong>50</strong>ern erschienenen<br />
Parodien mit kundiger Hand eine grafische<br />
Umsetzung angedeihen ließen.<br />
Vor allem De Vita seniors etwas nervöser,<br />
aber oft hohe Aktivität bergender<br />
Strich ist typisch für diese Phase, da De<br />
Vita ab den beginnenden 1960ern die<br />
Parodien immer stärker abgab und sich<br />
auf andere Geschichten konzentrierte.<br />
Luciano Bottaro aber blieb dem Genre<br />
deutlich länger treu. Er fand sogar außergewöhnlich<br />
viel Gefallen daran, denn<br />
bereits 1958 emanzipierte er sich von<br />
Guido Martina und schreib gemeinsam<br />
mit seinem kongenialen Partner Carlo<br />
Chendi die erste eigene Adaption, „Doktor<br />
Duckenfaust I”. Dieser ersten Adaption<br />
folgten eine ganze Reihe weiterer,<br />
die Bottaro selber oder mit Hilfe von<br />
Chendi schrieb. Hierbei folgte Bottaro<br />
zwei Linien: Entweder arbeitete er Geschichten<br />
um Piraten aus, beginnend<br />
mit seiner Adaption von Stevensons<br />
Klassiker „Die Schatzinsel”. Oder er<br />
schrieb Mittelalter-Storys, die auf Erzählungen<br />
des karolingischen Sagenkreises<br />
(etwa das Rolandslied), auf „Orlando furioso”<br />
oder auf „Tristan und Isolde”<br />
10
ARTIKEL<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
und dräuenden Dämonen, die auf der Welt<br />
nach Herzenslust Schabernack treiben wollen.<br />
Ab 1960 nahmen sich nebst Martina und<br />
Bottaro/Chendi auch andere Autoren dem<br />
Genre der Adaptionen und Parodien an und<br />
auch eine Menge weiterer Zeichner versuchten<br />
sich darin, Adaptionen grafisch in Szene zu setzen.<br />
Zu erwähnen als Autor ist zunächst mal<br />
Gian Giacomo Dalmasso, der in den 1960ern<br />
fünf Parodien schuf. Seine erste war die bereits<br />
erwähnte Hamlet-Umsetzung „Donald, Prinz<br />
von Duckenmark” mit Zeichnungen von Giovan<br />
Battista Carpi. Apropos Carpi. Der Genuese<br />
sollte zum Großmeister der Adaption werden,<br />
an dem man heute kaum mehr vorbeikommt.<br />
Beginnend mit der Hamlet-Umsetzung wurde<br />
Carpi zu einem wahren Standardzeichner des<br />
Parodiegenres, der die größten Blüten der Gattung<br />
zu unverwechselbaren Comicperlen<br />
machte. In den 1980ern entstanden die gewaltigen<br />
Werke „Die Ducks … vom Winde verweht”,<br />
„Aus dem Leben des bedeutenden Seefahrers<br />
Christoph Kolumbus alias Micky Maus”, „Krieg<br />
und Frieden”, „Der Tiger von Masalia” und, als<br />
absolute Krönung einer Reihe von Edelsteinen,<br />
„Das Geheimnis der Silberleuchter”. Die ersten<br />
beiden durften sich noch über Szenarien von<br />
Guido Martina freuen, die letzten drei veredelte<br />
Carpi mit seinen eigenen, denen Martinas keineswegs<br />
nachstehenden Skripts. Die Adaptionen<br />
profitierten von Carpi und Carpi profitierte<br />
von den Adaptionen, in denen er sein ganzes<br />
Talent in die Waagschale werfen und historische<br />
Ambientes, Kostüme und stimmungsvolle<br />
Panels en masse zeichnen<br />
konnte.<br />
Die 1980er waren ohnedies ein goldenes<br />
Zeitalter der Adaptionen. Während in<br />
den 1970ern deutlich weniger entstanden<br />
als in der Dekade zuvor, trumpften in<br />
den 80ern Guido Martina, Giovan Battista<br />
Carpi, Romano Scarpa und Guido Scala<br />
auf. Scarpa sind nur sehr wenige Parodien<br />
zu verdanken, aber in den 80ern<br />
setzte er ein weiteres gewaltiges Martina-Skript<br />
um, „Die Abenteuer von<br />
Marco Polo”, das ebenfalls zu den Sternstunden<br />
der Adaptionsgeschichte zählt.<br />
Guido Scala wiederum begann überhaupt<br />
erst in den 80ern mit dem Zeichnen,<br />
später auch Schreiben, von Parodien.<br />
Scala hat genau wie Carpi eindrückliche<br />
Spuren hinterlassen und weithin<br />
geschätzte Adaptionen verfasst, darunter<br />
„Die Reise zum Mittelpunkt der Erde”,<br />
„Dollivers Reisen”, „Die Legende von Donald<br />
Tell”, „Donald und die Räuber”, „Der<br />
magische Ring” oder „Schuld und Sühne”.<br />
Selbstverständlich gab es auch nachdem<br />
Carpi, Scala und Martina keine Parodien<br />
mehr schrieben noch eine große<br />
Fülle an Geschichten in dem Genre, das<br />
bis heute gedeiht. Lange sind allerdings<br />
Autor:innen oder Zeichner:innen nicht<br />
mehr so hervorgetreten wie die drei<br />
11
ARTIKEL<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
eben genannten. Silvia Ziche ist es gewiss noch<br />
gelungen, den Parodien mit ihrem schräghumorigen,<br />
von vielen (inklusive mir) geschätzten<br />
Stil einen Stempel aufzudrücken, schon allein<br />
deswegen, weil sie die Parodien generell parodienhafter<br />
angegangen ist als das zuvor erwähnte<br />
Dreiergestirn. Ziche hat die kurzzeitige<br />
Serie „Die städtischen Bühnen Entenhausens<br />
präsentieren...” aus den 1990ern entscheidend<br />
mitgeprägt und zwei der nur drei Geschichten<br />
gezeichnet. In dieser Serie werden die Adaptionen<br />
so eingeleitet, als ob sie von Maus und<br />
Konsorten als Theaterstücke aufgeführt würden.<br />
Und Ziche ist in Zusammenarbeit mit dem<br />
Autoren und Comedian Sio die einzige Disney-<br />
Parodie eines Disney-Comics zu verdanken, ein<br />
aberwitziges Kuriosum. In „Das cremige<br />
Schwert” wird Massimo De Vitas triumphale Asgardlandsaga<br />
grandios persifliert und mit irrem<br />
Humor umgedeutet.<br />
Nebst Ziche sind wohl in jüngerer Zeit Fabio<br />
Celoni und Paolo Mottura zu nennen, die es<br />
erst in den letzten Jahren geschafft haben, eigene<br />
Pflöcke im Genre einzuschlagen, an denen<br />
nicht mehr gerüttelt werden kann. Celoni<br />
hat in Zusammenarbeit mit Bruno Enna drei<br />
Horrorgeschichten zum Leben erweckt und<br />
dabei so sehr an der Disney-Tauglichkeit herumgeschrammt,<br />
dass das dritte davon, eine<br />
Adaption von „Dr. Jekyll und Mister Hyde”, gar<br />
nicht mehr abgedruckt werden darf. Die anderen<br />
beiden Geschichten, „Graf Phantula” und<br />
„Doktor Duckenstein”, legen jedenfalls ein<br />
eindrucksvolles und beredtes Zeugnis davon<br />
ab, wie düster Disney-Comics sein können und<br />
können auch von deutschsprachigen Leser:innen<br />
genossen werden. Paolo Mottura wiederum<br />
hat es mit sicherlich vielen im Gedächtnis<br />
gebliebenen Werken geschafft, den Adaptionen<br />
neues Leben einzuhauchen. Darunter wären<br />
etwa „Die Abenteuer des Sir Mausleton”,<br />
„Mausopolis” oder „Moby Duck”, die alle von<br />
Motturas stimmungsvollen, ergreifend kolorierten<br />
Bildern profitieren.<br />
Bei allen Auf und Abs und verschiedenen<br />
Trends kann man doch auch heute noch mit<br />
großer Freude beobachten, wie sehr das Genre<br />
der Adaptionen in Italien wächst und gedeiht<br />
und die Herzen der Leserinnen und Leser erfreut.<br />
Und sie vor allem, das ist das größte<br />
Atout, in unvergleichlicher Art an literarische<br />
und filmische Klassiker heranführt. Ich dürfte<br />
nicht der einzige Disney-Comic-Fan sein, der<br />
beim Lesen der Originale eines Goethe, Schiller<br />
oder Shakespeare oft von der fabulösen Adaption<br />
profitiert hat. Aber wie sieht es mit Adaptionen<br />
in anderen Ländern aus?<br />
Abgesehen von Italien hat sich eine gewisse<br />
Tradition der Parodien auch in den USA und in<br />
Brasilien herausgebildet, während Egmont-<br />
Künstler:innen nur vereinzelt zur Möglichkeit<br />
gegriffen haben, Werke der Weltliteratur in Comicform<br />
zu gießen. In den USA aber gab es bereits<br />
in den 1960ern eine kurzzeitige Serie von<br />
Adaptionen namens „The Walt Disney<br />
12
ARTIKEL<br />
Die herrliche Entenkomödie<br />
Theater”, die wohl unbeeinflusst vom italienischen<br />
Modell entstanden. Die jeweils zehnseitigen,<br />
witzigen Adaptionen, die auf Werktreue<br />
wiederum nicht allzu viel Wert legen, wurden<br />
allesamt von Vic Lockman geschrieben und<br />
entweder von Tony Strobl oder Paul Murry gezeichnet.<br />
Die Geschichten sind übrigens ähnlich<br />
wie die frühen Adaptionen von Guido Martina<br />
sehr Crossover-affin. Da treten schon mal<br />
Gustav Gans und Micky oder Madam Mim und<br />
die sieben Zwerge gemeinsam auf.<br />
Doch etwas langfristiger als das nur zwei Jahre<br />
währende „Walt Disney Theater” war die weitaus<br />
besser bekannte Serie „Goofy – eine komische<br />
Historie”, die von den Disney Studios lanciert<br />
wurde. Nachdem zunächst Cal Howard<br />
die Wassertemperatur mit kürzeren, zwölf- bis<br />
fünfzehnseitigen Geschichten ausgetestet<br />
hatte, warf er sich ab 1976 und in Folge auch<br />
Tom Yakutis und Carl Fallberg für etwa zehn<br />
Jahre mitten hinein in den Ozean der goofyesken<br />
Parodien, die alle in Albenform mit 44 Seiten<br />
produziert wurden. Die Zeichnungen der<br />
komischen Historie übernahmen meist die beiden<br />
Argentinier Anibal Uzál und Hector Adolfo<br />
de Urtiága. Gemeinsam knöpften sich die<br />
Künstler so manches literarisches Werk, vor allem<br />
aber das Leben vieler berühmter Persönlichkeiten<br />
der Weltgeschichte vor, die absurd<br />
ausgedeutet werden. Absurd ist ohnehin das<br />
Wort, das die „komische Historie” am besten<br />
trifft: absurd in der Ausgestaltung des Skripts,<br />
absurd in der grafischen Umsetzung, die für<br />
Disney-Vergleiche fast Einzigartiges erreicht<br />
und wo schon mal ein Segel gleichzeitig Segel<br />
und Wasser im Ozean sein kann und die Panelgrenzen<br />
aufhören, überhaupt Grenzen zu sein.<br />
Die ganzen „komischen Historien” wurden mit<br />
dem gleichen, aber stets in bunten Farben brillierenden<br />
Figurenmuster geschaffen: Goofy<br />
übernimmt – gerne auch mal zu mehrt – die<br />
wichtigste(n) Rolle(n), die er in gewohnter<br />
Weise unnachahmlich ausfüllt. Micky ist als rationaler<br />
Kumpan zu sehen, der hier aber nur die<br />
zweite Geige spielt. In weiteren Rollen: Klarabella<br />
als mal liebevolle Mutter des verkannten<br />
goofyschen Genies, mal als Furie, die zu Hause<br />
die Hosen anhat und ihren Goofy mit Anlauf zur<br />
klitzekleinen Schnecke macht. Und Kater Karlo<br />
als Prototyp des Kontrahenten, aber auch bisweilen<br />
als Autoritätsperson, die es auch mal<br />
wohl meinen kann. Mehr wiederkehrende Figuren<br />
gibt es nicht und mitunter übernimmt<br />
Goofy sogar (fast) jede einzelne Rolle, wie in<br />
„Aufstieg und Fall des römischen Reiches”.<br />
Die brasilianischen Parodien sind oft genauso<br />
absurd wie die eben angesprochenen amerikanischen<br />
mit Goofy, allerdings ist es hier oft Dussel,<br />
der in verschiedenen Rollen zu sehen ist.<br />
Leider wurden von diesen Geschichten bislang<br />
nur ganz wenige auf Deutsch veröffentlicht, sodass<br />
ich nicht mehr dazu sagen kann.<br />
Parodien und Adaptionen erweisen sich jedenfalls,<br />
egal in welchem Produktionskontext, als<br />
gelungene Bereicherungen des Disney-Comics.<br />
Um ihre Beliebtheit sowohl bei Künstler:innen<br />
als auch Leser:innen zu erfassen, genügt<br />
ein kurzer abschließender Blick in die Statistiken:<br />
Ich zähle (gewiss nicht vollständig)<br />
über 360 Adaptionen und Parodien. Am häufigsten,<br />
nämlich sogar fünfmal, wurden „Die<br />
Odyssee” von Homer und „Reise um die Erde in<br />
80 Tagen” von Jules Verne umgesetzt.<br />
13
COMIC<br />
Schie wie nie<br />
Story & Zeichnungen: Carl Barks, Übersetzung: Glückstaler (Entstehung: 1946)<br />
14
COMIC<br />
Schie wie nie<br />
15
COMIC<br />
Schie wie nie<br />
16
COMIC<br />
Schie wie nie<br />
17
COMIC<br />
Schie wie nie<br />
18
COMIC<br />
Schie wie nie<br />
19
COMIC<br />
Schie wie nie<br />
20
COMIC<br />
Schie wie nie<br />
21
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Disney in Arabien<br />
Eine Reise durch die Länder der arabischen<br />
Halbinsel sowie den Norden Afrikas<br />
von Karsten Bracker<br />
Als ich vor inzwischen über 15 Jahren mit dem<br />
<strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong> anfing, war für mich der Blick<br />
über den Tellerrand in andere Länder, in denen<br />
Disney-Comics veröffentlicht werden und<br />
Disney im Alltag irgendwie ein Thema spielt,<br />
fester Bestandteil der Hefte. Anfangs gab es<br />
auf ein bis zwei Seiten Einblicke in die Micky<br />
Maus-Pendants der jeweils betrachteten<br />
Länder, später wurden daraus dann teils<br />
längere Reiseberichte, beispielsweise über<br />
Südasien oder Südosteuropa und den<br />
Kaukasus. Ende 2013 war dann für mich und<br />
den BE erst einmal Schluss, aber ich freue mich<br />
sehr, dass er inzwischen ansprechend<br />
weitergeführt wird. So möchte ich zum<br />
Jubiläum der <strong>50</strong>. Ausgabe auch mal wieder<br />
etwas beitragen und vielleicht wird dann auch<br />
wieder in den nächsten BEs wieder der ein oder<br />
andere Bericht von mir dabei sein, sofern ich<br />
denn die Zeit finde, genug Material gibt es<br />
dank des Besuchs von inzwischen über 80<br />
Ländern von meiner Seite aus allemal.<br />
Vom Anfang des 20. Jhd. bis in die 19<strong>50</strong>er-Jahre<br />
gehörten die größten Gebiete der heutigen<br />
„Arabischen Welt” von Marokko bis in den Irak<br />
unterschiedlichen<br />
europäischen<br />
Kolonialmächten, einzig die heutigen Staaten<br />
Saudi-Arabien und Ägypten waren früher<br />
unabhängig. Algerien und Teile Marokkos<br />
wurden von Frankreich und Spanien gar als<br />
integrale Bestandteile des jeweiligen<br />
Staatsgebiets betrachtet. Kein Wunder also,<br />
dass im Zuge dessen auch so einige Disney-<br />
Comics in dieser Zeit in Arabien in<br />
europäischsprachigen Zeitungen veröffentlicht<br />
wurden. Bereits für 1934 sind Micky Maus-<br />
Strips von Taliafero und Gottfredson auf<br />
Französisch in Französisch-Marokko sowie ab<br />
19<strong>50</strong> auch kurzzeitig in Franz.-Tunesien im<br />
Inducks dokumentiert.<br />
Ebenso wurden Disney-Filme in vielen Länder<br />
der Region in Kinos aufgeführt. So gab es<br />
Schneewittchen und die Sieben Zwerge bereits<br />
Ende 1938 in Algerien und dem Irak sowie 1939<br />
in Ägypten zu sehen, allerdings nur in wenigen<br />
ausgewählten Kinos, aber immerhin. Von<br />
einem recht neuen Phänomen kann man<br />
bezüglich des Themas „Disney” also auch hier<br />
nicht reden.<br />
Mit ersten klassischen Disney-Comichefte auf<br />
Arabisch wurden Ende der 19<strong>50</strong>er-Jahre dann<br />
in Ägypten vom 1892 in Kairo gegründeten Dar<br />
Al-hilal-Verlag herausgegeben. Das Heft mit<br />
Comicstrip in „Le Petit Marocain” vom 02.01.1934<br />
22
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
dem Namen „Samir präsentiert Micky” (<br />
) entstand vermutlich in Kooperation mit<br />
einem französischen Verlag, da für das erste<br />
Titelbild eine Abbildung aus dem Journal de<br />
Mickey genutzt wurde. Abgedruckt wurden hier<br />
vor allem amerikanische Sonntagsseiten, aber<br />
auch einige kürzere Geschichten aus den<br />
Comics & Stories-Heften.<br />
مدقی ریمس<br />
ىكیم<br />
Die erste Ausgabe des „Samir präsentiert<br />
Micky”, 17. April 1958<br />
Nach 24 Heften wurde die Serie dann Mitte<br />
1959 wieder eingestellt und anschließend<br />
durch eine Serie (Micky)يكیم ersetzt, die bis<br />
2003 in über 2000 Ausgaben erschien und kurz<br />
darauf dann von einer gleichnamigen Reihe im<br />
Verlag Nahdet Misr ersetzt, die bis heute<br />
durchgängig wöchentlich erscheint. Mitte des<br />
Jahres wird hier das 1000. Heft gedruckt<br />
werden. Aber zu dieser Serie später. Mit<br />
Ausnahme Ägyptens gab es außerdem in den<br />
1980er-Jahren im Libanon eine unregelmäßig<br />
herausgegebene Taschenbuchserie namens<br />
Die erste Ausgabe der „Abenteuer mit Micky<br />
und Donald”, zwischen 1981 und 1989<br />
طوطبوىكیمتارماغم<br />
(Abenteuer mit Micky und<br />
Donald), die einem dünnen Lustigen<br />
Taschenbuch sehr ähnlich war. Veröffentlicht<br />
wurden anfangs italienische Comics der 19<strong>50</strong>er<br />
und 1960er und später auch viele Geschichten<br />
aus Frankreich.<br />
Neben dem Libanon hatte auch das Emirat<br />
Kuwait eine gar nicht mal so kurze durch<br />
Disney-Comics begleitete Geschichte. Ein<br />
Boom setzte nach Ende des ersten Golfkrieges<br />
1991 ein, besonders populär war Mitte der<br />
1990er-Jahre eine Aladdin-Comic-Serie (<br />
Ab 2004 wurden hier dann die Serien .(یندلا<br />
Schritt für Schritt wieder eingestellt.<br />
Im Oktober 2022 reiste ich von Ägypten über<br />
Jordanien, Saudi-Arabien und Oman nach Abu<br />
Dhabi und kann nun auch von dort etwas<br />
berichten.<br />
ءلاع<br />
23
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Eines der letzten<br />
kuwaitischen Hefte der<br />
Micky-Reihe ( ) sowie<br />
ein Titelbild der<br />
Aladdin-Reihe.<br />
يكیم<br />
Aladdin-Restaurant an der Promenade des<br />
Seebades Dahab auf der Sinaihalbinsel<br />
Wie bereits erwähnt, ist Aladdin –<br />
nachvollziehbar – ziemlich populär, was<br />
natürlich auch von der lokalen<br />
Tourismusbranche gerne genutzt wird, um<br />
beispielsweise das eigene Restaurant<br />
namenstechnisch angemessen zu schmücken.<br />
Was es in Dahab leider nicht gab, war,<br />
außerhalb von Postkarten, was gedrucktes:<br />
keine Zeitungen, nicht mal gratis angebotene<br />
Koranausgaben und erst recht keine<br />
Comichefte.<br />
Allgemein ist es so, dass auf dem Sinai der<br />
Fokus auf Militäroperationen im Norden und<br />
Küstentourismus im Süden liegt, daher macht<br />
man sich wohl nicht die Mühe, die Micky Maus-<br />
Heftchen in die Gegend zu verschiffen.<br />
Apropos verschiffen. Mit der Fähre ging es<br />
nach einigen Tagen von Nuweiba weiter ins<br />
jordanische Aqaba. Eine Überlandverbindung<br />
durch das israelische Eilat wäre hier auch<br />
möglich gewesen, hätte allerdings durch<br />
verschiedene Grenzübergangssteuern ähnlich<br />
viel gekostet, und bei Sturm und Gewitter mit<br />
einem vor 40 Jahren gebauten Dampfer übers<br />
Rote Meer zu schippern, hat auch was.<br />
Mein Kurzaufenthalt in Jordanien gestaltete<br />
sich fast durchweg regnerisch, sowohl in der<br />
Wüste als auch in der Oasenstadt Petra.<br />
Jedem, der eines der größten Freilichtmuseen<br />
der Welt besuchen möchte, sei allerdings<br />
geraten, sich auf den Ausländerpreis von <strong>50</strong><br />
Jordanischen Dinar (knapp 80 € –<br />
Einheimische liegen bei einem Fünfzigstel)<br />
vorzubereiten und sich flott in entlegene Teile<br />
24
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
zu begeben. Besonders der Eingangsbereich<br />
und die Gegend vom „Schatzhaus” bis zum<br />
Amphitheater ist regelrecht von in der Oase<br />
lebenden und tolerierten Beduinen belagert,<br />
die einem mehr oder weniger authentisch mit<br />
Pferdekutschen und Kamelen transportieren<br />
oder die üblichen Souvenirs andrehen wollen.<br />
Das ist im Kontext der kriselnden Wirtschaft<br />
des Landes sicher nicht unverständlich, ist für<br />
die Erhaltung der in den Fels geschlagenen<br />
Nabatäerbauten und -gräber aber eher<br />
suboptimal. Mit der Schwesterstadt Hegra<br />
kann sich das Nachbarland eine andere<br />
Herangehensweise leisten, aber dazu später<br />
mehr.<br />
Am Roten Meer sind Ägypten, Israel, Jordanien<br />
und Saudi-Arabien nur wenige Kilometer<br />
voneinander entfernt und nach einer 15-<br />
minütigen Fahrt zur Grenze bei Durra begibt<br />
man sich in eine andere Zeitrechnung – und<br />
das meine ich wortwörtlich und nicht die<br />
bekannten politischen und religiösen<br />
Besonderheiten.<br />
Im Gegensatz zur Regierung des Iran gibt man<br />
sich in Saudi-Arabien inzwischen zumindest bei<br />
einigen Themen bzgl. der gesellschaftlichen<br />
Entwicklung deutlich pragmatischer: So gibt es<br />
nun keine Kopftuchpflicht mehr und die<br />
strikten Regelungen der<br />
Geschlechtertrennungen wurden aufgeweicht<br />
– daher war es auch kein Problem, dass ich an<br />
der jordanisch-saudisichen Grenze spontan<br />
von einem in dem Land lebenden USamerikanisch-philippinischen<br />
Paar in einem<br />
Schwesterschiff im Hafen von<br />
Aqaba bei für Jordanien nicht unbedingt<br />
üblichen Wetter<br />
Ein Glück, dass ich an die Regenjacke gedacht hatte -<br />
in Petra vor dem Khazne al-Firaun, dem international<br />
als „Schatzhaus” vermarkteten nabatäischen<br />
Königsgrab.<br />
25<br />
Saudi-Arabien ist nicht nur eine absolute Monarchie<br />
mit einigen für Europäer teils befremdlichen Rechtsverständnis,<br />
es nutzt auch die islamische Zeitrechnung,<br />
eingereist bin ich folgerichtig am 25. Rabi I des<br />
Jahres 1444.
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Auto mitgenommen wurde (ohne Fahrzeug<br />
kam man nämlich nicht durch) – vor einiger<br />
Zeit noch höchst problematisch.<br />
Meine Hoffnung, in der nächstgrößeren gut<br />
2<strong>50</strong> km von der Grenze entfernten Stadt<br />
Tabuk Disney-Comics oder irgendwas<br />
Ähnliches zu finden, ließ recht schnell nach,<br />
denn der einzige, wie ich aber auch erst<br />
später feststellte, passende „Buchladen”,<br />
war dann doch einige Kilometer zu weit<br />
außerhalb. Im Gegensatz zu Ostasien oder<br />
El-Riad, Medina oder Dschidda erinnerte<br />
Tabuk bei etwas über 6<strong>50</strong>.000 Einwohnern<br />
auch eher einer US-amerikanischen<br />
Planstadt mit vielen relativ niedrigen<br />
Gebäuden und riesigen Einkaufszentren in<br />
den Außenbezirken. In ähnlichen<br />
Größenverhältnissen zeigt man sich auch im<br />
Inneren dieser Shoppingtempel. Bis an die<br />
Decke wird hier auf einem Hektar dekoriert was<br />
das Zeug hält, und das meiste dann in riesigen<br />
Riesengrößen angeboten – von Zeitschriften,<br />
Zeitungen aber auch Kinderbüchern fehlte hier<br />
allerdings auch jede Spur.<br />
Wenn man als Ausländer zum ersten Mal nach<br />
Saudi-Arabien kommt, muss man, mit<br />
Ausnahme dieser Hypermärkte, zudem darauf<br />
achten, dass fünf Mal täglich zu den<br />
18 Uhr abends in Tabuk, zur eigentlich besten Einkaufszeit<br />
Gebetszeiten die meisten Geschäfte für je eine<br />
halbe Stunde dicht machen.<br />
Nach knapp zwei Tagen in Tabuk mietete ich<br />
mir mangels Alternativen ein Auto und fuhr die<br />
6<strong>50</strong> km lange Strecke über Al-Ula nach Medina<br />
selbst. Endlose Weiten in Stein- wie teils auch<br />
Ausläufern von Sandwüsten und eine äußerst<br />
geringe Anzahl anderer Verkehrsteilnehmer<br />
ließen mich mehrmals einhalten und die<br />
Umgebung bestaunen. Wichtig war mir auch<br />
das Lernen der arabischen Zahlen, denn auch<br />
im Nirgendwo gab es kleine Blitzgeräte und ich<br />
hatte wirklich eine große Unlust, bei Ausreise<br />
aus dem Land einen Extrabetrag zahlen zu<br />
Ein Hypermarkt der „World of Saving<br />
Company” mit meist US-amerikanischen<br />
Autos und eine Innenaufnahme<br />
26
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Straßenschild mit Warnung vor<br />
häufigen Sandstürmen<br />
Dromedarkreuzung bei Magattyah<br />
müssen, daher achtete ich recht penibel auf die<br />
jeweiligen Geschwindigkeitsangaben, auch<br />
wenn ich meist der einzige war und ich<br />
gelegentlich in dreifachem Tempo überholt<br />
wurde.<br />
Dem Klischee entsprechend kreuzten<br />
gelegentlich Arabische Kamele = Dromedare<br />
den Weg, die allerdings in ihrer Wildform im<br />
Gegensatz zu den weiter östlich<br />
vorkommenden zweihöckrigen Tampeltieren<br />
ausgestorben sind und stets irgendwem<br />
gehören. Ich hatte stets den Eindruck, dass sich<br />
bei den Kleingruppen das jeweils letzte Tier für<br />
das Geduldige Warten bedankte, aber<br />
vielleicht war das Kopfnicken anders zu<br />
interpretieren.<br />
Die Straßen in Saudi-Arabien sind zuallermeist<br />
in einem Top-Zustand, allerdings ist die<br />
Fahrweise in den Innenstädten eher mit Indien<br />
als mit Mitteleuropa zu vergleichen, dafür gibt<br />
es neben Kamelkreuzungsschildern auch<br />
besondere Warnung vor Sandstürmen, die es<br />
netterweise aber während meiner<br />
Überlandfahrt nicht gab.<br />
Die bereits angesprochene<br />
Schwesterstadt Petras in Jordanien, Hegra,<br />
liegt nahe der Siedlung Al-Ula, die man seit<br />
einigen Jahren zu einem Touristenmagnet<br />
ausbauen möchte, mit den Petrodollars<br />
werden wöchentlich westliche Stars<br />
eingeladen, welche die Gegend bekannter<br />
machen sollen – Mitte Januar gab es<br />
beispielsweise ein Konzert mit Andrea Bocelli<br />
und natürlich war auch ein gewisser Messi vor<br />
einigen Wochen da. Ansonsten befindet man<br />
sich bei Vermarktung und Infrastruktur noch<br />
etwas im Aufbau, hat aber beispielsweise<br />
Hegra eingezäunt und schon in den 1970er–<br />
Jahren die teils ansässigen Beduinen<br />
flächendeckend umgesiedelt, sodass das<br />
recht weitläufige Freilichtmuseum einem leer<br />
und ursprünglich vorkommt.<br />
In der für Muslime zweitheiligsten Stadt Medina<br />
angekommen, machte ich mich weiter auf die<br />
Suche nach einem passenden Buchladen, den<br />
ich immer noch in größeren Einkaufszentren<br />
erwartete. Zur Mittagszeit beeindruckten mich<br />
dort aber eher die teils gespenstische Leere<br />
sowie stets beeindruckende<br />
Wasserinstallationen. Leider ist Medina selber<br />
was ältere Sehenswürdigkeiten betrifft, nicht<br />
wirklich interessant, da seit den 1970er-Jahren<br />
27
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Recht pompöse<br />
Außenansicht<br />
des<br />
Jarir Book<br />
Stores in<br />
Dschidda<br />
Eines der größten Felsgräber<br />
im nabatäischen<br />
Hegra/Mada’in Salih<br />
, seit 2008 UNE-<br />
SCO-Weltkulturerbe<br />
حلاصنئادم<br />
Zentrum eines<br />
Einkaufszentrum im<br />
Norden Medinas<br />
die meisten frühislamischen Bauten dort<br />
zugunsten der Unterstützung der offiziellen<br />
Geschichtsschreibung der wahhabitischen<br />
Staatsreligion eingeebnet worden waren.<br />
Abends nahm ich dann einen<br />
Hochgeschwindigkeitszug ins am Roten Meer<br />
liegende Dschidda.<br />
Dschidda hat sich im Mittelalter zum Tor der<br />
Region entwickelt, da von hier aus ein Großteil<br />
der Pilgerfahrten in Richtung Mekka<br />
abgewickelt wird und ist daher auch in vielerlei<br />
Hinsicht des Landes modernste Stadt. Und<br />
endlich gab es einen „Buchladen” in der Nähe<br />
meines Hotels, den ich nach einer halben<br />
Stunde Spaziergangs bei etwas über 40 Grad<br />
Außentemperatur erreichte. Gab es hier im<br />
ersten Stock vor allem Elektronik und<br />
Kochbücher, wurde meine schüchterne<br />
Nachfrage nach Comics mit einem Fingerzeig<br />
in Richtung zweitem Stock beantwortet.<br />
Zu einem großen Teil waren das auch hier<br />
Malbücher und Vorschulmaterial besonders<br />
beliebt waren Frozen, W.i.t.ch. und Toy Story.<br />
Von den Disney-Comics selber gab es<br />
durchaus einige und zwar die von mir auf dem<br />
Sinai noch gesuchten ägyptischen<br />
Publikationen. Die Hefte gab es dort in<br />
gebundenen Sammelausgaben und die<br />
aktuelle Taschenbuchreihe ebenso –<br />
allerdings mit mindestens einem Jahr Abstand<br />
zu den aktuell in Ägypten erscheinenden<br />
Ausgaben. So kaufte ich mir für zwei Sammler<br />
je eine Taschenbuch- und Hardcoverausgabe<br />
sowie für mich ein Weihnachtstaschenbuch<br />
sowie Nummer 116 der Sammelreihe.<br />
28
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Disney-Hefte und -Bücher im Jarir Book Store.<br />
Ausgabe 116 der Sammelreihe Mickey Volumes<br />
- Nahdet Misr<br />
ىكیم دلجم . ضةمصرھنر-دا<br />
29
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Wie man sich vielleicht denken kann, müsste<br />
man, wenn man Arabisch könnte, von rechts<br />
nach links Blättern und lesen, daher habe ich<br />
jetzt der Einfachheit halber mal einen Einseiter<br />
beigefügt, bei dem Donald wieder einmal an<br />
den alltäglichen Dingen scheitert – auch ohne<br />
Sprachkenntnisse gut zu verstehen. Die Hefte<br />
haben 52 Seiten und kosten zwischen Abu<br />
Simbel und Alexandria etwas über einen Euro,<br />
während ich in Saudi-Arabien natürlich etwas<br />
mehr bezahlen durfte. Die regulären<br />
Taschenbücher haben ähnlich den deutschen<br />
LTB 244 Seiten und zwischen den Comics noch<br />
einige ursprünglich als Cover vorgesehene<br />
Abbildungen zur Auflockerung. Zudem gibt es<br />
auch hier einige Nebenreihen, u.a. Kampf der<br />
Zauberer sowie Der neue Phantomias.<br />
Ausgabe 26 der ägyptischen Taschenbuchreihe<br />
Comics) (Disney سكیموكينزید<br />
D 2015-290 „Moving”<br />
und Michela Frare im<br />
ةدیدج ةفیظو<br />
يكیم<br />
von Jaakko Seppälä<br />
(Mickey) Nr. 762<br />
30<br />
Ausgabe 1 einer Phantomias-Sonderreihe
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Taschenbuch-Sonderausgaben<br />
Mit ordentlich Gepäck im Rucksack und ohne<br />
große Motivation wieder direkt zum Hotel<br />
zurückzulaufen, begab ich mich in die Altstadt<br />
Dschiddas, die nicht nur aufgrund der<br />
jahrhundertealten Altstadtbauten sich zu<br />
besuchen lohnt, sondern auch wegen der<br />
leichten Brise, die durch die Gassen weht. Auch<br />
hier beginnt man mit der touristischen<br />
Erschließung, umliegende Stadtteile werden<br />
teils großräumig abgerissen. Auch in so<br />
einem ansonsten traditionellen Umfeld gab<br />
es allerdings weder Zeitungen noch<br />
Magazine jeglicher Art zu kaufen.<br />
2011 herausgegebenes Ratatouille-Comicheft<br />
Mit einer Einwohnerzahl von knapp 36<br />
Millionen Menschen kann man sich natürlich<br />
auch fragen, ob es saudische Disney-Comics<br />
gab und gibt? Mit Ausnahme einer älteren<br />
W.i.t.c.h.-Reihe, von der mir allerdings keine<br />
Scans vorliegen, wurde 2011 ein 52-seitiges<br />
Ratatouille-Heft von der<br />
(Saudi Specialized Publishing صملا تخ ص<br />
Company) herausgegeben – sicher gab es<br />
hier in den letzten Jahren noch die ein oder<br />
andere Ausgabe, wenn ein geneigter Leser<br />
also noch in Zukunft etwas derartiges<br />
entdecken sollte, freue ich mich über eine<br />
Nachricht im Inducks.<br />
Die folgenden Tage besuchte ich noch die<br />
Gegend um die omanische Hauptstadt<br />
Maskat, die ich nach einem Nachtflug<br />
erreichte. Der Oman gilt, neben Bahrain und<br />
ش ر كةالس ع ودیةللنش رلا<br />
Die Altstadt Dschiddas - im Zentrum...<br />
31
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
dem Emirat Dubai, als das liberalste Land der<br />
Region und man achtet in dieser ebenso recht<br />
absoluten Monarchie im Sultanat recht penibel<br />
darauf, dass, deutschen Kleinstädten ähnlich,<br />
hier nichts höher als Moscheen gebaut wird,<br />
sodass man sich im Gegensatz zu Abu Dhabi,<br />
El-Riad, Medina oder Dubai nie in Schneisen<br />
zwischen Wolkenkratzern befindet, sondern<br />
die vielen kleinen Burgen auf den Hügeln um<br />
die heutigen modernen Städte herum noch<br />
besonders gut zur Geltung kommen.<br />
Wie in allen Golfstaaten leben und arbeiten<br />
viele Gastarbeiter aus Südasien dort, im Oman<br />
ist der Anteil besonders hoch und liegt in der<br />
Hauptstadt Maskat bei inzwischen über <strong>50</strong> %.<br />
Zu den Arbeitsbedingungen wurde mit Bezug<br />
auf Katar und Saudi-Arabien im Laufe des<br />
letzten Jahres ja schon so einigen gesagt, im<br />
Oman selber sind die Regelungen entspannter,<br />
die Privatwirtschaft wird von den Ausländern<br />
dominiert, während man in den letzten<br />
Jahrzehnten versucht hat, den Inhabern der<br />
Staatsbürgerschaft des Landes größtenteils<br />
Arbeitsplätze beim Staat zu beschaffen,<br />
aufgrund vermehrter wirtschaftlicher<br />
...und hinterm rekonstruierten Stadttor<br />
32<br />
Das aus dem 16. Jhd. stammende portugiesisch-oma-<br />
يناریملاةعلق nische Fort Al-Mirani
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Probleme steuert der sich seit 2020 im Amt<br />
befindliche neue Sultan Haitham bin Tariq aber<br />
hier inzwischen etwas um. Um sich der<br />
Besonderheiten und Gegensätze in diesen<br />
Ländern bewusst zu werden, ist ein Blick auf<br />
die Universitäten interessant: in den meisten<br />
Fächern gibt es im Oman eine Männerquote, da<br />
die überwiegende Mehrheit der Studierenden<br />
Frauen sind, in Saudi-Arabien und dem Iran gibt<br />
es beispielsweise den weltweit höchsten Anteil<br />
an Frauen in technischen Studiengängen. Der<br />
Auswanderungswunsch vieler junger Leute ist<br />
hierbei sicherlich auch aufgrund der<br />
gesellschaftlichen Beschränkungen und<br />
schwieriger Berufsperspektiven als bei der<br />
Elterngeneration trotz des relativen<br />
Wohlstandes recht hoch.<br />
Im Übrigen habe ich in Maskat das erste Mal<br />
Zeitungen gesehen, die ganz regulär verkauft<br />
wurden, allerdings sind diese eher für die<br />
ausländischen Bewohner des Landes gedacht,<br />
die Madhyamam Daily erscheint in Malayalam,<br />
einer südindischen Sprache, die vor allem im<br />
Landesteil Kerala gesprochen wird – immerhin<br />
eine Ausgabe oben rechts auf dem Photo ist<br />
auf Arabisch, allerdings für mich nachträglich<br />
recht schwer zuzuordnen.<br />
Zeitungen in<br />
einem SPAR-<br />
Supermarkt in<br />
der omanischen<br />
Hauptstadt<br />
Maskat<br />
Blick von den Ruinen der Festung Fanja in der Provinz Ad Dakhiliyah auf den lokalen Wadi<br />
33
ARTIKEL<br />
Disney in Arabien<br />
Wer den Oman in die Kategorie der<br />
Wüstenstaaten einordnet, liegt natürlich<br />
vollkommen richtig, jedoch erreichen die<br />
Ausläufer des südasiatischen Monsuns in aller<br />
Regelmäßigkeit die Küsten, sodass es<br />
zwischen Juli und September im Süden bei<br />
Salalah und in den Gebirgen nahe Maskat<br />
ordentlich regnen kann, sodass sich die<br />
zahlreichen Wadis sprunghaft mit Wasser<br />
füllen können. Der Blick von einem Berg bei<br />
Fanja auf das Tal Ende Oktober lässt diese<br />
Jahreszeit durch das Palmenmeer erahnen.<br />
Wie sieht es aber nun mit dem Disney-Bezug<br />
im Oman aus? Comics fand ich in und um<br />
Muskat keine, aber dafür am letzten Tag noch<br />
ein interessantes Straßenschild – was das<br />
bedeuten mag, kann jeder für sich selber<br />
interpretieren.<br />
Nach einem Zwischenstopp in Abu Dhabi ging<br />
es nach insgesamt knapp 20 Tagen in der<br />
Region wieder zurück nach Europa. Was als<br />
Fazit bleibt: Disney-Comics gibt es auch hier,<br />
Disney-Filme in Kinos (bestimmt) auch, aber<br />
irgendwie wird in dieser Weltregion relativ<br />
wenig analog gelesen und was die Comics<br />
bestimmt, ist man von einer<br />
Massentauglichkeit sicherlich weit entfernt und<br />
wird diese auch mit dem sicher weiter<br />
fortschreitenden Niedergang der Printmedien<br />
auch nicht erreichen. Ich hoffe dennoch, dass<br />
der Einblick in die Region ganz interessant zu<br />
lesen war und freue mich schon auf die<br />
nächsten Ausgaben des BEs – vielleicht auch<br />
wieder mit dem ein oder anderen (Disney-)<br />
Reisebericht.<br />
34
CARTOON<br />
Donalds Alpträume – Botanischer Besuch<br />
Idee & Zeichnung: Poco23 (Entstehung: 2022)<br />
35
CARTOON<br />
Was läuft gerade in Entenhausen<br />
Zeichnungen: Silvia Ziche, Übersetzung: Luis Bärenfaller<br />
36
REZENSION<br />
Jahresrückblick 2022 auf das MMM und das TGDDSH<br />
Der Jahresrückblick 2022 auf<br />
das MMM und das TGDDSH<br />
von Glückstaler<br />
Das alte Jahr ist vorüber, ein neues hat begonnen.<br />
Seit etwas mehr als einem Monat sind wir<br />
schon nun im Jahr 2023 angekommen. Grund,<br />
sich die Publikationen des vergangenen Jahres<br />
einmal genauer anzuschauen und eine Bilanz<br />
zu ziehen. Ich habe mich für die zwei bekanntesten<br />
Heft-Reihen mit Donald Duck (& Co.)<br />
entschieden, um mal ein wenig abseits des LTB<br />
zu forschen.<br />
Beginnen wir in der ersten Hälfte mit dem Micky-Maus-Magazin,<br />
das immer noch mehr auf<br />
Aktualitäten als auf Tradition setzt. Der Start ins<br />
Jahr war vielleicht etwas kühl, mit den allseits<br />
bekannten Winter-Geschichten ging es erstmal<br />
relativ unspektakulär los. Doch mit dem 5.<br />
Heft wurde es interessant. Man entschied sich<br />
dafür, mit der Comicgeschichte „Verborgene<br />
Talente” seit Langem mal wieder ein Fortsetzungsabenteuer<br />
zu bringen. Ob man so richtig<br />
von Fortsetzung sprechen kann, wenn nach einem<br />
ersten Teil mit 10 Seiten teilweise zwei<br />
Teile in der nächsten Ausgabe folgen und alle<br />
weiteren Episoden auch nur eine Seite zählen,<br />
sei mal dahingestellt, aber immerhin schien die<br />
Sache in eine neue Richtung zu gehen. Die Resonanz<br />
war jedoch überwiegend nicht so gut;<br />
die Freude seitens der Fans hielt sich in Grenzen<br />
und so wurde das „Projekt” – wenn man es<br />
denn überhaupt so nennen darf – relativ<br />
schnell wieder abgebrochen. Generell sind Geschichten,<br />
die fortlaufend über mehrere Ausgaben<br />
erzählt werden, auch nicht so empfehlenswert,<br />
wenn dazwischen zwei Wochen liegen.<br />
Früher, mit einer höheren Erscheinungsfrequenz,<br />
waren Fortsetzungen sicherlich eine<br />
gute Idee, aber heute, mit einem Magazin, das<br />
nurmehr alle zwei Wochen eine neue Nummer<br />
gebärt, kann man sich davon verabschieden.<br />
wieder auf. In Heft 7 verschlug es Tick, Trick<br />
und Track in die Sphären des Internets, Ostern<br />
durfte sich am 1. April eine Ausgabe sichern. Einen<br />
richtigen Kracher gab es bis hierhin noch<br />
nicht, wenn man einmal von dem Negativ-Erfolg<br />
„Gefangene des Mondes” absieht, der Anfang<br />
Januar erst einmal eine kleine Schock-<br />
Welle erzeugte und unter tosendem Feuerwerk<br />
auf dem Cover beim ein oder anderen Leser<br />
die Frage aufkommen ließ, ob er diesen<br />
Jahrgang Micky Maus nicht auslässt. Aber es ist<br />
ja gerade einmal Mitte April, und Heft 9 konnte<br />
zu Daniel Düsentriebs Jubiläum einen von Arild<br />
Midthun getexteten und gezeichneten Zehnseiter<br />
präsentieren, der den Erfinder aus meiner<br />
Sicht gelungen seinen 70. Geburtstag feiern<br />
ließ.<br />
Egmont scheint ein Problem mit dem Kurzzeitgedächtnis<br />
zu haben, denn bereits wenig später<br />
wärmte man althergebrachte Themen<br />
37
REZENSION<br />
Jahresrückblick 2022 auf das MMM und das TGDDSH<br />
Relativ munter und im positiven Bereich ging<br />
es weiter. Die Fantastischen Vier durften in Heft<br />
11 einen mittelgroßen Auftritt verbuchen und<br />
hielten ganz Entenhausen auf mickrigen 8 Seiten<br />
in musikalisch-ausgewogener Stimmung.<br />
Die großen Momente gingen weiter, im folgenden<br />
Heft wurde endlich bekanntgegeben, wie<br />
der neue Geldspeicher von Dagobert Duck<br />
aussieht, bei dem man vor einiger Zeit in einem<br />
Wettbewerb erfragt hatte, wie man ihn neu designen<br />
könnte. Das Ergebnis waren drei Entwürfe,<br />
die es in die Micky Maus geschafft haben.<br />
Allerdings stand alles recht bald unter der<br />
verdrängenden Frage, was das ganze Brimborium<br />
denn nun sollte? Der neue Geldspeicher<br />
blieb für nur zwei Wochen neu, danach ging es<br />
so weiter, wie es schon immer war. Ein grauer,<br />
seit 1956 unveränderter Betonklotz, thront auf<br />
dem Glatzenkogel über all die Möchtegernkapitalisten,<br />
die gern so wären wie Dagobert<br />
Duck.<br />
Aber schon wieder wurde es spannend, als mit<br />
Heft 15 auf einmal die duckifizierte Alexandra<br />
Popp auf dem Cover zu sehen war und sich alles<br />
um den Fußball drehte. Es war die Zeit der<br />
Frauenfußball-Europameisterschaft, und natürlich<br />
schwang man sich auch vonseiten der<br />
Redaktion auf den fahrenden Zug, um vielleicht<br />
den ein oder anderen Fußball-Fan mitzunehmen.<br />
Der Comic dazu, „Das entscheidende<br />
Spiel”, drehte sich erneut um die Frage, wie<br />
man am besten eine gelungene Fußball-Story<br />
zusammenbackt. Entweder das Entenhausener<br />
Team gewinnen lassen, oder sich lieber damit<br />
beschäftigen, was Fußball wirklich ausmacht.<br />
Jaakko Seppälä entschied sich für beides<br />
und lud damit 10 Seiten randvoll. So voll,<br />
dass am Ende nicht mehr als ein Lächeln im<br />
Gesicht oder auch im Kopf des Lesers hängen<br />
blieb und die Fußball-Sache recht schnell abgehakt,<br />
beiseite geräumt und vergessen war.<br />
Man erinnere sich noch an weitere Fußball-Geschichten,<br />
die in diesem Jahr im Lustigen Taschenbuchrauskamen,<br />
doch dazu gleich mehr.<br />
Mit Heft 17 erschien wieder eine Ausgabe, die<br />
einem Junior-Chefredakteur gewidmet war.<br />
Paul Moischewitz führte uns durch seine Micky<br />
Maus, die er persönlich zusammenstellen<br />
durfte. Die so lange gelobte „Zepterübergabe”<br />
von der Redaktion an die Leser ist vielleicht immer<br />
noch nicht die beste Idee. Paul versuchte<br />
uns mit einigen mehr oder minder gefälligen<br />
Egmont’schen Eigenproduktionen zu überzeugen,<br />
davon kam bei mir aber höchstens der<br />
Einstiegs-Zehnseiter gut an. Der war aber von<br />
der Redaktion vorgegeben, nehme ich an. Es<br />
handelte sich um eine Erstveröffentlichung,<br />
und die werden meistens speziell für eine Ausgabe<br />
produziert. Die anderen Comics zeugten<br />
vom Nachdruck-Wahn im MMM, das Heft<br />
brachte es auf nur 23 Seiten Erstveröffentlichungen<br />
bei insgesamt 42 Seiten Comic-Anteil.<br />
Knapp die Hälfte aus dem Nachdruck-Archiv,<br />
so stelle ich mir das nicht vor. Besonders ärgerlich<br />
ist es dann, auch noch eine Geschichte aus<br />
dem ersten Micky-Maus-Taschenbuch (MMTB)<br />
zu nehmen, weil dieses kleine Büchlein nämlich<br />
gerade einmal Ende 2016 rausgekommen<br />
ist. Eine erneute Verschwendung von Seiten.<br />
Besser wäre es doch immer noch, der Egmont-<br />
Verlag würde eine Ausgabe einfach mal von<br />
Mitgliedern im Disney-Comics-Fan-Forum gestalten<br />
lassen. Jeder, der sich dort äußert, kann<br />
zur Ausgabe etwas beitragen, einige Administratoren<br />
des Forums übernehmen die endgültige<br />
Zusammenstellung und die Koordination,<br />
die Seitenanzahl wird etwas erhöht, hier und da<br />
werden inhaltliche Änderungen oder Anpassungen<br />
der Grundstruktur getroffen und für jeden<br />
Fan bietet sich dann hoffentlich ein Anlass,<br />
beim Kiosk des Vertrauens zuzugreifen. Aber<br />
bitte keine Resteverwurstungen von Comics<br />
oder Skripten, liebe Egmont-Redaktion, wir<br />
sind auch nicht doof, ja?<br />
Mittlerweile war der Hochsommer 2022 in vollem<br />
Gange, das MMM versuchte wie schon zuvor,<br />
zwischen den hier erwähnten Ereignissen,<br />
die Zeit ein wenig mit „normalen” Ausgabe zu<br />
überbrücken. Unter dem Begriff „normal” fasse<br />
ich mal die Nummern zusammen, die sich<br />
keine aktuellen Anlässe zum Vorbild nehmen<br />
und auch sonst eher Durchschnittsmaterial beinhalten,<br />
über das man nicht detailliert zu reden<br />
braucht.<br />
Mit Heft 20 wurde es wieder ein bisschen aufregender,<br />
erneut stellte uns Kari Korhonen die<br />
Zeiten aus Dagoberts Jugend vor, als er noch<br />
am Klondike Gold schürfte und sich in der weiten<br />
Welt sein Vermögen erst noch aufbaute,<br />
und nicht vermehrte. Die Serie „Damals” bekam<br />
im Herbst 2022 auch einen Hardcover-Band<br />
38
REZENSION<br />
Jahresrückblick 2022 auf das MMM und das TGDDSH<br />
der ECC gewidmet, in dem alle Geschichten<br />
der Serie aus den vergangenen paar Jahren<br />
MMM gebündelt zusammengefasst wurden.<br />
Schade finde ich, dass sich dort die Hintergrundinfos<br />
seeehr in Maaßen hielten und dass<br />
Korhonen generell einfach zu wenig Platz zusteht,<br />
um sein Erzähltalent voll ausspielen zu<br />
können. Wenn man sich anschaut, was Marco<br />
Nucci derzeit in Italien macht, dann ahnt man,<br />
wozu vielleicht auch viele andere Autoren und<br />
Zeichner imstande wären, denen es aber einfach<br />
an Möglichkeiten fehlt, ihr Talent – voll<br />
und ganz – zu Papier zu bringen. Warum aber<br />
so sehr aufregen? Immerhin, Egmont lässt es<br />
zu, dass man mal ein wenig herumexperimentiert<br />
und dass ein wohlgemerkt finnischer<br />
Künstler (und damit fast so ein Seltenheitsexemplar<br />
wie Arild Midthun) sich Platz in einem<br />
dänisch geprägten Comicmagazin bunkert, das<br />
sonst voll ist mit – manchmal aufgewärmten –<br />
Eigenproduktionen. Fun-Fact von Heft 20: Es<br />
kostete 21 Cent mehr als die normalen anderen<br />
Ausgaben. Ein Sonderpreis also, den es im Jahr<br />
schon öfter gab und noch öfter geben wird.<br />
Das 21. Micky-Maus-Heft verlautete schon am<br />
Cover, dass es etwas Besonderes war: Der Stil<br />
konnte unverkennbar Giorgio Cavazzano zugschrieben<br />
werden, einem der wenigen heute<br />
noch lebenden Alten Meister (oder derjenigen,<br />
die würdig wären, diesen Titel zu tragen).<br />
Nachdem man sich zwei gespannte Wochen<br />
die winzige Vorschau auf dem vergangenen<br />
Heft angeschaut hatte, war es dann endlich soweit,<br />
und das Abenteuer Cavazzano in der Micky<br />
Maus konnte beginnen. Volle 16 Seiten<br />
füllte die ungewöhnliche Kombination Midthun/Cavazzano<br />
mit ihrer Geschichte „Der<br />
Schatz in Venedig”. Dagobert ist mit Tick, Trick<br />
und Track in Venedig unterwegs, wo die Ducks,<br />
spontan, wie man ist, in einer Bank vorbeischauen.<br />
In einem Schließfach, das Onkel Dagobert<br />
gehört, findet sich eine Schatzkarte. Sofort<br />
beginnt Dagoberts Suche. Dabei kommen<br />
ihm aber zwei Gegenspieler entgegen, die<br />
ebenfalls gerne etwas Funkelndes sehen würden.<br />
Wenn man mich fragt, das Highlight des<br />
Jahres. Der Plot war prima, die Zeichnungen<br />
exzellent. Praktisch, dass die Ausgabe auch<br />
gleich noch weitere tolle Storys beinhaltet.<br />
Nach einem kurzen Halloween-Zwischenstopp<br />
und einer Mode-Exkursion ging es weiter mit<br />
weiteren Ball-Geschichten. „Balla Balla” erschien<br />
im Heft 24 und war, ebenso wie das Cover,<br />
ganz offensichtlich an die Herren-Weltmeisterschaft<br />
in Katar angelehnt. Jaakko<br />
Seppälä und Diego Bernardo machten sich<br />
aber nichts aus den vielen politischen Spannungen,<br />
die die WM trübten, sondern überzeugten<br />
mit solider Fußball-Performance. Im<br />
Gegensatz zum Deutschen Team war die deutlich<br />
besser. Fazit aus Heft 15 und Heft 24: Dieses<br />
Jahr gab es enorm viele Fußball-Geschichten.<br />
Egal, ob im MMM oder im LTB (vor allem das<br />
LTB Extra 7 hatte da viele, viele Seiten zu bieten),<br />
2022 war ein Jahr voller Freude ums<br />
Runde. Möglich, dass man damit Einiges nachgeholt<br />
hat, was während der Pandemie verschütt<br />
gegangen ist. Erwähnen möchte ich dabei<br />
noch, dass Marco Nucci in seinen Fußball-<br />
Storys deutlich mehr rausgeholt hat als die Kollegen<br />
in Dänemark im MMM. Wie viel Energie<br />
aus einem Comic strömen kann, sieht man immer<br />
wieder, aber Glanzstücke kann Egmont da<br />
einfach nicht bieten. Wer also tiefgründiger in<br />
39
kurz um oder nach dem Erscheinungstag, dann<br />
hätte man innerhalb einer Woche gleich zwei<br />
Geschichten in je zwei neuen Publikationen<br />
zwei Mal gelesen. Ein leider nur befriedigender<br />
Jahresabschluss.<br />
den Comic-Fußball eintauchen möchte, der sei<br />
angehalten, sich lieber ein Taschenbuch zuzulegen.<br />
Weiter ging es am 25. November mit Heft 25.<br />
Die zweite Jubiläumsausgabe anno 2022 –<br />
diesmal drehte sich alles um Dagobert Ducks<br />
75. Geburtstag. Eigens dafür hat man sich sogar<br />
erbarmt, einige Seiten Barks einzuspannen.<br />
Keine Erstveröffentlichungen in der Micky<br />
Maus, wohlgemerkt, aber trotzdem nett genug<br />
und selten gesehen, um gut abzuliefern. „Die<br />
Quizsendung” und ein Onkel-Dagobert-Einseiter<br />
machten diese Ausgabe, die mit 100 % Dagobert<br />
daherkam, zu einem netten Stück.<br />
Mit Heft 26 war das Jahr dann auch schon wieder<br />
vorbei. Weihnachten durfte sich ab dem 9.<br />
Dezember in den Regalen der Geschäfte verkaufen.<br />
Ärgerlich und noch einmal herauszuposaunen<br />
ist der Fauxpas, der sich beim Zusammenstellen<br />
der Ausgaben<br />
gezeigt hat. Das<br />
LTB Advent 8<br />
hat nämlich<br />
gleich zwei Geschichten<br />
doppelt<br />
inne: Einmal<br />
eine aus dem<br />
MMM 26/2022<br />
und eine aus<br />
dem TGDDSH<br />
427. Blöd, denn<br />
liest man die<br />
Geschichten im<br />
LTB Advent<br />
chronologisch<br />
und dann auch<br />
noch die anderen<br />
Erzeugnisse<br />
Das MMM 01/2023 erschien zwar noch im alten<br />
Jahr, konnte aber gleich mal überraschen. Die<br />
Extraseiten, die auch schon im letzten Heft gestartet<br />
worden waren und sich mit 55 Jahren<br />
Lustiges Taschenbuch beschäftigten, enthüllten<br />
nun endlich den kompletten Buchrücken,<br />
der sich in den nächsten Jahren noch fortsetzen<br />
wird. Die Ungewissheit, wie lang er denn<br />
nun wird, kann vorbei sein, denn 2025 ist voraussichtlich<br />
Schluss. Mit LTB 604 endet dann<br />
wohl alles – vorerst, bis es danach wieder einen<br />
neuen Buchrücken gibt. Und um die Frage<br />
auch noch aus dem Weg zu räumen: Nein, das<br />
LTB 600 sieht genauso dick aus wie die anderen.<br />
Also keine Extraseiten…<br />
Insgesamt betrachtet war das MMM-Jahr 2022<br />
gar nicht so schlecht. Peu a peu plätscherten<br />
immer wieder die Highlights den Comic-Wasserfall<br />
hinab, Grund zum Ärgern gab es zwischendurch,<br />
aber nicht andauernd. Viel Fußball<br />
war drin, die Themen der „normalen” Ausgaben<br />
waren ganz nett und boten immerhin eine gesunde<br />
Abwechslung. Cavazzano, Düsi und<br />
Dago wurden würdig gefeiert. Lesenswert waren<br />
manche Geschichten auf jeden Fall.<br />
40
REZENSION<br />
Jahresrückblick 2022 auf das MMM und das TGDDSH<br />
Im zweiten Teil dieses Artikels geht es um das<br />
TGDDSH, bei dem ich mich mal bewusst für<br />
keine der beiden Abkürzungen entscheide, um<br />
keinen Unmut unter den Lesern aufkommen zu<br />
lassen. Hier gab es nur 12 Ausgaben. Damit also<br />
deutlich weniger und Anlass, die einzelnen<br />
Ausgaben etwas detaillierter unter die Lupe zu<br />
nehmen.<br />
Das TGDDSH-Jahr startete bereits am 4. Januar<br />
und bot zu Beginn ein Heft mit sieben Geschichten,<br />
aber leider einer ziemlich verhauenen<br />
langen Story. Tony Strobl ließ die Familie<br />
Duck Winterspaß haben. William Van Horn und<br />
Al Taliaferro durften darüber hinaus Donald<br />
gleich zweimal in den Schnee schicken. Einmal<br />
als gestandener Schnee-Skulpturen-Schnitzer,<br />
einmal als Wintermuffel. Dänisches Füllmaterial<br />
und der redaktionelle Teil komplementierten<br />
diese Ausgabe. Ein durchschnittlicher Jahreseinstieg<br />
insgesamt, mehr nicht. Das Thema<br />
Drachen und Co. in den NEG ist bekannt, sonderlich<br />
fasziniert musste man von dem Artikel<br />
nicht gewesen sein.<br />
Ungewöhnlich, aber ebenfalls gut, war der<br />
zeichnerische Auftritt von Flemming Andersen,<br />
der eine kleine Gagstory mit Donald umsetzen<br />
durfte. Ergänzt wurde das Heft durch einen 9-<br />
Seiter von Vicar und einen wie immer rundum<br />
guten Zehnseiter von Marco Rota. Die erste<br />
Kaufempfehlung im noch frischen Jahr.<br />
TGDDSH 418 enthielt ein kleines Schmankerl,<br />
nämlich eine gleich 15-seitige Geschichte von<br />
Starzeichner und -autor Romano Scarpa. Er<br />
versetzte Daisy Duck, Klara Kluck, Klarabella<br />
Kuh und ein weiteres Mitglied des Entenhausner<br />
Frauenvereins auf einen Ferienhof, wo sie<br />
zwei Betrügern ausgeliefert waren. Nach einigen<br />
Späßen gelang es den cleveren Frauen<br />
aber, ihren Widersacher zu überlisten. Nett gemacht.<br />
Nicht unbedingt gut durchdacht war<br />
vielleicht der etwas zwanghaft und am Ende<br />
plötzlich eintretende Auftritt von Donald, Tick,<br />
Trick und Track sowie Onkel Dagobert. Dass<br />
ausgerechnet die Männer diese Frauen-Power<br />
beenden mussten, hat für ein Minus hinter der<br />
Eins gesorgt. Die Tusche von „Frühling auf dem<br />
Weiter ging es im Februar mit Heft 417. Eine<br />
Nummer, über die es sich tiefgründiger zu<br />
sprechen lohnt. Auffallend und selten im<br />
TGDDSH gestaltete sich der kleine Gastauftritt<br />
von Goofy in „Meister ohne Nummer” des Duos<br />
Katja und Wolfgang Schäfer. Zur Überraschung<br />
aller Leserinnen und Leser hat Goofy seine<br />
Rolle deutlich ausgebaut und gut die Hälfte der<br />
12 Seiten eingenommen. Das fand ich gelungen,<br />
vor allem für einen Comic, der heute<br />
schon 48 Jahre auf dem Buckel hat.<br />
Ferienhof” durfte übrigens Luciano Gatto auftragen.<br />
Ein vierreihiger Comic und von Gatto<br />
getuscht – davon gibt es nicht viele im<br />
Scarpa’schen Gesamtwerk! Für mich das erste<br />
richtige Highlight des Jahres und ein Genuss<br />
beim Lesen. Ich schweife aus, möchte aber<br />
noch darauf zu sprechen kommen, dass ich es<br />
sehr begrüße, italienische Vierreiher im<br />
TGDDSH unterzubringen. Davon gibt es generell<br />
nicht viele, und die Chance, dass sie in einem<br />
LTB landen, ist äußerst gering. Außerdem<br />
41
REZENSION<br />
Jahresrückblick 2022 auf das MMM und das TGDDSH<br />
sind diese Comics meistens Erstveröffentlichungen<br />
von guten Künstlern, die ich ungern<br />
verpassen würde. Wer meint, das TGDDSH sei<br />
nicht für italienische Zeichner, ist meines Erachtens<br />
vom Weg abgekommen. Ist die Story<br />
gut, hat sie auch eine Daseinsberechtigung – in<br />
jeder Reihe.<br />
Die Ausgabe hatte einige weitere schöne Comics<br />
zu bieten: „Worte wirken wahre Wunder”<br />
(nette Alliteration, nebenbei bemerkt) von Paul<br />
Halas sowie Marco Rota und „Wogende Wildnis”<br />
(huch, es geht weiter) von Kari Korhonen.<br />
Beides wunderbare Abenteuer, die perfekt<br />
zum jetzt einsetzenden Frühling passten. Vor<br />
allem der Zehnseiter von Korhonen hat mit<br />
schönen Momenten und traumhaften Zeichnungen<br />
nicht gespart. Aber auch Rota konnte<br />
voll und ganz überzeugen. Mit diesen drei<br />
Highlights im Gepäck und weiteren guten Storys<br />
ein Heft, das in jede Sammlung gehört.<br />
Am 5. April stand mit Heft 419 Ostern vor der<br />
Tür. Wieder eine Extraausgabe mit 100 Seiten<br />
Comics, dafür aber auch einem extra hohen<br />
Deluxe-Preis von 4,<strong>50</strong> €. „Der Türwächter” ist<br />
an sich ein ziemlich rares Stück. Ausgedacht<br />
hat sich diese vier Seiten noch Carl Barks, bevor<br />
sie Daan Jippes 2010 umgesetzt hat. Wunderschön,<br />
zu sehen, wie Jippes den Barks-Stil einfängt.<br />
Die Geschichte hätte glatt vom Entenvater<br />
persönlich kommen können. Prozentual gesehen<br />
zwar wenig, aber inhaltlich ein großes<br />
Stück.<br />
„Duell der Besserwisser” von Kari Korhonen<br />
konnte mich ebenfalls überzeugen. Ein streitender<br />
Dagobert, der sich mal nicht im LTB und<br />
nicht mit Klaas Klever, sondern Mac Moneysac,<br />
auseinandersetzt, ist irgendwie doch interessanter<br />
als ein Abenteuer zu abgelegenen Plätzen<br />
wie in der Auftaktstory von TGDDSH 419.<br />
Zwischendurch gab es einen netten Sechsseiter<br />
von Rota, der mal wieder nicht mit Gags,<br />
aber auch mit Tiefe, gespart hat. Ein richtig langer<br />
Strobl – 21 Seiten, hurra! – rundete die Ausgabe<br />
ab. Leider aber nicht zu einem Kreis, sondern<br />
eher zu einem Viereck. Denn zwischendurch<br />
gab es viel Durchschnitts- und Einheitsbrei,<br />
der den guten Inhalt nach unten zog. Aber<br />
was sagt man heute dazu? Content. Nein, teures<br />
Füllmaterial. Hätte es meiner Meinung nach<br />
nicht gebraucht. Eine Osterausgabe, die so<br />
viele Seiten hat wie jedes andere Heft, hätte<br />
auch völlig gereicht. Nur eben ohne die<br />
schlechteren Geschichten.<br />
Heft 420 erarbeitete sich voller Mühe das, was<br />
ein durchschnittliches Heft ausmacht: Einen<br />
guten Vicar zum Start, danach viel Normales<br />
und Belangloses, ohne Kracher am Ende. Die<br />
Neuen Entenhausener Geschichte(n) konnten<br />
das Heft nur bedingt aufwerten. Schnell gelesen,<br />
schnell vergessen war die Mai-Ausgabe.<br />
TGDDSH 421 ließ den vorerst dürftigen Eindruck<br />
weitergehen. Amüsant war lediglich eine<br />
kurze Gagstory mit Daniel Düsentrieb und Dagobert<br />
Duck, die sich in ihren Grundzügen an die<br />
späten Barks-Abenteuer anlehnte. Etwas richtig<br />
Tolles gab es nicht, Tony Strobl verfehlte die<br />
42
REZENSION<br />
Jahresrückblick 2022 auf das MMM und das TGDDSH<br />
überzeugende Mischung; zumal es sich bei „Ein<br />
Herz für Katzen” diesmal auch nicht um eine<br />
Deutsche Erstveröffentlichung handelte.<br />
Und eh man sich versah, war der Sommer in<br />
Europa eingezogen! Die Juli-Ausgabe brachte<br />
vonseiten der Comics reichlich neuen<br />
Schwung mit sich. Eine ziemlich seltene Geschichte<br />
aus den Niederlanden, die sich untypischerweise<br />
über 14 Seiten erstreckte,<br />
„Die Stadt unter der Wüste” von Ben Verhagen,<br />
ein Rota-Zehnseiter zu Beginn und einer der<br />
berühmten Carlo-Gentina-Einseiter in der Mitte<br />
– sowie weiteres gutes Material, das aus einigen<br />
deutschsprachigen Erstveröffentlichungen<br />
bestand – regte stark zum Kauf des Heftes<br />
an. Im niedrigeren<br />
Niveau war diesmal<br />
der redaktionelle<br />
Teil, der von<br />
Harry Nützel<br />
stammte. Anstatt,<br />
dass sich der NEG-<br />
Autor auf das<br />
Thema bezieht<br />
und uns etwas<br />
über Nachbarschaftsstreits<br />
von<br />
Donald Duck,<br />
Zacharias Zorngiebel<br />
und vielleicht<br />
auch Zanker erzählt,<br />
wurde viel<br />
Platz damit verschwendet,<br />
über<br />
allgemeine rechtliche<br />
Fragen zu reden.<br />
Die aber nur<br />
auf Deutschland<br />
bezogen, und dann<br />
noch mal für jedes<br />
Bundesland anders.<br />
Insgesamt ein<br />
Artikel, der mich<br />
unzufrieden zurückließ.<br />
Schade<br />
für das TGDDSH,<br />
das eigentlich immer<br />
eine Anlaufstelle<br />
für Hintergründe<br />
aus Entenhausen<br />
war.Für<br />
Nummer 422 kann ich trotzdem eine Kaufempfehlung<br />
aussprechen, wenn man damit auf<br />
sommerliche Urlaubslektüre aus ist.<br />
Die faszinierenden Geschichten rissen nicht ab.<br />
Carlo Gentina präsentierte uns im nächsten<br />
Heft gleich zwei seiner unverwechselbar ulkigen<br />
Einseiter. Die Gags darin hauen einen immer<br />
wieder um. Aber auch Jack Bradbury, Tony<br />
Strobl und Ferioli konnten noch mal starke Stücke<br />
bieten. Die Lückenfüller – darunter die<br />
Gentina-Einseiter – waren letztendlich okay,<br />
aber gehören eher in die Kategorie „Beiwerk”.<br />
In „Es war zweimal” wurde eine interessante<br />
Idee gut zu Papier gebracht. Es entstand<br />
schließlich eine richtig spannende 12-seitige<br />
Geschichte, die auch von den Zeichnungen<br />
43
REZENSION<br />
Jahresrückblick 2022 auf das MMM und das TGDDSH<br />
Feriolis lebte. Wunder über Wunder kommt<br />
der Plot, der von Maya Åstrup stammt, perfekt<br />
bei mir an. Die schwankende Qualität der Egmont-Produktionen<br />
ist mir immer wieder ein<br />
Rätsel.<br />
TGDDSH 424 baute auf einem soliden Grundfundament<br />
auf. Strobl, Vicar, Rota – drei Meister<br />
der alten Zeit, aber auch heute noch wunderbar<br />
zu lesen. In „Drei minus zwei ist null” von<br />
Rota steckte am Ende ein besonders schönes<br />
Detail, neben einem überaus freudigen und damit<br />
auch beim Leser Freude aufkommen lassenden<br />
Donald: In voller Größe sitzt ein Carl<br />
Barks im Park, der den Geldspeicher auf eins<br />
seiner berühmten Ölgemälde bringt.<br />
In Ausgabe 425 durfte Harry Nützel wieder ran<br />
an den redaktionellen Inhalt. Diesmal besser?<br />
Nein. Er entschied sich, über den <strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong><br />
zu berichten. Leider ging er in seinem Artikel<br />
nur wenig auf den BE ein. Das ist schade,<br />
gab es doch eine gewisse Kooperation zwischen<br />
Nützel und dem Team des <strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong>es.<br />
Mir gefiel diese Folge der NEG weniger<br />
gut. Durch das, was durch die zwei Seiten<br />
entstanden ist, können auch einige gute Geschichten<br />
nicht mehr so recht überzeugen. Insgesamt<br />
ist über die Monate ein ganz guter Flow<br />
entstanden, aber der bröckelt nun.<br />
Das vorletzte Heft des Jahres 2022 vermochte<br />
punktuell abzuliefern, aber gerade am Ende<br />
zeigte sich ein Beispiel für schlechte Comics.<br />
Die Kombination Dummheit – Panzerknacker,<br />
gepaart mit einem missglückten Plan und miesen<br />
Gags, ergibt zwangsläufig etwas, was einen<br />
kalt zurücklässt. Ferioli hat in „Alle Münzen<br />
fliegen hoch” trotz vieler Details zu große weiße<br />
Flächen gelassen. Das Panel in sich war nicht<br />
mehr ausgewogen. Mit weniger Details, dafür<br />
aber insgesamt besser, machte es Jack<br />
Bradbury einige Seiten bevor. „Antenne Duck”<br />
setzte sich mit einem selten behandelten<br />
Thema auseinander, dem Radio. Und welche<br />
ungeahnt gefährlichen Wirkungen Kaffee bei<br />
einem übermüdeten Donald haben kann, war<br />
wahrscheinlich das Amüsanteste des ganzen<br />
Jahrgangs. Pat und Carol McGreal haben für<br />
Marco Rota mit „Das Boxwunder” eine gute<br />
Vorlage geliefert, um die Kaufempfehlung abschließend<br />
geben zu können.<br />
Kommen wir zum letzten Heft, das jetzt gerade<br />
einmal an die zwei Monate alt ist: Am 6. Dezember<br />
erschien das TGDDSH 427. Eine extradicke<br />
Weihnachtsausgabe. Ärgerlich der Fauxpas,<br />
den ich im Teil zum Micky-Maus-Magazin bereits<br />
angesprochen habe. Andererseits bietet<br />
sich auf mehr als 100 Seiten ein fulminanter<br />
Jahresabschluss. Unter anderem kann Rota besonders<br />
viel herausholen. Auf 10 Seiten bietet<br />
sich wieder das, was das tiefe Innere der Weihnacht<br />
widerspiegelt: Besinnung auf das Wesentliche.<br />
Freudige Momente. Und natürlich<br />
das Naschen von leckerem Gebäck! Hier dargestellt<br />
durch die Knuspi-Knusperflocken.<br />
Weiß wurde es zwischendurch mit Schnee, den<br />
Boemund von Hunoltstein rieseln ließ. In den<br />
Neuen Entenhausener Geschichte(n) wurde<br />
man von wunderbar winterlichem Weihnachtszauber<br />
umgarnt. Und wen weitere gute Geschichten<br />
jetzt noch nicht packen konnten, der<br />
sei mit dem 30-Seiten-Meilenstein „Keine<br />
Weihnacht in Greifenhorst” bedient und versorgt.<br />
Arild Midthun schildert unter selten realistischen<br />
und ausgefeilten Zeichnungen mit<br />
vielen atemberaubenden detailreichen Splashpanels,<br />
was ohne Weihnachten wäre. Die perfekte<br />
Tannenbaum-Story für den 24. Dezember.<br />
Nimmt man alles zusammen, komme ich zu einem<br />
Fazit ähnlich dem des Micky-Maus-Magazins:<br />
So schlecht war 2022 gar nicht. Es gab immer<br />
mal wieder Knaller; immer mal wieder<br />
Tiefs, aber wirklich schlecht ging es letztes Jahr<br />
einfach nicht zu. Hier und da wiegen negative<br />
Erinnerungen, doch die werden durch die positiven<br />
rasch auf- und schließlich überwogen.<br />
Den Wandel des TGDDSH zu einem Heft mit<br />
viel zu vielen kurzen Geschichten – unter 8 Seiten<br />
– sollte man aber bewusst bekämpfen.<br />
Lange, epische Abenteuer haben gezeigt, was<br />
sie können. Und auch die Zehnseiter, vor allem<br />
von Marco Rota, waren sehr angenehm. Genauso<br />
wie die Einseiter von Carlo Gentina. Aber<br />
hier und da eine längere statt zwei kürzeren<br />
Geschichten wäre doch schön.<br />
44
ILLUSTRATION<br />
Sturm im Geldspeicher<br />
Idee & Zeichnung: carlfuchs (Entstehung: 2022)<br />
45
COMIC<br />
Winter-Workaholic<br />
Story & Zeichnungen: Sikyurame, Übersetzung: Duck-Mouse-Forscher,<br />
Lettering: Spectaculus (Entstehung: 2023)<br />
46
COMIC<br />
Winter-Workaholic<br />
47
COMIC<br />
Winter-Workaholic<br />
48
COMIC<br />
Verstehst du Spaß?<br />
Story & Zeichnungen: Ronald Ruck (Entstehung: 2022)<br />
49
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
von Luis Bärenfaller, McDuck, Spectaculus, Entenfan und Duck-Mouse-Forscher<br />
mit Zeichnungen von Stefan Binter<br />
Mit der 1987 erschienenen Serie DuckTales erhielt<br />
das Universum der Entenhausener Enten<br />
erstmals eine ganze Serie nur für sich, mit Onkel<br />
Dagobert im Mittelpunkt, wie es der französischer<br />
Titel der Serie, „La Bande à Picsou” (Die<br />
<strong>Bertel</strong>-Bande) schön aufzeigt. Zum 75. Geburtstag<br />
das geliebten Namenspatrons unseres<br />
Magazins, folgt auf den nächsten Seiten<br />
eine etwas andere Hommage an niemand anderes<br />
als den Fantastilliardären Dagobert<br />
Duck. In der Form eines kleinen ABCs wird jeweils<br />
in wenigen Worten das Wichtigste das<br />
umfangreichen Lebens des Geld-liebenden Erpels<br />
zusammengefasst.<br />
A wie<br />
Auf ins Abenteuer!<br />
Barks' Zehnseiter waren generell meistens im<br />
städtischen Bereich angesiedelt. Aber die erste<br />
(teilweise) von Barks gezeichnete Duck-Geschichte<br />
war ein langes Abenteuer gewesen –<br />
„Piratengold”. Und auch mit „Der Schlangenring”<br />
zeigte Barks, dass er die Ducks gerne in<br />
schwierige Situationen und an exotische Orte<br />
brachte. Dafür brauchte es immer einen<br />
Mechanismus, und für den Jedermann (und<br />
häufigen Pleitier) Donald Duck war es gar nicht<br />
immer so einfach, mir nichts, dir nichts, nach<br />
Australien oder Afrika zu reisen. Dagobert ist da<br />
ein dankbarer Charakter. Weshalb? Nun, er hat<br />
viele Gründe, an ferne Destinationen zu reisen<br />
und seine Neffen mitzunehmen (Donald immer<br />
mehr widerwillig, während Tick, Trick und<br />
Track sich meistens auf das Abenteuer freuen).<br />
Diese können in seiner rastlosen Vergangenheit<br />
begründet sein: So gibt es etwa in Alaska<br />
oder am Klondike alte Rechnungen zu begleichen,<br />
Vorkommnisse auf der Familienburg in<br />
Schottland zu untersuchen oder ein Duell mit<br />
seinem Widersacher Mac Moneysac in Afrika<br />
auszufechten. Dann hat sein Geschäftsimperium<br />
Ableger in aller Welt, die auch regelmäßig<br />
kontrolliert werden müssen.<br />
Und natürlich ist Dagobert Duck ein geborener<br />
Schatzsucher mit einem legendären Näschen<br />
für Gold und unentdeckte Kostbarkeiten, den<br />
dieser Drang irgendwann sogar in den Weltraum<br />
führt. Kein Wunder, dass die neue Duck-<br />
Tales-Serie diesen Aspekt seiner Persönlichkeit<br />
noch stärker betont.<br />
<strong>50</strong>
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
B wie Carl Barks<br />
Carl Barks ist der Vater der Ducks und seine<br />
wichtigste Schöpfung ist Dagobert. Den geizigen,<br />
aber gutherzigen Fantastilliardär erfand<br />
Barks 1947 für seine Geschichte „Die Mutprobe”<br />
zunächst nur als Nebenfigur, die nur in einer<br />
Geschichte auftauchen sollte. Doch Barks gewann<br />
den anfangs missgelaunten Milliardär<br />
lieb und verwendete ihn in weiteren Geschichten.<br />
Allmählich entwickelte er die Figur zu der,<br />
die wir heute kennen. Dagobert wurde sympathischer<br />
und weicher und Barks entwickelte<br />
seine Schwächen und Stärken, schrieb ihm<br />
eine Biografie auf den Leib und die rührende<br />
Liebe zum Geld in die Gene. Was Wunder, dass<br />
Dagobert 1952 in den USA eine eigene Heftreihe<br />
erhielt und Barks das Privileg hatte, sie<br />
ganz alleine füllen zu können und so seine Figur<br />
in immer neuen Varietäten zu interpretieren.<br />
Dagobert auf Schatzsuche, in bitterem monetärem<br />
Konkurrenzkampf oder in Abwehrschlachten<br />
gegen Gauner um die Hege und<br />
Pflege des Ersparten bemüht, all das bot Barks<br />
auf. Aber er zeigte seine beliebteste Schöpfung<br />
auch bei den alltäglichen Dingen oder von Zuneigung<br />
gegenüber seinen Neffen ergriffen.<br />
Dabei war und blieb Dagobert auch zu einem<br />
gewissen Grad Barks und nahm einiges von der<br />
Persönlichkeit und den Vorstellungen seines<br />
Schöpfers in sich auf. Gewiss, ohne Barks hätte<br />
es Dagobert nie gegeben, aber es war auch der<br />
langen Zeit, die Barks mit seiner Figur verbrachte,<br />
und vielschichtigen Ausdeutung zu<br />
verdanken, dass nach Barks' Abgang kein Weg<br />
an ihm vorbei führte. Barks' Einfluss ist bis<br />
heute unverkennbar und in vielen, sehr vielen<br />
Comics zu spüren.<br />
C wie<br />
Club der Milliardäre<br />
Der Milliardärsklub ist fast schon Dagoberts<br />
zweites Zuhause, so oft geht er hier ein und<br />
aus. Er trifft befreundete Milliardäre und Geschäftspartner,<br />
mit denen er neue, lukrative<br />
Deals einfädelt. Oder er versucht, die Freiheiten,<br />
die der Club ihm bietet, schamlos auszunutzen<br />
und an Gratisvergnügungen und -verköstigungen<br />
teilzuhaben. Und er freut sich jedes<br />
Jahr aufs neue darauf, den Preis für den<br />
Geschäftsmann des Jahres einzuheimsen.<br />
Oder bisweilen zum Klubpräsidenten gewählt<br />
zu werden.<br />
51
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
Dabei versucht ihm sein Dauerkonkurrent<br />
Klaas Klever einen<br />
Strich durch die Rechnung<br />
zu machen. Wenn<br />
Dagobert in den Club<br />
geht, kommt es zwischen<br />
den beiden fast<br />
immer zu Handgreiflichkeiten.<br />
Klever versucht<br />
Dagobert mit allen legalen<br />
und illegalen Tricks zu überholen<br />
und selbst der reichste Mann der Welt zu<br />
werden, was ihm jedoch nie gelingt. Deshalb<br />
hat sein Sekretär Anwantzer stets Hüte parat,<br />
die der frustrierte Klever verspeist.<br />
Was Klever in italienischen Geschichten ist, ist<br />
in dänischen Mac Moneysac. Genauso geizig<br />
wie Dagobert, aber ungemein verschlagen und<br />
zu jeder Schandtat bereit. In den wenigen Fällen,<br />
da Klever und Moneysac aufeinandertreffen,<br />
merkt man schnell, dass der letztere der<br />
wahre Schurke ist. Und dann gibt es natürlich<br />
noch Kuno Knäul, der eher erfolglos ist in seinem<br />
Bemühen, mit Dagobert ernsthaft zu konkurrieren.<br />
D wie DuckTales<br />
Obwohl er bereits ein paar kurze Auftritte im TV<br />
und Kino hatte, wurde Onkel Dagobert erst<br />
durch die beliebte Zeichentrickserie „DuckTales<br />
– Neues aus Entenhausen” einem breiteren<br />
Publikum bekannt. Zwischen 1987 und 1990<br />
wurden 100 etwa zwanzigminütige Folgen von<br />
„Disney Television Animation” produziert, deren<br />
Animationen erstmalig an fernöstliche<br />
Studios ausgelagert wurde. In der Serie geht<br />
der abenteuerlustige Onkel Dagobert mit seinen<br />
drei geweiften Neffen Tick, Trick und Track<br />
(die bei ihm in seiner Villa wohnen, solange Donald<br />
Duck bei der Marine ist) rund um die Welt<br />
auf Schatzsuche. Regelmäßig werden dabei<br />
Themen der Popkultur aufbereitet und parodiert.<br />
Ein gutes Dutzend der Geschichten basiert<br />
(mehr oder weniger stark) auf ausgewählten<br />
Comic-Klassikern von Carl Barks, die alle Verantwortlichen<br />
zu Beginn der Produktion lesen<br />
mussten. Neben dem Zeichentrick-Debut von<br />
bekannten Charakteren wie den Panzerknackern,<br />
Gundel Gaukeley oder Daniel Düsentrieb<br />
wurden eigens neue Figuren wie Quack<br />
dem Bruchpiloten, die kleine Nicky oder Dagoberts<br />
Buchhalter Fenton Crackshell alias<br />
Krachbummente erfunden. Den eher mäßigen<br />
Erfolg des Kinofilms machten die Verkäufe der<br />
gefeierten DuckTales-Videospiele wieder wett.<br />
Zwischen 2017 und 2001 wurde ein modernisiertes<br />
Reboot von DuckTales ausgestrahlt, in<br />
welchem die Figuren fast gänzlich neu charakterisiert<br />
wurden und einen hippen Cartoon-<br />
Style erhielten.<br />
52
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
E wie<br />
Ebenezer Scrooge<br />
Für Onkel Dagoberts<br />
englischen Namen (und<br />
seinen ganzen ursprünglichen<br />
Charakter) ließ<br />
sich Barks von der<br />
Hauptfigur von<br />
Charles Dickens’ „A<br />
Christmas Carol” inspirieren.<br />
In Dagobert<br />
Ducks erster Geschichte<br />
„Die Mutprobe”<br />
erfahren<br />
wir, dass er Weihnachten<br />
hasst – genauso wie sein<br />
Namenspate aus Dickens’<br />
Erzählung. Und wie<br />
Ebenezer Scrooge lässt sich<br />
auch Scrooge McDuck zum Geist<br />
der Weihnacht bekehren und beschenkt<br />
am Ende seine Neffen. Nur braucht es<br />
dafür keine drei Geister, sondern drei Bären.<br />
Nach „Die Mutprobe” ließ Dagobert der Geist<br />
des „Christmas Carol” nicht los. Carl Barks<br />
zeichnete 1958 ein Bilderbuch, in dem Dagobert<br />
die Rolle des Ebenezer Scrooge spielt und<br />
von seinen Neffen, die sich kurzerhand als<br />
Geister verkleiden, zum Weihnachtsfest bekehrt<br />
wird. 1983 kam es zu einem Rendezvous<br />
im Film „Mickys Weihnachtserzählung”, wo<br />
Dagobert wiederum Ebenezer Scrooge ist. Die<br />
Handlung des Films ist noch näher am Klassiker<br />
von Dickens als die beiden vorigen Umsetzungen.<br />
Hier spielen Donald und Micky wichtige<br />
Rollen und die drei Geister der Weihnacht<br />
werden von Jiminy Grille, dem Riesen Willie<br />
und Kater Karlo gespielt. Auch im Comic fand<br />
sich die Dickens-Erzählung wieder: „Ein Weihnachtsmärchen”<br />
(LTB Advent 1) ist eine direkte<br />
Adaption des Films. Ein Jahr vor dem Film gab<br />
es bereits eine deutlich längere Adaption von<br />
Guido Martina und José Colomer Fonts, unter<br />
demselben Titel (Donald Duck 284) oder als<br />
„Die Geister der Weihnacht” (LTB Weihnachten<br />
8). Aber natürlich sind das nicht die einzigen<br />
Berührungspunkte von Dagobert mit Dickens'<br />
berühmtem Misanthropen. In vielen weiteren<br />
Comics kann Dagobert Weihnachten nicht<br />
leiden und kommt erst im Laufe der Handlung<br />
in Weihnachtsstimmung (und manchmal auch<br />
gar nicht). In „Bilanz der „guten” Taten” findet<br />
sich eine interessante Variation der berühmten<br />
drei Geister.<br />
F wie<br />
Erika Fuchs<br />
Dr. Erika Fuchs war ab 1951 die erste Chefredakteurin<br />
der Micky Maus und lange Zeit auch<br />
die einzige Übersetzerin. Daher spielte sie eine<br />
große Rolle dabei, Disney-Comics im deutschen<br />
Sprachraum zu etablieren und bekannt<br />
und beliebt zu machen. Vor allem sind ihrem<br />
Talent viele deutsche Namen von Disney-Figuren<br />
zu verdanken, etwa Tick, Trick und Track,<br />
aber natürlich auch Dagobert. Dem amerikanischen<br />
Scrooge gab Erika Fuchs den Namen eines<br />
Merowingerkönigs des siebten Jahrhunderts.<br />
Aber damit nicht genug. Erika Fuchs bereicherte<br />
die Comics sprachlich und legte Dagobert<br />
Perlen wie „Mir hat auch keiner gesagt,<br />
wie man Kapitalist wird” in den Mund.<br />
G wie Geldspeicher<br />
Ohne seinen Geldspeicher ist Dagobert gar<br />
nichts. Auch wenn er zahllose Vermögenswerte<br />
auf der ganzen Welt sein Eigen nennt,<br />
der Speicher am Glatzenkogel und die Münzen<br />
in dessen Innerem sind ihm doch am liebsten.<br />
Da kann es schon mal sein, dass der Geldspeicher<br />
für ihn selbst zu einem großen Schatz wird<br />
und Dagobert ihn herzt, wenn er etwa als „architektonischer<br />
Schandfleck” beleidigt wird.<br />
Erstmals zu sehen war der formschöne Kubus<br />
in der Geschichte „Eingefrorenes Geld” von<br />
Carl Barks. Und apropos Speicher, das Vorbild<br />
53
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
des Gebäudes ist tatsächlich ein Kornspeicher<br />
oder Heuschober. In manchen Geschichten hat<br />
Dagobert auch mehrere Speicher, doch der<br />
Hauptspeicher ist stets der wichtigste, und alle<br />
werden regelmäßig von den Panzerknackern<br />
und von Gundel angegriffen.<br />
Wie es im Innern des Speichers aussieht, ist<br />
mal ein mehr, mal ein weniger großes Geheimnis.<br />
Fest scheint nur Dagoberts Büro und der<br />
große Geldbehälter zu sein. Don Rosa hat sogar<br />
einen Plan des Gebäudes gezeichnet, der sich<br />
sehen lässt!<br />
H wie Held<br />
Ein alter Knacker als Held? Zu Beginn von Dagoberts<br />
Karriere konnte man sich das so gar<br />
nicht vorstellen. Aber je mehr Barks von Dagoberts<br />
Vergangenheit verriet, desto mehr<br />
wurde klar, dass dieser Enterich ein ganz harter<br />
Hund war – und das auch heute noch sein<br />
kann, wenn er etwa seinen Besitz gegen die<br />
Panzerknacker oder Gundel Gaukeley verteidigen<br />
muss. Die ikonischste Szene ist dabei wohl<br />
die einst sträflicherweise gestrichene Saloonschlägerei<br />
aus „Wiedersehen mit Klondike”:<br />
Der junge Dagobert verdrischt zwanzig Männer<br />
auf einmal. Don Rosa setzte genau da noch einen<br />
drauf, indem er Dagobert einen ganzen<br />
Dampfer zerstören ließ. Manchen Lesern ging<br />
das zu weit, aber Rosa meinte, dass man diese<br />
Passage nicht „wörtlich” nehmen sollte. Auch in<br />
seinen heutigen Abenteuern führt der Senior<br />
immer noch erstaunliche Stunts durch.<br />
Italienische Künstler machten ihn sogar zu einem<br />
„echten” Superheld, wobei sein Ruf eher<br />
durchwachsen ist. Als weder Phantomias (mit<br />
dem ihn übrigens eine schwierige Beziehung<br />
verbindet) noch Phantomime seinen Geldtransport<br />
beschützen wollen, verkleidet sich<br />
Dagobert schließlich selbst als „maskierter Zylinder”.<br />
Die Idee kehrte noch einige Male zurück<br />
– es gab eine Fortsetzung in Brasilien, einen<br />
Auftritt im Rahmen der Serie „Ultrahelden” (auf<br />
Deutsch bekam die Heldenidentität hier allerdings<br />
mit „Zylindor” einen neuen Namen) und<br />
einen weiteren Einsatz in einer hypothetischen<br />
Zukunft ohne Daniel Düsentrieb. Auf ähnlichen<br />
Schienen unterwegs waren<br />
die Macher der DuckTales-<br />
Serie, als sie Dagobert 1989<br />
als „maskierten Enterich”<br />
(Masked Mallard) auftreten<br />
ließen.<br />
54
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
I wie Intellekt<br />
„Ich bin reich geworden, weil<br />
ich zäher war als die Zähsten<br />
und schlauer als die Schlausten!<br />
Und ich bin dabei ein ehrlicher<br />
Mann geblieben!” Ein<br />
Leitsatz, würdig des reichsten<br />
Erpels der Welt. Auch<br />
wenn Dagobert Duck sich<br />
über die Jahre viele Feinde<br />
angeeignet hat, handelte er<br />
stets moralisch und fair, angeblich<br />
– einige Ausnahmen<br />
gibt es immer... Was aber sicher<br />
ist, dass Dagobert immer<br />
ein Ass im Ärmel hat.<br />
Mit seinem unglaublichen<br />
Sinn für Geschäfte, ist es für<br />
ihn ein leichtes Spiel ein gutes<br />
Geschäft zu erspähen<br />
und erfolgreich abzuwickeln.<br />
Oder wenn er mal wieder auf einer Expedition<br />
ist, kann er mit seiner superfeinen<br />
„Nase” Gold das meilenweit entfernt ist, aufspüren.<br />
Da Dagobert nicht mehr der Jüngste ist,<br />
nimmt er immer eine Begleitperson mit, seinen<br />
Neffen Donald zum Beispiel. Auch wenn dieser<br />
quasi nie freiwillig mitgeht, doch leider hält ihm<br />
sein Onkel Dagobert immer seine Schuldenliste<br />
entgegen, da gibt<br />
es kein Entkommen.<br />
Trotzdem kann sich Donald<br />
einer Expedition<br />
entwischen, wenn sich<br />
Dagobert einen anderen<br />
Partner aussucht:<br />
Primus, Daisy und auch<br />
schon Daniel Düsentrieb<br />
durften ihn begleiten.<br />
Letzterer hilft dem<br />
Fantastilliardär aber lieber<br />
mit Erfindungen.<br />
Aus dem Hause Düsentrieb<br />
kommt nämlich<br />
das berüchtigte Abwehrsystem<br />
des Geldspeichers!<br />
Jedes Mal<br />
werden Dagoberts<br />
Feinde, die Panzerknacker oder Gundel Gaukeley,<br />
mit einer neuen Falle beseitigt. Aber wie es<br />
nun mal mit Technologie ist: immer wieder gibt<br />
es Pannen, und die Einbrecher<br />
kommen näher als gewollt and<br />
die „geliebten Talerchen”. Doch<br />
auch für eine solche Situation<br />
hat Dagobert vorgesorgt: seine<br />
gute alte Flinte (mit Salz beladen)<br />
hat ihn noch nie im Stich<br />
gelassen.<br />
J wie Jubiläum<br />
Vor 75 Jahren erschien zum<br />
ersten Mal ein Comic mit dem<br />
noch etwas unausgereiften<br />
Dagobert Duck, „Christmas on<br />
Bear Mountain”. Genau zehn<br />
Jahre später gab es diese Geschichte<br />
auch endlich auf<br />
Deutsch als „Die Mutprobe”. Allerdings<br />
waren da schon Dutzende<br />
andere Geschichten mit<br />
dem Fantastilliardär auf<br />
Deutsch erschienen, die erste dürfte „Geld fällt<br />
vom Himmel” in Micky Maus 3/1952 sein.<br />
Dagoberts Verhältnis zu seinem Geburtstag ist<br />
ähnlich gespalten wie das zu Weihnachten.<br />
Und wie alt ist er nun tatsächlich? Wenn er tatsächlich<br />
vor 1900 beim Goldrausch am Klondike<br />
war, müsste er heute<br />
deutlich über hundert sein.<br />
In der neuen DuckTales-<br />
Serie gibt es dafür eine Erklärung,<br />
während Don<br />
Rosa es vorzieht, seine Geschichten<br />
in den <strong>50</strong>ern und<br />
60ern spielen zu lassen,<br />
um diese Widersprüche zu<br />
vermeiden. In seiner Vorstellung<br />
dürfte Dagobert<br />
1967 im Alter von 100 gestorben<br />
sein.<br />
Schwierig daran ist allerdings,<br />
dass Dagobert damit<br />
bei seinem Debüt bereits<br />
80 wäre – und wenn<br />
man seine späteren Eskapaden<br />
so anschaut, dann wirkt er doch deutlich<br />
vitaler. Tatsächlich könnte man fast meinen,<br />
Dagobert wird eher jünger als älter!<br />
55
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
K wie Klondike<br />
Der Goldrausch am Klondike von 1898 war das<br />
Ereignis, das Dagoberts Leben für immer ändern<br />
sollte. War er zuvor noch ein zwar aufstrebender,<br />
aber immer arm bleibender Goldsucher<br />
gewesen, wurde er nun reich. An seinem<br />
Claim, dem White Agony Creek, ergrub er sich<br />
bereits ein kleines Vermögen, darunter das<br />
große Straußeneinugget. Seine Zeit als Goldschürfer<br />
am Klondike, wo er oft so glücklich<br />
war und so viele großartige Abenteuer erlebte,<br />
vergaß er nie und erinnert sich bis heute oft und<br />
gerne daran zurück, meist nicht zum Vergnügen<br />
seines Neffen Donalds. Den Klondike als<br />
bedeutendsten Punkt in Dagoberts Leben hat<br />
Carl Barks definiert und seitdem haben das unzählige<br />
weitere Autoren und Zeichner aufgegriffen.<br />
Schon Barks hat Dagobert drei Mal an<br />
die Stätten seiner kraftstrotzenden Jugend zurückgeführt<br />
und ihn dort etwa abermals nach<br />
Gold suchen lassen. Aber auch nach Barks hat<br />
es Dagobert immer wieder zum Klondike gezogen,<br />
etwa bei Don Rosa oder Vicar oder vielen<br />
anderen.<br />
L wie Liebe<br />
Dagobert ist überzeugter Single, denn eine<br />
Frau käme ihn viel zu teuer, wie er immer sagt.<br />
Aber auch wenn er nie geheiratet hat, gibt es so<br />
einige Frauen, die ihn in ihren Bann geschlagen<br />
haben. Beim Goldrausch am Klondike lernte er<br />
die schöne Nelly kennen, der Stern des Nordens.<br />
Nachdem Nelly ihn bestohlen hatte, verschleppte<br />
er sie auf seinen Claim und ließ sie<br />
für sich arbeiten. Das komplizierte Verhältnis<br />
zwischen den beiden kommt aber nicht ohne<br />
sehr viel Anziehung aus und Dagobert war<br />
schon mindestens einmal knapp daran, Nelly<br />
endlich seine große Liebe zu gestehen und mit<br />
ihr zusammenleben zu können. Auch gealtert<br />
können die beiden sich noch ganz schön umgarnen.<br />
Das Verhältnis zu Gitta ist da ganz anders. Die<br />
blonde Verehrerin Dagoberts, die Romano<br />
Scarpa erfunden hat, scheint ihm vor allem<br />
enorm auf die Nerven zu gehen. Ständig folgt<br />
sie ihm und will ihn unbedingt vor den Traualtar<br />
bitten. Dass sie unzählige Absagen erhält,<br />
kränkt sie tief, ändert aber nichts an ihrer Zuneigung<br />
zu ihrem Bertilieb. In wenigen Geschichten<br />
erkennt man aber, dass auch Dagobert sie<br />
im tiefsten Innern seines Herzens schätzt.<br />
Aber auch weitere Frauen<br />
haben an Dagobert einen<br />
Narren gefressen, etwa die<br />
Dampferkapitänin Gerti<br />
oder die Unternehmerin<br />
Molly McGold.<br />
M wie McDuck<br />
Dagoberts Wurzeln liegen im Herzen Schottlands.<br />
Als letzter Nachfahre des Clans McDuck<br />
ist Dagobert der stolze Eigentümer der Duckenburgh.<br />
Zusammen mit seinen Neffen und<br />
Großneffen hat er dort schon unzählige Geheimnisse<br />
gelüftet. Der Schatz von Sir Donnerbold<br />
und das Vermächtnis der Tempelritter<br />
sind nur zwei der vielen Mysterien, die die Burg<br />
umgeben. Und natürlich prägt Dagobert seine<br />
schottische Heimat, derer er sich würdig erweist,<br />
indem er sparsamer ist als so mancher<br />
waschechter Kiltträger. Nicht nur die Duckenburgh<br />
an sich, auch das Land seiner Ahnen hat<br />
56
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
er schon oft besucht um Schätze zu finden, mit<br />
Schlossgespenstern fertig zu werden oder um<br />
jahrzehntealte Zwiste zu einem glücklichen<br />
Ausgang zu bringen. Hierbei helfen Dagobert<br />
immer wieder die Geister seiner Vorfahren.<br />
Diese sind sehr stolz auf den letzten Spross ihres<br />
ruhmreichen Clans.<br />
N wie Not<br />
Dagobert ist eine Ente, der die Probleme weit<br />
über beide Ohren wachsen. Die Gauner, die ihm<br />
sein sauer erspartes Geld abknöpfen wollen,<br />
versetzen ihn immer wieder in enorme Nöte<br />
und da rauszukommen ist gar nicht so einfach.<br />
Denn was macht Dagobert, wenn ihm die Panzerknacker<br />
doch wider Erwarten sein Vermögen<br />
abgeknöpft haben? Zunächst einmal bricht<br />
er in Wehklagen aus, erst dann denkt er sich einen<br />
Trick aus, um sein Geld zurückzugewinnen.<br />
Oft ist auch schon der Verlust eines Talers<br />
Grund genug für tiefe Verzweiflung. Und wenn<br />
er damit einmal keine Probleme hat, dann<br />
bestimmt mit schädlichen Insekten wie Motten,<br />
mit Mäusen oder anderem Getier, das sein Geld<br />
annagt. Darüber hinaus hat Dagobert immer<br />
wieder Gedächtnisschwund und leidet an äußerst<br />
seltenen Krankheiten wie Geldallergie,<br />
Rhodiumfieber oder Bankiersjucken. Reich sein<br />
ist eben auch nicht lustig.<br />
O wie Onkel<br />
Die „Veronkelung” ist ein sehr gängiges Thema<br />
im Disney-Comic. Ob es nun daran liegt, dass<br />
eine Figur auch alleine auftreten darf, ohne<br />
dass man sich gleich fragt, wo ihre Eltern oder<br />
Kinder denn nun sind – oder daran, dass man<br />
den Leser*innen nicht zumuten will, dass sie<br />
sich die Hauptfiguren bei der Fortpflanzung<br />
vorstellen… Jedenfalls ist ein Großteil der neu<br />
eingeführten Figuren Onkel, Tante, Vetter oder<br />
Cousine. Dagobert Duck ist da keine Ausnahme;<br />
tatsächlich ist der Verwandtschaftsgrad<br />
so sehr mit seinem Namen verbunden,<br />
dass man „Onkel” beinahe als Teil seines Namens<br />
betrachten kann. So laufen Comics oder<br />
Reihen mit ihm als Hauptfigur auch nicht unter<br />
„Scrooge McDuck” (mit Ausnahme von „Sein<br />
Leben, Seine Milliarden”), sondern unter „Uncle<br />
Scrooge”. Im Deutschen oder Italienischen („Zio<br />
Paperone”) etwa ist das nicht anders. Und<br />
Phantomias rutscht mehrmals ein verräterisches<br />
„Onkel” heraus.<br />
57
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
Bei Dagoberts Erstauftritt wird erklärt, dass Donald<br />
ihn kaum kennt und Tick, Trick und Track<br />
ihn noch nie getroffen haben. Don Rosa hat<br />
später versucht, das logisch aufzulösen. Streng<br />
genommen, ist Dagobert eigentlich nur für Donald<br />
und seine Schwester Della ein Onkel. Tick,<br />
Trick und Track nennen ihn dennoch Onkel,<br />
auch wenn er in Wahrheit ihr Großonkel ist.<br />
Aber das Onkelige ist ja oftmals nicht auf die<br />
tatsächliche Neffen- und Nichtenschaft beschränkt.<br />
So betrachtet auch Daisy ihn als ihren<br />
Onkel. Gustav, Dussel oder Franz nennen ihn<br />
ebenfalls so; etwas verwirrend in dem Zusammenhang,<br />
dass Gustav und Donald um Dagoberts<br />
Erbe konkurrieren – mit den geläufigen<br />
Stammbäumen passt das eigentlich<br />
nicht wirklich zusammen.<br />
hat sich die<br />
Anzahl und<br />
auch die Intelligenz<br />
der<br />
Panzerknacker<br />
im<br />
Laufe der<br />
Zeit stark<br />
gewandelt.<br />
Waren sie<br />
bei Barks<br />
noch zu<br />
sechst (oder<br />
noch mehr)<br />
und ernstzunehmende,<br />
intelligente<br />
Gegner, wandelten sie sich besonders in italienischen<br />
Comics zu drei recht einfältigen, aber<br />
sympathischen Zeitgenossen, die abwechselnd<br />
einen Wohnwagen und ihre traute, gemütliche<br />
Zelle im Knast bewohnen. Bereits<br />
Barks erfand einen Opa für die Panzerknacker,<br />
der in den italienischen Geschichten zum Kopf<br />
der Bande wird und wesentlich intelligenter ist<br />
als seine drei Enkel. Weitere Autoren und<br />
Zeichner fügten das Familiengenie IQ-176<br />
(auch manchmal nur Iku oder IQ genannt), den<br />
Hund Achtmalacht und viele weitere Panzerknacker<br />
mit teilweise genialen Fähigkeiten<br />
hinzu. Doch allen Panzerknackern ist stets gemein,<br />
dass sie es nie schaffen werden, an Dagoberts<br />
Geld zu kommen!<br />
P wie Panzerknacker<br />
Die wohl größten Feinde von Dagobert<br />
Duck: die Panzerknacker. Seit ihrem Erstauftritt<br />
in „Der Selbstschuß” (1951) von Carl<br />
Barks bereiten sie dem Geizkragen immer<br />
wieder aufs Neue Ärger. Dabei benutzen<br />
die Panzerknacker alle möglichen Tricks,<br />
um an Dagoberts Vermögen zu gelangen.<br />
Selten schaffen sie es, kurzfristig dessen<br />
ganzes Geld zu stehlen, wie in „Die Linsen<br />
aus Babylonien” oder „Der arme reiche<br />
Mann”. Oft scheitern sie aber kläglich. Dabei<br />
58
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
Q wie Quack<br />
Quack der Bruchpilot (org. Launchpad<br />
McQuack) ist Onkel Dagoberts gut gelaunter<br />
Pilot in der TV-Zeichentrickserie „DuckTales”.<br />
Darin behauptet er regelmäßig, dass er alles<br />
fliegen könne, was Flügel habe. Sein Faible für<br />
Fahr- und Flugzeuge aller Art nimmt bereits in<br />
der zusammenhängenden Pilotfolge seinen<br />
Lauf, als Onkel Dagobert und Daniel Düsentrieb<br />
noch einen waghalsigen Piloten suchen,<br />
der Herrn Düsentriebs Kondor-Flieger steuern<br />
kann. In der Serie sitzt Quack am Steuer von riesigen<br />
Transportmaschinen, winzigen ausklappbaren<br />
Koffer-Flugzeugen und superschnellen<br />
Düsenjets, aber auch von U-Booten oder Zeitmaschinen.<br />
Sein Markenzeichen allerdings ist<br />
der rote Doppeldecker, den er angeblich selbst<br />
gebaut hat. Um sein Image als vorbildhafter<br />
Held zum Anfassen vor Tick, Trick und Track<br />
oder dem schlichten Doofy nicht zu verlieren,<br />
wächst Quack oft über sich hinaus und pflegt<br />
auch zu seinem Boss „Mr. McD.” ein freundschaftliches<br />
Verhältnis. Später zieht Quack<br />
nach St. Erpelsburg und schafft es irgendwann,<br />
vom treusten Fan zum Sidekick und Piloten des<br />
Superhelden „Darkwing Duck” zu werden. Im<br />
„DuckTales Reboot” von 2017 ist Quack als Onkel<br />
Dagoberts Chauffeur tätig, träumt aber insgeheim<br />
von der Fliegerei. Als Comicfigur ist er<br />
z.B. in den „LTB DuckTales” anzutreffen.<br />
R wie Don Rosa<br />
Keno Don Hugo Rosa ist einer der größten<br />
Barks-Fans und hat dieser Leidenschaft<br />
schließlich auch in offiziellen Disney-Comics<br />
frönen dürfen. Durch seine ziemlich strenge Interpretation<br />
der Barks'schen Fakten und<br />
dadurch, dass seine Comics oft Klassiker von<br />
Barks fortsetzen, ist so etwas wie ein „Barks-<br />
Rosa-Kanon” entstanden, auch wenn manche<br />
Barks-Puristen den Künstler aus Kentucky despektierlich<br />
als „Erbschleicher” bezeichnen. Rosas<br />
Werk ist dennoch enorm populär; alleine<br />
die immerhin mit dem Will-Eisner-Award ausgezeichnete<br />
zwölfteilige Dagobert-Biografie<br />
„Sein Leben, Seine Milliarden” (plus diverse Zusatzkapitel)<br />
dürfte eine der am häufigsten<br />
nachgedruckten Disney-Comicserien sein. Alleine<br />
das macht Don Rosa zu einem der Künstler,<br />
die Dagobert Duck geprägt haben, auch<br />
wenn „Der Sohn der Sonne”, sein erster offizieller<br />
Disneycomic und zeichnerisch noch etwas<br />
unsicher (viele Posen sind aus Barks-Geschichten<br />
kopiert), erst 1987 erschien, also fast vierzig<br />
Jahre nach dem Debüt der Figur. Sein Tuschestrich<br />
ist unverkennbar und sein gerne trockener<br />
Humor bringt ebenfalls neue Facetten in<br />
den Duck-Kosmos ein. Mit Molay und dem<br />
Schwarzen Ritter hat er zudem immerhin zwei<br />
eindrückliche Figuren erschaffen.<br />
59
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
Leider ist der charakterstarke Amerikaner auch<br />
immer wieder mit seinen Vorgesetzten bei Disney<br />
in Konflikt geraten. So verließ er die Comicarbeit<br />
bereits 1989 kurzzeitig, weil Disney es<br />
seinem damaligen Verlag Gladstone verboten<br />
hatte, den Künstlern ihre Originalseiten zurückzugeben<br />
(eine wichtige Einnahmequelle für<br />
Rosa, der als Disneyzeichner weniger verdiente<br />
als mit seinem vorigen Job). 2006 beendete er<br />
schließlich seine Karriere, da ihn die Arbeit auslaugte<br />
und er sich dafür durch das Disney-Lizenzsystem<br />
nicht ausreichend belohnt sah.<br />
Neuen Ärger gab es jüngst: Zwar ist der<br />
Tabubruch, dass Dagoberts Eltern in SLSM<br />
sterben, kein Problem, jedoch wird der von<br />
Rosa wiederbelebte Zombie Bombie mittlerweile<br />
offenbar als möglicherweise politisch unkorrekt<br />
angesehen.<br />
S wie Sekretärin<br />
In „Der Midas-Effekt” von 1961 feiert nicht nur<br />
die Zauberin Gundel Gaukeley ihr Debüt, sondern<br />
auch Dagoberts Sekretärin, Fräulein Rita<br />
Rührig. (Englischer Originalname: Emily Quackfaster.)<br />
Seitdem ist sie treu an seiner Seite. Die<br />
Charakterisierung und ihr Aussehen variieren<br />
dabei allerdings so stark, dass manche Fans<br />
von unterschiedlichen Figuren ausgehen. Die<br />
von Barks eingeführte und von Tony Strobl, Vicar<br />
oder Don Rosa übernommene Figur ist eine<br />
ältere Dame mit grauen Haaren, die sie zu einem<br />
strengen Dutt gebunden hat (manchmal<br />
steckt noch ein Bleistift in der Frisur), und von<br />
derselben Statur wie Dagobert oder Dorette<br />
Duck. In Italien hingegen machte Giuseppe<br />
Perego die Sekretärin bereits in den späten<br />
Sechzigern größer und attraktiver, zudem wurden<br />
ihre Haare gerne blond eingefärbt. Bei italienischen<br />
Künstlern gab es in den Folgejahren<br />
die unterschiedlichsten Darstellungen, aber die<br />
großgewachsene Blondine mit der raumgreifenden<br />
Frisur und dem ausgeprägten Schnabel<br />
hat sich nicht zuletzt dank ihres Einsatzes durch<br />
Giorgio Cavazzano und Silvia Ziche (unvergesslich:<br />
„Wettkampf der Paare” und „Eine unglückliche<br />
Liebe”) mittlerweile durchgesetzt. Das italienische<br />
Fräulein Rührig hat auch deutlich<br />
mehr Persönlichkeit und wird besonders von<br />
Ziche gerne als Teil einer Gruppe von Freundinnen<br />
gezeigt, zu denen auch Oma Dorette,<br />
Daisy und Gitta Gans gehören.<br />
Ein Grund dafür, warum in Italien die „große”<br />
Sekretärin bevorzugt wird (in dänischen oder<br />
holländischen Geschichten sieht sie immer<br />
noch so aus wie bei Barks), dürfte auch darin<br />
liegen, dass sie oft zusammen mit Butler<br />
60
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
Baptist auftritt und im Vergleich mit ihm ansonsten<br />
unpassend klein aussehen würde.<br />
Baptist ist eine italienische Erfindung, die sich in<br />
Rodolfo Ciminos Comics langsam seit „Zug um<br />
Zug” von 1961 (ein halbes Jahr vor „Der Midas-<br />
Effekt” erschienen!) entwickelt. Sein Aussehen<br />
(und zu Beginn auch sein Name!) ist ebenfalls<br />
weiterhin im Fluss, so hatte<br />
er lange Zeit keine Haare<br />
oben auf dem Kopf, sondern<br />
nur seitlich – mittlerweile ist<br />
seine Frisur aber oft deutlich<br />
zusammenhängender.<br />
Baptist nicht ganz unähnlich<br />
ist auch Johann, Dagoberts<br />
Butler in DuckTales. Vorläufer<br />
gab es bereits bei Barks,<br />
allerdings ist der Butler aus<br />
„Die sieben Städte von Cibola”,<br />
der auch von einigen<br />
anderen Zeichnern eingesetzt<br />
wurde, optisch dann<br />
doch deutlich von Baptist<br />
oder Johann unterscheidbar.<br />
In DuckTales hat Dagobert<br />
auch noch eine Haushälterin<br />
bzw. Betreuung für seine<br />
Großneffen namens Frieda (Mrs. Beakley).<br />
Diese hat mit Fräulein Rührig den grauen Dutt<br />
gemein, ist allerdings weitaus voluminöser.<br />
Eine weitere Cimino-Erfindung ist ein Roboter-<br />
Butler namens Robin oder Robbi (je nach Übersetzung;<br />
italienisch „Camillino”).<br />
Wissen ist durchaus nützlich. Einmal konnte<br />
Dagobert seinen Erbneffen Donald nur deshalb<br />
in den Tiefen des Geldspeichers finden, weil er<br />
genau weiß, wo bestimmte Münzen gelagert<br />
sind. Apropos Donald. Dessen Hauptbeschäftigung<br />
ist es, die Münzen seines Onkels zu polieren.<br />
Hier sei noch ein grobes Missverständnis<br />
zurechtgerückt:<br />
Dagobert bewahrt seine Münzen<br />
wegen ihrem ideellen Wert<br />
auf. Dass viele von ihnen äußerst<br />
selten und daher an sich<br />
ein kleines Vermögen wert sind,<br />
interessiert ihn gar nicht.<br />
T wie Taler<br />
Was im amerikanischen Original und in<br />
den meisten anderen Sprachen Dollars sind,<br />
sind im Deutschen dank der Übersetzung von<br />
Dr. Erika Fuchs die Taler. Dagobert hat sehr,<br />
sehr, sehr viele davon. Ob es nun 13 Trillionen<br />
oder 9 Fantastilliarden sind, jedenfalls<br />
sind es mehr als genug, um<br />
nach Belieben hineinzuspringen, einzutauchen<br />
wie ein Maulwurf und sich<br />
das Geld auf die Glatze prasseln zu lassen.<br />
Dagobert liebt jeden einzelnen<br />
seiner Taler, als wären es seine Kinder,<br />
und er weiß auch von jedem einzelnen<br />
Geldstück im Speicher,<br />
wann und wo er es verdient<br />
hat. Dieses<br />
61
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
U wie Unternehmer<br />
Dagobert ist ein wahrer Großunternehmer: Er<br />
besitzt Automobilfabriken und Apfelbaumplantagen,<br />
Erdölfelder und Eiscremegeschäfte,<br />
Museen und Mistplätze, Spinnereien<br />
und Sportclubs, Zwiebelfarmen und Zylinderproduktionen.<br />
In jedem Geschäftszweig, der<br />
Geld zu bringen verspricht, hat er seine Finger<br />
drin. Und überall auf der Welt hat er seine Dependancen,<br />
ist also ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.<br />
Dagoberts Geschäfte dehnen<br />
sich aber auch auf den Weltraum aus und der<br />
Fantastilliardär dürfte öfter Raketen ins All geschossen<br />
haben als irgendwer sonst. Bei seinen<br />
unternehmerischen Tätigkeiten hilft Dagobert<br />
sein großes Talent, gute Geschäfte buchstäblich<br />
wittern zu können und eine Überredungskraft<br />
zu haben, die ihresgleichen sucht.<br />
Wer sonst wäre wohl dazu imstande, Kühlschränke<br />
in der Arktis und Öfen in den Tropen<br />
verkaufen zu können, oder Sand in der Sahara<br />
und Wind an holländische Windmühlenbesitzer?<br />
W wie Walt Disney<br />
Ohne Walter Elias Disney gäbe es Dagobert<br />
Duck nicht. Ja, ohne ihn gäbe es nicht einmal<br />
den <strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong>. Ohne Disney hätten wir<br />
nicht die vielen spannenden Figuren, zu denen<br />
man noch so viel forschen kann. Disney hat dafür<br />
gesorgt, dass Dagobert Duck als Ente auftritt,<br />
sonst wäre Dagobert vielleicht ein Truthahn<br />
oder etwas noch Seltsameres geworden.<br />
V wie Van Horn<br />
William Van Horn erschuf Dagoberts ersten<br />
Halbbruder: den gefrässigen und faulen Dietram<br />
Duck. Das genaue Gegenteil von Dagobert?<br />
Fast. Beide sind nämlich unheimlich sparsam!<br />
In Italien wurden für das Geburtstagskind<br />
auch andere Geschwister erfunden. Oma Duck<br />
ist dort z.B. seine Schwester. Und als Bruder<br />
wurde Dettmar Duck von Romano Scarpa eingeführt.<br />
Don Rosa etablierte für Dagobert seine<br />
Schwester Dortel und Mathilda Duck: Eine ganz<br />
schön grosse Familie!<br />
X markiert die Stelle<br />
„Noch nie hat ein X irgendwo, irgendwann einen<br />
bedeutenden Punkt markiert!” klärt College-Professor<br />
Dr. Henry Jones seine Studenten<br />
über den verbreiteten Irrtum der Archäologie<br />
in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug”<br />
auf. Eine gute Stunde Film später blickt der<br />
kundige Abenteurer auf den Boden einer historischen<br />
Bibliothek in Venedig und erkennt unter<br />
seinen Füßen eine monumentale römische<br />
Zehn, die den Ort eines geheimen Eingangs<br />
markiert. Filmproduzent George Lucas, der für<br />
die Indiana-Jones-Tetralogie verantwortlich<br />
zeichnete, liebte solchen Humor aus den Duck-<br />
62
ARTIKEL<br />
Dagobert Duck von A bis Z<br />
kanadisch-britische Schauspieler mit schottischen<br />
Wurzeln schlüpfte erstmalig für „Mickys<br />
Weihnachtserzählung” (1983) in die Sprechrolle<br />
des Dagobert Duck, die den Produzenten der<br />
TV-Zeichentrickserie „DuckTales” (1987 bis<br />
1990) so gut gefiel, dass Young sich auch im Kinofilm<br />
„DuckTales – Jäger der verlorenen<br />
Lampe” (1990) etablierte. Youngs Faible für die<br />
Figur, mit er laut herumschnattern oder bei Bedarf<br />
auch sanfte, liebevolle Töne mitschwingen<br />
lassen konnte, setzte sich bei TV-Produktionen<br />
wie „Neue Micky Maus Geschichten” (1999 bis<br />
2000) oder „Mickys Clubhouse” (2001 bis 2003)<br />
fort. Noch im hohen Alter von 94 Jahren kehrte<br />
er für das Videospiel „DuckTales Remastered”<br />
(2013) zu seinem Lieblingserpel zurück und<br />
sprach dutzende Voice-Clips ein.<br />
Comics seiner Jugend, in der er vor allem die<br />
Abenteuergeschichten aus der Feder von Carl<br />
Barks verschlang. So ist es kein Zufall, dass Indiana<br />
Jones zu Beginn seines ersten Blockbusters<br />
vor einem rollenden Felsen aus einem verlorenen<br />
Tempel flieht, aus dem er gerade eine<br />
Götzenfigur gestohlen hat: Die Vorlage für<br />
haargenau diese Szene bildete „Die sieben<br />
Städte von Cíbola”. Auch im zweiten Teil „Indiana<br />
Jones und der Tempel des Todes” kupferten<br />
die Kinomacher beim kultigen Comic „Das<br />
Gold der Inkas” ab, wo eine verschollene Mine<br />
von einem riesigen Wasserschwall zum Einsturz<br />
gebracht wird. Nach Carl Barks, der Onkel<br />
Dagoberts Ader für Schatzsuchen erstmalig in<br />
„Das Gespenst der Duckenburgh” aufleben ließ<br />
und den Duck-Clan auf die Suche nach dem<br />
goldenen Vlies, dem Stein der Weisen oder der<br />
Krone der Mays schickte, ersann vor allem Don<br />
Rosa neue Abenteuer. Bei ihm stießen die<br />
Ducks u.a. auf den Schatz von König Krösus,<br />
das Gold aus dem Tempel von Manco Cápac<br />
und dem Goldsee von Eldorado sowie schließlich<br />
auf die Krone der Kreuzfahrerkönige und<br />
den Schatz der Tempelritter.<br />
Y wie Alan Young<br />
Seine unverwechselbare Stimme mit dem ulkigen<br />
schottischen Akzent erhielt Onkel Dagobert<br />
in den Zeichentrickproduktionen jahrzehntelang<br />
von Alan Young (1919 – 2016). Der<br />
Z wie Zehner<br />
Was wäre Dagobert ohne seinen geliebten<br />
Glückszehner? Seine erste selbstverdiente<br />
Münze begleitet ihn seit dem Tag, als er sie mit<br />
zehn Jahren beim Schuheputzen in Glasgow<br />
verdiente. Er hätte es jedenfalls ohne sie nie<br />
zum reichsten Mann der Welt geschafft, denn<br />
stets war ihm der Zehner Ansporn, mit seinen<br />
eigenen Händen ein Vermögen verdienen zu<br />
können. Bei so manchem schwierigen<br />
63
Dagoberts geschäftlicher Erfolg teilweise<br />
hängt. In einigen Geschichten hat der Zehner<br />
sogar magische Kräfte!<br />
Unterfangen hat sich der Zehner auch schon<br />
als Rettung erwiesen, etwa als er nur dank der<br />
Münze und des Bindfadens, mit dem sie befestigt<br />
ist, ein Duell mit seinem Dauerkontrahenten<br />
Mac Moneysac gewonnen hat. Aber auch in anderen<br />
Gelegenheiten hat der Zehner sich<br />
schon oft als Glücksbringer erwiesen, an dem<br />
Deshalb sind auch seine schlimmsten Gegner<br />
wie Gundel Gaukeley immer hinter dem Zehner<br />
her. Die neapolitanische Hexe plant sogar,<br />
die Münze im Vesuv zu einzuschmelzen und ihr<br />
selbst ein Amulett daraus zu schmieden. Dieses<br />
würde Gundel zur mächtigsten Hexe der<br />
Welt machen und ihr erlauben, alles in Gold zu<br />
verwandeln, was sie berührt. Gundel hat sich<br />
schon abertausende Hexentricks einfallen lassen<br />
und Dagobert versucht mit Meteoriten, Killerpflanzen<br />
oder Vergessenszauber den heißbegehrten<br />
Zehner abzujagen, doch immer vergebens.<br />
ALLES GUTE ZUm 75. Geburtstag, BERTEL!<br />
64
COMIC<br />
Mode, Musik und Make-up<br />
Story & Zeichnungen: Ivan Saidenberg, Übersetzung: Luis Bärenfaller, (Entstehung: 1993)<br />
65
COMIC<br />
Mode, Musik und Make-up<br />
66
COMIC<br />
Mode, Musik und Make-up<br />
67
COMIC<br />
Mode, Musik und Make-up<br />
68
COMIC<br />
Mode, Musik und Make-up<br />
69
COMIC<br />
Mode, Musik und Make-up<br />
70
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
Die Maus der Moderne<br />
von Duck-Mouse-Forscher und Spectaculus<br />
Viele Disney-Fans bevorzugen vor allem alte<br />
Geschichten. Dies gilt auch für Maus-Geschichten.<br />
Unter „alten Meistern der Maus”<br />
versteht man vor allem Künstler wie Floyd<br />
Gottfredson, Bill Wright, Paul Murry, Romano<br />
Scarpa, Massimo de Vita und noch viele mehr.<br />
Carl Barks zeichnete nur eine einzige Maus-Geschichte,<br />
nämlich „Rätsel um einen roten Hut”<br />
(welche im April 1945 entstand, aber erst im<br />
August des gleichen Jahres veröffentlicht<br />
wurde).<br />
Schauen wir uns zuerst mal den frühen Micky<br />
an: Er wurde durch den Film „Steamboat Willie”<br />
bekannt, hatte aber seinen Erstauftritt im<br />
Stummfilm „Plane Crazy”. In seinen ersten Filmen<br />
(und auch Comics) war er noch ziemlich<br />
frech und auch ein bisschen albern. Jedoch<br />
wurde Micky schnell sehr artig und auch besserwisserisch.<br />
Walt Disney meinte selbst, dass<br />
die Figur langsam zu langweilig würde und erfand<br />
daher die Figur Donald Duck, die bis heute<br />
populärer ist als Micky. Doch Micky war noch<br />
nicht untergegangen: Gottfredson schuf weiter<br />
an den täglich erschienenen Comicstrips, in denen<br />
Micky weiterhin ein attraktiver Charakter<br />
war. Doch in ein paar Geschichten musste auch<br />
Donald auftreten, sonst wäre Micky vermutlich<br />
doch untergegangen. Also tauchte Donald in<br />
Geschichten wie „Im Haus der sieben Gespenster”<br />
oder „Presse unter Druck” auf.<br />
In den 40ern tauchte Micky jedoch kaum noch<br />
in Filmen auf, sondern weiter in Gottfredsons<br />
Comic-Strips. Doch nicht nur Donald sollte (auf<br />
der Leinwand) in den Krieg ziehen. Auch auf<br />
den Micky-Comicstrip hatte der Krieg Einfluss,<br />
zum Beispiel in Geschichten wie „Das Nazi-U-<br />
Boot” oder „Die Welt von Morgen”. Zu diesem<br />
Zeitpunkt wurde Bill Walsh Teil des Teams und<br />
übernahm fortan das Texten der Comics, während<br />
Gottfredson sich auf das Zeichnen beschränkte.<br />
Walshs Einfälle waren – obwohl<br />
Gottfredson hier die Messlatte mit Geschichten<br />
wie „Im Netz der Luftpiraten”, „Die Magnetklaue<br />
schlägt zu” oder „Die Insel in den Wolken”<br />
Micky trifft Donald als Zeitungsburschen in „Presse unter Druck”<br />
71
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
schon hoch gelegt hatte – bizarrer und teilweise<br />
geradezu grotesk. Walsh setzte auch<br />
mehr auf Übernatürliches und Unerklärliches.<br />
Diese Ära wird oft nicht so positiv bewertet wie<br />
die früheren Geschichten, auch weil Walsh die<br />
Plots teilweise eher zu improvisieren schien,<br />
aber gerade auf die italienischen Künstler hatte<br />
sie unglaublich starken Einfluss.<br />
Über die 19<strong>50</strong>er Jahre verlor der Zeitungsstrip<br />
langsam an Bedeutung, während dezidierte<br />
Comichefte wichtiger wurden. Hier entwickelten<br />
sich zwei getrennte Strömungen. In den<br />
USA wurden die Geschichten meist von Paul<br />
Murry gezeichnet, unter dessen Ägide (sowie<br />
der von Autoren wie Carl Fallberg) der Mäuserich<br />
zu einem eher eindimensionalen Charakter<br />
wurde, der allerdings regelmäßig spannende<br />
Kriminalfälle löste. Neben Kater Karlo wurden<br />
hier Schnauz, Zwerg Zwetschge und der gefährliche<br />
Gregor zu wichtigen Gegnern.<br />
läuteten zeichnerisch beeindruckend die Ära<br />
des kleinformatigen Topolino-Heftchens ein.<br />
Andere Eigenproduktionen aus dieser Zeit waren<br />
allerdings ungelenke Kopien und Remakes<br />
von Gottfredson oder abgepaust von britischen<br />
Zeichnern wie Harold Whitaker („Der Schrecken<br />
des Meeres”, LTB 62).<br />
Gottfredsons Zeitungsstrips hatten sich in Italien<br />
großer Beliebtheit erfreut, aber nachdem<br />
die Ära der Fortsetzungsgeschichten in den<br />
USA 1955 beendet wurde, bestand weiterhin<br />
eine Nachfrage nach langen Abenteuern. Von<br />
nun an produzierten die Italiener diese selbst<br />
(und schufen dabei gerne Sequels zu Gottfredson-Geschichten<br />
wie „Das doppelte Geheimnis<br />
des Schwarzen Phantoms” oder „Die Magnetklaue<br />
schlägt wieder zu”). Hierbei sticht besonders<br />
Romano Scarpa hervor, ein glühender<br />
Verehrer von Gottfredson, der viele Posen vom<br />
Zugleich nahm die Comicproduktion in Italien<br />
wieder Fahrt auf (siehe zur Vorgeschichte<br />
McDucks Artikel in BE 47). Schon 1948 gab es<br />
die ersten italienischen Mauscomics der Nachkriegsära.<br />
„Topolino e il cobra bianco” (noch im<br />
großen Format begonnen) und „Mickys Inferno”<br />
von Guido Martina und Angelo Bioletto<br />
Aus „Der Schrecken des Meeres”<br />
Erste Seite der wohl wichtigsten Geschichte der 60er und 70er und auch eine der<br />
bedeutendsten Maus-Geschichten überhaupt<br />
von Scarpas Werk „Die Irokesenkette”.<br />
72
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
Amerikaner übernahm und sich in seinen selbst<br />
geschriebenen Geschichten deutlich an die<br />
verrückten Ideen von Bill Walsh anlehnte, allerdings<br />
mit etwas mehr Fokus auf den großen<br />
Zusammenhang.<br />
Andere Stile pflegten Luciano Bottaro, Giovan<br />
Battista Carpi, Giuseppe Perego oder Pier<br />
Lorenzo de Vita.<br />
Geschichte. „Seoul 1988 – Olympisches Fieber”<br />
(LTB 130), ein Crossover mit den Ducks und den<br />
Mäusen auf 2<strong>50</strong> Seiten.<br />
In den 90ern kamen weitere Talente wie Fabio<br />
Celoni, Silvia Ziche und Paolo Mottura hinzu.<br />
Außerdem zeichnete Massimo de Vita mit<br />
Franco Valussi die längste<br />
Dann begannen die 60er, in denen<br />
auf beiden Seiten des Atlantik<br />
bedeutende Maus-Werke<br />
entstanden. In den USA waren<br />
dies viele dreiteilige Murry-Krimis<br />
und eine Serie rund um das<br />
zurückgekehrte, allerdings etwas<br />
weichgespülte Schwarze<br />
Phantom.<br />
In den 70ern wurden die wichtigen<br />
Geschichten eigentlich nur<br />
noch von italienischen Künstlern<br />
kreiert, u.a. von: Scarpa, Carpi,<br />
Giorgio Cavazzano, Sergio Asteriti,<br />
Giulio Chierchini und Guido<br />
Scala. Bereits in den 60ern begann<br />
auch Massimo de Vita Disney<br />
Comics zu kreieren. Zu Beginn<br />
von seinem Vater Pier Lorenzo<br />
beeinflusst, entwickelte er<br />
bald unter Einfluss von Scarpa,<br />
Cavazzano, Gottfredson, aber<br />
auch Murry einen der beliebtesten<br />
Stile im LTB.<br />
1979 erfand er Professor<br />
Zapotek. In den 80ern erreichte<br />
er wohl seinen Höhepunkt und<br />
erschuf ein unglaubliches Werk,<br />
nämlich die Asgardland-Saga,<br />
eine der gefeiertsten italienischen<br />
Disney-Serien. Darauf<br />
folgten noch „Kampf der Galaxien”,<br />
und zwei Serien rund um<br />
Mickys Vorfahren: „Es war einmal<br />
in Amerika” und „Die Mauser-Chroniken”.<br />
Doch damit war nicht genug: Romano<br />
Scarpa war auch weiterhin<br />
im Geschäft und schuf die<br />
längste nicht unterteilte<br />
Die erste Seite des ersten Kapitels der „Asgardland-Saga”.<br />
73
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
komplex, die Zeichnungen stammten von jungen,<br />
oft spanischen Künstlern wie Joaquín<br />
Cañizares Sanchez, Miguel Fernández Martinez<br />
und Xavi (Xavier Vives Mateu). Für Goofy war in<br />
diesem Universum kein Platz und manche Disney-Mitarbeiter<br />
wie DDSH-Redakteur Joachim<br />
Stahl machen die Serie für Mickys weiter<br />
schlechter werdendes Image verantwortlich.<br />
Titelseite von „Seoul 1988”<br />
zusammenhängende Geschichte im LTB der<br />
Hauptreihe, nämlich „Der Tierkreisstein” von<br />
Bruno Sarda. 1991 schufen Giorgio Cavazzano<br />
und Silvano Mezzavilla die Geschichte „Das<br />
verzögerte Telefonat”, welche laut einer Umfrage<br />
der Topolino-Redaktion und der Leser<br />
die beste Geschichte der 90er Jahre werden<br />
sollte.<br />
Aber was auch beliebt wurde, waren Comic-<br />
Reihen mit Micky als „hardboiled detective”.<br />
Bei Egmont hatte man in den 80ern die Linie<br />
von Murry weiterverfolgt, wobei Zeichner wie<br />
Bancells oder Tello Murrys Stil zwar ordentlich<br />
nachahmten, aber nicht denselben Charme<br />
hatten. So galten die Maus-Comics, die oft<br />
auch keine ansprechende Charakterisierung<br />
hatten, als Schwachpunkt der Micky-Maus-<br />
Hefte. Daran musste sich etwas ändern.<br />
Ein Versuch war die Serie „Ein Fall für Micky”,<br />
die von 1994 bis 1995 in einem eigenen 100-seitigen<br />
Taschenbuch erschien. Die Detektivgeschichten<br />
waren nun düster-ernsthaft und<br />
In Italien gab es die in Grundzügen ähnliche Serie<br />
„Mickey Mouse Mystery Magazine” („Micky<br />
Mystery” auf Deutsch) ab 1999 im seit PKNA<br />
bewährten Albumformat, die allerdings im Vergleich<br />
mit EFFM weitaus mehr Humor, schönere<br />
Zeichnungen sowie einen durchgängigen<br />
Handlungsrahmen aufweisen kann.<br />
„Anderville”, die Debütstory, stammt von Tito<br />
Faraci und Giorgio Cavazzano. Leider wurde<br />
auch diese Serie nicht alt und aufgrund des (für<br />
damalige Verhältnisse) schwachen Verkaufs<br />
nach zwölf Kapiteln eingestellt. Zudem hatte es<br />
Schwierigkeiten mit der Disney-”Kontrollbehörde”<br />
gegeben, die damals noch in Paris ansässig<br />
war (heute ist sie in Italien) und der die<br />
recht ruppigen Geschichten ein Dorn im Auge<br />
waren.<br />
Ein Jahr nach Ende von Micky Mystery gab es<br />
2002 eine neue Serie, die tatsächlich Mystery<br />
bot: X-Mickey, auf Deutsch Micky X. Diese<br />
Reihe brachte es auf weitaus mehr Episoden<br />
und feierte auch nach Ende der Albenreihe im<br />
Topolino immer mal wieder eine Rückkehr.<br />
In Dänemark ging man weiter dem Problem der<br />
unbeliebten Maus auf den Grund. Als der Amerikaner<br />
und Gottfredson-Fan Byron Erickson<br />
(u.a. verantwortlich für die Titel der Gottfredson-Fortsetzungsgeschichten)<br />
neuer Redakteur<br />
bei Egmont wurde, wollte dieser die Figur<br />
wieder beliebter machen.<br />
Der Spanier Cèsar Ferioli Pelaez feierte sein<br />
Debüt als Zeichner für italienische Comics in<br />
den 80ern, zeichnete dann allerdings auch für<br />
Hachette, Sanoma und schließlich Egmont in<br />
Dänemark. Dort entdeckte Byron Erickson ihn<br />
und fand Gefallen an Feriolis Stil, der ihn an<br />
Gottfredson erinnerte. Gemeinsam mit Paco<br />
Rodriguez sollte Ferioli die Maus wieder verjüngen.<br />
74
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
Das spiegelte sich in einer Abkehr vom bewährten<br />
Detektivschema wider. Stattdessen<br />
sollte Micky wieder mehr wilde Abenteuer wie<br />
die von Erickson selbst geschriebenen Geschichten<br />
„Die unheimliche<br />
Wetter-<br />
Villa” oder „Verschollen<br />
im Marmeluda-<br />
Dreieck” (1994 erschienen)<br />
erleben. Allerdings<br />
war die Umsetzung<br />
oft nicht so<br />
gut wie in Ericksons<br />
eigenen Comics. So<br />
mutierte Micky in Geschichten<br />
wie „Ärger<br />
in den Bergen” zu einem<br />
Donald-artigen<br />
Trampel. Und die kurz<br />
zuvor noch bei „Ein<br />
Fall für Micky” als<br />
Zeichner düsterer<br />
Szenen und hässlicher<br />
Schurken tätigen<br />
Joaquín oder Xavi<br />
wurden nun auch<br />
nicht über Nacht zu<br />
Kinderbuchillustratoren,<br />
dünnten aber (offenbar<br />
auf Anweisung<br />
von oben) ihre Bilder<br />
sehr aus und zeichneten<br />
Micky gerne mal<br />
mit einem übertriebenen<br />
Grinsen.<br />
Während die neuen dänischen Comics im Micky-Maus-Magazin<br />
allerdings durchaus gute<br />
Seiten hatten, kann man dasselbe nicht über<br />
die im Taschenbuchformat sagen. Schon „Im<br />
Königreich der Elfen” von Sarah Kinney und<br />
Joaquín (LTB 128), die vielleicht erste Geschichte<br />
des (wie er später von Fans abschätzig<br />
genannt wurde) „Kaschperlmicky”, zeigte einen<br />
Charakter, der kaum noch als derselbe Micky<br />
Maus erkennbar war, den man im LTB bis dahin<br />
kannte.<br />
Diese Entwicklung wurde schließlich auch optisch<br />
deutlich: Man begann Micky wieder wie<br />
früher (rote, kurze Hose mit gelben Punkten<br />
und schwarzen Schuhen) zu zeichnen. Das<br />
wirkte nicht selten unpassend angesichts ansonsten<br />
voll angezogener Figuren, oder in verschneiter<br />
Gegend. Zum ersten Mal geschah<br />
das im LTB in der Geschichte „Es darf nur einen<br />
geben”, einer der seltenen<br />
LTB-Auftritte<br />
Feriolis. Hier war der<br />
Kurzhosenmicky der<br />
„einzig wahre”, während<br />
die Kopien alle<br />
wie der herkömmliche<br />
Micky aussehen. In<br />
„Das Rätsel der verschwundenen<br />
Socken”<br />
war die kurze<br />
Hose dann schon<br />
Standard, ebenso wie<br />
der seltsame Plot (in<br />
diesem Fall ging es<br />
um sprechende Füße).<br />
Und das war nicht das<br />
einzige Ärgernis. Zeitgleich<br />
mit der stilistischen<br />
Änderung hatte<br />
man nämlich aufgrund<br />
der schlechten Ratings<br />
der Mauscomics<br />
entschieden, dass Micky<br />
in Zukunft nur<br />
noch einen Auftritt pro<br />
LTB haben sollte. Bis<br />
dahin waren es seit<br />
LTB 120 fast immer<br />
mindestens zwei gewesen (früher wechselten<br />
sich vorwiegend Bände ab, die entweder dem<br />
Duck- oder dem Maus-Universum gewidmet<br />
waren). Da die dänischen Comics aber speziell<br />
für das LTB und seine Pendants in den anderen<br />
Ländern produziert wurden, bekamen diese<br />
von nun an fast immer den Platz, der für italienische<br />
Mauscomics aus dem Topolino fehlte.<br />
Zwischen LTB 276 und 296 hatte der italienische<br />
Micky gerade mal drei Auftritte in Form<br />
von Einseitern. Stattdessen konnte man so unausgegorene<br />
Comics wie „Der fingierte Auftrag”<br />
goutieren. Als der Autor Darko Macan<br />
(den man schon von den „verschwundenen Socken”<br />
kannte) zusammen mit Xavi die Geschichte<br />
„Angriff der Riesenpinguine” kreierte,<br />
gab es großes Aufsehen: nicht weil sie so gut<br />
75
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
Micky Maus in „Darkenblot – Die Zukunft hat begonnen”<br />
war, sondern (wie es viele Disney Fans bis<br />
heute behaupten), weil sie so schlecht war. Im<br />
Inducks landete sie sogar auf den letzten Platz<br />
aller Disney-Geschichten. Dabei zeigt sie eigentlich<br />
nur – wenn auch diesmal besonders<br />
grotesk – das generelle Problem der kurzhosigen<br />
Maus: Der Charakter ist schwach und wird<br />
hauptsächlich dadurch aufgewertet, dass er<br />
körperliche Mutationen durchmacht. Mit Donald<br />
stellten dieselben Autoren übrigens dasselbe<br />
an (z.B. in „Schlimmer geht immer”), aber<br />
es gab auch immer „normale” Donald-Geschichten.<br />
Nicht so bei Micky, der nun nur noch<br />
als Karikatur existierte.<br />
Die Kritik im deutschen Disney Comics Fan Forum<br />
ging nicht spurlos vorbei. Der neue LTB-<br />
Chefredakteur Peter Höpfner setzte sich für<br />
eine Verbesserung der Taschenbücher ein.<br />
2006 schließlich gab er bekannt, dass es keine<br />
neuen LTB-Comics mit Micky von Egmont<br />
mehr geben würde (außer Crossover mit anderen<br />
Figuren). Das Ende der Kurzhosenära und<br />
die Einführung der „Zweitmaus” (einer Geschichte<br />
rund um Nebencharaktere des Maus-<br />
Universums wie Goofy, Kommissar Hunter oder<br />
Kater Karlo) machte also Platz für italienische<br />
Comics, auch wenn es nach wie vor einen riesigen<br />
Rückstau gab.<br />
Auch in Italien gab es Versuche, die Figur wieder<br />
näher an ihre Ursprünge zu bringen. Hier<br />
stechen besonders die Autoren Tito Faraci und<br />
Francesco Artibani hervor, die gemeinsam mit<br />
Corrado Mastantuono ein Abenteuer produzierten,<br />
in dem Micky ebenfalls seine rote Hose<br />
wieder anzieht, aber nicht völlig seinen Charakter<br />
verliert. „Im Strudel der Zeit” (LTB 267) von<br />
1998, das an Mickys ersten Filmauftritt<br />
„Steamboat Willie” anknüpft, gilt denn auch als<br />
Meilenstein.<br />
Ab 2003 begann in Italien zudem ein bis heute<br />
noch aktives, großes Talent: Andrea Castellan,<br />
besser bekannt unter dem Pseudonym Casty.<br />
Der wurde schnell als neuer Shooting-Star gefeiert<br />
und die deutschen Fans beklagten sich,<br />
dass seine Comics so selten im LTB erschienen.<br />
Unter anderem deshalb wagte man 2011<br />
einen großen Schritt und brachte analog zur<br />
Enten-Edition auch eine LTB-Nebenreihe namens<br />
Maus-Edition heraus, im Rahmen derer<br />
einige Glanzstücke ihren Weg zu uns fanden,<br />
wie das Comeback von Atömchen in „Gefangen<br />
in der Dimension der Schatten” oder das<br />
dystopische „Tutors Welt”.<br />
Casty ist bekennender Fan von Scarpa und<br />
Gottfredson und wird gerne als legitimer Nachfolger<br />
der beiden Vorbilder gehandelt. Zeichnerisch<br />
ist er beiden deutlich näher als<br />
76<br />
Aus „Das ewige Imperium”
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
Cavazzano, dessen Micky in Italien zum Standard<br />
geworden ist. Castys Bandbreite als Autor<br />
ist enorm, so beherrscht er dramatische Epen<br />
wie das futuristische und von spektakulären<br />
Kampfszenen durchsetzte „Darkenblot” genauso<br />
wie lustige Kurzgeschichten, in denen<br />
Micky auch mal blöd dastehen darf. Sein Micky<br />
ist weniger ausdrucksstark als der von Faraci<br />
oder Artibani (oder auch Scarpa, der Micky<br />
manchmal regelrecht zum Wüterich machte),<br />
sticht dafür aber durch seine Neugierde und<br />
Empathie hervor.<br />
2015 (auf Deutsch zwei Jahre später in Maus-<br />
Edition 8) kam eine besonders große Geschichte<br />
von Casty heraus. „Das ewige Imperium”<br />
wurde im Inducks auf Platz 32 aller Geschichten<br />
positioniert (Stand: Februar 2023)<br />
und ist damit die höchstbewertete Geschichte<br />
eines noch aktiven Autors und Zeichners im Inducks,<br />
sowie – direkt nach Gottfredsons „Haus<br />
der sieben Gespenster”, aber einen Platz vor<br />
Scarpas „Irokesenkette” – laut Inducks-Algorithmus<br />
die zweitbeste Maus-Geschichte überhaupt.<br />
Momentan konzentriert sich Casty leider vorwiegend<br />
auf das Zeichnen, aber die von ihm<br />
umgesetzten Plots des vielversprechenden<br />
Marco Nucci atmen viel vom selben Geist, den<br />
auch Castys eigene Comics verströmen. Dazu<br />
arbeiten mit Vito Stabile, Pietro Zemelo oder<br />
Francesco Vacca weitere Autoren für Panini,<br />
die Mickys Charakter verstehen. Zeichnerisch<br />
gibt es neben dem eher nostalgischen Stil von<br />
Casty auch deutlich modernere Darstellungen<br />
Von Claudio Sciarrone, Stefano Intini,<br />
Francesco D’Ippolito oder Andrea Freccero. Einen<br />
jugendlichen Micky sieht man seit LTB Premium<br />
Plus 1 an der Seite des ebenso jungen<br />
Donald Duck. Diese Zyklen entstanden übrigens<br />
genau wie „Das große Geheimnis von Micky<br />
Maus” für Disney Publishing Worldwide,<br />
also mit Veröffentlichungen in möglichst vielen<br />
Ländern.<br />
Aber auch die klassischen Stile werden nicht<br />
vernachlässigt: Ende 2022 trat Cristian Canfailla<br />
in die großen Fußstapfen von Massimo de Vita<br />
und zeichnete eine neue Geschichte rund um<br />
das Asgardland, geschrieben von Marco Nucci.<br />
Im MM-M und seinen Nebenreihen gibt es mittlerweile<br />
auch wieder Comics mit einem „normalen”,<br />
komplett angezogenen Micky. Und<br />
auch wenn sie unter dem generellen Problem<br />
leiden, dass Egmont nur noch Kurzgeschichten<br />
produziert, sind darunter auch immer wieder<br />
Lichtblicke. Besonders gerne gesehen ist dabei<br />
als Zeichner Massimo Fecchi (Joaquín hat sich<br />
aber auch gemausert), und bei den Autoren<br />
fällt Jaakko Seppälä immer öfter positiv auf.<br />
Neue Impulse kamen zudem in jüngster Zeit<br />
aus Frankreich. Der Glénat-Verlag ermöglicht<br />
es Künstlern, die wenig mit Disney zu tun haben,<br />
in Alben wie "Mickey's Craziest Adventures"<br />
oder "Horrifikland" ihre eigenen Vorstellungen<br />
umzusetzen. "Micky All-Stars" vereint<br />
gleich dutzende Zeichenstile, aber auch der<br />
Disney-Zeichner Silvio Camboni hat in "Micky<br />
und der verlorene Ozean" sowie "Micky in der<br />
alten Welt" Beeindruckendes geschaffen.<br />
Diese auch als "Nouvelle Maus" bezeichnete<br />
Hommage-Reihe hat wieder etwas mehr Interesse<br />
an der Figur hervorgerufen, auch wenn<br />
im Rahmen der Alben mittlerweile auch Donald-<br />
und Dagobert-Bände erschienen sind.<br />
Fazit: Die Maus ist leider mit der Zeit immer unpopulärer<br />
geworden, ist aber zum Glück nicht<br />
untergegangen und hat noch ihre Daseinsberechtigung.<br />
Künstler wie Casty und Ferioli sorgen<br />
– zum Glück – noch dafür, dass es von der<br />
Maus noch großartige Geschichten gibt und<br />
uns solche hoffentlich auch noch lange erhalten<br />
bleiben. Zum Schluss ein paar Vergleiche<br />
zwischen damaligen und heutigen Zeichnern:<br />
Micky und Pluto in: „Badetag”<br />
77
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
Die 30er im Vergleich zu den 2000er Jahren<br />
Zeichnung: Floyd Gottfredson<br />
Aus: Die waghalsigen Walfänger<br />
Zeichnung: Joaquín Cañizares Sanchez<br />
Aus: Das Geheimnis von Venedig<br />
Die 40er im Vergleich zu den 2010ern<br />
Zeichnung: Floyd Gottfredson<br />
Aus: Liebeswirren<br />
Zeichnung: Stefano Intini<br />
Aus: Zum Heulen zumute<br />
78
ARTIKEL<br />
Die Maus der Moderne<br />
Die <strong>50</strong>er im Vergleich zu den 2020ern<br />
Zeichnung: Paul Murry<br />
Aus: Der friedliche Ferienort<br />
Zeichnung: Francesco D'Ippolito<br />
Aus: Düquitanien - Zweiter Teil: Kampf ums Königreich<br />
Die 60er im Vergleich zu den 90ern<br />
Zeichnung: Romano Scarpa<br />
Aus: Der Mann aus Ping-Pong<br />
Zeichnung: Massimo de Vita<br />
Aus: Die Intergalaktische Friedensflotte -<br />
Der Allmeister rettet die Welt<br />
79
80
LESERBRIEFE<br />
„Poche ragazze da quelle parti”<br />
Leserbriefe<br />
Hallo liebes Team vom <strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong>!<br />
Ich habe vor kurzem überhaupt erst erfahren, dass es euch gibt. Und zwar im Donald Duck Sonderheft<br />
425 (ich bin beim Lesen ein wenig in Rückstand).<br />
Ich habe dann sofort eure Seite im world wide web gesucht und dort ein wenig rumgestöbert. Was<br />
soll ich sagen?! Ich bin begeistert und hoffe, dass noch viele Ausgaben vom <strong>Bertel</strong>-<strong>Express</strong> erscheinen<br />
werden. Ich persönlich habe diesbezüglich jetzt noch einiges nachzulesen. Besonders<br />
freue ich mich auf die Interviews.<br />
Ansonsten bin ich 42 Jahre alt und lese seit meiner Kindheit Disney-Comics. Aktuell wären dies<br />
das DDSH (siehe oben) und die Entenhausen Edition. Von Zeit zu Zeit mal ein Lustiges Taschenbuch<br />
oder auch eine Ausgabe vom Micky-Maus-Magazin. Zudem bin ich immer mal wieder auf<br />
der Suche nach älteren Micky-Maus-Ausgaben (von Ende der 70er bis Mitte der 90er) beim Comic-Händler<br />
meines Vertrauens. Meine Begeisterung für Disney-Comics startete mit dem LTB 131<br />
– 60 Jahre Micky! – das war damals ein Geschenk meiner Eltern. Und ich habe das Taschenbuch<br />
(neben vielen anderen) bis heute fein sauber verwahrt.<br />
In der Anlage schicke ich euch noch eine Zeichnung von mir. Ich habe es „Die dunkle Seite von M.<br />
Maus genannt. Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel. :)<br />
Liebe Grüße aus dem Saarland.<br />
Euer Ralf<br />
81
GEWINNSPIEL<br />
Teilnahmeschluss: 25. Mai 2023<br />
GEWINNSPIEL<br />
82
INTERNES<br />
Vorschau<br />
VORSCHAU<br />
In der nächsten Ausgabe bringt uns<br />
Simone Cavazzuti mysteriöse Zensuren<br />
in Phantomias-Comics etwas<br />
näher.<br />
Bei Ivan<br />
Saidenberg<br />
macht José<br />
sein eigenes<br />
Comicheft…<br />
…und falls ihr schon immer mal etwas mehr über<br />
Spurobold erfahren wolltet, werdet ihr im BE 51 fündig!<br />
BERTEL-EXPRESS 51<br />
ERSCHEINT<br />
VORAUSSICHTLICH<br />
AM 1. Juni 2023.<br />
83
IMPRESSUM<br />
Ausgabe <strong>50</strong> – 02.03.2023<br />
AUSGABE <strong>50</strong> – 02.03.2023<br />
Chefredakteur (V.i.S.d.P.):<br />
Milian Schwab<br />
Stellvertretung: David Bühring<br />
Mitarbeiter an dieser Ausgabe:<br />
carlfuchs, David Bühring, Debbie Perry, Duck-<br />
Mouse-Forscher, Entenfan, Glückstaler,<br />
Karsten Bracker, Luis Bärenfaller, McDuck,<br />
Mikkel Hagen, Milian Schwab, Poco23, Ronald<br />
Ruck, Sikyurame, Spectaculus, Stefan Binter<br />
Lektorat: Glückstaler, Spectaculus<br />
Gestaltung:<br />
Luis Bärenfaller (Zusammenstellung)<br />
Redaktionsschluss:<br />
02. März 2023<br />
Titelbild:<br />
Idee: Glückstaler, nach Andrea Freccero<br />
Zeichnung: Stefan Binter<br />
Backcover:<br />
Idee: Spectaculus<br />
Zeichnungen: Stefan Binter<br />
Umsetzung: Luis Bärenfaller<br />
Bild Seite 3:<br />
Mikkel Hagen<br />
Internet:<br />
bertel-express.wixsite.com/fanzine<br />
www.issuu.com/bertel-expres<br />
www.yumpu.com/user/bertelexpres<br />
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E-Mail:<br />
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Alle Bilder und Zeichnungen, sofern nicht anders angegeben, © Disney Enterprises Inc.<br />
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