08.03.2023 Aufrufe

SB_20424BGLP

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2022<br />

Abschlussbericht<br />

DVS-Forschung<br />

Referenzsystem für die<br />

Bewertung magnetischer<br />

Felder im Bereich des<br />

Widerstandsschweißens zur<br />

Umsetzung der neuen EMF-<br />

Richtlinie 2013/35/EU


Referenzsystem für die<br />

Bewertung magnetischer<br />

Felder im Bereich des<br />

Widerstandsschweißens zur<br />

Umsetzung der neuen EMF-<br />

Richtlinie 2013/35/EU<br />

Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben<br />

IGF-Nr.: 20.424 BG<br />

DVS-Nr.: 04.076<br />

Universitätsklinikum Aachen<br />

AöR Institut für Arbeits-,<br />

Sozial- und Umweltmedizin<br />

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

Institut für Elektrische Energiesysteme<br />

Lehrstuhl Leistungselektronik<br />

RWTH Aachen<br />

Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik<br />

(ISF)<br />

Förderhinweis:<br />

Das IGF-Vorhaben Nr.: 20.424 BG / DVS-Nr.: 04.076 der Forschungsvereinigung Schweißen<br />

und verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Str. 172, 40223 Düsseldorf, wurde über die<br />

AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)<br />

vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen<br />

Bundestages gefördert.


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind online abrufbar<br />

unter: http://dnb.dnb.de<br />

© 2022 DVS Media GmbH, Düsseldorf<br />

DVS Forschung Band 560<br />

Bestell-Nr.: 170670<br />

I<strong>SB</strong>N: 978-3-96870-560-6<br />

Kontakt:<br />

Forschungsvereinigung Schweißen<br />

und verwandte Verfahren e.V. des DVS<br />

T +49 211 1591-0<br />

F +49 211 1591-200<br />

forschung@dvs-hg.de<br />

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung in andere Sprachen, bleiben<br />

vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages sind Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die<br />

Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen nicht gestattet.


Schlussbericht vom 30.06.2022<br />

zu IGF-Vorhaben Nr. 20424 BG<br />

Thema<br />

Referenzsystem für die Bewertung magnetischer Felder im Bereich des<br />

Widerstandsschweißens zur Umsetzung der neuen EMF-Richtlinie 2013/35/EU<br />

Berichtszeitraum<br />

01.12.2018 - 30.06.2022<br />

Forschungsvereinigung<br />

Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e.V. des DVS<br />

Forschungseinrichtungen<br />

FE1: RWTH Aachen – Forschungszentrum für elektromagnetische Umweltverträglichkeit<br />

(femu)<br />

FE2: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg - Institut für Elektrische Energiesysteme,<br />

Lehrstuhl Leistungselektronik<br />

FE3: RWTH Aachen – Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF)


Seite 2 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20424 BG<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Kurzzusammenfassung .............................................................................................. 4<br />

2 Danksagung ................................................................................................................ 6<br />

3 Einleitung .................................................................................................................... 7<br />

3.1 Wissenschaftlich-technische Problemstellung .......................................................... 7<br />

3.2 Wirtschaftliche Bedeutung der angestrebten Forschungsergebnisse für KMU ......... 9<br />

3.3 Forschungsziel ....................................................................................................... 10<br />

4 Gegenüberstellung der durchgeführten Arbeiten und des Ergebnisses mit<br />

den Zielen .................................................................................................................. 11<br />

5 Durchgeführte Arbeiten, Ergebnisse und Bewertung ............................................ 14<br />

5.1 Planung und Vorbereitung der experimentellen Arbeiten ........................................ 14<br />

5.1.1 Schweißanlage und Arbeitsbedingungen ............................................................... 14<br />

5.1.2 Geometrische Betrachtung der Position des Bedieners in Bezug auf die<br />

Schweißanlage ...................................................................................................... 16<br />

5.1.3 Stromverlauf ........................................................................................................... 18<br />

5.1.4 Anwendung des Biot-Sarvart-Gesetzes und numerische Simulation/ Application of<br />

Biot-Sarvart-Law and numerical simulation ............................................................ 19<br />

5.1.5 Datenerfassung und Speicherung mittels NI-Hardware .......................................... 20<br />

5.1.6 Experimentale Vorgehensweise ............................................................................. 21<br />

5.1.7 Versuchsplan und Erzeugung einer Versuchsdatenbasis ....................................... 34<br />

5.1.8 Validierung der numerischen Simulation ................................................................ 38<br />

5.2 Auswertung von Strom- und Magnetverteilungen ................................................... 43<br />

5.3 Auswertung auf Grundlage der Expositionsgrenzwerte (und Auslöseschwellen) .... 48<br />

5.4 Entwicklung der Bewertungssoftware ..................................................................... 51<br />

5.5 Web-Tool ............................................................................................................... 59<br />

6 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................ 65<br />

7 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der<br />

Forschungsergebnisse insbesondere für KMU und industrielle<br />

Anwendungsmöglichkeiten ..................................................................................... 68<br />

8 Verwendung der Zuwendung ................................................................................... 70


Seite 3 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20424 BG<br />

9 Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeit ................................. 71<br />

10 Ergebnistransfer in die Wirtschaft ........................................................................... 73<br />

11 Durchführende Forschungseinrichtungen ............................................................. 77<br />

12 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 78


Seite 7 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20424 BG<br />

3 Einleitung<br />

3.1 Wissenschaftlich-technische Problemstellung<br />

Der Schutz von Personen vor möglichen Gefährdungen durch elektrische, magnetische und<br />

elektromagnetische Felder findet sowohl für den Bereich der Öffentlichkeit als auch an<br />

beruflichen Arbeitsplätzen Beachtung. Das Widerstandsschweißen als Hochstrom-<br />

Fügeverfahren ist, bedingt durch das Auftreten hoher elektrischer Ströme und damit<br />

verbunden intensiver Magnetfelder, besonders betroffen. Bediener von<br />

Widerstandsschweißeinrichtungen halten sich typischerweise in unmittelbarer Nähe des<br />

Schweißfensters auf und werden den Wirkungen eines starken magnetischen Feldes<br />

ausgesetzt. Gemäß Induktionsgesetz entsteht im menschlichen Körper ein elektrisches Feld,<br />

wenn er sich in einem Magnetfeld, das sich zeitlich ändert, befindet oder sich in einem<br />

Magnetfeld bewegt. Da alle menschlichen Gewebe eine elektrische Leitfähigkeit aufweisen,<br />

entstehen elektrische Ströme in Richtung der elektrischen Felder. Die Gefahr durch<br />

einwirkende magnetische (oder auch elektrische) Felder im Frequenzbereich von 1 Hz bis<br />

mehrere kHz liegt in der Reizwirkung auf Nerven, welche sich beispielsweise durch<br />

Muskelzuckungen oder visuelle Lichterscheinungen im Auge des Betroffenen, sogenannte<br />

Magnetophosphene, äußern.<br />

Die International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) veröffentlichte<br />

im Jahr 1998 Richtlinien [1] mit Grenzwerten für Feldexpositionen sowohl für Arbeitsplätze als<br />

auch für den öffentlichen Bereich. Die darin enthaltenen Festlegungen beeinflussten in den<br />

Folgejahren nationale Regelwerke, wie die in Deutschland bisher gültige DGUV Vorschrift 15<br />

(ehemals BGV B11 [2]). Diese enthält sogenannte Basisgrenzwerte, welche die maximal<br />

zulässigen Stromdichten im Körper in Abhängigkeit von der Frequenz festlegen und bei deren<br />

Einhaltung das Auftreten von Reizwirkungen im Körper verhindert wird. Aufgrund der<br />

fehlenden Möglichkeit diese Körperstromdichten direkt zu messen, wurden, unter<br />

Einbeziehung von Sicherheitsfaktoren, abgeleitete Werte bzw. Referenzwerte eingeführt,<br />

welche die Grenzwerte für direkt messbare Größen der einwirkenden Felder (wie die<br />

Magnetflussdichte bei Magnetfeldern) darstellen. Im Jahr 2010 veröffentlichte ICNIRP neue<br />

Richtlinien [3] für den Niederfrequenzbereich unter 100 kHz mit neuen Basisgrenzwerten und<br />

Referenzwerten, welche die 1998 veröffentlichten Werte ersetzten. Abweichend von den 1998-<br />

Werten sind die Basisgrenzwerte nicht mehr auf die Körperstromdichte bezogen, sondern auf<br />

die körperinternen elektrischen Feldstärken.<br />

In Deutschland hat sich, ausgehend von den berufsgenossenschaftlichen Regelwerken (BGV<br />

B 11, BGI 5011 [4]) die Bewertung von Arbeitsplätzen mit auftretenden Magnetfeldern unter<br />

Nutzung der Referenzwerte etabliert. Bei Anwendungen mit hohen magnetischen Feldern, wie<br />

sie beim Widerstandsschweißen auftreten, können diese konservativ abgeleiteten<br />

Referenzwerte jedoch überschritten werden. In diesem Falle ist die Expositionssituation<br />

trotzdem zulässig, wenn die Einhaltung der Basisgrenzwerte nachgewiesen werden kann. Die<br />

Einhaltung der Basisgrenzwerte im Körper kann nur durch numerische Simulationen überprüft<br />

werden, da eine klassische Messung nicht möglich ist. Eine solche Simulation von<br />

elektromagnetischen Feldern (EMF) ist sehr aufwändig. Neben dem benötigten Fachwissen<br />

zur Messung und Simulation von EMF ist die Simulation selbst mit einem hohen zeitlichen<br />

Aufwand und Anschaffungskosten für Simulationssoftware und -Hardware verbunden. Speziell<br />

in Anbetracht der Vielfalt der Expositionssituationen wie auch der konstruktiven und


Seite 8 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20424 BG<br />

elektrischen Ausführungsvarianten der Widerstandsschweißeinrichtungen ist ein solcher<br />

Aufwand sowohl fachlich als auch finanziell und personell von Unternehmen, insbesondere<br />

von KMU, kaum zu erbringen.<br />

Vor diesem Hintergrund und ausgehend von dem zu dieser Zeit durch die BGV B11 (mit<br />

heutiger Bezeichnung DGUV Vorschrift 15) vorgegebenen Bewertungsmodus wurde in dem<br />

Forschungsvorhaben AiF Nr. 16776 BR ein Referenzsystem erstellt [5]. Mit dem<br />

Referenzsystem wird dem Nutzer die Bewertung von ausgewählten Expositionssituationen<br />

durch den Abruf von Werten der elektrischen Feldstärke im Körper aus einer Datenbank<br />

ermöglicht. Die Feldstärkewerte basieren auf numerischen Feldsimulationen, welche bei<br />

Erstellung des Referenzsystems durchgeführt und unter Verwendung eines menschlichen<br />

Körpermodells berechnet wurden.<br />

Mit der Veröffentlichung des Bundesgesetzblattes [6] erfolgte im November 2016 in Form der<br />

EMF-Verordnung (EMFV) die Umsetzung der EU-Richtlinie 2013/35/EU [7] in deutsches<br />

Recht, womit zukünftig die bisher geltende DGUV Vorschrift 15 ersetzt werden soll. Damit<br />

verbunden gilt jetzt eine veränderte Terminologie d.h. Referenzwerte sind nun<br />

Auslöseschwellen (AS) und Basisgrenzwerte nun Expositionsgrenzwerte (EGW), siehe Bild 1.<br />

Abbildung 1 - Grenzwertcharakterisierungen der EU-Richtlinie und EMF-Verordnung und<br />

Expositionsbereichsunterteilungen der bisherigen DGUV Vorschrift 15 [8] (Die Bezeichnungen der<br />

Grenzwerte und Auslöseschwellen beziehen sich jeweils auf die darüber angeordnete Linie.)<br />

Bei den Expositionsgrenzwerten werden Grenzwerte für sensorische Wirkungen und<br />

Grenzwerte für gesundheitliche Wirkungen unterschieden. Bezüglich magnetischer Felder ist<br />

die untere Auslöseschwelle vom Expositionsgrenzwert für sensorische Wirkungen und die<br />

obere Auslöseschwelle vom Expositionsgrenzwert für gesundheitliche Wirkungen abgeleitet<br />

[6].<br />

Weiterhin ergeben sich aus der Umsetzung der Verordnung erhebliche Neuerungen bei der<br />

Expositionsbewertung zum Schutz von Arbeitnehmern vor Gefährdungen durch EMF.


Seite 9 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20424 BG<br />

Aufgrund der gepulsten Stromverläufe bei Widerstandsschweißanlagen entstehen<br />

Magnetfelder mit mehreren Frequenzanteilen, welche nicht direkt mit frequenzabhängigen<br />

Grenzwerten verglichen werden können. Die neue Richtlinie fordert die Anwendung der<br />

Bewertungsmethode der gewichteten Spitzenwerte (engl.: Weighted Peak Method, WPM),<br />

welche sich von der bisher in Deutschland üblichen Zeitbereichs-Bewertungsmethode (ZBM)<br />

für gepulste Felder nach DGUV Vorschrift 15 unterscheidet. Die Richtlinie lässt die Möglichkeit<br />

offen, alternative, wissenschaftlich validierte Methoden anzuwenden, solange diese<br />

„annähernd gleichwertige und vergleichbare Ergebnisse“ wie die WPM liefert. Bei<br />

Verabschiedung der EU-Richtlinie wurde zur Anwendung der WPM die Erarbeitung eines<br />

erläuternden Leitfadens [9] beschlossen, welcher Details zur Anwendung und zum Vergleich<br />

der Methoden enthalten soll. Auch nach Veröffentlichung des Leitfadens herrscht jedoch keine<br />

Klarheit über die Anwendung der als konservativ bewertend geltenden WPM und die<br />

Auswirkungen auf die Bewertung von Widerstandsschweißanlagen. Ein umfassender<br />

Vergleich zwischen der WPM und der ZBM, welche in der DGUV Vorschrift 15 beschrieben<br />

ist, wurde für Widerstandsschweißanlagen bisher noch nicht durchgeführt.<br />

Somit liegen für das Widerstandsschweißen, bei dem intensive Magnetfelder auftreten, in<br />

Zusammenhang mit der neuen Vorschriftenlage weder klare Verhältnisse hinsichtlich der<br />

Bewertung der Exposition durch die einwirkenden Magnetfelder noch ein aufwandsminimal zu<br />

nutzendes Bewertungswerkzeug bezüglich der im Körper des Arbeitnehmers auftretenden<br />

elektrischen Feldstärken vor.<br />

3.2 Wirtschaftliche Bedeutung der angestrebten Forschungsergebnisse für<br />

KMU<br />

Der Nachweis der elektromagnetischen Umweltverträglichkeit (EMVU) ist eine der<br />

Bedingungen für den Einsatz von Widerstandsschweißeinrichtungen an Arbeitsplätzen in<br />

diversen Wirtschaftszweigen. Dieses Forschungsvorhaben soll mit der Fertigstellung eines<br />

weiterentwickelten Referenzsystems abschließen, welches insbesondere KMU beim<br />

Nachweis der EMVU entscheidend entlastet. Durch Nutzung des geplanten,<br />

weiterentwickelten Referenzsystems werden Hersteller und Anwender von<br />

Widerstandsschweißeinrichtungen (zumeist KMU) in allen, in 2.1 dargelegten<br />

Problemstellungen entlastet. Die Notwendigkeit für eigene EMF-Expositionssimulationen<br />

entfällt durch die Möglichkeit der Abfrage der entsprechenden Einträge aus der Datenbank<br />

des Referenzsystems. Der zeitliche Aufwand wird auf ein Minimum reduziert und finanzielle<br />

Aufwendungen sollen entfallen durch eine kostenlose Bereitstellung des Referenzsystems auf<br />

der Internetpräsenz der Berufsgenossenschaften. Die Einbindung der neuen Regelwerke<br />

ermöglicht einen vorschriftenkonformen Nachweis der EMVU in den Unternehmen. Durch eine<br />

Analyse der Bewertungsmethoden (WPM und ZBM) für gepulste Magnetfelder und die<br />

Bereitstellung der Ergebnisse von Feldsimulationen bezüglich der im menschlichen Körper<br />

auftretenden Gewebefeldstärken wird vermieden, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie durch<br />

ungerechtfertigt konservative Vorgaben zu Restriktionen am Arbeitsplatz und zu<br />

unbegründeten Einschränkungen der Anwendbarkeit des Widerstandsschweißens führt ohne<br />

dass dabei die Sicherheit der Arbeitnehmer vor Gefährdungen durch elektromagnetische<br />

Felder eingeschränkt wird.<br />

Im Zuge von Vorabstimmungen zum vorliegenden Forschungsantrag hat sich bereits eine<br />

Gruppe aus Vertretern von KMU und daneben auch Experten aus den betroffenen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!